|c17| Erster Abschnitt.
Homiletik und Katechetik.

13.

Nach dem Leichtsinn oder der Gleichgültigkeit zu urtheilen, mit der ein großer Theil wirklicher oder künftiger Prediger den Vortrag der Religion behandelt, scheint es, daß man das sogenannte Predigen, und die Erreichung seiner Absicht, für etwas sehr Leichtes, oder den Fleiß, der auf den guten Vortrag gewendet werden soll, für sehr entbehrlich halte. Liegt nicht dabei Verachtung der Religion selbst, Gleichgültigkeit gegen das wahre Wohl anderer Menschen, oder Mangel der Ueberzeugung von dem großen Einfluß der Religion auf das Beste der Menschen, zum Grunde: so ist nicht abzusehen, wie es ohne jene Einbildung möglich wäre, daß man sich für reif zu einem solchen Vortrage, oder für berechtigt halten könnte, wenn man kaum mehr wie die ersten Schritte zur deutlichen Kenntniß und Ueberzeugung in der Religion gethan hat; noch eben so arm an Kenntniß des menschlichen Herzens als an mannichfaltigen Kenntnissen zu Befriedigung so vieler Bedürfnisse des Verstandes und Herzens anderer Menschen ist; noch so wenig sich selbst durch eigene Erfahrung und Uebung in der wahren Gottseligkeit gebildet hat, alsdann schon auf den Lehrstuhl zu eilen, und sich zum Lehrer Anderer, gewiß oft an Kenntnissen und Erfahrungen reicherer Zuhörer, auf|c18|zuwerfen. Es wäre unbegreiflich, wie viele Prediger diese Beschäftigung als bloßes Hand- und Tagewerk, ohne wahrhaftige Theilnehmung oder gar mit Verdruß treiben, Alles, was und wie sie es sagen, für gut genug für ihre Zuhörer halten, sich mit der Vorstellung einwiegen könnten, daß Gottes Wort schon an sich kräftig genug sei, Gutes zu wirken, ohne daß es einer sorgfältigen Auswahl der Sachen, eines eigenen Fleißes im Ausdrucke bedürfte, oder daß diese Wahl und dieser Fleiß Mißtrauen gegen die göttlichen Lehren selbst voraussetzte, und gar dem Eindruck derselben hinderlich wäre. Es bliebe aber auch ohne dies eben so unerklärlich, wie manche Andere, unbekümmert um das, was sie lehren und einschärfen, fast den einzigen oder größten Werth auf Einkleidung und auf das Aeußerliche des Vortrags setzen, anstatt Verstand und Herz reden zu lassen, nach allerlei Künsten, den Vortrag auszuschmücken, haschen, und sich einbilden könnten, mit einem, ihrer Meinung nach, schönen und lebhaften Vortrage Alles gethan zu haben, was man von dem Prediger erwarten dürfe.Nach dem Leichtsinn oder der Gleichgültigkeit zu urtheilen, mit der ein großer Theil wirklicher oder künftiger Prediger den Vortrag der Religion behandelt, scheint es, daß man das sogenannte Predigen, und die Erreichung seiner Absicht, für etwas sehr Leichtes, oder den Fleiß, der auf den guten Vortrag gewendet werden soll, für sehr entbehrlich halte. Liegt nicht dabei Verachtung der Religion selbst, Gleichgültigkeit gegen das wahre Wohl anderer Menschen, oder Mangel der Ueberzeugung von dem großen Einfluß der Religion auf das Beste der Menschen, zum Grunde: so ist nicht abzusehen, wie es ohne jene Einbildung möglich wäre, daß man sich für reif zu einem solchen Vortrage, oder für berechtigt halten könnte, wenn man kaum mehr wie die ersten Schritte zur deutlichen Kenntniß und Ueberzeugung in der Religion gethan hat; noch eben so arm an Kenntniß des menschlichen Herzens als an mannichfaltigen Kenntnissen zu Befriedigung so vieler Bedürfnisse des Verstandes und Herzens anderer Menschen ist; noch so wenig sich selbst durch eigene Erfahrung und Uebung in der wahren Gottseligkeit gebildet hat, alsdann schon auf den Lehrstuhl zu eilen, und sich zum Lehrer Anderer, gewiß oft an Kenntnissen und Erfahrungen reicherer Zuhörer, auf|c18|zuwerfen. Es wäre unbegreiflich, wie viele Prediger diese Beschäftigung als bloßes Hand- und Tagewerk, ohne wahrhaftige Theilnehmung oder gar mit Verdruß treiben, Alles, was und wie sie es sagen, für gut genug für ihre Zuhörer halten, sich mit der Vorstellung einwiegen könnten, daß Gottes Wort schon an sich kräftig genug sei, Gutes zu wirken, ohne daß es einer sorgfältigen Auswahl der Sachen, eines eigenen Fleißes im Ausdrucke bedürfte, oder daß diese Wahl und dieser Fleiß Mißtrauen gegen die göttlichen Lehren selbst voraussetzte, und gar dem Eindruck derselben hinderlich wäre. Es bliebe aber auch ohne dies eben so unerklärlich, wie manche Andere, unbekümmert um das, was sie lehren und einschärfen, fast den einzigen oder größten Werth auf Einkleidung und auf das Aeußerliche des Vortrags setzen, anstatt Verstand und Herz reden zu lassen, nach allerlei Künsten, den Vortrag auszuschmücken, haschen, und sich einbilden könnten, mit einem, ihrer Meinung nach, schönen und lebhaften Vortrage Alles gethan zu haben, was man von dem Prediger erwarten dürfe.

14.

Sicherlich würde man nie auf diese Einbildungen und Ausschweifungen verfallen, oder sich leichter von ihnen loswinden können, wenn man sich von der Wahrheit folgender Betrachtungen recht lebhaft überzeugte, und sie stets gegenwärtig zu erhalten suchte, Betrachtungen, die der ernsthaftesten Untersuchung, zumal eines jeden, der sich dem Beruf eines Lehrers der Religion weihen will, höchst würdig sind. Zuvörderst 1) beruht alle wahre wesentliche Glückseligkeit, so fern sie in unserer Gewalt ist, auf Tugend, und, so fern sie nicht in unsern Händen steht, auf Zufrieden|c19|heit. Diese Glückseligkeit kann nur alsdann vollkommen seyn, wenigstens nähern wir uns dieser Vollkommenheit nur in dem Grade, a) je weiter Tugend und Zufriedenheit reichen, b) je mehr sie Ermunterung und Unterstützung haben, und c) je dauerhafter sie sind. Aber es läßt sich kein Mittel denken, das in dieser dreifachen Absicht so weit reichte, als die Religion.Sicherlich würde man nie auf diese Einbildungen und Ausschweifungen verfallen, oder sich leichter von ihnen loswinden können, wenn man sich von der Wahrheit folgender Betrachtungen recht lebhaft überzeugte, und sie stets gegenwärtig zu erhalten suchte, Betrachtungen, die der ernsthaftesten Untersuchung, zumal eines jeden, der sich dem Beruf eines Lehrers der Religion weihen will, höchst würdig sind. Zuvörderst 1) beruht alle wahre wesentliche Glückseligkeit, so fern sie in unserer Gewalt ist, auf Tugend, und, so fern sie nicht in unsern Händen steht, auf Zufrieden|c19|heit. Diese Glückseligkeit kann nur alsdann vollkommen seyn, wenigstens nähern wir uns dieser Vollkommenheit nur in dem Grade, a) je weiter Tugend und Zufriedenheit reichen, b) je mehr sie Ermunterung und Unterstützung haben, und c) je dauerhafter sie sind. Aber es läßt sich kein Mittel denken, das in dieser dreifachen Absicht so weit reichte, als die Religion.

15.

Sie giebt A) der Tugend und Zufriedenheit den weitesten Umfang. Wer an einen Gott glaubt, der der Vater aller Geschöpfe ist; wer alle Geschöpfe, und die Menschen insonderheit, als Glieder Eines großen Körpers ansieht; wer eine allweise und gütige Regierung des Ganzen erkennt, wo Alles als Mittel zu Einem gemeinsamen Zweck, zur Glückseligkeit Aller mitwirkt; wer also auch glaubt, daß kein Fleiß in dem Trachten nach dem, was wahr ist, ganz vergebens seyn könne, daß dies vielmehr die Ursach des weitern Fortrückens in jeder Vollkommenheit seyn müsse; daß endlich uns schlechterdings nichts begegnen könne ohne Gottes Willen, der immer das erfolgen läßt, was für uns das Beste ist: wie sollte dem, der dieses mit Ueberzeugung und von Herzen glaubt, der sich über das Sichtbare zum Unsichtbaren erheben kann, irgend etwas gleichgültig, von seiner Liebe und seinem Bestreben, Anderer Bestes zu befördern, ausgeschlossen, irgend etwas, das ihm begegnet, niederschlagend, und nicht vielmehr Ermunterung zur Dankbarkeit seyn? – B) Alsdann sind ihm alle Gesetze, als so viele Anzeigen der Quellen seines Glücks, wahre Wohlthaten, an welchen er um so mehr Antheil hat, je mehr er Gutes thut. Ihm sind alle seine Kräfte |c20| eben so viele Mittel glücklich zu werden; alle Erkenntniß des Wahren und alle Ausübung des Guten so viele Belohnungen; und von der unerschöpflichen Macht, Weisheit und Liebe Gottes kann er, selbst bei gefühlter Ohnmacht, bei fehlgeschlagenen bestimmten Hoffnungen, sogar bei Vergehungen, Unterstützung, Ersatz, Nachsicht und Lenkung dessen, was versehen ist, oder vergeblich scheint, zum Besten, erwarten. Wie dieses stete Ermunterung ist, Gutes zu thun, und nie müde zu werden, weil der Gedanke, Gott ist Zeuge und Vergelter meiner Handlungen und Gesinnungen, überall und auch dahin reicht, wo es an andern Beweggründen fehlt, oder diese nicht wirksam genug sind: so ist es auch kräftiger Antrieb, seine Begierden zu mäßigen, und Verwahrungsmittel wider Eigennutz, Mißmuth und Neid. – Und da C) weder die seligen Folgen der Tugend, ihrer Natur nach, ausbleiben können, diejenige wenigstens nie, welche in dem Wohlgefallen Gottes daran besteht, noch Gott sich in seinen erwähnten Eigenschaften verläugnen kann: so steht Tugend und Zufriedenheit auf einem unerschütterlichen Grunde, so lange die Ueberzeugung von der Wahrheit und dem Werthe der Religion bleibt, und wir uns immer an dieselbe halten. – Die Religion müßte also die wichtigste Angelegenheit des Menschen seyn.Sie giebt A) der Tugend und Zufriedenheit den weitesten Umfang. Wer an einen Gott glaubt, der der Vater aller Geschöpfe ist; wer alle Geschöpfe, und die Menschen insonderheit, als Glieder Eines großen Körpers ansieht; wer eine allweise und gütige Regierung des Ganzen erkennt, wo Alles als Mittel zu Einem gemeinsamen Zweck, zur Glückseligkeit Aller mitwirkt; wer also auch glaubt, daß kein Fleiß in dem Trachten nach dem, was wahr ist, ganz vergebens seyn könne, daß dies vielmehr die Ursach des weitern Fortrückens in jeder Vollkommenheit seyn müsse; daß endlich uns schlechterdings nichts begegnen könne ohne Gottes Willen, der immer das erfolgen läßt, was für uns das Beste ist: wie sollte dem, der dieses mit Ueberzeugung und von Herzen glaubt, der sich über das Sichtbare zum Unsichtbaren erheben kann, irgend etwas gleichgültig, von seiner Liebe und seinem Bestreben, Anderer Bestes zu befördern, ausgeschlossen, irgend etwas, das ihm begegnet, niederschlagend, und nicht vielmehr Ermunterung zur Dankbarkeit seyn? – B) Alsdann sind ihm alle Gesetze, als so viele Anzeigen der Quellen seines Glücks, wahre Wohlthaten, an welchen er um so mehr Antheil hat, je mehr er Gutes thut. Ihm sind alle seine Kräfte |c20| eben so viele Mittel glücklich zu werden; alle Erkenntniß des Wahren und alle Ausübung des Guten so viele Belohnungen; und von der unerschöpflichen Macht, Weisheit und Liebe Gottes kann er, selbst bei gefühlter Ohnmacht, bei fehlgeschlagenen bestimmten Hoffnungen, sogar bei Vergehungen, Unterstützung, Ersatz, Nachsicht und Lenkung dessen, was versehen ist, oder vergeblich scheint, zum Besten, erwarten. Wie dieses stete Ermunterung ist, Gutes zu thun, und nie müde zu werden, weil der Gedanke, Gott ist Zeuge und Vergelter meiner Handlungen und Gesinnungen, überall und auch dahin reicht, wo es an andern Beweggründen fehlt, oder diese nicht wirksam genug sind: so ist es auch kräftiger Antrieb, seine Begierden zu mäßigen, und Verwahrungsmittel wider Eigennutz, Mißmuth und Neid. – Und da C) weder die seligen Folgen der Tugend, ihrer Natur nach, ausbleiben können, diejenige wenigstens nie, welche in dem Wohlgefallen Gottes daran besteht, noch Gott sich in seinen erwähnten Eigenschaften verläugnen kann: so steht Tugend und Zufriedenheit auf einem unerschütterlichen Grunde, so lange die Ueberzeugung von der Wahrheit und dem Werthe der Religion bleibt, und wir uns immer an dieselbe halten. – Die Religion müßte also die wichtigste Angelegenheit des Menschen seyn.

16.

Diese große Angelegenheit für die Menschen zu der zu machen, die sie seyn soll, ist 2) (§. 14. ) der sogenannte geistliche Stand ganz eigentlich errichtet. Man erwartet von denen, die sich ihm widmen, daß sie für Andere, welche zur Untersuchung der Religion nicht Fähigkeit, oder |c21| Hülfsmittel, oder Muße genug haben, diese Untersuchung anstellen, ihnen, nach ihren so verschiedenen Fähigkeiten , Ueberzeugung von den Lehren der Religion und deren großem Werthe beibringen, ihnen diese durch Vorstellungen und Beispiele eindringlich machen, Zweifel benehmen, in Gewissensangelegenheiten rathen, sie mit Trost unterstützen, kurz, sie durch Religion leiten und beruhigen sollen. Man hat ihnen, um diesen Pflichten besser und ungestörter obliegen zu können, in der bürgerlichen Gesellschaft gewisse kleine Gesellschaften oder Gemeinden angewiesen, auf die sie zunächst ihre Beschäftigungen einschränken sollen; man hat sie von manchen bürgerlichen Plichten und Lasten befreiet; man hat sogar deswegen für ihren bequemen Unterhalt gesorgt. Man rechnet um so mehr auf ihre Geschicklichkeit, Fleiß und Redlichkeit, da sie eigentlich den einzigen Stand ausmachen, dem die Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion selbst anvertraut ist. Wie verabscheuungswürdig muß derjenige seyn, der, in einer Sache von der Wichtigkeit, einen Beruf übernimmt, von dem er nicht weiß, ob er ihn würdig und nach den billigen Erwartungen der Gesellschaft erfüllen kann, oder, wenn er ihn übernommen hat, der nicht, alles dies erfüllen zu wollen, willig, oder fleißig, oder redlich genug ist.Diese große Angelegenheit für die Menschen zu der zu machen, die sie seyn soll, ist 2) (§. 14. ) der sogenannte geistliche Stand ganz eigentlich errichtet. Man erwartet von denen, die sich ihm widmen, daß sie für Andere, welche zur Untersuchung der Religion nicht Fähigkeit, oder |c21| Hülfsmittel, oder Muße genug haben, diese Untersuchung anstellen, ihnen, nach ihren so verschiedenen Fähigkeiten , Ueberzeugung von den Lehren der Religion und deren großem Werthe beibringen, ihnen diese durch Vorstellungen und Beispiele eindringlich machen, Zweifel benehmen, in Gewissensangelegenheiten rathen, sie mit Trost unterstützen, kurz, sie durch Religion leiten und beruhigen sollen. Man hat ihnen, um diesen Pflichten besser und ungestörter obliegen zu können, in der bürgerlichen Gesellschaft gewisse kleine Gesellschaften oder Gemeinden angewiesen, auf die sie zunächst ihre Beschäftigungen einschränken sollen; man hat sie von manchen bürgerlichen Plichten und Lasten befreiet; man hat sogar deswegen für ihren bequemen Unterhalt gesorgt. Man rechnet um so mehr auf ihre Geschicklichkeit, Fleiß und Redlichkeit, da sie eigentlich den einzigen Stand ausmachen, dem die Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion selbst anvertraut ist. Wie verabscheuungswürdig muß derjenige seyn, der, in einer Sache von der Wichtigkeit, einen Beruf übernimmt, von dem er nicht weiß, ob er ihn würdig und nach den billigen Erwartungen der Gesellschaft erfüllen kann, oder, wenn er ihn übernommen hat, der nicht, alles dies erfüllen zu wollen, willig, oder fleißig, oder redlich genug ist.

17.

Nun hat zwar 3) der, welcher den Unterricht und die Seelsorge für Andere übernimmt, in dem Privatumgange mit ihnen Gelegenheit genug, sich mit ihnen über die Religion zu unterhalten, und nach jedesmaligem Befinden der Umstände ihre rechte Anwendung und ihren großen Einfluß auf Besserung und Beruhigung der Menschen zu zeigen. |c22| Er kann selbst da recht eigentlich für jeden insbesondere mit Weisheit und mit dem glücklichsten Erfolge arbeiten, gerade auf die Art, wie dieser es am meisten braucht, und wie Religion am ersten bei ihm Eingang findet; und wird er sonderlich selbst dazu aufgefordert durch einen solchen, der in besondern Umständen, z. B. Krankheiten, fühlt, wie unentbehrlich ihm die Religion und die Aufklärung darüber und über seinen Gemüthszustand sei, so kann er sie mit desto mehrerer Wirksamkeit empfehlen. Aber es giebt deren nicht viele, die den Umgang des Predigers deswegen suchen, oder gern sehen, um sich mit ihm über dergleichen geistige Angelegenheiten zu unterhalten: selbst die, welchen Religion unter bedrängten Umständen Bedürfniß wird, oder werden sollte, werden durch Sicherheit, Dünkel, Schüchternheit oder abergläubische Furcht abgehalten, den Prediger zu Rathe zu ziehen; kennen sich selbst, ihre Verderbnisse und deren Quelle zu wenig, oder verhehlen sie sich und ihm; oder sind, zumal bei Krankheiten, so wenig zum Nachdenken fähig, aufgelegt und geneigt, als daß da die Unterredung des Predigers mit ihnen wirksam genug werden könnte. Und wäre dieses alles auch nicht: so ist selten viel auszurichten, wenn nicht schon vorher bei solchen der Grund zu einer rechten Erkenntniß der Religion und zum Geschmack daran gelegt worden ist; wenigstens kann der Prediger durch öffentlichen Vortrag weit Mehrern nutzbar werden, als durch den Privatumgang. Jener bleibt also doch immer die wichtigste Beschäftigung, von der bei den meisten der ihm Anvertrauten, die selten andere Quellen des Religionsunterrichts haben, und nutzen können, sowohl ihre ganze Bildung durch die Religion, als ihre Neigung |c23| abhängt, sich auch in besondern Angelegenheiten seiner Leitung zu bedienen.Nun hat zwar 3) der, welcher den Unterricht und die Seelsorge für Andere übernimmt, in dem Privatumgange mit ihnen Gelegenheit genug, sich mit ihnen über die Religion zu unterhalten, und nach jedesmaligem Befinden der Umstände ihre rechte Anwendung und ihren großen Einfluß auf Besserung und Beruhigung der Menschen zu zeigen. |c22| Er kann selbst da recht eigentlich für jeden insbesondere mit Weisheit und mit dem glücklichsten Erfolge arbeiten, gerade auf die Art, wie dieser es am meisten braucht, und wie Religion am ersten bei ihm Eingang findet; und wird er sonderlich selbst dazu aufgefordert durch einen solchen, der in besondern Umständen, z. B. Krankheiten, fühlt, wie unentbehrlich ihm die Religion und die Aufklärung darüber und über seinen Gemüthszustand sei, so kann er sie mit desto mehrerer Wirksamkeit empfehlen. Aber es giebt deren nicht viele, die den Umgang des Predigers deswegen suchen, oder gern sehen, um sich mit ihm über dergleichen geistige Angelegenheiten zu unterhalten: selbst die, welchen Religion unter bedrängten Umständen Bedürfniß wird, oder werden sollte, werden durch Sicherheit, Dünkel, Schüchternheit oder abergläubische Furcht abgehalten, den Prediger zu Rathe zu ziehen; kennen sich selbst, ihre Verderbnisse und deren Quelle zu wenig, oder verhehlen sie sich und ihm; oder sind, zumal bei Krankheiten, so wenig zum Nachdenken fähig, aufgelegt und geneigt, als daß da die Unterredung des Predigers mit ihnen wirksam genug werden könnte. Und wäre dieses alles auch nicht: so ist selten viel auszurichten, wenn nicht schon vorher bei solchen der Grund zu einer rechten Erkenntniß der Religion und zum Geschmack daran gelegt worden ist; wenigstens kann der Prediger durch öffentlichen Vortrag weit Mehrern nutzbar werden, als durch den Privatumgang. Jener bleibt also doch immer die wichtigste Beschäftigung, von der bei den meisten der ihm Anvertrauten, die selten andere Quellen des Religionsunterrichts haben, und nutzen können, sowohl ihre ganze Bildung durch die Religion, als ihre Neigung |c23| abhängt, sich auch in besondern Angelegenheiten seiner Leitung zu bedienen.

18.

Aber hier kommt 4) überaus viel auf die Art an, wie dieser Vortrag eingerichtet ist; und die gute Wirkung desselben, so weit sie von dem Prediger selbst abhängt, beruht immer entweder auf dem Vertrauen, das er bei den Zuhörern hat, oder auf der guten Einrichtung seines Vortrags. Jenes Vertrauen kann freilich auch aus seiner anerkannten Geschicklichkeit, aus seiner Liebe gegen die Zuhörer, und der thätigen Theilnehmung an ihrem Besten, aus seinem ganzen exemplarischen und anziehenden Betragen, entspringen. Aber, so lange man ihn nach diesen Eigenschaften noch nicht kennt, muß er sich doch dieses Vertrauen erst durch den guten Vortrag erwerben; seinen Werth als Lehrer kann und pflegt man doch erst nach diesen zu schätzen; und das Vertrauen selbst ist nichts anders, als nur Mittel, nur Vorbereitung, das ihm den Weg bahnt, um gern gehört, und so erst durch den Vortrag den Zuhörern nutzbar zu werden.Aber hier kommt 4) überaus viel auf die Art an, wie dieser Vortrag eingerichtet ist; und die gute Wirkung desselben, so weit sie von dem Prediger selbst abhängt, beruht immer entweder auf dem Vertrauen, das er bei den Zuhörern hat, oder auf der guten Einrichtung seines Vortrags. Jenes Vertrauen kann freilich auch aus seiner anerkannten Geschicklichkeit, aus seiner Liebe gegen die Zuhörer, und der thätigen Theilnehmung an ihrem Besten, aus seinem ganzen exemplarischen und anziehenden Betragen, entspringen. Aber, so lange man ihn nach diesen Eigenschaften noch nicht kennt, muß er sich doch dieses Vertrauen erst durch den guten Vortrag erwerben; seinen Werth als Lehrer kann und pflegt man doch erst nach diesen zu schätzen; und das Vertrauen selbst ist nichts anders, als nur Mittel, nur Vorbereitung, das ihm den Weg bahnt, um gern gehört, und so erst durch den Vortrag den Zuhörern nutzbar zu werden.

19.

Der Vortrag hat doch ganz andere Wirkungen, wenn er die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesselt, wenn er ihnen die vorgetragenen Sachen deutlich und einleuchtend macht, wenn er sie dafür einnimmt, und daher ihren Fähigkeiten und Neigungen, wenigstens ihren Bedürfnissen angemessen ist, als wenn es ihm an diesen oder einer dieser Eigenschaften fehlt, oder wenn entweder gewisse Fehler desselben den Zuhörern die Sachen verleiden, oder der Vortrag, indem er ihren Leidenschaften oder ihrer Einbildungskraft |c24| schmeichelt, ganz sie von dem Zweck abführt, sie von der Religion zu überzeugen, und sie zur Befolgung derselben willig zu machen. – Selbst dieser Zweck und die Natur der Religion hat, wenigstens für die meisten Menschen, nichts Anziehendes. Es gehört schon manche Kultur der Seele, mindestens ein Gefühl, wie wenig uns sichtbare Dinge befriedigen, und eine gewisse Verlegenheit über unsern Gemüthszustand, dazu, wenn der Mensch nur erst Geschmack an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen finden soll; und die stete Beschäftigung mit sichtbaren Dingen, das Vergnügen, das aus ihrem Genuß entsteht, und die Gewöhntheit daran, nebst der Kunst, den Ueberdruß dieser Vergnügungen durch mannichfaltige Abwechselung zu verdrängen, läßt vollends jenen Geschmack selten aufkommen. Soll dann auch das, was zur Religion gehört, den Menschen nicht bloß unterhalten, sondern wirklich bessern, so muß er sich sehr bittere Wahrheiten gefallen lassen, ihnen gegen sich selbst und seine Eigenliebe Recht geben, seinen Neigungen Gewalt anthun, gewohnte und fast unentbehrlich gewordene Vergnügungen aufopfern, beschwerliche Uebungen übernehmen: lauter Dinge, von welchen der Mensch nicht gern hören mag. Und wenn auch schon die Zuhörer, durch sonst erlangte Kenntniß der Religion, durch einigen Geschmack daran, durch manche Erfahrungen, wie übel sie bei dem Leichtsinn und den Ausschweifungen gefahren sind, vorbereitet scheinen mögen, das, was ihnen die Religion vorhält, williger anzunehmen: wie ganz etwas anders ist es, etwas gern zu hören, und es willig zu thun? welch ein großer Unterschied ist zwischen vorübergehenden Bewegungen und zwischen einem dauerhaften Eindruck, der in religiöse Gesinnung übergeht? also, wie unumgänglich nöthig, wenn |c25| die selige Absicht der Religion erreicht werden soll, sie nicht nur vorzutragen, sondern es so zu thun, daß wahrhaftige Willigkeit, sich nach ihr zu bilden, und bleibender Eindruck entstehe.Der Vortrag hat doch ganz andere Wirkungen, wenn er die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesselt, wenn er ihnen die vorgetragenen Sachen deutlich und einleuchtend macht, wenn er sie dafür einnimmt, und daher ihren Fähigkeiten und Neigungen, wenigstens ihren Bedürfnissen angemessen ist, als wenn es ihm an diesen oder einer dieser Eigenschaften fehlt, oder wenn entweder gewisse Fehler desselben den Zuhörern die Sachen verleiden, oder der Vortrag, indem er ihren Leidenschaften oder ihrer Einbildungskraft |c24| schmeichelt, ganz sie von dem Zweck abführt, sie von der Religion zu überzeugen, und sie zur Befolgung derselben willig zu machen. – Selbst dieser Zweck und die Natur der Religion hat, wenigstens für die meisten Menschen, nichts Anziehendes. Es gehört schon manche Kultur der Seele, mindestens ein Gefühl, wie wenig uns sichtbare Dinge befriedigen, und eine gewisse Verlegenheit über unsern Gemüthszustand, dazu, wenn der Mensch nur erst Geschmack an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen finden soll; und die stete Beschäftigung mit sichtbaren Dingen, das Vergnügen, das aus ihrem Genuß entsteht, und die Gewöhntheit daran, nebst der Kunst, den Ueberdruß dieser Vergnügungen durch mannichfaltige Abwechselung zu verdrängen, läßt vollends jenen Geschmack selten aufkommen. Soll dann auch das, was zur Religion gehört, den Menschen nicht bloß unterhalten, sondern wirklich bessern, so muß er sich sehr bittere Wahrheiten gefallen lassen, ihnen gegen sich selbst und seine Eigenliebe Recht geben, seinen Neigungen Gewalt anthun, gewohnte und fast unentbehrlich gewordene Vergnügungen aufopfern, beschwerliche Uebungen übernehmen: lauter Dinge, von welchen der Mensch nicht gern hören mag. Und wenn auch schon die Zuhörer, durch sonst erlangte Kenntniß der Religion, durch einigen Geschmack daran, durch manche Erfahrungen, wie übel sie bei dem Leichtsinn und den Ausschweifungen gefahren sind, vorbereitet scheinen mögen, das, was ihnen die Religion vorhält, williger anzunehmen: wie ganz etwas anders ist es, etwas gern zu hören, und es willig zu thun? welch ein großer Unterschied ist zwischen vorübergehenden Bewegungen und zwischen einem dauerhaften Eindruck, der in religiöse Gesinnung übergeht? also, wie unumgänglich nöthig, wenn |c25| die selige Absicht der Religion erreicht werden soll, sie nicht nur vorzutragen, sondern es so zu thun, daß wahrhaftige Willigkeit, sich nach ihr zu bilden, und bleibender Eindruck entstehe.
Anm. So unverantwortlich hiernach der Prediger handelt, wenn er nicht den höchstmöglichen Fleiß auf den Vortrag zu dieser Absicht wendet, so sehr wird auch dadurch die Einbildung geschwächt: man müsse den Eindruck der Religion und des Christenthums lediglich ihrer eigenen Kraft zutrauen; Künste des Redners verhinderten ihn eher; und die heilige Schrift warne selbst davor, 1 Cor. 1 und 2. 2 Tim. 4, 3. 4. – Freilich macht der gute Vortrag jenen guten Eindruck, zumal wenn er bleiben, und die ganze Gesinnung ändern soll, allein nicht; auch hängt dieser heilsame Eindruck eigentlich von der Wahrheit und ihrem Werth selbst, und von den Umständen der Zuhörer ab, welcher sich Gott bedient, ihnen Eingang bei diesen zu verschaffen. Aber zu diesen Umständen gehört der gute Vortrag mit; und die heilsamste Arznei ist unnütz, wenn der Kranke nicht an ihre Kraft glaubt, und nicht bewogen werden kann, sie zu nehmen. Eben auf diese Kraft der Religion die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu ziehen, Glauben an ihre Wahrheit und an ihren Werth hervorzubringen, sie zu ihrem Gebrauch zu bewegen, dies, dies soll die Absicht des guten Vortrags seyn. – Sonach kann er auch ihrer Kraft keinen Eintrag thun. Die sogenannte Rednerkunst, wenn sie nur jenen heilsamen Endzweck hat, und dazu etwas beitragen kann, ist nicht verwerflicher, als jedes andere in der Natur der Dinge liegende, und den menschlichen Bedürfnissen angemessene Mittel; sie ist nur alsdann hier übel angebracht, und jener Absicht hinderlich, wenn sie bloß die Zuhörer angenehmer unterhalten will, ohne auf jenen weit wesentlicheren Zweck zu arbeiten. – Nur die eitlen Rednerkünste mißbilligt die heilige Schrift , wie auch schon Christi und seiner Apostel Beispiel |c26| beweiset, die selbst jene echte Kunst nicht verschmähten, und Allen Alles wurden, um doch überall Einige für die Religion zu gewinnen. Eine recht gefaßte Homiletik ist gerade das Mittel, vor neuen Verirrungen des Geschmacks zu bewahren.

20.

Aber zu einem guten Vortrage der Religion gehört 5) überaus viel, gewiß mehr, als sich Mancher, der nie gründlich darüber nachgedacht, nur vorzustellen vermögend ist. Gut nenne ich dergleichen Vortrag, wenn er durchaus der Absicht gemäß ist, die bei denen, bei welchen man ihn braucht, erreicht werden soll. Diese muß seyn, ihnen {wahrhaft} die Religion und ihren Werth einleuchtend, und sie willig zu machen, ganz ihre Gesinnungen und Handlungen danach einzurichten. Denn, daß der Vortrag, wo es der Prediger bloß darauf anlegt, daß Er selbst gefallen will, wo es ihm nur darum zu thun ist, seine Zuhörer zu unterhalten, und wo nicht das herzliche Verlangen zum Grunde liegt, die Zuhörer wirklich zu bessern, oder wo es ihm gar genügt, sein Tagewerk mechanisch gethan zu haben, daß der Vortrag jenen Namen nicht verdiene, und dem großen Zwecke, worauf der Prediger durch Religion arbeiten soll, bei weitem nicht entspreche, bedarf doch wohl keines Beweises. Aber daß eben jenen des Namens wahrhaftig würdigen Vortrag zu erreichen nicht leicht sei, davon kann man sich einigermaaßen überzeugen, wenn man folgende Schwierigkeiten wohl überlegt, die zum Theil in der Natur der Sache und den daraus entstehenden großen Erfordernissen auf Seiten des Predigers selbst §. 21 25. , in dem Mangel derselben bei dem Prediger oder in der Beschaffenheit der Zuhörer §. 26 28. , und zum Theil in unserer ganzen Erziehungsart und Verfassung §. 29. 30. liegen.Aber zu einem guten Vortrage der Religion gehört 5) überaus viel, gewiß mehr, als sich Mancher, der nie gründlich darüber nachgedacht, nur vorzustellen vermögend ist. Gut nenne ich dergleichen Vortrag, wenn er durchaus der Absicht gemäß ist, die bei denen, bei welchen man ihn braucht, erreicht werden soll. Diese muß seyn, ihnen {wahrhaft} die Religion und ihren Werth einleuchtend, und sie willig zu machen, ganz ihre Gesinnungen und Handlungen danach einzurichten. Denn, daß der Vortrag, wo es der Prediger bloß darauf anlegt, daß Er selbst gefallen will, wo es ihm nur darum zu thun ist, seine Zuhörer zu unterhalten, und wo nicht das herzliche Verlangen zum Grunde liegt, die Zuhörer wirklich zu bessern, oder wo es ihm gar genügt, sein Tagewerk mechanisch gethan zu haben, daß der Vortrag jenen Namen nicht verdiene, und dem großen Zwecke, worauf der Prediger durch Religion arbeiten soll, bei weitem nicht entspreche, bedarf doch wohl keines Beweises. Aber daß eben jenen des Namens wahrhaftig würdigen Vortrag zu erreichen nicht leicht sei, davon kann man sich einigermaaßen überzeugen, wenn man folgende Schwierigkeiten wohl überlegt, die zum Theil in der Natur der Sache und den daraus entstehenden großen Erfordernissen auf Seiten des Predigers selbst §. 21 25. , in dem Mangel derselben bei dem Prediger oder in der Beschaffenheit der Zuhörer §. 26 28. , und zum Theil in unserer ganzen Erziehungsart und Verfassung §. 29. 30. liegen.

|c27| 21.

Zuerst in der Natur der Sache selbst, oder eines solchen Vortrags, der durch Nichts die abgezweckte Wirkung verhindern oder stören, sondern durchaus durch alle jedesmal mögliche Mittel sie befördern soll. Nothwendig muß der Prediger oder Katechet wissen, 1) woher er theils die vorgetragenen Sachen nehmen, theils wie er sie empfehlen soll. Zu jenem gehört ein gewisser Reichthum von recht praktischen Kenntnissen des ganzen Umfangs der Religion; zu diesem ein ansehnlicher Vorrath selbst von praktischen Kenntnissen aus der Philosophie, vornehmlich der Psychologie und Logik, und aus den schönen Wissenschaften, hauptsächlich aus der Rhetorik. Beiderlei Kenntnisse, jene, die den Stoff, diese, welche die Form dem Vortrage geben, muß eigener Fleiß und Uebung erlangt und verarbeitet haben. Die Sache verdient eine etwas deutlichere Erläuterung.Zuerst in der Natur der Sache selbst, oder eines solchen Vortrags, der durch Nichts die abgezweckte Wirkung verhindern oder stören, sondern durchaus durch alle jedesmal mögliche Mittel sie befördern soll. Nothwendig muß der Prediger oder Katechet wissen, 1) woher er theils die vorgetragenen Sachen nehmen, theils wie er sie empfehlen soll. Zu jenem gehört ein gewisser Reichthum von recht praktischen Kenntnissen des ganzen Umfangs der Religion; zu diesem ein ansehnlicher Vorrath selbst von praktischen Kenntnissen aus der Philosophie, vornehmlich der Psychologie und Logik, und aus den schönen Wissenschaften, hauptsächlich aus der Rhetorik. Beiderlei Kenntnisse, jene, die den Stoff, diese, welche die Form dem Vortrage geben, muß eigener Fleiß und Uebung erlangt und verarbeitet haben. Die Sache verdient eine etwas deutlichere Erläuterung.

22.

