<front>
  <titlePage xml:id="bs_f_tp">
    <pb edRef="#f" type="sp" n="I"/>
    <docAuthor><choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice>
      <index indexName="persons-index">
        <term>Semler, Johann Salomo</term>
      </index><persName ref="textgrid:250ds">Joh. Salomo
                    Semlers</persName></docAuthor>
    <titlePart type="main"><lb/>
      <choice>
        <orig><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_tp_1"/>letztes
                            <lb/>Glaubensbekenntniß <lb/>über <lb/>natürliche und christliche
                            Religion.</orig>
        <supplied reason="toc-title">f) D. Joh. Salomo Semlers letztes
                            Glaubensbekenntniß über natürliche und christliche Religion</supplied>
        <supplied reason="column-title">Semler, Letztes Glaubensbekenntniß,
                            1792</supplied>
      </choice></titlePart>
    <lb/>
    <byline>Mit einer Vorrede <lb/>herausgegeben <lb/>von <lb/><index indexName="persons-index">
        <term>Schütz, Christian Gottfried</term>
      </index><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_tp_2"/><persName role="editor" ref="textgrid:2530f">Chr. Gottfr. Schütz.</persName></byline>
    <lb/>
    <docImprint>Königsberg, <lb/>bey <index indexName="persons-index">
        <term>Nicolovius, Friedrich</term>
      </index><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_tp_3"/><persName ref="textgrid:3r68g">Friedrich Nicolovius</persName>
      <lb/><docDate>1792</docDate>.<ptr type="bibliographic-object" target="textgrid:3rnsb"/></docImprint>
  </titlePage>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_tp_1"><label>letztes
                    Glaubensbekenntniß über natürliche und christliche Religion</label>
    <p>Der (irreführende) Titel des postum erschienenen Werks geht nicht auf Semler
                    selbst zurück, sondern wurde vom Herausgeber Schütz (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_f_tp_2"/>) – wohl in Anlehnung an Bahrdts Skandalschrift –
                    gewählt; vgl. <ref target="#bs_f_page_VII">fVII</ref>. – <hi>Semlers letztes
                        Glaubensbekenntniß</hi> war nicht das einzige voluminöse Werk, das aus
                    seinem Nachlass herausgegeben wurde: Nösselt (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_4"/>) veröffentlichte im selben Jahr eine 350
                    Seiten starke Schrift Semlers über den 1. Johannesbrief (<hi>Paraphrasis in
                        primam Ioannis epistolam</hi>, 1792).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_tp_2"><label>Chr. Gottfr.
                    Schütz</label>
    <p>Der Theologe, Philosoph und Altphilologe Christian Gottfried Schütz (1747–1832)
                    war ein Schüler Semlers und Georg Friedrich Meiers. 1769 wurde er Inspektor am
                    Theologischen Seminar in Halle, 1773 außerordentlicher, 1777 ordentlicher
                    Professor für Philosophie, 1779 wechselte er als Professor für Dichtkunst und
                    Beredsamkeit nach Jena, bevor er schließlich 1804 als Professor für
                    Literaturgeschichte nach Halle zurückkehrte. Im Streit zwischen Semler und
                    Bahrdt/Trapp (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_11"/>)
                    bezog er öffentlich Stellung für seinen Lehrer (<hi>Geschichte des
                        Erziehungsinstituts bei dem theol. Seminarium zu Halle [...] zur Apologie
                        des Herrn D. Semler</hi>, 1781). Heute ist Schütz vor allem als früher
                    Anhänger und Popularisator der kritischen Philosophie Kants bekannt, der er als
                    Mitherausgeber des Rezensionsorgans <hi>Allgemeine Literatur-Zeitung</hi>
                    (1785–1849) ein wichtiges Forum bot.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_tp_3"><label>Friedrich
                    Nicolovius</label>
    <p>Matthias Friedrich Nicolovius (1768–1836) erlangte Berühmtheit als Verleger von
                    Immanuel Kants Schriften. Nach Lehrjahren bei Johann Friedrich Hartknoch
                    (1740–1789) in Riga eröffnete er 1790 eine Verlags- und Sortimentsbuchhandlung
                    in Königsberg. 1818 musste er seine Buchhandlung an die Brüder Friedrich
                    (1787–1866) und Ludwig Bornträger (1788–1843) verkaufen, die das Geschäft unter
                    ihrem Namen weiterführten.</p></note>
  <pb xml:id="bs_f_page_II" edRef="#f" type="sp" n="II"/>
  <div type="preface" xml:id="bs_f_pf">
    <head><pb xml:id="bs_f_page_III" edRef="#f" type="sp" n="III"/>
      <choice>
        <orig>Vorrede.</orig>
        <supplied reason="toc-title">Vorrede</supplied>
      </choice></head>
    <p>Mit wehmüthigem Vergnügen übernahm ich den Auftrag, die letzte Schrift meines
                    unvergeßlichen Lehrers, des seligen <persName ref="textgrid:250ds"><hi>Semler</hi></persName>, zum Druck zu befördern; und
                    um so mehr, da gerade diese Schrift seinen so oft und in so mancherley Beziehung
                    geäußerten Grundsätzen das Siegel aufdrückt, und einen ganz unwidersprechlichen
                    Beweis enthält, daß er seine Ueberzeugungen von der eigentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, Bestimmung der christlichen</term>
      </index>Bestimmung der christlichen Religion bis an sei<pb xml:id="bs_f_page_IV" n="IV" edRef="#f"/>nen Tod nicht verläugnet, oder abgeändert habe.</p>
    <p>Es war eine Zeit, wo <persName ref="textgrid:250ds"><hi>Semler</hi></persName> bey vielen in den Verdacht gerieth, daß Er,
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_1"/>unleugbar der erste
                    lutherische Theolog unsers Jahrhunderts, welcher von der langen Anhänglichkeit
                    an ein festes dogmatisches System, abzugehen wagte, und der freyen Untersuchung
                    des Lehrbegriffs eine neue Bahn eröffnete, dennoch wieder von seinen eignen
                    Prinzipien abgegangen sey, oder doch das <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_2"/>an andern getadelt habe, was er sich selbst für erlaubt
                    gehalten.</p>
    <p>An diesem Verdachte war sein Herz und seine <index indexName="subjects-index">
        <term>Denkart</term>
      </index>Denkart, wie ich immer überzeugt gewesen bin, ganz unschuldig; von
                    seiner Seite gab dazu, die Eigenthümlichkeit seiner <index indexName="subjects-index">
        <term>Schreibart</term>
      </index>Schreibart, und von Seiten derjenigen, die ihn falsch beurtheilten,
                    Mißverstand Anlaß.</p>
    <p><persName ref="textgrid:250ds">Semler</persName> hatte <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_3"/>bey der
                    erstaunlichen Lektüre in die er sich von Jugend auf geworfen, nie einen
                    eigentlichen Fleiß auf Politur des <pb xml:id="bs_f_page_V" n="V" edRef="#f"/>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Stil (Semlers)</term>
      </index>Stils gewandt; hatte, weil ihn hauptsächlich alte Literatur und das
                    unermeßliche Feld der Geschichte beschäftigte, nie sich Zeit genommen, zu einer
                    philosophischen Präcision in der Anordnung und in dem Ausdrucke seiner Gedanken
                    sich zu gewöhnen. Daher konnte es nicht fehlen, daß man ihm oft Inconsequenzen
                    zur Last legte, die es bey ihm wirklich nicht waren. Das Feuer seines Geistes,
                    und sein außerordentlich großes Gedächtniß, verleiteten ihn, jenes zu einer
                    unglaublichen Schnelligkeit in schriftlichen Arbeiten, dieses zu einem etwas zu
                    großen Vertrauen in die Sicherheit seiner Citaten, und in die Bündigkeit seiner
                    Gedanken, die sich, wie er meinte, auf dem Papiere von selbst ergeben würde, so
                    wie er sich derselben innerlich bewußt war. Daher konnte es nicht fehlen, daß
