<div type="section-group" id="less_10_SonTr">
  <app>
    <lem><div type="section" id="less_section_10">
        <head type="main"><pb edRef="#a" n="133" type="sp" id="less_133"/>
          <pb n="133" edRef="#b"/>
          <pb n="133" edRef="#c"/>
          <choice>
            <orig>Evangelium am 10 Sontage nach Trinitatis.</orig>
            <supplied reason="toc-title">10. Sonntag nach Trinitatis (Lk
                                        19,41–48)</supplied>
            <supplied reason="column-title">10. Sonntag nach Trinitatis (Lk
                                        19,41–48)</supplied>
          </choice></head>
        <head type="sub"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Lk:19:41" to="Lk:19:48"><hi>Lucä</hi> 19, <app>
                <lem/>
                <rdg type="pt" wit="#b">vers</rdg>
                <rdg type="pt" wit="#c"><hi>vers</hi></rdg>
              </app> 41–48.</citedRange></bibl></head>
        <p><hi><hi rend="spaced-out">Am</hi> Montage</hi> in der
                                    <hi>Leidens-Woche</hi>, <app>
            <lem>wo</lem>
            <rdg wit="#c" type="v">als</rdg>
          </app>
          <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName>, der
                                Welt-Heiland durch die lezten entsezlichen Leiden des Leibes und der
                                Seele, das Grosse Werk der Welt-Beglückung vollendete, gieng Er,
                                    <ptr target="#sontr10_erl_8" type="editorial-commentary"/><app>
            <lem>der</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Der</rdg>
          </app> dies alles vorher wuste <app>
            <lem><choice>
                <sic>uud</sic>
                <corr type="editorial">und</corr>
              </choice></lem>
            <rdg type="typo-correction" wit="#b #c">und</rdg>
          </app> schon lange vorhergesagt hatte, mit der Ruhe und Grosmuth
                                eines Welt-Beglückers in die Stadt hin, wo seine <index indexName="subjects-index">
            <term>Mörder</term>
          </index>Mörder waren und alle jene Martern auf ihn warteten. <ptr target="#sontr10_erl_13" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:41"><app>
                  <lem>vers 41</lem>
                  <rdg type="pp" wit="#b #c">v. 41.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi>Als er nun nahe an <hi rend="spaced-out">Jerusalem</hi> kam,
                                    sahe er die Stadt an, und – <hi rend="spaced-out">Weinete über
                                        sie</hi>.</hi> Tausend <index indexName="subjects-index">
            <term>Buch</term>
          </index>Bücher können uns von dem <app>
            <lem>Character</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Charakter</rdg>
          </app>
          <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName> nichts mehr
                                sagen, als diese zwei <app>
            <lem>Worte!</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Worte.</rdg>
          </app> Sie eröfnen uns gleich<pb n="134" edRef="#a" id="less_134"/>sam Sein ganzes <app>
            <lem>Herz,</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Herz;</rdg>
          </app> lassen uns bis ins Innerste desselben <app>
            <lem>schauen,</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">schauen;</rdg>
          </app> und zeigen uns da, die Alleredelsten <app>
            <lem>Gesinnungen</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Gesinnungen,</rdg>
          </app> die je in einer <index indexName="subjects-index">
            <term>Brust, menschliche</term>
          </index>menschlichen Brust gewohnet! Schon das finden wir sehr Edel,
                                wenn jemand an dem Elende <app>
            <lem>Anderer</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Anderer,</rdg>
          </app> die ihm unbekandt und gleichgültig sind, ein herzliches
                                Antheil nimmt. Wir ehren und lieben den Menschen, der mit den
                                Frölichen sich freuet, und mit den Weinenden weinet. – Thut er dies,
                                selbst gegen seinen <hi>Feind</hi>: so wächst unsre Achtung und
                                Liebe. – Er thut es gar gegen seinen <index indexName="subjects-index">
            <term>Todfeind</term>
          </index><hi>Todt</hi>-<pb n="134" edRef="#b"/><pb n="134" edRef="#c"/>Feind, der <hi>vor einiger Zeit</hi> sein ganzes Glück zu
                                zerstören gesucht: und wir <index indexName="subjects-index">
            <term>bewundern</term>
          </index>bewundern ihn noch mehr. – Aber der <index indexName="subjects-index">
            <term>Zorn</term>
          </index>Zorn war hier schon durch die Länge der Zeit verraucht.
                                Desto stärker wird unsere Hochachtung und Liebe, wenn er jene
                                Zärtlichkeit gegen seinen ärgsten Feind, <hi>so gleich auf frischer
                                    That</hi>
          <index indexName="subjects-index">
            <term>beweisen</term>
          </index>beweiset. – Und unsre <index indexName="subjects-index">
            <term>Bewunderung</term>
          </index>Bewunderung wird Erstaunen, unsre Hochachtung Ehrfurcht, und
                                unsre Liebe Freundschaft: wenn wir jenen Würdigen, gegen einen Feind
                                so handeln sehen, der nach den boshaftesten Unternehmungen wider
                                ihn, jezo eben noch im Begriff stehet ihn durch den peinlichsten und
                                schmälichsten <index indexName="subjects-index">
            <term>Tod</term>
          </index>Todt aus der Welt zu reissen. – Urtheilet nun, welche
                                Ehrfurcht und Liebe der <app>
            <lem>Character</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Charakter</rdg>
          </app>
          <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName>
                                verdienet!</p>
        <p><hi><hi rend="spaced-out">Kaum</hi></hi>
          <app>
            <lem>erblicket</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">erblickt</rdg>
          </app> er die Stadt <hi>Jerusalem</hi>, so <hi><hi rend="spaced-out">Weinet</hi></hi> er. So zärtlich war der Antheil den er an
                                ihrem Schicksahl nahm! Und über wen? <hi>Ueber sie</hi>, diese Stadt
                                voll von Feindschaft und <pb n="135" edRef="#a"/>
          <index indexName="subjects-index">
            <term>Mordanschlag</term>
          </index>Mord-Anschlägen gegen ihn. Ueber seine Mörder; seine
                                boshaftesten und grausamsten Mörder. Sehet hier <hi>das</hi>
          <app>
            <lem><hi>Ganze</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>ganze</hi></rdg>
          </app>
          <hi>Herz</hi> unsers <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName>! – Er
                                    <hi>weinet</hi>: wie weich, wie <index indexName="subjects-index">
            <term>fühlbar</term>
          </index><hi>fülbahr</hi>, wie zärtlich ist seine Seele! Nicht gleich
                                dem zwar Rechtschaffenen, aber Hartherzigen: dessen Blut nie eine
                                Empfindung <app>
            <lem>erhizet</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">erhizet,</rdg>
          </app> und dessen Auge nie eine Thräne genezet. – Aber noch weniger
                                ist Er gleich dem Weich-herzigen, der bloß ein Spiel seiner Triebe,
                                Recht und Unrecht verkehrt, Laster und Tugend <app>
            <lem>verwirret</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">verwirret,</rdg>
          </app> und mit seiner Gutherzigkeit, <app>
            <lem>ofte</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">oft</rdg>
          </app> mehr Unglück anrichtet als die <index indexName="subjects-index">
            <term>fühllose Menschenfeindschaft</term>
          </index>Füllose Menschen-Feindschaft. <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> weinet über die
                                    <hi>Laster</hi> seiner Feinde; aber er vertheidiget, und
                                belohnet sie nicht. <pb n="135" edRef="#b"/>
          <pb n="135" edRef="#c"/> Seine <index indexName="subjects-index">
            <term>Fühlbarkeit</term>
          </index><hi>Fülbahrkeit ward durch Weisheit geleitet</hi>! – So
                                    <hi>ganz</hi> beschäftiget er sich mit dem Glück seiner Feinde,
                                zu der Zeit als er selbst den entsezlichsten Martern entgegen gieng.
                                Er vergißt seinen eigenen Schmerz, <app>
            <lem/>
            <rdg type="pt" wit="#c">und</rdg>
          </app> Sich selbst: so stark rürt ihn das Schicksahl seiner Mörder.
