<div type="chapter" xml:id="bs_b_1">
  <head><pb xml:id="bs_b_page_10" edRef="#b" n="10"/>
    <choice>
      <orig>Ueber das Bekentnis selbst.</orig>
      <supplied reason="toc-title">Ueber das Bekentnis selbst</supplied>
    </choice></head>
  <p>Ich übergehe bedächtig manche Stellen, bey deren Abfassung sich manches eben so
                    wohl sagen lies, was eine bessere vorsichtigere Einrichtung betrift; und will
                    mich nun blos an das <hi>Bekenntnis</hi> selbst halten, und nach meiner Einsicht
                    das entgegen setzen, was für mich und andre mehr Grund hat; ohne die Absicht zu
                    haben, dem <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> des Bekentnisses eine andre Ueberzeugung
                    dadurch beizubringen. Hierzu könten äußerliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Umstände, äußerliche</term>
    </index>Umstände, wie in sehr vielen Beispielen, mehr beitragen; als noch so
                    viel Gegengründe. Die ganze <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_1"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Polemik</term>
    </index><hi>Polemik</hi> hat auch dieses nicht zur nächsten Absicht, kann und
                    soll vielmehr eine genauere, richtigere und billige Beurtheilung des guten
                    Gewissens befördern, und alle bloße <index indexName="subjects-index">
      <term>Übereilung</term>
    </index>Uebereilung, <index indexName="subjects-index">
      <term>Leichtsinnigkeit</term>
    </index>Leichtsinnigkeit oder Feindseligkeit hindern und abwenden; folglich eine
                    gegründete <index indexName="subjects-index">
      <term>Toleranz</term>
    </index><hi>Toleranz</hi> und ganz rechtmäßige Gewissensfreiheit immer mehr
                    empfelen.</p>
  <p>Die Beschreibung von jetziger <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_2"/><quote corresp="#quote_bs_a9_2">Pflicht des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs>, alle <index indexName="subjects-index">
        <term>Überzeugung, freie</term>
      </index>Ueberzeugung frey und ohne Zurückhaltung zu entdecken –</quote> mag
                    ihre Richtigkeit haben; ohne daß es folge, daß nur der ein ehrlicher Mann sey,
                    der mit Muth und Entschlossenheit diese so genante <index indexName="subjects-index">
      <term>Wahrheit</term>
    </index>Wahrheit sagt; und daß der, so diese gewälte Art eines Bekenntnisses,
                    seines Theils für unpflichtmäßig hält, allemal <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_3"/><quote corresp="#quote_bs_a9_3">ein Heuchler seye, der
                        um des Brots willen seinem Regenten lüge, und mit Verletzung seines
                        Gewissens Menschengunst zu erschleichen suche</quote>. Wie der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> es von sich selbst gestehet, gleich
                    vorher, daß er, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_4"/><quote corresp="#quote_bs_a9_1"><hi>um des <index indexName="subjects-index">
          <term>Schwache</term>
        </index>Schwachen zu schonen</hi> und um nicht den Nutzen und Eindruck
                        durch Uebereilung – zu schwächen, der sonst durch guten Vortrag der
                        wesentlichen Religionswahrheiten <pb xml:id="bs_b_page_11" n="11" edRef="#b"/> gestiftet werden könte</quote>, dieses vorher nicht also gesagt habe: so
                    ist es unleugbar, daß jede andre Lehrer in öffentlichen Kirchengesellschaften,
                    es warlich zur <index indexName="subjects-index">
      <term>Pflicht</term>
    </index>Pflicht haben, ihrer eigenen Beurtheilung des besten öffentlichen
                    Verhaltens zu folgen, und daß sie also nicht den geringsten Vorwurf sich
                    zuziehen, wenn sie diese so grobe öffentliche Beschuldigung, (von Heuchlern, die
                    um des Brots willen heucheln) gerade für eine unverantwortliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Übereilung</term>
    </index><hi>Uebereilung</hi> des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> ansehen; dem es gewis, in der so oft
                    mislichen Lage des öffentlichen Lebens, am allerwenigsten zukommen konte, einen
                    fremden Knecht zu richten, und unfreundlichen Verdacht über die <index indexName="subjects-index">
      <term>Rechtschaffenheit</term>
    </index>Rechtschaffenheit aller der Lehrer anzuspinnen, die in der Ausübung oder
                    Zerrüttung ihres Berufs sich den <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nicht zum Muster nemen wollen. Es ist
                    diese grobe Verurtheilung, so vieler öffentlichen Lehrer in den teutschen
                    Kirchen, so gar unter den Augen <choice>
      <abbr>Sr.</abbr>
      <expan>Seiner</expan>
    </choice> kaiserlichen allerhöchsten <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs>,
                    eine Beleidigung, deren mannichfaltiges Verhältnis und großen Umfang ich nicht
                    auf änliche unfreundliche Art entwickeln wil. Es würde in der That keine
                    unpflichtmäßige oder tadelswürdige <hi>Zurückhaltung</hi> geheißen haben, wenn
                    der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> diese ganze, ohnehin unwichtige
                    Erklärung, von seiner Ehrlichkeit und Entschlossenheit weg gelassen, und alle so
                    lange in Eide und Pflicht stehenden <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrer</term>
    </index>Lehrer, mit dergleichen <hi>Charakteristik</hi> verschonet hätte. Ich
                    will mich selbst hier nennen, und fragen, ob mich der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> einen <index indexName="subjects-index">
      <term>Heuchler</term>
    </index>Heuchler, der ums Brots willen – zu nennen sich herausnemen wolle; da
                    ich nicht nur dergleichen Ehrlichkeit und Entschlossenheit, wider das gute
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index>Gewissen so viel tausend frommer Christen, unter den drey <index indexName="subjects-index">
      <term>Hauptreligionen</term>
    </index>Hauptreligionen, in und ausser <hi>Teutschland</hi> diese
                    Beschuldigungen auszubreiten, keinesweges nachahme; sondern auch ihr, als
                    unpflichtmäßig, widerspreche. Daß treue Lehrer in der <index indexName="subjects-index">
      <term>Gesellschaft</term>
    </index>Geselschaft, nicht nur Achtung und Liebe, sondern auch ihr Brodt von der
                    Geselschaft angewiesen haben: ist doch nicht zugleich so zu <pb xml:id="bs_b_page_12" n="12" edRef="#b"/> verstehen, daß die Geselschaft
                    selbst Lügner und Heuchler in Diensten haben wolle; es bleiben vielmehr der
                    Geselschaft alle andre neue Unternemungen, <hi>Projecte</hi> und Anstalten, zur
                    freien Beurtheilung unterworfen; sie urtheilt selbst, ob sie einen Lehrer für
                    einen gewissenhaften nutzbaren Mann mit Dank und Beifal halten müsse, oder ob
                    sie seine Dienste ihm aufkündiget; er mag seine Unentberlichkeit und Einsichten
                    noch so hoch sich selbst anrechnen. Welche Geselschaft, kirchliche, bürgerliche,
                    häusliche, könte wohl noch bestehen, wenn dis Urtheil nicht ferner bey ihr
                    selbst stehen solte? wenn jemand Richter in seiner eignen Sache seyn wolte?</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_5"/><quote corresp="#quote_bs_a9_5">Ich gestehe also, steht <choice>
        <abbr>S.</abbr>
        <expan>Seite</expan>
      </choice>
      <ref target="#bs_a_page_9">9.</ref>
      <ref target="#bs_a_page_10">10.</ref> daß ich schon seit einiger Zeit
                        überzeuget gewesen, es enthalte unser protestantisch Kirchensystem
                        Lehrsätze, welche weder in der Schrift, noch in der Vernunft einigen Grund
                        haben, und die theils der Gottseligkeit schaden, theils durch ihr vernunft
                        anstößiges, die Quelle des Unglaubens und der Religionsverachtung bey
                        Tausenden sind.</quote></p>
  <p>Alles eingestanden; was folgt hieraus? daß ich und alle Lehrer der
                        <hi>protestantischen</hi> Kirchen eben dieses selbst urtheilen, und eben
                    dergleichen angebliches Bekäntnis drucken lassen müssen, wo wir nicht
                        <hi>Lügner</hi> und <index indexName="subjects-index">
      <term>Heuchler</term>
    </index><hi>Heuchler</hi> seyn wollen? Ich denke nicht, daß ein billiger Mensch,
                    geschweige ein erfarner geübter Kenner der christlichen Religion und der
                    bürgerlichen Geschichte, dieses Urtheil über uns sprechen wird. Vor einiger Zeit
                    gab es <index indexName="subjects-index">
      <term>Schwärmer</term>
    </index><hi>Schwärmer</hi>, die prophezeieten und wünschten den <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_6"/>Fal <index indexName="subjects-index">
      <term>Babel</term>
    </index><hi>Babels</hi>, oder der ganzen äusserlichen Religionsverfassung; es
                    waren Nachkommen der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_7"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Fanatiker</term>
      </index>Fanatiker</hi> des 16ten Jahrhunderts; sie nenten alle Prediger und
                    Lehrer, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_8"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Bauchdiener</term>
      </index>Bauchdiener</hi>. <index indexName="persons-index">
      <term>Dippel, Johann Conrad</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:3r6d6">Dippel</persName></hi>, – wer wolte
                    alle Parteygänger herzälen, alle folgten, wie sie sagten, <hi>ihrem
                        Gewissen</hi>; und griffen allesamt die äusserliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsordnung</term>
    </index><hi>Religionsordnung</hi> an, die unter den <index indexName="subjects-index">
      <term>Staatsgesetze</term>
    </index>Staatsgesetzen, nicht <hi>unter ihrem <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissen stund</hi>. <pb xml:id="bs_b_page_13" n="13" edRef="#b"/>
                    Ich wil hier nicht weiter gehen. Es folget aber nichts weiter hieraus, als daß
                    wir einen Theil der <index indexName="subjects-index">
      <term>Geschichte, moralische</term>
    </index><hi>moralischen</hi> Geschichte dieser Leute und des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs>, in Absicht seiner eignen Einsichten,
                    nun durch solche Schriften erfaren; daß wir nun wissen, was er von <hi>unserm
                        protestantischen</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Kirchensystem</term>
    </index><hi>Kirchensystem selbst halte und urtheile</hi>. Wenn nun diese
                    historische Nachricht nur theils, ohne öffentliche Verunglimpfung aller anders
                    denkenden <hi>protestantischen</hi> und <hi>katholischen</hi> Lehrer, uns
                    vorgelegt worden; theils den Sachen und angegebenen oder gebrauchten Gründen
                    nach, richtiger und ungezweifelter wäre: so möchte ja dieses Bekentnis, wie so
                    viele änliche Schriften, dem öffentlichen Drucke übergeben worden seyn. Denn es
                    stehet jedem <index indexName="subjects-index">
      <term>Christen, denkende</term>
    </index>denkenden Christen frey, ja ist seine Pflicht, wenn er dazu im Stande
                    ist, gewissenhafte und umständliche Untersuchungen über so genant <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrsystem</term>
    </index><hi>Lehrsystem</hi> vorzunemen, so viel, so lange, so scharf er wil,
                    also auch seine eigene Verknüpfung der Begriffe für sich, zu seiner <index indexName="subjects-index">
      <term>Erbauung</term>
    </index>Erbauung und <index indexName="subjects-index">
      <term>Beruhigung</term>
    </index>Beruhigung, vorzuziehen; dis macht <hi>seine</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensfreiheit</term>
    </index><hi>Gewissensfreiheit</hi> aus; ein unschätzbarer Vorzug unserer Zeiten;
                    davon wir wenigstens in alten Zeiten keine so öffentlichen feierlichen
                    Grundfesten und Verträge finden. Da aber eben diese Gewissensfreiheit <hi>allen
                        andern Zeitgenossen</hi> wirklich auch zukommen und gesichert bleiben muß:
                    so ist natürlich, daß die Besitzer und Inhaber dieser Gewissensfreiheit,
                    einander nicht öffentlichen Eingrif thun dürfen, durch einseitige öffentliche
                    Uebung und Hervorziehung ihrer Erkentnis. Es sind daher die <index indexName="subjects-index">
      <term>Grundsätze</term>
    </index>Grundsätze, die Hauptsätze, welche grosse ganze Kirchenparteien für ihre
                    zusammengehörige Religionsglieder, in Absicht des öffentlichen Unterrichts und
                    exercitii publici, feierlich ausgesucht und eingefüret haben: auch noch durch
                    öffentliche gesetzgebende Macht bestätiget und festgesetzt worden; mit diesen
                    Grundsätzen kan nun ein jeder Mitgenosse dieser Religionsgeselschaft, nach
                    seinem ganzen Gewissen, für sich, was ihn betrift, aufs ernst<pb xml:id="bs_b_page_14" n="14" edRef="#b"/>lichste, andächtigste vor GOtt,
                    umgehen, sie selbst zu seiner Erbauung anwenden; sein Urtheil darüber ausdehnen;
                    sich einen Gang seiner Vorstellungen erwälen – kurz er hat alle
                    Gewissensfreiheit, für sich selbst. Und wenn er gar an dem guten Grunde dieser
                    Grundsätze seiner bisherigen Partey zweifeln muß, wenn er die Zweifel nicht
                    überwinden kan, wenn er die Grundsätze einer andern Partey für richtigere, in
                    seinem Gewissen, von nun an, ansehen muß: so hat er das <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_9"/>Recht und die Freiheit, die
                    bisherige Religionspartey <hi>ganz und gar zu verlassen</hi>, und sich in eine
                    andere zu begeben; die entweder auch diese öffentlichen Rechte im
                        <hi>römischen</hi> Reiche hat; oder mit anderer Einschränkung so oder so
                    gedultet wird; nach dem besondern Gutfinden einzeler Regenten und Staaten. Wenn
                    nun aber dis nicht mehr <hi>eigene, particulaire Gewissenssache</hi> ist; und
                    ein solcher weiter gehen, und der <hi>ganzen</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsparteien</term>
    </index><hi>Religionspartey</hi>, oder allen Religionsparteien im <hi>teutschen
                        Reiche</hi> bedächtig zumuten wil, sie sollen <hi>sein</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Privaturteile</term>
    </index><hi>privat Urtheil</hi> unter ihren Kirchgliedern geradehin ausbreiten
                    lassen; sie sollen alle Tage lesen, was ein jeder, der sich Ehrlichkeit und
                    Einsicht zur <index indexName="subjects-index">
      <term>Reform</term>
    </index><hi>Reforme</hi> des Religionssystems zutrauet, drucken lassen wil: so
                    gehört das Urtheil hierüber ganz notwendig der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_10"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Obrigkeit</term>
    </index>Obrigkeit, welche <hi>den äusserlichen Religionsstand</hi> ihrer
                    Unterthanen freilich allein zu beurtheilen und zu regieren hat. Sie entscheidet
                    es also, ob solche <index indexName="subjects-index">
      <term>Anmaßung</term>
    </index>Anmassungen von <hi>algemeiner Verbesserung</hi> der christlichen
                    Religion, mit Aufhebung und Verunglimpfung der besondern Religionsparteien,
                    öffentlich Platz und Raum finden sollen, oder nicht; sie verbietet solche
                    Schriften, wenn sie <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_11"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Fanaticismus</term>
    </index><hi>Fanaticismus</hi> oder Unruhe und Zerrüttung, nach ihrem Urtheil,