                    man oft in den von ihm angeführten Stellen das nicht fand, was er darin gefunden
                    zu haben versicherte; und daß man oft <index indexName="subjects-index">
        <term>Widersprüche (Semlers)</term>
      </index>Widersprüche unter seinen Grundsätzen und Meinungen fand, die, wenn man
                    sich Zeit nahm, ihn recht zu verstehn, wieder verschwanden.</p>
    <p><pb xml:id="bs_f_page_VI" n="VI" edRef="#f"/> Wenn man nun aber besonders in
                    Ansehung seiner Vorstellungen vom Wesentlichen der christlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Wesen der christlichen Religion</term>
      </index>Religion, und von der <index indexName="subjects-index">
        <term>freimütig</term>
      </index>freymüthigen Untersuchung des dogmatischen Lehrbegriffs, seit der Zeit
                    besonders, als Herr <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice> <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName> sich nach <index indexName="subjects-index">
        <term>Halle (Bahrdt in)</term>
      </index>Halle wandte, hie und da geglaubt hat, er habe entweder aus Animosität,
                    oder weil er sich eingebildet habe, daß die Freyheit der Untersuchung
                    übertrieben werde, und, um nicht zu weit zu gehn, eher ein paar Schritte wieder
                    zurück thun müsse, seine vorigen Grundsätze verlassen, so lag dieser Mißverstand
                    noch mehr an der Uebereilung derjenigen, die ihn so beurtheilten, als an seiner
                    eignen Art des <index indexName="subjects-index">
        <term>Vortrags, Art des</term>
      </index>Vortrags.</p>
    <p>Nirgends ist er von dem Grundsatze, daß die <index indexName="subjects-index">
        <term>Untersuchung, freie</term>
      </index><hi>Untersuchung</hi> frey bleiben müsse, auch nur im geringsten
                    abgewichen; aber die Keckheit der Entscheidungen und das <hi>despotische
                        Aufdringen</hi> seiner Meinungen, das war es, was er immer unleidlich fand,
                    und was er aus <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdts</persName> Veranlassung nicht zuerst, wohl aber seitdem dieser in
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Halle (Bahrdt in)</term>
      </index>Halle zu schreiben anfieng, ungleich öfter <pb xml:id="bs_f_page_VII" n="VII" edRef="#f"/> und lebhafter bestritt. Wo er Unkunde der Geschichte
                    fand, bey Untersuchungen, die doch nicht blos philosophisches Raisonnement,
                    sondern Kenntniß der Begebenheiten und Studium historischer Quellen
                    voraussetzten, da schien es oft, als ob er den Schlußsätzen selbst widerspräche,
                    indem er bloß der <index indexName="subjects-index">
        <term>Methode</term>
      </index>Methode, dazu zu gelangen, sich entgegensetzte. Wo er trotziges
                    Absprechen, oder intolerante <index indexName="subjects-index">
        <term>Rechthaberei</term>
      </index>Rechthaberey wahrnahm, da drückte er seinen Widerwillen oft so aus, als
                    ob er eben so wohl gegen den Stoff und Inhalt, als gegen die Form gewisser
                    Aeußerungen, und gegen die unsittliche Art sie anzubringen eingenommen wäre.
                    Hieraus ist auch <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_4"/>die Art
                    seiner Bestreitung des Wolfenbüttelschen Fragmentisten zu erklären, der sonst,
                    wenn es auf die bloßen trocknen Folgesätze ankam, mit ihm in sehr vielen Punkten
                    offenbar zusammenstimmte.</p>
    <p>In gegenwärtiger Schrift nun, die er ganz vollendet, wiewohl ohne Titel, den ich
                    selbst erst habe vorsetzen müssen, hinterlassen hat, finden sich seine Gedanken
                    über das <pb xml:id="bs_f_page_VIII" n="VIII" edRef="#f"/> Verhältniß der
                    christlichen und natürlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion</term>
      </index>Religion ungleich dichter zusammengedrängt, besser geordnet, und
                    lichtvoller dargestellt, als ich sie sonst bey ihm gefunden habe; und sie
                    enthält vortrefliche Wahrheiten, die, wenn sie auch für gelehrte und <index indexName="subjects-index">
        <term>selbstdenkend</term>
      </index>selbstdenkende Leser nichts Neues enthalten, doch nicht nur in Rücksicht
                    auf den Mann, der sie vorträgt, ein neues Interesse gewinnen, sondern auch nicht
                    oft genug wiederholt werden können; am wenigsten ist ihre Wiederholung in unsern
                    Tagen überflüßig, wo es fast das Ansehen hat, als ob einige, wenn auch
                    wohlmeinende, doch gewiß übel unterrichtete Leute, um einer, ich weiß nicht wo
                    existirenden <index indexName="subjects-index">
        <term>Rotte</term>
      </index>Rotte von Leuten, die das Christenthum untergraben wollen, entgegen zu
                    arbeiten, damit umgehn, das Kleinod der freyen und <index indexName="subjects-index">
        <term>vernünftig</term>
      </index>vernünftigen <index indexName="subjects-index">
        <term>Prüfung</term>
      </index>Prüfung in Religionssachen, was selbst itzt viele verständige Männer in
                    der katholischen Kirche zu schätzen anfangen, uns Protestanten zu entreißen, und
                    uns einer überlieferten Glaubensnorm, <choice>
        <abbr>d. h.</abbr>
        <expan>das heißt</expan>
      </choice> einer päpstlichen Tradition zu unterwerfen; was denn freylich, so
                    lange sie uns <index indexName="subjects-index">
        <term>Vernunft</term>
      </index>Vernunft und <index indexName="subjects-index">
        <term>Schrift</term>
      </index>Schrift nicht <pb xml:id="bs_f_page_IX" n="IX" edRef="#f"/> nehmen
                    können, unmöglich gelingen kann, und wenn sie auch, was einige bereits in
                    Kammern thun sollen, den Herrn <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesum Christum</persName> auf
                    öffentlichen Plätzen <hi>leibhaftig</hi> erscheinen ließen.</p>
    <p>Diese ganze Schrift lehrt, wie sehr der verewigte <persName ref="textgrid:250ds">Semler</persName> von der großen Wahrheit
                    überzeugt war, die in <index indexName="persons-index">
        <term>Lessing, Gotthold Ephraim</term>
      </index><persName ref="textgrid:25dnd">Lessings</persName> Nathan so
                    unübertreflich ausgedrückt ist: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_5"/><lg rend="margin-horizontal">
        <l>Daß <hi>Ergebenheit</hi> in Gott</l>
        <l>Von unserm <hi>Wähnen</hi> über Gott</l>
        <l>So ganz und gar nicht abhängt.</l>
      </lg> Daher zeigt sich <persName ref="textgrid:250ds">Semler</persName> gleich <index indexName="subjects-index">
        <term>billig</term>
      </index>billig gegen <index indexName="subjects-index">
        <term>orthodox</term>
      </index>orthodoxe und <index indexName="subjects-index">
        <term>heterodox</term>
      </index>heterodoxe Christen, gegen Christen und <index indexName="subjects-index">
        <term>Naturalisten</term>
      </index>Naturalisten, gegen Naturalisten und <index indexName="subjects-index">
        <term>Fanatiker</term>
      </index>Fanatiker.</p>
    <p>Ihm ist es <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_6"/><quote corresp="#quote_bs_f9">der allererste Grundsatz der christlichen Religion, (<choice>
          <abbr>S.</abbr>
          <expan>Seite</expan>
        </choice>
        <ref target="#bs_f_page_9">9.</ref>) daß ein und derselbe <index indexName="subjects-index">
          <term>Gott, Herr aller Menschen</term>
        </index>Gott aller Menschen und Völker Herr und Vater sey, daß er nicht auf
                        die äußerlichen Umstände sehe, wodurch sich Ju<pb xml:id="bs_f_page_X" n="X" edRef="#f"/>den von andern Völkern ganz unmoralisch unterscheiden,