                                Welcher nicht zu erschütternde, <hi>Felsenfeste Heldenmuth</hi>! –
                                Und diese Menschen, waren seine Feinde, seine ärgsten Feinde, die
                                schon mehrere Jahre nach einander, Bosheit mit Bosheit gegen ihn
                                gehäuft, die ihn an der empfindlichsten Seite, an seiner Ehre zu
                                verwunden suchten; und die nun eben im Begriff <app>
            <lem>stunden</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">standen</rdg>
          </app> ihn als einen Missetäter zu verleumden, zu geisseln, aufs
                                äusserste zu verspotten, und endlich auf die allerschmälichste und
                                peinlichste Art durch den <index indexName="subjects-index">
            <term>Kreuzestod, s. Tod am Kreuz</term>
            <term>Tod am Kreuz</term>
          </index>Todt am Kreuz zu <index indexName="subjects-index">
            <term>ermorden</term>
          </index>ermorden. Für <hi><hi rend="spaced-out">diese</hi></hi>, ist
                                    <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName>, so Ganz
                                Zärtlichkeit. Einen <pb n="136" edRef="#a" id="less_136"/>
                                höheren Grad der <hi>Grosmuth</hi> kan man nicht ersinnen! – Und
                                seine <index indexName="subjects-index">
            <term>Menschenliebe</term>
          </index><hi>Menschen-Liebe</hi>, wie Feurig, wie Brennend, wie
                                    <hi>zärtlich im höchsten Grade</hi> sehen wir sie hier! Seinen
                                Schmerz, den peinlichsten Schmerz, die <app>
            <lem>Erwartung</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Erwartung</hi></rdg>
          </app> der Geisselung und des Kreuzes-Todes, (die Erwartung einer
                                Pein <app>
            <lem/>
            <rdg type="pt" wit="#c">aber,</rdg>
          </app> ist weit marternder als die Duldung derselben) die Empfindung
                                der <index indexName="subjects-index">
            <term>schrecklich</term>
          </index>schrecklichsten Martern und die noch schrecklichere
                                Erwartung derselben wird ganz zernichtet durch die Liebe der
                                Menschen, die Liebe seiner grausamsten Feinde! – O sehet da, die
                                Fülbahrste, Erleuchteste, Heldenmütigste, Grosmütigste und <app>
            <lem>zärtlichste</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Zärtlichste,</rdg>
          </app>
          <index indexName="subjects-index">
            <term>menschenfreundlichste Seele</term>
          </index>Menschen-Freundlichste Seele, die jemahls einen <index indexName="subjects-index">
            <term>menschlicher Körper</term>
          </index>menschlichen Körper bewohnet! Sehet den Edelsten <app>
            <lem>Character</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Charakter</rdg>
          </app> unsers <app>
            <lem>Herrn</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Herrn</hi></rdg>
          </app> und <app>
            <lem>Heilandes</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Heilandes</hi></rdg>
          </app>! <pb n="136" edRef="#b"/>
          <pb n="136" edRef="#c"/> Verehret ihn, betet Ihn an! Hoffet
                                unwandelbahr fest auf Ihn! Liebet Ihn! Und – <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Phil:3:12"><app>
                  <lem>Philipper</lem>
                  <rdg type="typo-correction" wit="#b"><choice>
                      <sic>Philip per</sic>
                      <corr type="editorial">Philipper</corr>
                    </choice></rdg>
                  <rdg type="v" wit="#c">Phil.</rdg>
                </app> 3, 12.</citedRange></bibl></seg>
          <hi>Ahmet</hi>
          <app>
            <lem><hi>Ihn</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Ihm</hi></rdg>
          </app>
          <hi>nach!</hi></p>
        <p><index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi><hi rend="spaced-out">Jesus</hi></hi></persName> weinete über <hi>Jerusalem</hi>,
                                und sprach, <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:42"><app>
                  <lem>vers 42</lem>
                  <rdg type="pp" wit="#b #c">v. 42.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi>Wenn du es wüstest so würdest du auch bedenken zu dieser deiner
                                    Zeit was zu deinem Frieden dienet!</hi> Nach einer genaueren
                                Uebersezung, – <hi>Ach! wenn du doch wenigstens</hi>, <app>
            <lem>Jerusalem, du</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c"><hi>Jerusalem</hi>, „Du</rdg>
          </app>
          <index indexName="subjects-index">
            <term>Religion, Sitz der</term>
          </index>Siz des Tempels und der <app>
            <lem>Religion,</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Religion,“</rdg>
          </app>
          <hi>nur noch an diesem deinem Tage</hi>, heute da der <app>
            <lem><app>
                <lem><hi>Messias</hi></lem>
                <rdg type="v" wit="#b"><hi>Meßias</hi></rdg>
              </app>, der</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c"><hi>Meßias</hi>, „der</rdg>
          </app> Welt-Heiland selbst zu dir <app>
            <lem>komt,</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">komt,“</rdg>
          </app>
          <hi>bedenken möchtest, was zu deinem Glück dienet! So aber ist es
                                    deinen Augen verborgen.</hi> – Der Grund des ganzen Unglücks
                                dieser Nation, waren <ptr target="#sontr10_erl_20" type="editorial-commentary"/>die Betrügereien der
                                    <hi>fal</hi><pb n="137" edRef="#a" id="less_137"/><hi>schen</hi>
          <app>
            <lem><hi>Messiasse</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>Meßiasse</hi></rdg>
          </app>. Wenige Zeit nach der Himmelfarth <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName> stand eine
                                Menge von Betrügern auf, die sich für den <app>
            <lem><app>
                <lem><hi>Messias</hi></lem>
                <rdg type="v" wit="#b"><hi>Meßias</hi></rdg>
              </app> ausgaben,</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c"><hi>Meßias</hi> ausgaben;</rdg>
          </app> das Volk gegen die <index indexName="subjects-index">
            <term>Römer</term>
          </index><hi>Römer</hi>, ihre <app>
            <lem>damahlige</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">damahligen</rdg>
          </app> Oberherren <app>
            <lem>aufwiegelten,</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">aufwiegelten;</rdg>
          </app> es blindlings in den Abgrund des Unterganges <app>
            <lem>stürzten,</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">stürzten;</rdg>
          </app> und <ptr target="#sontr10_erl_1" type="editorial-commentary"/>den siebenjärigen Krieg <app>
            <lem>verursachten</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">verursachten,</rdg>
          </app> welcher auf eine <index indexName="subjects-index">
            <term>unerhört-schreckliche Art</term>
          </index>unerhört-schreckliche Art der Stadt und dem ganzen Staat der
                                Juden ein Ende machte. Auch im <hi>zeitlichen</hi> würde also die
                                Nation viel gewonnen haben, wenn sie noch damahls der <index indexName="subjects-index">
            <term>Religion Jesu</term>
          </index>Religion <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><app>
              <lem>Jesu</lem>
              <rdg type="v" wit="#c"><hi>Jesu</hi></rdg>
            </app></persName> Gehör gegeben. Nie wäre alsdenn der Krieg
                                gegen die <app>
            <lem>Römer</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Römer</hi></rdg>
          </app> entstanden. Und ihr Staat würde noch jezo da, und blühender <app>
            <lem>seyn</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">seyn,</rdg>
          </app> als er je gewesen. – <ptr target="#sontr10_erl_12" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><app>
              <lem><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:43">vers 43</citedRange></bibl></lem>
              <rdg type="pp" wit="#b #c"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:42">v.
                                                42.</citedRange></bibl></rdg>
            </app></seg>
          <hi>Verborgen war es vor ihren Augen,</hi> sie wolten es <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName> nicht <index indexName="subjects-index">
            <term>glauben</term>
          </index><app>
            <lem>glauben</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">glauben,</rdg>
          </app> daß ihr <index indexName="subjects-index">
            <term>Unglaube</term>
          </index>Unglaube den <index indexName="subjects-index">
            <term>schrecklichster Ausgang</term>
          </index>schrecklichsten Ausgang haben werde: <pb n="137" edRef="#b"/>
          <pb n="137" edRef="#c"/>
          <hi>daß die Zeit über dich</hi>, <app>
            <lem>Jerusalem</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Jerusalem,</rdg>
          </app>
          <app>
            <lem><choice>
                <sic><hi>kommenwird</hi></sic>
                <corr type="editorial"><hi>kommen wird</hi></corr>
              </choice></lem>
            <rdg type="typo-correction" wit="#b #c"><hi>kommen
                                        wird</hi></rdg>
          </app><hi>, wo deine Feinde werden um dich und deine Kinder in
                                    dir</hi>, <app>
            <lem>deine Einwohner,</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c">(deine Einwohner,)</rdg>
          </app>
          <hi>eine <index indexName="subjects-index">
              <term>Wagenburg</term>
            </index>Wagenburg schlagen, dich belagern und an allen Orten
                                    ängstigen,</hi> „einen Graben um dich herum aufwerfen, und dich
                                einschliessen, und von allen Seiten ängstigen“ <hi>und werden dich
                                    schleiffen und keinen Stein auf dem andern lassen: darum daß du
                                    nicht erkennet hast die Zeit darin du heimgesucht bist</hi>, <app>
            <lem>genauer, „darum</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c">„Genauer, darum</rdg>
          </app> daß du die Gelegenheit deiner Besuchung, wo der <app>
            <lem>Messias</lem>
            <rdg type="v" wit="#b">Meßias</rdg>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Meßias</hi></rdg>
          </app> selbst zu dir kam, nicht gebraucht.“</p>
        <p><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:45 Lk:19:46"><choice>
                  <abbr>v.</abbr>
                  <expan>Vers</expan>
                </choice> 45. <app>
                  <lem>46</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">46.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi><hi rend="spaced-out">Nun</hi></hi> kam er in die Stadt; gieng
                                in den Tempel, wo er den Tag darauf (Siehe <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mk:11:11"><hi>Marci</hi> 11, <pb n="138" edRef="#a" id="less_138"/> 11.</citedRange></bibl>
          <choice>
            <abbr>vergl.</abbr>
            <expan>vergleiche</expan>
            <expan>verglichen</expan>
          </choice>
          <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mk:11:12"><choice>
                <abbr>v.</abbr>
                <expan>Vers</expan>
              </choice>
              <app>
                <lem>12</lem>
                <rdg type="v" wit="#b #c">12.</rdg>
              </app></citedRange></bibl> und <bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mk:11:15" to="f"><app>
                <lem>15 <choice>
                    <abbr>f<supplied>.</supplied></abbr>
                    <expan>folgend</expan>
                  </choice></lem>
                <rdg type="pp" wit="#b #c">15. f.</rdg>
              </app></citedRange></bibl>) die Käufer und Verkäufer
                                austrieb. Man hatte nämlich, aus einem der Vorhöfe des Tempels einen <app>
            <lem>Markt Plaz</lem>
            <rdg type="pp" wit="#b #c">Markt-Plaz</rdg>
          </app> gemacht, wo Thiere zum Opfer verkauft, und Geld das im Tempel
                                und zu <app>
            <lem>Jerusalem</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>Jerusalem</hi></rdg>
          </app> gangbar war, ausgewechselt ward. Die gröbsten Betrügereien
                                waren hier üblich, und vermuthlich auch durch die schändliche Moral
                                der <index indexName="subjects-index">
            <term>Pharisäer</term>
          </index><app>
            <lem>Pharisäer</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Pharisäer</hi></rdg>
          </app> gebilligt. Dieser <app>
            <lem>Marktplaz</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Markt-Plaz</rdg>
          </app> in den Tempel-Gebäuden war eine wahre Räuber-Höle. – <hi>Es
                                    stehet geschrieben,</hi> sagte <hi>Jesus</hi> zu ihnen, <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Jes:56:7">Jesaiä 56, 7.</citedRange></bibl></seg>
          <hi>Mein Haus ist ein <index indexName="subjects-index">
              <term>Bethaus</term>
            </index>Bet-Haus: Ihr aber habts gemacht zur
                                Räuber-Höle.</hi></p>
        <p><ptr target="#sontr10_erl_14" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:47 Lk:19:48"><app>
                  <lem>vers</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">v.</rdg>
                </app> 47. 48.</citedRange></bibl></seg>
          <hi><hi rend="spaced-out">Die</hi></hi> lezten Tage seines Lebens
                                widmete <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName> noch, ganz
                                unbesorgt für sich <app>
            <lem>selbst</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">selbst,</rdg>
          </app> dem Unterricht des Volks. Den Tag über lehrete er im Tempel,
                                    <ptr target="#sontr10_erl_15" type="editorial-commentary"/><seg type="margin">Marci 11, <app>
              <lem><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mk:11:17" to="Mk:11:19">17–19</citedRange></bibl></lem>
              <rdg type="v" wit="#b"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mk:11:17" to="Mk:11:19">17–19.</citedRange></bibl></rdg>
              <rdg type="v" wit="#c"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mk:11:17 Mk:11:19">17.