                    mehr nach sich ziehen werden, als grosse und algemeine Verbesserung. Wenn nun
                    eine öffentliche Schrift gar eine feierliche Urkunde der <index indexName="subjects-index">
      <term>Protestanten</term>
    </index><hi>Protestanten</hi>, <choice>
      <abbr>z. E.</abbr>
      <expan>zum Exempel</expan>
    </choice> die <hi>augspurgische Confeßion</hi> angreift, jetzt sie verbessern
                    und ihren Inhalt, wie es heißt, <hi>algemeinnützlicher</hi> machen wil: <pb xml:id="bs_b_page_15" n="15" edRef="#b"/> so ist es höchstnatürlich, daß
                    dieses Unternemen nicht aus der <hi>privat Gewissensfreiheit</hi> und
                    Ehrlichkeit einen guten Grund entlenen kan; wie ohnehin viel tausend
                    Zeitgenossen über diese Ehrlichkeit erst ihr eigen Urtheil befragen und sie erst
                    untersuchen müssen.</p>
  <p>Wenn nun der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> seit einiger Zeit davon überzeugt
                    gewesen – wie vorhin abgeschrieben worden: so hörte er also auf, ein Mitglied
                    der <hi>augspurgischen Confession</hi> zu seyn. Er konnte und durfte dis auch
                    bekannt machen, drucken lassen: aber nur nicht mit der seltsamen
                        <hi>Anforderung</hi> an kaiserliche <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs>,
                    und an die höchsten Häupter der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_12"/>durch <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsfriede</term>
    </index>Religionsfrieden festgesetzten Religionssysteme, und mit dem Wunsche,
                    (dem jeder Leser das Beiwort geben wird, das er für das schicklichste halten
                    mus.)</p>
  <p><choice>
      <abbr>S.</abbr>
      <expan>Seite</expan>
    </choice>
    <ref target="#bs_a_page_15">15.</ref>
    <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_13"/><quote corresp="#quote_bs_a15_2">O möchten doch <choice>
        <abbr>Ew.</abbr>
        <expan>Eure</expan>
        <expan>Euer</expan>
      </choice> kaiserliche <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> von GOtt
                        auserkoren seyn, <hi>alle diejenigen vor der Wuth der Verfolgung zu
                            schützen</hi>, welche Kraft und Muth haben, an diesem großen Anliegen
                        der Menschheit zu arbeiten: den unübersehligen Wust der Systemsreligion zu
                        untersuchen, und das <index indexName="subjects-index">
        <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
      </index>reine Gold der göttlichen und seligmachenden Christusreligion
                            <hi>wieder</hi> heraus zu finden.</quote></p>
  <p>Es werden mehrere Leser sich darüber wundern, daß es vorausgesetzt wird, es
                        <hi>könne</hi> GOtt eine solche <hi>Identität</hi> gefallen, da wir in dem
                    so großen sichtbaren Reiche der Natur eine tausendfache
                    <hi>Verschiedenheit</hi>, aber in einer Verbindung, antreffen; wundern, daß
                        <hi>dis sogleich Wuth der <index indexName="subjects-index">
        <term>Verfolgung</term>
      </index>Verfolgung heißen soll</hi>, was natürliche Folge der Rechte einer
                    öffentlichen Gesellschaft ist. Wenn auch eine Uebereilung wider den <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> jetzt vorgefallen wäre, (wovon gar
                    vielerley Dinge mit möglicher Entschuldigung Ursache seyn können) dürfte es doch
                    nicht <hi>Wuth der <index indexName="subjects-index">
        <term>Verfolgung</term>
      </index>Verfolgung</hi> genant werden; wenigstens war <pb xml:id="bs_b_page_16" n="16" edRef="#b"/> es die Sprache der ersten Lehrer
                    der hier so genanten <index indexName="subjects-index">
      <term>Christusreligion</term>
    </index>Christusreligion nicht; sie verlangten auch nicht, daß alle Gelegenheit
                    zur Geduld und Verläugnung ihrer selbst, unmenschliche Wut und <index indexName="subjects-index">
      <term>Verfolgung</term>
    </index>Verfolgung heißen, und daher von Kaisern und Königen mit bürgerlicher
                    Macht, in ihrem Gebiet gleich abgeändert und aufgehoben werden sollte. Wir
                    wissen es, daß GOtt eine solche <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsfreiheit</term>
    </index><hi>Religionsfreyheit</hi> gar nicht zum Zweck haben könne, ob er gleich
                    Freyheit des Gewissens und die Menschenpflichten verordnet hat. Noch weniger
                    haben wir den bodenlosen Einfall, <hi>eine algemeine <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, allgemeine</term>
      </index>Religion</hi> selbst zusammen zu denken, die mit Ausschließung der
                    stets freien <index indexName="subjects-index">
      <term>Natur des Menschen</term>
    </index>Natur der Menschen, die Besserung und Heiligung der Menschen <hi>ganz
                        anders</hi> und viel gewisser als von <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> und der ersten Apostel
                    Zeit an, <hi>bewirken müste</hi>. Vielmehr, wenn wir dem Ursprung der
                    christlichen Lehre und Religion zusehen, so hat sie <hi>nie eine äußerliche
                        Einheit der</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Einheit der Lehrform</term>
    </index><hi>Lehrform begriffen</hi>; indem <hi>äußerliche Verschiedenheit</hi>
                    unausbleiblich ist, und diese eine Verschiedenheit der Vorstellung mit sich
                    bringt; sie hat sie nie zum Endzweck gehabt; sie gehet auf die Besserung des
                    Gemüts; auf neue Ordnung der Neigungen, welche, bey noch so großer Ungleichheit
                    der Vorstellungen, die der Verstand, nach der so ungleichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Lokalität</term>
    </index><hi>Localität</hi>, stets bewirken mus, wirklich bey den guten Christen
                    für das Gemüt zu Stande gebracht worden ist; ihr <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionssystem</term>
    </index><hi>Religionssystem</hi>, als Summe und Inhalt der Vorstellungen im
                    Verstande, mochte noch so ungleiche Bilder, Ideen, Theile, Verknüpfung und
                    Stellung behalten; das <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_14"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Wesen des Christentums</term>
    </index>Wesen des Christentums ist <index indexName="subjects-index">
      <term>Geist und Wahrheit</term>
    </index>Geist und Wahrheit, oder innerliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Vollkommenheit</term>
    </index>Vollkommenheit. Wirksame lebendige Erkentnis, zur innersten heiligsten
                    Anwendung, zu <hi>eigener</hi> Ausbesserung; der Zusammenhang mit Gedanken und
                    Urtheilen mag noch so mancherley seyn. Und nun will ich den großen Usurpator
                    sehen, der sich anmaßet, für <hi>andre Christen</hi> aus seinem Kopfe ein
                    allgemeines <hi>System</hi> zu spinnen, und es ihnen öffentlich aufzudringen,
                    als das <pb xml:id="bs_b_page_17" n="17" edRef="#b"/> einzige wirksame
                    erbauliche <hi>System</hi>! An die <hi>Historie</hi> der Religionsübung unter
                    allen christlichen Parteien, unter <index indexName="subjects-index">
      <term>Muhammedaner</term>
    </index><hi>Muhammedanern, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_15"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Braminen</term>
      </index>Braminen</hi>, – will ich nicht denken; überal <index indexName="subjects-index">
      <term>Wirkung</term>
    </index><hi>Wirkung</hi> in der Seele; Andacht, Hoffnung, Zuversicht – aber der
                    besondre <hi>Charakter</hi> unterscheidet alle diese Religionsparteien. Können
                    wir ihn aufheben? Ja, wenn wir die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_16"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Lokalität</term>
      </index>Localität</hi> aufheben können. Und wer maßet sich an, dieses zu
                    können?</p>
  <p>Ich kenne manche <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_17"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Flattergeister</term>
    </index>Flattergeister, sonst nennte man sie <index indexName="subjects-index">
      <term>Schwärmer</term>
    </index>Schwärmer, die allen wahren Beruf in ihrer Gesellschaft ablegten, oder
                    aufkündigten und verdarben; oder eigenmächtig sich die Bestallung gaben, für die
                    ganze Menschenwelt in angemaßter Allkraft, Wohlthaten zu ersinnen und
                    anzubieten, die nur allein aus ihrer Hand noch möglich seyn sollen; wenn sie
                    nicht wären, so wären alle Menschen gänzlich unbesorgt, unberathen, unbelehret
                    und also stets unglückselig. Sie sinnen daher auf eine <hi>algemeine</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion, allgemeine</term>
    </index><hi>Religion</hi>, die alle Völker so gar leicht begreiffen sol; so bald
                    man nur die bisherigen Anstalten, von Kirchen, Schulen, Universitäten, und ihre
                    Beschützer, die Reichs- und Landesgesetze, aufheben, und aus ihren fast
                    almächtigen Händen, den neuen Lehrbegrif, den sie eben erst erschaffen wollen,
                    annemen wird; dessen vorzüglich himmlische oder übermenschliche Früchte noch
                    dazu an diesen Leuten ganz unsichtbar sind. Einerley Einbildung reisset alles
                    um, was Erfarungen von Jahrtausenden mit täglicher saurer Mühe und gewisser
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Erfahrung</term>
    </index>Erfarung aufgebauet und geordnet hatte; man sorget für die ganze
                    Menschenwelt aus seinem noch so kleinen Gesichtspunkte; Fürsten und Herren sind
                    gleichsam alle zeither auf dem unrechten Wege; ihre <index indexName="subjects-index">
      <term>Ordnung</term>
    </index>Ordnungen über Kirchen und Schulen sind alte Irtümer, welche den neuen
                    Strom von übermenschlicher Weisheit und Klugheit bisher hindern; <hi>Drang</hi>
                    ist es, ganz erhabner <index indexName="subjects-index">
      <term>Seelendrang</term>
    </index>Seelendrang, alles, was die gewisseste Staats- und die gröste
                    Menschenkentnis in der <hi>wirk</hi><pb xml:id="bs_b_page_18" n="18" edRef="#b"/><hi>lichen</hi> Menschenwelt bisher bewärt und thunlich erfunden hat,
                    geradehin nur erst um zu reissen; was den neuen Bau betrift, – der wird sich
                    alsdenn schon von selbst finden.</p>
  <p>Dieser Art sind wirklich die großen <index indexName="subjects-index">
      <term>Anmaßung</term>
    </index>Anmaßungen in diesem Bekentnis; so bald es nur dem <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> gewis ist: so ist es auch (<hi>außer
                        ihm</hi>) ganz gewis in der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_18"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Concretenwelt</term>
      </index>Concretenwelt</hi>, ausgemacht, daß unsre Lehrer, im
                        <hi>römischen</hi> Reich, Lehrsätze in den 3 <hi>Religionssystemen</hi>
                    haben und behaupten, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_19"/><quote corresp="#quote_bs_a10_1">die weder in der Schrift, noch in der
                        Vernunft einigen Grund haben, und die Quelle sind von –</quote> Ob diese
                    Behauptung mit der uns bekanten Geschichte der Menschheit und der
                    unentbehrlichen <hi>tausendfältigen Gewissenhaftigkeit</hi>, die in
                        <hi>moralischen</hi> Beschäftigungen nicht felen kann, zutreffe: will ich
                    den Lesern gern überlassen. Ich wolte aber wünschen, der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> verstünde sich besser auf die
                    Gelersamkeit <hi>einer jeden</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsparteien</term>
    </index><hi>Religionspartey</hi>, und kennete den Gang ihrer besondern
                    kirchlichen Grundsätze, und die weise Absicht der öffentlichen Einrichtungen;
                    kennete auch <hi>die Gelerten selbst</hi> genauer: so würde er blos sagen, daß
                    er <hi>für seine Person</hi>, in diesen seinen <index indexName="subjects-index">
      <term>individuell</term>
    </index><hi>individuellen</hi> Umständen, zu dieser Einsicht gelanget sey; und
                    sie heute oder jetzt vorzüglich begünstige; er würde aber alle Billigkeit
                    öffentlich bezeigen, und nicht uns, den Lehrern dieser öffentlichen
                        <hi>Religionssyteme</hi>, welche nun <hi>dem eigenen</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index><hi>Gewissen</hi> erst Platz machen, so gleich zu muten, wir müsten
                    unsre Augen eben so gewönt haben wie er. Das übrige, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_20"/><quote corresp="#quote_bs_a10_1">es seien Lehrsätze darin, welche theils der <index indexName="subjects-index">
        <term>Gottseligkeit</term>
      </index>Gottseligkeit schaden, theils die Quelle des <index indexName="subjects-index">
        <term>Unglaubens, Quelle des</term>
      </index>Unglaubens seien, für tausende</quote>: ist gar nichts wichtiges
                    oder sonderbares. Eine jede Partey, von den <hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Braminen</term>
      </index>Braminen</hi> und <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_21"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Talapoinen</term>
      </index>Talapoinen</hi> an, bis auf alle Parteien der Christen, sogar
                    untereinander, pflegt diese Beschreibung zu machen; ohne für die denkende andere
                    Partey das allergeringste dadurch zu entscheiden. Wo <pb xml:id="bs_b_page_19" n="19" edRef="#b"/> haben diese leeren Einbildungen den Grund her, <hi>daß
                        es eine aller einzige äusserliche Religion geben solle und könne</hi>, worin
                    die Gottseligkeit so leicht, so innerlich unausbleiblich entstehen müsse, daß
                    alle Menschen keinen Anstos, keinen <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index>Unglauben, keine <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsverachtung</term>
    </index>Religionsverachtung jemalen mehr fassen und vorziehen könten? Welche
                    Geschöpfe hat man alsdenn auf dem Erdboden vor Augen? Menschen? ich wüste sie
                    nicht zu finden. Sollen wir denn auch in <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_22"/>ein christlich <index indexName="subjects-index">
      <term>Utopien, christlich</term>
    </index><hi>Utopien</hi> uns auf geradewol einfüren lassen? Ist denn irgend eine
                    Erkentnis, des <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_23"/><hi>Cajus</hi> und <hi>Titius</hi>, nun das Model und die algemeine
                    Vorschrift für alle Menschen, in allen noch so verschiedenen Umständen? Wir
                    wollen uns einbilden, da hätten zwey bis drey solche <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalmänner</term>
    </index><hi>Universalmänner</hi> eine Schrift entworfen, als Inhalt einer <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalreligion</term>
    </index><hi>Universalreligion</hi>; was wollen sie davon erwarten? Wir wollen
                    ihr auch, (so unmöglich es ist,) den Beistand und Beifal der kaiserlichen <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs>, aller Könige und Fürsten und Obrigkeit,
                    zum Geleite geben; was wird diese Schrift ausrichten? Ich denke, es wird eben
                    sowol eine <hi>neue Theorie darüber nach der andern entstehen</hi>; und wer wird
                    diese wieder vereinigen? Niemand; man wird <hi>Freiheit</hi> des
                        <hi>Gewissens</hi> haben, wie jetzt; und öffentliche Vorschriften einfüren.