Erstlich sollte jede Erkenntniß, und vorzüglich unsere Kenntniß der Religion, in dem oben (Theil 2. §. 169. ) angegebenen Verstande, praktisch seyn, daß wir nie bloß auf ihre Wahrheit sehen, sondern eben so sehr auf ihren Werth und ihre Brauchbarkeit, d. i. ihren Nutzen und Einfluß in die menschliche Glückseligkeit, es mag dieser Einfluß mittelbar oder unmittelbar seyn (ebendas. Anmerk.). Wozu weiß oder lernt man sonst? vornehmlich, wie kann der die Absicht der Religion und seines Berufs erfüllen, wer auch die richtigsten Sätze derselben nicht zu Anderer Besten anzuwenden weiß? – Aber es giebt außerdem noch eine weit mehr verkannte praktische Erkenntniß, die darum so heißen könnte, weil die Art, wie man sie erlangt hat und |c28| wieder anwendet, praktisch ist. Wer als ein vernünftiger, wirklich freier Mensch, gewissenhaft lernen, und so wieder mittheilen will, der muß nicht bloß von Andern Sachen, Beweise und deren Anwendung lernen, oder dies ihnen nachsagen; er muß nicht bloß wiedergeben was er empfangen hat, und es von Hand in Hand fortpflanzen: er muß vielmehr – in Absicht auf Erkenntnißeigenthümliche Begriffe und Ueberzeugung davon erlangt, d. i. sich es nach seiner Art vorgestellt und klar gemacht, mit seinen übrigen Begriffen vereinigt haben; er muß, so viel er kann, durch eigene Beobachtung und eigenes Nachdenken versuchen, sie deutlich und einleuchtend zu machen, vornehmlich, was er erkennt, in so vielen Beziehungen auf menschliche Glückseligkeit zu denken; und fleißig insbesondere auf den Einfluß Acht geben, den dies auf seine Gewißheit, auf seine Gesinnung und auf alle Handlungen hat, daß ihm einzelne Lehren der Religion zu seiner und Anderer Besserung und Beruhigung immer brauchbarer werden. Und, in eben dem Maaße, wie diese seine Erkenntniß wächset, muß er – in Absicht auf Anwendung derselben – immer mehr eigenen Antheil daran nehmen, sich wirklich dabei beruhigen, wirklich darnach handeln, sich immer mehr darüber freuen lernen, und den Trieb unterhalten, Andern auf eben die Spur zu helfen, bei ihnen die nämliche Ueberzeugung, Gesinnung, Freude und Art zu handeln, zu befördern. – Sonach muß er Anderer mündlichen oder schriftlichen Vortrag mehr als Veranlassung zum eigenen Denken, mehr als Winke, als Eröffnung weiterer Aussichten brauchen, die ihn aufmerksam machen, ihm zu eigenen Gedanken helfen sollen, ihnen mehr die Art, selbst Erfahrungen anzustellen, darüber nachzudenken, und sie nutzbar zu machen, ablernen, |c29| als die Kenntnisse selbst von ihnen annehmen. – Durch diesen eigenen Fleiß, eigene Beobachtungen oder benutzte Erfahrungen, eigenes Nachdenken, eigene Anwendung, wird seine Erkenntniß, Gesinnung und Handlungsart ihm eigenthümlich und wahrhaftig gewissenhaft.Erstlich sollte jede Erkenntniß, und vorzüglich unsere Kenntniß der Religion, in dem oben (Theil 2. §. 169. ) angegebenen Verstande, praktisch seyn, daß wir nie bloß auf ihre Wahrheit sehen, sondern eben so sehr auf ihren Werth und ihre Brauchbarkeit, d. i. ihren Nutzen und Einfluß in die menschliche Glückseligkeit, es mag dieser Einfluß mittelbar oder unmittelbar seyn (ebendas. Anmerk.). Wozu weiß oder lernt man sonst? vornehmlich, wie kann der die Absicht der Religion und seines Berufs erfüllen, wer auch die richtigsten Sätze derselben nicht zu Anderer Besten anzuwenden weiß? – Aber es giebt außerdem noch eine weit mehr verkannte praktische Erkenntniß, die darum so heißen könnte, weil die Art, wie man sie erlangt hat und |c28| wieder anwendet, praktisch ist. Wer als ein vernünftiger, wirklich freier Mensch, gewissenhaft lernen, und so wieder mittheilen will, der muß nicht bloß von Andern Sachen, Beweise und deren Anwendung lernen, oder dies ihnen nachsagen; er muß nicht bloß wiedergeben was er empfangen hat, und es von Hand in Hand fortpflanzen: er muß vielmehr – in Absicht auf Erkenntnißeigenthümliche Begriffe und Ueberzeugung davon erlangt, d. i. sich es nach seiner Art vorgestellt und klar gemacht, mit seinen übrigen Begriffen vereinigt haben; er muß, so viel er kann, durch eigene Beobachtung und eigenes Nachdenken versuchen, sie deutlich und einleuchtend zu machen, vornehmlich, was er erkennt, in so vielen Beziehungen auf menschliche Glückseligkeit zu denken; und fleißig insbesondere auf den Einfluß Acht geben, den dies auf seine Gewißheit, auf seine Gesinnung und auf alle Handlungen hat, daß ihm einzelne Lehren der Religion zu seiner und Anderer Besserung und Beruhigung immer brauchbarer werden. Und, in eben dem Maaße, wie diese seine Erkenntniß wächset, muß er – in Absicht auf Anwendung derselben – immer mehr eigenen Antheil daran nehmen, sich wirklich dabei beruhigen, wirklich darnach handeln, sich immer mehr darüber freuen lernen, und den Trieb unterhalten, Andern auf eben die Spur zu helfen, bei ihnen die nämliche Ueberzeugung, Gesinnung, Freude und Art zu handeln, zu befördern. – Sonach muß er Anderer mündlichen oder schriftlichen Vortrag mehr als Veranlassung zum eigenen Denken, mehr als Winke, als Eröffnung weiterer Aussichten brauchen, die ihn aufmerksam machen, ihm zu eigenen Gedanken helfen sollen, ihnen mehr die Art, selbst Erfahrungen anzustellen, darüber nachzudenken, und sie nutzbar zu machen, ablernen, |c29| als die Kenntnisse selbst von ihnen annehmen. – Durch diesen eigenen Fleiß, eigene Beobachtungen oder benutzte Erfahrungen, eigenes Nachdenken, eigene Anwendung, wird seine Erkenntniß, Gesinnung und Handlungsart ihm eigenthümlich und wahrhaftig gewissenhaft.
Anm. Um sich dieses deutlicher zu machen, erwäge man nur, wie wir es bei Anhörung des Vortrages eines Andern oder der Lesung seiner Schriften machen, und welch ein großer Unterschied es sei, bloß da dem Andern zu folgen, und im Gegentheil das Buch bei Seite zu legen, sich selbst zu fragen, ob man das nicht bloß verstehe, sondern Ueberzeugung fühle? was man sonst davon wisse? und wie man dies damit verbinden, dadurch bestätigen, Eins durch das Andere berichtigen, wie und wozu man es brauchen könne? wie es in der Anwendung zu Hebung von Zweifeln, zur Entdeckung neuer Vorstellungen, zu neuer Ermunterung im Guten diene u. s. f.

23.

Es ist kein Zweifel, daß, wer so die Religion erkennt, daß der auch mehr dadurch selbst gebildet werde, sie klärer und anschauender erkenne, mehr von ihrer Wahrheit und ihrem Werthe überzeugt, mehr dafür eingenommen sei; daß er weit kräftigern Antrieb habe, sie Andern mitzutheilen; mit mehr Deutlichkeit, und, so zu sagen, Herzlichkeit davon spreche; mehr aus eigener Erfahrung wisse, sie Andern wirksam beizubringen; folglich auch auf Andere weit kräftiger wirke: daß dies also, dieses Praktische der Erkenntniß in der Religion, in beiderlei Sinn (§. 22. ) genommen, die Hauptsache sei, wenn ein Lehrer der Religion wahrhaftig sie Andern recht nutzbar machen will. Sehr schwer ist es immer, zu dieser praktischen Erkenntiß zu gelangen, und angestellte Versuche werden es jeden lehren, der es im Ernst darauf |c30| anlegt. Beständige Aufmerksamkeit; ein eben so ruhiger als reger und geschäftiger Beobachtungsgeist; Gewohnheit, eine Sache auf mehrern Seiten anzusehen, und über den Einfluß eines Lehrsatzes auf Andere sowohl als auf den Verstand und das Herz des Menschen nachzudenken; Kenntniß dessen, worauf man bei einer solchen Untersuchung Acht zu geben, woraus man die Kenntnisse zu schöpfen hat; gute Hülfsmittel, fleißige Uebung, selbst hinlängliche Zeit dazu: dies alles erfordert viele Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack an solchen Betrachtungen, Fleiß und glückliche Umstände. – Gemeiniglich schöpft der angehende Prediger oder Katechet seine Kenntnisse aus dem Unterricht auf Schulen und Universitäten, und aus Büchern. Daraus zu lernen, macht ihn, wie schon gesagt, allein nicht zu seinem Berufe tüchtig. Gesetzt auch, daß er in der Wahl oder bei dem Zufall, der ihn auf diese Anweisung führte, nicht unglücklich gewesen, durch diesen genossenen Unterricht nicht verstimmt worden sei, also nicht erst noch zu lernen habe, wie viel er gar nicht, wie viel er vergebens gelernt habe, wie viel er also erst wieder verlernen müsse; gesetzt daß er auch selbst den besten, zu seinem künftigen besondern Beruf zweckmäßigsten Unterricht erhalten, daß er ihn mit der gehörigen Aufmerksamkeit benutzt habe – Fälle, die äußerst selten sind: – so kann ihm zwar dieser Unterricht sehr nützlich, ja in so fern unentbehrlich seyn, daß er Alles kürzer, bestimmter, zu einer allgemein zusammenhängenden Uebersicht der Religion brauchbarer, lernt; daß er auf das aufmerksam gemacht wird, was und wie er es lernen, untersuchen, anwenden, auch wohl wie er das Gelernte praktisch machen soll. Aber es ist doch alles dieses mehr ein Faden, woran er seine eigenen erworbenen Kenntnisse an|c31|reihen, eine Grundlage, worauf er erst selbst weiter fortbauen, ein angewiesenes Fachwerk, worin er erst noch viel zusammentragen und ordnen soll. Und wenn er selbst dem Lehrer die gute Methode abgelernt hat, selbst von ihm in praktischer Behandlung des Gelernten geübt worden ist: so sind dieses doch nur Muster in wenigen Beispielen, so wie der allgemeinere Unterricht nur Entwurf im Ganzen, den er selbst, nach den künftigen besondern Umständen und Bedürfnissen seiner eigenen Zuhörer, erst ausführen muß. Kurz, er wird nur mit vorläufigen allgemeinen Kenntnissen, mit einer allgemeinen Instruction, wie er sich zu benehmen habe, mit einigen Handgriffen und Uebungen ausgerüstet, in die Welt geschickt, und es wird ihm nun, da er unmöglich auf Alles vorbereitet werden kann, was er für sich und Andere nöthig haben wird, ihm nun selbst überlassen, sich weiter zu bilden, seine Kenntnisse zu vermehren, und immer neue Anwendung zu machen.Es ist kein Zweifel, daß, wer so die Religion erkennt, daß der auch mehr dadurch selbst gebildet werde, sie klärer und anschauender erkenne, mehr von ihrer Wahrheit und ihrem Werthe überzeugt, mehr dafür eingenommen sei; daß er weit kräftigern Antrieb habe, sie Andern mitzutheilen; mit mehr Deutlichkeit, und, so zu sagen, Herzlichkeit davon spreche; mehr aus eigener Erfahrung wisse, sie Andern wirksam beizubringen; folglich auch auf Andere weit kräftiger wirke: daß dies also, dieses Praktische der Erkenntniß in der Religion, in beiderlei Sinn (§. 22. ) genommen, die Hauptsache sei, wenn ein Lehrer der Religion wahrhaftig sie Andern recht nutzbar machen will. Sehr schwer ist es immer, zu dieser praktischen Erkenntiß zu gelangen, und angestellte Versuche werden es jeden lehren, der es im Ernst darauf |c30| anlegt. Beständige Aufmerksamkeit; ein eben so ruhiger als reger und geschäftiger Beobachtungsgeist; Gewohnheit, eine Sache auf mehrern Seiten anzusehen, und über den Einfluß eines Lehrsatzes auf Andere sowohl als auf den Verstand und das Herz des Menschen nachzudenken; Kenntniß dessen, worauf man bei einer solchen Untersuchung Acht zu geben, woraus man die Kenntnisse zu schöpfen hat; gute Hülfsmittel, fleißige Uebung, selbst hinlängliche Zeit dazu: dies alles erfordert viele Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack an solchen Betrachtungen, Fleiß und glückliche Umstände. – Gemeiniglich schöpft der angehende Prediger oder Katechet seine Kenntnisse aus dem Unterricht auf Schulen und Universitäten, und aus Büchern. Daraus zu lernen, macht ihn, wie schon gesagt, allein nicht zu seinem Berufe tüchtig. Gesetzt auch, daß er in der Wahl oder bei dem Zufall, der ihn auf diese Anweisung führte, nicht unglücklich gewesen, durch diesen genossenen Unterricht nicht verstimmt worden sei, also nicht erst noch zu lernen habe, wie viel er gar nicht, wie viel er vergebens gelernt habe, wie viel er also erst wieder verlernen müsse; gesetzt daß er auch selbst den besten, zu seinem künftigen besondern Beruf zweckmäßigsten Unterricht erhalten, daß er ihn mit der gehörigen Aufmerksamkeit benutzt habe – Fälle, die äußerst selten sind: – so kann ihm zwar dieser Unterricht sehr nützlich, ja in so fern unentbehrlich seyn, daß er Alles kürzer, bestimmter, zu einer allgemein zusammenhängenden Uebersicht der Religion brauchbarer, lernt; daß er auf das aufmerksam gemacht wird, was und wie er es lernen, untersuchen, anwenden, auch wohl wie er das Gelernte praktisch machen soll. Aber es ist doch alles dieses mehr ein Faden, woran er seine eigenen erworbenen Kenntnisse an|c31|reihen, eine Grundlage, worauf er erst selbst weiter fortbauen, ein angewiesenes Fachwerk, worin er erst noch viel zusammentragen und ordnen soll. Und wenn er selbst dem Lehrer die gute Methode abgelernt hat, selbst von ihm in praktischer Behandlung des Gelernten geübt worden ist: so sind dieses doch nur Muster in wenigen Beispielen, so wie der allgemeinere Unterricht nur Entwurf im Ganzen, den er selbst, nach den künftigen besondern Umständen und Bedürfnissen seiner eigenen Zuhörer, erst ausführen muß. Kurz, er wird nur mit vorläufigen allgemeinen Kenntnissen, mit einer allgemeinen Instruction, wie er sich zu benehmen habe, mit einigen Handgriffen und Uebungen ausgerüstet, in die Welt geschickt, und es wird ihm nun, da er unmöglich auf Alles vorbereitet werden kann, was er für sich und Andere nöthig haben wird, ihm nun selbst überlassen, sich weiter zu bilden, seine Kenntnisse zu vermehren, und immer neue Anwendung zu machen.
Anm. Demnach lerne er von seinem Lehrer oder dem guten Schriftsteller, den er lieset, nicht nur die Lehren der Religion, ihre genaue Bestimmung, ihre Gründe und ihre Anwendung. Er lerne ihm auch die Art ab, wie man untersuchen, sich überzeugen, Mißverstand und falsche Vorstellungen absondern, Alles praktisch machen müsse. Er gewöhne sich aber, gleich zu der Zeit schon, wo er noch Verständigere befragen, seine Ideen durch sie berichtigen, sich in unternommenen eigenen Uebungen leiten lassen kann, zu eigenem Fleiß und eigener Uebung, und arbeite eben so eifrig an der Besserung seines Herzens, an dem Geschmack an allem Guten, an der Erweiterung und Befestigung seiner guten Gesinnung, an der steten Anwendung alles Gelernten und Entdeckten zur wahren Gottseligkeit, als an Aufklärung seines Verstandes. Ohne diesen erworbenen Schatz, der sicherlich nicht leicht zu erwer|c32|ben ist, wird er niemals selbst nur recht brauchbaren Stoff erlangen, den er verarbeiten und Andern wieder aufs nützlichste mittheilen kann.

24.

Was bisher eigentlich nur darüber gesagt worden ist, woher man die vorzutragenden Sachen nehmen soll, gilt auch in seiner Art von dem, wodurch man sie Andern empfehlen soll. (§. 21. ) Man hat schon Vieles gewonnen, wenn man seine eigene Kenntniß der Religion praktisch gemacht hat. Sie für Andere eben so praktisch zu machen, die gemeiniglich weniger Fähigkeiten, weniger Geschmack an Religion, weniger Kenntniß derselben, und weniger Uebung in praktischer Kenntniß der Religion haben, ist nicht nur nöthig, aus den oben (§. 21. ) angegebenen Wissenschaften und aus eigener fleißigen Beobachtung und Nachdenken die beste Art zu lernen, wie man jemandem Sachen interessant, deutlich und eindrücklich machen könne, sondern auch fleißig mit Andern, zumal Leuten von geringeren Fähigkeiten, in der Absicht umzugehen, um ihre Fähigkeiten, Kenntnisse, Gesinnungen und Bedürfnisse auszustudieren, und auf diesem Wege die wirksamste Art zu finden, wie man ihnen am besten beikommen könne. Daß dieses keine leichte Sache sei, braucht kaum erinnert zu werden.Was bisher eigentlich nur darüber gesagt worden ist, woher man die vorzutragenden Sachen nehmen soll, gilt auch in seiner Art von dem, wodurch man sie Andern empfehlen soll. (§. 21. ) Man hat schon Vieles gewonnen, wenn man seine eigene Kenntniß der Religion praktisch gemacht hat. Sie für Andere eben so praktisch zu machen, die gemeiniglich weniger Fähigkeiten, weniger Geschmack an Religion, weniger Kenntniß derselben, und weniger Uebung in praktischer Kenntniß der Religion haben, ist nicht nur nöthig, aus den oben (§. 21. ) angegebenen Wissenschaften und aus eigener fleißigen Beobachtung und Nachdenken die beste Art zu lernen, wie man jemandem Sachen interessant, deutlich und eindrücklich machen könne, sondern auch fleißig mit Andern, zumal Leuten von geringeren Fähigkeiten, in der Absicht umzugehen, um ihre Fähigkeiten, Kenntnisse, Gesinnungen und Bedürfnisse auszustudieren, und auf diesem Wege die wirksamste Art zu finden, wie man ihnen am besten beikommen könne. Daß dieses keine leichte Sache sei, braucht kaum erinnert zu werden.

25.

Außer dem Auffinden desjenigen, was und wie man es am wirksamsten in dem Vortrage der Religion vorstellen soll, trägt 2) (§. 21. ) die Ordnung, in welcher die Gedanken gestellt werden, der Ausdruck, worein man sie kleidet, und das Aeußerliche bei Ablegung des Vortrags (die Action) ungemein viel zur Wirksamkeit des |c33| Vortrags bei. – Wenn die Unordnung in Stellung der Gedanken auch nicht so groß ist, daß sie Undeutlichkeit der Begriffe und Verwirrung der Vorstellungen hervorbringt, den Vortrag widerlich, und das Gesagte zu behalten unmöglich macht oder erschwert: so unterhält doch lichtvolle Ordnung und natürliche Folge der Gedanken die Aufmerksamkeit; jeder Gedanke giebt dem andern Licht und Stärke, und bereitet den Zuhörer auf das Folgende; der natürliche Zusammenhang giebt eine angenehmere Unterhaltung, eine zusammenhängendere Uebersicht des Ganzen, und macht die Eindrücke dauerhafter, weil der Vortrag behaltbarer ist, indem eine Idee die andere, wegen ihres Zusammenhangs, leichter wieder ins Gemüth bringt. – Wie viel der gute Ausdruck, der den Sachen und ihrer Würde angemessen ist, zur Empfehlung der Sache selbst thue, ist schon im ersten Theile (S. 284 ) berührt worden . – Und daß der den Sachen selbst entsprechende, und nach ihrer Verschiedenheit abgeänderte Ton der Stimme, die ganze natürliche Gebärdensprache, der ganze äußerliche Anstand, mit Einem Wort: das ganze äußerliche Benehmen, in welchem sich die anschauliche Ueberzeugung von den vorgetragenen Sachen und ihrem Werthe, die wahrhaftige Theilnehmung daran und an dem Wohl der Zuhörer, abdrückt, großen Einfluß auf diese habe, weiß ein jeder, der einiges Gefühl hat. – Aber daß dieses alles, was den Vortrag so sehr empfiehlt, zu erlangen, die rechte Mittelstraße zwischen der ungebildeten Natur und der Kunst dabei zu treffen, den Einfluß der oft unbemerkten Naturfehler und übeln Gewohnheiten auf einer, und der Ziererei oder der unnatürlichen Nachahmung auf der andern, abzuwehren, auch sehr schwer sei, lehren die seltenen Beispiele genug, wenn man auch nicht wüßte, wie viel dabei |c34| natürliche Talente, ein durch viele Uebung aufgeräumter Kopf, genaue Bekanntschaft mit den Sachen, ein für alles Gute warmes und wohlwollendes Herz, Reichthum der Sprache und Gewalt über sie, ein feines Gefühl des Schicklichen und ein sehr gebildeter Geschmack vermögen.Außer dem Auffinden desjenigen, was und wie man es am wirksamsten in dem Vortrage der Religion vorstellen soll, trägt 2) (§. 21. ) die Ordnung, in welcher die Gedanken gestellt werden, der Ausdruck, worein man sie kleidet, und das Aeußerliche bei Ablegung des Vortrags (die Action) ungemein viel zur Wirksamkeit des |c33| Vortrags bei. – Wenn die Unordnung in Stellung der Gedanken auch nicht so groß ist, daß sie Undeutlichkeit der Begriffe und Verwirrung der Vorstellungen hervorbringt, den Vortrag widerlich, und das Gesagte zu behalten unmöglich macht oder erschwert: so unterhält doch lichtvolle Ordnung und natürliche Folge der Gedanken die Aufmerksamkeit; jeder Gedanke giebt dem andern Licht und Stärke, und bereitet den Zuhörer auf das Folgende; der natürliche Zusammenhang giebt eine angenehmere Unterhaltung, eine zusammenhängendere Uebersicht des Ganzen, und macht die Eindrücke dauerhafter, weil der Vortrag behaltbarer ist, indem eine Idee die andere, wegen ihres Zusammenhangs, leichter wieder ins Gemüth bringt. – Wie viel der gute Ausdruck, der den Sachen und ihrer Würde angemessen ist, zur Empfehlung der Sache selbst thue, ist schon im ersten Theile (S. 284 ) berührt worden . – Und daß der den Sachen selbst entsprechende, und nach ihrer Verschiedenheit abgeänderte Ton der Stimme, die ganze natürliche Gebärdensprache, der ganze äußerliche Anstand, mit Einem Wort: das ganze äußerliche Benehmen, in welchem sich die anschauliche Ueberzeugung von den vorgetragenen Sachen und ihrem Werthe, die wahrhaftige Theilnehmung daran und an dem Wohl der Zuhörer, abdrückt, großen Einfluß auf diese habe, weiß ein jeder, der einiges Gefühl hat. – Aber daß dieses alles, was den Vortrag so sehr empfiehlt, zu erlangen, die rechte Mittelstraße zwischen der ungebildeten Natur und der Kunst dabei zu treffen, den Einfluß der oft unbemerkten Naturfehler und übeln Gewohnheiten auf einer, und der Ziererei oder der unnatürlichen Nachahmung auf der andern, abzuwehren, auch sehr schwer sei, lehren die seltenen Beispiele genug, wenn man auch nicht wüßte, wie viel dabei |c34| natürliche Talente, ein durch viele Uebung aufgeräumter Kopf, genaue Bekanntschaft mit den Sachen, ein für alles Gute warmes und wohlwollendes Herz, Reichthum der Sprache und Gewalt über sie, ein feines Gefühl des Schicklichen und ein sehr gebildeter Geschmack vermögen.

26.

Zu diesen Schwierigkeiten, die in der Natur des Vortrags und dessen Theilen liegen (§. 21. ), kommen noch mehrere andere, die mehr von gewissen Mängeln des Predigers selbst und den Bedürfnissen der Zuhörer abhängen, denen er vielleicht nicht gewachsen ist (§. 20. ). Jeder hat nicht nur seine eigenen Grundsätze; er hat auch seine eigne Art, Begriffe und Sätze zu verbinden, zu ordnen, zu bestätigen und auszudrucken: deswegen ist das, was uns verständlich, deutlich, überzeugend und eindrücklich ist, nicht Andern eben so. Es ist schon nichts Leichtes, zu empfinden, daß man sich oft selbst nicht recht verstehe, selbst nicht deutlich denke, sich mehr überedet als überzeugt habe; wie käme es sonst, daß man seine Ausdrücke, zumal wenn man in Bildern und Tropen spricht, nicht in deutlichere einkleiden, seine Gedanken nicht weiter auseinandersetzen oder zusammenziehen kann, seine Ueberzeugung oder Rührung oft zerstört sieht, wenn man die Ordnung oder Einkleidung der Gedanken geändert hat? Wie viel schwerer muß es seyn, sich in Anderer Lage nur vorerst hinein zu denken, um zu erkennen, was ihnen verständlich, überzeugend und anziehend seyn möchte, um deswegen den Grad ihrer Fassungskraft, ihre Vorurtheile und vermuthlichen Kenntnisse, ihre Neigungen, ihre Bedürfnisse, an welches man den weiteren Unterricht und dessen |c35| Anordnung anschließen soll, und die beste Art zu kennen, wie man ihrem Verstande und Herzen beikommen kann? Wie noch viel schwerer, sich in Anderer Lage hinein zu versetzen, d. i. seine eigene Art zu denken, sich in Bewegung zu setzen, und sich auszudrücken, in diejenige gleichsam umzuschmelzen, die ihnen eigen ist? Wie viel feine Menschenkenntniß gehört dazu? wie viel Beugsamkeit des Verstandes und Herzens? welche Mannichfaltigkeit und welcher Reichthum von Gedanken, Worten und Wendungen?Zu diesen Schwierigkeiten, die in der Natur des Vortrags und dessen Theilen liegen (§. 21. ), kommen noch mehrere andere, die mehr von gewissen Mängeln des Predigers selbst und den Bedürfnissen der Zuhörer abhängen, denen er vielleicht nicht gewachsen ist (§. 20. ). Jeder hat nicht nur seine eigenen Grundsätze; er hat auch seine eigne Art, Begriffe und Sätze zu verbinden, zu ordnen, zu bestätigen und auszudrucken: deswegen ist das, was uns verständlich, deutlich, überzeugend und eindrücklich ist, nicht Andern eben so. Es ist schon nichts Leichtes, zu empfinden, daß man sich oft selbst nicht recht verstehe, selbst nicht deutlich denke, sich mehr überedet als überzeugt habe; wie käme es sonst, daß man seine Ausdrücke, zumal wenn man in Bildern und Tropen spricht, nicht in deutlichere einkleiden, seine Gedanken nicht weiter auseinandersetzen oder zusammenziehen kann, seine Ueberzeugung oder Rührung oft zerstört sieht, wenn man die Ordnung oder Einkleidung der Gedanken geändert hat? Wie viel schwerer muß es seyn, sich in Anderer Lage nur vorerst hinein zu denken, um zu erkennen, was ihnen verständlich, überzeugend und anziehend seyn möchte, um deswegen den Grad ihrer Fassungskraft, ihre Vorurtheile und vermuthlichen Kenntnisse, ihre Neigungen, ihre Bedürfnisse, an welches man den weiteren Unterricht und dessen |c35| Anordnung anschließen soll, und die beste Art zu kennen, wie man ihrem Verstande und Herzen beikommen kann? Wie noch viel schwerer, sich in Anderer Lage hinein zu versetzen, d. i. seine eigene Art zu denken, sich in Bewegung zu setzen, und sich auszudrücken, in diejenige gleichsam umzuschmelzen, die ihnen eigen ist? Wie viel feine Menschenkenntniß gehört dazu? wie viel Beugsamkeit des Verstandes und Herzens? welche Mannichfaltigkeit und welcher Reichthum von Gedanken, Worten und Wendungen?
Anm. Wahr ists, es giebt gewisse Begriffe, die alle Menschen für wahr halten; gewisse Neigungen, wodurch alle gelenkt werden können. Jene sind das, was man unter dem gemeinen Wahrheitssinn, diese, was man, wenn sie auf freie Handlungen gehen, unter moralischem Gefühl, Beides zusammen vielleicht, was man unter Gemeinsinn (sensus communis) zu begreifen pflegt. Dem, sagt man, dürfe man nur Alles anschließen, so könne man mit dem Menschen machen was man wolle.
Aber 1) eben dieses Anschließen und das so lange fortgesetzte Herumwenden aller Begriffe, bis sie sich Jedes Begriffen und Neigungen anschließen, dies eben ists, was so schwer, ohne die am Ende des vorstehenden §. erwähnten Eigenschaften, und ohne lange Uebung unerreichbar ist. 2) Vieles, dasjenige wenigstens, wobei irgend historische Kenntnisse, wie bei Erklärung der heiligen Schrift und bei der in ihr vorkommenden Geschichte, oder eine genauere Kenntniß der Natur der Dinge, zum Grunde gelegt werden müssen, wie bei manchen zwar oft gemeinen, aber sehr verwickelten Zweifeln und sehr gewöhnlichem Mißverstande, läßt sich durch diesen Gemeinsinn allein, nicht zur Ueberzeugung oder Entschließung bringen. Und wenn vollends 3) vieles zu diesem Gemeinsinn gezogen würde, was dahin nicht gehörte, oder dieser durch Vorurtheile und Schwärmerei verdorben wäre; kostete es da nicht viel Mühe, den so Verdorbenen zu überzeugen, daß er sich täuschte, |c36| daß sein Sinn zerrüttet wäre? und könnte man ihn wohl eben durch diesen Sinn dahin bringen, daß er empfände, er habe keine Empfindung, oder empfände nicht recht? Wie diese Ueberzeugung durch ganz etwas anders, als durch den bloßen Gemeinsinn, bewirkt werden muß: so hat 4) jeder Mensch, außer dem, worin seine Begriffe und Neigungen mit denen anderer Menschen übereinstimmen, noch viele besondere Vorstellungen, die bei ihm Ueberzeugung wirken, noch sein eigenes Interesse, National- und Zeitvorurtheile, z. B. die aus seinem besondern Temperament, seiner Lebensart, seiner besondern Art zu denken, zu schließen, zu erklären u. s. f. entspringen; und gerade das wirkt auf ihn am meisten, was sich daran schließt. Ists denn also weniger nöthig, oder weniger schwer, daran sich zu halten, wenn man ihn für oder wider etwas einnehmen will? – Man hat Jesum als ein Muster des populären und eindringlichen Vortrags dargestellt, und man hat es mit dem größesten Recht gethan. Aber eben seine ganze so vollkommen weise Lehrart zeigt, daß er sich bei denen, die er bekehren oder bessern wollte, keineswegs bloß an den Gemeinsinn hielt, sondern gewiß auch das Andere, was hier berührt worden ist, vornämlich das zuletzt genannte Eigne seiner Zuhörer, zu Hülfe nahm.
Man vergleiche Hauff Bemerkungen über die Lehrart Jesu, mit Rücksicht auf jüdische Sprache und Denkart. Offenbach 1798.

27.

Und gerade der natürlich-schöne Vortrag, der allen Arten von Zuhörern gefällt, weil er für alle nicht nur verständlich, sondern auch unterhaltend ist, der eben so wenig künstlich als kunstlos ist, ob er gleich das Letztere zu seyn scheint; der so einnimmt, daß jeder sagen muß: so stellen sich die Sachen in ihrer natürlichen Einfalt dar; von dem jeder glauben kann, der koste die wenigste Anstren|c37|gung – gerade der ist am allerschwersten zu erreichen, weit schwerer als der, wobei man die Anstrengung des Verstandes oder der Einbildungskraft, oder gar das ängstliche Bestreben, etwas Schönes und Auffallendes zu sagen, wahrnimmt. Woher käm' es sonst, daß wir so äußerst wenige Muster desselben fänden? woher sonst so große Schwierigkeiten, wenn man, was man selbst gedacht, sich es selbst ganz deutlich gemacht, sich es ganz zu seiner eigenen Zufriedenheit ausgedruckt hat, in eine ganz andere Form für anders Denkende gießen soll? woher, bei einer nicht geringen Anzahl recht guter Prediger, so ungleich weniger recht gute Katecheten? Es ist wahr, ein solcher Vortrag gelingt nur in solchen Stunden, wo die Seele ruhig, d. i. von keinem andern Gegenstande gestört, wo sie ganz heiter, ganz von dem Gegenstande eingenommen, voll von ihm, aber nicht überladen ist. Allein er wird da nur geboren oder empfangen, und lange gebildet ist er schon vorher; oder, um ohne Bilder zu reden, er könnte da nicht gelingen, wenn nicht ein reicher Schatz von praktischen Kenntnissen in der Seele läge, die sich gerade zu rechter Zeit darstellten, um dieser Sache Licht und Wärme zu geben; wenn er nicht von vielen feinen Kenntnissen der Menschen und ihrer hier in Anschlag kommenden Umstände unterstützt würde; wenn die Seele nicht viele Regeln kennte, die man zur Gewinnung des menschlichen Verstandes und Herzens befolgen muß; wenn sie sich nicht durch viele Uebung die Fertigkeit erworben hätte, Sachen von vielen Seiten zu denken, mannichfaltig auszudrücken, und sich gleichsam in mancherlei Formen zu gießen; nur daß zu der Zeit zwar die Vorstellung von den Sachen lebhaft in der Seele ist, aber die Art sie zu sagen, nicht ganz deutlich gedacht wird, |c38| sondern mehr im Verborgnen wirkt, und jene Kenntnisse von Menschen, jene Regeln und Fertigkeiten sich mehr unvermerkt in den Vortrag ergießen. Es muß jedem einleuchten, wie viel mehr dazu der ehemalige Erwerb aller jener Kenntnisse und Fertigkeiten, als die Stimmung der Seele in einer solchen Stunde selbst, beitrage, und wie schwer es sei, sich erst jenes zu erwerben, wenn man sich Hoffnung machen solle, daß ein solcher Vortrag gelingen werde.Und gerade der natürlich-schöne Vortrag, der allen Arten von Zuhörern gefällt, weil er für alle nicht nur verständlich, sondern auch unterhaltend ist, der eben so wenig künstlich als kunstlos ist, ob er gleich das Letztere zu seyn scheint; der so einnimmt, daß jeder sagen muß: so stellen sich die Sachen in ihrer natürlichen Einfalt dar; von dem jeder glauben kann, der koste die wenigste Anstren|c37|gung – gerade der ist am allerschwersten zu erreichen, weit schwerer als der, wobei man die Anstrengung des Verstandes oder der Einbildungskraft, oder gar das ängstliche Bestreben, etwas Schönes und Auffallendes zu sagen, wahrnimmt. Woher käm' es sonst, daß wir so äußerst wenige Muster desselben fänden? woher sonst so große Schwierigkeiten, wenn man, was man selbst gedacht, sich es selbst ganz deutlich gemacht, sich es ganz zu seiner eigenen Zufriedenheit ausgedruckt hat, in eine ganz andere Form für anders Denkende gießen soll? woher, bei einer nicht geringen Anzahl recht guter Prediger, so ungleich weniger recht gute Katecheten? Es ist wahr, ein solcher Vortrag gelingt nur in solchen Stunden, wo die Seele ruhig, d. i. von keinem andern Gegenstande gestört, wo sie ganz heiter, ganz von dem Gegenstande eingenommen, voll von ihm, aber nicht überladen ist. Allein er wird da nur geboren oder empfangen, und lange gebildet ist er schon vorher; oder, um ohne Bilder zu reden, er könnte da nicht gelingen, wenn nicht ein reicher Schatz von praktischen Kenntnissen in der Seele läge, die sich gerade zu rechter Zeit darstellten, um dieser Sache Licht und Wärme zu geben; wenn er nicht von vielen feinen Kenntnissen der Menschen und ihrer hier in Anschlag kommenden Umstände unterstützt würde; wenn die Seele nicht viele Regeln kennte, die man zur Gewinnung des menschlichen Verstandes und Herzens befolgen muß; wenn sie sich nicht durch viele Uebung die Fertigkeit erworben hätte, Sachen von vielen Seiten zu denken, mannichfaltig auszudrücken, und sich gleichsam in mancherlei Formen zu gießen; nur daß zu der Zeit zwar die Vorstellung von den Sachen lebhaft in der Seele ist, aber die Art sie zu sagen, nicht ganz deutlich gedacht wird, |c38| sondern mehr im Verborgnen wirkt, und jene Kenntnisse von Menschen, jene Regeln und Fertigkeiten sich mehr unvermerkt in den Vortrag ergießen. Es muß jedem einleuchten, wie viel mehr dazu der ehemalige Erwerb aller jener Kenntnisse und Fertigkeiten, als die Stimmung der Seele in einer solchen Stunde selbst, beitrage, und wie schwer es sei, sich erst jenes zu erwerben, wenn man sich Hoffnung machen solle, daß ein solcher Vortrag gelingen werde.