                                                  19.</citedRange></bibl></rdg>
            </app></seg> und des <index indexName="subjects-index">
            <term>Abend</term>
          </index>Abends gieng er hinaus, in <hi>Bethanien</hi> zu
                                übernachten. Die <hi>Hohepriester</hi>
          <pb n="138" edRef="#b"/>
          <pb n="138" edRef="#c"/> aber, (diesen Titel fürete nicht allein das
                                jedesmahlige Haupt der Priesterschaft, sondern auch die gewesenen
                                und abgesezten, nebst den Häuptern der <ptr target="#sontr10_erl_21" type="editorial-commentary"/>vier und zwanzig <app>
            <lem>Priester Ordnungen</lem>
            <rdg type="pp" wit="#b #c">Priester-Ordnungen</rdg>
          </app>) und die <app>
            <lem><hi>Gesezgelehrte</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gesezgelehrten</hi></rdg>
          </app>, zusamt den <hi>Vornehmsten der Nation</hi> machten
                                unterdessen allerlei Mord-Anschläge gegen Ihn. Denn sie fanden
                                keinen Grund zu seiner Anklage. Auch das Volk hieng ihm an und
                                hörete ihn.</p>
        <p><hi><hi rend="spaced-out">Was</hi></hi> hier <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName> vorhersagte
                                und beweinete, <bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Lk:19:41" to="Lk:19:44"><choice>
                <abbr>v.</abbr>
                <expan>Vers</expan>
              </choice>
              <app>
                <lem>41–44,</lem>
                <rdg type="v" wit="#b #c">41–44.</rdg>
              </app></citedRange></bibl>
          <ptr target="#sontr10_erl_22" type="editorial-commentary"/>ist <app>
            <lem>sieben und <app>
                <lem>dreyssig</lem>
                <rdg type="v" wit="#b">dreyßig</rdg>
              </app> Jahre nachher</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c"><hi>sieben und dreyßig Jahre
                                            nachher</hi>,</rdg>
          </app> zum Erstaunen pünktlich eingetroffen. <ptr target="#sontr10_erl_2" type="editorial-commentary"/>Der rö<pb n="139" edRef="#a"/>mische Feldherr, und nachmahlige Kaiser
                                    <index indexName="persons-index">
            <term>Titus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:3rtjq"><hi>Titus</hi></persName> rückte mit
                                einer Armee von sechzigtausend Mann vor die rebellische <app>
            <lem>Stadt</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Stadt,</rdg>
          </app> und schloß sie rings umher mit einer Mauer ein. Seitdem war
                                    <hi>Jerusalem</hi> ein Schauplaz der <index indexName="subjects-index">
            <term>allerschrecklichste Auftritte</term>
          </index>allerschrecklichsten Auftritte. Die Belagerten in <ptr target="#sontr10_erl_18" type="editorial-commentary"/><index indexName="subjects-index">
            <term>Faktion</term>
          </index><app>
            <lem>Factionen</lem>
            <rdg wit="#c" type="v">Faktionen</rdg>
          </app> zertheilt, richteten unter sich selbst entsezliche Blutbäder
                                an. Die <index indexName="subjects-index">
            <term>Hungersnot</term>
          </index>Hungers-Noth ward so groß, daß Eltern und Kinder sich
                                einander die Nahrungs-Mittel wegrissen, Mütter ihre Kinder
                                schlachteten, und die Strassen voll von Leichnamen verhungerter
                                Menschen waren. Die durch die Hartnäckigkeit der Juden erbitterten
                                Feinde liessen eine Menge von <app>
            <lem>denen</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">denen,</rdg>
          </app> die sich durch die Flucht retten wolten, im Angesicht der
                                Belagerten <index indexName="subjects-index">
            <term>kreuzigen</term>
          </index>kreuzigen, und schnitten Tausende dieser Unglücklichen
                                lebendig auf. In der Belagerung, die fast fünf Monathe daurete,
                                verlohren eine <hi>Million und drey mahl hundert sieben und</hi>
          <app>
            <lem><hi>dreyssig</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>dreyßig</hi></rdg>
          </app>
          <hi>tausend</hi>
          <app>
            <lem/>
            <rdg type="pt" wit="#c"><hi>Juden</hi>,</rdg>
          </app> das Leben. Nach der Einnahme wurden die Gefangenen zu <pb n="139" edRef="#b"/>
          <pb n="139" edRef="#c"/> Tausenden den wilden Thieren bei <index indexName="subjects-index">
            <term>Schauspiel, öffentliches</term>
          </index>öffentlichen Schauspielen vorgeworfen. Alles ward hierauf
                                dem Erdboden gleich gemacht; <ptr target="#sontr10_erl_23" type="editorial-commentary"/>so daß weder von der Stadt noch dem
                                Tempel <hi>ein Stein auf dem andern blieb</hi>. <ptr target="#sontr10_erl_3" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><index indexName="classics-index">
              <term>Flavius Josephus</term>
            </index>
            <persName ref="textgrid:24h09"><app>
                <lem>Josephus</lem>
                <rdg type="v" wit="#c"><hi>Josephus</hi></rdg>
              </app></persName> vom Jüdischen Kriege <app>
              <lem>Buch</lem>
              <rdg type="v" wit="#b #c">B.</rdg>
            </app> V. <app>
              <lem>Kapit.</lem>
              <rdg type="v" wit="#b #c">Kapitel</rdg>
            </app> 10.</seg>
          <app>
            <lem><hi>Keine</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Keiner</hi></rdg>
          </app>
          <hi>Stadt</hi>, sagt der <index indexName="subjects-index">
            <term>Geschichtsschreiber</term>
          </index>Geschichtschreiber dieser Nation, ein Jude von Geburth und
                                    <index indexName="subjects-index">
            <term>Religion</term>
          </index>Religion, welcher ein <app>
            <lem>Augen Zeuge</lem>
            <rdg type="pp" wit="#b #c">Augen-Zeuge</rdg>
          </app> dieses ganzen traurigen Krieges war, <hi>hat je ein solches
                                    Unglück betroffen. Und</hi>, er selbst sezet es hinzu, <hi>seit
                                    dem Anbeginn der Welt ist auch kein einziges</hi>
          <index indexName="subjects-index">
            <term>Menschengeschlecht</term>
          </index><app>
            <lem><hi>Menschen Geschlecht</hi></lem>
            <rdg type="pp" wit="#b #c"><hi>Menschen-Geschlecht</hi></rdg>
          </app>
          <hi>so fruchtbar an Bosheit</hi>
          <app>
            <lem><hi>gewesen</hi>.<supplied></supplied></lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>gewesen</hi>.“</rdg>
          </app> – – <pb n="140" edRef="#a"/> Man müste seine Augen
                                zuschliessen, wenn man hier nicht den <hi>Göttlichen Gesandten</hi>
                                sehen wolte, der die Zukunft wie das Vergangene kennet!</p>
        <p><hi><hi rend="spaced-out">Dieses</hi></hi>
          <index indexName="subjects-index">
            <term>schrecklichstes Unglück</term>
          </index>schrecklichste Unglück sagt er den Juden seiner Zeit vorher,
                                bloß um sie <app>
            <lem>dafür</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">davor</rdg>
          </app> zu sichern. Und bis zu Thränen wird er dadurch gerürt. <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:41 Lk:19:42"><choice>
                  <abbr>v.</abbr>
                  <expan>Vers</expan>
                </choice> 41. <app>
                  <lem>42</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">42.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi>Er sahe die Stadt an, und weinete über sie, und</hi>
          <app>
            <lem><hi>sprach;</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>sprach:</hi></rdg>
          </app>
          <hi>Ach wenn du doch</hi>, jezo <hi>noch bedenken möchtest was zu
                                    deinem Glück dienet!</hi> – Wie würdig <app>
            <lem>einem</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">eines</rdg>
          </app> Gesandten <app>
            <lem>Gottes</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
          </app> ist dieser <app>
            <lem>Character</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Charakter</rdg>
          </app>! <hi>Fülbahrkeit</hi> durch <hi>Weisheit</hi>
          <app>
            <lem>geleitet,</lem>
            <rdg wit="#c" type="v">geleitet;</rdg>
          </app>
          <hi>Helden-Muth,</hi>
          <app>
            <lem><hi>Geistes-Grösse</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Geistes-Grösse</hi>,</rdg>
          </app> und eine Alles umfassende für Aller Glück brennende
                                    <hi>Liebe</hi>! Und dieser Edelste, Beste, Liebenswürdigste
                                Mensch ist noch dazu durch eben die <hi>Leiden</hi> gegangen die das
                                Looß der Menschheit sind. Er weiß wie einem menschlichen Herzen
                                unter der Last des Elendes zu Muthe ist. <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Hebr:2:10" to="Hebr:2:18"><app>
                  <lem>Hebräer</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">Hebr.</rdg>
                </app> 2, <app>
                  <lem>10–18</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">10–18.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg> Er ist durch
                                    <hi>Leiden</hi>, zu unserm <hi>Erlöser</hi>, und <ptr target="#sontr10_erl_4" type="editorial-commentary"/>unserm
                                    <hi>Könige</hi> eingeweihet; dadurch <pb n="140" edRef="#b"/>
          <pb n="140" edRef="#c"/> zu unserm recht Mitleidigen, Barmherzigen
                                und Treuen Hohenpriester bei <app>
            <lem>Gott</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
          </app>, gebildet worden: indem er nun durch <hi>eigene
                                    Erfahrung</hi> weiß, wie schmerzlich, wie peinlich, die Leiden
                                dieser Zeit <pb n="141" edRef="#a"/> uns schwache Menschen rüren. –