                    Ist das alsdenn eine <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalreligion</term>
    </index><hi>Universalreligion</hi>? Dieses war der <hi>weise Grund</hi>
    <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_24"/>vom öffentlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsfriede</term>
    </index>Religionsfrieden; nachdem man einsahe, es gebe keine
                        <hi>Vereinigung</hi> aller Christen unter Ein System, das immer <index indexName="subjects-index">
      <term>System, lokales</term>
    </index><hi>local</hi> seyn müste.</p>
  <p>Diese ganze Arbeit und Betrachtung, so weit sie noch einige <hi>Realität</hi>
                    gewären kan, gehört stets für das einzelne Gewissen eines jeden
                        <hi>Individui</hi>. Jeder Leser und Zuhörer behält diese eigene
                    Beschäftigung, es mag <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> oder <index indexName="persons-index">
      <term>Paulus</term>
    </index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName>, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_25"/><index indexName="persons-index">
      <term>Thomas von Aquin</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:3093k">Thomas</persName></hi> oder <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_26"/><index indexName="persons-index">
      <term>Luther, Martin</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:254tm">Luther</persName></hi> oder <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_27"/><index indexName="persons-index">
      <term>Sozzini, Fausto (Socinus)</term>
    </index><hi><persName>Socinus</persName></hi> lehren: wonach er entweder der
                    Lehre Beifal giebt, oder Anstos hat, nicht glaubet, und diese Religion nicht
                    billigt. Wil denn jetzt jemand so anmassend seyn, durch <pb xml:id="bs_b_page_20" n="20" edRef="#b"/> seine Lehre <hi>mehr
                        auszurichten</hi>, als <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsus</persName> und <index indexName="persons-index">
      <term>Paulus</term>
    </index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName>? Wo bliebe denn das
                    Gewissen der Zeitgenossen, wenn die <hi>Lehre</hi>, die Beschreibung der
                    christlichen Religion, nur aus den vier Wänden, oder nach dem Papier eines
                    solchen algemeinen Lehrers, eingerichtet werden solte? Und müsten dis sogleich
                        <hi>Heuchler, Lügner</hi>, Unehrliche, Boshafte, Ungläubige, und
                        Religions<hi>verächter</hi> seyn, die diesem neuen <index indexName="subjects-index">
      <term>Totalsystem</term>
    </index><hi>Totalsystem</hi> (für die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_28"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Mondwelt</term>
    </index>Mondwelt) nicht sogleich sich unterschrieben? Wozu also solche
                        <hi>factions</hi>mässige Anstalten im Staat? Warum sol kaiserliche <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> die christliche Religion im
                        <hi>teutschen</hi> Reiche, nach so einem neuen Papier, einrichten helfen?
                    Muß es nicht den Regenten frey bleiben, über solche <hi>Projecte</hi> selbst
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>authentisch</term>
    </index><hi>authentisch</hi> zu urtheilen? Oder sol sich insgeheim eine Anzal
                    wirksamer Köpfe nach und nach vereinigen, um da oder dort endlich über die
                    andern guten Christen sich zu erheben: die doch noch niemanden die <index indexName="subjects-index">
      <term>Reform</term>
    </index><hi>Reforme</hi> ihres Gewissens aufgetragen haben, und ihren
                    Landesfürsten selbst dis nicht auftragen, wie diese es nie verlangen? Eine
                    seltsame Wohlthat für uns; wozu die bisherigen Lehrer ihr ganzes öffentliches
                    Verhältnis aufopfern sollen, damit eine <index indexName="subjects-index">
      <term>kosmopolitisch</term>
    </index><hi>kosmopolitische</hi> Religion auf einmal alle Menschen, in allen
                    Staaten, umfassen möge!</p>
  <p>Nun das Verzeichnis solcher Lehrsätze:</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_29"/><quote corresp="#quote_bs_a10_4">Darunter rechne ich die – von der Erbsünde; von
                        der Zurechnung der Sünde <index indexName="persons-index">
        <term>Adam</term>
      </index><persName ref="textgrid:3c0tb">Adams</persName> – von der
                        Nothwendigkeit einer Genugthuung – von der blos und allein von dem heiligen
                        Geist in dem, sich leidend verhaltenden Menschen, zu bewirkenden Bekehrung –
                        von der ohne alle Rücksicht auf unsre Besserung und Tugend geschehen
                        sollenden Rechtfertigung des Sünders vor GOtt – von der Gottheit <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, und des heiligen
                        Geistes, in <hi>athanasianischen</hi> Sin – von der Ewigkeit der
                        Höllenstrafen – und einige andre.</quote></p>
  <p><pb xml:id="bs_b_page_21" n="21" edRef="#b"/> Der Zusammenhang ist: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_30"/><quote corresp="#quote_bs_a10_1">diese Lehren, einzeln und alle, haben in der
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Schrift</term>
      </index>Schrift und <index indexName="subjects-index">
        <term>Vernunft</term>
      </index>Vernunft keinen Grund; schaden theils der Gottseligkeit, theils sind
                        sie die Quelle des Unglaubens und der Religionsverachtung bey
                        Tausenden</quote>; und <hi>folglich</hi>,</p>
  <p>sol das protestantische (und auch das der römischkatholischen Kirche gehörige)
                        <hi>Religionssystem nun ganz</hi> geändert oder <hi>abgeschaft</hi> werden,
                    unter Kaiserlicher und Reichsständischer Auctorität; nemlich, doch nur, nach des
                        <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> Ueberzeugung? Ich kan sagen, ich
                    weis nicht, wo ich anfangen sol, zu antworten. Sol es freier Gebrauch der
                    Gedanken seyn, wie mancher gute Zeitgenosse, <index indexName="subjects-index">
      <term>patriotisch</term>
    </index><hi>patriotisch</hi>, wie er denkt, von Verbesserung der Regierung, der
                    Proceßordnung, der Accise, der Handelsgesetze, des <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_31"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Nahrungsstand</term>
    </index>Nahrungsstandes, aus seinen vier Wänden, mit seines Gleichen, ohne
                    Folgen und Schaden, zu sprechen pflegt, und Entwürfe für die ganze Nation in der
                    Stille macht; wegen der Regierung – des Handels – so müste wenigstens die <index indexName="subjects-index">
      <term>Bescheidenheit</term>
    </index><hi>Bescheidenheit</hi> gebraucht worden seyn, solchen privat
                    Zeitvertreib nicht öffentlich an Kaiserliche <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> und teutsche Reichsfürsten anzubieten, und dabey sich doch
                    auf <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_32"/><quote corresp="#quote_bs_a24_2"><index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenrechte</term>
        <term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
      </index><hi>Rechte der Menschheit und <index indexName="subjects-index">
          <term>Gewissensfreiheit</term>
        </index>Gewissensfreiheit</hi></quote> zu berufen. Priuatim stehen
                    solche Beschäftigungen frey, allen denen, die im Staat so wenig zu verrichten
                    haben, daß sie ihre Zeit mit <hi>Projecten</hi> ins Grosse, für andere,
                    zubringen, auch ungebeten und unbedankt. Ist es aber im Ernst so gemeinet, dis
                    alles gehöre zu dem <choice>
      <abbr>S.</abbr>
      <expan>Seite</expan>
    </choice>
    <ref target="#bs_a_page_15">15.</ref> so genanten <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_33"/><quote corresp="#quote_bs_a15_3"><hi>unabsehlichen Wust der</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Systemsreligion, Wust der</term>
      </index><hi>Systemsreligion</hi></quote>: so ist es eine unerlaubte und
                    lieblose Beurtheilung des Gewissens viel mehrerer Tausende, als jene je seyn
                    können, welche allesamt hieran Theil nemen sollen; indem wir in allen drey
                    Religionsparteien keine unbestimten, schwankenden, übertriebenen, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_34"/><hi>solitarischen</hi>
                    Beschreibungen dieser genanten Gegenstände, <hi>zu den</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Grundsätze der christlichen Religion</term>
    </index><hi>Grundsätzen des Christentums, oder der christlichen Religion, in
                        Absicht des eignen</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index><hi>Gewissens,</hi>
    <pb xml:id="bs_b_page_22" n="22" edRef="#b"/>
    <hi>rechnen</hi>. Eben so wenig kan man sagen, daß alle, so viele, so
                    gewissenhafte, ganz und stets untadelhaft lebende Lehrer, so vieler Jahre, ja
                    Jahrhunderte, diese Lehrsätze, ihres Theils, <hi>ohne Schrift</hi>, und zum
                    Anstos ihrer, oder ihrer Zeitgenossen und Zuhörer Vernunft, gleichwol
                    angenommen, und dadurch eine Quelle des <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaubens, Quelle des</term>
    </index>Unglaubens und der <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsverachtung</term>
    </index>Religionsverachtung eröfnet hätten. Es wird jedem Leser in die Augen
                    fallen, daß dis durchaus <hi>unwahr ist</hi>; folglich, sind <hi>diese
                        Lehrsätze</hi> nicht <hi>an sich, geradehin</hi> und ihrem wahren Inhalte
                    nach, also zu beschreiben; ohne den kirchlichen Geselschaften und
                    Religionsparteien öffentlich Hohn zu sprechen, und das allerunleidlichste
                    Unrecht anzuthun; zu welcher greulichen Beleidigung ebenfals die sogenante
                    Menschheit und das privat Gewissen und privat Leben, niemanden, mit dem
                    allergeringsten Scheine berechtigen kan. Es muß also heissen, daß der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> dieses Bekentnisses, allen diesen
                    Lehrsätzen, in aller nur möglichen Bedeutung und Beschreibung, <hi>für
                    sich</hi>, seinen Beifal versage; das stund ihm frey; aber, wenn er sie so
                    beschreibet, daß diese Religionsparteien im <hi>römischen</hi> Reiche diese
                    Lehrsätze geradehin <hi>ohne</hi> Schrift, zum Anstos der Vernunft, als eine
                    Quelle des <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaubens, Quelle des</term>
    </index>Unglaubens und der <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsverachtung</term>
    </index>Religionsverachtung, abgefasset, gelehret und bisher beibehalten hätten:
                    so beleidigt und beschimpft er diese Kirchengeselschaften auf eine nicht zu
                    entschuldigende Weise. Es wäre der unvernünftigste <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissenszwang</term>
    </index><hi>Gewissenszwang</hi>, es wäre gewaltsame Beeinträchtigung der Rechte
                    der öffentlichen Religionsparteien: wenn jemand alle diese Glieder, vom Obersten
                    bis zum Untersten, bey Strafe dieser Beschuldigung, dahin zu bringen sich
                    vorsetzte: ihme, diesem <hi>Reformator</hi> allein, die Erklärung der Schrift,
                    den Gebrauch der Vernunft; den glücklichen Eifer in Beförderung und Hochachtung
                    christlicher Religion, zuzuschreiben, und alle ihre Lehrer auf einmal für solche
                    Leute zu erklären, die wider die Schrift und Vernunft, diese Lehrsätze selbst
                    glaubeten und <pb xml:id="bs_b_page_23" n="23" edRef="#b"/> lehreten, oder gar
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_35"/><quote corresp="#quote_bs_a9_4"><hi>Lügner</hi> und <hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Heuchler</term>
        </index>Heuchler</hi> wären, die um des Brots willen</quote>, in ihrer
                    Geselschaft dis lehreten.</p>
  <p>Die berürten <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrsätze</term>
    </index>Lehrsätze selbst können <hi>geradehin</hi>, ohne bessere Erklärung ihres
                    Inhalts, nicht <hi>einseitig</hi> beurtheilt werden; und keinem Christen kan man
                    es wehren, <hi>sie in dem und jenem Sinne, als Schrift- und Vernunftmäßig, als
                        eine Quelle</hi> gewisser Besserung, Zufriedenheit und <hi>geistlicher
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohlfahrt, geistliche</term>
      </index>Wohlfart</hi>, von ganzem Herzen und mit recht gutem Gewissen, zu
                    glauben, und zu seiner moralischen oder geistlichen Historie recht vortheilhaft
                    anzuwenden und ihre Richtigkeit also zu erfaren. Ich wil diese Lehrsätze hier
                    nicht einzeln vortragen, mit ihrer <index indexName="subjects-index">
      <term>Erklärung, doppelte</term>
    </index><hi>doppelten Erklärung</hi>; die entweder für <hi>einfältigere</hi>
                    oder <hi>geübtere</hi> Leser und Zuhörer so oft schon, und auf so verschiedene
                    Weise vorgetragen worden: daß der Fal gar nicht da seyn kan, in Absicht der
                    Rechte des <hi>eigenen Gewissens</hi>, man glaube <hi>ohne</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Schrift</term>