                        sondern das Thun und Lassen der Menschen nach dem Maaße ihrer Erkenntniß vom
                        Guten und Bösen beurtheile.</quote> Wenn man niemals mehr als diesen
                    Grundsatz, verbunden mit der höchst reinen und vernünftigen <index indexName="subjects-index">
        <term>Sittenlehre</term>
      </index>Sittenlehre Christi für nöthig gehalten hätte, um jemanden einen <index indexName="subjects-index">
        <term>Christianer</term>
      </index>Christianer zu nennen, was für Unglück, welche abscheuliche Scenen des
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Verfolgungsgeist</term>
      </index>Verfolgungsgeistes in der christlichen Kirche wären der Menschheit
                    erspart worden!</p>
    <p><persName ref="textgrid:250ds"><hi>Semler</hi></persName> läßt ausser obigen Grundsatze keinen einzigen sogenannten <index indexName="subjects-index">
        <term>Fundamentalartikel</term>
      </index>Fundamentalartikel der Dogmatik als einen nothwendigen Glaubensartikel
                    gelten, den man durchaus annehmen und behaupten müsse, wenn man nicht auf den
                    Namen eines Christen Verzicht leisten wolle; nicht <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_7"/>die Lehre von der <index indexName="subjects-index">
        <term>Dreieinigkeit</term>
      </index>Dreyeinigkeit, nicht die Lehre von der <index indexName="subjects-index">
        <term>Inspiration</term>
      </index>Inspiration der Bücher des <choice>
        <abbr>A.</abbr>
        <expan>Alten</expan>
      </choice> oder <choice>
        <abbr>N.</abbr>
        <expan>Neuen</expan>
      </choice> Testaments, nicht die, von der stellvertretenden <index indexName="subjects-index">
        <term>Genugtuung, stellvertretende</term>
      </index>Genugthuung Christi; aber er behauptet auch, daß es dem wahren Geiste
                    des Christenthums nichts schade, wenn man <pb xml:id="bs_f_page_XI" n="IX[!]" edRef="#f"/> alle diese <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrsätze</term>
      </index>Lehrsätze annehme; er besteht darauf, daß sich derjenige, der sie
                    annimmt, und der, so sie verwirft, beide einander tragen und keiner den andern
                    mit den schimpflichen Benennungen von Dummköpfen, Fantasten, oder Ketzern und
                    Ungläubigen belegen solle.</p>
    <p>Daher bin ich überzeugt, daß er auch demjenigen Naturalisten, der die <index indexName="subjects-index">
        <term>Sittenlehre</term>
      </index>Sittenlehre <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, und die große Lehre
                    von dem allgemeinen Antheil aller Menschen an Gottes Gnade, nicht auf <index indexName="subjects-index">
        <term>Autorität</term>
      </index>Autorität, sondern aus Gründen der <index indexName="subjects-index">
        <term>Vernunft</term>
      </index>Vernunft annimmt, den Namen <hi>eines Christen</hi> nicht abgesprochen
                    haben würde; nur denket er sich oft unter <index indexName="subjects-index">
        <term>Naturalisten</term>
      </index><hi>Naturalisten</hi> Leute, welche andere zu Annahme ihrer Meynungen
                    mit einer Art von Gewalt bewegen, oder die öffentliche, bürgerliche Form der
                    Religion eigenmächtig stürmen wollen. Gegen diese <index indexName="subjects-index">
        <term>Anmaßung</term>
      </index>Anmaßungen erklärt er sich so laut und ernsthaft, als ihm immer möglich
                    ist.</p>
    <p>Daher seine so oftmal wiederholte, so lebhaft eingeschärfte Behauptung des
                        <hi>Un</hi><pb xml:id="bs_f_page_XII" n="XII" edRef="#f"/><hi>terschiedes</hi> zwischen <hi>öffentlicher</hi> und <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatreligion</term>
      </index><hi>Privat-Religion</hi>. Vergleicht man die in gegenwärtiger Schrift
                    darüber vorkommenden zerstreuten Stellen, so bleibt mir kein Zweifel übrig, daß
                    er hierinnen nicht auch seine Ideen völlig aufs Reine gebracht, und immer
                    consequent gedacht habe, wenn er gleich sie nirgend so gut geordnet, und so
                    bestimmt ausgedrückt hat, als es neuerlich unter andern, und vielleicht vor
                    allen andern mein theurester Freund und College <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_8"/><choice>
        <abbr>Prof.</abbr>
        <expan>Professor</expan>
      </choice>
      <index indexName="persons-index">
        <term>Hufeland, Gottlieb</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:25407">Hufeland</persName></hi> gethan <ref target="#bs_f_preface_note1">*)</ref>. Kann man sich stärker darüber
                    herauslassen, als wenn <persName ref="textgrid:250ds">Semler</persName> <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_9"/><choice>
        <abbr>S.</abbr>
        <expan>Seite</expan>
      </choice>
      <ref target="#bs_f_page_70">70.</ref>
      <choice>
        <abbr>u.</abbr>
        <expan>und</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>f.</abbr>
        <expan>folgende</expan>
      </choice> in dieser Schrift sagt: daß wenn irgend eine christliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsparteien</term>
      </index>Religionsparthey sage, sie hätte ganz allein die christliche Religion im
                    Besitz, und auch ganz allein das Recht, eine ewige Seeligkeit von Gott zu
                    erwarten, alle andern Menschen aber, auch alle andern christlichen Familien oder
                    Partheyen, (also auch <index indexName="subjects-index">
        <term>Sozinianer</term>
      </index>Socinianer oder andere, <pb xml:id="bs_f_page_XIII" n="XIII" edRef="#f"/> die in den Lehren von der Dreyeinigkeit, vom Abendmal, von <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> Versönung nicht auf
                        <index indexName="persons-index">
        <term>Hutter, Leonhard</term>
      </index><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_11"/><persName ref="textgrid:3r681">Hutters</persName> oder <index indexName="persons-index">
        <term>Beyer, Johann Rudolph Gottlieb</term>
      </index><persName ref="textgrid:250d9">Beyers</persName> Compendium geschworen
                    hätten) keine wahre christliche Religion, keinen Anspruch an <index indexName="subjects-index">
        <term>Liebe Gottes</term>
      </index>Gottes Liebe und Gnade hätten, solches eine sehr rohe, ganz unmoralische
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Anmaßung</term>
      </index>Anmaßung, ein grober Irrthum, eine grobe Unwissenheit der allerersten
                    christlichen Grundsätze sey: ja daß diejenigen, die andre zu ihrer Religionsform
                    zwingen wollen, eben dadurch beweisen, daß sie selbst die wahre, geistliche oder
                    vollkommnere Verehrung Gottes wissentlich verläugnen oder unterdrücken
                    wollen.</p>
    <note place="bottom" xml:id="bs_f_preface_note1">*) In der Schrift: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_10"/><hi>Ueber das Recht
                        protestantischer Fürsten unabänderliche Lehrvorschriften festzusetzen und
                        über solchen zu halten</hi>. Jena 1788.<ptr type="bibliographic-object" target="textgrid:3rnrn"/></note>
    <p>Wenn <persName ref="textgrid:250ds">Semler</persName> nun hierbey auf symbolische Bücher und festgesetzte kirchliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrbegriff</term>
      </index>Lehrbegriffe zu sprechen kam, so war er weit davon entfernt anzunehmen,
                    daß diese <index indexName="subjects-index">
        <term>symbolische Bücher</term>
      </index>symbolischen Bücher unter den Protestanten, wie sich mancher ganz
                    fälschlich einbildet, beständige ein für allemal festgesetzte <index indexName="subjects-index">
        <term>Normen</term>
      </index>Normen seyen, von denen weder Lehrer noch Gemeinden abweichen dürften.