                                Die <hi>Natur</hi> menschlicher Seelen, <ptr target="#sontr10_erl_5" type="editorial-commentary"/>(und <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName> ist bei
                                aller seiner Erhöhung, doch noch immer ein <hi>wahrer</hi> Mensch)
                                bringt es so mit sich, daß wir denen günstig sind, welche eben die
                                Leiden dulden, die wir selbst ehedem geduldet. Niemand ist gegen
                                Kranke mitleidiger, als der selbst <app>
            <lem>ofte</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">oft</rdg>
          </app> krank gewesen. Niemand <index indexName="subjects-index">
            <term>fühlen</term>
          </index>fült die Noth <app>
            <lem>des</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">der</rdg>
          </app> Armen mit mehr Theilnehmung als der selbst <app>
            <lem>Arm gewesen</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c">Arm, war</rdg>
          </app>. Derjenige befiehlet am gütigsten der selbst ehedem
                                gehorchet: und <ptr target="#sontr10_erl_9" type="editorial-commentary"/>man läßt deswegen <index indexName="subjects-index">
            <term>Prinz</term>
          </index>Prinzen, von dem untersten Posten des Soldaten
                                hinaufsteigen, damit sie die Beschwerden des Gehorsams selbst fülen.
                                Wie angelegentlich sorgt nicht <ptr target="#sontr10_erl_6" type="editorial-commentary"/>der Seefahrer der aus der See in
                                den <index indexName="subjects-index">
            <term>Hafen</term>
          </index>Hafen zurückkomt, für den der aus dem Hafen in die See
                                läuft? Mit gröstem Fleiß giebt er ihm Nachricht von den Stürmen, den
                                Klippen, den Seeräubern, den Sandbänken; in wenigen Augenblicken ist
                                er der herzlichste <index indexName="subjects-index">
            <term>Menschenfreund</term>
          </index>Freund eines Menschen den er vielleicht sonst nie gesehen;
                                bloß weil dieser nun in eben die Gefahren gehet die er <app>
            <lem>auch</lem>
            <rdg type="om" wit="#b #c"/>
          </app> ausgestanden. <app>
            <lem>Getrost</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">– Getrost</rdg>
          </app> denn! Ihr <hi>Arme</hi>
          <index indexName="subjects-index">
            <term>Nebenmensch</term>
          </index><app>
            <lem>Neben Menschen</lem>
            <rdg type="pp" wit="#b #c">Neben-Menschen</rdg>
          </app>. Euer allmächtiger Regent weiß wie Armen zu Muthe <app>
            <lem>ist;</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">ist:</rdg>
          </app> denn er selbst war arm; so arm <ptr target="#sontr10_erl_24" type="editorial-commentary"/>daß er nicht <pb n="142" edRef="#a"/> hatte sein Haupt hinzulegen! Getrost ihr Rechtschaffene, durch
                                    <hi>Muthwillen oder Bosheit anderer Verspottete,
                                    Geschmähete</hi>! Unser allmächtige Regent weiß, wie tief der
                                ungerechte <pb n="141" edRef="#b"/>
          <pb n="141" edRef="#c"/> Spott und Lästerung andrer eine menschliche
                                Seele schmerzet: <ptr target="#sontr10_erl_25" type="editorial-commentary"/>denn Er selbst ward gelästert, und
                                verlachet. Getrost, ihr <hi>Kranke</hi>! Ihr unter der schwer
                                drückenden Last eines siechen Körpers Seufzende! Ihr Schwermütige!
                                Ihr Alle, die ihr unter einem Schmerz und Leiden weinet! Unser
                                Allmächtige und Ewige Regent, ist selbst durch Leiden, die
                                peinlichsten Leiden, zu unserm Könige eingeweihet; ist in dem allem,
                                uns seinen <app>
            <lem>Brüdern</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c">Brüdern, darum</rdg>
          </app> gleich geworden; – o ein unerschöpflicher Trost! – <ptr target="#sontr10_erl_26" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Hebr:2:18"><app>
                  <lem>Hebräer</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">Hebr.</rdg>
                </app> 2, <app>
                  <lem>18</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">18.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi>damit Er ein Mitleidiger und Treuer Hohepriester, für uns bei
                                    Gott würde. Da Er selbst gelitten: so kan er durch eigene
                                    Erfahrung, den Leidenden desto besser helfen.</hi></p>
        <p><hi><hi rend="spaced-out">Selbst</hi> bei dem Unausbesserlichen
                                    Sünder braucht Gott dennoch alle Mittel ihn zu bessern.</hi>
                                Vergebens war alles bei den Juden zu <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Christi</hi></persName> Zeit. So
                                viele dringende Ermahnungen der Propheten; so viele <index indexName="subjects-index">
            <term>Wunderwerk</term>
          </index>Wunderwerke, <pb n="143" edRef="#a" id="less_143"/>
                                unleugbahre, erstaunliche, einleuchtende <index indexName="subjects-index">
            <term>Wunder</term>
          </index>Wunder <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName>; <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Hebr:1:1"><app>
                  <lem>Hebräer</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">Hebr.</rdg>
                </app> 1, <app>
                  <lem>1</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">1.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg> alle die <app>
            <lem>Herzerschütternde</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Herzerschütternden</rdg>
          </app> Reden, die <app>
            <lem>heilsame</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">heilsamen</rdg>
          </app> Drohungen, <app>
            <lem>rürende</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">rürenden</rdg>
          </app> Bitten, und <app>
            <lem>zärtliche</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">zärtlichen</rdg>
          </app> Thränen dieses höchsten Lehrers der Welt, alles ward
                                verachtet, verworfen, mit vorsäzlicher Bosheit verworfen. <app>
            <lem>Gott</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
          </app> sahe diese ganz unbiegsame Härte, diese unausbesserliche
                                Gottlosigkeit gar wohl <app>
            <lem>vorher</lem>
            <rdg type="typo-correction" wit="#b"><choice>
                <sic>verher</sic>
                <corr type="editorial">vorher</corr>
              </choice></rdg>
          </app>: <app>
            <lem>Er</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Er</hi></rdg>
          </app>, der die Strafen <app>
            <lem>dafür</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">davor</rdg>
          </app>, so genau vorhersagte, <ptr target="#sontr10_erl_7" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Apg:15:18"><app>
                  <lem>Apostelgeschicht</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">Apost. gesch.</rdg>
                </app> 15, <app>
                  <lem>18</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">18.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg> der alle <app>
            <lem>seine</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Seine</hi></rdg>
          </app> Werke von Ewigkeit her kennet! Dennoch wendet <app>
            <lem>er</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Er</hi></rdg>
          </app> alle jene Mittel, mit solcher Geduld an, als wenn die <app>
            <lem>heilsahme</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">heilsame</rdg>
          </app> Wirkung davon gewiß wäre. – Und wir wollen <pb n="142" edRef="#b"/>
          <pb n="142" edRef="#c"/> nun noch an dem Ernste <app>
            <lem>Gottes</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
          </app>, jeden Menschen zu <app>
            <lem><app>
                <lem>beglücken</lem>
                <rdg type="v" wit="#b">beglücken,</rdg>
              </app> zweifeln; glauben</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c">beglücken, zweifeln? Glauben</rdg>
          </app>
          <ptr target="#sontr10_erl_16" type="editorial-commentary"/>daß <app>
            <lem>er</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Er</hi></rdg>
          </app> einige schlechterdings zum Unglück verworfen <app>
            <lem>habe; nun</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c">habe? Nun</rdg>
          </app> noch – kalt seyn gegen einen <app>
            <lem>Gott</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
          </app>, der die <hi>Liebe Selbst</hi>
          <app>
            <lem>ist!</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">ist?</rdg>
          </app></p>
        <p><seg type="margin"><app>
              <lem><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:42">vers 42</citedRange></bibl></lem>
              <rdg type="pp" wit="#b #c"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:2">v. <choice>
                      <sic>2.</sic>
                      <corr type="editorial">42.</corr>
                    </choice></citedRange></bibl></rdg>
            </app></seg>
          <hi><hi rend="spaced-out">Je</hi> stärker das Laster bei dem
                                    Menschen wird, desto Ruhiger, Sicherer ist er.</hi> Als die
                                Bosheit der Juden aufs höchste gestiegen war, da waren sie gerade am
                                Ruhigsten bei ihren Lastern. Weit entfernt, sich für reif zur
                                fürchterlichsten Strafe zu halten, glaubten sie vielmehr, sie seyn
                                    <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Joh:8:39"><app>
                  <lem>Johannis</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">Joh.</rdg>
                </app> 8, <app>
                  <lem>39</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">39.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi>Lieblinge</hi>
          <app>