    </index><hi>Schrift, wider die</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Vernunft</term>
    </index><hi>Vernunft</hi>, und gar zur Vermehrung des <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index>Unglaubens und der <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsverachtung</term>
    </index>Verachtung der Religion bey andern. Wie kan ein anderer aus meinem
                    gewissenhaften Glauben und Leben, einen Grund nemen, die ganze christliche
                    Religion <hi>zu verachten</hi>? Und wenn er es thut, entsteht daraus für mich
                    ein Grund, <hi>ihm Recht zu geben</hi>? Muß ich seine für mich fremde und
                    unwahre Urtheile nun leichter annemen, als verwerfen? Was nicht mit meinem
                    Glauben und Gewissen bestehen kan, ist und bleibt für mich <index indexName="subjects-index">
      <term>Sünde</term>
    </index>Sünde; mögen es hundert und tausend Menschen nicht so ansehen. Darum hat
                    ja der Christ Lehrer, daß er von ihnen <index indexName="subjects-index">
      <term>selbst denken</term>
    </index>selbst denken und betrachten lernet; und nun selbst weis, was er
                    glaubet. Hier übt er seine <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensrechte</term>
    </index>Gewissensrechte; niemanden ist ein eiserner Riegel vorgeschoben, was
                    seine leichtere gewissere <index indexName="subjects-index">
      <term>Erbauung</term>
    </index>Erbauung betrift. Denkende Zeitgenossen wälen also, was ihre eigene
                    Anwendung betrift, eine algemeine oder sinliche Beschreibung, von ihrem <index indexName="subjects-index">
      <term>natürlicher Zustand, moralisch mangelhafter</term>
    </index><hi>moralisch</hi> mangelhaften natürlichen Zustande, in Vergleichung
                    des <pb xml:id="bs_b_page_24" n="24" edRef="#b"/> Umfanges des Christentums;
                    sind auch so wenig an den <hi>Namen</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Erbsünde</term>
    </index>Erbsünde selbst gebunden, als wenig man ihnen <hi>aufleget</hi>, mit
                    eigener Vorstellung, eine <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_36"/><hi>unmittelbare</hi> oder <hi>mittelbare <index indexName="subjects-index">
        <term>Zurechnung der Sünde Adams</term>
      </index>Zurechnung</hi> der Sünde <index indexName="persons-index">
      <term>Adam</term>
    </index><persName ref="textgrid:3c0tb">Adams</persName>, zu bestimmen; wer Lust
                    hat, lieset oder fraget nach, um Ausbreitung seiner eignen Vorstellungen
                    hierüber zu samlen. Von <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_37"/><hi>Notwendigkeit</hi> einer <index indexName="subjects-index">
      <term>Genugtuung</term>
    </index>Genugthuung fragt der gelehrte oder fähige Mensch, um mehr zu denken,
                    als er für sich nötig hat. Millionen aber denken nicht an diese Frage. Von der
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_38"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Bekehrung</term>
    </index><hi>Bekehrung</hi>, pur leidlich oder mitwirkend – wie lange ist alle
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Zweideutigkeit</term>
    </index><hi>Zweideutigkeit</hi> hierüber gehoben? wie so bekant ist die <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrordnung, doppelte</term>
    </index><hi>doppelte</hi> Lehrordnung, seit der Zeit der sogenanten <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_39"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Synergistische</term>
      </index>Synergistischen, <index indexName="subjects-index">
        <term>Helmstädtische</term>
      </index>Helmstädtischen</hi>, der <hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissener</term>
      </index>Gewissener</hi>, und mancherley neuerer Fragen? In dem Erfolge, in
                    der <hi>Beschaffenheit des Zustandes</hi>, den man Bekehrung oder Besserung des
                    Menschen nent, kommen alle Lehrer überein; wenn sie gleich in der Vorstellung
                        <hi>von der Art und Weise</hi>, dieser Begebenheit im Menschen, verschieden
                    bleiben. Kan nun hiebey ein <hi>denkender</hi> Zeitgenosse, (der zu dem <index indexName="subjects-index">
      <term>selbstdenkend</term>
    </index><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_40"/><quote corresp="#quote_bs_a12_4"><hi>selbstdenkenden und prüfenden</hi> Theile der
                        Menschen</quote> gehört, oder gehören wil, <choice>
      <abbr>S.</abbr>
      <expan>Seite</expan>
    </choice>
    <ref target="#bs_a_page_12">12.</ref>) klagen, es fele für diesem beschriebenen
                        <hi>Zustand</hi>, (Bekehrung) <hi>an Schrift</hi>, es sey der Vernunft
                    anstößig; es entstehe <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index>Unglaube und <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsverachtung</term>
    </index>Verachtung der Religion? Zunächst entstehet ja Beurtheilung der
                        <hi>Lehrart</hi>, welche gegründeter ist; die <hi>Sache</hi> an sich ist
                        <hi>zur</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Anwendung</term>
    </index><hi>Anwendung</hi> frey. Es müste jemand uns alle inwendig kennen, oder
                    sich eigenliebig allein das Vermögen zu denken, und ein Gewissen,
                    ausschliessender Weise anmassen. Ich wil die übrigen Sätze, von
                        <hi>Rechtfertigung</hi>
    <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> ganz übergehen; es ist gar zu wenig erheblich; leere und unrichtige
                    einseitige <hi>Speculation</hi>; man redet ja aber von Dingen, die
                        <hi>überhaupt</hi> keinen Grund haben sollen in der Schrift, zum <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index>Unglauben bringen – und doch nent man <hi>solche Sätze</hi>, wozu die
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Liebhaber und Anhänger</term>
    </index>Liebhaber und Anhänger <hi>überal Stellen der Schrift</hi> anfüren; sie
                    daher von Herzen selbst <index indexName="subjects-index">
      <term>glauben</term>
    </index><hi>glauben</hi>, <pb xml:id="bs_b_page_25" n="25" edRef="#b"/> und
                    diese Religion recht aufrichtig lieben und ausüben. Sol auf <hi>andre</hi>
                    gesehen werden: was gehet es denn uns an, die wir die <hi>augspurgische
                        Confeßion</hi> keiner <hi>Correction</hi> bedürftig erachten? Es stehet ja
                    andern frey, die <index indexName="subjects-index">
      <term>Bibel</term>
    </index>Bibel <hi>zu gar nichts für sich</hi> zu brauchen; sich selbst eine
                    Religion zu machen; aber sie müssen sie nicht dem <hi>teutschen Reiche</hi>
                    öffentlich als viel besser und gewisser anbieten. Sollen wir diese Lehrsätze, in
                    der oder jener, noch so guten Erklärung, darum jetzt verwerfen, weil alsdenn zu
                    hoffen stünde, daß der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> und so oder so viel andre alsdenn die
                    (christliche) Religion <hi>behalten wollen</hi>? Wie kan diese Sorge <hi>für
                        andere</hi> uns selbst berechtigen, unsre Erkentnis, um ihrer uns unbekanten
                    Geselschaft und moralischen Lage willen, wegzuwerfen? Wir müsten nicht wissen,
                    was eigenes gutes Gewissen ist, und müsten uns so oft in der <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrformeln</term>
    </index>Lehrformel ändern wollen, als oft wieder andre Leute sich anmeldeten:
                    daß sie, mit der Bedingung, <hi>unserer</hi> abermaligen Aenderung, auch unsre
                    Mitchristen und Geselschafter unserer öffentlichen Religionsübungen seyn wolten.
                    Mögen sie doch nicht unsre <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsgenossen</term>
    </index>Religionsgenossen seyn, mögen sie gar Unchristen seyn, oder werden; wir
                    können nicht durch unsere stete Veränderung der öffentlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrformeln</term>
    </index>Lehrformel, die <hi>kein privat Eigentum</hi>, kein Gesetz des eigenen
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Verstand</term>
    </index>Verstandes und <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index>Gewissens je gewesen ist, <index indexName="subjects-index">
      <term>Proselytenmachen</term>
    </index><hi>Proselyten</hi> machen, an Proselyten kan uns nichts liegen. Diese
                    ganze öffentliche Anforderung also, sogar an <choice>
      <abbr>Kaiserl.</abbr>
      <expan>Kaiserliche</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs>, und an die höchsten Reichsstände hat gar
                    keinen Grund; ist eine <hi>völlige <index indexName="subjects-index">
        <term>Übereilung</term>
      </index>Uebereilung</hi>, die durch privat Gutmeinen zu keiner rümlichen und
                    wichtigen Handlung wird; wenn auch tausende, von allerhand Art Leuten, für sich,
                    untereinander zusammen treten, und eben diese seltsame Abänderung der
                    feierlichen öffentlichen Religionssysteme, darum verlangen wollen, weil sie
                    sonst nicht <hi>in unsre</hi> Religionsgeselschaft ferner gehören könten oder
                    wolten. Das mögen sie also; und mögen ihrem Gewissen für sich folgen, ohne uns
                    eine <pb xml:id="bs_b_page_26" n="26" edRef="#b"/>
    <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_41"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Reform</term>
    </index><hi>Reforme</hi> vorzuschreiben, unter der Gestalt <quote corresp="#quote_bs_a24_2">der Rechte der Menschheit und des <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissensrechte</term>
        <term type="alternative">Rechte des Gewissens</term>
      </index>Gewissens</quote>. Welche Gestalt! <index indexName="subjects-index">
      <term>Menschenrechte</term>
      <term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
    </index>Rechte der Menschheit! welch Gespenst!</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_42"/><quote corresp="#quote_bs_a10_5">Ich habe zwar, heißt es weiter, (<choice>
        <abbr>S.</abbr>
        <expan>Seite</expan>
      </choice>
      <ref target="#bs_a_page_10">10.</ref>
      <ref target="#bs_a_page_11">11.</ref>) wie es von einem Doctor <choice>
        <abbr>Theol.</abbr>
        <expan>Theologiae</expan>
      </choice>
      <foreign xml:lang="lat">augustanae confessionis</foreign> ohnehin zu
                        erwarten stehet, gegen diese vorgedachten Lehrsätze – vor dem Volk –
                            <supplied>(</supplied>weder im Predigen noch Catechisiren) niemals
                        directe gelehret, sondern sie entweder gar übergangen, oder doch so davon
                        gesprochen, daß ihr schädliches abgesondert und ihr irriges gemildert
                        worden; (davon meine Predigten über die Person und das Amt <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> ein Beyspiel
                        sind.)</quote></p>
  <p>Wir müssen die <hi>Gegenstände</hi> wiederholen, wovon hier die Rede ist. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_43"/><quote corresp="#quote_bs_a10_4">Lehre von <index indexName="subjects-index">
        <term>Erbsünde</term>
      </index>Erbsünde; <index indexName="subjects-index">
        <term>Zurechnung der Sünde Adams</term>
      </index>Zurechnung der Sünde <index indexName="persons-index">
        <term>Adam</term>
      </index><persName ref="textgrid:3c0tb">Adams</persName>; von Nothwendigkeit
                        einer <index indexName="subjects-index">
        <term>Genugtuung</term>
      </index>Genugthuung; von der blos leidentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Bekehrung</term>
      </index>Bekehrung; von der <index indexName="subjects-index">
        <term>Rechtfertigung</term>
      </index>Rechtfertigung <hi>ohne alle Rücksicht</hi> auf unsre Besserung und
                        Tugend; von der Gottheit <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, und des <choice>
        <abbr>heil.</abbr>
        <expan>heiligen</expan>
      </choice> Geistes im <hi>athanasianischen</hi> Sinn; von Ewigkeit der <index indexName="subjects-index">
        <term>Höllenstrafen</term>
      </index>Höllenstrafen.</quote></p>
  <p>Diese Lehren hat der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> vor dem Volke <hi>entweder</hi> gar
                    übergangen, <hi>oder</hi> ihr schädliches abgesondert und ihr irriges gemildert.
                    Verstehen wir hiemit, <hi>was er</hi> übergangen hat, in diesen einzelnen
                    Lehren? was er als schädlich und irrig angesehen hat? <choice>
      <abbr>Z. E.</abbr>
      <expan>zum Beyspiel/Beispiel</expan>
    </choice> Lehre vom natürlichen Verderben eines jeden Menschen, sol in <foreign xml:lang="lat">concreto</foreign> beschrieben werden, du <hi>Cajus,
                        Titius</hi> bist <index indexName="subjects-index">
      <term>Natur, von</term>
    </index>von Natur so beschaffen; so geneigt; so gesinnt – Der gemeine Mann hat
                    keine Abstraction lernen sollen, noch weniger die ganze <hi>lateinische
                        Disputation</hi>, welche, ihrem Zweck nach, nicht zum <index indexName="subjects-index">
      <term>Unterricht</term>
    </index>Unterricht der gemeinen Zuhörer, sondern zur gelerten Uebung der
                        <hi>Candidaten</hi> und Lehrer, gegen andre Lehrer andrer Parteien, gehöret.