28.

Wenn der Prediger immer eine Versammlung von Zuhörern vor sich hätte, die wahres Interesse für die Religion, und für ihre wahre geistige Wohlfahrt, einen reichen Vorrath von praktischen Kenntnissen der Religion, und heiße Lernbegierde mitbrächten, und die zum Denken über ernsthafte und unsichtbare Dinge, zur gewissenhaften Anwendung des Erlernten gewöhnt wären: die sich nicht bloß führen ließen, sondern, an der Hand des Lehrers, über das Vorgetragene selbst dächten, und es auf ihren besondern Zustand anwendeten; so würde er sich bei seinem Vortrag sehr erleichtert, und dieser sicherlich mehr Eingang finden. So sind und handeln aber die wenigsten Zuhörer; selbst der aufgeklärtere und der frömmere Theil denkt gemeiniglich, jener zu wenig an die Anwendung, dieser zu wenig an die Läuterung und feste Gründung der Religionserkenntniß. Noch dazu ist fast immer die Versammlung ein vermischter Haufe; wo, was dem Einen verständlich, dem Andern schaal und wässerig, und was diesen unterhält, jenem undeutlich und zu hoch ist; wo die Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack und Interesse so entschieden sind, daß es sehr schwer wird, sich ganz zu dem einen Theil herabzulassen, und ihn zu sich hinaufzuheben, den andern hinlängliche Unterhaltung zu geben, |c39| durchaus aber Allen Alles zu werden. – Dieß und das Unvermögen des Predigers, sich in die Umstände der Zuhörer zu schicken, ist also die zweite Hauptursache (§. 20. ) der großen Schwierigkeiten bei einem guten Vortrage.Wenn der Prediger immer eine Versammlung von Zuhörern vor sich hätte, die wahres Interesse für die Religion, und für ihre wahre geistige Wohlfahrt, einen reichen Vorrath von praktischen Kenntnissen der Religion, und heiße Lernbegierde mitbrächten, und die zum Denken über ernsthafte und unsichtbare Dinge, zur gewissenhaften Anwendung des Erlernten gewöhnt wären: die sich nicht bloß führen ließen, sondern, an der Hand des Lehrers, über das Vorgetragene selbst dächten, und es auf ihren besondern Zustand anwendeten; so würde er sich bei seinem Vortrag sehr erleichtert, und dieser sicherlich mehr Eingang finden. So sind und handeln aber die wenigsten Zuhörer; selbst der aufgeklärtere und der frömmere Theil denkt gemeiniglich, jener zu wenig an die Anwendung, dieser zu wenig an die Läuterung und feste Gründung der Religionserkenntniß. Noch dazu ist fast immer die Versammlung ein vermischter Haufe; wo, was dem Einen verständlich, dem Andern schaal und wässerig, und was diesen unterhält, jenem undeutlich und zu hoch ist; wo die Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack und Interesse so entschieden sind, daß es sehr schwer wird, sich ganz zu dem einen Theil herabzulassen, und ihn zu sich hinaufzuheben, den andern hinlängliche Unterhaltung zu geben, |c39| durchaus aber Allen Alles zu werden. – Dieß und das Unvermögen des Predigers, sich in die Umstände der Zuhörer zu schicken, ist also die zweite Hauptursache (§. 20. ) der großen Schwierigkeiten bei einem guten Vortrage.

29.

Indessen würden sie sehr vermindert werden, und der Prediger oder Katechet würde sie weit leichter überwinden können, wenn ihm – welches das Dritte war (§. 20. und 26. ) – nicht manche Einrichtungen unter uns im Wege stünden, und Anstalten dazu mehr angelegt wären, worin Christen, und worin vornehmlich Lehrer der Religion sollen gebildet werden. – Es versteht sich von selbst, und die Geschichte bestätigt es, daß, wenn Wißbegierde, Aufklärung in der Religion, Interesse für sie und für geistige Angelegenheiten, allgemeiner würde, ein großer Theil der Schwierigkeiten wegfallen müßte, welcher von Beschaffenheit des Predigers selbst und der Zuhörer herrührt. Und, wenn gleich alsdann immer noch eine große Verschiedenheit der Lehrer und Zuhörer bliebe: so würde doch auch die den Vortrag weniger erschweren, wenn, wenigstens öfters, besondere Vorträge für die verschiedenen Arten der Zuhörer, bloß für Kinder, Handwerker, Dienstboten, *) für Landleute, für Gelehrtere u. s. w. gehalten würden, und wenn man in Besetzung der Lehrstellen mit mehr Weisheit und Gewissenhaftigkeit verführe, um jeden Lehrer an den Ort, unter die Art von Zuhörern zu versetzen, und ihm die Art des Vortrags anzuweisen, die seinen Fähigkeiten am angemessensten wäre.Indessen würden sie sehr vermindert werden, und der Prediger oder Katechet würde sie weit leichter überwinden können, wenn ihm – welches das Dritte war (§. 20. und 26. ) – nicht manche Einrichtungen unter uns im Wege stünden, und Anstalten dazu mehr angelegt wären, worin Christen, und worin vornehmlich Lehrer der Religion sollen gebildet werden. – Es versteht sich von selbst, und die Geschichte bestätigt es, daß, wenn Wißbegierde, Aufklärung in der Religion, Interesse für sie und für geistige Angelegenheiten, allgemeiner würde, ein großer Theil der Schwierigkeiten wegfallen müßte, welcher von Beschaffenheit des Predigers selbst und der Zuhörer herrührt. Und, wenn gleich alsdann immer noch eine große Verschiedenheit der Lehrer und Zuhörer bliebe: so würde doch auch die den Vortrag weniger erschweren, wenn, wenigstens öfters, besondere Vorträge für die verschiedenen Arten der Zuhörer, bloß für Kinder, Handwerker, Dienstboten, *) für Landleute, für Gelehrtere u. s. w. gehalten würden, und wenn man in Besetzung der Lehrstellen mit mehr Weisheit und Gewissenhaftigkeit verführe, um jeden Lehrer an den Ort, unter die Art von Zuhörern zu versetzen, und ihm die Art des Vortrags anzuweisen, die seinen Fähigkeiten am angemessensten wäre.
Anm. *) Ich kann mich noch immer nicht überzeugen, daß eine solche von Zeit zu Zeit eintretende Absonderung der Zuhörer, wenigstens auf dem Lande oder in kleinen Städten, |c40| nicht möglich sein sollte, sobald es nur der Prediger auf die rechte Art anzufangen wüßte. Siehe meine Vorschläge darüber im Journal für Prediger, Bd. 17.
A. d. H.

30.

Eigentlich aber ziele ich hier auf die Anstalten zur Bildung unserer Christen und ihrer Lehrer. Diese sind entweder Schulen oder Universitäten, und, wenn man will, besondere Pflanzschulen für die Lehrer. – In Schulen wird gemeiniglich die Jugend fast bloß zu Gelehrten, oder bloß zum gemeinen Leben und den Nahrungsstand erzogen, bei jenen die Bildung zu recht praktischen Kenntnissen in den Wissenschaften, und besonders in der Religion, bei diesen die Kenntniß und das Nachdenken über unsichtbare Dinge, bei beiden moralische Bildung und Gewöhnung zu eigenem Fleiß zu sehr vernachlässigt. – Auf Universitäten, wo der künftige Lehrer zu gelehrten Kenntnissen nothwendig angeführt werden muß, führt die Natur der Wissenschaften, worin es vorzüglich auf Bestimmtheit und Gründlichkeit ankommt, und der Vortrag, wodurch nicht das Volk, sondern Lehrer gebildet werden sollen, auf eine gewisse einförmige und gelehrte Art zu denken, worüber gemeiniglich die praktische Art, die Religion zu behandeln, versäumt wird, und der künftige Lehrer eine Art zu denken und sich auszudrücken annimmt, die es ihm hernach sehr schwer macht, sich zu Ungelehrten herabzulassen, und mit ihnen nach ihren Bedürfnissen zu reden. Ueberhaupt aber werden in beiderlei Anstalten zu sehr die Uebungen im guten, besonders praktischen und populären Vortrage vernachlässigt und immer seltener: Uebungen, zu welchen man frühzeitig, vorzüglich auf Schulen, sollte angehalten werden. Denn da ist nicht nur die meiste Zeit |c41| dazu; da könnte auch die Leitung und Kritik eines verständigen Lehrers die Aufmerksamkeit des jungen Lehrlings gerade auf das richten, was eigentlich zum guten Vortrage gehört, ihm die Quellen, woraus er schöpfen sollte, anweisen, oder ihm selbst zu den nöthigen Gedanken helfen, und Alles durch nöthige Erinnerungen verbessern: da kann man noch an Achtsamkeit auf kleinscheinende Umstände, die auf den Vortrag so großen Einfluß haben, gewöhnt werden, weil das Gemüth noch nicht durch die Aufmerksamkeit auf nöthigere Dinge abgelenkt, und der Geschmack noch nicht durch sogenannte reelle Kenntnisse verwöhnt ist; da läßt sich auch noch die Flüchtigkeit des jungen Kopfs durch stete Uebung und einen heilsamen Zwang einschränken. – Sind aber diese Uebungen versäumt worden; ist der Geschmack nicht frühzeitig zum Gefühl der wahren natürlichen Schönheit des Vortrags gebildet; kommt noch eine unvorsichtige Lectüre dazu, und der Trieb, mehr sein Vergnügen dadurch zu befriedigen, oder höchstens Kenntnisse einzusammeln, als den zweckmäßigen Vortrag der Religion zu bilden: so muß es, wie auch die Erfahrung lehrt, unbeschreiblich schwer werden, hinterher erst einen solchen Vortrag, wie er bisher beschrieben ist, in seine Gewalt zu bekommen.Eigentlich aber ziele ich hier auf die Anstalten zur Bildung unserer Christen und ihrer Lehrer. Diese sind entweder Schulen oder Universitäten, und, wenn man will, besondere Pflanzschulen für die Lehrer. – In Schulen wird gemeiniglich die Jugend fast bloß zu Gelehrten, oder bloß zum gemeinen Leben und den Nahrungsstand erzogen, bei jenen die Bildung zu recht praktischen Kenntnissen in den Wissenschaften, und besonders in der Religion, bei diesen die Kenntniß und das Nachdenken über unsichtbare Dinge, bei beiden moralische Bildung und Gewöhnung zu eigenem Fleiß zu sehr vernachlässigt. – Auf Universitäten, wo der künftige Lehrer zu gelehrten Kenntnissen nothwendig angeführt werden muß, führt die Natur der Wissenschaften, worin es vorzüglich auf Bestimmtheit und Gründlichkeit ankommt, und der Vortrag, wodurch nicht das Volk, sondern Lehrer gebildet werden sollen, auf eine gewisse einförmige und gelehrte Art zu denken, worüber gemeiniglich die praktische Art, die Religion zu behandeln, versäumt wird, und der künftige Lehrer eine Art zu denken und sich auszudrücken annimmt, die es ihm hernach sehr schwer macht, sich zu Ungelehrten herabzulassen, und mit ihnen nach ihren Bedürfnissen zu reden. Ueberhaupt aber werden in beiderlei Anstalten zu sehr die Uebungen im guten, besonders praktischen und populären Vortrage vernachlässigt und immer seltener: Uebungen, zu welchen man frühzeitig, vorzüglich auf Schulen, sollte angehalten werden. Denn da ist nicht nur die meiste Zeit |c41| dazu; da könnte auch die Leitung und Kritik eines verständigen Lehrers die Aufmerksamkeit des jungen Lehrlings gerade auf das richten, was eigentlich zum guten Vortrage gehört, ihm die Quellen, woraus er schöpfen sollte, anweisen, oder ihm selbst zu den nöthigen Gedanken helfen, und Alles durch nöthige Erinnerungen verbessern: da kann man noch an Achtsamkeit auf kleinscheinende Umstände, die auf den Vortrag so großen Einfluß haben, gewöhnt werden, weil das Gemüth noch nicht durch die Aufmerksamkeit auf nöthigere Dinge abgelenkt, und der Geschmack noch nicht durch sogenannte reelle Kenntnisse verwöhnt ist; da läßt sich auch noch die Flüchtigkeit des jungen Kopfs durch stete Uebung und einen heilsamen Zwang einschränken. – Sind aber diese Uebungen versäumt worden; ist der Geschmack nicht frühzeitig zum Gefühl der wahren natürlichen Schönheit des Vortrags gebildet; kommt noch eine unvorsichtige Lectüre dazu, und der Trieb, mehr sein Vergnügen dadurch zu befriedigen, oder höchstens Kenntnisse einzusammeln, als den zweckmäßigen Vortrag der Religion zu bilden: so muß es, wie auch die Erfahrung lehrt, unbeschreiblich schwer werden, hinterher erst einen solchen Vortrag, wie er bisher beschrieben ist, in seine Gewalt zu bekommen.

31.

Worauf käme es nun eigentlich an, wenn der Vortrag der Religion, – er sei aneinanderhangend, oder mehr Unterredung mit Andern – so seyn sollte, daß die Absicht, Andere durch Religion glücklich zu machen, erreicht werden könnte? Willigkeit, sie anzunehmen und zu befolgen, kann anders nicht, als durch erweckte Vorstellungen entstehen, die uns das, was zur Religion gehört, als wahr und als |c42| gut zeigen. Wenn also der Vortrag jene Absicht befördern soll, so muß er bei den Zuhörern Vorstellungen erwecken, die von ihnen als wahr, d. i. als der Sache selbst, oder dem Grunde, worauf sie beruhen, gemäß erkannt werden, und deren Werth ihnen in Rücksicht auf ihr Bestes einleuchtet. In der ersten Absicht ist der Vortrag belehrend (unterrichtend); in der zweiten überzeugend; in der dritten rührend (im weiteren Verstande; siehe unten §. 43. ) 1) . Diese drei Eigenschaften kann man unter dem Namen der Erbaulichkeit zusammenfassen, und der Vortrag ist erbaulich, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Erkenntniß der göttlichen Wahrheit zur Gottseligkeit befördern kann; wiewohl er auch von Manchen schon so genannt wird, wenn er auch nur Eine dieser Eigenschaften, vornehmlich wenn er die dritte hat. 2) Worauf käme es nun eigentlich an, wenn der Vortrag der Religion, – er sei aneinanderhangend, oder mehr Unterredung mit Andern – so seyn sollte, daß die Absicht, Andere durch Religion glücklich zu machen, erreicht werden könnte? Willigkeit, sie anzunehmen und zu befolgen, kann anders nicht, als durch erweckte Vorstellungen entstehen, die uns das, was zur Religion gehört, als wahr und als |c42| gut zeigen. Wenn also der Vortrag jene Absicht befördern soll, so muß er bei den Zuhörern Vorstellungen erwecken, die von ihnen als wahr, d. i. als der Sache selbst, oder dem Grunde, worauf sie beruhen, gemäß erkannt werden, und deren Werth ihnen in Rücksicht auf ihr Bestes einleuchtet. In der ersten Absicht ist der Vortrag belehrend (unterrichtend); in der zweiten überzeugend; in der dritten rührend (im weiteren Verstande; siehe unten §. 43. ) 1) . Diese drei Eigenschaften kann man unter dem Namen der Erbaulichkeit zusammenfassen, und der Vortrag ist erbaulich, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Erkenntniß der göttlichen Wahrheit zur Gottseligkeit befördern kann; wiewohl er auch von Manchen schon so genannt wird, wenn er auch nur Eine dieser Eigenschaften, vornehmlich wenn er die dritte hat. 2)
Anm. 1) In dem gedachten ersten Falle wirkt der Vortrag auf die bloße Vorstellungskraft, erweitert die Erkenntniß, und verbannt die Unwissenheit oder Unbedachtsamkeit; im zweiten wirkt er auf den Verstand, berichtigt die Erkenntniß, und vertreibt Vorurtheile und Irrthümer; im dritten wirkt er aufs Herz, oder auf den Willen, macht die Erkenntniß lebendig, und hebt die Gleichgültigkeit.
2) Wenn wir diese Haupttendenz öffentlicher Vorträge etwas weiter verfolgen, so soll dies doch weder eine Anweisung zum Predigen, noch zum Katechisiren seyn. Es soll nur auf die Hauptsache bei dem erbaulichen Vortrage aufmerksam machen, und zeigen, wie viel dazu gehöre, wenn ein solcher Vortrag seiner wahren Absicht entsprechen soll. Einzelne Regeln lassen sich hernach leicht daraus ableiten.
{Die Bedeutung des Erbaulichen wird oft sehr einseitig aufgefaßt, wie es meistentheils tropischen Aus|c43|drücken geht. Die Hauptidee, welche auch den Stellen des neuen Testaments, woraus er genommen ist (Apostelgesch. 20, 32. Eph. 21, 22. 23. Jud. 20., 1 Kor. 14, 5. 26. u. s. w.) zum Grunde liegt, ist das Emporsteigen eines Baues auf einem gelegten Grunde; eigentlich also ein Zunehmen, Besser- und Vollkommnerwerden, wie denn Luther selbst in mehreren Stellen οἰκοδομη durch Besserung übersetzt hat (1. Kor. 14, 3. 26.). Dieß wird eben sowohl auf Wachsthum an Erkenntniß als an Heiligung bezogen; und Alles, was das Eine oder das Andere, sei es durch Aufklärung der Vorstellungen, sei es durch Erweckung sittlicher und frommer Gefühle, sei es durch Belebung des Eifers in allen Tugenden befördert, ist erbaulich. Häufig aber hat man das Erste davon ausgeschlossen, und nicht nur Vorträge, die mehr den Zweck hatten zu erleuchten, als zu erwärmen, unerbaulich genannt. Allerdings sind Erbauungsbücher, Erbauungsstunden, erbauliche Predigten nicht bloße Verstandesbeschäftigungen, oder Belehrungen über Dinge, und Materieen, die keinen Einfluß auf die ganze Besserung des Menschen haben, wie schon früherhin so viele streng dogmatische und gar polemische Predigten enthielten; aber es giebt auch heilsame Erkenntnisse und eine Berichtigung der Begriffe, die von großer Wichtigkeit für die Tugend des Menschen ist. Außer J. B. Koppe genauere Bestimmung des Erbaulichen in Predigten, Göttingen 1778, vergleiche man Spalding's Predigt von dem was erbaulich ist, Berlin 1781, und die lehrreiche Abhandlung in Paulus neuem theologischen Journal 1797, N. 6. über den Begriff des Erbaulichen, und in meinen Briefen an christliche Religionslehrer, 3te Sammlung.
A. d. H.}

32.

Belehrung, wodurch die Kenntniß des Zuhörers immer mehr erweitert, und er zum Besinnen und Denken ge|c44|bracht wird, ist die erste unentbehrliche Eigenschaft eines guten Vortrags; und nur in dem Grade kann dieser nützlich seyn, in welchem er diese Eigenschaft hat. – Denn wie kann man etwas für wahr und gut halten, was man nicht kennt? woher anders, als daraus, können Gründe genommen werden, wodurch man sich überzeugt, und wonach man etwas begehrt oder verabscheut? oder wie kann der Beifall, den man einem Satze giebt, und die Willigkeit, mit der man ihn befolgt, gewissenhaft seyn, d. i.: wie kann man sich selbst Rechenschaft geben, daß man etwas für wahr annehmen und wollen müsse, ohne durch die Kenntniß, die man von einer solchen Sache hat? Immer rührt auch alle Gleichgültigkeit gegen das, was wahr und gut ist, und alle Verwerfung desselben daher, daß man es entweder nicht kennt, oder zu der Zeit nicht daran denkt, oder sichs nicht lebhaft genug vorstellt; und diesem allen kann nur rechte Belehrung abhelfen. – Das Bekannte verliert, weil man dessen gewohnt wird, nach und nach den Eindruck, und kann nur dadurch aufgefrischt werden, daß man immer Mehreres hinzu lernt, wodurch das Bekannte in uns in neuen Verbindungen erscheint, und uns neue Aussichten eröffnet werden, welche die Beschäftigung mit bekannten Sachen unterhaltender machen. – Was nicht wirklich belehrt, wobei man nichts Bestimmtes denkt, was bloß die Phantasie in Bewegung, und das Gemüth in Affekt setzt, das geht wie ein Rausch vorüber, und kann keine dauerhaften Eindrücke hinterlassen. Je mehreres man hingegen von einer Sache weiß, desto mehr erzeugt Eines das Andere, weckt Eins das Andere wieder auf, wirkt Eins wenn das Andere unwirksam schläft, verstärkt das Eine die Wirkungen des Andern. – Wenn nun vollends der Re|c45|ligionsunterricht in den früheren Jahren, es sei aus Schuld des Lehrers oder der Unfähigkeit und Flüchtigkeit des Alters, bloß auf das Gedächtniß gewirkt hat; wenn aus der Denkungsart und aus anderweitigen angenommenen Vorurtheilen eines Menschen sich Vorstellungen in seine Religionskenntnisse eingeschlichen haben, die, so denkbar sie sonst seyn mögen, in der Religion undenkbar sind; wenn sein Gemüth durch angefangene Zweifel oder verführerische, zumal den Leidenschaften des Menschen schmeichelnde, Gedanken verwirrt, oder von der Achtung und Liebe zur Religion abgezogen worden ist; wenn ohnehin mit den Jahren der Unmündigkeit der jugendliche Religionsunterricht aufhört; wenn die sich nun selbst Ueberlassenen keines aneinanderhängenden förmlichen Unterrichts in derselben mehr genießen, und sich entweder gar nicht mehr um Unterricht in der Religion und dessen Erweiterung bekümmern, oder sich selbst nach mangelhaften und willkürlichen Begriffen eine Religion bilden: was bleibt dann, diesem Uebel abzuhelfen, noch übrig, als daß durch öffentliche Vorträge der Religion diese Belehrung entweder erst ertheilt, oder unbestimmten, halbwahren und unrecht angewendeten Vorstellungen eine andere Richtung gegeben werde?Belehrung, wodurch die Kenntniß des Zuhörers immer mehr erweitert, und er zum Besinnen und Denken ge|c44|bracht wird, ist die erste unentbehrliche Eigenschaft eines guten Vortrags; und nur in dem Grade kann dieser nützlich seyn, in welchem er diese Eigenschaft hat. – Denn wie kann man etwas für wahr und gut halten, was man nicht kennt? woher anders, als daraus, können Gründe genommen werden, wodurch man sich überzeugt, und wonach man etwas begehrt oder verabscheut? oder wie kann der Beifall, den man einem Satze giebt, und die Willigkeit, mit der man ihn befolgt, gewissenhaft seyn, d. i.: wie kann man sich selbst Rechenschaft geben, daß man etwas für wahr annehmen und wollen müsse, ohne durch die Kenntniß, die man von einer solchen Sache hat? Immer rührt auch alle Gleichgültigkeit gegen das, was wahr und gut ist, und alle Verwerfung desselben daher, daß man es entweder nicht kennt, oder zu der Zeit nicht daran denkt, oder sichs nicht lebhaft genug vorstellt; und diesem allen kann nur rechte Belehrung abhelfen. – Das Bekannte verliert, weil man dessen gewohnt wird, nach und nach den Eindruck, und kann nur dadurch aufgefrischt werden, daß man immer Mehreres hinzu lernt, wodurch das Bekannte in uns in neuen Verbindungen erscheint, und uns neue Aussichten eröffnet werden, welche die Beschäftigung mit bekannten Sachen unterhaltender machen. – Was nicht wirklich belehrt, wobei man nichts Bestimmtes denkt, was bloß die Phantasie in Bewegung, und das Gemüth in Affekt setzt, das geht wie ein Rausch vorüber, und kann keine dauerhaften Eindrücke hinterlassen. Je mehreres man hingegen von einer Sache weiß, desto mehr erzeugt Eines das Andere, weckt Eins das Andere wieder auf, wirkt Eins wenn das Andere unwirksam schläft, verstärkt das Eine die Wirkungen des Andern. – Wenn nun vollends der Re|c45|ligionsunterricht in den früheren Jahren, es sei aus Schuld des Lehrers oder der Unfähigkeit und Flüchtigkeit des Alters, bloß auf das Gedächtniß gewirkt hat; wenn aus der Denkungsart und aus anderweitigen angenommenen Vorurtheilen eines Menschen sich Vorstellungen in seine Religionskenntnisse eingeschlichen haben, die, so denkbar sie sonst seyn mögen, in der Religion undenkbar sind; wenn sein Gemüth durch angefangene Zweifel oder verführerische, zumal den Leidenschaften des Menschen schmeichelnde, Gedanken verwirrt, oder von der Achtung und Liebe zur Religion abgezogen worden ist; wenn ohnehin mit den Jahren der Unmündigkeit der jugendliche Religionsunterricht aufhört; wenn die sich nun selbst Ueberlassenen keines aneinanderhängenden förmlichen Unterrichts in derselben mehr genießen, und sich entweder gar nicht mehr um Unterricht in der Religion und dessen Erweiterung bekümmern, oder sich selbst nach mangelhaften und willkürlichen Begriffen eine Religion bilden: was bleibt dann, diesem Uebel abzuhelfen, noch übrig, als daß durch öffentliche Vorträge der Religion diese Belehrung entweder erst ertheilt, oder unbestimmten, halbwahren und unrecht angewendeten Vorstellungen eine andere Richtung gegeben werde?

33.

Soll der Vortrag belehrend seyn: so muß er nicht nur Dinge bekannt machen, die der Zuhörer vorhin nicht wußte, oder an die er nicht dachte; er muß auch bei ihm wirklich Begriffe, und zwar bestimmte Begriffe, davon hervorbringen können. – Er muß ihm 1) etwas zu denken geben, sowohl in Absicht auf Sachen als auf Worte. – – Auf Sachen! Und hier sollte aus dem Vortrage |c46| Alles entfernt werden, was entweder an sich undenkbar ist, oder doch, so fern es von Gott und in der Religion gebraucht wird, sich nicht denken läßt, oder, weil die ganze Religion praktisch seyn muß, Alles, was überhaupt oder bei denjenigen Zuhörern, mit welchen man zu thun hat, weder zu ihrer Besserung, noch zu ihrer Beruhigung brauchbar vorgetragen werden kann. Was sich hingegen denkbar und praktisch machen läßt, müßte man so sehr an die Begriffe, die man bei den Zuhörern voraussetzen kann, anknüpfen, durch Gegensätze, durch Erfahrungen, Beispiele und Beschreibungen so erläutern, und, wenn man Stellen der heiligen Schrift braucht, diese durch faßlichere Gedanken und Umschreibungen so klar und anschauend machen, daß aller nachtheilige Mißverstand verhütet, und der Gedanke ihnen so anschaulich als möglich gemacht würde. – In Absicht auf Worte aber müßte man sich aller Ausdrücke enthalten, die den Zuhörern unverständlich sind, sie mögen übrigens sonst so gut, und durch den Gebrauch so gangbar gemacht und geheiligt seyn, als sie wollen. Wenigstens müßte nichts unerklärt bleiben, wovon man wüßte, daß sie nichts oder leicht etwas Falsches zu denken gewohnt wären; Alles dagegen in so faßliche, darstellende und edle Ausdrücke eingekleidet werden, als man nur irgend der Natur der Sachen angemessen finden könnte.Soll der Vortrag belehrend seyn: so muß er nicht nur Dinge bekannt machen, die der Zuhörer vorhin nicht wußte, oder an die er nicht dachte; er muß auch bei ihm wirklich Begriffe, und zwar bestimmte Begriffe, davon hervorbringen können. – Er muß ihm 1) etwas zu denken geben, sowohl in Absicht auf Sachen als auf Worte. – – Auf Sachen! Und hier sollte aus dem Vortrage |c46| Alles entfernt werden, was entweder an sich undenkbar ist, oder doch, so fern es von Gott und in der Religion gebraucht wird, sich nicht denken läßt, oder, weil die ganze Religion praktisch seyn muß, Alles, was überhaupt oder bei denjenigen Zuhörern, mit welchen man zu thun hat, weder zu ihrer Besserung, noch zu ihrer Beruhigung brauchbar vorgetragen werden kann. Was sich hingegen denkbar und praktisch machen läßt, müßte man so sehr an die Begriffe, die man bei den Zuhörern voraussetzen kann, anknüpfen, durch Gegensätze, durch Erfahrungen, Beispiele und Beschreibungen so erläutern, und, wenn man Stellen der heiligen Schrift braucht, diese durch faßlichere Gedanken und Umschreibungen so klar und anschauend machen, daß aller nachtheilige Mißverstand verhütet, und der Gedanke ihnen so anschaulich als möglich gemacht würde. – In Absicht auf Worte aber müßte man sich aller Ausdrücke enthalten, die den Zuhörern unverständlich sind, sie mögen übrigens sonst so gut, und durch den Gebrauch so gangbar gemacht und geheiligt seyn, als sie wollen. Wenigstens müßte nichts unerklärt bleiben, wovon man wüßte, daß sie nichts oder leicht etwas Falsches zu denken gewohnt wären; Alles dagegen in so faßliche, darstellende und edle Ausdrücke eingekleidet werden, als man nur irgend der Natur der Sachen angemessen finden könnte.
Anm. Undenkbar an sich ist z. B. die dogmatische Lehre von Christi Allwissenheit, der er sich in besondern Fällen soll entäußert haben. Undenkbar in der Religion sind die gemeinen groben Begriffe von dem erzürnten und erst durch Christum besänftigten Gott, von Vergebung der Sünden, als einer Aufhebung aller nachtheiligen Folgen unserer Vergehungen, von Strafen Gottes als bloßen Uebeln u. dgl. Undenkbar im praktischen Verstan|c47|de, die Lehre von der Höllenfahrt Christi im eigentlichen Verstande, die von einer eigentlichen Zurechnung des Falls Adams u. a. – Beispiele zu den übrigen Theilen des §., sonderlich von unverständlichen, gemißdeuteten, theils vieldeutigen, theils uneigentlichen Ausdrücken, als: wesentlicher Leib Christi, Glaube, Buße, Gnade, Wiedergeburt und dergleichen, werden jedem leicht beifallen.

34.

Doch dieses allein würde zur rechten Belehrung nicht dienen, wenn der Vortrag nicht auch so eingerichtet wäre, daß er 2) bestimmte Begriffe erwecken könnte. Wer diese Eigenschaft seinem Vortrage mittheilen, und verhindern wollte, daß dieser nicht entweder Irrthümer erzeugte, welchen doch die Belehrung eben mit vorbeugen will, oder daß der Vortrag den Zweck nicht erreichte, den er doch haben soll, Belehrung zu geben: der müßte sich durchaus solcher Ausdrücke bedienen, wobei er voraussehen könnte, der Zuhörer werde, nach dem ihm bekannten Sprachgebrauch, gerade das denken, was der Lehrer ihm dadurch sagen will. Er müßte sich aller zweideutigen und schwankenden Ausdrücke enthalten, die nach dem Sprachgebrauch entweder mehr oder weniger Vorstellungen, als der Lehrer wirklich mittheilen will, oder gar fremde Vorstellungen, erregen könnten. Wäre dieses aber zu besorgen, und wären entweder keine Ausdrücke in der Sprache vorhanden, die diese Fehler nicht hätten, oder gäbe es zwar bestimmtere, aber denen Zuhörern, vor denen man redete, nicht verständliche Ausdrücke, so müßte durch deutliche und faßliche Erklärungen und Erläuterungen, auf die im vorigen §. erwähnte Art, diesem Mißverstande abgeholfen werden.Doch dieses allein würde zur rechten Belehrung nicht dienen, wenn der Vortrag nicht auch so eingerichtet wäre, daß er 2) bestimmte Begriffe erwecken könnte. Wer diese Eigenschaft seinem Vortrage mittheilen, und verhindern wollte, daß dieser nicht entweder Irrthümer erzeugte, welchen doch die Belehrung eben mit vorbeugen will, oder daß der Vortrag den Zweck nicht erreichte, den er doch haben soll, Belehrung zu geben: der müßte sich durchaus solcher Ausdrücke bedienen, wobei er voraussehen könnte, der Zuhörer werde, nach dem ihm bekannten Sprachgebrauch, gerade das denken, was der Lehrer ihm dadurch sagen will. Er müßte sich aller zweideutigen und schwankenden Ausdrücke enthalten, die nach dem Sprachgebrauch entweder mehr oder weniger Vorstellungen, als der Lehrer wirklich mittheilen will, oder gar fremde Vorstellungen, erregen könnten. Wäre dieses aber zu besorgen, und wären entweder keine Ausdrücke in der Sprache vorhanden, die diese Fehler nicht hätten, oder gäbe es zwar bestimmtere, aber denen Zuhörern, vor denen man redete, nicht verständliche Ausdrücke, so müßte durch deutliche und faßliche Erklärungen und Erläuterungen, auf die im vorigen §. erwähnte Art, diesem Mißverstande abgeholfen werden.
|c48| Anm. Man sieht sowohl aus diesen als den vorigen §§.
  • 1) Wie ausnehmend viel auf die Klugheit des Lehrers in der Wahl der vorzutragenden Sachen und Worte ankomme, und worauf er bei dieser Wahl zu sehen habe. Die wahren Bedürfnisse und Kenntnisse der Zuhörer, die er belehren will, müssen der Maaßstab seyn, wonach er sich in seiner Wahl aufs gewissenhafteste und schonendste richten muß.
  • 2) Wie höchst nöthig es sei, daß ein Lehrer seine Zuhörer, wenigstens überhaupt nach ihrer Fähigkeit, ihren Kenntnissen, herrschender Denkungsart, Geschmack und Sitten kenne; mit den gewöhnlichen Begriffen, Vorurtheilen, moralischen Grundsätzen, und selbst der Sprache des Volks, Alles besonders in Absicht auf Religion, bekannt sei, und nicht nur die Wahrheit, sondern auch den wahren praktischen Werth und die Wichtigkeit der Lehren zu schätzen wisse; und
  • 3) wie sehr ein wahrer Volkslehrer nach Menschenkenntniß und nach ausgebreiteter, bestimmter und fruchtbarer Kenntniß der Religion, der Moral, des guten Vortrags und der Sprachen, wenigstens der Sprache, worin er seine Vorträge hält, und nach der gehörigen Fertigkeit darin, durch öftere und fleißige Uebung streben sollte.

35.

Durch die Belehrung lernt der Zuhörer die Sachen recht kennen; soll er aber dabei nicht gleichgültig bleiben, sondern sie zu seinem Besten benutzen, so muß er einsehen lernen, daß dasjenige, was er gehört hat, wahr sei, d. i. er muß es, so fern es seine Kenntniß angeht, glauben, und, so fern es seinen Willen betrifft, für seine Pflicht ansehen, und sich, es zu thun oder zu lassen, für verbunden achten. Ein Vortrag, der dies bewirken kann, ist überzeugend; welches die zweite Eigenschaft war. (§. 31. ) Die Einsicht der Wahrheit beruht auf Gründen, die den |c49| Zuhörer nöthigen, eine Lehre für wahr zu halten; er wird aber diesen keine hinlängliche Aufmerksamkeit schenken, wenn er die Lehre nicht in Beziehung auf sein Bestes ansieht, d. i. wenn sie nichts Anziehendes für ihn hat, wenn sie ihm nicht interessant ist: und dieß kann sie für ihn, wenn sie praktisch ist, nicht seyn, falls er nicht einsieht, daß sie in der Anwendung möglich sei, und daß er ihr gemäß handeln könne. Hieraus entstehen drei Eigenschaften des überzeugenden Vortrags. Er muß darauf eingerichtet seyn, daß die Zuhörer die Lehren für gegründet, für interessant und für ausführbar erkennen.Durch die Belehrung lernt der Zuhörer die Sachen recht kennen; soll er aber dabei nicht gleichgültig bleiben, sondern sie zu seinem Besten benutzen, so muß er einsehen lernen, daß dasjenige, was er gehört hat, wahr sei, d. i. er muß es, so fern es seine Kenntniß angeht, glauben, und, so fern es seinen Willen betrifft, für seine Pflicht ansehen, und sich, es zu thun oder zu lassen, für verbunden achten. Ein Vortrag, der dies bewirken kann, ist überzeugend; welches die zweite Eigenschaft war. (§. 31. ) Die Einsicht der Wahrheit beruht auf Gründen, die den |c49| Zuhörer nöthigen, eine Lehre für wahr zu halten; er wird aber diesen keine hinlängliche Aufmerksamkeit schenken, wenn er die Lehre nicht in Beziehung auf sein Bestes ansieht, d. i. wenn sie nichts Anziehendes für ihn hat, wenn sie ihm nicht interessant ist: und dieß kann sie für ihn, wenn sie praktisch ist, nicht seyn, falls er nicht einsieht, daß sie in der Anwendung möglich sei, und daß er ihr gemäß handeln könne. Hieraus entstehen drei Eigenschaften des überzeugenden Vortrags. Er muß darauf eingerichtet seyn, daß die Zuhörer die Lehren für gegründet, für interessant und für ausführbar erkennen.