            <lem>Gottes</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
          </app>, und hoften gar <app>
            <lem>auf</lem>
            <rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
                <sic>anf</sic>
                <corr type="editorial">auf</corr>
              </choice></rdg>
          </app> Wunder<pb n="144" edRef="#a" id="less_144"/>werke der <app>
            <lem>Gottheit</lem>
            <rdg type="v" wit="#b">Gottheit,</rdg>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottheit</hi>,</rdg>
          </app> ihre Nation recht blühend und glänzend zu machen. So ist es <app>
            <lem><app>
                <lem>auch,</lem>
                <rdg type="v" wit="#c">auch</rdg>
              </app> nach</lem>
            <rdg wit="#b" type="pp">auch nach,</rdg>
          </app> der Natur menschlicher Seelen <hi>Immer</hi>. Je mehr der
                                Mensch einer Sünde, es sey Neid, oder Bosheit, oder Unzucht, oder
                                irgend eine andre, nachhängt; desto mehr wird <hi>an der einen
                                    Seite</hi>, die Macht der Sünde <app>
            <lem>verstärket</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">verstärkt</rdg>
          </app>, und <hi>an der andern</hi>, die <index indexName="subjects-index">
            <term>Religion, Macht der</term>
          </index>Macht der Religion <app>
            <lem>geschwächet</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">geschwächt</rdg>
          </app>. Die Sünde wird ihm endlich zur Gewohnheit. Und nun schweigt
                                das Gewissen gänzlich. <app>
            <lem>Wie</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">– Wie</rdg>
          </app> bei einem <app>
            <lem>Ungewitter</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Ungewitter,</rdg>
          </app> welches das Schiff gar zu weit von seinem Wege verschlagen,
                                der <app>
            <lem>Steurmann</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Steuermann</rdg>
          </app> in Verzweifelung, <app>
            <lem>Carte</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Karte</rdg>
          </app> und <app>
            <lem>Compaß</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Kompaß</rdg>
          </app> wegwirft und sich vom <index indexName="subjects-index">
            <term>Zufall</term>
          </index>Zufall füren läßt, wohin er will: so
                                wirft auch der Geübte Sünder, der schon sehr weit von der Tugend
                                sich entfernet, <index indexName="subjects-index">
            <term>Vernunft, Religion und Gewissen</term>
          </index>Vernunft, Religion und Gewissen weg, und überläßt <app>
            <lem>sich ganz und gar</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c">sich, <hi>ganz und gar</hi></rdg>
          </app> dem Laster.</p>
        <p><pb n="143" edRef="#b"/>
          <pb n="143" edRef="#c"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:42"><app>
                  <lem>vers 42</lem>
                  <rdg type="pp" wit="#b #c">v. 42.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi><hi rend="spaced-out">Wie</hi></hi>
          <app>
            <lem>Gefärlich</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Gefährlich</rdg>
          </app>, wie Grundfalsch ist es also, <hi>die Stille unsers
                                    Gewissens, für einen <index indexName="subjects-index">
              <term>Beweis</term>
            </index>Beweis unsers Gottgefälligen Zustandes zu</hi>
          <app>
            <lem><hi>halten</hi>?</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>halten</hi>!</rdg>
          </app> Denn je weiter der Mensch in der Bosheit komt, desto <index indexName="subjects-index">
            <term>fühllos</term>
          </index>fülloser wird er. Und so ist die Stille seines Gewissens
                                nichts anders, als <index indexName="subjects-index">
            <term>Fühllosigkeit</term>
          </index>Füllo<pb n="145" edRef="#a" id="less_145"/>sigkeit,
                                    <hi>Ein Schlaff, Ein <index indexName="subjects-index">
              <term>Tod des Gewissens</term>
            </index>Todt</hi> seines Gewissens; eine Stille, die sich bei
                                schweren Leiden, oder auf dem Sterbebette, oder sicher endlich nach
                                dem Tode vor <app>
            <lem>Gottes</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
          </app> Gericht, in den <index indexName="subjects-index">
            <term>schrecklichster Tumult des Gewissens</term>
          </index>schrecklichsten Tumult des Gewissens verwandelt. <app>
            <lem>Gleich</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">– Gleich</rdg>
          </app> der grossen Stille auf dem Meer, die ein Vorbothe des
                                fürchterlichsten Ungewitters ist.</p>
        <p><hi><hi rend="spaced-out">Nur</hi> allein alsdenn ist die Stille des
                                    Gewissens</hi>, wahre Ruhe, Friede mit <app>
            <lem>Gott</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
          </app>, ein <hi>sicherer Beweis unsers Gottgefälligen
                                Zustandes</hi>, <app>
            <lem>wenn wir in täglichem Umgange mit Gott und Uns selbst
                                        stehen</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c"><hi>wenn wir in täglichem Umgange mit
                                            Gott und Uns selbst stehen</hi></rdg>
          </app>. Wenn wir, so viel immer möglich, jeden Tag mit ernstlicher,
                                auf uns angewandten Betrachtung der <index indexName="subjects-index">
            <term>Bibel</term>
          </index>Bibel <hi>anfangen</hi>; und mit genauer Prüfung unsers
                                Herzens und Lebens <hi>endigen</hi>; wenn der Gedanke an <app>
            <lem>Gott</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
          </app> und unsre Pflicht, <app>
            <lem>Religion</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Religion,</rdg>
          </app> und Ewigkeit, bei uns <hi>herrschend</hi> geworden, uns bei
                                jedem Anlaß einfällt und mit Wohlgefallen unterhalten wird: sodenn,
                                aber auch <app>
            <lem><choice>
                <sic>nut</sic>
                <corr type="editorial">nur</corr>
              </choice></lem>
            <rdg type="typo-correction" wit="#b #c">nur</rdg>
          </app> allein alsdenn, können wir sicher und ganz zuversichtlich
                                sagen, <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="2Kor:1:12">2 <app>
                  <lem>Corinther</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b">Cor.</rdg>
                  <rdg type="v" wit="#c">Kor.</rdg>
                </app> 1, <app>
                  <lem>12</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">12.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi>dies ist mein Ruhm, das Zeugnis meines</hi>
          <app>
            <lem><hi>Gewissens</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>Gewissens,</hi></rdg>
          </app>
          <hi>daß ich vor Gott mit aller Treue wandele.</hi>
          <ptr target="#sontr10_erl_27" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Röm:8:31" to="Röm:8:39"><app>
                  <lem>Römer</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">Röm.</rdg>
                </app> 8, <app>
                  <lem>31–Ende</lem>
                  <rdg type="v" wit="#b #c">31–Ende.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi>Wer will mich anklagen, da Gott mich</hi>
          <app>
            <lem><hi>Ge</hi><pb n="146" edRef="#a" id="less_146"/><hi>rechtspricht</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>Gerecht spricht</hi></rdg>
          </app><hi>! Ist Gott für mich – was kan wider mich seyn?</hi></p>
        <p><pb n="144" edRef="#b"/>
          <pb n="144" edRef="#c"/>
          <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:41"><app>
                  <lem>vers 41</lem>
                  <rdg type="pp" wit="#b #c">v. 41.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi><hi rend="spaced-out">Auch</hi></hi> das <hi>Leiden des gröbsten
                                    Bösewichts müssen wir Christen, mit zärtlichem Mitleiden
                                    ansehen.</hi> Denn <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName>, unser Herr
                                und Muster weinete über das Unglück, das höchst verdiente Unglück
                                seiner Mörder. <ptr target="#sontr10_erl_28" type="editorial-commentary"/>Ferne sey denn von uns jene <app>
            <lem>Härte</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">Härte,</rdg>
          </app> welche sich gegen das Elend des Lasterhaften versteinert, ihn
                                gar mit den bittersten Vorwürfen <app>
            <lem>kränket.</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">kränket!</rdg>
          </app>
          <ptr target="#sontr10_erl_29" type="editorial-commentary"/>Ferne
                                noch mehr jene Grausamkeit, welche so geflissentlich und gerne, in
                                den Leiden andrer, <hi>Straf-Gerichte Gottes</hi> siehet, und den
                                Leidenden durch dieses Urtheil, bis ins Herz verwundet! So etwas
                                schickt sich nicht für Schüler <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName>; der über
                                das Unglück der verruchtesten Menschen auf dem Erdboden –
                                    <hi>Weinet!</hi></p>
        <p><ptr target="#sontr10_erl_10" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:41 Lk:19:42 Lk:19:47"><app>
                  <lem>vers 41<supplied>.</supplied></lem>
                  <rdg type="pp" wit="#b #c">v. 41.</rdg>
                </app> 42. 47.</citedRange></bibl></seg>
          <hi><hi rend="spaced-out">Und</hi></hi> diese Menschen waren noch
                                dazu seine <hi>ärgsten Feinde</hi>. Das Unglück seiner Lästerer,
                                seiner grausamsten Mörder rüret ihn inniglich; rürt ihn bis zu
                                Thränen. Recht ängstlich wünschet er, sie davon befreiet zu sehen.