                    Er kannte den Geist des <index indexName="subjects-index">
        <term>Protestantismus</term>
      </index>Protestantismus viel zu gut, als daß ihm hätte <pb xml:id="bs_f_page_XIV" n="XIV" edRef="#f"/> einfallen <choice>
        <sic>lönnen</sic>
        <corr type="editorial">können</corr>
      </choice> so etwas zu behaupten. Er stimmte gewiß vollkommen mit demjenigen
                    überein, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_12"/>was neuerlich
                    wieder <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice>
      <index indexName="persons-index">
        <term>Rosenmüller, Ernst Friedrich Karl</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:253tj">Rosenmüller</persName></hi> so
                    trefflich auseinander gesetzt hat, und was jedes wahren Protestanten, zumal
                    jedes vernünftigen Lutheraners Grundsatz seyn muß, daß die <index indexName="subjects-index">
        <term>Freiheit</term>
      </index>Freyheit fernerhin die Schrift zu untersuchen, und der beständige
                    Gebrauch der <index indexName="subjects-index">
        <term>Vernunft</term>
      </index>Vernunft in Glaubenssachen der wahre Charakter des <index indexName="subjects-index">
        <term>Protestantismus</term>
      </index>Protestantismus sey. Er wußte, daß Glaubensbekenntnisse und <index indexName="subjects-index">
        <term>symbolische Bücher</term>
      </index>symbolische Bücher provisorisch und zu guter äußerlicher Ordnung für
                    eine unbestimmte Zeit entworfen werden, daß die Gemeinden oder Kirchen sie
                    annehmen, und von der Obrigkeit sanctioniren lassen, ohne deswegen ihr
                    unveräußerliches Recht an die stete Verbesserung und <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrbegriffs, Berichtigung des</term>
      </index>Berichtigung ihres Lehrbegriffs aufzugeben. Dahingegen verwarf er wie
                    billig, die <index indexName="subjects-index">
        <term>Anmaßung</term>
      </index>Anmaßung einzelner Personen, christliche Religionsgesellschaften in
                    ihrem Glauben gewaltsam stören zu wollen.</p>
    <p>Nur gerade hier fehlte es seinem Raisonnement noch an der nöthigen Vollständig<pb xml:id="bs_f_page_XV" n="XV" edRef="#f"/>keit und Bestimmtheit. Denn 1.
                    setzte er bey den <index indexName="subjects-index">
        <term>Naturalisten</term>
      </index>Naturalisten zuweilen voraus, daß sie die christliche Religion gewaltsam
                    verdrängen oder aufheben wollten. Dazu fehlte es gleichwohl an aller
                    historischer Veranlassung. Selbst wenn einige <index indexName="subjects-index">
        <term>schwärmerisch</term>
      </index>schwärmerische und unbehutsame Pocher, wie <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice> <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName> <choice>
        <abbr>z. B.</abbr>
        <expan>zum Beispiel</expan>
      </choice> geradehin entscheiden wollten, eine positive <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, positive</term>
      </index>Religion, wenn auch ihre <index indexName="subjects-index">
        <term>Sittenlehre</term>
      </index>Sittenlehre noch so rein wäre, sey zu gar nichts nütze, oder wenn sie
                    behaupteten: die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_13"/>Gottesverehrung müsse durchaus ganz rein <index indexName="subjects-index">
        <term>deistisch</term>
      </index>deistisch seyn; so hatten sie ja damit immer noch keine Gewaltthätigkeit
                    ausgeübt; sie hatten ja blos einen Einfall debitirt, an den sich weder Clerici
                    noch Laici zu kehren brauchen. Im Ernste sieht man auch gar nicht ein, wozu der
                    Naturalist in den protestantischen Kirchen es nöthig hätte, auf eine solche
                    zufahrende, geschweige denn eigenmächtige und gewaltsame Veränderung des
                    öffentlichen sogenannten <index indexName="subjects-index">
        <term>Gottesdienst</term>
      </index>Gottesdienstes zu verfallen. Niemand zwingt ihn ja, wenn er nicht will,
                    in die Kirche zu gehn; niemand fodert ihm Beichtzettel ab; und wenn ihm die
                    christlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Sakramente</term>
      </index>Sakramente bloße <index indexName="subjects-index">
        <term>Zeremonien</term>
      </index>Ceremonien <pb xml:id="bs_f_page_XVI" n="XVI" edRef="#f"/> scheinen, so
                    müßte er ja sehr unklug, ja wirklich toll und rasend seyn, einen Lärm im Staate
                    darüber anzufangen, damit diese Ceremonien, die einmal eingeführt sind,
                    abgeschafft, und noch dazu eben durch diese Abschaffung eine Menge Leute, denen
                    jene <index indexName="subjects-index">
        <term>Sakramente</term>
      </index>Sakramente ungleich mehr sind, als bloße <index indexName="subjects-index">
        <term>Zeremonien</term>
      </index>Ceremonien, geärgert und gekränkt würden. Man fängt aber wie schon
                    gesagt an, hie und da, es sey aus Leichtgläubigkeit oder aus gehässigen
                    Privatabsichten, von einer <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_14"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Aufklärern, Rotte von</term>
      </index><hi>Rotte von <index indexName="subjects-index">
          <term>Aufklärer</term>
        </index>Aufklärern</hi> zu sprechen, die gleichsam eine Coalition gemacht
                    haben sollen, um die Aufhebung der öffentlichen kirchlichen Verfassung unter den
                    Protestanten zu bewirken. Man sucht sogar Fürsten und Regierungen zu bereden,
                    daß dieser <index indexName="subjects-index">
        <term>Aufklärern, Rotte von</term>
      </index><hi>Rotte von <index indexName="subjects-index">
          <term>Aufklärer</term>
        </index>Aufklärern</hi> durch öffentliche Anstalten entgegen gearbeitet
                    werden müsse. Das natürlichste wäre wohl, vorerst zu fragen, wo denn diese Rotte
                    existire, was sie denn bereits für geheime Machinationen anfangen, was für Grund
                    zum Verdachte da sey, daß sie dergleichen im Sinne haben. Man weiß ja, daß es
                    heutzutage nicht wohl möglich ist, einen Plan <pb xml:id="bs_f_page_XVII" n="XVII" edRef="#f"/> durch Correspondenz zu irgend einer gemeinschaftlichen
                    Unternehmung anzulegen, ohne daß die Sache in kurzem bekannt werde. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_15"/>Kaum war <choice>
        <abbr>z. B.</abbr>
        <expan>zum Beispiel</expan>
      </choice> von <choice>
        <abbr>Hn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice> <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName> die <index indexName="subjects-index">
        <term>Union der Zwey und Zwanziger (Deutsche Union)</term>
      </index><hi>Union</hi> der <hi>Zwey und Zwanziger</hi> entworfen, als sie
                    verdientermaßen lächerlich gemacht, und durch <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_16"/>die Schrift eines einzigen philosophischen und
                    witzigen Kopfes, (<hi>Mehr Noten als Text</hi>,) gänzlich vernichtet wurde. Aber
                    noch immer hört die Unvorsichtigkeit nicht auf, nicht nur vorhandne <index indexName="subjects-index">
        <term>Sektennamen</term>
      </index>Sectennamen so zu misbrauchen, daß wo man <choice>
        <abbr>z. B.</abbr>
        <expan>zum Beispiel</expan>
      </choice> vielleicht nur eine einzige Meinung eines berühmt gewordnen Lehrers
                    antrift, man gleich sein ganzes System voraussetzt, sondern auch immer noch neue
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Sektennamen</term>
      </index>Sectennamen zu erfinden, um damit die noch so verschiedene Denkart
                    mehrerer Gelehrten, wenn sie allenfalls in einem oder dem andern Punkte
                    zusammentreffen, unter einer einzigen Kategorie zu begreifen. Kann man wohl
                    einen mildern Ausdruck, als den eines sehr unvorsichtigen Verfahrens dafür