                    Hat er also geleret, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_44"/><index indexName="persons-index">
      <term>Paulus</term>
    </index><persName ref="textgrid:251kf">Pauli</persName> Ausspruch, <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Röm:5">Röm. 5.</citedRange></bibl>
                    alle Menschen sündigen, <foreign xml:lang="grc">ἡμαρτον</foreign>, seie bey
                    vielen Menschen nicht wahr? <pb xml:id="bs_b_page_27" n="27" edRef="#b"/> oder
                    hat er ihn erkläret nach der täglichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Erfahrung</term>
    </index>Erfarung? <index indexName="subjects-index">
      <term>Zurechnung der Sünde Adams</term>
    </index><hi>Zurechnung</hi> – gehört für Gelerte. <hi>Notwendigkeit</hi> einer
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Genugtuung</term>
    </index>Genugthuung ebenfals; oder hat er die <hi>Sache</hi>, die neue
                    Möglichkeit unserer christlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Zuversicht</term>
    </index>Zuversicht, die sich auf <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> geistliche Lehre und
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Historie, moralische</term>
    </index>moralische Historie gründet, <hi>übergangen</hi>, oder für irrig
                    gehalten? Denn <hi>Genugthuung an sich</hi>, der Sache nach, die nun als ein neu
                    Verhältnis der Menschen in der <index indexName="subjects-index">
      <term>Welt, moralische</term>
    </index><hi>moralischen</hi> Welt da ist, <hi>gehört in den Grund der
                        christlichen Religion</hi>, den Christen nun mit ihrer Neigung umfassen, so
                    oder so beschreiben; hat er dis weggelassen? so hat er den rechten geistlichen
                    Grund der christlichen Religion gar nicht gekant. An dem <hi>Worte</hi> liegt
                    nichts. <index indexName="subjects-index">
      <term>Bekehrung</term>
    </index><hi>Bekehrung</hi> – kann sie auch nur gedacht werden, als ein
                    christlicher moralischer Zustand, ohne geistliche, neue, jetzige Wirkung GOttes
                    durch christliche Wahrheiten? ohne wirkliche fortgehende eigene Veränderung des
                    Menschen? In der gemeinen Lehre siehet man auf die große Anzal; wer <index indexName="subjects-index">
      <term>psychologisch</term>
    </index><hi>psychologisch</hi> mit denken kann, der erwartet hier in Absicht
                    seiner nicht eine Lehrart, die dem gemeinen Haufen nutzen und ihn gewis und
                    leicht erbauen sol. <hi>Gottheit <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName></hi> und des
                    heiligen Geistes, in <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_45"/><hi>athanasianischen</hi> Sinn – wie ist dieses zu verstehen? von dem
                        <hi>Symbolo</hi>, das ehedem <index indexName="classics-index">
      <term>Athanasius von Alexandrien</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:2sjxr">Athanasii</persName></hi> hieße? so
                    kann es nicht so beschrieben werden, im <hi>athanasianischen</hi> Sinne; indem
                    ein jeder weis, daß <persName ref="textgrid:2sjxr"><hi>Athanasius</hi></persName> es nicht geschrieben hat, und daß sein Sinn
                    unmöglich mit dem Sinne des nachherigen wohl 200, 300 Jahr spätern so genau
                    bestimten Symboli einerley ist. Sol es auf den <index indexName="classics-index">
      <term>Athanasius von Alexandrien</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:2sjxr">Athanasius</persName></hi> gezogen
                    werden: so ist es theils sehr schwer, es klar auszumachen, welches <hi>sein
                        Sinn</hi> gewesen sey; theils ist unsre, der <index indexName="subjects-index">
      <term>katholisch</term>
    </index><hi>katholischen</hi> Lehrer Erklärung keinesweges der Sinn des <index indexName="classics-index">
      <term>Athanasius von Alexandrien</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:2sjxr">Athanasius</persName></hi>, oder des
                    4ten und 5ten Jahrhunderts; und gehört überhaupt alsdenn nicht in den gemeinen
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Unterricht</term>
    </index>Unterricht; <hi>ganz und gar nicht</hi>. Was soll dis also heißen? Alle
                    Christen glauben an Vater, Sohn oder <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName>
    <pb xml:id="bs_b_page_28" n="28" edRef="#b"/> und heiligen Geist; dis ist eine
                    ganz gewisse Grundlehre des Christentums; nun kommen die <hi>kirchlichen</hi>
                    Bestimmungen zu diesen 3 <foreign xml:lang="lat">terminis</foreign>; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_46"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Subjekt</term>
    </index><foreign xml:lang="lat">subiecta</foreign>, <index indexName="subjects-index">
      <term>Person</term>
    </index>Personen <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> (alle neue Worte der Gelerten für ihres gleichen) Eines und desselben
                    Wesens. Diese Bestimmung hat niemand zum Grund und Inhalt der christlichen Lehre
                    und christlichen Wohlfart gerechnet, ich brauche <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_47"/><index indexName="persons-index">
      <term>Hunnius, Nikolaus</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:3r68f">Hunnii</persName></hi> epitomen
                    credendorum nur zu nennen; wohl aber <hi>zum Grunde einer besondern sichtbaren
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirchengesellschaft, lokale</term>
      </index>localen Kirchengesellschaft</hi>. Wer diese Bestimmung nicht annimt,
                    von dem sagt niemand, er seie kein Christ, er habe keine christliche Andacht und
                    Tugend; er könne nicht selig werden; sondern, man sagt, er gehöre folglich nicht
                    zu der <hi>katholischen</hi> Kirche; nicht zu den 3 Religionsparteien im
                        <hi>teutschen</hi> Reiche. Er mag nun sagen, diese Bestimmungen und <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_48"/>Lehrsätze schaden der
                    Gottseligkeit; sind der <index indexName="subjects-index">
      <term>Vernunft</term>
    </index>Vernunft anstößig, sind Quelle des <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaubens, Quelle des</term>
    </index>Unglaubens: so ist es <hi>alles gar nichts</hi> gesagt, in Absicht
                    unserer und aller Christen, welche den Zusammenhang dieser Lehrsätze wirklich
                    aus der Schrift, mit ihrer Vernunft, zum Inhalt ihres Glaubens und
                    Gottseligkeit, und zum <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_48a"/><foreign xml:lang="lat">medius terminus</foreign> ihrer äußerlichen
                    Geselschaft machen, weil sie gar keinen <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index>Unglauben oder <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsverachtung</term>
    </index>Religionsverachtung, sondern menschlichen Willen und Vorsatz darin
                    bestätiget und an den Tag geleget finden.</p>
  <p>Wenn nun ein Doctor Theologiä, als Mitglied der augspurgischen Confession, über
                    diese Grundsätze aller katholischen Christen, wozu hier auch die <index indexName="subjects-index">
      <term>Protestanten</term>
    </index><hi>Protestanten</hi> gehören, sagt: daß er diesen Lehrsätzen selbst,
                    ihrem Inhalt nach, (von <foreign xml:lang="lat">terminis</foreign> ist die Rede
                    nicht) niemalen directe widersprochen; sondern sie <hi>entweder übergangen,
                        oder</hi> ihr schädliches und irriges <hi>abgesondert</hi>: so hat er in der
                    That nicht als ein Doctor Theologiä <foreign xml:lang="lat">augustanae
                        confessionis</foreign> rechtschaffen gelehret: sondern <index indexName="subjects-index">
      <term>untreu (Bahrdt)</term>
    </index><hi>untreu</hi> gehandelt. Alle <index indexName="subjects-index">
      <term>lutherisch</term>
    </index><hi>lutherischen</hi> Doctores Theologiä haben <hi>diesen Inhalt</hi>
                    der Lehrsätze in ihrem <index indexName="subjects-index">
      <term>Doktoreid</term>
    </index>Doctoreide. Es könte auch sonst <pb xml:id="bs_b_page_29" n="29" edRef="#b"/> wahrlich der ganzen <hi>lutherischen Kirche</hi> gar nichts an
                    diesen Lehrsätzen liegen, wenn jeder Lehrer diese Lehrsätze so beurtheilen
                    dürfte, sie seien schädlich und irrig gewesen, bis er nun dazu gekommen, und das
                    Schädliche und Irrige <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_49"/><hi>mit solcher</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Klugheit</term>
    </index><hi>Klugheit</hi> abgesondert habe, <hi>daß es das Volk nicht
                        gemerket</hi>; daß er aber diese Lehren selbst für falsch und in der Schrift
                    ungegründet – ansehe. Ein für seine Geselschaft treuer und rechtschaffener
                    Lehrer behält <hi>die Sache, den Begrif</hi>, und schenkt die <hi>Worte</hi>,
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Person</term>
    </index>Person, <choice>
      <sic>Dreienig-</sic>
      <corr type="editorial">Dreieinig-</corr>
    </choice> und <index indexName="subjects-index">
      <term>Dreifaltigkeit</term>
    </index>Dreifaltigkeit, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_50"/>Homousios, Erbsünde <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> dis ist rechtmäßig, und lange bekant, unter treuen
                        <hi>lutherischen</hi>, ja auch unter vielen <hi>römischkatholischen</hi>
                    Lehrern, vom <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_51"/><index indexName="persons-index">
      <term>Erasmus, Desiderius</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:24h47">Erasmus</persName></hi> an, bis auf
                        <index indexName="persons-index">
      <term>van Walenburch, Adrian</term>
    </index>die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_52"/><index indexName="persons-index">
      <term>van Walenburch, Peter</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:3r6db"><persName ref="textgrid:3r6dc">Walenburche</persName></persName></hi>, die eine <foreign xml:lang="lat">secretionem</foreign> der theologischen Sätze zugaben. Aber
                    die Rede ist von der <hi>Lehre</hi>, vom <hi>Inhalte</hi>, oder der
                        <hi>Sache</hi> selbst. Wer sie gar nicht bejahen kann, der mus sich ja nicht
                    als einen Lehrer der <hi>augspurgischen Confeßion</hi> aufstellen lassen; er
                    beleidigt ja die Pflichten gegen die <hi>lutherischen</hi> Kirchen. Will er
                    selbst eine neue <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalkirche</term>
    </index><hi>Universalkirche</hi> stiften: so kann er es anfangen, aber
                    nimmermehr, als <foreign xml:lang="lat">doctor theologiae augustanae
                        confessionis</foreign>. Gleichwol sagt der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> von dieser seiner Aufführung:</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_53"/><quote corresp="#quote_bs_a11_1 #quote_bs_a11_3">Folglich bin ich auch noch nie von
                        den eigentlichen Verpflichtungen eines protestantischen Lehrers abgewichen,
                        sondern habe <hi>mit Klugheit und Vorsicht</hi> die Gesetze des Staats mit
                        der Gewissensfreiheit zu vereinigen gesucht; fest überzeugt, daß streitige
                        Religionspunkte nie in den Volksunterricht gehören <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice></quote></p>
  <p>Die Beurtheilung, ob er nicht von den eigentlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Pflicht</term>
    </index>Pflichten eines protestantischen Lehrers abgewichen seie: kann er nicht
                    selbst vornemen, und uns, den Lehrern der lutherischen Kirche, geradehin für
                    richtig aufdringen; wie dis wol ein jeder einsehen wird. Ich wil es durch das
                    öffentliche feierlichste Urtheil des gesamten <foreign xml:lang="lat">Corporis
                            Euange<pb xml:id="bs_b_page_30" n="30" edRef="#b"/>licorum</foreign>
                    bestätigen, was ich hier sage, und den <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> folglich, nach unsern
                        <hi>protestantischen</hi> principiis und Rechten, aufs allergewisseste
                    widerlegen. In eben dem vorhin <choice>
      <abbr>S.</abbr>
      <expan>Seite</expan>
    </choice> 2 <choice>
      <abbr>f.</abbr>
      <expan>folgend</expan>
    </choice> angefürten <foreign xml:lang="lat">pro memoria</foreign> zu der
                        <hi>Gläsenerischen</hi> Sache<ptr type="bibliographic-object" target="textgrid:3rnnb"/>, stehet <choice>
      <abbr>S.</abbr>
      <expan>Seite</expan>
    </choice> 708. mit diesen Worten:</p>
  <p>(Daß sich der kaiserliche Reichshofrath darin mengen wolle –)</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_54"/>„Welches um so weniger zu
                    dulten, wenn gleich die Controvers den Grund des Glaubens nicht beträfe,
                        <hi>weil derjenige, welcher sich als einen öffentlichen Lehrer bestellen
                        lässet, so lange er das <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehramt</term>
      </index>Lehramt füren wil, nicht nach seinen Begriffen, sondern</hi> denen
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>symbolische Bücher</term>
    </index>symbolischen Büchern <hi>gemäs lehren muß</hi>, welche die Kirche, wozu
                    er sich bekennet, als eine Regel und Richtschnur angenommen <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice>“ Dis ist folglich sonnenklar, und alles übrige, was der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> von seiner <index indexName="subjects-index">
      <term>Klugheit</term>
    </index><hi>Klugheit</hi> hier erzälet und schreibet, ist unnütz und
                    ungegründet. Seine ganze Beschreibung von seinem klugen Verhalten ist höchstens
                        <hi>eigene Meinung</hi>, ist ungründliche übereilte <index indexName="subjects-index">
      <term>Denkungsart</term>
    </index><hi>Denkungsart</hi> des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs>, aber auf diese, <hi>im
                        Unterschied</hi> von der Lehre der augspurgischen Confession, hatte niemand
                    gerechnet, der ihn für einen Lehrer der <hi>augspurgischen Confession</hi>
                    halten wolte. So seltsam der Einfall eines Privati war, eine
                        <hi>Veränderung</hi> mit der <hi>augspurgischen Confession</hi> so
                    vorzunemen, als er sie jetzt, zu seinem besondern neuen Gesichtspuncte, selbst
                    für dienlich hielte: eben so <index indexName="subjects-index">
      <term>untreu (Bahrdt)</term>
    </index>untreu handelte ein solcher, der zwar sich zur <hi>augspurgischen
                        Confession</hi> feierlich selbst bekennete, aber selbst dis Urtheil
                    öffentlich behalten wolte, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_55"/>„sie hat schädliche, irrige, in der Schrift nicht gegründete Lehrsätze, von