36.

Um den ersten Zweck zu erreichen, ist 1) die bloße Wärme oder der Eifer im Vortrag nicht hinlänglich; er beweiset nur, daß der Lehrer für das, was er sagt, eingenommen sei. Der Affect läßt sich nicht immer den Zuhörern mittheilen. Er wirkt nur da, wo der Zuhörer schon durch seine Denkungsart, durch seine Grundsätze, durch seine Neigungen dazu gestimmt ist, aber nicht da, wo er eben am nöthigsten wäre; ich meine, wo gerade alles dieses nach den Lehren, und durch sie, sollte verbessert werden. Es wird sogar der Affect da, wo die Zuhörer nicht blindlings zu folgen gewohnt sind – und dieß sollte der Lehrer nicht einmal wünschen, wenn ihm Gewissenhaftigkeit der Zuhörer lieb wäre – er wird bei nüchternen, selbstdenkenden, gewissenhaften, oder gegen eine Lehre eingenommenen Zuhörern vielmehr das Vorurtheil einer übeln Sache, oder doch wenigstens der Unfähigkeit des Lehrers, Andere zu überzeugen, hervorbringen; weil jeder glauben muß, daß der Lehrer den einzigen Weg zur wahren Ueberzeugung, |c50| die nur durch Gründe bewirkt wird, gehen würde, wenn er wirkliche Gründe hätte, und nicht den Abgang der Gründe durch sinnliche Betäubung der Zuhörer ersetzen wollte. – 2) Scharfsinnige und gelehrte Beweise wirken eben so wenig, weil sie die Wenigsten fassen können, und die Meisten ohnehin gelehrte Angaben auf das bloße Wort des Lehrers annehmen müssen. – Man führe hingegen Alles, wovon man überzeugen will, so viel man immer kann, auf den gemeinen Menschenverstand und auf das moralische Gefühl; auf Sätze, die man bei den Zuhörern, als wahr erkannt, gewiß voraussetzen kann; auf bekannte Erfahrungen, deutliche Gleichnisse, einleuchtende Beispiele, auf Vergleichung mit offenbar ähnlichen unbezweifelten Sätzen und Fällen; auf ganz klare oder leicht klar zu machende Stellen der heiligen Schrift zurück. Man nehme bei moralischen Sätzen die natürliche Billigkeit und die augenscheinlichen oder leicht abzusehenden Folgen der Handlungen zu Hülfe. Man mache, zumal wenn uns die bisher erwähnten Mittel abgehen, die Lehren praktisch, und zeige, wie viel besser man, in Absicht auf Beförderung des Guten und unsere Beruhigung, als bei dem Gegentheil, fahre. Man hüte sich insbesondere vor unbestimmten Behauptungen, die man nicht ganz wahr machen, und wobei der Zuhörer leicht Ausflüchte finden kann, und vor übertriebenen Sätzen und Forderungen, welchen er leicht gegenseitige Erfahrungen oder die Unmöglichkeit entgegensetzen könnte. Man zeige vielmehr, wie weit jemand, der anders denken möchte, Recht habe, und lasse selbst der Schwachheit und den Fehlern Gerechtigkeit widerfahren. Man hüte sich endlich, keine Zweifel zu erwähnen, oder zu bestreiten, wenn sie nicht jedem von selbst aufzustoßen schei|c51|nen, oder als sehr gangbar bekannt sind; man richte vielmehr den Vortrag so behutsam, bestimmt und discret ein, daß dadurch selbst die Zweifel verhindert werden, oder der irgend nachdenkende Zuhörer schon in dem Vorgetragenen selbst hinlängliche Auflösung der etwa entstehenden Zweifel finde.Um den ersten Zweck zu erreichen, ist 1) die bloße Wärme oder der Eifer im Vortrag nicht hinlänglich; er beweiset nur, daß der Lehrer für das, was er sagt, eingenommen sei. Der Affect läßt sich nicht immer den Zuhörern mittheilen. Er wirkt nur da, wo der Zuhörer schon durch seine Denkungsart, durch seine Grundsätze, durch seine Neigungen dazu gestimmt ist, aber nicht da, wo er eben am nöthigsten wäre; ich meine, wo gerade alles dieses nach den Lehren, und durch sie, sollte verbessert werden. Es wird sogar der Affect da, wo die Zuhörer nicht blindlings zu folgen gewohnt sind – und dieß sollte der Lehrer nicht einmal wünschen, wenn ihm Gewissenhaftigkeit der Zuhörer lieb wäre – er wird bei nüchternen, selbstdenkenden, gewissenhaften, oder gegen eine Lehre eingenommenen Zuhörern vielmehr das Vorurtheil einer übeln Sache, oder doch wenigstens der Unfähigkeit des Lehrers, Andere zu überzeugen, hervorbringen; weil jeder glauben muß, daß der Lehrer den einzigen Weg zur wahren Ueberzeugung, |c50| die nur durch Gründe bewirkt wird, gehen würde, wenn er wirkliche Gründe hätte, und nicht den Abgang der Gründe durch sinnliche Betäubung der Zuhörer ersetzen wollte. – 2) Scharfsinnige und gelehrte Beweise wirken eben so wenig, weil sie die Wenigsten fassen können, und die Meisten ohnehin gelehrte Angaben auf das bloße Wort des Lehrers annehmen müssen. – Man führe hingegen Alles, wovon man überzeugen will, so viel man immer kann, auf den gemeinen Menschenverstand und auf das moralische Gefühl; auf Sätze, die man bei den Zuhörern, als wahr erkannt, gewiß voraussetzen kann; auf bekannte Erfahrungen, deutliche Gleichnisse, einleuchtende Beispiele, auf Vergleichung mit offenbar ähnlichen unbezweifelten Sätzen und Fällen; auf ganz klare oder leicht klar zu machende Stellen der heiligen Schrift zurück. Man nehme bei moralischen Sätzen die natürliche Billigkeit und die augenscheinlichen oder leicht abzusehenden Folgen der Handlungen zu Hülfe. Man mache, zumal wenn uns die bisher erwähnten Mittel abgehen, die Lehren praktisch, und zeige, wie viel besser man, in Absicht auf Beförderung des Guten und unsere Beruhigung, als bei dem Gegentheil, fahre. Man hüte sich insbesondere vor unbestimmten Behauptungen, die man nicht ganz wahr machen, und wobei der Zuhörer leicht Ausflüchte finden kann, und vor übertriebenen Sätzen und Forderungen, welchen er leicht gegenseitige Erfahrungen oder die Unmöglichkeit entgegensetzen könnte. Man zeige vielmehr, wie weit jemand, der anders denken möchte, Recht habe, und lasse selbst der Schwachheit und den Fehlern Gerechtigkeit widerfahren. Man hüte sich endlich, keine Zweifel zu erwähnen, oder zu bestreiten, wenn sie nicht jedem von selbst aufzustoßen schei|c51|nen, oder als sehr gangbar bekannt sind; man richte vielmehr den Vortrag so behutsam, bestimmt und discret ein, daß dadurch selbst die Zweifel verhindert werden, oder der irgend nachdenkende Zuhörer schon in dem Vorgetragenen selbst hinlängliche Auflösung der etwa entstehenden Zweifel finde.

37.

Wenn wir uns eine Sache – es sei ein allgemeiner Satz oder ein besonderer Fall – in Beziehung auf uns vorstellen, und den vortheilhaften Einfluß derselben auf uns bemerken oder ahnden, so ist sie anziehend für uns, oder interessant (sie nimmt uns ein, wir nehmen daran Theil, bleiben dagegen nicht gleichgültig); *) und ein Vortrag ist anziehend, wenn er diese Wirkung hervorbringt. Diese zweite Eigenschaft (§. 35. ) kann entweder in den Sachen selbst liegen, die man vorträgt, oder in der Art, wie sie vorgetragen werden, wodurch das einen Reiz bekommen kann, was für uns sonst gar keinen, oder, weil es uns schon geläufig war, nicht mehr den starken Reiz, wie vorhin, hatte. – Ein solcher Vortrag erregt und fesselt unsere Aufmerksamkeit. Er überzeugt, d. i. er macht, daß wir etwas für wahr und gegründet erkennen, weil wir es, in solcher Beziehung, mit unserm Zustand, unserer Denkungsart oder sonstigen Kenntnissen und Neigungen, übereinstimmend finden; er verstärkt wenigstens unsere Ueberzeugung, oder vertritt doch ihre Stelle, wenn wir einsehen, daß wir, ohne dieses als wahr vorauszusetzen, uns gewisse für wahr erkannte Dinge nicht erklären, oder ein gefühltes Bedürfniß nicht befriedigen können. Und überhaupt kann ein Vortrag |c52| nicht den geringsten Eindruck auf uns machen, und also auch nicht erbauen (§. 31. ), wenn er für uns gar nichts Anziehendes hat.Wenn wir uns eine Sache – es sei ein allgemeiner Satz oder ein besonderer Fall – in Beziehung auf uns vorstellen, und den vortheilhaften Einfluß derselben auf uns bemerken oder ahnden, so ist sie anziehend für uns, oder interessant (sie nimmt uns ein, wir nehmen daran Theil, bleiben dagegen nicht gleichgültig); *) und ein Vortrag ist anziehend, wenn er diese Wirkung hervorbringt. Diese zweite Eigenschaft (§. 35. ) kann entweder in den Sachen selbst liegen, die man vorträgt, oder in der Art, wie sie vorgetragen werden, wodurch das einen Reiz bekommen kann, was für uns sonst gar keinen, oder, weil es uns schon geläufig war, nicht mehr den starken Reiz, wie vorhin, hatte. – Ein solcher Vortrag erregt und fesselt unsere Aufmerksamkeit. Er überzeugt, d. i. er macht, daß wir etwas für wahr und gegründet erkennen, weil wir es, in solcher Beziehung, mit unserm Zustand, unserer Denkungsart oder sonstigen Kenntnissen und Neigungen, übereinstimmend finden; er verstärkt wenigstens unsere Ueberzeugung, oder vertritt doch ihre Stelle, wenn wir einsehen, daß wir, ohne dieses als wahr vorauszusetzen, uns gewisse für wahr erkannte Dinge nicht erklären, oder ein gefühltes Bedürfniß nicht befriedigen können. Und überhaupt kann ein Vortrag |c52| nicht den geringsten Eindruck auf uns machen, und also auch nicht erbauen (§. 31. ), wenn er für uns gar nichts Anziehendes hat.
Anm. *) Das Interessante wird nicht immer in einerlei Sinn genommen . Wir sagen von Allem, daß es uns interessire, was wir uns in Beziehung auf unsern Zustand denken, es mag ihm eine angenehme Veränderung versprechen, oder eine unangenehme drohen; wir bleiben bei diesem so wenig gleichgültig als bei jenem. Aber oft nennen wir nur das anziehend oder interessant, was wir uns gern vorstellen; wir wenden uns vom Unangenehmen weg, und es hat nur einen Reiz für uns, so fern es mit etwas Angenehmen verbunden ist, z. B. mit der Vorstellung von moralischer Stärke der leidenden Menschheit, von Mitteln, dem Unangenehmen abzuhelfen u. dgl. Man könnte jenes interessant im weitern, dieses im engern Verstande nennen. In dem letztern ist es hier genommen.

38.

Nach dem bisher erläuterten Begriff wird es überhaupt auf zwei Stücke ankommen, wenn der Vortrag anziehend werden soll. – Zuerst, – weil die Zuhörer das, was gesagt wird, auf sich ziehen, für ihre Angelegenheit erkennen sollen, – daß man Alles vermeide, was sie auf den Gedanken bringen könnte, als redete der Lehrer bloß Amts halber, hörte sich selbst gern, suchte seine Talente oder Kenntnisse zu zeigen, wollte über das Gewissen der Zuhörer herrschen, oder sie durch Vorwürfe kränken, kurz, seinetwegen reden; hingegen den Vortrag so einrichte, daß die Zuhörer merken können, er sage alles bloß ihretwegen, und mache ihre Angelegenheit zu der seinigen. – Hernach – weil nur das interessirt, was einen Einfluß |c53| auf unser Bestes hat, – daß der Vortrag nichts enthalte, als was praktisch ist (Theil 2. §. 169. ), und so dargestellt werden kann.Nach dem bisher erläuterten Begriff wird es überhaupt auf zwei Stücke ankommen, wenn der Vortrag anziehend werden soll. – Zuerst, – weil die Zuhörer das, was gesagt wird, auf sich ziehen, für ihre Angelegenheit erkennen sollen, – daß man Alles vermeide, was sie auf den Gedanken bringen könnte, als redete der Lehrer bloß Amts halber, hörte sich selbst gern, suchte seine Talente oder Kenntnisse zu zeigen, wollte über das Gewissen der Zuhörer herrschen, oder sie durch Vorwürfe kränken, kurz, seinetwegen reden; hingegen den Vortrag so einrichte, daß die Zuhörer merken können, er sage alles bloß ihretwegen, und mache ihre Angelegenheit zu der seinigen. – Hernach – weil nur das interessirt, was einen Einfluß |c53| auf unser Bestes hat, – daß der Vortrag nichts enthalte, als was praktisch ist (Theil 2. §. 169. ), und so dargestellt werden kann.

39.

Dieses doppelte Interesse kann man dem Vortrage 1) durch die Sachen selbst geben (§. 37. ). Es giebt gewisse Sachen, die jeden Menschen, der nicht ganz unempfindlich ist, andere, die gewisse Klassen von Menschen, oder die sie unter gewissen Umständen vorzüglich interessiren, weil sie mit ihrer besondern Denkungsart, Beschäftigungen, Bedürfnissen und Wünschen zusammenhängen. Davon hören sie gern sprechen, darüber wünschen sie weitere Belehrung, an deren Gewißheit liegt ihnen, und dagegen sind ihnen Zweifel, oder Verlegenheit darüber, peinlich; was dahin einschlägt, ihnen darüber Licht, Gewißheit und Auskunft giebt, findet allezeit willig Gehör; und wer selbst solche Sachen, die ihnen gleichgültig sind, daran zu knüpfen versteht, wird sogar, durch jener Hülfe, auch für diese einnehmen. Man mache ihnen also nur, was man sagt, durch ihre eigenen erlangten oder leicht zu erlangenden Erfahrungen begreiflich; zeige ihnen überall, wozu und wie sie das Gesagte brauchen, wie sie Gottes nie entbehren, aber bei ihm immer Rath und Hülfe finden können, wie die Gottseligkeit zu allen Dingen und in allen und allerlei Angelegenheiten nütze sei, und was alle Arten des Bösen für schädliche Folgen haben; man bleibe nie bloß bei dem Allgemeinen stehen, wovon sie die Beziehung auf sich nicht absehen, oder sich einbilden möchten, es gehe sie nicht an: sondern man gehe mehr ins Einzelne, und lasse sich zu den besondern Angelegenheiten der Zuhörer herab, so wird man |c54| sie gewiß anziehen, so weit es durch die Natur der Sache selbst möglich ist.Dieses doppelte Interesse kann man dem Vortrage 1) durch die Sachen selbst geben (§. 37. ). Es giebt gewisse Sachen, die jeden Menschen, der nicht ganz unempfindlich ist, andere, die gewisse Klassen von Menschen, oder die sie unter gewissen Umständen vorzüglich interessiren, weil sie mit ihrer besondern Denkungsart, Beschäftigungen, Bedürfnissen und Wünschen zusammenhängen. Davon hören sie gern sprechen, darüber wünschen sie weitere Belehrung, an deren Gewißheit liegt ihnen, und dagegen sind ihnen Zweifel, oder Verlegenheit darüber, peinlich; was dahin einschlägt, ihnen darüber Licht, Gewißheit und Auskunft giebt, findet allezeit willig Gehör; und wer selbst solche Sachen, die ihnen gleichgültig sind, daran zu knüpfen versteht, wird sogar, durch jener Hülfe, auch für diese einnehmen. Man mache ihnen also nur, was man sagt, durch ihre eigenen erlangten oder leicht zu erlangenden Erfahrungen begreiflich; zeige ihnen überall, wozu und wie sie das Gesagte brauchen, wie sie Gottes nie entbehren, aber bei ihm immer Rath und Hülfe finden können, wie die Gottseligkeit zu allen Dingen und in allen und allerlei Angelegenheiten nütze sei, und was alle Arten des Bösen für schädliche Folgen haben; man bleibe nie bloß bei dem Allgemeinen stehen, wovon sie die Beziehung auf sich nicht absehen, oder sich einbilden möchten, es gehe sie nicht an: sondern man gehe mehr ins Einzelne, und lasse sich zu den besondern Angelegenheiten der Zuhörer herab, so wird man |c54| sie gewiß anziehen, so weit es durch die Natur der Sache selbst möglich ist.
Anm. Man dringe z. B. nicht bloß auf Besserung oder Glauben, sondern zeige zugleich, auf die §. 36. erwähnte Art, was und wie viel dazu gehöre, nebst den Hindernissen und den Mitteln, sie zu überwinden; man bestreite vornehmlich praktische Vorurtheile und schädliche Mißverständnisse, und mache ihren Schaden klar. Man zeige, wenn von besondern Tugenden oder Lastern und Sünden die Rede ist, die Gränzen, wo Recht und Unrecht aufhört, ziehe die feinern unerkannten Vergehungen (z. B. beim Diebstahl, die Verfertigung schlechter Arbeit, die Verwendung zu vieler Zeit darauf, das Beziehen eines unbilligen Preises, die Benutzung öffentlicher Bedürfnisse und deren Seltenheit zur Uebertheurung Anderer u. dgl.) ans Licht, mache das darin liegende Unrecht, mit aller Billigkeit und Schonung, begreiflich. Eben so bei der Beurtheilung sogenannter unschuldiger Vergnügungen, des falschen Vertrauens auf Gott u. s. f.

40.

Denn es kann der Vortrag 2) auch durch die Art anziehend gemacht werden, wie man die Sachen darstellt. Je natürlich schöner und dem guten Geschmack gemäßer der Vortrag ist; je mehr er Erguß des von dem Werth der Sachen und von Liebe zu den Zuhörern vollen Herzens ist; je mehr er den Reitz des Neuen hat, d. i. nicht des Paradoxen oder überhaupt Auffallenden, sondern so, daß der Zuhörer auf das bisher Unbemerkte, oder, wenn es gefunden ist, sich durch seine Einfalt und Werth so leicht Empfehlende aufmerksam gemacht wird; je natürlicher Eines sich aus dem Andern ergiebt; je leichter man es dem Zuhörer macht, selbst Entdeckungen zu machen, und das Ge|c55|sagte selbst anzuwenden; je vertraulicher und herablassender der Lehrer mit ihnen spricht; je natürlicher selbst der Ton seiner Stimme und der ganzen Action ist: je mehr Wirkung kann er thun. – Wie nöthig es zu allem bisher Erwähnten sei, seine Zuhörer nach ihren Fähigkeiten, Beschäftigungen, allgemeinen und besondern Bedürfnissen, herrschenden Vorurtheilen, Meinungen und Sitten zu kennen; eine recht ausgebreitete praktische Kenntniß der Religion, besonders nach ihrem Werth und Einfluß aufs Herz und Glückseligkeit der Menschen; viele Uebung, diese Lehren darauf anzuwenden; viele vertraute Bekanntschaft mit dem menschlichen Herzen, denen darin liegenden Hindernissen des Guten, der mannichfaltigen besten Art ihm beizukommen, der Geschichte und dem gemeinen Leben, endlich der schönen Wissenschaften, zu haben – das bedarf kaum einer Erinnerung.Denn es kann der Vortrag 2) auch durch die Art anziehend gemacht werden, wie man die Sachen darstellt. Je natürlich schöner und dem guten Geschmack gemäßer der Vortrag ist; je mehr er Erguß des von dem Werth der Sachen und von Liebe zu den Zuhörern vollen Herzens ist; je mehr er den Reitz des Neuen hat, d. i. nicht des Paradoxen oder überhaupt Auffallenden, sondern so, daß der Zuhörer auf das bisher Unbemerkte, oder, wenn es gefunden ist, sich durch seine Einfalt und Werth so leicht Empfehlende aufmerksam gemacht wird; je natürlicher Eines sich aus dem Andern ergiebt; je leichter man es dem Zuhörer macht, selbst Entdeckungen zu machen, und das Ge|c55|sagte selbst anzuwenden; je vertraulicher und herablassender der Lehrer mit ihnen spricht; je natürlicher selbst der Ton seiner Stimme und der ganzen Action ist: je mehr Wirkung kann er thun. – Wie nöthig es zu allem bisher Erwähnten sei, seine Zuhörer nach ihren Fähigkeiten, Beschäftigungen, allgemeinen und besondern Bedürfnissen, herrschenden Vorurtheilen, Meinungen und Sitten zu kennen; eine recht ausgebreitete praktische Kenntniß der Religion, besonders nach ihrem Werth und Einfluß aufs Herz und Glückseligkeit der Menschen; viele Uebung, diese Lehren darauf anzuwenden; viele vertraute Bekanntschaft mit dem menschlichen Herzen, denen darin liegenden Hindernissen des Guten, der mannichfaltigen besten Art ihm beizukommen, der Geschichte und dem gemeinen Leben, endlich der schönen Wissenschaften, zu haben – das bedarf kaum einer Erinnerung.

41.

Und eben dieses ist nöthig, um das Gesagte drittens (§. 35. ) ausführbar darzustellen. Denn, wenn der Zuhörer in der Einbildung steht, daß das, was ihm empfohlen wird, unmöglich, oder über seine Kräfte sei, oder wenigstens nicht weiß, wie er es anfangen solle: so kann es bei ihm keine Frucht schaffen. Ihm jene Einbildung zu benehmen, zu zeigen wie er der werde, der er seyn soll, wie er das Empfohlene in Ausübung bringen, wie er die vorgeschlagenen Mittel wirklich anwenden könne: dieß kann ohne jene eigenen Kenntnisse des Lehrers nicht geschehen. *) Bloße Vermahnungen und Gewissensrügen, oder bloße Verweisungen auf Gott, ohne Aufmunterung zu eigenem Fleiß, helfen nicht. Der Lehrer gewinnt schon viel, |c56| wenn er den Zuhörern die Vorurtheile benehmen kann, worauf jene Einbildungen beruhen. Er verhindert oder schwächt die Ausflüchte, wenn er seine Forderungen nicht überspannt, wenn er nichts Unmögliches und das Schwere nicht auf Einmal fordert. Noch mehr, wen er an ähnlichen Fällen des menschlichen Lebens die Möglichkeit der Ausführung und die Art zeigt, wie es anzufangen sei. – Je mehr er die Selbstliebe der Zuhörer in Bewegung zu setzen, und es ihnen einleuchtend zu machen weiß, was für selige Folgen der Fleiß habe, das Gute auszuüben, und wenigstens öftere Versuche zu machen, und wie unglücklich der Mensch werde oder bleibe, wenn er es nicht thue: je mehr wird er ihre Trägheit besiegen, welche die größte, oft die einzige, Ursache ist, warum sie den Lehren nicht folgen, und sich von ihrer Wahrheit oder Werth oft nicht einmal überzeugen lassen.Und eben dieses ist nöthig, um das Gesagte drittens (§. 35. ) ausführbar darzustellen. Denn, wenn der Zuhörer in der Einbildung steht, daß das, was ihm empfohlen wird, unmöglich, oder über seine Kräfte sei, oder wenigstens nicht weiß, wie er es anfangen solle: so kann es bei ihm keine Frucht schaffen. Ihm jene Einbildung zu benehmen, zu zeigen wie er der werde, der er seyn soll, wie er das Empfohlene in Ausübung bringen, wie er die vorgeschlagenen Mittel wirklich anwenden könne: dieß kann ohne jene eigenen Kenntnisse des Lehrers nicht geschehen. *) Bloße Vermahnungen und Gewissensrügen, oder bloße Verweisungen auf Gott, ohne Aufmunterung zu eigenem Fleiß, helfen nicht. Der Lehrer gewinnt schon viel, |c56| wenn er den Zuhörern die Vorurtheile benehmen kann, worauf jene Einbildungen beruhen. Er verhindert oder schwächt die Ausflüchte, wenn er seine Forderungen nicht überspannt, wenn er nichts Unmögliches und das Schwere nicht auf Einmal fordert. Noch mehr, wen er an ähnlichen Fällen des menschlichen Lebens die Möglichkeit der Ausführung und die Art zeigt, wie es anzufangen sei. – Je mehr er die Selbstliebe der Zuhörer in Bewegung zu setzen, und es ihnen einleuchtend zu machen weiß, was für selige Folgen der Fleiß habe, das Gute auszuüben, und wenigstens öftere Versuche zu machen, und wie unglücklich der Mensch werde oder bleibe, wenn er es nicht thue: je mehr wird er ihre Trägheit besiegen, welche die größte, oft die einzige, Ursache ist, warum sie den Lehren nicht folgen, und sich von ihrer Wahrheit oder Werth oft nicht einmal überzeugen lassen.
Anm. *) Es ist z. B. eben so vergeblich als leicht gesagt, daß man Zweifel, Gram und Sorgen wegwerfen solle. Man lasse dagegen auch diesen Gerechtigkeit widerfahren; mache sie nicht geradezu und durchaus zur Sünde; nehme wirklich mitleidigen Antheil; warne nur vor dem bloß sinnlichen Nachhängen, oder der Verfolgung trauriger Gedanken, vor dem süßen Gift, das sie mit sich führen, besonders davor, daß die Leidenden sich nicht diese geflissentliche Nährung trüber Gedanken zur Gewissenspflicht machen; benehme, durch heilsame Aufklärung ihrer Religionsbegriffe, allem schädlichen Wahne die Nahrung; suche sie durch wahrhaftig tröstende Vorstellungen und heitere Aussichten, auch Verdeutlichung der, ohne unser Verdienst und Denken, überall, selbst bei Leiden, väterlich sorgenden Güte und Weisheit Gottes, auf angenehme Umstände zu lenken, ihnen wirklich ihren Zweifel aufzulösen, oder, wo sie, |c57| den Umständen nach, zu beiden noch nicht fähig sind, sie nützlich zu zerstreuen u. dergl.

42.

Der dritte Zweck des erbaulichen Vortrags (§. 31. und 35. ) muß auf das Herz und die Neigungen der Zuhörer gerichtet seyn, und dahin gehen, die Erkenntniß lebendig zu machen, oder bei ihnen wirksame Entschließungen hervorzubringen, dem zu folgen, was man als wahr und gut erkannt hat. Ein Vortrag, der so eingerichtet ist, daß er diese Wirkung hervorbringen kann, ist ein rührender Vortrag (§. 31. ) – Ohne diese Eigenschaft desselben würde alle noch so verbesserte Kenntniß das Beste des Menschen nicht wirklich befördern, ohne zugleich mit auf das Herz zu arbeiten, würde nicht einmal die Aufmerksamkeit des Zuhörers an das, was zu seiner Belehrung gesagt wird, genug gefesselt, noch die Ueberzeugung vollendet werden, wenn sich Neigungen und Gewohnheiten gegen die Ueberzeugung sträubten.Der dritte Zweck des erbaulichen Vortrags (§. 31. und 35. ) muß auf das Herz und die Neigungen der Zuhörer gerichtet seyn, und dahin gehen, die Erkenntniß lebendig zu machen, oder bei ihnen wirksame Entschließungen hervorzubringen, dem zu folgen, was man als wahr und gut erkannt hat. Ein Vortrag, der so eingerichtet ist, daß er diese Wirkung hervorbringen kann, ist ein rührender Vortrag (§. 31. ) – Ohne diese Eigenschaft desselben würde alle noch so verbesserte Kenntniß das Beste des Menschen nicht wirklich befördern, ohne zugleich mit auf das Herz zu arbeiten, würde nicht einmal die Aufmerksamkeit des Zuhörers an das, was zu seiner Belehrung gesagt wird, genug gefesselt, noch die Ueberzeugung vollendet werden, wenn sich Neigungen und Gewohnheiten gegen die Ueberzeugung sträubten.

43.

Nun hängt alle wahre Glückseligkeit der Menschen davon ab, daß sie theils, in Absicht auf diejenige, die in ihrer Gewalt steht, und von ihrem Willen abhängt, immer recht handeln, und daher stets mit sich zufrieden seyn können; theils, in Absicht auf die, welche nicht in ihren Händen ist, aber ihnen von der stets weisesten und gütigsten Regierung Gottes zugetheilt wird, immer das für ihr wahres Beste halten, was diese über sie fügt, und sich dabei, zufrieden mit Gott, beruhigen. Folglich entspricht ein Vortrag der Religion nur alsdann seinem wirklichen Zwecke |c58| die Menschen glücklich zu machen, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Menschen wirklich bessern und beruhigen kann. In jener Absicht könnte man ihn rührend oder bessernd, im engern Verstande, in dieser ihn beruhigend nennen.Nun hängt alle wahre Glückseligkeit der Menschen davon ab, daß sie theils, in Absicht auf diejenige, die in ihrer Gewalt steht, und von ihrem Willen abhängt, immer recht handeln, und daher stets mit sich zufrieden seyn können; theils, in Absicht auf die, welche nicht in ihren Händen ist, aber ihnen von der stets weisesten und gütigsten Regierung Gottes zugetheilt wird, immer das für ihr wahres Beste halten, was diese über sie fügt, und sich dabei, zufrieden mit Gott, beruhigen. Folglich entspricht ein Vortrag der Religion nur alsdann seinem wirklichen Zwecke |c58| die Menschen glücklich zu machen, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Menschen wirklich bessern und beruhigen kann. In jener Absicht könnte man ihn rührend oder bessernd, im engern Verstande, in dieser ihn beruhigend nennen.
Anm. Es scheint wegen des Folgenden, und um allen Mißverstand zu verhüten, nöthig, zu bemerken, daß, was wir hier rührend nennen, keinesweges mit dem Interessanten (§. 37. ) einerlei sei. Alles Rührende muß interessant seyn; aber es kann etwas interessiren, ohne mich zu rühren. Schon Alles, was mir Stoff zum Denken giebt, interessirt mich, weil es meine Vorstellungen bereichert, oder meine Thätigkeit beschäftigt: ich habe dann immer eine, wenn gleich oft nur dunkle, Vorstellung von einer Beziehung, in der das Erkannte auf mich steht. Je näher diese Beziehung ist, oder je stärker ich sie mir denke, desto lebhafter kann das Vergnügen über die Betrachtung dieser Sache, und desto stärker das Interesse werden. – Aber deswegen begehre ich die Sache noch nicht. Ich kann durch einen Satz oder durch eine Handlung in einer wahren oder erdichteten Geschichte sehr angezogen werden, und mit großem Vergnügen dabei verweilen, ohne jenem folgen, oder so werden zu wollen; wie dieses der Fall bei allen Sätzen und Handlungen ist, die Anstrengung und Aufopferung erfordern, z. B. bei dem Satze, daß ich durchaus auf Gott vertrauen, daß ich nicht Böses mit Bösem vergelten soll u. dergl., und bei dem erhabenen Beispiel eines Märtyrers für Recht und Wahrheit. Soll ich also nicht bloß bewundern, hochachten, lieben, mich woran vergnügen, es auch wohl zu besitzen wünschen, sondern wirklich so zu werden und zu handeln begehren: so muß ich die Sache ohne Zweifel in einer noch näheren Beziehung auf mich ansehen, theils insofern sie mir möglich, und meine Anstrengung nicht vergeblich, theils insofern sie werth ist, daß ich ein anderes Gut darüber verläugne, |c59| und lieber ein Uebel übernehme, als diese erkannte Sache entbehre. Jenes, daß ichs als mir möglich ansehe, scheint noch zur Ueberzeugung zu gehören, zu der ich oben (§. 41. ) das Ausführbare gerechnet habe, denn ohne diese Einsicht ist für mich die Sache nicht wahr oder gut. Dieses aber, der erkannte so große Werth der Sache, der mir Aufopferung abdringt, dieses, sag' ich, scheint eigentlich das zu seyn, was mich nöthigt, es wirklich zu wollen, meine Gesinnungen und Handlungen darnach abzuändern. Dieß ist doch offenbar mehr, als wenn ich bloß sage, daß mich eine Sache interessire. Ein solches wirkliches Wollen und Begehren im eigentlichsten Verstande beruht ohne Zweifel auf der Vergleichung mehrerer Güter der Welt mit einander, und auf der lebhaften Vorstellung, daß, was ich begehre, weit mehr für mich gut und nothwendig ist, als das, was ich darüber verläugnen muß. Insofern nun der Vortrag dieses Wollen hervorbringt, nenne ich ihn rührend; und sollte es scheinen, daß ich mich hierin von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch entfernte, so wird man mir diese Abweichung in einer Sache zu gute halten, wo die Verschiedenheit der Begriffe bisher noch nicht genug mit angemessenen Worten bestimmt zu seyn scheint. {Allerdings weicht diese Auffassung des Begriffs des Rührenden von dem angenommenen Sprachgebrauch ab, und möchte sich kaum rechtfertigen lassen. Wenn die Rührung immer das Wollen zur Folge hätte, so müßte man von vielen Vorträgen, welche mit großer Rührung angehört werden, eine ganz andere Wirkung gewahr werden.}

44.

Wenn nun durch den rührenden Vortrag nicht bloß Wohlgefallen am Guten und Mißfallen am Bösen soll hervorgebracht werden, sondern auch Willigkeit, jenes zu thun und dieses zu lassen, oder eigentlich Gewohnheit, |c60| immer so zu handeln: so muß ein solcher Vortrag so eingerichtet seyn, daß 1) der Zuhörer durch die gemachten Vorstellungen genöthigt werde, das Erkannte, welches für ihn anziehend ist (ihn interessirt), auf sich ziehe, zu seiner Angelegenheit mache, d. i. einsehe, so müsse er werden, und das Gegentheil ablegen, jenes sich an-, und dieses sich abgewöhnen, jenes thun und befördern, dieses lassen und verhüten. Dieß würde sogleich, nach der Natur der menschlichen Seele, von selbst erfolgen, sobald nur der Vortrag ihn, auf die oben beschriebene Art, überzeugte, interessirte, und ihm die Möglichkeit, es auszuführen, einleuchtend machte, wenn nicht in dem Menschen selbst Hindernisse lägen, welche diese Entschließung zurückhielten. Diese liegen unstreitig in der Gewohnheit, Böses, und in der Ungewohnheit, Gutes zu thun, d. i. weil ihm die Vorstellungen von dem mit dem Bösen vermischten Nutzen oder Vergnügen, und von den mit Ausübung des Guten verknüpften Uebeln oder Mißvergnügen geläufig, hingegen die Vorstellungen des aus dem Bösen für ihn entspringenden Schadens und der mit Ausübung des Guten verbundenen Seligkeit ihm nicht geläufig sind, folglich die dadurch geleiteten Neigungen ihn vom Guten ab-, und zum Bösen hinziehen: kurz, es liegt die Schuld an dem Geschmack und Hange zum Bösen, und an dem Mangel des Geschmacks und Hanges zum Guten. Soll also der Vortrag rühren, d. i. wirklich Besserung hervorbringen, so müssen 2) bei den Zuhörern a) die reitzenden Einbildungen von dem Bösen und die davon abhängende Lust dazu geschwächt; hingegen die Vorstellungen von dessen traurigen Folgen mit der daraus entstehenden Unlust gestärkt; und eben so b) in Absicht auf das Gute, die bessern Vorstellungen von dessen |c61| seligen Folgen, nebst der dadurch gewirkten Neigung dazu, immer mehr erweckt und vermehrt, im Gegentheil die Einbildungen oder übertriebenen Vorstellungen von den mit dem Guten verknüpften Uebeln und Schwierigkeiten, nebst der daher entstehenden Abneigung vom Guten geschwächt werden.Wenn nun durch den rührenden Vortrag nicht bloß Wohlgefallen am Guten und Mißfallen am Bösen soll hervorgebracht werden, sondern auch Willigkeit, jenes zu thun und dieses zu lassen, oder eigentlich Gewohnheit, |c60| immer so zu handeln: so muß ein solcher Vortrag so eingerichtet seyn, daß 1) der Zuhörer durch die gemachten Vorstellungen genöthigt werde, das Erkannte, welches für ihn anziehend ist (ihn interessirt), auf sich ziehe, zu seiner Angelegenheit mache, d. i. einsehe, so müsse er werden, und das Gegentheil ablegen, jenes sich an-, und dieses sich abgewöhnen, jenes thun und befördern, dieses lassen und verhüten. Dieß würde sogleich, nach der Natur der menschlichen Seele, von selbst erfolgen, sobald nur der Vortrag ihn, auf die oben beschriebene Art, überzeugte, interessirte, und ihm die Möglichkeit, es auszuführen, einleuchtend machte, wenn nicht in dem Menschen selbst Hindernisse lägen, welche diese Entschließung zurückhielten. Diese liegen unstreitig in der Gewohnheit, Böses, und in der Ungewohnheit, Gutes zu thun, d. i. weil ihm die Vorstellungen von dem mit dem Bösen vermischten Nutzen oder Vergnügen, und von den mit Ausübung des Guten verknüpften Uebeln oder Mißvergnügen geläufig, hingegen die Vorstellungen des aus dem Bösen für ihn entspringenden Schadens und der mit Ausübung des Guten verbundenen Seligkeit ihm nicht geläufig sind, folglich die dadurch geleiteten Neigungen ihn vom Guten ab-, und zum Bösen hinziehen: kurz, es liegt die Schuld an dem Geschmack und Hange zum Bösen, und an dem Mangel des Geschmacks und Hanges zum Guten. Soll also der Vortrag rühren, d. i. wirklich Besserung hervorbringen, so müssen 2) bei den Zuhörern a) die reitzenden Einbildungen von dem Bösen und die davon abhängende Lust dazu geschwächt; hingegen die Vorstellungen von dessen traurigen Folgen mit der daraus entstehenden Unlust gestärkt; und eben so b) in Absicht auf das Gute, die bessern Vorstellungen von dessen |c61| seligen Folgen, nebst der dadurch gewirkten Neigung dazu, immer mehr erweckt und vermehrt, im Gegentheil die Einbildungen oder übertriebenen Vorstellungen von den mit dem Guten verknüpften Uebeln und Schwierigkeiten, nebst der daher entstehenden Abneigung vom Guten geschwächt werden.
Anm. 1) S. Mehreres über die hier geäußerten Grundsätze in meiner Schrift: Ueber den Werth der Moral etc. 2te Auflage, S. 76 f.
Anm. 2) Aus dem ersten Stück des §. erhellt, warum es, außer dem, was oben über die Besserung der Erkenntniß gesagt ist, keiner besondern Bemühung bedürfe, den Zuhörer zu bewegen, daß er das so Erkannte auch wirklich wolle, und daß Alles nur darauf ankomme, die Hindernisse des Wollens zu heben. Gleichergestalt werden die Neigungen somit schon gebessert, als die falschen Vorstellungen vom Werth des Guten und Bösen verbessert, und die bessern Vorstellungen lebhafter als jene gemacht werden.