                    finden, wenn jemand das <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_17"/><foreign xml:lang="grc">ἀληθευειν ἐν ἀγαπῃ</foreign> eines <index indexName="persons-index">
        <term>Spalding, Johann Joachim</term>
      </index><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_18"/><persName ref="textgrid:2506m">Spalding</persName> oder <index indexName="persons-index">
        <term>Teller, Wilhelm Abraham</term>
      </index><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_19"/><persName ref="textgrid:2541s">Teller</persName> und die ganz von dieser abweichen<pb xml:id="bs_f_page_XVIII" n="XVIII" edRef="#f"/>de Procedur eines <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName>, in
                    theologischen Untersuchungen, dadurch in eine Klasse setzt, daß er sie allesamt
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Aufklärer</term>
      </index><hi>Aufklärer</hi> nennt? Gleichwohl gehn einige schon so weit, daß sie
                    sogar, um gewisse Grundsätze in einem noch gehässigern Lichte vorzustellen,
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Aufklärer</term>
      </index><hi>Aufklärer</hi> und <index indexName="subjects-index">
        <term>Illuminaten</term>
      </index><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_20"/><hi>Illuminaten</hi> für Synonymen nehmen. Freylich ist dieser
                    unbedachtsame, oder boshafte Namentausch schon so oft in der christlichen Kirche
                    verübt worden, daß sie niemanden, der nicht ganz Fremdling in ihrer Geschichte
                    ist, etwas neues seyn kann. Aber schmerzen muß es doch jeden Freund der Religion
                    und der Menschheit, daß eine so häßliche Unart noch immer in Zeiten sich erhält,
                    wo man längst durch die Beyspiele voriger Jahrhunderte gewitzigt, den Schaden
                    davon hätte beherzigen sollen. Bey dem <choice>
        <abbr>sel.</abbr>
        <expan>seligen</expan>
      </choice> <persName ref="textgrid:250ds">Semler</persName> war es nun gewiß nicht Vorsatz, wenn er sich manchmal so
                    ausdrückte, als ob alle <index indexName="subjects-index">
        <term>Naturalisten</term>
      </index>Naturalisten in <hi>eine</hi> Klasse zu werfen wären. Es war bloß Folge
                    seiner Gewohnheit, im Schreiben sich nicht immer bestimmt genug auszudrücken. Er
                    selbst war überzeugt, daß man sogar die Namen <index indexName="subjects-index">
        <term>Christen</term>
      </index>Christen <pb xml:id="bs_f_page_XIX" n="XIX" edRef="#f"/> und <index indexName="subjects-index">
        <term>Naturalisten</term>
      </index>Naturalisten nicht geradezu einander entgegensetzen könne, und <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_21"/>daß der Name <index indexName="subjects-index">
        <term>Naturalisten, christliche</term>
      </index><hi>christliche Naturalisten</hi> keineswegs einen Widerspruch in der
                    Zusammensetzung enthalte. In der That, wenn jemand in der Lehre von der
                    allgemeinen Gnade Gottes, in dem Widerspruch gegen den <index indexName="subjects-index">
        <term>Polytheismus</term>
      </index>Polytheismus, in dem Glauben an die <index indexName="subjects-index">
        <term>Unsterblichkeit</term>
      </index>Unsterblichkeit der Seele, und in der <index indexName="subjects-index">
        <term>Sittenlehre</term>
      </index>reinen Sittenlehre mit den Grundsätzen <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu Christi</persName> und seiner
                    Schüler übereinstimmt, so weiß ich nicht, warum man ihn, falls er auch alles
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Mirakulöse, das</term>
      </index>Miraculöse und <index indexName="subjects-index">
        <term>Übernatürliche, das</term>
      </index>Uebernatürliche davon trennte, nicht eben so gut einen Christen nennen
                    könnte, als man denjenigen einen Sokratiker nennen würde, der des <index indexName="classics-index">
        <term>Sokrates</term>
      </index><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_22"/><persName ref="textgrid:2528d">Sokrates</persName> Denkart und Lebensweise sich eigen
                    machte, ohne deshalb zu glauben, daß er einen besondern Genius gehabt habe. 2.
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_23"/>Sehr oft eiferte der <choice>
        <abbr>sel.</abbr>
        <expan>selige</expan>
      </choice>
      <persName ref="textgrid:250ds"><hi>Semler</hi></persName>, und mit Recht, gegen das <index indexName="subjects-index">
        <term>Aufdringen</term>
      </index><hi>Aufdringen</hi> seiner Meinungen in Religionssachen. Nur schien er
                    nicht immer daran zu denken, daß derjenige seine Meynung noch nicht aufdringt,
                    der sie in Schriften so viel ihm immer möglich ist, ins Licht zu stellen, zu
                    bestätigen, und entgegengesetzte Meinungen zu widerlegen <pb xml:id="bs_f_page_XX" n="XX" edRef="#f"/> sucht. Im Grunde war er zwar
                    völlig überzeugt, daß die <index indexName="subjects-index">
        <term>Freiheit, seine Meinung zu sagen</term>
      </index>Freyheit seine Meinung zu sagen, einem jeden, er möge zu sogenannten
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Orthodoxe</term>
      </index>Orthodoxen, oder <index indexName="subjects-index">
        <term>Heterodoxe</term>
      </index>Heterodoxen, Christen oder <index indexName="subjects-index">
        <term>Nichtchristen</term>
      </index>Nichtchristen gehören, ungekränkt bleiben müsse, aber es lag doch
                    zuweilen in einigen seiner Ausdrücke eine anscheinende Inconsequenz, welche
                    diejenigen als eine Beystimmung, wiewohl mit Unrecht, hätten ansehn können,
                    welche wirklich demjenigen System, was ihnen <hi>reine Lehre</hi> heist, keinen
                    bessern Dienst leisten zu können glauben, als wenn sie alle, die etwas dagegen
                    schreiben, als Leute verschreyen, die das Christenthum verdrängen, und von der
                    Erde vertilgen wollen. Möchte man doch bedenken, daß man die <index indexName="subjects-index">
        <term>Wahrheit</term>
      </index>Wahrheit immer verdächtig macht, wenn man sie der strengen Untersuchung
                    entziehen will, und daß weder Religion durch ihre Heiligkeit, noch Gesetzgebung
                    durch ihre Majestät aufrichtige Achtung erwarten kann, wenn diese nicht auf
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Prüfung</term>
      </index>Prüfung einer ganz freyen und unbestochnen <index indexName="subjects-index">
        <term>Vernunft</term>
      </index>Vernunft gegründet wird. 3. In Ansehung des <index indexName="subjects-index">
        <term>Volksunterricht</term>
      </index>Volksunterrichts durch Prediger über dogmatische Religionslehren <pb xml:id="bs_f_page_XXI" n="XXI" edRef="#f"/> scheint es zuweilen, als ob der <choice>
        <abbr>sel.</abbr>
        <expan>selige</expan>
      </choice> <persName ref="textgrid:250ds">Semler</persName>, die mannigfaltigen dabey in der Ausübung entstehenden
                    Schwierigkeiten dadurch lösen wollte, daß er zwischen <hi>öffentlicher</hi> und
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatreligion</term>
      </index><hi>Privat-Religion</hi> unterscheidet. Allein damit ist die Sache noch
                    nicht ausgemacht. Daß einem jeden Menschen seine <index indexName="subjects-index">
        <term>Privateinsichten</term>
      </index>Privat-Einsichten frey bleiben <hi>müssen</hi>, so lange er sie nicht
                    äussert, versteht sich ja von selbst, und man braucht darüber kein Wort zu
                    verlieren. Allein der Mensch hat doch auch ein ungezweifeltes Recht, seine
                    Gedanken zu <hi>äußern</hi>; und die große noch immer nicht ganz bis zu völliger
                    Befriedigung aufgelößte Frage ist: 1) was für ein Recht hat der Staat, die
                    Aeußerungen, oder den mündlichen und schriftlichen Vortrag gewisser Meinungen
                    einzuschränken; und 2) was für Mittel lassen sich, wenn es zur Ausübung dieses
                    Rechts kömmt, mit der <index indexName="subjects-index">
        <term>Staatsklugheit</term>