                    Erbsünde <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice><supplied></supplied> Er hätte da folglich <hi>seine eigenen Gedanken
                        zu lehren</hi> sich vorgenommen, und hatte doch versichert, er näme die
                        <hi>augspurgische Confession</hi> zur Vorschrift seiner öffentlichen Lehre
                    an. Ob diese Aufführung nicht wider die <index indexName="subjects-index">
      <term>Verpflichtung</term>
    </index><hi>Verpflichtung</hi>, welche unsre Kir<pb xml:id="bs_b_page_31" n="31" edRef="#b"/>che ihren Lehrern aufleget, laufe; ob sie eine <hi>ganz besondre
                        neue Klugheit</hi> entdecke: mus ja <hi>unsere Kirche</hi>, welche die
                    augspurgische Confession zum Grunde der Vereinigung aller Mitglieder angenommen
                    hat, <hi>selbst beurtheilen</hi>. Wenn diese dis Verhalten mit einem andern
                    Namen benennet: so hilft jene vorgeschützte <hi>Klugheit</hi> gar nichts; unsre
                    Kirchen verlangen Gewissenhaftigkeit, <index indexName="subjects-index">
      <term>Treue</term>
    </index>Treue, Redlichkeit <hi>gegen ihre Glieder</hi>, die einem Lehrer zum
                    Unterrichte angeboten werden; durch den <index indexName="subjects-index">
      <term>Eid</term>
    </index>Eid, den sie ihm auflegen; nicht aber anmasliche Klugheit <hi>in
                        Veränderung</hi> der Lehrsätze der Confession. Ist aber etwa hier die Rede
                    von <hi>streitigen Religionspunkten</hi>? In welchem Verhältnis stehet der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>, wenn er unsre Confession, ja die ganze
                        <hi>römische</hi> Kirche zugleich, in der Lehre von der Erbsünde, Bekerung,
                    Genugthuung, Gottheit <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> und des
                    heiligen Geistes, <hi>streitiger</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrpunkte, streitige</term>
    </index><hi>Lehrpuncte</hi> beschuldiget? Sind dis <hi>streitige</hi> Lehrpuncte
                    bey den Protestanten und Catholicis? wer dis sagen kann, ist ja <foreign xml:lang="lat">ipso facto</foreign> ein <hi>Gegentheil</hi> der
                    augspurgischen Confession, welche alle diese Lehrsätze, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_56"/>in der so großen
                    Feierlichkeit 1530. als ganz gewisse Lehrsätze, die auch die alte römische
                    Kirche habe, von ihren Angehörigen und Theilnemern versichert, mit der ganzen
                    Ehrlichkeit und Zuverläßigkeit, die keinem Lehrer jemalen eine Gelegenheit zur
                    besondern <hi>Klugheit</hi> übrig läßt, um das <hi>Irrige, Schädliche</hi>, und
                    ohne Schrift angenommene darin, in der Confession, zu verändern. Der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> wirft <foreign xml:lang="lat">simpliciter</foreign> die <hi>Sachen</hi>, den <index indexName="subjects-index">
      <term>Inhalt</term>
    </index><hi>Inhalt</hi>, ganz weg; er sagt, zu solchen Lehren, die ohne Schrift,
                    wider die Vernunft, zum Schaden der Gottseligkeit – in dem
                        <hi>protestantischen</hi> Religionssystem stehen, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_57"/><quote corresp="#quote_bs_a10_4a"><hi>rechne ich</hi>; die Lehre von der Erbsünde <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice></quote> ohne alle Einschränkung. Verstünde er <foreign xml:lang="lat">terminos</foreign>, allerley, abwechselnde, zuweilen nun
                    nicht recht schickliche Worte und Beschreibungen: so bliebe dennoch <hi>die
                        Sache, der</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Begriff</term>
    </index><hi>Begriff</hi> selbst. Und diese billige Beurtheilung, daß nicht alle,
                    da und dort eingefürte Worte, <pb xml:id="bs_b_page_32" n="32" edRef="#b"/>
                    Bestimmungen, Abtheilungen, Beweise, eine unveränderliche Richtigkeit und
                    Unverbesserlichkeit haben, auch nicht beibehalten können, gestunden so gar alle
                    billigen <hi>römischen</hi> Gelerten seit mehr als hundert Jahren; <hi>von sehr
                        vielen Artikeln oder Lehrsätzen</hi>; aber sie unterschieden die
                        <hi>Sache</hi>, von der <index indexName="subjects-index">
      <term>Beschreibung, lokale</term>
    </index><hi>localen</hi> Beschreibung und <hi>Modification</hi> der Vorstellung
                    davon. Die <hi>Sache</hi> ist und bleibt ein Theil der christlichen
                        <hi>katholischen</hi> Lehre; die Beschreibung und Vorstellung kann von
                    jemand verändert, für ihn verbessert werden, auch wol mit öffentlicher
                    Genemhaltung. <choice>
      <abbr>Z. E.</abbr>
      <expan>Zum Exempel</expan>
    </choice> So haben <index indexName="persons-index">
      <term>van Walenburch, Adrian</term>
    </index>die <index indexName="persons-index">
      <term>van Walenburch, Peter</term>
    </index><persName ref="textgrid:3r6db"><persName ref="textgrid:3r6dc">Brüder
                                <hi>Walenburchii</hi></persName></persName>, selbst <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_58"/><index indexName="persons-index">
      <term>Bossuet, Jacques Bénigne</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:2svzz">Bossuet</persName></hi>, (in der so
                    mühsamen Conferenz mit dem <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_59"/>Abt <index indexName="persons-index">
      <term>Molanus, Gerhard Wolter</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dd">Molanus</persName></hi>) sehr viel in
                    den Beschreibungen nachgegeben; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_60"/>jene nanten es <foreign xml:lang="lat">secretionem</foreign>; dieser Bischof <foreign xml:lang="lat">explicationem</foreign>. Aber hier hat der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>
    <hi>geradeweg</hi> alle diese <hi>Begriffe, alle Sachen</hi>, weggeworfen: die
                    man mag, <foreign xml:lang="lat">ratione rei</foreign>, von <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_61"/><hi>Erbsünde</hi>, von
                    Bekerung durch GOttes Wirkung, von Genugthuung, Rechtfertigung, Gottheit <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> und des heiligen
                    Geistes, jemalen <hi>zusammen setzen</hi>; er <hi>verwirft</hi> die
                        <hi>Sachen</hi> selbst; und giebt uns, wenn wir die Absicht der
                        <hi>lutherischen</hi> Kirchen ihm entgegen setzen wollen, die Antwort:</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_62"/><quote corresp="#quote_bs_a11_3 #quote_bs_a11_4">fest überzeugt, daß
                            <hi>streitige</hi> Religionspunkte nie in den Volksunterricht gehören;
                        und daß folglich auch von solchen ein kirchliches Lehramt verwaltet werden
                        kann, welche von der Systemsreligion in ihren Ueberzeugungen abweichen;
                        dagegen aber desto eifriger an der reinen Christusreligion halten, und
                        dieselbe gründlich vorzutragen wissen.</quote></p>
  <p>Kann diese einseitige angebliche Ueberzeugung des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> etwas dazu helfen, daß die <index indexName="subjects-index">
      <term>lutherisch</term>
    </index><hi>lutherische</hi> Kirche nun auch überzeugt werde, ihre
                        <hi>augspurgische Confession</hi> enthalte – Irtümer, in diesen genanten
                    Lehrsätzen? Wil die lutherische Kirche zufrieden seyn, wenn ein Lehrer sich
                    einbildet, er habe <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_63"/><quote corresp="#quote_bs_a11_2">mit besondrer <hi>Klug</hi><pb xml:id="bs_b_page_33" n="33" edRef="#b"/><hi>heit</hi> und Vorsicht
                            <hi>die <index indexName="subjects-index">
          <term>Staatsgesetze</term>
        </index>Gesetze des Staats mit der <index indexName="subjects-index">
          <term>Gewissensfreiheit</term>
        </index>Gewissensfreiheit zu vereinigen gesucht</hi></quote>? diese
                    Arbeit war ihm ja nicht anbefolen, oder in seinen Eid gegeben worden. Die <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensfreiheit</term>
    </index><hi>Gewissensfreiheit</hi>, als ein Recht eines jeden Unterthanen,
                    gehört <hi>ihm selbst</hi>; betrift ihn, im <hi>Individuo</hi>; in seinem <index indexName="subjects-index">
      <term>Privatstand</term>
    </index><hi>Privatstande</hi> vor und gegen GOtt. Ein <hi>Lehrer</hi>, als
                    Lehrer, steht in einem <index indexName="subjects-index">
      <term>Amt, öffentliches</term>
    </index><hi>öffentlichen Amte</hi>; hat einen öffentlichen Stand, in der
                    öffentlichen ganzen Gesellschaft. Diese Gesellschaft, die ihn selbst bestellet,
                    trauet ihm das zu, daß er, wie sie ihn hat eidlich versprechen lassen, die
                    Lehren der <hi>augspurgischen Confession</hi>, welche im Staate aufs
                    feierlichste, zur öffentlichen Unterweisung eingefürt ist, als solche
                        <hi>augspurgische</hi> Lehrsätze, dem Volke vorlegen wil. Und nun wil ein
                    Lehrer sagen: vermöge meiner Klugheit und Vorsicht, wil ich die <index indexName="subjects-index">
      <term>Staatsgesetze</term>
    </index>Gesetze des Staats, (welche die <hi>augspurgische Confession</hi> zum
                    öffentlichen gemeinen protestantischen Lehrbuch machen, behaupten und schützen,)
                    mit <hi>meiner privat Gewissensfreiheit</hi>, wonach ich die Confession für
                    irrig und falsch halte, <hi>in eine Vereinigung bringen</hi>; und ich wil also
                        <hi>das nicht lehren</hi>, was in der <hi>augspurgischen Confession</hi>
                    stehet, (denn das sind schädliche Irtümer, die in der Schrift nicht befindlich
                    und der Vernunft anstößig sind,) sondern ich will diese mir anvertraute Glieder
                    der <hi>lutherischen</hi> Kirche dasjenige lehren, was <hi>ich selbst</hi>, nach
                    meiner <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensfreiheit</term>
    </index>Gewissensfreiheit, <hi>für mich</hi>, nach meinen besondern Umständen
                    oder Einsichten, glaube und denke. Ist es wohl nötig, das ungeschickte in dieser
                    ganzen Beschreibung weiter zu entwickeln? Ist denn dis rechtschaffen und ehrlich
                    gehandelt <hi>gegen diese</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Gesellschaft</term>
    </index><hi>Gesellschaft</hi>? Die verlangte ja nicht ein neues Lehrbuch zu
                    bekommen, sondern sie wil ihre alte <hi>augspurgische Confession</hi> verstehen
                    lernen, und erklären hören, was ihr wahrer Inhalt, <hi>der Sache nach</hi>, heut
                    zu Tage noch immer wirklich ist! Uebrigens will ich nichts weiter hier zusetzen;
                    die Folge hieraus, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_64"/><quote corresp="#quote_bs_a11_5">daß folglich auch von solchen ein
                        kirchliches Lehramt verwaltet <pb xml:id="bs_b_page_34" n="34" edRef="#b"/>
                        werden kan</quote>“ – wird eine jede Kirchengesellschaft <hi>läugnen</hi>;
                    sie verlangt einen solchen Lehrer nicht, der die <hi>augspurgische
                        Confession</hi> von <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_65"/>der reinen <index indexName="subjects-index">
      <term>Christusreligion</term>
    </index>Christusreligion (ein neuer Ausdruck) <hi>als sehr verschiedene
                        Lehrbegriffe, unterscheidet</hi>. Wir lassen das nicht öffentlich lehren in
                    unsern Kirchen, was, aus und nach <hi>Privat</hi>-Uebung oder Verirrung, unter
                    dem Namen einer reinen Christusreligion, <hi>als was ganz anders</hi>, uns
                    angeboten wird. Gründlich vorzutragen wissen, ist eine viel zu gemeine
                    Eigenschaft, die sich bey <index indexName="subjects-index">
      <term>Sozinianer</term>
    </index><hi>Socinianern, Juden</hi> und <index indexName="subjects-index">
      <term>Muhammedaner</term>
    </index><hi>Muhammedanern</hi> finden kann; es komt auf den <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrinhalt</term>
    </index><hi>Lehrinhalt</hi> hier zuerst an; nachher auf seine Gründlichkeit für
                    die Zuhörer.</p>
  <p><choice>
      <abbr>S.</abbr>
      <expan>Seite</expan>
    </choice>
    <ref target="#bs_a_page_12">12.</ref>
    <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_66"/><quote corresp="#quote_bs_a12_1">Ich muß es also nun schon ferner wagen, bey dieser
                        mir zur Pflicht gemachten öffentlichen Erklärung meiner Privatüberzeugungen,
                        freimütig zu gestehen: daß ich die oberwänten Lehrsätze, nach meiner
                        geringen Einsicht, für schriftwidrig halte und als die Quelle eines
                        doppelten Uebels ansehe.</quote></p>
  <p>Es ist nicht nötig, hierauf viel zu erwiedern; <hi>nicht jetzt erst</hi> ist es
                    zur Pflicht gemacht worden, sich zu erklären, ob man mit der <hi>augspurgischen
                        Confession</hi>, der <hi>Sache</hi> nach, einstimme, und mit gutem Gewissen
                    diese Lehrsätze selbst anneme, also auch sie mit reinem Beifal und Einstimmung
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>öffentlich lehren</term>
    </index>öffentlich zu lehren im Stande sey. Die besondre Nachfrage oder Anzeige
                    des kaiserlichen Reichshofraths beziehet sich vielmehr darauf, daß schon mehr
                    Merkmale zusammen genommen werden könnten, welche eben diese <index indexName="subjects-index">
      <term>Denkungsart</term>
    </index>Denkungsart enthielten, daß der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> weder <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_67"/>den <hi>alten öcumenischen</hi> oder gemeinen
                        <hi>Symbolis</hi> der 4 ersten Jahrhunderte selbst beystimme, noch auch den
                    Lehrinhalt der <hi>augspurgischen Confession</hi> selbst bejahe; folglich eine
                    4te <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrform, vierte</term>
    </index>Lehrform oder <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionshypothese</term>
    </index><hi>Religionshypothese</hi> öffentlich für das <hi>teutsche</hi> Reich
                    in Schwang gebracht werden wolle; welche eben darum zur
                        <hi>Gewissensfreiheit</hi>
    <pb xml:id="bs_b_page_35" n="35" edRef="#b"/> gar nicht gehöret, weil
                        <hi>öffentliche</hi> Unternemungen im Werke sind, eine ganz neue <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_68"/><hi>universelle <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsform, universelle</term>
      </index>Religionsform</hi> im <hi>römischen</hi> Reich für andre Christen
                    aufzubringen, mit Aufhebung der 3 feierlich eingefürten und festgesetzten.