45.

Erstlich in Absicht auf das Böse, woran der Mensch hängt, und wobei er seine Rechnung zu finden glaubt, würde ihm zu zeigen seyn: 1) wie falsch die Vorstellungen seien, die er sich theils von seinem Glücke dabei, theils von seiner vermeinten guten Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten macht; – wie nichtig also, wie unbefriedigend und verbittert, wie vergänglich das sei, was er für sein Glück halte; – und wenn es auch wahre Güter sind, wonach er trachtet, wie wenig gleichwohl es immer von ihm abhänge, dieses Glück zu erlangen, wie viele unverantwortliche Handlungen er sich dieserwegen erlauben müsse; wie und wodurch er sich selbst den Zugang zu solchem Glück ver|c62|schließe, oder sich wieder darum bringe; wie sehr er sich durch seine Gesinnung und Betragen außer Stand setze, es recht zu genießen, und damit zufrieden zu seyn; wie gar keine, oder armselige, oder unbeständige Tugenden das seien, worauf er sich verläßt, oder wie so ohne Grund er sich wirkliche Tugenden einbilde. – 2) Wie traurig die Folgen seien, die er sich durch seine Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten zugezogen habe, oder zuziehen müsse, d. i. – wie und wodurch er sich, es sei aus Unachtsamkeit, oder falschen Vorstellungen, oder Trägheit, oder Leidenschaften oder übeln Gewohnheiten, selbst unglücklich mache, und wie groß das daraus entstehende Elend sei; – wie er eben dadurch, auch wenn sein Unglück unverschuldet sei, es vermehre, oder sich außer Stand setze, es zu ertragen, oder zu seinem Besten anzuwenden; und, wenn er auch auf einer Seite einsehe, in welches Unglück er sich stürze, und er das Böse gern lassen möchte, um diesem zu entgehen, auf der andern aber, wie wohl ihm seyn würde, sobald er besser wäre und handelte, und, wenn er es deswegen auch gern möchte, wie ohnmächtig er gleichwohl und wie stark sein Hang zum Bösen und die Macht der Gewohnheit sei.Erstlich in Absicht auf das Böse, woran der Mensch hängt, und wobei er seine Rechnung zu finden glaubt, würde ihm zu zeigen seyn: 1) wie falsch die Vorstellungen seien, die er sich theils von seinem Glücke dabei, theils von seiner vermeinten guten Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten macht; – wie nichtig also, wie unbefriedigend und verbittert, wie vergänglich das sei, was er für sein Glück halte; – und wenn es auch wahre Güter sind, wonach er trachtet, wie wenig gleichwohl es immer von ihm abhänge, dieses Glück zu erlangen, wie viele unverantwortliche Handlungen er sich dieserwegen erlauben müsse; wie und wodurch er sich selbst den Zugang zu solchem Glück ver|c62|schließe, oder sich wieder darum bringe; wie sehr er sich durch seine Gesinnung und Betragen außer Stand setze, es recht zu genießen, und damit zufrieden zu seyn; wie gar keine, oder armselige, oder unbeständige Tugenden das seien, worauf er sich verläßt, oder wie so ohne Grund er sich wirkliche Tugenden einbilde. – 2) Wie traurig die Folgen seien, die er sich durch seine Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten zugezogen habe, oder zuziehen müsse, d. i. – wie und wodurch er sich, es sei aus Unachtsamkeit, oder falschen Vorstellungen, oder Trägheit, oder Leidenschaften oder übeln Gewohnheiten, selbst unglücklich mache, und wie groß das daraus entstehende Elend sei; – wie er eben dadurch, auch wenn sein Unglück unverschuldet sei, es vermehre, oder sich außer Stand setze, es zu ertragen, oder zu seinem Besten anzuwenden; und, wenn er auch auf einer Seite einsehe, in welches Unglück er sich stürze, und er das Böse gern lassen möchte, um diesem zu entgehen, auf der andern aber, wie wohl ihm seyn würde, sobald er besser wäre und handelte, und, wenn er es deswegen auch gern möchte, wie ohnmächtig er gleichwohl und wie stark sein Hang zum Bösen und die Macht der Gewohnheit sei.

46.

Eben so müßten ihm, in Absicht auf das Gute, 1) die seligen und weitreichenden Folgen deutlich gemacht werden, welche aus wahrer Tugend und Gottseligkeit entspringen; – wie recht man alsdann erst alles Gute, was uns begegnet, schätzen und genießen, es weit herzlicher und dankbarer empfinden, und zu seinem wahren Besten anwenden lerne; – wie sehr selbst unverschuldete Leiden uns dadurch erträglich, wie diese die beste Schule, im Guten zu |c63| wachsen, eine Quelle von vielem erst hinterher sich zeigenden Glück, eine nähere Vorbereitung auf die Glückseligkeit einer bessern Welt, werden; – wie sehr wir uns dadurch die Herrschaft über unsere Neigungen, wie viele Verdienste um Andere, wie viel Vertrauen und Liebe von andern Menschen erwerben, wie zufrieden und dankbar gegen Gott, und ihm immer ähnlicher werden. 2) Allein die meisten Menschen haben sehr falsche Begriffe von Besserung und Tugend. Sie machen sich entweder die Tugend zu leicht , und ziehen sie sehr ins Kleine zusammen. Sie setzen sie in bloße fromme Empfindung oder äußerliche, zumal gottesdienstliche, Handlungen, oder bloße Ehrbarkeit, Gerechtigkeit, Menschenliebe, bürgerliche und gesellschaftliche Tugenden. Oder sie stellen sie sich als einen unnatürlichen Zwang und lästige Einschränkung vor, die den Geist seiner Heiterkeit, das Leben seiner Freuden beraube, und den Menschen zur menschlichen Gesellschaft, und Beobachtug seiner natürlichen und bürgerlichen Pflichten unfähig mache. Oder sie sind aus überspannten Begriffen, Gefühl ihrer Ohnmacht, und Erinnerung oft mißlungener Versuche der Besserung, muthlos. Daher muß zwar jenen falschen Begriffen, die nur auf eine oberflächliche Besserung zielen, beständig entgegengearbeitet, es muß ihnen keine Schwierigkeit verhehlt oder verkleinert, und der große Umfang wahrer Tugend, die durchaus auf alles Gute gehen, und in wahrhaftiger Besserung der Gesinnung bestehen müsse, einleuchtend dargestellt werden. Aber man muß ihnen auch eben so sehr die trübseligen Begriffe von Frömmigkeit benehmen, und ihnen eines Theils den großen Werth der Gottseligkeit in aller Absicht, und des Zeugnisses eines guten Gewissens, immer fühlbarer, andern Theils ihnen, durch Vorstellung, |c64| wie Vieles thätiger, ausharrender Fleiß, fortgesetzte Uebung und gewissenhafte Treue, unter Gottes uns nie entstehendem Beistande, vermöge, immer guten Muth machen.Eben so müßten ihm, in Absicht auf das Gute, 1) die seligen und weitreichenden Folgen deutlich gemacht werden, welche aus wahrer Tugend und Gottseligkeit entspringen; – wie recht man alsdann erst alles Gute, was uns begegnet, schätzen und genießen, es weit herzlicher und dankbarer empfinden, und zu seinem wahren Besten anwenden lerne; – wie sehr selbst unverschuldete Leiden uns dadurch erträglich, wie diese die beste Schule, im Guten zu |c63| wachsen, eine Quelle von vielem erst hinterher sich zeigenden Glück, eine nähere Vorbereitung auf die Glückseligkeit einer bessern Welt, werden; – wie sehr wir uns dadurch die Herrschaft über unsere Neigungen, wie viele Verdienste um Andere, wie viel Vertrauen und Liebe von andern Menschen erwerben, wie zufrieden und dankbar gegen Gott, und ihm immer ähnlicher werden. 2) Allein die meisten Menschen haben sehr falsche Begriffe von Besserung und Tugend. Sie machen sich entweder die Tugend zu leicht , und ziehen sie sehr ins Kleine zusammen. Sie setzen sie in bloße fromme Empfindung oder äußerliche, zumal gottesdienstliche, Handlungen, oder bloße Ehrbarkeit, Gerechtigkeit, Menschenliebe, bürgerliche und gesellschaftliche Tugenden. Oder sie stellen sie sich als einen unnatürlichen Zwang und lästige Einschränkung vor, die den Geist seiner Heiterkeit, das Leben seiner Freuden beraube, und den Menschen zur menschlichen Gesellschaft, und Beobachtug seiner natürlichen und bürgerlichen Pflichten unfähig mache. Oder sie sind aus überspannten Begriffen, Gefühl ihrer Ohnmacht, und Erinnerung oft mißlungener Versuche der Besserung, muthlos. Daher muß zwar jenen falschen Begriffen, die nur auf eine oberflächliche Besserung zielen, beständig entgegengearbeitet, es muß ihnen keine Schwierigkeit verhehlt oder verkleinert, und der große Umfang wahrer Tugend, die durchaus auf alles Gute gehen, und in wahrhaftiger Besserung der Gesinnung bestehen müsse, einleuchtend dargestellt werden. Aber man muß ihnen auch eben so sehr die trübseligen Begriffe von Frömmigkeit benehmen, und ihnen eines Theils den großen Werth der Gottseligkeit in aller Absicht, und des Zeugnisses eines guten Gewissens, immer fühlbarer, andern Theils ihnen, durch Vorstellung, |c64| wie Vieles thätiger, ausharrender Fleiß, fortgesetzte Uebung und gewissenhafte Treue, unter Gottes uns nie entstehendem Beistande, vermöge, immer guten Muth machen.

47.

Bei dem Vortrage dieser Sachen, wenn er wirklich für die Zuhörer rührend werden soll, kommt es hauptsächlich darauf an: 1) sie auf ihren Gemüthszustand, besonders auf ihre eigenthümlichen und am meisten eingewurzelten, oder durch ihr Temperament und ihre besondern Umstände am meisten begünstigten Fehler aufmerksam zu machen; weil, ohne dieses zu erkennen, keine Reue und wahre Besserung möglich ist, und gerade diese von einem jeden am meisten übersehen, oder am wenigsten als Fehler erkannt werden; 2) nicht nur das daraus entstehende Elend, sondern auch das ihnen begreiflich zu machen, daß und wie sie selbst daran Schuld sind, und wie viel auf sie selbst ankomme, um besser und glücklicher zu werden; und 3) daß und wie ihnen nur durch Besserung und durch die Religion könne geholfen werden. – Es giebt keinen Menschen, der nicht die Eitelkeit und das Leere sündlicher Vergnügungen, die übeln Folgen der Ausschweifungen, und selbst die wohlthätigen Wirkungen der Tugend, wenigstens dann und wann, sollte erfahren haben. Auch der schlechteste Mensch hat doch manchmal etwas Gutes gethan, und weiß, wie wohl ihm dabei gewesen ist, wenn er nach seinem Gewissen gehandelt, zumal sich selbst überwunden hat; er sieht doch, wie heiter und zufrieden rechtschaffene Menschen, auch bei traurigen Umständen, sind, und wie bald sie sich zu finden wissen, wenn sie nur recht und mit Ueberlegung verfahren wollen; er weiß, wie gut es ihm thut, wenn |c65| jemand sich gegen ihn rechtschaffen beträgt, und ist leicht zu überzeugen, welche Hölle aus der menschlichen Gesellschaft werden würde, wenn sich alle Menschen erlaubten, schlecht, oder, ohne sich einzuschränken, nur nach ihren Lüsten zu handeln. Er fühlt dieß am meisten, wenn er die Folgen seines Leichtsinns und seiner Ausschweifungen erlebt; fühlt, was er ohne gutes Gewissen und Religion ist, wenn er in Gefahr oder Verlegenheit kommt; wird doch durch besondere Wohlthaten, die ihm widerfahren, manchmal gerührt, und zu der Zeit geschmeidiger gemacht. Zu solchen Zeiten ihn anfassen, ihn an seinen erwähnten Erfahrungen fest halten, und dann ihm den großen Werth der Tugend und Religion lebhaft vorstellen: dieß kann doch schwerlich ohne alle gute Eindrücke bleiben, die ihn zu rechter Zeit verfolgen werden. – Nur arbeite man nicht bloß auf seine Sinnlichkeit; und wenn man es thut, welches auch im rechten Maaß nützlich werden kann, und oft unentbehrlich ist, so geschehe es mehr, um gute Eindrücke zu verstärken, als hervorzubringen.Bei dem Vortrage dieser Sachen, wenn er wirklich für die Zuhörer rührend werden soll, kommt es hauptsächlich darauf an: 1) sie auf ihren Gemüthszustand, besonders auf ihre eigenthümlichen und am meisten eingewurzelten, oder durch ihr Temperament und ihre besondern Umstände am meisten begünstigten Fehler aufmerksam zu machen; weil, ohne dieses zu erkennen, keine Reue und wahre Besserung möglich ist, und gerade diese von einem jeden am meisten übersehen, oder am wenigsten als Fehler erkannt werden; 2) nicht nur das daraus entstehende Elend, sondern auch das ihnen begreiflich zu machen, daß und wie sie selbst daran Schuld sind, und wie viel auf sie selbst ankomme, um besser und glücklicher zu werden; und 3) daß und wie ihnen nur durch Besserung und durch die Religion könne geholfen werden. – Es giebt keinen Menschen, der nicht die Eitelkeit und das Leere sündlicher Vergnügungen, die übeln Folgen der Ausschweifungen, und selbst die wohlthätigen Wirkungen der Tugend, wenigstens dann und wann, sollte erfahren haben. Auch der schlechteste Mensch hat doch manchmal etwas Gutes gethan, und weiß, wie wohl ihm dabei gewesen ist, wenn er nach seinem Gewissen gehandelt, zumal sich selbst überwunden hat; er sieht doch, wie heiter und zufrieden rechtschaffene Menschen, auch bei traurigen Umständen, sind, und wie bald sie sich zu finden wissen, wenn sie nur recht und mit Ueberlegung verfahren wollen; er weiß, wie gut es ihm thut, wenn |c65| jemand sich gegen ihn rechtschaffen beträgt, und ist leicht zu überzeugen, welche Hölle aus der menschlichen Gesellschaft werden würde, wenn sich alle Menschen erlaubten, schlecht, oder, ohne sich einzuschränken, nur nach ihren Lüsten zu handeln. Er fühlt dieß am meisten, wenn er die Folgen seines Leichtsinns und seiner Ausschweifungen erlebt; fühlt, was er ohne gutes Gewissen und Religion ist, wenn er in Gefahr oder Verlegenheit kommt; wird doch durch besondere Wohlthaten, die ihm widerfahren, manchmal gerührt, und zu der Zeit geschmeidiger gemacht. Zu solchen Zeiten ihn anfassen, ihn an seinen erwähnten Erfahrungen fest halten, und dann ihm den großen Werth der Tugend und Religion lebhaft vorstellen: dieß kann doch schwerlich ohne alle gute Eindrücke bleiben, die ihn zu rechter Zeit verfolgen werden. – Nur arbeite man nicht bloß auf seine Sinnlichkeit; und wenn man es thut, welches auch im rechten Maaß nützlich werden kann, und oft unentbehrlich ist, so geschehe es mehr, um gute Eindrücke zu verstärken, als hervorzubringen.
Anm. Es versteht sich von selbst, daß man von Ausschweifungen nie so reden müsse, daß der Mensch erst solche dadurch lerne, die er vorher nicht kannte, und also auch nicht beging; daß alle Erbitterung der Zuhörer verhütet, und eben so sehr alle Veranlassung vermieden werde, sie muthlos zu machen, oder sie zu verleiten, daß sie denken, es treffe sie etwas nicht; wohin alle übertriebene Vorstellungen vom moralischen Verderben und alle zu allgemeine Behauptungen gehören. Unerkannte Sünden, und feinere, unschuldig scheinende, oder unschuldige, aber zu leicht dem Mißbrauch unterworfene Ausschweifungen, sollten am meisten hervorgezogen werden. – Im Privatumgange und bei besondern Vorfällen, |c66| Krankheiten u. dgl. kann der Lehrer mehr Gutes stiften als bei öffentlichen Vorträgen. – Bei letztern wird die Geschichte noch viel zu wenig benutzt. Wie viel recht eigentlich Rührendes ließe sich über die Geschichte vom verlorenen Sohn, vom Falle Petri, von der Versuchung Christi, über dessen Leidensgeschichte, selbst über die Geschichte des alten Testaments – mit discreter Anwendung auf die Umstände und Bedürfnisse unserer Zuhörer – sagen, wie sehr sich dadurch der Vortrag unterhaltender, anschauender, individueller machen!

48.

Bei allen denjenigen Veränderungen des menschlichen Lebens, die wir nicht nach Belieben und Ueberlegung hervorbringen, oder verhindern, oder lenken können, und bei dem Gefühl alles desjenigen, was wir ohne unser Zuthun sind, bleibt uns nichts weiter übrig, als uns zu unterwerfen; und – da das Gefühl der Leiden sich mit den Vorstellungen unserer doch möglichen Glückseligkeit nicht verträgt, und wir in so fern unglücklich sind, auch der Mensch zu selbstthätig ist, als daß er selbst dann, wenn er sich nur leidentlich verhalten zu können scheint, nicht wenigstens Etwas sollte zu seinem Besten thun können – unsere Vorstellungen von unserm Zustande zu berichtigen, oder unangenehmere durch andere angenehmere zu verdrängen, oder das unangenehme Gefühl dieses Zustandes zu mildern, mit Einem Wort: uns vernünftig zu beruhigen. (§. 43. ) Alle Unruhe, Gram und Sorgen scheinen nur in den drei Fällen zu entstehen: 1) wenn wir zu bemerken glauben, daß wir glücklicher seyn würden, wenn wir frei von einem Uebel oder dessen Gefühl, oder im Besitz und Genusse eines gewissen Gutes wären; 2) wenn wir uns gewisser |c67| Vergehungen bewußt sind, deren Andenken wir nicht vertilgen können, und deren Folgen wir nicht abwenden zu können glauben; und 3) wenn wir, bei allem Wunsch und Vorsatz uns zu bessern, unsere Ohnmacht und die unüberwindliche Gewalt der bösen Gewohnheit fühlen. Uns vernünftig zu beruhigen, ist daher zu unserer Glückseligkeit eben so unentbehrlich nothwendig, als uns zu bessern. Darauf in dem Vortrage der Religion zu arbeiten, ist also eine unumgängliche Pflicht; und wer das wollte, müßte suchen, jenen drei Ursachen der Gemüthsunruhe entgegen zu arbeiten.Bei allen denjenigen Veränderungen des menschlichen Lebens, die wir nicht nach Belieben und Ueberlegung hervorbringen, oder verhindern, oder lenken können, und bei dem Gefühl alles desjenigen, was wir ohne unser Zuthun sind, bleibt uns nichts weiter übrig, als uns zu unterwerfen; und – da das Gefühl der Leiden sich mit den Vorstellungen unserer doch möglichen Glückseligkeit nicht verträgt, und wir in so fern unglücklich sind, auch der Mensch zu selbstthätig ist, als daß er selbst dann, wenn er sich nur leidentlich verhalten zu können scheint, nicht wenigstens Etwas sollte zu seinem Besten thun können – unsere Vorstellungen von unserm Zustande zu berichtigen, oder unangenehmere durch andere angenehmere zu verdrängen, oder das unangenehme Gefühl dieses Zustandes zu mildern, mit Einem Wort: uns vernünftig zu beruhigen. (§. 43. ) Alle Unruhe, Gram und Sorgen scheinen nur in den drei Fällen zu entstehen: 1) wenn wir zu bemerken glauben, daß wir glücklicher seyn würden, wenn wir frei von einem Uebel oder dessen Gefühl, oder im Besitz und Genusse eines gewissen Gutes wären; 2) wenn wir uns gewisser |c67| Vergehungen bewußt sind, deren Andenken wir nicht vertilgen können, und deren Folgen wir nicht abwenden zu können glauben; und 3) wenn wir, bei allem Wunsch und Vorsatz uns zu bessern, unsere Ohnmacht und die unüberwindliche Gewalt der bösen Gewohnheit fühlen. Uns vernünftig zu beruhigen, ist daher zu unserer Glückseligkeit eben so unentbehrlich nothwendig, als uns zu bessern. Darauf in dem Vortrage der Religion zu arbeiten, ist also eine unumgängliche Pflicht; und wer das wollte, müßte suchen, jenen drei Ursachen der Gemüthsunruhe entgegen zu arbeiten.

49.

Der ersten Ursach! – Wenn wir unglücklich, oder nicht glücklich genug zu seyn glauben, und der Grund beider Uebel liegt a) in unserm eigenen freien Verhalten, das wir abändern können, so ist uns ohne wahrhafte Besserung unsers Herzens und Lebens schlechterdings nicht zu helfen. Was der Lehrer in Absicht auf die Beruhigung solcher Zuhörer thun müsse, und um diese Ursach ihres Mißvergnügens zu heben, das zeigen die obigen Regeln, wonach an der Besserung der Menschen zu arbeiten ist. (§. 44 bis 47. ) – Rührt aber das Elend, das wir empfinden, und das versagte Glück, das wir mit Schmerzen entbehren, b) gar nicht, so viel wir wenigstens zu sehen vermögen, von unserer eigenen Schuld her; läßt sich wenigstens auch durch unsere Besserung jenes nicht verhüten oder wegschaffen, und dieses nicht erwerben: so steht es doch unter der höchst weisen und gütigen Aufsicht der Regierung Gottes, der es über uns nie anders, |c68| als wie ein höchst wohlthätiges und unentbehrliches Mittel zu unserm Besten, verhängt hat: und dieß wird es in der Hand seiner Vorsehung gewiß, wenn wir uns unter diese demüthigen, und Ihn allein walten lassen; ohne diese wohlthätigen Wirkungen durch unsere Beschwerden und ängstliche Sorgen zu stören, und uns dadurch um unser von ihm dabei bezieltes Glück, wenigstens um die ruhige Heiterkeit der Seele, zu bringen, die aus dem stillen Zusehen, wie sich nach und nach Alles so schön, so zu unserer Beruhigung, entwickelt und aufklärt, und aus der schon vorläufig dankbaren Erwartung des besten Ausgangs, entspringen würde.Der ersten Ursach! – Wenn wir unglücklich, oder nicht glücklich genug zu seyn glauben, und der Grund beider Uebel liegt a) in unserm eigenen freien Verhalten, das wir abändern können, so ist uns ohne wahrhafte Besserung unsers Herzens und Lebens schlechterdings nicht zu helfen. Was der Lehrer in Absicht auf die Beruhigung solcher Zuhörer thun müsse, und um diese Ursach ihres Mißvergnügens zu heben, das zeigen die obigen Regeln, wonach an der Besserung der Menschen zu arbeiten ist. (§. 44 bis 47. ) – Rührt aber das Elend, das wir empfinden, und das versagte Glück, das wir mit Schmerzen entbehren, b) gar nicht, so viel wir wenigstens zu sehen vermögen, von unserer eigenen Schuld her; läßt sich wenigstens auch durch unsere Besserung jenes nicht verhüten oder wegschaffen, und dieses nicht erwerben: so steht es doch unter der höchst weisen und gütigen Aufsicht der Regierung Gottes, der es über uns nie anders, |c68| als wie ein höchst wohlthätiges und unentbehrliches Mittel zu unserm Besten, verhängt hat: und dieß wird es in der Hand seiner Vorsehung gewiß, wenn wir uns unter diese demüthigen, und Ihn allein walten lassen; ohne diese wohlthätigen Wirkungen durch unsere Beschwerden und ängstliche Sorgen zu stören, und uns dadurch um unser von ihm dabei bezieltes Glück, wenigstens um die ruhige Heiterkeit der Seele, zu bringen, die aus dem stillen Zusehen, wie sich nach und nach Alles so schön, so zu unserer Beruhigung, entwickelt und aufklärt, und aus der schon vorläufig dankbaren Erwartung des besten Ausgangs, entspringen würde.

50.

Ein Lehrer, der diese Gesinnung und deswegen richtigere und eindrücklichere Vorstellungen von der wahren Beschaffenheit der Uebel und ihrem Verhältniß gegen unser Bestes, unter der väterlichen Regierung Gottes, befördern wollte, müßte folgende und ähnliche Betrachtungen, durch öftere, mannichfaltige und einleuchtende Darstellung aus der ähnlichen, eigenen, wirklichen, oder leicht zu erhaltenden Erfahrung der Zuhörer, mit steter Rücksicht auf ihre besonderen Umstände und Bedürfnisse, anschaulich zu machen suchen. – Wie sehr sorgt Gott überall, sowohl durch die Mannichfaltigkeit der Dinge und ihrer Eigenschaften, als durch das in uns gelegte Gefühl für ihre Reitze, nicht bloß für unsere Nothdurft, sondern auch für unsere Bequemlichkeit, Vergnügen und Ueberfluß? – Wie viel hat jeder Mensch insbesondere vor unzählichen Andern voraus, und, wo ihm Etwas abgeht, durch wie viel anderes, gerade für ihn zuträglicheres, Gute wird dieß ersetzt? – |c69| Wie viele ganz unerwartete, uns ohne unser Zuthun wiederfahrene, oder, wenn auch dieses mitwirken muß, durch die schon zum voraus gemachten Anlagen unsers Geistes und unserer Umstände, in welchen der Keim unserer künftigen Glückseligkeit und der Grund seiner Entwickelung liegt, veranstaltete und erleichterte, oder ganz wider den sichtbaren Gang der Dinge ausgefallene, so sehr unverdiente Wohlthaten, erzeigt er uns? hilft uns aus so vieler Gefahr und Verlegenheit? – Wie unendlich viele unerkannte Wohlthaten widerfahren uns durch Abwendung unsers möglichen Unglücks, oder solcher Umstände, die es uns unvermeidlich bereiten würden, an welche zu denken und sie bei Würdigung unserer Glückseligkeit mit in Anschlag zu bringen, uns, wegen Gottes verborgener Wirkungen, nicht einmal in den Sinn kommt, und deren dereinstige Entdeckung uns überaus angenehm unterhalten, das Gefühl der wirklich genossenen Wohlthaten unendlich erheben, uns bis zur innigsten Rührung beschämen, und unsere Dankbarkeit gegen Ihn erhöhen wird? – Wie viele und große Uebel sind mit vorzüglichen Fähigkeiten, Glücksumständen, Ansehen, weitläuftigen Verhältnissen u. s. f. verbunden, deren wir überhoben sind, wenn uns nur ein eingeschränktes Glück zu Theil worden ist? – Und überhaupt, leiden wir wirklich Mangel oder Verlust, wenn uns Etwas versagt ist oder entrissen wird? hatt' es den Werth, den wir darauf legten? würd' es den Werth für uns behalten haben? würd' es uns nicht an einem andern größern Glücke hinderlich geworden seyn?Ein Lehrer, der diese Gesinnung und deswegen richtigere und eindrücklichere Vorstellungen von der wahren Beschaffenheit der Uebel und ihrem Verhältniß gegen unser Bestes, unter der väterlichen Regierung Gottes, befördern wollte, müßte folgende und ähnliche Betrachtungen, durch öftere, mannichfaltige und einleuchtende Darstellung aus der ähnlichen, eigenen, wirklichen, oder leicht zu erhaltenden Erfahrung der Zuhörer, mit steter Rücksicht auf ihre besonderen Umstände und Bedürfnisse, anschaulich zu machen suchen. – Wie sehr sorgt Gott überall, sowohl durch die Mannichfaltigkeit der Dinge und ihrer Eigenschaften, als durch das in uns gelegte Gefühl für ihre Reitze, nicht bloß für unsere Nothdurft, sondern auch für unsere Bequemlichkeit, Vergnügen und Ueberfluß? – Wie viel hat jeder Mensch insbesondere vor unzählichen Andern voraus, und, wo ihm Etwas abgeht, durch wie viel anderes, gerade für ihn zuträglicheres, Gute wird dieß ersetzt? – |c69| Wie viele ganz unerwartete, uns ohne unser Zuthun wiederfahrene, oder, wenn auch dieses mitwirken muß, durch die schon zum voraus gemachten Anlagen unsers Geistes und unserer Umstände, in welchen der Keim unserer künftigen Glückseligkeit und der Grund seiner Entwickelung liegt, veranstaltete und erleichterte, oder ganz wider den sichtbaren Gang der Dinge ausgefallene, so sehr unverdiente Wohlthaten, erzeigt er uns? hilft uns aus so vieler Gefahr und Verlegenheit? – Wie unendlich viele unerkannte Wohlthaten widerfahren uns durch Abwendung unsers möglichen Unglücks, oder solcher Umstände, die es uns unvermeidlich bereiten würden, an welche zu denken und sie bei Würdigung unserer Glückseligkeit mit in Anschlag zu bringen, uns, wegen Gottes verborgener Wirkungen, nicht einmal in den Sinn kommt, und deren dereinstige Entdeckung uns überaus angenehm unterhalten, das Gefühl der wirklich genossenen Wohlthaten unendlich erheben, uns bis zur innigsten Rührung beschämen, und unsere Dankbarkeit gegen Ihn erhöhen wird? – Wie viele und große Uebel sind mit vorzüglichen Fähigkeiten, Glücksumständen, Ansehen, weitläuftigen Verhältnissen u. s. f. verbunden, deren wir überhoben sind, wenn uns nur ein eingeschränktes Glück zu Theil worden ist? – Und überhaupt, leiden wir wirklich Mangel oder Verlust, wenn uns Etwas versagt ist oder entrissen wird? hatt' es den Werth, den wir darauf legten? würd' es den Werth für uns behalten haben? würd' es uns nicht an einem andern größern Glücke hinderlich geworden seyn?

51.

Und das Unglück, ist es nicht eine Quelle eines sonst nicht erhaltenen Glücks? – Diente es nicht, unserm Glück |c70| beigemischt, die angenehme Empfindung dieses letztern zu erhöhen? – Ists, bei aller seiner Bitterkeit, nicht herzstärkende Arzenei, wahre Schule der Genügsamkeit, der Vorsichtigkeit, der Klugheit, des gänzlichen Anschließens an Gott, ohne und außer dem doch Alles eitel ist, und aller Tugenden, wozu es uns sonst an Veranlassung und Uebung fehlt; ohne welches wir nie eifrig genug vorwärts zur wahren Vollkommenheit streben würden? – Bei mißlungener Ausführung unserer guten Absichten, bei mißrathenen Mitteln, bei unerwarteter Richtung, die unsere gutgemeinten Anstalten nehmen, und selbst Uebel erzeugen, die wir nicht vorhersehen, oder denen wir entgegenarbeiten, von welchen wir gerade das Gegentheil befördern wollten, – ist da durchaus Alles verloren? Haben wir, wenn gleich nicht alles, doch etwas, wenn gleich nicht dieses, doch etwas anderes Gute, wenn gleich nicht vor der Hand, doch auf die Zukunft, wenn gleich nicht bei Andern, doch bei uns und durch eigene Uebung im Guten, gestiftet? Was kann dieser ausgestreute, verloren scheinende Saame, unter Gottes Pflege und Segen, hie und da, früh oder spät, für eine reiche und selige Ernte geben, von der uns jetzt noch gar nichts träumt. – Und, bei dem, außer jenem mißlungenen Guten, für jeden guten Menschen gerade schmerzhaftesten Unglück, das wir empfinden, wenn unsere guten Absichten verkannt, nachtheilig gedeutet, oder wir durch ungerechte Bedrückungen gemißhandelt werden: sind wir denn Gott nicht auch Opfer, aus Dankbarkeit auch große Aufopferungen, ihm auch darin Nachahmung schuldig, daß wir Versündigungen Anderer gegen uns dulden? – Ist es nicht gegen Gott Dankes werth, wenn er uns dadurch von der Eitelkeit, Selbstsucht und dem Anhängen von Meinungen |c71| und Willen der Menschen abzieht, und uns aus Pflicht, um Seinetwillen, zu handeln gewöhnt? Erhebt nicht eben diese Gesinnung und Art zu handeln, wobei es uns nur darum zu thun ist, recht zu handeln, und unser höchster Wunsch, Ihm werth zu seyn, unsere Seele recht eigentlich zu der höchsten Würde des Menschen? – Können wir nicht eben darum auf desto größre Vergeltung und darauf desto gewisser rechnen, je weniger wir durch irgend etwas Vergängliches belohnt waren; und muß sie uns nicht desto belohnender erscheinen, da sie nicht bloßer Zufall, sondern Belohnung, Belohnung von dem ist, der allein höchst gerecht richtet?Und das Unglück, ist es nicht eine Quelle eines sonst nicht erhaltenen Glücks? – Diente es nicht, unserm Glück |c70| beigemischt, die angenehme Empfindung dieses letztern zu erhöhen? – Ists, bei aller seiner Bitterkeit, nicht herzstärkende Arzenei, wahre Schule der Genügsamkeit, der Vorsichtigkeit, der Klugheit, des gänzlichen Anschließens an Gott, ohne und außer dem doch Alles eitel ist, und aller Tugenden, wozu es uns sonst an Veranlassung und Uebung fehlt; ohne welches wir nie eifrig genug vorwärts zur wahren Vollkommenheit streben würden? – Bei mißlungener Ausführung unserer guten Absichten, bei mißrathenen Mitteln, bei unerwarteter Richtung, die unsere gutgemeinten Anstalten nehmen, und selbst Uebel erzeugen, die wir nicht vorhersehen, oder denen wir entgegenarbeiten, von welchen wir gerade das Gegentheil befördern wollten, – ist da durchaus Alles verloren? Haben wir, wenn gleich nicht alles, doch etwas, wenn gleich nicht dieses, doch etwas anderes Gute, wenn gleich nicht vor der Hand, doch auf die Zukunft, wenn gleich nicht bei Andern, doch bei uns und durch eigene Uebung im Guten, gestiftet? Was kann dieser ausgestreute, verloren scheinende Saame, unter Gottes Pflege und Segen, hie und da, früh oder spät, für eine reiche und selige Ernte geben, von der uns jetzt noch gar nichts träumt. – Und, bei dem, außer jenem mißlungenen Guten, für jeden guten Menschen gerade schmerzhaftesten Unglück, das wir empfinden, wenn unsere guten Absichten verkannt, nachtheilig gedeutet, oder wir durch ungerechte Bedrückungen gemißhandelt werden: sind wir denn Gott nicht auch Opfer, aus Dankbarkeit auch große Aufopferungen, ihm auch darin Nachahmung schuldig, daß wir Versündigungen Anderer gegen uns dulden? – Ist es nicht gegen Gott Dankes werth, wenn er uns dadurch von der Eitelkeit, Selbstsucht und dem Anhängen von Meinungen |c71| und Willen der Menschen abzieht, und uns aus Pflicht, um Seinetwillen, zu handeln gewöhnt? Erhebt nicht eben diese Gesinnung und Art zu handeln, wobei es uns nur darum zu thun ist, recht zu handeln, und unser höchster Wunsch, Ihm werth zu seyn, unsere Seele recht eigentlich zu der höchsten Würde des Menschen? – Können wir nicht eben darum auf desto größre Vergeltung und darauf desto gewisser rechnen, je weniger wir durch irgend etwas Vergängliches belohnt waren; und muß sie uns nicht desto belohnender erscheinen, da sie nicht bloßer Zufall, sondern Belohnung, Belohnung von dem ist, der allein höchst gerecht richtet?
Anm. Es versteht sich, daß alles in diesen beiden §§. Gesagte nur Hinweisung sei auf gewisse Gesichtspunkte, woraus man die Leiden vorstellen müsse; die jedesmalige Gelegenheit muß es einem verständigen Lehrer zeigen, aus welchem am wirksamsten könne Beruhigung geschöpft werden. Diese Punkte recht anschaulich und eindrücklich zu machen, ist freilich sehr schwer; es scheint selbst – aus mehrern Gründen, die sich hier nicht erklären lassen – weit schwerer, jemanden wahrhaftig durch Vorstellungen zu beruhigen als zu bessern. Erregte Aufmerksamkeit auf den Lauf der Dinge in der Welt thut bei Leidenden sehr viel; aber ohne feste innige Ueberzeugung von Gottes Vorsehung und von der Ewigkeit wird sie immer wenig zur Beruhigung wirken, oder Leidende nur gleichgültig und leichtsinnig machen. Kurze, fruchtbare Sentenzen, zumal wenn sie den Zuhörern geläufig, und von ihnen oft zu ihrem Trost gebraucht sind, zu rechter Zeit angebracht (z. B. Jonä 4, 10. 11. Matth. 18, 11 f. 1 Tim. 1, 15. 16. u. dgl.) – nebst dem Ansehen und Vertrauen, das der Lehrer, zumal bei fleißiger Hausbesuchung der Elenden, sich als ein gesetzter, erfahrener und mitleidender Mann erworben hat, wirken in solchen Fäl|c72|len mehr als die bündigsten Predigten. Man kann daher junge Lehrer nicht genug auf Vorsichtigkeit und Mäßigung im Umgange mit Leidenden aufmerksam machen, und sie warnen, nicht zu viel von der schönen Welt, von der Freude, wozu der Mensch geschaffen ist, von milzsüchtigen Klagen u. s. f. zu reden. Junge Lehrer haben ohnehin schon das Vorurtheil einer noch nicht genug reifen Erfahrung, jugendlicher Flüchtigkeit, und, weil sie noch in wenigen, entweder die zarte Empfindung nährenden oder sehr drückenden Verbindungen stehen, nicht genugsamer Theilnehmung, gegen sich. – Röm. 12, 15. 1 Tim. 5, 1. 2.