      </index>Staatsklugheit vereinigen? Was die <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsvorträge</term>
      </index>Religionsvorträge betrift, so hat die verschiednen Fälle, welche bey
                    einer protestantischen Gemeinde vorkommen können, wenn die Einsichten der
                    itzigen Lehrer oder Glieder der Gemeinde gegen die ehemaligen <pb xml:id="bs_f_page_XXII" n="XXII" edRef="#f"/> sich geändert haben, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_24"/>neuerlich <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>Prof.</abbr>
        <expan>Professor</expan>
      </choice>
      <index indexName="persons-index">
        <term>Hufeland, Gottlieb</term>
      </index><persName ref="textgrid:25407">Hufeland</persName> am bestimmtsten
                    auseinander gesetzt. Aber noch bleibt immer die Frage übrig: welche <index indexName="subjects-index">
        <term>Methode</term>
      </index>Methode über dogmatische Religionslehren zu predigen, die bessere sey,
                    so daß weder die Glieder der Gemeinde sich von ihr zu trennen nöthig haben, noch
                    der Lehrer bey seinen geistlichen Vorgesetzten anstoße, noch auch sich entweder
                    als einen Unwissenden oder als einen <index indexName="subjects-index">
        <term>Heuchler</term>
      </index>Heuchler verdächtig mache. Hier bin ich nun geneigt zu glauben, der
                    Lehrer könne sich auf keine bessere Art aus allen diesen Schwierigkeiten
                    heraushelfen, als wenn er bey jeder Gelegenheit, wo er auf christliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Dogmata</term>
      </index>Dogmata kömmt, die <index indexName="subjects-index">
        <term>Geschichte der Religion</term>
      </index>Geschichte der Religion zu Hülfe nehme, und so viel etwa auch dem großen
                    und gemischten Haufen beygebracht werden kann, anführe, um eines Theils auf die
                    stete Abwechslung dieser dogmatischen Vorstellungen zu führen, andern Theils die
                    christliche <choice>
        <abbr>d. h.</abbr>
        <expan>das heißt</expan>
      </choice> die vernünftige <index indexName="subjects-index">
        <term>Sittenlehre</term>
      </index>Sittenlehre sicher zu stellen, und zu zeigen, daß diese unwandelbar fest
                    stehe, man möge über das Dogma diese oder jene Vorstellung hegen. Der Prediger
                    müßte <choice>
        <abbr>z. B.</abbr>
        <expan>zum Beispiel</expan>
      </choice> am Oster<pb xml:id="bs_f_page_XXIII" n="XXIII" edRef="#f"/>feste nicht
                    verheimlichen, daß es ehemals viele gegeben und noch itzt viele gebe, die sich
                    von der <index indexName="subjects-index">
        <term>Auferstehung</term>
      </index>Auferstehung <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> nicht überzeugen
                    könnten; daß diese ausserordentliche Begebenheit viele Gründe für sich, aber
                    auch wider sich habe; daß man ein wahrer Verehrer Jesu seyn könne, wenn man auch
                    sich nicht zu überzeugen vermöge, daß er auferstanden sey; daß Christus nirgend
                    die Seligkeit der Menschen an diesen Glauben gebunden: daß dennoch der Glaube an
                    diese Begebenheit, für denjenigen, dem sie glaublich oder zuverlässig scheine,
                    ungemein trostreich sey, und man also niemanden darinn irre machen, am wenigsten
                    über ihn spotten, oder mit ihm zanken müsse; daß es aber eben so wenig erlaubt
                    sey, denjenigen für einen Frevler oder Gottlosen zu halten, der die <index indexName="subjects-index">
        <term>Auferstehung</term>
      </index>Auferstehung Christi nicht in dem Sinne, wie sie gewöhnlich erzählt und
                    geglaubt werde, für wahr halten könne. Wenn so der Prediger <index indexName="subjects-index">
        <term>Gründe</term>
      </index>Gründe und Gegengründe neben einander stellte, so würde er keinem Theile
                    seiner Zuhörer anstößig werden; er würde nicht beschuldigt werden können, daß er
                    eine Lehre, die seine Zuhörer <pb xml:id="bs_f_page_XXIV" n="XXIV" edRef="#f"/>
                    beybehalten wissen wollen, ihnen eigenmächtig entziehen wollte, und doch würde
                    er dem andern Theile, der sie für weiter nichts als eine hergebrachte
                    Kirchensatzung hält, weder lästig fallen, noch als ein blinder Nachbeter
                    erscheinen.</p>
    <p>Sollte aber auch diese Freyheit dem protestantischen <index indexName="subjects-index">
        <term>Predigers, Freiheit des</term>
      </index>Prediger nicht gelassen werden, so würde die sonst unläugbare <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_25"/>Nutzbarkeit und Würde des
                        <index indexName="subjects-index">
        <term>Predigtamt</term>
      </index>Predigtamts für unsere Zeiten gänzlich zerstört, und der <index indexName="subjects-index">
        <term>Prediger</term>
      </index>Prediger, der eine vorgeschriebene Anzahl von Glaubensartikeln, wider
                    beßre Ueberzeugung lehren und beweisen soll, ein sich selbst verächtlicher
                    Gaukler, sofern er sie aber ununtersucht nachbeten sollte, nichts weiter als
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_f_v_26"/>ein tönendes Erz und
                    eine klingende Schelle werden. Jena den 3 May 1792.</p>
    <index indexName="persons-index">
      <term>Schütz, Christian Gottfried</term>
    </index>
    <signed><persName ref="textgrid:2530f">Chr. Gottfr. Schütz</persName>.</signed>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_1"><label>unleugbar
                        der erste lutherische Theolog unsers Jahrhunderts</label>
      <p>Diese Einschätzung wurde weithin geteilt, vgl. <hi>pars pro toto</hi> den
                        umfangreichen Nachruf des Theologen und Orientalisten Johann Gottfried
                        Eichhorn (1752–1827) in der <hi>Allgemeine[n] Bibliothek der Biblischen
                            Litteratur</hi> 5 (1793), 1–183; 182f: „[Semler war] der erste
                        Reformator unserer neueren Theologie, der kühnste und belesenste, der an
                        Erforschungen und neuen Resultaten reichste Theolog unter den bis itzt
                        verstorbenen unseres Jahrhunderts.“</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_2"><label>an andern
                        getadelt habe, was er sich selbst für erlaubt gehalten</label>
      <p>Vgl. <ref target="#bs_c_page_3">c[3]</ref>, <ref target="#bs_e_page_18">e18</ref>, <ref target="#bs_z_page_46">z46</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_3"><label>bey der
                        erstaunlichen Lektüre in die er sich von Jugend auf geworfen</label>
      <p>Vgl. Semler, <hi>Lebensbeschreibung</hi> I (1781), z.B. 40–45. Von der
                        enzyklopädischen Belesenheit Semlers zeugen die ca. 300, das gesamte Gebiet
                        der Theologie umspannenden Einzelveröffentlichungen; s. dazu auch diverse
                        weitere Erläuterungen.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_4"><label>die Art
                        seiner Bestreitung des Wolfenbüttelschen Fragmentisten</label>
      <p>Anspielung auf Semlers <hi>Beantwortung der Fragmente eines Ungenanten</hi>
                        (1779; vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_e_2_10"/>), in
                        der er mit dem (ihm namentlich nicht bekannten) Verfasser der
                            <hi>Fragmente</hi>, Hermann Samuel Reimarus, hart ins Gericht
                    ging.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_5"><label>Daß
                        Ergebenheit [...] gar nicht abhängt</label>
      <p>Vgl. Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781), <hi>Nathan der Weise</hi> (1779),
                        3. Aufzug, Erster Auftritt. Der Ausspruch entstammt dem Munde Rechas, der
                        Adoptivtochter Nathans.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_6"><label>der
                        allererste Grundsatz der christlichen Religion, (S. 9.) daß [...]