                    Dieses <hi>Vorhaben</hi> einiger emsigen, sehr viel auf einmal umfassenden
                    Personen ist es, worauf die sämtlichen <hi>teutschen</hi> Kirchen mit allem
                    Recht aufmerksam sind. Der Zusatz, <hi>nach meiner geringen Einsicht</hi>, ist
                    hier ganz ohne alle Bedeutung und Absicht. Der ganze zuversichtliche anmaslich
                    große Ton des Bekentnisses, der andre Lehrer so leicht <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_69"/><hi>Lügner</hi> oder
                            <hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Heuchler</term>
      </index>Heuchler</hi> nent, entdeckt es überal, daß der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sich keine geringe Einsicht oder kleine
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Größe, moralische</term>
    </index><hi>moralische</hi> Größe beilege. Er würde sonst die erste Pflicht
                    nicht überschritten haben, sich nicht über alle andre Lehrer so gleich selbst zu
                    erheben; er würde seine Gedanken, die morgen eben so veränderlich seyn können,
                    noch nicht als feste neue Wahrheit den feierlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Bekenntnisschriften</term>
    </index>Bekentnisschriften aller bisherigen christlichen Kirchen so geschwind
                    entgegen gesetzt haben. Er hält also jene Lehrsätze, den <hi>Sachen</hi> nach,
                    wie ich schon angemerkt habe, geradehin für <index indexName="subjects-index">
      <term>schriftwidrig</term>
    </index><hi>schriftwidrig</hi>. Dis konte er ohne Sünde gegen GOtt zu begehen,
                    und ohne Pflichten gegen eine Gesellschaft, in der er lebt, selbst zu
                    übertreten. Die allermeisten <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_70"/>Kirchen des <hi>Orients</hi> haben gar keinen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_71"/>Begrif von <index indexName="subjects-index">
      <term>Erbsünde</term>
    </index><hi>Erbsünde</hi>, in <hi>lateinischer</hi> Denkungsart, von traduce,
                    wie <index indexName="classics-index">
      <term>Augustinus von Hippo</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:2r5hd">Augustinus</persName></hi> sie am
                    ersten so bestimt hat, für seine Mitglieder im <hi>africanischen</hi> Lehramte,
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_72"/>(nicht als allein
                    seligmachende Wahrheit;) der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> konte also sagen, ich finde den Lehrsatz
                    von Erbsünde, Rechtfertigung, Genugthuung <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> gar nicht in der Schrift. So hatte er blos sein <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen gegen Gott</term>
    </index>Gewissen gegen GOtt zu beurtheilen, und zu erwarten, was andre
                    christliche Lehrer ihm antworten würden, nach ihrem <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index>Gewissen. Aber er muste die <index indexName="subjects-index">
      <term>Pflicht</term>
    </index>Pflichten gegen seine Zeitgenossen, in der und jener christlichen
                    Kirchenpartey, <hi>nicht aufheben und umstossen</hi>; folglich 1) nicht
                        <hi>vorgeben</hi>, daß <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_73"/><quote corresp="#quote_bs_a12_5">die auf ihren <pb xml:id="bs_b_page_36" n="36" edRef="#b"/> Posseß trotzende Geistlichkeit,
                            <supplied>(</supplied>die eben nicht immer das Vorurtheil der
                        Gelehrsamkeit, Geistesstärke und der kaltblütigen Prüfungsgabe, für sich
                        gehabt habe,) <hi>diese</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrsätze</term>
      </index><hi>Lehrsätze</hi> der Welt <hi>als allein</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaubenswahrheiten, alleinseligmachende</term>
      </index><hi>seligmachende Glaubenswahrheiten aufdringen wolle</hi></quote>.
                    Von <hi>aufdringen</hi> kan die Rede ganz und gar nicht seyn; indem ich schon
                    gesagt habe, wer gar kein Christ seyn wil, kan ein Jude, <hi>Muhammedaner</hi>,
                    Unchrist werden oder seyn; wer nicht zu <hi>Protestanten</hi> gehören wil, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_74"/>kan sich zur
                        <hi>römischen</hi> Kirche begeben, und umgekehrt. 2) In keiner von diesen
                    Kirchen wird die Lehre von <hi>Erbsünde</hi>
    <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> geradehin für eine <index indexName="subjects-index">
      <term>Glaubenswahrheiten, alleinseligmachende</term>
    </index><hi>seligmachende Glaubenswahrheit</hi> ausgegeben; indem es über diese
                    Lehre <hi>so mancherley Ausdehnung</hi> und Verknüpfungen der Vorstellungen
                    giebt, die auch jedem <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index>Gewissen frey stehen, und es wird doch <hi>niemanden</hi>, gar niemanden
                    darum der Antheil an innerer <index indexName="subjects-index">
      <term>Seligkeit, moralische</term>
    </index><hi>moralischer</hi> Seligkeit und christlicher Wohlfart abgesprochen,
                    dieweil er mehr oder weniger bestimme, diese oder jene Beweisstelle und <index indexName="subjects-index">
      <term>Beweisart</term>
    </index>Beweisart nicht anneme, als doch diese und jene öffentliche Beschreibung
                    enthalte. Wenn also auch der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>
    <hi>ganz und gar nichts</hi> mehr übrig behält, was man Zerrüttung,
                    Mangelhaftigkeit oder Verderben, Verdorbenheit des Menschen von seinem ersten
                    Daseyn, von <index indexName="subjects-index">
      <term>Natur, von</term>
    </index>Natur her, nent: so trit er zwar ab von allen Bekäntnissen aller
                    Kirchen, die im <hi>teutschen Reich</hi> eine besondre öffentliche Verknüpfung
                    und vorzügliche öffentliche Rechte haben; aber ich wil ihm deswegen nicht allen
                    Antheil an innerer Seligkeit und <index indexName="subjects-index">
      <term>Wohlfahrt, moralische</term>
    </index>moralischer Wohlfart absprechen; wenn er nun sonst seine moralische
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Unordnung, moralische</term>
    </index>Unordnung, die er also blos vom Vorsatz an berechnen wird, auszubessern
                    und mit <hi>moralisch</hi> guten Fertigkeiten zu vertauschen bemühet ist.
                    Braucht er dazu keine <hi>Wirkung GOttes</hi>, keine <index indexName="subjects-index">
      <term>Rechtfertigung</term>
    </index><hi>Rechtfertigung</hi>, in gar keiner Bedeutung; keine Verschaffung,
                    Erwerbung, verdienstvolle Gnade oder <index indexName="subjects-index">
      <term>Wohltaten Christi</term>
    </index>Wohlthat <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>; (<foreign xml:lang="lat">meritum et beneficia <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName></foreign>, setzt die augspurgische Confeßion
                    zusammen,) so <pb xml:id="bs_b_page_37" n="37" edRef="#b"/> wil ich sie ihm
                    nicht aufdringen; es geht ja mir und andern gar nichts darunter ab oder zu.
                    Glaubt er zu wissen, daß <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>, oder <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_75"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Logus</term>
      </index>Logus, <index indexName="subjects-index">
        <term>Monogenes</term>
      </index>Monogenes</hi>, <index indexName="subjects-index">
      <term>Erstgeborner</term>
    </index>Erstgeborner aller nachher geschaffenen Dinge, gar keine <index indexName="subjects-index">
      <term>hermeneutisch</term>
    </index><hi>hermeneutische</hi> Möglichkeit habe: so werde ich gewis mit ihm
                    nicht darüber streiten; wie er mich und andre Lehrer nicht auf diese seine
                    Gedanken bringen wird. Aber woher komt denn <hi>das</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Recht</term>
    </index><hi>Recht</hi> zu der Forderung: weil ich, in meinen besondern
                    Umständen, von diesen Lehrsätzen keinen Grund in der Schrift finde: so müssen
                    die christlichen Kirchen in Teutschland, auch alle ihre Bekentnisse faren
                    lassen, und ein <hi>neues Bekentnis</hi>, so wie meines, <hi>öffentlich</hi>
                    aufstellen. Ich sage, wo komt dis Recht nun her? Ich dächte zu allererst, würde
                    eine billige <index indexName="subjects-index">
      <term>Bescheidenheit</term>
    </index>Bescheidenheit dieses an Hand geben: daß andre Lehrer <hi>mit eben
                        demselben guten</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index><hi>Gewissen</hi> diese <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrwahrheiten</term>
    </index>Lehrwahrheiten in der Schrift, da oder da finden, also auch in dem
                        <hi>Zusammenhange</hi> christlicher Vorstellungen an Ort und Stelle
                    einsetzen können; daß es nun den Landesobrigkeiten zukäme, aller öffentlichen
                    Unruhe und neuen Spaltung ihrer Unterthanen so vorzubeugen, als sie für die
                    Freiheit des Gewissens nötig, und zur gemeinen Verbindung für gut fänden; und
                    wenn sie diese <hi>öffentlichen</hi> Kirchenbekentnisse behaupten und
                    ausschliessungsweise, was öffentliche Religionsübung und Unterricht betrift,
                    beschützen wolten: so hätte weder der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> noch irgend ein billiger Zeitgenosse ein
                    Recht, es zu misbilligen. Wir wollen den Fal setzen, der es in der That gar
                    nicht ist, es sind also zwey Parteien; eine sagt, ja, diese <hi>Lehren</hi>, an
                    sich, ohne die veränderliche <hi>Modification</hi>, die dem Gewissen stets
                    gehört, haben ihren Grund in der <index indexName="subjects-index">
      <term>Bibel</term>
    </index>Bibel. Die andre sagt, <hi>nein</hi>; sie haben gar keinen Grund in der
                    Schrift, und wir verlangen daher, (nach dem <index indexName="subjects-index">
      <term>Menschenrechte</term>
      <term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
    </index>Rechte der Menschheit und unsers <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensrechte</term>
      <term type="alternative">Rechte des Gewissens</term>
    </index>Gewissens,) daß ihr andern Lehrer <hi>uns hierin Recht geben solt</hi>;
                    ihr müßt eure Bekentnisse, <hi>Catechismos</hi>, eurer drey Kirchen <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> nun ab<pb xml:id="bs_b_page_38" n="38" edRef="#b"/>schaffen und
                    wegwerfen, hört uns zu, wir wollen ein <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionssystem</term>
    </index><hi>Religionssystem</hi> für die ganze Welt machen – und was der
                    Versprechungen aus der <index indexName="subjects-index">
      <term>Mondwelt</term>
    </index>Mondwelt mehr sind – Auf welcher Seite wird wohl mehrere <index indexName="subjects-index">
      <term>Menschenliebe</term>
    </index>Menschenliebe und Ueberlegung sich finden? und wer sol nun im Staat über
                    diese zweierley Angaben oder Vortrag, den Ausspruch thun? Ich denke, die
                    landesherrliche Macht; diese bestimt oder hat schon lange bestimt, die
                    äusserlichen Rechte der gottesdienstlichen Geselschaften, was Uebereinstimmung
                    des ersten Religionsunterrichts betrift; <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index><hi>die Gewissen</hi> läßt sie überal frey, weil sie wohl weis, daß GOtt
                    allein darüber das Gebiete hat. Diese Anzeige des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> hat also keinen andern Erfolg, <hi>als
                        für ihn selbst</hi>; er trit ab von den <hi>katholischen</hi> und
                        <hi>protestantischen</hi> Kirchen. Wenn er aber zugleich sich anmasset, uns
                    zu seinen Jüngern zu machen, und zu eifrigen Theilnemern an einer <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalreligion</term>
    </index>Universalreligion: so ist diese <index indexName="subjects-index">
      <term>Anmaßung</term>
    </index>Anmassung mit gar nichts zu rechtfertigen; und wie sie bey verständigen
                    Leuten mag entschuldiget werden, die aus der <hi>Historie</hi> an mehr solche
                    neue <hi>Projecte</hi> denken: wird die <index indexName="subjects-index">
      <term>Erfahrung</term>
    </index>Erfarung lehren. Es gränzt, warum solte ich es nicht sagen, sehr nahe an
                    den <index indexName="subjects-index">
      <term>Fanaticismus</term>
    </index><hi>Fanaticismus</hi>, andere sagen, <index indexName="subjects-index">
      <term>Naturalismus</term>
    </index><hi>Naturalismus</hi>; sie urtheilen nach einerley Rechte, und der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> wird es ihnen nicht absprechen.</p>
  <p>Aber diese Lehrsätze sieht der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> gar an <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_76"/><quote corresp="#quote_bs_a12_2">als eine Quelle eines
                            <hi>doppelten Uebels</hi></quote>.</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_77"/><quote corresp="#quote_bs_a12_3">Einmal <hi>empören sie die gesunde Vernunft</hi>,
                        und haben so wenig Beweise für sich, daß es kein Wunder ist, wenn zu allen
                        Zeiten der selbstdenkende und prüfende Theil der Menschen, dieselben
                        anstößig fand, und wenn die meisten davon, um jener Lehrsätze willen, welche
                        die auf ihren Posseß trotzende Geistlichkeit – der Welt als <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaubenswahrheiten, alleinseligmachende</term>
      </index>alleinseligmachende Glaubenswarheiten aufdringen wolte, die ganze
                        Religion verwarf.</quote></p>
  <p><pb xml:id="bs_b_page_39" n="39" edRef="#b"/> Man kan dis alles dem <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> als seine Gedanken, zugeben; ohne daß
                    hieraus folgte 1) alsdenn wird dieser sogenante <index indexName="subjects-index">
      <term>selbstdenkend</term>
    </index>selbstdenkende Theil der Welt nicht die ganze christliche Religion