52.

Wird jemand durch das Andenken seiner Vergehungen, auch wohl wissentlicher und gröberer Verbrechen, oder der selbst unvertilgbar scheinenden Folgen derselben bei sich oder Andern, beunruhigt – welches das Zweite war (§. 48. ), – so müßte ihm der Lehrer 1) den eigentlichen Inhalt des Evangeliums, das ganz eigentlich zur Absicht hat, diese Bekümmernisse zu heben, fleißig und einleuchtend vorstellen; vorzüglich, wie Gott seine Gnade auch dem Unwürdigsten (dem, der es sogar nicht verdient) zugedacht, wie unser Heiland sich nicht für einen Arzt der Gesunden, sondern der Kranken erklärt habe, nicht nur keinen hinausstoßen wolle wer zu ihm kommt, sondern auch gekommen sei aufzusuchen was sich verloren habe, u. dgl. 2) Und wenn ein solcher zweifelte, ob jene göttlichen Verheißungen ihm zukämen, so müßte er ihm diese Besorgniß dadurch benehmen, daß er ihn darauf führte: – schon dieß sei ein Zeichen, wie ihn Gott nicht verlassen habe, daß er nicht fühllos sei gegen das Andenken seiner Vergehungen, noch gleichgültig gegen Gottes Gesinnungen gegen |c73| ihn: – er würde bis zu dieser Unruhe des Gewissens nicht einmal gekommen seyn, ohne besondere Umstände, die dieses Gewissen aufweckten, und die ja alle unter der väterlichen Regierung Gottes standen; – und Gott veranstaltete keine Mittel wozu, wenn er nicht auch die Absicht wolle, worauf diese abzielen. Er müßte ihm 3) zeigen, wie sehr Gott bei allen solchen Hülflosen auf den Glauben dringe, und wie dieß – gerade wie bei dem Verhältniß des Arztes und des Kranken, des Vaters und des Kindes – das Billigste sei, was Gott fordern, und das Leichteste, was ein Hülfloser leisten könne, sich an den Gott zu halten, und dem ganz zu überlassen, der unerschöpflich, wie an Güte, so an Mitteln ist, dem Menschen zu helfen, und von dem er ja ohne dieß in aller möglichen Rücksicht abhänge; daß es auch 4) der erste Schritt zur wahren Besserung sei, dadurch gerecht zu seyn gegen Gott und gegen sich selbst, daß man geduldig die natürlichen Folgen trage, die man sich selbst zugezogen habe, und es Gott zutraue, daß er uns auch dadurch wolle zur Besserung leiten. Er müßte endlich 5), so viel es immer die Fähigkeiten und Kenntnisse der Bekümmerten erlauben, ihnen, besonders durch ihre eigenen Erfahrungen, begreiflich machen: wie sehr es Gott in seiner Gewalt habe, selbst schädliche Folgen böser Handlungen durch die unter seiner Regierung stehenden dazwischenkommenden Umstände abzuwenden; auch das, was auf unserer Seite unrecht ist, zu Mitteln zu machen, die viel Gutes stiften, welches ohne jenes nicht würde erfolgt seyn; auch dadurch, daß er uns diese Wendung, die unsere Vergehungen nehmen, dereinst wird erkennen lassen, und durch unsere auf unsere wahre Besserung und angestrengtern Fleiß zum Guten erfolgte größere |c74| Glückseligkeit und deren lebhafte Empfindung, – das schmerzhafte Andenken an unsere Vergehungen und deren Folgen zu schwächen, oder ganz auszulöschen, oder dadurch die Empfindung unserer Seligkeit zu erhöhen, so daß wir begreifen, wie wir dahin nicht würden gekommen seyn, wenn Gott nicht, indem er uns tief fallen ließ, unsern Fleiß und Eifer im Guten erhoben hätte.Wird jemand durch das Andenken seiner Vergehungen, auch wohl wissentlicher und gröberer Verbrechen, oder der selbst unvertilgbar scheinenden Folgen derselben bei sich oder Andern, beunruhigt – welches das Zweite war (§. 48. ), – so müßte ihm der Lehrer 1) den eigentlichen Inhalt des Evangeliums, das ganz eigentlich zur Absicht hat, diese Bekümmernisse zu heben, fleißig und einleuchtend vorstellen; vorzüglich, wie Gott seine Gnade auch dem Unwürdigsten (dem, der es sogar nicht verdient) zugedacht, wie unser Heiland sich nicht für einen Arzt der Gesunden, sondern der Kranken erklärt habe, nicht nur keinen hinausstoßen wolle wer zu ihm kommt, sondern auch gekommen sei aufzusuchen was sich verloren habe, u. dgl. 2) Und wenn ein solcher zweifelte, ob jene göttlichen Verheißungen ihm zukämen, so müßte er ihm diese Besorgniß dadurch benehmen, daß er ihn darauf führte: – schon dieß sei ein Zeichen, wie ihn Gott nicht verlassen habe, daß er nicht fühllos sei gegen das Andenken seiner Vergehungen, noch gleichgültig gegen Gottes Gesinnungen gegen |c73| ihn: – er würde bis zu dieser Unruhe des Gewissens nicht einmal gekommen seyn, ohne besondere Umstände, die dieses Gewissen aufweckten, und die ja alle unter der väterlichen Regierung Gottes standen; – und Gott veranstaltete keine Mittel wozu, wenn er nicht auch die Absicht wolle, worauf diese abzielen. Er müßte ihm 3) zeigen, wie sehr Gott bei allen solchen Hülflosen auf den Glauben dringe, und wie dieß – gerade wie bei dem Verhältniß des Arztes und des Kranken, des Vaters und des Kindes – das Billigste sei, was Gott fordern, und das Leichteste, was ein Hülfloser leisten könne, sich an den Gott zu halten, und dem ganz zu überlassen, der unerschöpflich, wie an Güte, so an Mitteln ist, dem Menschen zu helfen, und von dem er ja ohne dieß in aller möglichen Rücksicht abhänge; daß es auch 4) der erste Schritt zur wahren Besserung sei, dadurch gerecht zu seyn gegen Gott und gegen sich selbst, daß man geduldig die natürlichen Folgen trage, die man sich selbst zugezogen habe, und es Gott zutraue, daß er uns auch dadurch wolle zur Besserung leiten. Er müßte endlich 5), so viel es immer die Fähigkeiten und Kenntnisse der Bekümmerten erlauben, ihnen, besonders durch ihre eigenen Erfahrungen, begreiflich machen: wie sehr es Gott in seiner Gewalt habe, selbst schädliche Folgen böser Handlungen durch die unter seiner Regierung stehenden dazwischenkommenden Umstände abzuwenden; auch das, was auf unserer Seite unrecht ist, zu Mitteln zu machen, die viel Gutes stiften, welches ohne jenes nicht würde erfolgt seyn; auch dadurch, daß er uns diese Wendung, die unsere Vergehungen nehmen, dereinst wird erkennen lassen, und durch unsere auf unsere wahre Besserung und angestrengtern Fleiß zum Guten erfolgte größere |c74| Glückseligkeit und deren lebhafte Empfindung, – das schmerzhafte Andenken an unsere Vergehungen und deren Folgen zu schwächen, oder ganz auszulöschen, oder dadurch die Empfindung unserer Seligkeit zu erhöhen, so daß wir begreifen, wie wir dahin nicht würden gekommen seyn, wenn Gott nicht, indem er uns tief fallen ließ, unsern Fleiß und Eifer im Guten erhoben hätte.

53.

Endlich in dem dritten Fall (§. 48. ), wenn jemand durch das Gefühl seiner Ohnmacht, der Macht böser Gewohnheiten, nicht merklicher Fortschritte im Guten, oder durch Wahrnehmung so oft gescheiterter und nicht ausgeführter guten Vorsätze niedergeschlagen würde, müßte der Lehrer 1) allen Fleiß anwenden, um, mit der möglichsten Sanftmuth, Theilnehmung und Schonung seiner Schwachheit, ihm die Vorurtheile zu benehmen, die hauptsächlich jene Muthlosigkeit hervorzubringen oder zu unterhalten pflegen. *) Und wenn er weiß oder merkt, daß diese zu tief eingewurzelt, und so mit den guten Kenntnissen und Gesinnungen desselben verschlungen sind, daß zu besorgen ist, diese möchten darunter leiden, wenn man jene angriffe, oder der Versuch, jene auszurotten, möchte ihn gegen den Lehrer einnehmen: – so mache er ihn aufmerksam darauf, wie oft die besten Gedanken und Grundsätze uns zu weit führen können, und wie nöthig er habe, auf seiner Hut zu seyn, um nicht durch gänzliche Unthätigkeit sicher, durch unterlassenen Gebrauch auch geringer Kräfte, die ihm Gott giebt, und ermunternder Umstände, untreu und undankbar gegen ihn zu werden, oder Gott durch zu weit getriebene Forde|c75|rungen und Erwartungen zu versuchen. – Er suche ihn wenigstens dahin zu bringen, die Gelegenheit, immer mehr sich selbst und Gottes Willen erkennen zu lernen, jede Aufmunterung zum Guten, besonders zum Fleiß und zum Vertrauen auf Gott, und den Umgang mit redlichen, heitern und solchen Christen zu benutzen, die sich aus ihren Erfahrungen einen Schatz von wahrer Klugheit gesammelt haben, und die Fähigkeit besitzen, sich theils zu Anderer Bedürfnissen und Schwächen herabzulassen, theils vernünftige Rechenschaft von ihrem Rath und Belehrung zu geben. 2) Er suche ihm besonders durch sehr klare Grundsätze, vornehmlich aus der Bibel, durch Beispiele Anderer, die mit ihm in gleichen Umständen waren, und durch die nämlichen Erfahrungen, die er selbst müsse gehabt haben, einleuchtend zu machen: wie herablassend und billig Gott sei, der mehr nicht forderte als der Mensch vermöge, und wie er so oft durch manche Umwege und anhaltende Prüfungen den Menschen zum Ziel führe und recht reif zum Guten mache; wie die wahre Besserung nie anders als allmählig, nach vielem Fallen und Wiederaufstehen, erfolge, und in dem Grade fortrücke, gründlicher und merkbarer werde, in welchem der Mensch auch mit wenigen Kräften treu umgeht; und wie durch jedes, auch geringe, Fortrücken in der Besserung, was uns schwer oder unmöglich schien, immer leichter werde. 3) Er stelle das, was der Mensch an seinem Theile thun muß, immer mehr auf der angenehmen Seite und nach den großen Vortheilen vor, die jeden redlichen Fleiß gewiß belohnen, je nachdem er weiß, daß die Vorstellung dieses oder jenes Vortheils bei dem Bekümmerten den meisten Eindruck mache. 4) Er begnüge sich endlich nicht mit bloßen Ver|c76|mahnungen und Aufmunterungen, sondern zeige dem Unentschlossenen und Muthlosen, wie er seine Pflichten ausüben, oder sich deren Ausübung erleichtern könne.Endlich in dem dritten Fall (§. 48. ), wenn jemand durch das Gefühl seiner Ohnmacht, der Macht böser Gewohnheiten, nicht merklicher Fortschritte im Guten, oder durch Wahrnehmung so oft gescheiterter und nicht ausgeführter guten Vorsätze niedergeschlagen würde, müßte der Lehrer 1) allen Fleiß anwenden, um, mit der möglichsten Sanftmuth, Theilnehmung und Schonung seiner Schwachheit, ihm die Vorurtheile zu benehmen, die hauptsächlich jene Muthlosigkeit hervorzubringen oder zu unterhalten pflegen. *) Und wenn er weiß oder merkt, daß diese zu tief eingewurzelt, und so mit den guten Kenntnissen und Gesinnungen desselben verschlungen sind, daß zu besorgen ist, diese möchten darunter leiden, wenn man jene angriffe, oder der Versuch, jene auszurotten, möchte ihn gegen den Lehrer einnehmen: – so mache er ihn aufmerksam darauf, wie oft die besten Gedanken und Grundsätze uns zu weit führen können, und wie nöthig er habe, auf seiner Hut zu seyn, um nicht durch gänzliche Unthätigkeit sicher, durch unterlassenen Gebrauch auch geringer Kräfte, die ihm Gott giebt, und ermunternder Umstände, untreu und undankbar gegen ihn zu werden, oder Gott durch zu weit getriebene Forde|c75|rungen und Erwartungen zu versuchen. – Er suche ihn wenigstens dahin zu bringen, die Gelegenheit, immer mehr sich selbst und Gottes Willen erkennen zu lernen, jede Aufmunterung zum Guten, besonders zum Fleiß und zum Vertrauen auf Gott, und den Umgang mit redlichen, heitern und solchen Christen zu benutzen, die sich aus ihren Erfahrungen einen Schatz von wahrer Klugheit gesammelt haben, und die Fähigkeit besitzen, sich theils zu Anderer Bedürfnissen und Schwächen herabzulassen, theils vernünftige Rechenschaft von ihrem Rath und Belehrung zu geben. 2) Er suche ihm besonders durch sehr klare Grundsätze, vornehmlich aus der Bibel, durch Beispiele Anderer, die mit ihm in gleichen Umständen waren, und durch die nämlichen Erfahrungen, die er selbst müsse gehabt haben, einleuchtend zu machen: wie herablassend und billig Gott sei, der mehr nicht forderte als der Mensch vermöge, und wie er so oft durch manche Umwege und anhaltende Prüfungen den Menschen zum Ziel führe und recht reif zum Guten mache; wie die wahre Besserung nie anders als allmählig, nach vielem Fallen und Wiederaufstehen, erfolge, und in dem Grade fortrücke, gründlicher und merkbarer werde, in welchem der Mensch auch mit wenigen Kräften treu umgeht; und wie durch jedes, auch geringe, Fortrücken in der Besserung, was uns schwer oder unmöglich schien, immer leichter werde. 3) Er stelle das, was der Mensch an seinem Theile thun muß, immer mehr auf der angenehmen Seite und nach den großen Vortheilen vor, die jeden redlichen Fleiß gewiß belohnen, je nachdem er weiß, daß die Vorstellung dieses oder jenes Vortheils bei dem Bekümmerten den meisten Eindruck mache. 4) Er begnüge sich endlich nicht mit bloßen Ver|c76|mahnungen und Aufmunterungen, sondern zeige dem Unentschlossenen und Muthlosen, wie er seine Pflichten ausüben, oder sich deren Ausübung erleichtern könne.
Anm. *) Dergleichen sind: daß Gott die Seligkeit oder Verdammniß der Menschen und die Mittheilung wirksamer Kräfte, nach bloßer Willkür bestimme; daß die Besserung des Menschen allein von Gott abhänge, und man durch eigene Thätigkeit sein Werk störe und hindere; daß die Tugenden und guten Handlungen der Menschen (nicht etwa nur immer unvollkommen seyn, sondern) gar keinen Werth vor Gott haben; daß der gute und schlechte Zustand des Menschen nach sinnlichen, freudigen oder traurigen Gefühlen müsse entschieden werden; daß alle Theilnehmung an sinnlichen Vergnügungen, die sehr leichtem Mißbrauch unterworfen sind, sündlich sei; nebst so manchen Mißverständnissen vom allein seligmachenden Glauben. Sehr oft, vornehmlich bei dem Unterricht der Kinder, kann der Lehrer schon viele dieser falschen Vorstellungen verhüten, zumal wenn er vorsichtig genug bei dem Vortrage der Lehre vom natürlichen Verderben des Menschen ist; und hiebei, so wie bei Wegräumung solcher schädlichen Vorurtheile überhaupt, wird ihm eine gehörig bestimmte Kenntniß der Religion, ein vorsichtiger Gebrauch gemachter Erfahrungen, behutsame Entfernung mystischer und ähnlicher Schriften aus den Händen seiner Zuhörer, und Empfehlung solcher Schriften, die nicht sowohl jene Vorurtheile bestreiten, als vielmehr gleich reinere Begriffe vom praktischen Christenthum geben, sehr zu Statten kommen. {So viel Verdienst die Spenersche Schule hatte, so ist doch nicht zu verkennen, daß sie durch vorstehende fehlerhafte Vorstellugen auch manche Gemüther nicht nur sehr beunruhigt, sondern auch einer guten Sache einen übeln Namen gemacht hat.}

|c77| 54.

Alle auf die bisher beschriebene Art gemachten guten Eindrücke würden doch dem großen Zwecke des erbaulichen Vortrags nicht völlig entsprechen, wenn sie nicht dauerhaft würden, und in feste Grundsätze und Gesinnungen übergingen. Dieses zu bewirken, möchten folgende Mittel am dienlichsten seyn. Zuerst, daß aller Vortrag so eingerichtet werde, daß ihn die Zuhörer leicht übersehen, und sich dessen wieder erinnern können. Hierzu würde 1) schon vieles thun, wenn der Vortrag nicht zu lang, nicht verwirrt wäre, nicht zu viele Abtheilungen, und nicht zu vielerlei Sachen enthielte, hingegen wohl zusammenhinge, 1) so daß ein Gedanke leicht und natürlich auf den andern führte, auch die Hauptsachen umständlich aus einandergesetzt, und auf mannichfaltige Art erläutert und eindringlich gemacht würden. 2) 2) Wenn der Prediger die Kunst verstünde, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch eine gewisse wirklich nutzbare Neuigkeit der Sachen und des Vortrags zu fesseln; weil eben das Neue besonders die Aufmerksamkeit reitzt, und man es gern wiederholt, es sich einzudrücken, geläufig zu machen, und anzuwenden sucht. 3) 3) Wenn er sich vornehmlich an einige kurze Kernsprüche hielte, die den Zuhörern bekannt oder leicht zu behalten wären, und sie, nicht bloß durch öftere Wiederholung, sondern vornehmlich durch die möglichste Verdeutlichung, und Zurückführung oder Anwendung auf besondere Fälle, anschaulich und interessant zu machen suchte; und 4) auch darin das Beispiel des größten Meisters, Jesu, nachahmte, daß er Alles, was er den Zuhörern nützlich oder nöthig findet, mehr gelegentlich, d. i. bei einzelnen vorkommenden Fällen, wo die Umstände des z. B. |c78| kranken, niedergeschlagenen etc. Zuhörers es veranlassen, und was oder wie es den Zeitumständen und Bedürfnissen des Zuhörers am gemäßesten ist, vortrüge.Alle auf die bisher beschriebene Art gemachten guten Eindrücke würden doch dem großen Zwecke des erbaulichen Vortrags nicht völlig entsprechen, wenn sie nicht dauerhaft würden, und in feste Grundsätze und Gesinnungen übergingen. Dieses zu bewirken, möchten folgende Mittel am dienlichsten seyn. Zuerst, daß aller Vortrag so eingerichtet werde, daß ihn die Zuhörer leicht übersehen, und sich dessen wieder erinnern können. Hierzu würde 1) schon vieles thun, wenn der Vortrag nicht zu lang, nicht verwirrt wäre, nicht zu viele Abtheilungen, und nicht zu vielerlei Sachen enthielte, hingegen wohl zusammenhinge, 1) so daß ein Gedanke leicht und natürlich auf den andern führte, auch die Hauptsachen umständlich aus einandergesetzt, und auf mannichfaltige Art erläutert und eindringlich gemacht würden. 2) 2) Wenn der Prediger die Kunst verstünde, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch eine gewisse wirklich nutzbare Neuigkeit der Sachen und des Vortrags zu fesseln; weil eben das Neue besonders die Aufmerksamkeit reitzt, und man es gern wiederholt, es sich einzudrücken, geläufig zu machen, und anzuwenden sucht. 3) 3) Wenn er sich vornehmlich an einige kurze Kernsprüche hielte, die den Zuhörern bekannt oder leicht zu behalten wären, und sie, nicht bloß durch öftere Wiederholung, sondern vornehmlich durch die möglichste Verdeutlichung, und Zurückführung oder Anwendung auf besondere Fälle, anschaulich und interessant zu machen suchte; und 4) auch darin das Beispiel des größten Meisters, Jesu, nachahmte, daß er Alles, was er den Zuhörern nützlich oder nöthig findet, mehr gelegentlich, d. i. bei einzelnen vorkommenden Fällen, wo die Umstände des z. B. |c78| kranken, niedergeschlagenen etc. Zuhörers es veranlassen, und was oder wie es den Zeitumständen und Bedürfnissen des Zuhörers am gemäßesten ist, vortrüge.
Anm. 1) Je mehr sich der Lehrer gewöhnt, Alles, was er sagen will, vorher wohl durchzudenken, und je mehr er Achtung gegen die Sachen, wie gegen seine Zuhörer und deren Bestes hat: je mehr wird er diese erste Regel beobachten. – Hätten die vor Haltung des Vortrags gedruckten Predigtentwürfe nicht manche andere Unbequemlichkeiten, und wären sie gut – mit Rücksicht auf das in dem §. selbst erwähnte – eingerichtet, so könnten sie die vorläufige Aufmerksamkeit auf die Predigten und die Wiederholung des Gepredigten sehr befördern. Selbst die Gewohnheit, bei dem Unterricht in der Religion, ein besonderes gut zusammenhängendes und mit bestimmter Kürze geschriebenes Buch, und bei Predigten einen Text, zum Grunde zu legen, erleichtert das Behalten desjenigen, was gesagt ist.
2) Die sogenannte synthetische Methode bei dem Vortrag der Religion hat freilich auch ihre Vortheile. Vollständiger und zum Theil bestimmter lassen sich dabei die Sachen ausführen, und, hätte man lauter oder meistens solche Zuhörer, die hauptsächlich weiter aufgeklärt zu werden wünschten, und gewohnt wären, immer im Zusammenhange zu denken: so wäre sie dann die schicklichste, wenigstens die zwangloseste Methode. Aber die analytische, die einen biblischen Text zum Grunde legt, und sich überall an diesen hält, befördert doch das bessere Behalten, und giebt dem Zuhörer ein gutes Mittel, durch dessen Hülfe er sich an das Gesagte besser wieder erinnern kann; – sie gewöhnt ihn mehr an die Bibel, deren kurze, edel und anschaulich ausgedrückte Kernsprüche mehr wirken als allgemeine Sätze, und Ausführung derselben, die im Allgemeinen stehen bleibt; (man weiß ja, was Sprüchwörter, Verse, Fabeln, Geschichten thun, wie leicht sie |c79| sich dem Gedächtniß und der Einbildungskraft wieder darstellen, wie sie sich an alle Vorfälle des Lebens anschlingen, wie leicht in Grundsätze und Gesinnungen übergehen); – und, was das Vornehmste ist, sie lehrt und gewöhnt ihn, seine Bibel nun selbst fleißig zu lesen, sie besser zu verstehen, und, wie er es nach und nach seinem Lehrer abgelernt hat, sie in beständiger Anwendung auf sich zu gebrauchen, wodurch er die Erbauung fortsetzen, und sich selbst erbauen lernt; ohne welche Uebung selbst der beste Vortrag wenig dauerhafte Eindrücke machen, und die Andacht des Zuhörers nur an Gelegenheiten binden, nie aus ihr etwas Ganzes machen wird. Je seltener die Bekanntschaft mit der Bibel, ihrem wahren Verstande und ihrem so weit greifenden höchst fruchtbaren Inhalte wird; je mehr die Gewohnheit abnimmt, über sie und ihren unerschöpflichen Reichthum wahrhaftig praktischer Ideen nachzudenken, und sie auf alle Angelegenheiten des Herzens anzuwenden; je mehr die Einbildung überhand nimmt, daß man Alles am besten aus sich selbst herauswickeln könne, und der Wahn, daß es ein Zeichen eines größern und gründlichern Kopfes sei, Alles von vorn her und aus der Natur der Sache zu erkennen, und im Zusammenhange zu denken; je herrschender der Geschmack an bloßer Aufklärung wird, und je mehr die Anwendung der bessern Kenntnisse auf wirkliche Besserung des Herzens vernachlässigt wird: desto weniger ists zu verwundern, daß analytische Predigten immer seltner werden. Wiewohl die synthetischen auch leichter sind. Man braucht dazu (wie sie wenigstens gemeiniglich sind) nur wenige, allgemeine Sätze; bedarf wenig oder gar keiner exegetischen Kenntnisse, keines mühsamen Studiums der Erfahrung, keines feinern Studiums des, nach den individuellen Umständen, so äußerst verschiedenen menschlichen Herzens, und der besondersten Bedürfnisse desselben, keiner vielfältigen Uebungen, den Vortrag diesen anzuschmiegen; und, je dürftiger man an Kenntnissen und unreifer zu einem wahren Religionslehrer |c80| ist, desto besser kommen dem Geistesarmen die allgemeinen und unter gewisse Hauptpunkte geschichteten Belehrungen von Universitäten her, zu Statten. Aber ob es für den Zuhörer mehr frommt? –
3) Es ist hier nicht die Rede von Befriedigung bloßer Wißbegierde oder Neugier über außerordentliche und unbegreifliche Sachen, oder über Fragen, die eben jedesmal zu einer gewissen Zeit die Aufmerksamkeit des Publikums beschäftigen, und dessen Meinungen theilen; noch von parodoxen Behauptungen oder raschen und auffallenden Aeußerungen, die der Zuhörer wenigstens in dem Zusammenhange nicht erwartet. Denn alles dieß ist dem Zwecke des Religionsvortrags, der Erbauung, so wenig, als eigentliche Gelehrsamkeit, gemäß; oder zerstreut die Zuhörer mehr, zieht wenigstens ihre Aufmerksamkeit von wichtigern Hauptsachen ab; und schadet oft, weil es fremdartig und Vielen anstößig ist, dem Vertrauen auf die Weisheit und Andacht des Lehrers. – Ich meine nicht einmal Predigten über die sichtbare Natur, über Aberglauben und andere besondere Ausschweifungen des gemeinen Lebens, über bürgerliche Pflichten und Gegenstände, oder irgend etwas Nützliches, das doch nicht eigentlich zur Religion gehört. Hängt es irgend mit der Religion zusammen, so verdient es, sowohl als Religion selbst, gepredigt, wenigstens zur Beförderung der wahren Religion und Erbauung, benutzt zu werden; sofern es den Kenntnissen und Bedürfnissen der Zuhörer gemäß ist, oder gemacht werden kann; und sofern es mit Mäßigung und Würde geschieht, nicht den Vortrag der Religion selbst verdrängt, der doch die öffentlichen Vorträge eigentlich gewidmet sind, und nur so selten geschieht, daß der Geschmack der Zuhörer nicht verwöhnt, und von den eigentlichen Religionsvorträgen abgezogen wird. – Vielmehr verstehe ich unter dem, was durch Neuheit Interesse erregt, das, was auch bei einem Religionsvortrage, der sich Erbauung zum höchsten Zweck setzt, neu seyn kann. Dieß gilt 1) schon von den dahin |c81| gehörigen Sachen . Der gewöhnliche Religionsunterricht in Schulen und Lehrbüchern ist noch sehr eingeschränkt, ist eigentlich nur Grundlage des weitern Unterrichts, durch den ein Christ immer mehr auch in der Erkenntniß wachsen soll. Von vielen wichtigen Sachen (z. B. dem richtigen praktischen Begriff des Glaubens, und was wir thun können, ihn hervorzubringen und zu nähren, von Genügsamkeit, von wahrer Ehrliebe, von Standhaftigkeit gegen herrschende unschuldig scheinende Gewohnheiten, und dem weisen Kampf dagegen, von der Pflicht, Alles was man, auch in seinem Beruf, thut, gut zu machen, von vielen unerkannten Sünden und Wohltaten Gottes u. s. w.) wird auf den Kanzeln und bei Katechisationen wenig oder gar nicht geredet. Auch bei bekannten und oft zu wiederholen nöthigen Lehren und Anstalten Gottes ließe sich viel Lehrreiches über Gottes Absichten dabei sagen, es ließen sich viele unerkannte Pflichten und Tröstungen daraus herleiten u. dgl. Und kann wenigstens der Lehrer nicht, gleich durch die Anwendung der Lehren oder durch die Situationen, in die er die Zuhörer zu versetzen sucht, viel Neues sagen, das immer den Zuhörer unterhält, woran dieser schwerlich selbst gedacht hätte, und sich doch immer getroffen, immer das auf diese Art Gesagte für sich brauchbar findet? Eben so kann 2) in den Vortrag Neues gebracht, es können bekannte Sachen durch neue Beweise, durch neue Anwendung der biblischen Texte, durch neue Motive unterstützt, durch dazu gewählte Geschichten und Beispiele aus der Bibel, durch besondere Fälle aus dem gemeinen Leben u. dgl. anschauender und lehrreicher gemacht werden. (Wie wenig mag z. B. Marc. 9, 38 f. auf die Duldung und billige Beurtheilung derer, die anders als wir in der Religion denken, 1 Kor. 7, 23., auf die Pflicht des Kampfs gegen Mode und Beispiele, Kap. 8, 1 f., auf den Mißbrauch der Aufklärung etc. angewendet worden seyn? Und wie viel Lehrreiches liegt noch in der Geschichte der Apostel und in an|c82|dern biblischen Geschichten? nicht nur in den Sätzen, sondern auch in der ganzen Stellung und Verbindung derselben in der Bibel?) – Wer sich gewöhnt, über Alles, und besonders über den Inhalt der Bibel und des menschlichen Lebens nachzudenken, und Beides täglich zu studieren, fleißig selbst an seiner eigenen Erbauung zu arbeiten, die Religion überall anzuwenden, und sich allenfalls, feinere Bemerkungen, die irgend etwas Neues lehren, oder ein neues Licht worauf werfen, aufzuzeichnen, um sie gelegentlich bei seinen Zuhörern zu gebrauchen: dem wird, viel Neues zweckmäßig zu sagen, so schwer nicht seyn können.
{Wo der Prediger an die gewöhnlichen Perikopen gebunden ist, da sollte er sich ganz vorzüglich bemühen, den gewöhnlichen Texten neue Seiten abzugewinnen, auch dazu Predigten geistvoller Männer über diese Abschnitte vergleichen. Ganz vorzüglich zeichnen sich die Reinhardtschen auch von dieser Seite aus.
A. d. H.}

55.

Sehr viel trägt zur Befestigung guter Eindrücke auch 2) (§. 54. ) bei, wenn der Zuhörer gewahr wird, wie innig der Lehrer von der vorgetragenenen Wahrheit und ihrem Werthe überzeugt sei, und welches warme Interesse für das Wohl der Zuhörer ihn beseele. Theilnehmung wirkt wieder Theilnehmung, und wenn wir merken, daß jemand angelegentlich zu unserm Besten arbeitet, so giebt unser eigenes Interesse, und die Vorstellung von dem Lehrer, als unserm Freunde, einen mächtigen Reitz, seine Gedanken weiter zu verfolgen, zumal, wenn uns die Sache ohnehin schon anzieht, und die durch den Vortrag durchscheinende Ueberzeugung des Lehrers unsere Meinung von der Wahrheit und Wichtigkeit des Gehörten bestätigt. Selbst die Wärme und noch vielmehr die ruhige Heiterkeit des Geistes, die den Verdacht des Gesuchten und Künstlichen ausschließt, |c83| fesselt die Aufmerksamkeit, und macht uns geneigt, den ersten angenehmen Eindruck zu wiederholen, und darüber weiter nachzudenken. Wer es dahin bei dem Zuhörer bringen will, muß selbst von dem, was er sagt, und vornehmlich von dessen Werth, lebendig überzeugt seyn, die Sache wohl und praktisch durchdacht haben, und in dem Augenblick, wo er sie vorträgt, ganz dabei, und von ihr eingenommen seyn. Dieß und ein wohlwollendes Herz sind die Haupterfordernisse dabei; lebhafte Einbildungskraft und Reichthum der Sprache, den er in seiner Gewalt hat, unterstützen es. Das Aeußere giebt sich alsdann von selbst. Etwas kann auch dazu beitragen, wenn man das Gemüth vorher in die gehörige Ruhe setzt, und durch Lesung körniger Stellen aus der heiligen Schrift, oder ähnlicher Schriften, seinem Geiste Nahrung giebt.Sehr viel trägt zur Befestigung guter Eindrücke auch 2) (§. 54. ) bei, wenn der Zuhörer gewahr wird, wie innig der Lehrer von der vorgetragenenen Wahrheit und ihrem Werthe überzeugt sei, und welches warme Interesse für das Wohl der Zuhörer ihn beseele. Theilnehmung wirkt wieder Theilnehmung, und wenn wir merken, daß jemand angelegentlich zu unserm Besten arbeitet, so giebt unser eigenes Interesse, und die Vorstellung von dem Lehrer, als unserm Freunde, einen mächtigen Reitz, seine Gedanken weiter zu verfolgen, zumal, wenn uns die Sache ohnehin schon anzieht, und die durch den Vortrag durchscheinende Ueberzeugung des Lehrers unsere Meinung von der Wahrheit und Wichtigkeit des Gehörten bestätigt. Selbst die Wärme und noch vielmehr die ruhige Heiterkeit des Geistes, die den Verdacht des Gesuchten und Künstlichen ausschließt, |c83| fesselt die Aufmerksamkeit, und macht uns geneigt, den ersten angenehmen Eindruck zu wiederholen, und darüber weiter nachzudenken. Wer es dahin bei dem Zuhörer bringen will, muß selbst von dem, was er sagt, und vornehmlich von dessen Werth, lebendig überzeugt seyn, die Sache wohl und praktisch durchdacht haben, und in dem Augenblick, wo er sie vorträgt, ganz dabei, und von ihr eingenommen seyn. Dieß und ein wohlwollendes Herz sind die Haupterfordernisse dabei; lebhafte Einbildungskraft und Reichthum der Sprache, den er in seiner Gewalt hat, unterstützen es. Das Aeußere giebt sich alsdann von selbst. Etwas kann auch dazu beitragen, wenn man das Gemüth vorher in die gehörige Ruhe setzt, und durch Lesung körniger Stellen aus der heiligen Schrift, oder ähnlicher Schriften, seinem Geiste Nahrung giebt.
Anm. Die hier beschriebene Eigenschaft des Vortrages ist ungefähr das, was die Franzosen mit dem mystischen Namen der Salbung belegen. Die Kraft, welche dauerhafte Eindrücke hervorbringen soll, liegt in der vorgetragenen Sache selbst, und muß von dem Lehrer hervorgezogen oder entwickelt werden. Ist jenes nicht, und geschieht dieses nicht; wirkt der Vortrag bloß auf die Sinne oder Einbildungskraft der Zuhörer: so mag er betäuben und hinreißen; dauerhafte Eindrücke wird er nie machen.
{Der Ausdruck Salbung (χρισμα und χριειν) ist aus 1 Joh. 2, 20. 27. Apostelg. 10, 38. 2 Kor. 1, 21. entlehnt, wo er in der tropischen Bedeutung die Einweihung in eine Lehre oder ein Lehrgeschäft bezeichnet, folglich überhaupt den den Menschen gewordenen Unterricht in der Religion bezeichnet. Erst späterhin hat man in der homiletischen Sprache darunter eine besondere Eigenschaft des Vortrags verstanden. Wenn er nämlich nicht bloß den Verstand beschäftigt, sondern Geist und Gemüth zugleich ergreift, durch |c84| die Stimmung des Redenden seine sichtbare Theilnahme an der Sache unterstützt, und damit eine gewisse Feierlichkeit, wie sie dem hohen Gegenstande angemessen ist, verbindet, so pflegt man dem Redenden, Salbung zuzuschreiben. Die beiden Hauptzwecke des Begriffs scheinen demnach Herzlichkeit und Würde zu seyn. So gebrauchen auch besonders französische Schriftsteller das Wort onction.
A. d. H.}

56.