                        beurtheile</label>
      <p>Zitat f9.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_7"><label>die Lehre
                        von der Dreyeinigkeit [...] Genugthuung Christi</label>
      <p>Grundlegend äußert sich Semler dazu in seiner kontrovers aufgenommenen
                            <hi>Institutio ad doctrinam christianam liberaliter discendam</hi>
                        (1774), vermehrt erneut erschienen als <hi>Versuch einer freiern
                            theologischen Lehrart, zur Bestätigung und Erläuterung seines
                            lateinischen Buchs</hi> (1777). Zu seinem Bibelverständnis vgl. auch
                        Semlers <hi>Abhandlung von freier Untersuchung des Canon</hi> I–IV
                        (1771–1775). Die offensichtliche Nähe zu einigen von Bahrdts Thesen (vgl.
                            <ref target="#bs_a_page_10">a10</ref>) wurde bereits
                        zeitgenössisch häufig bemerkt, vgl. etwa <ref target="#bs_z_page_46">z46</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_8"><label>Prof.
                        Hufeland</label>
      <p>Gottlieb Hufeland (1760–1817) war ein angesehener Jurist, der nach
                        Professuren in Jena, Würzburg und Landshut für einige Jahre Bürgermeister in
                        Danzig war und ab 1816 in Halle lehrte. Schütz und Hufeland kannten sich aus
                        den gemeinsamen Jenaer Jahren, in denen sie ab 1785 zusammen mit Christoph
                        Martin Wieland an der einflussreichen <hi>Allgemeine[n]
                            Literatur-Zeitung</hi> beteiligt waren.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_9"><label>S. 70 u.
                        f.</label>
      <p>Paraphrase f70f.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_10"><label>Ueber das
                        Recht [...] Jena 1788 </label>
      <p>Gottlieb Hufeland: <hi>Ueber das Recht protestantischer Fürsten
                            unabänderliche Lehrvorschriften festzusetzen und über solchen zu
                            halten[,] veranlaßt durch das preussische Religionsedict vom 9 Julius
                            1788</hi> (1788). Während Hufeland in dieser Schrift kritisch Stellung
                        zum Woellnerschen Religionsedikt nahm, verteidigte Semler die im Vergleich
                        zum 1786 verstorbenen Friedrich II. restriktivere Haltung des neuen
                        Monarchen Friedrich Wilhelm II. (1744/86–1797). Vgl. <hi>Vertheidigung des
                            Königl. Edikts vom 9ten Jul. 1788 wider die freimüthigen Betrachtungen
                            eines Ungenannten</hi> (1788).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_11"><label>Hutters
                        oder Beyers Compendium</label>
      <p>Zu Hutter vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_3_36"/>;
                        Johann Wilhelm Baier (1647–1695) war zunächst Theologieprofessor in Jena und
                        ab der Universitätsgründung 1694 in Halle. Gemeint sind die auch im 18. Jh.
                        häufig wieder aufgelegten Werke: Hutter, <hi>Compendium locorum
                            theologicorum ex scripturis sacris et libro concordiae</hi> (<hi rend="superscript">1</hi>1610) sowie Baier, <hi>Compendium Theologiae
                            Positivae</hi> (<hi rend="superscript">1</hi>1686).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_12"><label>was
                        neuerlich wieder Hr. D. Rosenmüller so trefflich auseinander gesetzt
                        hat</label>
      <p>Johann Georg Rosenmüller (1736–1815) war ab 1775 Theologieprofessor in
                        Erlangen, von 1783–85 in Gießen und schließlich Professor, Superintendent
                        und Konsistorialpräsident in Leipzig, was ihm erlaubte, seine
                        aufklärerischen Kirchenreformpläne auch in die Tat umzusetzen. Gemeint ist
                        Rosenmüllers <hi>Beantwortung der Frage: Warum nennen wir uns
                            Protestanten?</hi> (1790), 11: Protestanten müssten „gegen allen
                        Gewissenszwang auf das feyerlichste protestiren“ und es gelte, „daß wir uns
                        stets das Recht vorbehalten, selbst zu prüfen, nichts anders für wahr
                        anzunehmen, als was wir [in der Bibel] nach gewissenhafter und sorgfältiger
                        Prüfung, und nach gesunden Regeln der Auslegung durch den Gebrauch der uns
                        durch die Vorsehung geschenkten bessern Hülfsmittel als wahr erkannt
                        haben“.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_13"><label>Gottesverehrung müsse [...] rein deistisch seyn</label>
      <p>Deisten betrachteten positive Religionen als Verfallsformen einer rationalen
                        oder „natürlichen“ Religion. Sie glaubten zwar an die Existenz eines
                        Schöpfergotts, bestritten jedoch, dass er in der Geschichte „interveniert“:
                        Gott bewirkt keine (übernatürlichen) Wunder, wird nicht Mensch und offenbart
                        sich auch nicht in heiligen Texten oder religiöser Erfahrung; vgl. auch <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_15"/> („Naturalisten“).
                        Der Deismus war unter Gebildeten im 17. und 18. Jh. besonders im
                        englischsprachigen Raum populär, fand aber auch in Frankreich und
                        Deutschland Anhänger. Als Begründer gilt Edward Herbert, 1st Baron Herbert
                        of Cherbury (1583–1648), der freilich noch an der Existenz von Wundern und
                        der Wirksamkeit von Bittgebeten festhielt. Zu den bekanntesten Vertretern
                        zählen außerdem Matthew Tindal (1657–1733), Anthony Collins (1676–1729),
                        Voltaire und Hermann Samuel Reimarus. Die deistische Streitschrift <hi>The
                            Age of Reason</hi> (1794/95; dt. 1796) des amerikanischen Revolutionärs
                        Thomas Paine (1737–1809) gehörte zu den meistverkauften Büchern der Zeit.
                        Der englische Publizist David Williams (1738–1816) musste seinen Versuch,
                        1776 in London einen deistischen Gottesdienst zu etablieren, allerdings
                        mangels Nachfrage alsbald wieder einstellen.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_14"><label>Rotte von
                        Aufklärern</label>
      <p>Schütz bezieht sich hier (s. auch <ref target="#bs_f_page_VIII">fVIII</ref>,
                        „Rotte von Leuten“) vermutlich auf die im Gefolge des Woellnerschen
                        Religionsedikts (1788) am 31. August 1791 ergangene „Instruction für die
                        Königliche Examinations-Commission in Geistlichen Sachen“ des preußischen
                        Königs Friedrich Wilhelm II. Die Mitglieder besagter Kommission wurden u.a.
                        angewiesen, eine schwarze Liste zu erstellen und dabei „vorzüglich alle
                        Neologen und die ganze <hi>Rotte der sogenannten Aufklärer</hi> unter den
                        Predigern und Schullehrern“ zu erfassen. Die <hi>Instruction</hi> war
                        allgemein bekannt, da Ernst Christian Trapp (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_11"/>) sie in seiner anonym publizierten
                        Streitschrift <hi>Freymüthige Betrachtungen und ehrerbietige Vorstellungen
                            über die neuen Preußischen Anordnungen in geistlichen Sachen</hi>
                        (1791), 12–26, abgedruckt hatte. Wer Trapp die <hi>Instruction</hi>
                        zuspielte, ist unklar.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_15"><label>Kaum war
                        z.B. von Hn. Bahrdt die Union der Zwey und Zwanziger entworfen</label>
      <p>Die <hi>Deutsche Union</hi> oder <hi>Union der Zwey und Zwanziger</hi> war
                        ein von Bahrdt 1787 gegründeter Geheimbund, dem er gestützt auf anonym
                        betriebene Korrespondenz zeitweilig erhebliche Anhängerschaft verschaffte.