                                Aus dem Innersten seines Gerürten Herzens bricht das <index indexName="subjects-index">
            <term>Gebet</term>
          </index>Gebet hervor: <app>
            <lem>ach daß du doch bedenken möchtest <pb n="147" edRef="#a"/>
                                        was zu deinem Glück dienet!</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c"><hi>ach daß du doch bedenken möchtest
                                            was zu deinem Glück dienet!</hi></rdg>
          </app> – So müssen auch wir Gesinnet seyn, und Handeln, wenn wir
                                anders den Nahmen der <hi>Christen</hi>, mit Recht, und nicht zur
                                Schande <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Christi</hi></persName> tragen
                                wollen!</p>
        <p><hi><hi rend="spaced-out">Eines</hi></hi> der besten, oder vielmehr
                                das <app>
            <lem><hi>Allerkräftigste</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b"><hi>Aller kräftigste</hi></rdg>
          </app> Mittel, uns zu einer solchen Grosmütigen Menschen-Liebe zu
                                bilden, ist <ptr target="#sontr10_erl_17" type="editorial-commentary"/>das <hi>Gebet</hi>; und besonders
                                die <hi>Fürbitte für alle unsre</hi>
          <app>
            <lem><hi>Nebenmenschen</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>Neben-Menschen</hi></rdg>
          </app>. Darum will auch <app>
            <lem>Gott</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
          </app>, <pb n="145" edRef="#b"/>
          <pb n="145" edRef="#c"/> daß <hi>eins der vornehmsten Stücke seines
                                    öffentlichen Dienstes, das Gebet, besonders für unsre
                                    Neben-Menschen seyn soll</hi>! – <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Lk:19:46"><app>
                  <lem>vers 46</lem>
                  <rdg type="pp" wit="#b #c">v. 46.</rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg> „Es stehet geschrieben,
                                sagt <index indexName="persons-index">
            <term>Christus, s. Jesus Christus</term>
            <term>Jesus Christus</term>
          </index>
          <persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName>, <hi>Mein
                                    Haus ist ein Bet-Haus.</hi>“ Beim <hi>Jesaias</hi> 56, <app>
            <lem>1–9</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">1–9.</rdg>
          </app> weissaget <app>
            <lem>Gott</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
          </app> die <index indexName="subjects-index">
            <term>Religion, Ausbreitung der</term>
          </index>Ausbreitung der wahren Religion durch den <app>
            <lem><hi>Messias</hi></lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c"><hi>Meßias</hi></rdg>
          </app>. Menschen, Nationen aus allen Welt-Gegenden werden in das
                                    <index indexName="subjects-index">
            <term>Haus Gottes</term>
          </index><hi>Haus Gottes</hi> kommen, zu <hi>Ihm zu beten</hi>. <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Jes:56:7"><app>
                  <lem>vers 7</lem>
                  <rdg type="pp" wit="#b #c">v. <choice>
                      <sic>47.</sic>
                      <corr type="editorial">7.</corr>
                    </choice></rdg>
                </app></citedRange></bibl></seg>
          <hi>Mein Haus</hi>, sagt <app>
            <lem>Gott</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
          </app> selbst, <hi>wird ein <hi rend="spaced-out">Bet-Haus</hi> für
                                    alle Völker seyn.</hi> – Ein <hi>Bet-Haus</hi> also, ihr <app>
            <lem>Christen</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Christen</hi></rdg>
          </app>! Wenn wir denn in der <index indexName="subjects-index">
            <term>Kirche</term>
          </index>Kirche zusammen kommen: so ist das Anhören der <app>
            <lem>Predigt</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">Predigt,</rdg>
          </app> und der Gebrauch des <app>
            <lem>h.</lem>
            <rdg type="v" wit="#b #c">heiligen</rdg>
          </app>
          <index indexName="subjects-index">
            <term>Abendmahl</term>
          </index>Abendmahls bei weitem noch nicht der ganze Gottes-Dienst. <app>
            <lem><hi>Be</hi><pb n="148" edRef="#a" id="less_148"/><hi>ten</hi>, Gott</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c"><hi>Beten; Gott</hi></rdg>
          </app> für <app>
            <lem>seine</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Seine</hi></rdg>
          </app> Wohlthaten preisen, und um Schuz und Seegen anflehen; <app>
            <lem>Ihm</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Ihm</hi></rdg>
          </app>, uns ganz aufs neue widmen; und insbesondre, für unsre <app>
            <lem>hülflose</lem>
            <rdg type="v" wit="#c">hülfloose</rdg>
          </app>, kranke, arme, <ptr target="#sontr10_erl_19" type="editorial-commentary"/>preshafte, irrende, lasterhafte
                                Neben-Menschen zu <app>
            <lem>Ihm beten,</lem>
            <rdg type="pp" wit="#c"><hi>Ihm</hi> beten:</rdg>
          </app> dies, dies ist, nach <app>
            <lem>Gottes</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
          </app> eigener Erklärung, das <hi><hi rend="spaced-out">Haupt</hi></hi>-Stück des <app>
            <lem>Ihm</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Ihm</hi></rdg>
          </app> wohlgefälligen Dienstes. Das Haus <app>
            <lem>Gottes</lem>
            <rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
          </app> soll nicht so wohl ein <index indexName="subjects-index">
            <term>Predigthaus</term>
          </index>Predigt-Haus, sondern vornehmlich, – ein <hi><hi rend="spaced-out">Bet-Haus</hi></hi> seyn!</p>
      </div></lem>
    <rdg type="om" wit="#z"/>
  </app>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_1"><label>den
                        siebenjärigen Krieg verursachten welcher [...] der Stadt und dem ganzen
                        Staat der Juden ein Ende machte</label>
    <p>Gemeint ist der <hi>Jüdische Krieg</hi>, der mit den judäischen Unruhen des
                        Jahres 66 begann und als dessen Ende gemeinhin die Einnahme Jerusalems und
                        die Zerstörung des Tempels unter Titus (vgl. u. <ptr type="page-ref" target="#sontr10_erl_2"/>) im Jahre 70 angesehen wird. Allerdings
                        konnten sich nach dem Fall Jerusalems radikale Zeloten (vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259sh.5#sontr23_erl_1"/>) in die nahe
                        des Toten Meeres gelegene Bergfestung Masada zurückziehen und diese bis in
                        das Jahr 73/74 gegen die Römer halten (nach Jos. Bell. VII 384–406 töteten
                        sich die Belagerten schließlich selbst). Markiert, wie bisweilen angenommen,
                        der Fall Masadas das Ende des <hi>Jüdischen Krieges</hi> (vgl. z.B. E.
                        Schürer, Geschichte des Jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu I, <hi rend="superscript">2</hi>1890, 502–539 [= § 20]), handelt es sich nicht
                        um einen vier-, sondern um einen siebenjährigen Krieg (vgl. auch <ref target="textgrid:25dfh.5#less_368">a368</ref>). In den
                            <hi>Sontags-Evangelia</hi> nimmt Leß immer wieder auf den <hi>Jüdischen
                            Krieg</hi> Bezug, der zunächst schlicht zur neutestamentlichen
                        Zeitgeschichte gehört, dann aber als von Jesus geweissagt zu den sog.
                        „Wunderwerken der Kenntnis“ zählt. Diese machen für Leß neben den als
                        „Wunderwerke der Macht“ bezeichneten Wundertaten das ganze Fundament der
                        christlichen Religion (vgl. G. Leß, Christliche Wahrheit, <hi rend="superscript">4</hi>1776, 396f.; zur Weissagung des Unterganges der
                        jüdischen Nation und dem pünktlichen Eintreffen desselben aaO 410–435) bzw.