Auch der lebhafteste Eindruck verliert auf die Länge seine Kraft, und wird durch andere neue und lebhaftere Vorstellungen geschwächt oder verdrängt. Man kann ihn nur dadurch befestigen, daß man ihn gleich, wenn das Gemüth noch ganz davon eingenommen ist, in Ausübung bringt; daß man, wenn dieß nicht gleich geschehen kann, ihn mit seinen Gedanken verfolgt, ihn sich dadurch geläufig macht, und ihn in Empfindung verwandelt; daß man ihn endlich öfters durch Alles, was die Andacht unterhält, wieder auffrischt. Alles dieses zu befördern, wäre also das Dritte (§. 54. 55. ), was der Lehrer zur Erhaltung des guten Eindrucks thun müßte. Er bewege den Zuhörer, gute Vorsätze (z. B. sich mit seinen Feinden auszusöhnen, Almosen zu geben, seine Angelegenheiten Gott zu empfehlen) ohne Aufschub zu vollziehen. Er suche durch Gebet, durch wohlgewählten Gesang, durch den Genuß des heiligen Abendmahls u. dgl. die guten Eindrücke bei den Zuhörern zu befestigen. Er empfehle ihnen durch sein Beispiel religiöse Uebungen, Lesung der heiligen und anderer, ihren Fähigkeiten angemessenen, Schriften, Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes, frommen Umgang, Nachdenken über alles Gehörte oder Gelesene, in beständiger Beziehung auf sie |c85| und die Bedürfnisse ihres Geistes und Herzens; erbiete sich gegen sie zu weiterer Belehrung, und nehme Gelegenheit, bei schicklichen Veranlassungen sich mit ihnen über das, was ihre besondere geistliche Wohlfahrt betrifft, näher zu unterhalten.Auch der lebhafteste Eindruck verliert auf die Länge seine Kraft, und wird durch andere neue und lebhaftere Vorstellungen geschwächt oder verdrängt. Man kann ihn nur dadurch befestigen, daß man ihn gleich, wenn das Gemüth noch ganz davon eingenommen ist, in Ausübung bringt; daß man, wenn dieß nicht gleich geschehen kann, ihn mit seinen Gedanken verfolgt, ihn sich dadurch geläufig macht, und ihn in Empfindung verwandelt; daß man ihn endlich öfters durch Alles, was die Andacht unterhält, wieder auffrischt. Alles dieses zu befördern, wäre also das Dritte (§. 54. 55. ), was der Lehrer zur Erhaltung des guten Eindrucks thun müßte. Er bewege den Zuhörer, gute Vorsätze (z. B. sich mit seinen Feinden auszusöhnen, Almosen zu geben, seine Angelegenheiten Gott zu empfehlen) ohne Aufschub zu vollziehen. Er suche durch Gebet, durch wohlgewählten Gesang, durch den Genuß des heiligen Abendmahls u. dgl. die guten Eindrücke bei den Zuhörern zu befestigen. Er empfehle ihnen durch sein Beispiel religiöse Uebungen, Lesung der heiligen und anderer, ihren Fähigkeiten angemessenen, Schriften, Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes, frommen Umgang, Nachdenken über alles Gehörte oder Gelesene, in beständiger Beziehung auf sie |c85| und die Bedürfnisse ihres Geistes und Herzens; erbiete sich gegen sie zu weiterer Belehrung, und nehme Gelegenheit, bei schicklichen Veranlassungen sich mit ihnen über das, was ihre besondere geistliche Wohlfahrt betrifft, näher zu unterhalten.

57.

Wer die Pflichten eines guten christlichen Volkslehrers, nach dem bisher Gesagten erfüllen wollte, müßte – ein Mann von gesundem Verstande; – von richtigem Geschmacke oder Gefühl des Schicklichen und Unschicklichen; – selbst klarer Begriffe fähig, und gewohnt seyn, klar und ordentlich zu denken; – eine ausgebreitete, richtige, bestimmte, anschauende und praktische Erkenntniß der Religion, – vornehmlich Interesse für Wahrheit, besonders in der Religion, und für alles Gute, – die Gabe, sich gut auszudrücken, und daher auch hinlänglichen Reichthum der Sprache besitzen; – selbst von Herzen fromm seyn, und die eigentliche Absicht haben, auch andere Menschen dahin zu bringen; – endlich, so viel als möglich, die Fähigkeiten und Bedürfnisse seiner Zuhörer kennen, – und nach diesen seinen Vortrag einzurichten verstehen. – Alsdann könnte er allenfalls eines besondern Unterrichts der Homiletik und Katechetik, so wie guter Beispiele im Vortrage, entbehren, und eigene Uebung würde diesen Abgang ersetzen können. Ohne diese und ohne jene Eigenschaften können ihn bloße theoretische Anweisungen und Beispiele nicht zum guten Lehrer des Volks machen. Aber – wenn auch jene Eigenschaften nicht so selten, und nicht noch seltner beisammen wären, – so bedürfen sie doch einer mehrern Ausbildung durch den Unterricht, Rath und Beispiel |c86| Anderer, die mehr Geschicklichkeit, Kenntniß und Erfahrung haben; – und ein besonderer Unterricht über die Einrichtung des guten Vortrags kann, wie bei allen Wissenschaften, das Studium desjenigen, was dazu erfordert wird, sehr erleichtern. – Selbst, wenn ein junger Mann sich bloß nach guten Beispielen bilden wollte, müßte er – um nicht in seiner Wahl zu irren, und gute Eigenschaften der Predigten, oder ihre Fehler, zu übersehen, jene zu vernachlässigen und diese anzunehmen – doch erst auf beide überhaupt aufmerksam gemacht worden seyn. – Vornehmlich giebt es so viele Vorurtheile darüber, die auf Unwissenheit, verdorbenen Geschmack, und der so allgewaltig wirkenden Mode beruhen, daß es schon deswegen nöthig ist, frühzeitig sich um gesunde und feste Grundsätze von der wahren Vollkommenheit des Religionsvortrages zu bewerben.Wer die Pflichten eines guten christlichen Volkslehrers, nach dem bisher Gesagten erfüllen wollte, müßte – ein Mann von gesundem Verstande; – von richtigem Geschmacke oder Gefühl des Schicklichen und Unschicklichen; – selbst klarer Begriffe fähig, und gewohnt seyn, klar und ordentlich zu denken; – eine ausgebreitete, richtige, bestimmte, anschauende und praktische Erkenntniß der Religion, – vornehmlich Interesse für Wahrheit, besonders in der Religion, und für alles Gute, – die Gabe, sich gut auszudrücken, und daher auch hinlänglichen Reichthum der Sprache besitzen; – selbst von Herzen fromm seyn, und die eigentliche Absicht haben, auch andere Menschen dahin zu bringen; – endlich, so viel als möglich, die Fähigkeiten und Bedürfnisse seiner Zuhörer kennen, – und nach diesen seinen Vortrag einzurichten verstehen. – Alsdann könnte er allenfalls eines besondern Unterrichts der Homiletik und Katechetik, so wie guter Beispiele im Vortrage, entbehren, und eigene Uebung würde diesen Abgang ersetzen können. Ohne diese und ohne jene Eigenschaften können ihn bloße theoretische Anweisungen und Beispiele nicht zum guten Lehrer des Volks machen. Aber – wenn auch jene Eigenschaften nicht so selten, und nicht noch seltner beisammen wären, – so bedürfen sie doch einer mehrern Ausbildung durch den Unterricht, Rath und Beispiel |c86| Anderer, die mehr Geschicklichkeit, Kenntniß und Erfahrung haben; – und ein besonderer Unterricht über die Einrichtung des guten Vortrags kann, wie bei allen Wissenschaften, das Studium desjenigen, was dazu erfordert wird, sehr erleichtern. – Selbst, wenn ein junger Mann sich bloß nach guten Beispielen bilden wollte, müßte er – um nicht in seiner Wahl zu irren, und gute Eigenschaften der Predigten, oder ihre Fehler, zu übersehen, jene zu vernachlässigen und diese anzunehmen – doch erst auf beide überhaupt aufmerksam gemacht worden seyn. – Vornehmlich giebt es so viele Vorurtheile darüber, die auf Unwissenheit, verdorbenen Geschmack, und der so allgewaltig wirkenden Mode beruhen, daß es schon deswegen nöthig ist, frühzeitig sich um gesunde und feste Grundsätze von der wahren Vollkommenheit des Religionsvortrages zu bewerben.
Anm. Gut eingerichtete Vorlesungen über die Homiletik, von einem Lehrer, der ein eben so guter Theoretiker als Praktiker wäre, der nicht bloß zur Wohlredenheit, sondern zu wahrer nützlicher Beredtsamkeit, oder vielmehr zu rechter Einrichtung des erbaulichen, zusammenhängenden oder Gesprächsvortrags der Religion, Anweisung gäbe, der nicht sowohl Kunst als Befolgung der Natur, auch in diesem Stücke, lehrte; gute Grundsätze durch wohlgewählte Beispiele deutlich und anschaulich machte; auch, wenn es seyn könnte, die nöthigen Uebungen der Zuhörer unter seiner Aufsicht, damit verbände – nebst dem Umgange mit erfahrnen und in dieser Art bewährten Predigern – würden hier am diensamsten seyn.
Unter den älteren Anweisungen enthalten auch für die jetzige Zeit noch sehr viel Brauchbares: Dr. Erasmi Ecclesiastes s. de ratione concionandi, L. IV. 1554., und And. Hyperius de formandis concionibus sacris, 1553. denuo edidit H. B. Wagnitus, Halae 1781.
|c87| Unter den neueren:
  • Grundsätze zur Bildung künftiger Volkslehrer, Prediger, Katecheten und Pädagogen, von Georg Friedrich Seiler, 2te Ausgabe, Erlangen 1786. gr. 8.
  • Aug. Herm. Niemeyer's Handbuch für christliche Religionslehrer, zweiter Theil (auch unter dem Titel: Homiletik, Pastoralanweisung und Liturgik), 5te Ausgabe, Halle 1807. 8.
  • {J. W. Schmidt's Anleitung zum populären Kanzelvortrag, 1ster bis 3ter Theil. Jena 1787 f.
  • H. A. Schott Theorie der Beredtsamkeit, mit besonderer Anwendung auf die geistliche. Leipzig 1781.; und
  • Dessen kurzgefasster Entwurf der Theorie der Beredtsamkeit. 1815.
  • C. F. Ammon Handbuch, oder Anleitung zur Kanzelberedtsamkeit. Marburg 1812.
|c87| Unter den neueren:
  • Grundsätze zur Bildung künftiger Volkslehrer, Prediger, Katecheten und Pädagogen, von Georg Friedrich Seiler, 2te Ausgabe, Erlangen 1786. gr. 8.
  • Aug. Herm. Niemeyer's Handbuch für christliche Religionslehrer, zweiter Theil (auch unter dem Titel: Homiletik, Pastoralanweisung und Liturgik), 5te Ausgabe, Halle 1807. 8.
  • {J. W. Schmidt's Anleitung zum populären Kanzelvortrag, 1ster bis 3ter Theil. Jena 1787 f.
  • H. A. Schott Theorie der Beredtsamkeit, mit besonderer Anwendung auf die geistliche. Leipzig 1781.; und
  • Dessen kurzgefasster Entwurf der Theorie der Beredtsamkeit. 1815.
  • C. F. Ammon Handbuch, oder Anleitung zur Kanzelberedtsamkeit. Marburg 1812.
Unter den rhetorischen Lehrbüchern, die wenigstens zur feineren Bildung des Predigers dienen, verdienen Hugo Blair's Vorlesungen über Rhetorik und schöne Wissenschaften (aus dem Englischen übersetzt von K. G. Schreiter, Liegnitz 1785 bis 1788., 3 Theile, gr. 8.) vornehmlich studiert zu werden.
A. d. H.}

58.

Eben so großen und vielleicht noch größern Nutzen, als Anweisungen zum erbaulichen Vortrag, haben gute Muster von Predigten und Katechisationen, weil es dem Anfänger schwerer fällt, gute Grundsätze und Regeln wohl anzuwenden, als sie zu verstehen oder überzeugend einzusehen; weil es den Meisten leichter wird, sich nach Beispielen als nach Grundsätzen zu bilden; und weil gute Beispiele mehr Lust zur Nachahmung machen, und den Fleiß in ähnlichen Versuchen ermuntern. Manches, z. B. |c88| die Kunst, den Vortrag concret zu machen, d. i. allgemeine Sätze auf besondere Umstände und Bedürfnisse der Zuhörer zurück zu führen, läßt sich auch nicht durch Regeln, wohl aber aus Beispielen lernen. Man müßte nur bei dem Gebrauch derselben 1) in der Wahl vorsichtig seyn. – Es giebt Predigten, die eher gelehrte oder scharfsinnige Untersuchungen, eher Meisterstücke der Kunst, als Predigten sind, die also, wenn es uns um eigene Belehrung, Ueberzeugung und Erbauung überhaupt, oder um Fortschritte in den schönen Wissenschaften zu thun wäre, für uns unterhaltender und nützlicher seyn mögen, die es aber deswegen nicht sind, sofern wir unsern Vortrag zu Anderer Erbauung darnach bilden wollen. Oft täuscht auch der berühmte Name; denn selbst die musterhaftesten Prediger sind es nur in gewisser Absicht; sie sind es auch nicht in allen ihren Arbeiten, und ihre früheren Versuche kommen selten ihren spätern und reifern Früchten bei. Und sehr oft verursacht die Mode und herrschende Gewohnheit, welche auf manche gute Eigenschaften einer Predigt einen zu großen Werth legt, nebst der Neigung zu dem, was uns leichter wird, oder mehr nach unserm Geschmack und unsern Fähigkeiten ist, daß man sich nur an Eine Art (populärer Predigten, z. B. die oft sehr arm an Sachen, richtigen und bestimmten Gedanken, und um so reicher an Worten sind) hält, und andere, aus welchen man mehr lernen könnte und sollte, vernachlässigt. Man müßte also, wenn es uns wirklich Ernst wäre, in aller Absicht, und auch als Prediger vollkommen zu werden, mehrere Arten von nachahmungswürdigen Predigten oder Katechisationen, nach den oben beschriebenen Eigenschaften, studieren, vornehmlich die, welche nach unserm besondern Beruf, und der Art der Zuhö|c89|rer, mit welchen wir zu thun haben, uns am nöthigsten sind, und die sich durch solche Eigenschaften auszeichnen, an welchen es uns noch mehr als andern fehlt.Eben so großen und vielleicht noch größern Nutzen, als Anweisungen zum erbaulichen Vortrag, haben gute Muster von Predigten und Katechisationen, weil es dem Anfänger schwerer fällt, gute Grundsätze und Regeln wohl anzuwenden, als sie zu verstehen oder überzeugend einzusehen; weil es den Meisten leichter wird, sich nach Beispielen als nach Grundsätzen zu bilden; und weil gute Beispiele mehr Lust zur Nachahmung machen, und den Fleiß in ähnlichen Versuchen ermuntern. Manches, z. B. |c88| die Kunst, den Vortrag concret zu machen, d. i. allgemeine Sätze auf besondere Umstände und Bedürfnisse der Zuhörer zurück zu führen, läßt sich auch nicht durch Regeln, wohl aber aus Beispielen lernen. Man müßte nur bei dem Gebrauch derselben 1) in der Wahl vorsichtig seyn. – Es giebt Predigten, die eher gelehrte oder scharfsinnige Untersuchungen, eher Meisterstücke der Kunst, als Predigten sind, die also, wenn es uns um eigene Belehrung, Ueberzeugung und Erbauung überhaupt, oder um Fortschritte in den schönen Wissenschaften zu thun wäre, für uns unterhaltender und nützlicher seyn mögen, die es aber deswegen nicht sind, sofern wir unsern Vortrag zu Anderer Erbauung darnach bilden wollen. Oft täuscht auch der berühmte Name; denn selbst die musterhaftesten Prediger sind es nur in gewisser Absicht; sie sind es auch nicht in allen ihren Arbeiten, und ihre früheren Versuche kommen selten ihren spätern und reifern Früchten bei. Und sehr oft verursacht die Mode und herrschende Gewohnheit, welche auf manche gute Eigenschaften einer Predigt einen zu großen Werth legt, nebst der Neigung zu dem, was uns leichter wird, oder mehr nach unserm Geschmack und unsern Fähigkeiten ist, daß man sich nur an Eine Art (populärer Predigten, z. B. die oft sehr arm an Sachen, richtigen und bestimmten Gedanken, und um so reicher an Worten sind) hält, und andere, aus welchen man mehr lernen könnte und sollte, vernachlässigt. Man müßte also, wenn es uns wirklich Ernst wäre, in aller Absicht, und auch als Prediger vollkommen zu werden, mehrere Arten von nachahmungswürdigen Predigten oder Katechisationen, nach den oben beschriebenen Eigenschaften, studieren, vornehmlich die, welche nach unserm besondern Beruf, und der Art der Zuhö|c89|rer, mit welchen wir zu thun haben, uns am nöthigsten sind, und die sich durch solche Eigenschaften auszeichnen, an welchen es uns noch mehr als andern fehlt.

59.

Aber man müßte sie 2) nicht eigentlich oder unbedingt nachahmen, d. i. seine Art zu denken, zu empfinden, und sich auszudrücken, nicht nach Andern stimmen, nicht Natur mit Kunst vertauschen wollen. Denn – außerdem, daß eine solche Begierde nachzuahmen, gemeiniglich auf das Eigenthümliche (die Manier) eines Predigers fällt, welches sich ohne unnatürlichen Zwang nicht nachahmen läßt, und Vieles, was selbst fehlerhaft ist, den kleidet, dem es natürlich ist, bei Andern aber lächerlich wird, wenn man ihnen die Mühe ansieht, die sie sich geben, unnatürlich zu handeln: – so hemmt es die Freiheit des Geistes, und verhindert das Gute zu stiften, das jeder nach seiner Art gerade am meisten stiften könnte. Der Vortrag verliert das natürlich-Schöne, und, wenn ich so reden darf, das Herzliche, welches eben daraus entsteht, daß, was man sagt, aus eigener Ueberzeugung und Empfindung, aus wahrer Theilnehmung an der Sache, wie sie sich uns darstellt, fließt, daß es natürlicher Ausbruch des von ihr ganz eingenommenen, durch keine fremden Rücksichten zerstreuten, Verstandes und Herzens ist, und, weil es vom Herzen kommt, auch wieder zu Herzen geht. – Vielmehr müßte man 3) erst, nach eigener Empfindung des Nützlichen und nach bewährten Grundsätzen einer vernünftigen Homiletik, wohl untersuchen, was an gewissen Mustern wirklich nachahmungswürdig sei? und, wenn man bemerkte, daß man es selbst noch nicht, oder nicht genug, in seiner Gewalt hätte, |c90| 4) alsdann, ob man danach trachten könnte? d. i. die Fähigkeit hätte, zwar durch Fleiß und Uebung, aber nicht mit Zwang, eben dieses zu erreichen; welches zu entdecken nicht gar schwer werden kann, wenn man nur aufrichtig sein Gefühl, und, um weniger zu irren, die Urtheile anderer Verständigern befragt. Hernach 5) ob man es auch dürfe? d. i., ob unser Beruf, nebst den Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen unserer Zuhörer, diese Eigenschaften des Vortrags ertragen, oder gar fordern. Wäre man von allem diesen überzeugt, so müßte man 6) wahre Muster sorgfältig in ihre Theile zerlegen, um zu sehen, wie der Andere seine Hauptgedanken erklärt, ausgeführt, sie und ihre Erläuterungen geordnet und ausgedrückt, auch untersuchen, warum er es lieber so, als anders, dargestellt, und was er für Mittel dazu gebraucht hätte?Aber man müßte sie 2) nicht eigentlich oder unbedingt nachahmen, d. i. seine Art zu denken, zu empfinden, und sich auszudrücken, nicht nach Andern stimmen, nicht Natur mit Kunst vertauschen wollen. Denn – außerdem, daß eine solche Begierde nachzuahmen, gemeiniglich auf das Eigenthümliche (die Manier) eines Predigers fällt, welches sich ohne unnatürlichen Zwang nicht nachahmen läßt, und Vieles, was selbst fehlerhaft ist, den kleidet, dem es natürlich ist, bei Andern aber lächerlich wird, wenn man ihnen die Mühe ansieht, die sie sich geben, unnatürlich zu handeln: – so hemmt es die Freiheit des Geistes, und verhindert das Gute zu stiften, das jeder nach seiner Art gerade am meisten stiften könnte. Der Vortrag verliert das natürlich-Schöne, und, wenn ich so reden darf, das Herzliche, welches eben daraus entsteht, daß, was man sagt, aus eigener Ueberzeugung und Empfindung, aus wahrer Theilnehmung an der Sache, wie sie sich uns darstellt, fließt, daß es natürlicher Ausbruch des von ihr ganz eingenommenen, durch keine fremden Rücksichten zerstreuten, Verstandes und Herzens ist, und, weil es vom Herzen kommt, auch wieder zu Herzen geht. – Vielmehr müßte man 3) erst, nach eigener Empfindung des Nützlichen und nach bewährten Grundsätzen einer vernünftigen Homiletik, wohl untersuchen, was an gewissen Mustern wirklich nachahmungswürdig sei? und, wenn man bemerkte, daß man es selbst noch nicht, oder nicht genug, in seiner Gewalt hätte, |c90| 4) alsdann, ob man danach trachten könnte? d. i. die Fähigkeit hätte, zwar durch Fleiß und Uebung, aber nicht mit Zwang, eben dieses zu erreichen; welches zu entdecken nicht gar schwer werden kann, wenn man nur aufrichtig sein Gefühl, und, um weniger zu irren, die Urtheile anderer Verständigern befragt. Hernach 5) ob man es auch dürfe? d. i., ob unser Beruf, nebst den Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen unserer Zuhörer, diese Eigenschaften des Vortrags ertragen, oder gar fordern. Wäre man von allem diesen überzeugt, so müßte man 6) wahre Muster sorgfältig in ihre Theile zerlegen, um zu sehen, wie der Andere seine Hauptgedanken erklärt, ausgeführt, sie und ihre Erläuterungen geordnet und ausgedrückt, auch untersuchen, warum er es lieber so, als anders, dargestellt, und was er für Mittel dazu gebraucht hätte?
Anm. 1) Gute Regeln und Grundsätze der Homiletik, nebst frühzeitigen Uebungen, einen Autor recht zu studieren und auszulegen, kommen uns hier sehr zu statten. Wird es uns im Anfange zu schwer, oder traut man seinem eigenen Urtheil nicht, so nehme man, wo möglich, den Verfasser selbst, oder andere gültige Richter zu Hülfe. Wenn man sein so durchstudiertes Muster auf eine geraume Zeit zurücklegt, um die Lebhaftigkeit der Eindrücke, die es bei uns gemacht hat, sich setzen zu lassen, darauf den Versuch macht, eben dasselbe nach unserer Art auszuführen, und alsdann mit dem Muster zu vergleichen: so wird man bald sehen, ob man im Stande sei, das Gute demselben wirklich abzulernen, und sich eigen zu machen. Doch dieß gehört mehr zu den eigenen Uebungen.
2) Vorzügliche hierher gehörige Predigten und Katechisationen sind in der Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie, §. 561 f. genannt, deren Verzeichniß sich aus der neuesten Zeit noch vermehren läßt.
|c91| {Unter den Lehrbüchern für Katechetik sind zu vergleichen vorzüglich:
  • G. F. Seiler's katechetisches Methodenbuch. Erlangen 1789.
  • J. F. C. Gräff's vollständiges Lehrbuch der allgemeinen Katechetik (ganz nach Kantischen Grundsätzen), 3 Bände, Göttingen 1795 f., nebst des Verfassers Grundriß der Katechetik.
  • F. W. Wolfarth's Versuch eines Lehrbuchs der religiös-moralischen Katechetik und Didaktik, Lemgo 1808.
Katechetische Magazine haben Lang und Gräff herausgegeben. Das Wahre, so wie die vorzüglichsten Proben von Katechisationen s. m. in Niemeyer's und Wagnitz Predigerbibliothek, 3ter und 4ter Theil.
A. d. H.}

60.

Zu allem diesen muß noch eigene Uebung in beiderlei Vortrag kommen, ohne welche man sich weder das Andern abgelernte Gute zu eigen machen, noch jemals eine Fertigkeit im guten Vortrage erhalten kann. Sie kann auch am besten bescheiden machen, wenn man, bei angestellten eigenen Versuchen, sieht, – das Ideal vorausgesetzt, das wir oben entworfen haben, – wie so schwer es sei, ein recht guter Prediger oder Katechet zu werden. Mangel an dieser Bescheidenheit – der immer ein Zeichen ist, daß man entweder für die Wichtigkeit der Sache kein Gefühl habe, oder nicht wisse, wie viel zum guten Vortrage gehöre, oder sich selbst nicht kenne – macht blind gegen eigene Fehler, halsstarrig gegen Anderer Erinnerungen, und verhindert, wie den Wachsthum in der Vollkommenheit, so besonders die Biegsamkeit der Seele, die so nöthig ist, um sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Zuhörer zu richten. |c92| Auf der andern Seite hilft die Uebung wieder der Blödigkeit auf, und macht guten Muth, weil man seine Kräfte und ihren Wachsthum fühlen lernt.Zu allem diesen muß noch eigene Uebung in beiderlei Vortrag kommen, ohne welche man sich weder das Andern abgelernte Gute zu eigen machen, noch jemals eine Fertigkeit im guten Vortrage erhalten kann. Sie kann auch am besten bescheiden machen, wenn man, bei angestellten eigenen Versuchen, sieht, – das Ideal vorausgesetzt, das wir oben entworfen haben, – wie so schwer es sei, ein recht guter Prediger oder Katechet zu werden. Mangel an dieser Bescheidenheit – der immer ein Zeichen ist, daß man entweder für die Wichtigkeit der Sache kein Gefühl habe, oder nicht wisse, wie viel zum guten Vortrage gehöre, oder sich selbst nicht kenne – macht blind gegen eigene Fehler, halsstarrig gegen Anderer Erinnerungen, und verhindert, wie den Wachsthum in der Vollkommenheit, so besonders die Biegsamkeit der Seele, die so nöthig ist, um sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Zuhörer zu richten. |c92| Auf der andern Seite hilft die Uebung wieder der Blödigkeit auf, und macht guten Muth, weil man seine Kräfte und ihren Wachsthum fühlen lernt.

61.

Bei diesen eigenen Uebungen kann man 1) nicht oft und dringend genug den Prediger an den Zweck erinnern, wozu er predigen soll. Du redest – in Gottes Namen; sollst, als sein Werkzeug, seinen Willen und seine Gesinnung verkündigen; bist eigentlich dazu da, die wichtigste Angelegenheit der Menschen zu besorgen, sie durch Religion zu wahren, ihre Würde fühlenden, und ihr gemäß handelnden, wahrhaftig glücklichen Menschen zu machen, ihr Lehrer, ihr Rathgeber, ihr Erinnerer, ihr Tröster, bei allen Angelegenheiten zu seyn, die ihr Gewissen und ihre Gemüthsruhe betreffen. Aber du bist kein Orakel; und, wenn auch Gott unmittelbar durch dich redete, so kannst du ihnen doch weder Glauben, noch Gehorsam, noch Zufriedenheit abzwingen; sie dürfen nicht nur, sie müssen auch prüfen, ob Gott durch dich redet, und dann erst dir folgen. Du mußt also als Mensch mit vernünftigen Menschen reden, die anders nicht gewonnen werden können, als durch Vorstellungen, welche es ihnen, nach ihren Fähigkeiten, Begriffen und Bedürfnissen, klar machen, daß, was du sagest, wahr und gut, und ihnen nothwendig sei, und welchen der Zugang zu eben der Quelle, aus der du schöpfest, zur Vernunft, zur heiligen Schrift und zur Erfahrung, eben so wie dir, offen steht. – Wer diese Zwecke nicht stets vor Augen behält, und nicht alles Ernstes darauf arbeiten will, dessen Vortrag mag übri|c93|gens vortrefflich seyn: erbaulicher Vortrag, gute Predigt, gute Katechisation ist er nicht.Bei diesen eigenen Uebungen kann man 1) nicht oft und dringend genug den Prediger an den Zweck erinnern, wozu er predigen soll. Du redest – in Gottes Namen; sollst, als sein Werkzeug, seinen Willen und seine Gesinnung verkündigen; bist eigentlich dazu da, die wichtigste Angelegenheit der Menschen zu besorgen, sie durch Religion zu wahren, ihre Würde fühlenden, und ihr gemäß handelnden, wahrhaftig glücklichen Menschen zu machen, ihr Lehrer, ihr Rathgeber, ihr Erinnerer, ihr Tröster, bei allen Angelegenheiten zu seyn, die ihr Gewissen und ihre Gemüthsruhe betreffen. Aber du bist kein Orakel; und, wenn auch Gott unmittelbar durch dich redete, so kannst du ihnen doch weder Glauben, noch Gehorsam, noch Zufriedenheit abzwingen; sie dürfen nicht nur, sie müssen auch prüfen, ob Gott durch dich redet, und dann erst dir folgen. Du mußt also als Mensch mit vernünftigen Menschen reden, die anders nicht gewonnen werden können, als durch Vorstellungen, welche es ihnen, nach ihren Fähigkeiten, Begriffen und Bedürfnissen, klar machen, daß, was du sagest, wahr und gut, und ihnen nothwendig sei, und welchen der Zugang zu eben der Quelle, aus der du schöpfest, zur Vernunft, zur heiligen Schrift und zur Erfahrung, eben so wie dir, offen steht. – Wer diese Zwecke nicht stets vor Augen behält, und nicht alles Ernstes darauf arbeiten will, dessen Vortrag mag übri|c93|gens vortrefflich seyn: erbaulicher Vortrag, gute Predigt, gute Katechisation ist er nicht.

62.

Schon dieß kann 2) vor einer Menge höchst verderblicher Fehler bewahren, die sich hier nicht alle nennen lassen. – Wer immer bedächte, daß er in Gottes Namen die Menschen zur Seligkeit weisen sollte, wie könnte der sichs erlauben, fremdartige Dinge, die nicht Religion zum Gegenstande haben, oder sich nicht durch Religionsgründe unterstützen lassen, in den gottesdienstlichen Vortrag zu bringen? 1) wie könnte er predigen, bloß um sich hören zu lassen, und seiner Eitelkeit ein Opfer zu bringen? sich bloß im Declamiren zu üben? 2) bloß glänzen, oder sich überhaupt empfehlen zu wollen? oder auf der andern Seite, seiner Würde vergessen, und sich unanständige Aeußerungen, niedrige oder pöbelhafte Ausdrücke, Action eines Comödianten, oder ähnliche Ausschweifungen zu gute halten, oder gar affectiren? wie könnte es ihm Hauptzweck seyn, die Zuhörer angenehm zu unterhalten, oder den gelehrten und tiefdenkenden Untersucher spielen, oder den Abgang kräftiger Gedanken, heilsamer Vermahnungen und guter Gesinnungen durch schöne Redensarten und Bilder ersetzen wollen? – Wie könnte dann der, welcher es weiß, wie Menschen vernünftig behandelt und gewissenhaft geleitet werden müssen, jeden Vortrag gut genug für seine Zuhörer halten, und anstatt die Bedürfnisse derselben zu studieren und zu befriedigen, das predigen, was ihm das Leichteste wird, oder ihm das Wichtigste scheint, oder zur Unzeit und ohne Schonung aufklären wollen, oder nie auf die Sinne und Ein|c94|bildungskraft arbeiten, und den Verstand der Zuhörer unbeschäftigt, ihr Herz leer und kalt lassen, überhaupt mehr die Kunst, als seine praktischen Einsichten und sein Herz um Rath fragen?Schon dieß kann 2) vor einer Menge höchst verderblicher Fehler bewahren, die sich hier nicht alle nennen lassen. – Wer immer bedächte, daß er in Gottes Namen die Menschen zur Seligkeit weisen sollte, wie könnte der sichs erlauben, fremdartige Dinge, die nicht Religion zum Gegenstande haben, oder sich nicht durch Religionsgründe unterstützen lassen, in den gottesdienstlichen Vortrag zu bringen? 1) wie könnte er predigen, bloß um sich hören zu lassen, und seiner Eitelkeit ein Opfer zu bringen? sich bloß im Declamiren zu üben? 2) bloß glänzen, oder sich überhaupt empfehlen zu wollen? oder auf der andern Seite, seiner Würde vergessen, und sich unanständige Aeußerungen, niedrige oder pöbelhafte Ausdrücke, Action eines Comödianten, oder ähnliche Ausschweifungen zu gute halten, oder gar affectiren? wie könnte es ihm Hauptzweck seyn, die Zuhörer angenehm zu unterhalten, oder den gelehrten und tiefdenkenden Untersucher spielen, oder den Abgang kräftiger Gedanken, heilsamer Vermahnungen und guter Gesinnungen durch schöne Redensarten und Bilder ersetzen wollen? – Wie könnte dann der, welcher es weiß, wie Menschen vernünftig behandelt und gewissenhaft geleitet werden müssen, jeden Vortrag gut genug für seine Zuhörer halten, und anstatt die Bedürfnisse derselben zu studieren und zu befriedigen, das predigen, was ihm das Leichteste wird, oder ihm das Wichtigste scheint, oder zur Unzeit und ohne Schonung aufklären wollen, oder nie auf die Sinne und Ein|c94|bildungskraft arbeiten, und den Verstand der Zuhörer unbeschäftigt, ihr Herz leer und kalt lassen, überhaupt mehr die Kunst, als seine praktischen Einsichten und sein Herz um Rath fragen?
Anm. 1) Was diese Gewohnheit, die seit einiger Zeit Mode zu werden anfängt, für erhebliche Bedenklichkeiten gegen sich habe, würde hier aus einander zu setzen zu weitläufig fallen. Die Frage kann nicht seyn, ob nicht die Religion auch auf das gemeine Leben und auf die besondern Umstände der Zuhörer angewendet, die Zuhörer also auch durch Predigten gewöhnt werden müssen, sie überall anzuwenden? (Dieß sollte ja ein Hauptzweck aller Predigten und Katechisationen seyn.) Es leidet auch keinen vernünftigen Zweifel, ob nicht die sichtbare Schöpfung und deren weise Einrichtungen, falls sie den Zuhörern deutlich gemacht, und mit Anständigkeit gebraucht werden kann, und ob nicht die besondern Erfahrungen und irdische Beschäftigungen der Zuhörer mit zu Hülfe genommen werden dürfen, um Lehren der Religion faßlich, einleuchtend und anschaulich zu machen? Sondern die Frage ist: ob Sachen, die entweder nicht zur Religion oder zur Erweckung und Unterhaltung rechtschaffener Gesinnungen gehören, oder wenigstens nicht durch Gründe aus der Religion dargethan und empfohlen werden können, ob z. B. Verbesserungen im bürgerlichen und häuslichen Leben, ökonomische, medizinische, polizeiliche Rathschläge zum Zweck der Predigten oder Katechisationen gemacht werden dürfen? Versteht sich der Prediger darauf, und findet er es zuträglich, so breite er Belehrungen oder Empfehlungen solcher Sachen im Umgange oder in besondern dazu ausgesetzten Stunden, außer dem Gottesdienste, aus.
{Auch von dieser Meinung scheint man immer mehr zurückzukommen, die eine Folge der sogenannten Aufklärungsperiode war, wo man von manchen Kanzeln Alles eher als das Evangelium predigen hörte, und wo statt dessen die Zu|c95|hörer mit dem Neuesten aus der Landwirtschaft, Naturlehre, Heilkunde, Pädagogik unterhalten wurden. – Dieß ist in seiner Zweckwidrigkeit eingesehen. Nur in politische Gegenstände hat sich unser Zeitalter wieder zu sehr in Predigten eingelassen.}
2) Nur vom Halten der Predigten ist hier die Rede, und wenn es dabei zum vornehmsten oder gar einzigen Zweck gemacht wird, sich zu üben, anstatt Andere zu erbauen; nicht von Entwerfung oder Ausarbeitung einer Predigt. Wie am rechten Orte würde hier eine Bitte an Vorgesetzte stehen, nur mit der äußersten Vorsicht die Erlaubniß zu öffentlichen Vorträgen, zumal vor ansehnlichen christlichen Versammlungen, zu geben, und eine eben so dringende Bitte an Studierende, sie nicht, ohne vorhergehenden reiflich überlegten Rath und genaue Prüfung von verständigen und gewissenhaften Kennern, zu suchen! – wenn mein Zweck sie hier auszuführen erlaubte. Man ist sich zu üben schuldig; aber man ist noch mehr einer christlichen Gemeinde schuldig; und nichts verdirbt, oft auf immer, einen jungen Prädicanten mehr, als das frühzeitige Predigen – und, was noch schlimmer ist, unverständige Bewunderung. – Matth. 9, 36. 1 Tim. 4, 12. Röm. 2, 24.