                        Berühmtestes Mitglied war Adolph Freiherr von Knigge (1752–1796); vgl. die
                        in Pott, <hi>Briefe</hi> V (1798), gesammelten Briefe und Dokumente,
                        darunter auch eine Mitgliederliste (334–360). Laut <hi>Geheime[m] Plan der
                            deutschen Union</hi> ist der „letzte Zweck“ des Bundes nur „Brüder[n]
                        des dritten Grades“ bekannt, unter die „Hauptzwecke“ werden gleichwohl u.a.
                        gerechnet: „Vervollkommnung der Wissenschaften, der Künste[,] des Kommerzes
                        etc. insonderheit der Volksreligion“, „Verbesserung der Erziehung“, aber
                        auch „<hi>Belohnung</hi> entschiedener Verdienste“ und „<hi>Versorgung
                            verdienstvoller</hi> Menschen im Alter und Unglück“. „[A]llgemeine
                        Mittel“ dazu seien „[g]emeinschaftliches Wirken durch Rath, Empfehlung und
                        Hülfe“, „Unterricht in Schriften“ sowie „[h]inlängliche Geldsummen“ – was
                        bei manchem Zeitgenossen den Verdacht keimen ließ, Bahrdt verfolge mit der
                            <hi>Union</hi> nicht bloß selbstlose Ziele. Als Bahrdt schließlich am 7.
                        April 1789 wegen seines konspirativen Wirkens sowie der Veröffentlichung des
                        Lustspiels <hi>Das Religions-Edikt</hi> (1789) verhaftet wurde, bedeutete
                        dies auch das Ende des Geheimbundes. Das Gerichtsurteil – Freispruch u.a. in
                        Sachen <hi>Union</hi>, jedoch zwei Jahre Festungshaft für die mit der
                        Publikation des Lustspiels begangene Beleidigung und „Majestätsschändung“,
                        später nach Fürsprache des attackierten Woellner auf ein Jahr reduziert –
                        findet sich im „Anhang“ von Bahrdts <hi>Geschichte und Tagebuch meines
                            Gefängnisses nebst geheimen Urkunden und Aufschlüssen über Deutsche
                            Union</hi> (1790); ebenso dort: die Verteidigungsschrift des
                        Bahrdt’schen Anwalts sowie der <hi>Geheime Plan</hi>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_16"><label>die Schrift
                        eines einzigen philosophischen und witzigen Kopfes, (Mehr Noten als
                        Text,)</label>
      <p>Anspielung auf die von dem Verleger und Freimaurer Johann Joachim Christoph
                        Bode (1731–1793) anonym publizierte Schrift <hi>Mehr Noten als Text oder die
                            Deutsche Union der Zwey und Zwanziger eines neuen geheimen Ordens zum
                            Besten der Menschheit</hi> (1789). Bode kommentierte Ankündigungen,
                        Pläne, Rundbriefe, Eidesformel etc. der <hi>Deutschen Union</hi> und
                        versuchte, sie mit den Mitteln der Ironie als lächerlich, prätentiös oder
                        größenwahnsinnig zu entlarven. Eine abgedruckte vermeintliche
                        Mitgliederliste, die stark von der Pott’schen abweicht (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_f_v_15"/>), sorgte für Verlegenheit und
                        bewirkte eine Reihe öffentlicher Distanzierungen.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_17"><label><foreign xml:lang="grc">ἀληθευειν ἐν ἀγαπῃ</foreign></label>
      <p>Anspielung auf Eph 4,15: „Wahrheit bezeugen in der Liebe“.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_18"><label>Spalding</label>
      <p>Johann Joachim Spalding (1714–1804), 1764–1788/91 Propst (St. Nikolai) und
                        Oberkonsistorialrat in Berlin, Autor der epochalen <hi>Bestimmung des
                            Menschen</hi> (1748; <hi rend="superscript">11</hi>1794, SpKA I/1), war
                        einer der wichtigsten Vertreter der Neologie. Im Unterschied zu Bahrdt war
                        Spalding für seine ausgleichende Art bekannt und ging der polemischen
                        Auseinandersetzung für gewöhnlich aus dem Weg, vgl. etwa seine
                        freundlich-souveräne Reaktion auf Herders feindselige Schrift <hi>An
                            Prediger</hi> (1774) (Spalding, <hi>Briefe</hi> [2018], Nr. 127 und
                        129).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_19"><label>Teller</label>
      <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_3_20"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_20"><label>Illuminaten</label>
      <p>Der radikal-aufklärerische Geheimbund der Illuminaten („Erleuchtete“) war
                        1776 vom Ingolstädter Professor für kanonisches Recht Adam Weishaupt
                        (1748–1830) gegründet, doch nach einigem Erfolg im süddeutschen Raum bereits
                        1785 verboten worden, was kurz darauf zu seiner Zerschlagung führte.
                        Gleichwohl nährte der Gedanke eines zentralgeleiteten Ordens mit
                        religionsfeindlichen Ideen diverse Verschwörungstheorien, die weit über die
                        kurze Existenz der Illuminaten hinauswirkten. So wähnte man einen direkten
                        Zusammenhang zu den Revolutionen in Amerika und Frankreich.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_21"><label>daß der
                        Name christliche Naturalisten keineswegs einen Widerspruch [...]
                        enthalte</label>
      <p>Vgl. <hi>Abhandlung von freier Untersuchung des Canon</hi> I (1771), 88, und
                        II (1772), 465–470. Semler betont dort, er wolle das Christentum an die
                        christlichen Wahrheiten binden und nicht an die „Provinzen oder äusserlichen
                        Hülfsmittel dieser oder jener [biblischen] Bücher“, insofern lasse er sich
                        die Bezeichnung „christlicher Naturalist“ gefallen; vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_15"/> und <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_9"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_22"><label>Sokrates</label>
      <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_21"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_23"><label>Sehr oft
                        eiferte der sel. Semler [...] gegen das Aufdringen seiner Meinungen in
                        Religionssachen</label>
      <p>Vgl. z.B. <ref target="#bs_b_page_99">b99</ref>; <ref target="#bs_f_page_149">f149</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_24"><label>neuerlich
                        Hr. Prof. Hufeland am bestimmtsten auseinander gesetzt</label>
      <p>Gemeint ist wieder Hufelands Schrift (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_f_v_10"/>) <hi>Ueber das Recht protestantischer Fürsten
                            unabänderliche Lehrvorschriften festzusetzen</hi> (1788), die dieser in
                        Reaktion auf das Woellnersche Religionsedikt verfasst hatte.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_25"><label>Nutzbarkeit
                        und Würde des Predigtamts</label>
      <p>Hier klingt Spaldings Titel <hi>Ueber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und
                            deren Beförderung</hi> (1772; <hi rend="superscript">3</hi>1791, SpKA
                        I/3) an.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_f_v_26"><label>ein
                        tönendes Erz und eine klingende Schelle</label>
      <p>Anspielung auf 1Kor 13,1.</p></note>
  </div>
  <div type="corrigenda" xml:id="bs_f_corr_1">
    <p><choice>
        <abbr>S.</abbr>
        <expan>Seite</expan>
      </choice> 272. <choice>
        <abbr>Z.</abbr>
        <expan>Zeile</expan>
      </choice> 20. <choice>
        <abbr>l.</abbr>
        <expan>lies</expan>
      </choice>
      <foreign xml:lang="grc">ἐνσπαρτος</foreign>. <choice>
        <abbr>S.</abbr>
        <expan>Seite</expan>
      </choice> 273. <choice>
        <abbr>Z.</abbr>
        <expan>Zeile</expan>
      </choice> 6. <choice>
        <abbr>l.</abbr>
        <expan>lies</expan>
      </choice>
      <hi>Theurgia</hi>.</p>
  </div>
</front>