                        das „einzige und aller Welt verständliche Beglaubigungs-Schreiben eines
                        Gesandten Gottes“ (<ref target="textgrid:25dgg.5#less_672">a672</ref>)
                        aus.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_2"><label>Der
                        römische Feldherr, und nachmahlige Kaiser Titus</label>
    <p>In den <hi>Sontags-Evangelia</hi> wird Titus Flavius Vespasianus (39–81)
                        ausschließlich als Heerführer während des von Leß als „Siebenjähriger Krieg“
                        bezeichneten <hi>Jüdischen Krieges</hi> (66–70) (vgl. o. <ptr type="page-ref" target="#sontr10_erl_1"/>) erwähnt. Nachdem Vespasian
                        (9–79), der von Kaiser Nero (37–68) mit der Niederschlagung des Aufstandes
                        in Judäa beauftragt worden war, im Zuge des Vier-Kaiser-Jahres (69) die
                        Herrschaft über das Römische Reich übernehmen konnte, ging die militärische
                        Führung in Judäa an seinen Sohn Titus über. Als in Jerusalem Unruhen
                        ausbrachen, belagerte Titus die Stadt und konnte sie schließlich im Jahre 70
                        einnehmen. Die Einnahme endete mit dem Fall der Burg Antonia (vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259sh.5#sontr23_erl_2"/>) sowie der
                        (wohl gegen Titus’ Willen [vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259sk.5#sontr25_27_erl_1"/>]) erfolgten Zerstörung des
                        Tempels. Titus kehrte im Jahre 71 als Sieger (davon zeugen etwa der
                        Titusbogen und die Prägung von <foreign lang="lat"><hi>Iudaea
                            capta</hi></foreign>-Münzen) nach Rom zurück und folgte seinem Vater
                        nach dessen Tod als zweiter flavischer Kaiser nach. Die römische
                        Historiographie, aber auch der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus
                        (vgl. u. <ptr type="page-ref" target="#sontr10_erl_3"/>), bewerten Titus
                        auffallend positiv.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_3"><label>
                        {Josephus vom Jüdischen Kriege Buch V. Kapit. 10.} „Keine Stadt [...] so
                        fruchtbar an Bosheit gewesen.<supplied></supplied></label>
    <p>Der jüdisch-hellenistische Geschichtsschreiber Flavius Josephus (37/38–100)
                        beschreibt in der <hi>Jüdische Krieg</hi> (<foreign lang="lat"><hi>Bellum Iudaicum</hi></foreign>) in insgesamt sieben Büchern die
                        Vorgeschichte und den Verlauf des von Leß auch als „Siebenjähriger Krieg“
                        bezeichneten <hi>Jüdischen Krieges</hi> (66–70) bis zur Belagerung der
                        Bergfestung Massada (vgl. o. <ptr type="page-ref" target="#sontr10_erl_1"/>)
                        und avanciert damit zum wichtigsten Chronisten der Geschehnisse. Aufgrund
                        seiner Kritik v.a. an den radikalen jüdischen Kräften und seiner immer
                        wieder durchscheinenden Sympathie für die römischen Gegner wurde Josephus im
                        rabbinischen Judentum kaum rezipiert, gilt jedoch bis heute als
                        unschätzbarer Gewährsmann für die neutestamentliche Zeitgeschichte, in deren
                        Zusammenhang auch sein zweites großes Geschichtswerk, die <hi>Jüdischen
                            Altertümer</hi> (<foreign lang="lat"><hi>Antiquitates
                            Iudaicae</hi></foreign>) zu nennen sind. In Jos. Bell. V 10 schildert
                        Josephus die kurz zuvor von Leß erwähnte Hungersnot im belagerten Jerusalem
                        (zur danach erwähnten Kreuzigung der Flüchtenden vgl. Jos. Bell. V 11,1; zur
                        Zahl der Todesopfer unter den Belagerten vgl. Jos. Bell. VI 9,3; zur
                        Zerstörung Jerusalems und des Tempels vgl. Jos. Bell. VII 1,1). Das hier
                        angeführte Zitat findet sich in Jos. Bell. V 10,5 (= V 442).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_4"><label>Könige
                        [...] Hohenpriester</label>
    <p>Hier dürfte die reformatorische Lehre vom zweifachen Amt (<hi>munus
                            duplex</hi>) Christi, d.i. das königliche (<hi>munus regale</hi>) und
                        das hohepriesterliche (<hi>munus sacerdotale</hi>) Amt, im Hintergrund
                        stehen, die später durch das Hinzutreten des prophetischen Amtes (<hi>munus
                            propheticum</hi>) zur Lehre vom dreifachen Amt (<hi>triplex munus</hi>)
                        ausgebaut wurde (vgl. K. Bornkamm, Christus – König und Priester [BHTh 106],
                        1998). Auch wenn sich die Prädikationen Christi als König, Hohepriester und
                        Prophet bis in die biblische Überlieferung hinein zurückverfolgen lassen,
                        deutet die auffällige Kombination der Begriffe „König“ und „Hohenpriester“,
                        gerade auch im Kontext der prophetischen Ankündigung des Untergangs
                        Jerusalems, auf die Ämterlehre der altprotestantischen Christologie
                    hin.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_5"><label>(und
                        Jesus ist bei aller seiner Erhöhung, doch noch immer ein wahrer
                        Mensch)</label>
    <p>Mittels parenthetischer Klammer schiebt Leß die auf dem Konzil von Chalcedon
                        (451) endgültig bestätigte Zwei-Naturen-Lehre ein, nach der Christus wahrer
                        Mensch und wahrer Gott ist. Menschliche und göttliche Natur sind in Christus
                        als einer Person oder Hypostase vereinigt (vgl. <ref target="textgrid:25dfn.5#less_408">a408</ref>), bleiben jedoch
                        unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar, d.h., trotz
                        hypostatischer Union bleiben ihre jeweiligen Eigenschaften erhalten. Gemäß
                        der Lehre von der Idiomenkommunikation (<hi>communicatio idiomatum</hi>) hat
                        eine Natur jedoch Anteil an den Eigenschaften der anderen.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_6"><label>der
                        Seefahrer [...] den Sandbänken</label>
    <p>Maritime Bilder finden sich den <hi>Sontags-Evangelia</hi> immer wieder (vgl.
                            <ref target="textgrid:259rk.5#less_74">a74.</ref>
      <ref target="textgrid:259rn.5#less_91">a91</ref>. <ref target="#less_144">a144</ref>. <ref target="#less_145">a145</ref>. <ref target="textgrid:259s8.5#less_234">a234</ref>. <ref target="textgrid:25dg4.5#less_567">a567</ref>; dazu das aus Hebr 6,18–20
                        stammende Bild des Ankers <ref target="textgrid:25dfs.5#less_480">a480</ref>. <ref target="textgrid:25dg9.5#less_606">a606</ref>). Ganz in
                        christlicher Tradition sind Sturm und Seegang für Leß „[e]in lebhaftes Bild
                        unsers jezigen Lebens“ (<ref target="textgrid:25dfs.5#less_475">a475</ref>),
                        Gott selbst ist „[d]ie Hand, welche das Ruder der Welt lenkt“ (<ref target="textgrid:25dfn.5#less_422">a422</ref>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_7"><label>{Apostelgeschicht 15, 18} der alle seine Werke von Ewigkeit her
                        kennet</label>
    <p>In Apg 15,16–18 wird im Wesentlichen Am 9,11f. (LXX) wiedergegeben, die
                        gerade mit Apg 15,18 einhergehenden textkritischen Schwierigkeiten waren im
                        18. Jh. wohl bekannt. Anders als Griesbach bietet Wettstein in Apg 15,18
                            <foreign lang="grc">γνωστὰ ἀπ’ αἰῶνος ἐστίν τῷ θεῷ πάντα τὰ ἔργα
                            αὐτοῦ</foreign> (vgl. <hi>Wettstein</hi>, z. St.) und damit
                        offensichtlich die von Leß (vgl. auch <hi>Luther</hi> [1545], z. St.)
                        zugrunde gelegte Lesart.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_8"><label>der dies
                        alles vorher wuste und schon lange vorhergesagt hatte</label>
    <p>Vgl. v.a. die drei Leidensankündigungen in Lk 9,21f. parr. 43–45 parr.;
                        18,31–34 parr. Die dritte Leidensankündigung bildet die Textgrundlage für
                        ein eigenes Sonntagsevangelium (vgl. <ref target="textgrid:25dg0.5#less_523">a523–534</ref>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_9"><label>man läßt
                        deswegen Prinzen, von dem untersten Posten des Soldaten hinaufsteigen, damit
                        sie die Beschwerden des Gehorsams selbst fülen</label>
    <p>Die Einübung des Soldatischen gehörte in ganz Europa zu den zentralen
                        Aspekten der Prinzenerziehung. So erhielt etwa Friedrich Wilhelm II.
                        (1744–1797), der Enkel des als Soldatenkönig bekannten Friedrich Wilhelm I.