63.

Ueberhaupt sollte es 3) niemand wagen, predigen zu wollen, wer sich nicht nach der strengsten und gewissenhaftesten Selbstprüfung folgende beide ihm vorgelegte Fragen befriedigend beantworten könnte: – Bist du mit der Sache wirklich bekannt, wovon du reden willst, so bekannt, wie es der Zweck erfordert, zu dem du reden sollst? und – wie steht es um dein Herz und deine Gesinnung gegen diese Sache? – Was kann aus einer Predigt werden, die nicht aus diesen Quellen fließt? Wer noch gar keinen nur etwas reichen Vorrath von Kenntnissen der Sache, der |c96| praktischen Kenntniß derselben, d. i. ihrer verschiedentlichen Beziehung auf Wohl und Weh des Menschen, auf Besserung und Gemüthsruhe, hat; wer sie nicht wenigstens unmittelbar vorher wohl durchdacht, und auf mehreren Seiten angesehen; wer, wenn er sie auch erst von Andern lernen muß, nicht wenigstens sie selbst gedacht, sie zu seinem wirklichen Eigenthum gemacht, sie sich nach seiner Art und von seinem Eigenen viel dazu gedacht hat: was kann dessen Predigt anders seyn, als bloßer Wiederhall, oder schale, unfruchtbare Rede, die dem Zuhörer weder zu Verstand noch zu Herzen dringt? wofür Er sich selbst nicht interessirt, wobei es ihm gleichgültig ist, ob sich die Zuhörer dafür interessiren, wenn Er nur sein Tagewerk gethan hat, allenfalls Sie nur mit Ihm zufrieden sind, mag die Wirkung der Predigt so gering oder schlecht seyn als sie wolle. – Und wie kann er daran Theil nehmen, wenn er selbst noch nie, oder nicht mit allem Ernst, daran gedacht hat, der zu werden, wozu er seine Zuhörer machen will, noch nie selbst die wohlthätigen dauerhaften Wirkungen dieser Lehren erfahren hat?Ueberhaupt sollte es 3) niemand wagen, predigen zu wollen, wer sich nicht nach der strengsten und gewissenhaftesten Selbstprüfung folgende beide ihm vorgelegte Fragen befriedigend beantworten könnte: – Bist du mit der Sache wirklich bekannt, wovon du reden willst, so bekannt, wie es der Zweck erfordert, zu dem du reden sollst? und – wie steht es um dein Herz und deine Gesinnung gegen diese Sache? – Was kann aus einer Predigt werden, die nicht aus diesen Quellen fließt? Wer noch gar keinen nur etwas reichen Vorrath von Kenntnissen der Sache, der |c96| praktischen Kenntniß derselben, d. i. ihrer verschiedentlichen Beziehung auf Wohl und Weh des Menschen, auf Besserung und Gemüthsruhe, hat; wer sie nicht wenigstens unmittelbar vorher wohl durchdacht, und auf mehreren Seiten angesehen; wer, wenn er sie auch erst von Andern lernen muß, nicht wenigstens sie selbst gedacht, sie zu seinem wirklichen Eigenthum gemacht, sie sich nach seiner Art und von seinem Eigenen viel dazu gedacht hat: was kann dessen Predigt anders seyn, als bloßer Wiederhall, oder schale, unfruchtbare Rede, die dem Zuhörer weder zu Verstand noch zu Herzen dringt? wofür Er sich selbst nicht interessirt, wobei es ihm gleichgültig ist, ob sich die Zuhörer dafür interessiren, wenn Er nur sein Tagewerk gethan hat, allenfalls Sie nur mit Ihm zufrieden sind, mag die Wirkung der Predigt so gering oder schlecht seyn als sie wolle. – Und wie kann er daran Theil nehmen, wenn er selbst noch nie, oder nicht mit allem Ernst, daran gedacht hat, der zu werden, wozu er seine Zuhörer machen will, noch nie selbst die wohlthätigen dauerhaften Wirkungen dieser Lehren erfahren hat?
Anm. Wie groß ist auch in dieser Absicht der Segen frühzeitiger Frömmigkeit. – Lieber junger Freund! Wenn dir das Interesse für das, was irgend in Absicht auf Religion und Tugend praktisch ist, nicht über alles andere Interesse geht; wenn du über das Wahre und Gute dieser Art noch nie verlegen und unruhig geworden bist; Religion noch nie an deine Bedürfnisse geknüpft, sie nicht zu deinem täglichen Geschäfte gemacht hast; wenn du noch keinen Trieb fühlst, Andern in diesen Angelegenheiten nach deinem besten Vermögen zu rathen und zu helfen: so hast du noch keinen Beruf zum Predigen. Schone dann wenigstens Anderer, und entweihe das Heiligthum Gottes nicht!

|c97| 64.

Dieß vorausgesetzt, wäre es bei eigenen Uebungen 4) immer rathsam, wenn man es möglich machen könnte, sie nicht eher zu unternehmen, als bis man die Grundsätze und Regeln des guten Vortrags sich wohl bekannt gemacht hätte, und den Anfang der Uebungen mit genauer Zergliederung musterhafter Predigten von Andern zu machen. Man lernt dadurch erst recht einsehen, was und wie viel zu einer guten Predigt und der Ausführung einer Lehre gehört; man gewöhnt sich an Ordnung, die Seele alles guten Vortrags, an Verdeutlichung der Sache, an gehörige Darstellung derselben, an bedächtigere Ueberlegung. 1) – 5) Der Ausdruck wird sich zwar meistens von selbst bilden, wenn nur das da ist, was nach dem vorigen §. voraus zu setzen war. Ausdruck und Vorstellungen hängen so innig zusammen, daß, wer sich ordentlich, deutlich und bestimmt zu denken gewöhnt, sich gewiß auch so ausdrücken, und selbst eindrücklich sprechen wird, wenn er nur spricht, wie es ihm ums Herz ist. Auch selbst Fehler im Ausdruck, falls sie nur nicht zu auffallend sind, mißfallen nicht, wenigstens nicht lange, wenn sie nur dem Redenden eigenthümlich sind; Fehler der Natur sind erträglicher als Schönheit und Kunst, der man den Zwang und die Mühe ansieht. Aber freilich gehört auch Gewandtheit in der Sprache dazu, ohne welche man selbst nicht recht gut denken wird; und deswegen ist fleißige frühzeitige Uebung im guten Ausdruck in derjenigen Sprache nöthig, worin der Prediger dereinst reden soll. Nun giebts in jeder gebildetern Sprache verschiedene Arten des Ausdrucks: eine gemeinere und feinere, letztere mit mehr oder weniger Geschmack gebildet, natürlich-schön oder geziert. Selbst der Sprachgebrauch hat ge|c98|wisse Ausdrücke nur gewissen Gegenständen gewidmet, nur in gewissen Arten des Vortrags gebilligt, so daß sie deswegen, anderswo gebraucht, für unnatürlich gehalten werden. Der Hauptcharakter der religiösen Sprache ist Würde. Diese Sprache leidet daher gewisse feierliche Ausdrücke, die in der gewöhnlichen, selbst feinern, Sprache nicht üblich, oder abgekommen sind; von gemeinen Ausdrücken verträgt sie nur die, welche nicht bloß der gemeinen Sprache eigen sind; und aus der feinern Sprache nur die, welche sich durch Würde empfehlen, und nicht bloß in der Büchersprache gewöhnlich sind. 2) Doch leidet auch die religiöse Sprache von Zeit zu Zeit Veränderungen. Sie ist selbst in verschiedenen Gegenden und verschiedenen Klassen von Lesern verschieden, die oft dergestalt ihre Vorstellungen und Empfindungen in der Religion an sie binden, daß durch andere Arten des Ausdrucks ihre Andacht gestört, wenigstens nicht so, wie durch die ihnen geläufige Religionssprache, befördert und unterhalten, ja selbst die Sache ihnen verleidet, und der Lehrer, der sich nicht nach ihrer religiösen Sprache richtet, anstößig wird. 3) Man sollte also mehr den Charakter der religiösen Sprache studieren, sich vor aller Verderbung derselben sowohl aus der gemeinen, als aus der feinern Sprache hüten, und sich die besonders bekannt machen, an welche die besondere Art der Zuhörer gewöhnt ist, mit der man zu thun hat, und auch darin sich nach ihren Bedürfnissen bequemen.Dieß vorausgesetzt, wäre es bei eigenen Uebungen 4) immer rathsam, wenn man es möglich machen könnte, sie nicht eher zu unternehmen, als bis man die Grundsätze und Regeln des guten Vortrags sich wohl bekannt gemacht hätte, und den Anfang der Uebungen mit genauer Zergliederung musterhafter Predigten von Andern zu machen. Man lernt dadurch erst recht einsehen, was und wie viel zu einer guten Predigt und der Ausführung einer Lehre gehört; man gewöhnt sich an Ordnung, die Seele alles guten Vortrags, an Verdeutlichung der Sache, an gehörige Darstellung derselben, an bedächtigere Ueberlegung. 1) – 5) Der Ausdruck wird sich zwar meistens von selbst bilden, wenn nur das da ist, was nach dem vorigen §. voraus zu setzen war. Ausdruck und Vorstellungen hängen so innig zusammen, daß, wer sich ordentlich, deutlich und bestimmt zu denken gewöhnt, sich gewiß auch so ausdrücken, und selbst eindrücklich sprechen wird, wenn er nur spricht, wie es ihm ums Herz ist. Auch selbst Fehler im Ausdruck, falls sie nur nicht zu auffallend sind, mißfallen nicht, wenigstens nicht lange, wenn sie nur dem Redenden eigenthümlich sind; Fehler der Natur sind erträglicher als Schönheit und Kunst, der man den Zwang und die Mühe ansieht. Aber freilich gehört auch Gewandtheit in der Sprache dazu, ohne welche man selbst nicht recht gut denken wird; und deswegen ist fleißige frühzeitige Uebung im guten Ausdruck in derjenigen Sprache nöthig, worin der Prediger dereinst reden soll. Nun giebts in jeder gebildetern Sprache verschiedene Arten des Ausdrucks: eine gemeinere und feinere, letztere mit mehr oder weniger Geschmack gebildet, natürlich-schön oder geziert. Selbst der Sprachgebrauch hat ge|c98|wisse Ausdrücke nur gewissen Gegenständen gewidmet, nur in gewissen Arten des Vortrags gebilligt, so daß sie deswegen, anderswo gebraucht, für unnatürlich gehalten werden. Der Hauptcharakter der religiösen Sprache ist Würde. Diese Sprache leidet daher gewisse feierliche Ausdrücke, die in der gewöhnlichen, selbst feinern, Sprache nicht üblich, oder abgekommen sind; von gemeinen Ausdrücken verträgt sie nur die, welche nicht bloß der gemeinen Sprache eigen sind; und aus der feinern Sprache nur die, welche sich durch Würde empfehlen, und nicht bloß in der Büchersprache gewöhnlich sind. 2) Doch leidet auch die religiöse Sprache von Zeit zu Zeit Veränderungen. Sie ist selbst in verschiedenen Gegenden und verschiedenen Klassen von Lesern verschieden, die oft dergestalt ihre Vorstellungen und Empfindungen in der Religion an sie binden, daß durch andere Arten des Ausdrucks ihre Andacht gestört, wenigstens nicht so, wie durch die ihnen geläufige Religionssprache, befördert und unterhalten, ja selbst die Sache ihnen verleidet, und der Lehrer, der sich nicht nach ihrer religiösen Sprache richtet, anstößig wird. 3) Man sollte also mehr den Charakter der religiösen Sprache studieren, sich vor aller Verderbung derselben sowohl aus der gemeinen, als aus der feinern Sprache hüten, und sich die besonders bekannt machen, an welche die besondere Art der Zuhörer gewöhnt ist, mit der man zu thun hat, und auch darin sich nach ihren Bedürfnissen bequemen.
Anm. 1) Es versteht sich, daß hier von keiner ängstlichen, steifen Methode die Rede sei. Im Vortrage kann sehr viele natürliche Ordnung herrschen, die der Zuhörer wohl fühlt, ohne daß man sie ihm vorzuzeichnen braucht. Nur da, wo nicht Eins aus dem Andern, beim ordentlichen Denken natürlich folgt, scheint es, wenigstens zur Beför|c99|derung der Aufmerksamkeit und zum bessern Behalten, nöthig zu seyn, daß der Prediger durch Worte oder durch Zahlen, angebe, wo eine neue Vorstellung anfange. Uebrigens tritt hier, nach angestellter Zergliederung fremder Arbeiten, noch die Uebung ein, die schon oben §. 59. Anm. 1. erwähnt worden ist.
2) Hiernach, dünkt mich, müßte das bestimmt werden, was, in Absicht auf das Anständige des Ausdrucks, dem Religionsvortrage geziemt. Von je her hat man unter gebildetern Nationen, da, wo etwas mit einem gewissen Ansehen wirken sollte, in der Poesie, bei feierlichen Urkunden und Gesetzen, in der Religion insbesondere, eine dergleichen Vorträgen eigenthümliche Sprache gebraucht. Man wird alsdann, selbst durch die Art der Wörter, an die Würde der Sachen erinnert: und wo ist dieß nöthiger, als bei der Religion? Man kann nicht würdig genug von Gott und den höchsten Angelegenheiten des Menschen denken, und geweihte Ausdrücke halten dem Hange der Menschen, zu gering oder zu menschlich von Gott zu denken, einigermaaßen das Gleichgewicht. Ueberdieß hängen den Ausdrücken, die man aus dem gemeinen Leben hernehmen und auf Gegenstände der Religion anwenden mußte, oft so viele Nebenbegriffe an, die selbst Irrthümer oder doch niedrige Vorstellungen in der Religion erwecken; und eben so sind die Wörter der feinern Gesellschaftssprache mehr zur angenehmern und gefälligern, als zur ernsthaftern Unterhaltung erfunden, und arten daher leicht in leere und täuschende Wörter aus; sie sind mehr fein als stark, mehr witzig oder höflich als edel; und die gelehrtere Sprache neigt sich mehr zum Trocknen als Lebhaften, ist ganz für den Verstand, nicht fürs Herz gemacht, befördert mehr die deutliche und bestimmte als die anschauliche Erkenntniß: daß alle diese Spracharten nicht ganz dürfen im Vortrage der Religion nachgeahmt werden, wenn dieser nicht seine Würde und die so nöthige Wirkung aufs Herz verlieren soll.
|c100| 3) Wenn die Bibel auch nicht schon das unter Christen allgemein gebräuchlichste Religionsbuch wäre, woran sich also unsere Religionsbegriffe und Empfindungen fast unzertrennlich knüpfen, und ihre Sprache zu der eigentlich geweihten Religionssprache machen, so verdiente sie das Muster zu seyn, nach der sich diese ganz bilden sollte. Auch der gereinigtste Geschmack, wenn er die Natur religiöser Empfindungen und Würde zu Rathe zieht, kann keine edlere, kraftvollere, von Trockenheit und Schwulst gleich weit entferntere, eben so deutliche und einfältige als herzliche, der vernünftigen Andacht angemeßnere Sprache, erfinden, als die in der Bibel da herrscht, wo sie Lehren darstellt, oder religiöse Empfindung ausdrückt – und glücklicher Weise ist davon in keiner Uebersetzung weniger verloren gegangen, als in der Lutherschen. Auch in dieser Absicht sollte jeder Prediger die Bibel, und namentlich auch Luthers Uebersetzung, zu seinem täglichen Handbuch machen, und nicht glauben, daß er irgend woher eine bessere Religionssprache leiten könnte. Es versteht sich, daß dieß nur in so weit gilt, als sie verständlich, und in der Uebersetzung der Sinn nicht verfehlt ist. Verliert die Sprache der Bibel nichts an Kraft des Ausdrucks, wenn man sie in deutlichere Worte umkleidet, so wähle man letztere, um nicht für die meisten Zuhörer leere Worte einzuführen, oder Mißverstand zu veranlassen. Und eben dieß mag erlaubt seyn, wo morgenländische Vorstellungen, Ort- und Zeitideen der Vorwelt, bei der biblischen Sprache und Bildern zum Grunde liegen, wenn dieses, und daß sie unsern richtigern Begriffen nicht gemäß sind, erweislich ist. Außerdem, und wenn man nur dem Volke, in Schulen zumal, die ebräisch-artigen und ähnlichen Ausdrücke und Bilder recht erklärte, daß es dabei das denken lernte, was sie sagen sollen, wäre es rathsamer, selbst die eigenthümliche Sprache der Bibel, wegen der vorhin angeführten Ursachen, überall beizubehalten.
|c101| {Man irrt, wenn man glaubt, das viele Bildliche und oft Poetische sei durchaus einzig der Deutlichkeit hinderlich. Poesie ist älter als Prosa, und die wahre Volkssprache, und so alles mehr durch Versinnlichung veranschaulicht. Man hat unrecht gethan in neuern Zeiten, alles Bildliche der Bibelsprache in eine oft wortvolle Prosa übersetzen zu wollen, und sehr viele biblische Wörter ausgehoben, die unbedenklich auch in populären Unterricht beibehalten werden können. Man macht sich oft allzu geringe Vorstellungen von dem Fassungsvermögen des Volks.
A. d. H.}
4) Die Religionssprache, und die besondere an einem Ort oder bei gewissen Zuhörern übliche Art, sich darin auszudrücken, richtet sich nach den Erbauungsbüchern und Gesängen, die von ihnen gewöhnlich gebraucht werden, und ist daher biblisch, mystisch, wissenschaftlich u. s. f., je nachdem es jene sind. Je mehr sich der Ton der Bücher, die man lieset, von der Würde der Religion entfernt, je mehr verdirbt man sich durch Lesung solcher Bücher zum guten Vortrag der Religion. Eine Hauptursache des immer mehr überhand nehmenden, schön oder philosophisch seyn sollenden, für jeden, der wahre Erbauung liebt, und auf Würde in der Religion sieht, unerträglichen Tons, der unzeitigen Neuerungssucht, und des Vortrags ganz anderer Sachen als der Religion und des Christenthums, in Predigten, ist die bei vielen beinahe ausschließliche und schwelgerische Lectüre der Zeitschriften und Lesebücher, die gemeiniglich eben so sehr den Geschmack vieler künftigen Prediger, als ihren Verstand und ihr Herz verdirbt, und wobei gar nicht bedacht wird, daß wenn auch manche neue Ausdrücke recht brauchbar wären, doch die Zuhörer nicht eben so wie etwa der an die Lectüre der neuesten Schriften gewöhnte Prediger, mit der Sprache fortgehen könne, folglich ihnen daher selbst der glücklichste neue Ausdruck doch sehr unverständlich seyn kann. –

|c102| 65.

Vorzüglich sollte man sich 6) in Predigten über historische Texte und Parabeln der Bibel, und überhaupt in Homilien, üben; denn sie sind dem, der es versucht, schwerer, als eigentliche Lehrvorträge. Bei diesen glaubt man sich, ohne viel gelernt zu haben, mit seinem Nachdenken und mit dem genossenen allgemeinern Unterricht in der Religion helfen zu können; bei jenen wird mehr eigner Fleiß, mehr Bekanntschaft mit dem Sinn der heiligen Schrift, mit dem Herzen und Leben der Menschen, mehr praktischer Verstand, mehr Biegsamkeit und Gewandtheit der Seele erfordert; und gute Muster hat man in dieser Art weniger, als bei dem Lehrvortrag. Sie sind auch für den Zuhörer faßlicher, anziehender und praktischer.Vorzüglich sollte man sich 6) in Predigten über historische Texte und Parabeln der Bibel, und überhaupt in Homilien, üben; denn sie sind dem, der es versucht, schwerer, als eigentliche Lehrvorträge. Bei diesen glaubt man sich, ohne viel gelernt zu haben, mit seinem Nachdenken und mit dem genossenen allgemeinern Unterricht in der Religion helfen zu können; bei jenen wird mehr eigner Fleiß, mehr Bekanntschaft mit dem Sinn der heiligen Schrift, mit dem Herzen und Leben der Menschen, mehr praktischer Verstand, mehr Biegsamkeit und Gewandtheit der Seele erfordert; und gute Muster hat man in dieser Art weniger, als bei dem Lehrvortrag. Sie sind auch für den Zuhörer faßlicher, anziehender und praktischer.
Anm. S. oben §. 54. in der 2ten Anmerkung, und einige schöne Erinnerungen darüber in (Herder's) Briefen, das Studium der Religion betreffend, 4ter Theil, im 40sten und den folgenden Briefen.
{Hülfsmittel und Muster sind von verschiedenen Seiten Chrysostomus, Luther, unter den Neuern Teller, Sontag, Lange, Nebe und Fischer. Die doppelte Seite der Homilien ist von Ammon, im Handbuch für Kanzelberedtsamkeit S. 101, sehr gut ins Licht gesetzt.
A. d. H.}

66.

Anfänglich ist es 7) zu rathen, daß man seine Aufsätze ganz ausarbeite und wörtlich niederschreibe; denn da ist strenge Aufmerksamkeit auf den ganzen Vortrag und Genauigkeit nöthig. Bei zugenommener Fertigkeit, und wenn erst die guten Eigenschaften des Vortrags uns geläufig geworden sind, kann man, außerordentliche |c103| Fälle ausgenommen, oder wenn man ausgesuchtere Zuhörer vor sich hat, sich mit einen guten Entwurf begnügen, wenn man ihn nur ganz durchdenkt. – Aber man hüte sich ja vor dem Ablesen bei dem Vortrag selbst. Gut ablesen können ohnehin nur Wenige. Die Lebhaftigkeit des Vortrags leidet bei dem Ablesen. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird weit mehr durch den eigentlichen Vortrag unterhalten. Bei diesem fällt dem Prediger viel Gutes und Dringendes erst ein, und wird durch die Umstände oder durch den Eindruck, den man bei den Zuhörern gemacht zu haben glaubt, veranlaßt. Und wer öfters und bisweilen ohne viele Vorbereitung predigen muß, würde oft in große, selbst dem Vortrage nachtheilige Verlegenheit kommen. Man gewöhne sich also frühzeitig, ganz aufgeschriebene Vorträge nicht wörtlich, sondern durch wiederholtes bedächtiges Durchlesen sich einzudrücken, immer aber, nach dem gemachten Entwurfe, das, was man darüber sagen will, ausführlich und deutlich durchzudenken. – 8) Eine besondere Uebung im sogenannten Declamiren ist meistens sehr entbehrlich, wenn man nicht Fehler der Natur und der Gewohnheit durch Uebung zu überwinden hat. Prediger sollen ja keine eigentlichen Redner, noch weniger Schauspieler seyn. Wer voll von der Sache ist, die er empfehlen will; wer aus wahrer Ueberzeugung, und mit dem ernsten Willen, seine Zuhörer zu bessern, spricht; wer gegenwärtiges Geistes ist, und wer sich nicht an wörtliches Auswendiglernen gewöhnt hat: dem wird es nicht schwer werden, auch äußerlich gut vorzutragen. Aber die frühzeitige Uebung, gut zu lesen oder auszusprechen, d. i. die Stimme so abzuändern, wie es die Natur der Sache erfordert, oder dem Ausdruck der Begriffe, auf die man am meisten aufmerksam machen |c104| will, dem Affect, der Verhütung des Mißverstandes u. dgl. angemessen ist – kann man nie genug empfehlen .Anfänglich ist es 7) zu rathen, daß man seine Aufsätze ganz ausarbeite und wörtlich niederschreibe; denn da ist strenge Aufmerksamkeit auf den ganzen Vortrag und Genauigkeit nöthig. Bei zugenommener Fertigkeit, und wenn erst die guten Eigenschaften des Vortrags uns geläufig geworden sind, kann man, außerordentliche |c103| Fälle ausgenommen, oder wenn man ausgesuchtere Zuhörer vor sich hat, sich mit einen guten Entwurf begnügen, wenn man ihn nur ganz durchdenkt. – Aber man hüte sich ja vor dem Ablesen bei dem Vortrag selbst. Gut ablesen können ohnehin nur Wenige. Die Lebhaftigkeit des Vortrags leidet bei dem Ablesen. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird weit mehr durch den eigentlichen Vortrag unterhalten. Bei diesem fällt dem Prediger viel Gutes und Dringendes erst ein, und wird durch die Umstände oder durch den Eindruck, den man bei den Zuhörern gemacht zu haben glaubt, veranlaßt. Und wer öfters und bisweilen ohne viele Vorbereitung predigen muß, würde oft in große, selbst dem Vortrage nachtheilige Verlegenheit kommen. Man gewöhne sich also frühzeitig, ganz aufgeschriebene Vorträge nicht wörtlich, sondern durch wiederholtes bedächtiges Durchlesen sich einzudrücken, immer aber, nach dem gemachten Entwurfe, das, was man darüber sagen will, ausführlich und deutlich durchzudenken. – 8) Eine besondere Uebung im sogenannten Declamiren ist meistens sehr entbehrlich, wenn man nicht Fehler der Natur und der Gewohnheit durch Uebung zu überwinden hat. Prediger sollen ja keine eigentlichen Redner, noch weniger Schauspieler seyn. Wer voll von der Sache ist, die er empfehlen will; wer aus wahrer Ueberzeugung, und mit dem ernsten Willen, seine Zuhörer zu bessern, spricht; wer gegenwärtiges Geistes ist, und wer sich nicht an wörtliches Auswendiglernen gewöhnt hat: dem wird es nicht schwer werden, auch äußerlich gut vorzutragen. Aber die frühzeitige Uebung, gut zu lesen oder auszusprechen, d. i. die Stimme so abzuändern, wie es die Natur der Sache erfordert, oder dem Ausdruck der Begriffe, auf die man am meisten aufmerksam machen |c104| will, dem Affect, der Verhütung des Mißverstandes u. dgl. angemessen ist – kann man nie genug empfehlen .
{Anm. Gewisse Uebungen in dem, was man Declamiren nennt, so fern man nur nicht unrichtige Begriffe damit verbindet, dürften auch nicht zu verwerfen seyn. Aber eigentlich gehören sie unter die frühern Vorbereitungsstudien des Theologen, und die Homiletik, die allerdings auch auf mündlichen und feierlichen Vortrag Rücksicht nimmt, muß ja das, was in der Predigt schicklich und würdig ist, gehörig bestimmen.
A. d. H.}

67.

Hierbei und bei aller dieser eigenen Uebung muß man sich aber 9) nie auf sein Urtheil allein verlassen, sondern das Urtheil der Verständigeren zu Rathe ziehen: weil oft Gewohnheit unsere Fehler schön macht; ein Anfänger, wenn er auch die guten Eigenschaften und Fehler des erbaulichen Vortrags kennte, doch noch nicht schon auf alles dieses aufmerksam ist; und es bei dem Vortrage nicht in Anschlag kommt, was uns, sondern was Andern gut oder fehlerhaft scheint, bei ihnen, nicht bei uns, gewisse Wirkungen hervorbringt. – Am besten arbeitet man unter der Aufsicht, wenigstens unter der Kritik, eines Kenners. Kann man diese nicht haben, so gebe man auf die Urtheile Acht, die man etwa von den Zuhörern über den abgelegten Vortrag fällen hört, oder auf die Wirkungen, die unser Vortrag bei den Zuhörern, in Absicht auf Erkenntniß und Besserung, gethan hat; vorausgesetzt, daß man versichert seyn kann, die Ursache, warum und wie fern er gefallen oder mißgefallen hat, liege nicht in gewissen zufälligen Umständen, die, anstatt des Vortrags selbst, die Urtheile gestimmt, oder die und die Wirkungen verursacht haben, – |c105| und arbeite danach immer mehr an der Besserung des Vortrages.Hierbei und bei aller dieser eigenen Uebung muß man sich aber 9) nie auf sein Urtheil allein verlassen, sondern das Urtheil der Verständigeren zu Rathe ziehen: weil oft Gewohnheit unsere Fehler schön macht; ein Anfänger, wenn er auch die guten Eigenschaften und Fehler des erbaulichen Vortrags kennte, doch noch nicht schon auf alles dieses aufmerksam ist; und es bei dem Vortrage nicht in Anschlag kommt, was uns, sondern was Andern gut oder fehlerhaft scheint, bei ihnen, nicht bei uns, gewisse Wirkungen hervorbringt. – Am besten arbeitet man unter der Aufsicht, wenigstens unter der Kritik, eines Kenners. Kann man diese nicht haben, so gebe man auf die Urtheile Acht, die man etwa von den Zuhörern über den abgelegten Vortrag fällen hört, oder auf die Wirkungen, die unser Vortrag bei den Zuhörern, in Absicht auf Erkenntniß und Besserung, gethan hat; vorausgesetzt, daß man versichert seyn kann, die Ursache, warum und wie fern er gefallen oder mißgefallen hat, liege nicht in gewissen zufälligen Umständen, die, anstatt des Vortrags selbst, die Urtheile gestimmt, oder die und die Wirkungen verursacht haben, – |c105| und arbeite danach immer mehr an der Besserung des Vortrages.
Anm. Unbestimmte Urtheile ohne Anzeige desjenigen, was eigentlich den Zuhörern gefiel oder mißfiel, und – wenn dieses Urtheil nicht von selbst klar ist – ohne Anzeige des Grundes, warum? können hier gar nichts helfen: und dem muß es wenig um eigene Verbesserung zu thun seyn, dem ein solches Lob gefallen, und ihn blenden kann. – Unter den Urtheilen derer, die nicht eigentliche Kenner der Erfordernisse eines guten erbaulichen Vortrags sind, verdienen die Urtheile oder Anzeigen derer immer den Vorzug, bei welchen sich Wirkungen auf ihre Erkenntniß der vorgetragenen Sachen oder auf ihre Besserung äußern. Bei Katechisationen z. B. und Wiederholungen der Predigten, zeigt schon die Verlegenheit solcher Kinder oder Zuhörer, die sonst wegen ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse, und Gabe sich auszudrücken, bekannt sind, oder Mißverstand, den sie in ihren Antworten äußern, daß ein Fehler in dem Vortrage des Lehrers liegen müsse; und die Aeußerung guter, zumal nicht durch Wissenschaften gebildeter Christen, daß sie dieses und jenes Beniemte nicht recht verstanden, oder daß sie es zur Befestigung in der und der Ueberzeugung und in dem und dem Vorsatz dienlich, in der und der Absicht sich gedemüthigt oder ermuntert befunden haben, – ist mehr werth und lehrreicher, als alle andere Urtheile.

Zusatz des Herausgebers.

Je länger ich unser kirchliches und namentlich unser Predigtwesen beobachte, desto mehr will sich meiner die Besorgniß bemächtigen, daß die Wirkungen davon geringer sind, als sich viele selbst von denen, die es mit ganzem Ernst treiben, vorstellen mögen. Es würde sehr ungerecht seyn, den Grund davon in den Lehrenden oder in der Be|c106|schaffenheit der Vorträge allein zu suchen. Er liegt eben sowohl in der Beschaffenheit der Zuhörer und in dem Geiste der Zeit – der, wenn er nicht schlimmer als vordem, doch auf keinen Fall von dieser Seite besser geworden ist.Je länger ich unser kirchliches und namentlich unser Predigtwesen beobachte, desto mehr will sich meiner die Besorgniß bemächtigen, daß die Wirkungen davon geringer sind, als sich viele selbst von denen, die es mit ganzem Ernst treiben, vorstellen mögen. Es würde sehr ungerecht seyn, den Grund davon in den Lehrenden oder in der Be|c106|schaffenheit der Vorträge allein zu suchen. Er liegt eben sowohl in der Beschaffenheit der Zuhörer und in dem Geiste der Zeit – der, wenn er nicht schlimmer als vordem, doch auf keinen Fall von dieser Seite besser geworden ist.
Indeß erfordert es doch wohl eine recht ernstliche Prüfung, ob, wenn man viele christliche Gemeinden nimmt wie sie sind, und die Stufe der Bildung, auf der sie stehen, in Anschlag bringt, nicht in der Art und Weise, wie von den meisten Predigern gepredigt wird, auch ein Grund der geringen Wirkung zu suchen sei. Die Predigt, als Kunstwerk nach rhetorischen Gesetzen und homiletischen Formen zugerichtet, überhaupt jeder lange zusammenhängende Vortrag, geht für die meisten Ungelehrten verloren, und es ist psychologisch unmöglich, daß er ihre Aufmerksamkeit zusammenhalte und ihre Theilnahme erwecke. Die Länge selbst schadet auch dem populärsten Vortrage; und regt sich erst der Wunsch und die Sehnsucht nach dem Ende, so rechnet man vergebens auf einen bleibenden Eindruck.Indeß erfordert es doch wohl eine recht ernstliche Prüfung, ob, wenn man viele christliche Gemeinden nimmt wie sie sind, und die Stufe der Bildung, auf der sie stehen, in Anschlag bringt, nicht in der Art und Weise, wie von den meisten Predigern gepredigt wird, auch ein Grund der geringen Wirkung zu suchen sei. Die Predigt, als Kunstwerk nach rhetorischen Gesetzen und homiletischen Formen zugerichtet, überhaupt jeder lange zusammenhängende Vortrag, geht für die meisten Ungelehrten verloren, und es ist psychologisch unmöglich, daß er ihre Aufmerksamkeit zusammenhalte und ihre Theilnahme erwecke. Die Länge selbst schadet auch dem populärsten Vortrage; und regt sich erst der Wunsch und die Sehnsucht nach dem Ende, so rechnet man vergebens auf einen bleibenden Eindruck.
Man sollte daher auf die größte Mannichfaltigkeit in der Form der Mittheilung sinnen; Alles mehr abkürzen, aber desto kräftiger zum Herzen sprechen; viel mehr wenigstens in Gegenwart der Erwachsenen katechesiren; oder einer rührenden und würdigen Abendmahlsfeier nicht lange Vorträge vorhergehen lassen, und wo möglich öfter, Alter, Stände und Berufsarten (wie schon oben bemerkt ist) von einander sondern.Man sollte daher auf die größte Mannichfaltigkeit in der Form der Mittheilung sinnen; Alles mehr abkürzen, aber desto kräftiger zum Herzen sprechen; viel mehr wenigstens in Gegenwart der Erwachsenen katechesiren; oder einer rührenden und würdigen Abendmahlsfeier nicht lange Vorträge vorhergehen lassen, und wo möglich öfter, Alter, Stände und Berufsarten (wie schon oben bemerkt ist) von einander sondern.
In den Schriften, welche neuerlich über die Mittel, die gesunkene Religiösität wieder zu heben, erschienen sind, findet man auch hierüber viele beachtungswerthe Ideen und Vorschläge. Ich darf auch wohl an meine Briefe an christliche Religionslehrer, besonders die 3te Sammlung, errinnern.In den Schriften, welche neuerlich über die Mittel, die gesunkene Religiösität wieder zu heben, erschienen sind, findet man auch hierüber viele beachtungswerthe Ideen und Vorschläge. Ich darf auch wohl an meine Briefe an christliche Religionslehrer, besonders die 3te Sammlung, errinnern.