                        (1688–1740), bereits als Fünfjähriger Exerzierunterricht und wurde im Alter
                        von zehn Jahren zum Offizier ernannt. Wen Leß, der dieses Bild <ref target="textgrid:25dg1.5#less_540">a540</ref> ein weiteres Mal
                        verwendet, hier konkret im Blick gehabt haben könnte, muss unklar
                        bleiben.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_10"><label>{vers
                            41<supplied>.</supplied> 42. 47.}</label>
    <p>Die Bezugnahme erfolgt in der Reihenfolge Lk 19,47.41.42.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_12"><label>{vers
                        43} Verborgen war es vor ihren Augen [...] darin du heimgesucht
                        bist.</label>
    <p>Wiedergegeben wird Lk 19,43f. Um einen fließenderen Anschluss zu
                        gewährleisten, wird jedoch der zuvor behandelte Vers Lk 19,42 (vgl. die
                        Marginalie <ref target="#less_136">a136</ref>) aufgegriffen. Die in der
                        zweiten und dritten Auflage erfolgte Umstellung auf Vers 42 erscheint daher
                        an dieser Stelle unglücklich.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_13"><label>{vers
                        41} [...] Weinete über sie [...] diese zwei Worte!</label>
    <p>Auch in der griechischen Textgestalt des 18. Jh. bietet Lk 19,41 mit <foreign lang="grc">ἔκλαυσεν ἐπ’ αὐτῇ</foreign> (vgl. z.B.
                        <hi>Wettstein</hi>, z. St.) nicht nur zwei Worte (vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259s7.5#sontr16_erl_5"/>), doch lässt der weitere
                        Verlauf des Sonntagsevangeliums erkennen, dass wohl 1.) Jesu Weinen (vgl.
                            <ref target="#less_134">a134</ref>) 2.) über Jerusalem (vgl. <ref target="#less_136">a136</ref>) gemeint ist. Zum einfühlsamen Charakter
                        Jesu vgl. z.B. auch <ref target="textgrid:259s7.5#less_227">a227f.</ref>,
                        dazu etwa G. Leß, Wahrheit der christlichen Religion, <hi rend="superscript">4</hi>1776, 627–633.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_14"><label>{vers
                        47. 48.} [...] Den Tag über lehrete er [...] und hörete ihn.</label>
    <p>Hierbei handelt es sich nicht um eine Paraphrase, sondern um eine nach
                        Maßstab der <hi>Sontags-Evangelia</hi> genaue Wiedergabe von Lk 19,47f. Dass
                        diese Passage im Original nicht wie sonst typographisch hervorgehoben ist,
                        könnte ein Satzfehler sein.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_15"><label>{Marci
                        11, 17–19}</label>
    <p>Die (vielleicht sogar unabsichtliche) Änderung der Marginalie in der dritten
                        Auflage zu Mk 11,17.19 macht inhaltlich keinen Unterschied (vgl. dazu auch
                            <ptr type="page-ref" target="textgrid:259s4.5#sontr13_erl_9"/>. <ptr type="page-ref" target="textgrid:25dfn.5#njt_erl_2"/>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_16"><label>daß er
                        einige schlechterdings zum Unglück verworfen habe</label>
    <p>Diese von Leß auch als Prädestinatianismus bezeichnete Vorstellung (vgl. G.
                        Leß, Christliche Religions-Theorie fürs gemeine Leben, oder Praktische
                        Dogmatik, <hi rend="superscript">2</hi>1780, 158f [= § 84]) wird als der
                        ausnahmslos „schrecklichste aller Irrthümer“ (aaO 158) abgelehnt. Mit der
                        endgerichtlichen Trennung von Tugend- und Lasterhaften rechnet Leß hingegen
                        schon (vgl. <ref target="textgrid:259sk.5#less_350">a350</ref>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_17"><label>das
                        Gebet</label>
    <p>In diesem Absatz erklärt Leß das Gebet zum Hauptstück des öffentlichen
                        Gottesdienstes und stellt es über das sakramentalen Rang besitzende
                        Abendmahl. In dem betreffenden Paragraphen in G. Leß, Christliche Moral,
                        1777, 363f. (= § 245) (dazu auch aaO 222–224 [= § 150] [dort mit Verweis auf
                        diesen Absatz]) schärft Leß ein, der Prediger dürfe es nie weglassen,
                        sondern müsse mit tiefster Ehrfurcht und heißester Andacht entweder ein
                        vorgeschriebenes oder ein eigenes Gebet vorbeten. Dieses und v.a. das
                            <hi>Vater Unser</hi> „so kalt als ein Zeitungsblatt ablesen, und gleich
                        einem Schüler herplappern“ (aaO 364), sei ebenso schimpflich wie
                        strafbar.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_18"><label>Factionen</label>
    <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259rk.5#sontr5_erl_21"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_19"><label>preshafte [...] Neben-Menschen</label>
    <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259rr.5#sontr9_erl_14"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_20"><label>die
                        Betrügereien der falschen Messiasse [...] das Volk gegen die Römer, ihre
                        damahlige Oberherren aufwiegelten</label>
    <p>In Mt 24,5.23f. parr. (dazu <ref target="textgrid:259sk.5#less_331">a331f.</ref>. <ref target="textgrid:259sk.5#less_334">a334</ref>. <ref target="textgrid:259sk.5#less_339">a339</ref>); Apg 5, 36f. (Theudas und
                        Judas der Galiläer) spricht auch das Neue Testament von falschen Messiassen.
                        Später gipfelte der von Leß als „Geist des Aufrurs gegen die Römer“ (<ref target="textgrid:259rt.5#less_151">a151</ref>) bezeichnete Widerstand
                        (vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259rt.5#sontr11_erl_4"/>) im
                        nach seiner messianischen Zentralfigur benannten Bar-Kochba-Aufstand
                        (132–136).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_21"><label>vier
                        und zwanzig Priester Ordnungen</label>
    <p>Nach 1Chr 24 (dazu Lk 1,5.8f.) wurden die Priester für ihren Dienst am
                        Jerusalemer Tempel in 24 Klassen eingeteilt, die sich im Wochenrhythmus, von
                        Sabbat zu Sabbat, ablösten (vgl. <hi>Zedler</hi>, „Priester im Alten
                        Testament [Ordnung der]“).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_22"><label>Was
                        hier Jesus vorhersagte [...] ist sieben und dreyssig Jahre nachher zum
                        Erstaunen pünktlich eingetroffen.</label>
    <p>Gemeint ist die im Folgenden geschilderte Eroberung Jerusalems im Jahre 70
                        als sog. „Wunderwerk der Kenntnis“ (vgl. o. <ptr type="page-ref" target="#sontr10_erl_1"/>). Daraus folgt, dass Jesus im Alter von 33
                        Jahren gekreuzigt worden ist. Später spricht Leß nicht von 37 Jahren,
                        sondern rundet auf 40 Jahre auf (vgl. <ref target="textgrid:259sk.5#less_339">a339f.</ref>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_23"><label>so daß
                        weder von der Stadt noch dem Tempel ein Stein auf dem andern blieb</label>
    <p>Neben Lk 19,44 findet sich dieses Bild auch in der sog. Endzeitrede (vgl. Mk
                        13,2 parr.).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_24"><label>daß er
                        nicht hatte sein Haupt hinzulegen</label>
    <p>Vgl. Mt 8,20 par.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_25"><label>denn Er
                        selbst ward gelästert, und verlachet</label>
    <p>Vgl. z.B. Mk 15,16–20 par. 29–32 parr.; Joh 19,1–5.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_26"><label>{Hebräer 2, 18} damit Er ein Mitleidiger und Treuer Hohepriester
                        [...] desto besser helfen.</label>
    <p>Wiedergegeben wird Hebr 2,17f.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_27"><label>{Röm 8,
                        31–Ende} Wer will mich anklagen [...] was kan wider mich seyn?</label>
    <p>Wiedergegeben wird Röm 8,33.31.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_28"><label>Ferne
                        sey denn von uns jene Härte welche sich gegen das Elend des Lasterhaften
                        versteinert</label>
    <p>Vgl. dagegen den zuvor geforderten Umgang mit „[g]esunden Armen, die nicht
                        arbeiten wollen, oder Bettlern auf der Strasse“ (<ref target="textgrid:259rr.5#less_129">a129</ref>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" id="sontr10_erl_29"><label>Ferne
                        noch mehr jene Grausamkeit, welche [...] in den Leiden andrer,
                        Straf-Gerichte Gottes siehet</label>
    <p>Leß, der Krankheit und Leiden mehrheitlich für selbstverschuldet hält (vgl.
                            <ref target="textgrid:259sb.5#less_260">a260f.</ref>), spricht sich
                        entschieden gegen die Annahme aus, beides als Strafen Gottes zu verstehen
                        (vgl. z.B. <ref target="textgrid:25dfh.5#less_373">a373</ref>). „<hi>Nein!
                            Nein! Selbst bei den Gottlosen, sind die Land-Plagen, und alle Leiden
                            nicht Straf-Gerichte <hi rend="spaced-out">Gottes</hi> sie zu zerstören.
                            Sondern Besserungs-Mittel des Vaters der Menschen, sie zu
                        beglükken</hi>“ (G. Leß, Christliche Lehre von den gesellschaftlichen
                        Tugenden. In Predigten, 1777, 646). Zum Nutzen des Leidens vgl. v.a. <ref target="textgrid:259sd.5#less_287">a287f.</ref>.</p></note>
</div>