                    verwerfen: wenn wir andern Christen, diese unsre <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrwahrheiten</term>
    </index>Lehrwahrheiten gänzlich nun ihrem bisherigen Hang zum <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglauben, Hang zum</term>
    </index>Unglauben, aufopfern. So viele Lehrer und Christen können dis nicht
                    sagen, daß diese <hi>Wahrheiten</hi> die gesunde Vernunft empören; oder daß es
                    ihnen an <hi>gutem Beweise</hi> für solche Lehrsätze fele. Da wir nun vielmehr
                    das Gegentheil sagen, und in der <hi>augspurgischen Confession</hi> öffentlich
                    lehren, so ist es eine ganz vergebliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Anmaßung</term>
    </index>Anmaßung: daß die <index indexName="subjects-index">
      <term>Privatüberzeugungen</term>
    </index><hi>Privatüberzeugung</hi> des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> mehr und bessern Grund habe, als die
                    eben so freie eigene Ueberzeugung so vieler andern Lehrer. Es ist 2) auch mit
                    nichts zu erweisen, daß <hi>zu allen Zeiten</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Menschen, denkende</term>
    </index><hi>denkende Menschen</hi> die ganze christliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion</term>
    </index>Religion um jener Sätze willen, <hi>verworfen haben</hi>. Da dis eine
                        <hi>Historie</hi> seyn soll: so müste man doch wenigstens einige denkende
                    Leute mit Namen angeben können, unter so vielen, die zu <hi>allen Zeiten</hi>
                    die ganze Religion, um jener Lehrsätze willen, schon ehedem <hi>verworfen haben
                        sollen</hi>. Denn da, wie ich schon vorhin gesagt habe, diese Lehrsätze nie
                    in einer <hi>einzelnen Form</hi>, sondern stets <hi>der Sache</hi> nach, ohne
                    einzele Bestimmung, auf gar mancherley Weise gelehret werden; sie also nicht
                    einen einzigen und notwendigen Zusammenhang mit der Religion, in irgend einem
                    Subjecto haben: so erfolgte es ja niemalen, daß die ganze christliche Religion
                    darum wäre weggeworfen worden, weil jemand von <hi>Erbsünde, Rechtfertigung,
                        Genugthuung</hi>
    <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> eine besondre und verschiedene, ihm eigne Vorstellung hatte. Die ganze
                    so große <hi>orientalische</hi> Kirche, wie ich schon gesagt habe, hat nichts
                    von dieser <index indexName="subjects-index">
      <term>Erbsünde</term>
    </index>Erbsünde; und hat doch darum nicht die ganze Religion weggeworfen. 3)
                    Ich habe schon gesagt, daß niemand der Welt diese <hi>dogmatische Ideen</hi>
                    gelerter Männer oder nachdenkender Leute, hat als die alleinseligmachende
                        Glau<pb xml:id="bs_b_page_40" n="40" edRef="#b"/>benswahrheiten
                        <hi>aufdringen wollen</hi>; sie gehörten in der <index indexName="subjects-index">
      <term>Bestimmung, lokale</term>
    </index>localen öffentlichen Bestimmung, blos für den <hi>gelerten Stand</hi>,
                    für die <index indexName="subjects-index">
      <term>Clerisey</term>
    </index><hi>Clerisey</hi>, und hatten blos äußerliche Folgen. In der und der
                    Zeit und Provinz wurde es von <hi>Candidaten</hi> gefordert, also zu reden von
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_78"/><foreign xml:lang="lat">peccato originali</foreign>, um sich <hi>als</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrer</term>
    </index><hi>Lehrer</hi> in dieser Provinz oder Kirche zu empfelen; wer nicht
                    also reden wolte, wurde kein <hi>Lehrer</hi> in dieser Gesellschaft; dis war der
                    ganze Erfolg. Von der ganzen übrigen Religion, die man damit annäme oder
                    wegwürfe: war niemalen die Rede. Sehr lange ist dieser Artikel von
                        <hi>Erbsünde</hi> schon so beurtheilet worden, daß er <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_79"/><foreign xml:lang="lat">ad
                        secundarios articulos</foreign> gehöre, was die genaue Bestimmung der
                    Vorstellungen betrift. 4) Warum sol es geradehin heißen, die <index indexName="subjects-index">
      <term>Geistlichkeit</term>
    </index>Geistlichkeit trozte auf ihren <hi>Posseß</hi>? sie hat eben nicht immer
                    das Vorurtheil der Gelersamkeit und Geistesstärke, und der kaltblütigen <choice>
      <sic>Prüfüngsgabe</sic>
      <corr type="editorial">Prüfungsgabe</corr>
    </choice> gehabt – Können wol solche <hi>algemeine Oerter</hi> hier etwas
                    helfen? Muß der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> jetzt das <index indexName="subjects-index">
      <term>Vorurteile</term>
    </index>Vorurtheil der Gelersamkeit und Geistesstärke darum haben, weil er es so
                    leicht den so genanten Geistlichen oder Theologis abspricht? Man meint entweder
                    die Geistlichkeit und Clerisey, vor dem 16ten Jahrhundert: die haben <hi>gar
                        nichts von diesen Artikeln</hi> ausfürlich gelehret, <hi>was den gemeinen
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterricht in Kirchen und Schulen betrift</hi>; und davon wird doch
                    hier geredet. Denn der denkende Theil wird doch nicht von den <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_80"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Scholastiker</term>
      </index>Scholastikern</hi> und Gelerten selbst verstanden; die haben
                    wenigstens nicht deswegen die ganze Religion weggeworfen, da sie selbst einander
                    hierüber bestritten haben; es war ihnen vielmehr ihre Lehrart sehr geläufig und
                    gar nicht anstößig. Oder man meint die Geistlichkeit nach der
                        <hi>Reformation</hi>, und zwar entweder die <hi>römischkatholische</hi>,
                    oder die <hi>protestantische</hi>. Von der <hi>römischen</hi> Kirche ist es mit
                    gar nichts zu erweisen; ihre <foreign xml:lang="lat">conuersio</foreign> und
                        <foreign xml:lang="lat">iustificatio</foreign>, auch die Lehre de <foreign xml:lang="lat">peccato originali</foreign> (worin sie mit uns <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_81"/>zu <hi>Worms</hi> und auf
                    andern Zusammenkünften einstimmeten,) kann auch gar <pb xml:id="bs_b_page_41" n="41" edRef="#b"/> nicht hierher gezogen werden, wenn anders jemand ihren
                    Lehrbegriff verstehet. Sol es also von <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehren, protestantische</term>
    </index><hi>protestantischen</hi> Lehren gemeinet seyn: so weis ich nicht, wie
                    man mit einigem Scheine sagen könne, die <hi>protestantischen</hi> Lehrer <choice>
      <abbr>z. E.</abbr>
      <expan>zum Exempel</expan>
    </choice> 1530. hätten <hi>auf ihren Posseß</hi> getrotzet; indem ihnen sogar
                    von <hi>römischen</hi> Gelerten der Vorwurf gemacht worden, von <hi>neuen</hi>
                    Lehrsätzen; wie ein jeder weis, der die gelerte Geschichte der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_82"/><hi>augspurgischen
                        Confession</hi> und ihrer <hi>Apologie</hi>, nur einiger maßen kennet. Sol
                    es gar auf unser Zeitalter gehen: so weis ich nicht, wo die so trotzigen
                    Geistlichen zu suchen sind, die überhaupt ihrer Obrigkeit gern unterworfen sind,
                    und sich täglich den allerfreiesten Untersuchungen oder gar Spöttereien
                    ausgesetzt sehen. Was für Verstand bleibt also in dieser anstechenden Rede? da
                    nun noch dazu ein jeder denkender Zeitgenosse wirklich alle Freiheit hat, das
                    ihm <hi>Anstössige</hi> in solchen Beschreibungen wegzuthun, und die <hi>Sache
                        an sich</hi>, ohne <hi>anstössige</hi> Bestimmung selbst zu behalten: wie
                    sol irgend jemand innerlich <hi>genötigt</hi> heißen, die christliche Religion
                        <hi>darum</hi> wegzuwerfen, weil einige andere Lehrer oder Christen nach
                    ihrem <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index>Gewissen <hi>etwas anders denken</hi>, das ihm jetzt eben anstössig ist?
                    Gar wohl aber läßt sich dieser öffentliche Tadel unserer feierlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrbücher, feierliche</term>
    </index>Lehrbücher begreifen, wenn jemand damit umgehet, für
                        <hi>Teutschland</hi>, für <hi>Europa</hi>, oder alle <index indexName="subjects-index">
      <term>Kosmopoliten</term>
    </index><hi>Kosmopoliten</hi> eine algemeine <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion, allgemeine</term>
    </index>Religion zu entwerfen; wenn er sichs als etwas großes einbildet,
                        <hi>eine einzige öffentliche</hi> Religionsform zu machen. Ein Einfal, den
                    alle andre Zeitgenossen gar nicht achten.</p>
  <p>Es heißt also auch: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_83"/><quote corresp="#quote_bs_a12_6">daher man jene Lehrsätze mit Recht als
                        den Hauptgrund des überal einreissenden Unglaubens ansieht, welcher sich von
                        den Höfen bis in die Hütten des ärmsten Volks ausbreitet, und bald alle
                        Religion in der Welt verdrängen wird, wenn dem Uebel durch keine andre als
                        gewaltsame und Freiheit kränkende Mittel gesteuret wird.</quote></p>
  <p><pb xml:id="bs_b_page_42" n="42" edRef="#b"/> So gros dieses ausgedruckt ist,
                    bleibet es doch nur des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Privatgedanken</term>
    </index><hi>privat</hi> Gedanke, und wird kein algemein eingestandner, durch
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Erfahrung</term>
    </index>Erfarung verständiger wahrer Christen, ausgemachter Satz. Ich wil es
                    nicht wiederholen, was ich gesagt habe; es ist nicht wahr, daß irgend ein Lehrer
                    diese Lehrsätze <hi>dem</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index><hi>Gewissen</hi> eines denkenden Menschen <hi>aufdringen</hi> wolle,
                    noch dazu als <index indexName="subjects-index">
      <term>Glaubenswahrheiten, alleinseligmachende</term>
    </index>alleinseligmachende Glaubenswahrheiten. Es kann also auch niemand
                    unlustig und mürrisch werden, wie es eine seltsame Gewissenhaftigkeit wäre,
                    darum die ganze Religion wegzuwerfen; weil in diesen und jenen Lehrbüchern
                    gewisse <index indexName="subjects-index">
      <term>Grundsätze</term>
    </index><hi>Grundsätze</hi> stehen, welche zum Unterschied der Kirchenparteien
                    ein für allemal festgesetzt sind. Was ist aber <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index><hi>Unglaube</hi>, wovon hier geredet wird? der von Höfen sich
                    ausbreiten soll bis in die Hütten? davon jene Lehrsätze in dem System der
                    protestantischen Religion der <hi>Hauptgrund</hi> seyn sollen? War denn vor
                    diesen so genanten <hi>Religionssystemen</hi>, die nun im <choice>
      <abbr>röm.</abbr>
      <expan>römischen</expan>
    </choice> Reiche öffentlich gelten, kein <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index><hi>Unglaube</hi>? Herrschete er nicht also wie jetzt, in den und jenen
                    Ländern; bey sehr vielen Menschen? Ja war zur Zeit <persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> und der Apostel, (da gewis diese
                    Systeme und gesamleten Artikel nicht da waren) überal christlicher Glaube in
                    Pallästen und Hütten aufgenommen? Was können solche unstatthafte
                        <hi>Declamationen</hi> helfen! In den Augen mancher lebhaften Leute, welche
                    freilich mit ihrer <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_84"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensfreiheit</term>
    </index>Gewissensfreiheit und mit ihrem Standpunkte nicht zufrieden sind,
                    sondern eine <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsreform</term>
    </index>Religionsreforme anfangen, und Epoche machen wollen: sind dis große
                    wichtige Projecte und Angaben. Wer aber die Menschen kennet; die Absicht und
                    Natur der <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion, Natur der</term>
    </index>Religion bedenket, die entweder öffentlich gelehrt, oder dem Gewissen
                    nach gesamlet und angenommen wird: der wird der so alten sichern Erfarung mehr
                    Gewicht geben, als solchen Ausruffungen. Und wer kan denn diese Aeußerung
                    leiden, der <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index>Unglaube <hi>würde bald alle Religion in der Welt verdrängen</hi>, wo
                    wir nicht unsre öffentliche Religionsbücher abschafften? Wir <pb xml:id="bs_b_page_43" n="43" edRef="#b"/> wollen einmal die Sache
                    entwickeln. Hier heissen die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_85"/><hi>Lehrsätze</hi>, von <hi>Erbsünde</hi>,
                    Rechtfertigung, Bekehrung durch GOttes Wirkung, Genugthuung, von Gottheit <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> und des heiligen
                    Geistes – die Quelle alles einreissenden <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index><hi>Unglaubens</hi>. Wollen also <hi>diese Sachen,</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Begriffe</term>
    </index><hi>Begriffe</hi>, (nicht theologische Formeln allein) <hi>erstlich</hi>
                    bey uns, (die wir, nicht dem leeren Namen nach, Christen sind, sondern die
                    innere Kraft der <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion, geistliche</term>
    </index>geistlichen Religion <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName>, kennen und bewaren,)
                    näher ansehen; ob diese Begriffe und Sachen uns zum <index indexName="subjects-index">
      <term>Unglaube</term>
    </index>Unglauben, zur Untugend verleiten, ob sie Hindernisse der <index indexName="subjects-index">
      <term>Gottseligkeit</term>
    </index>Gottseligkeit, in so fern sie unsre innerste Neigung und Gemütsfassung
                    einschliesset, bisher für uns gewesen sind? Hier rufe ich einen jeden Christen
                    her, er sol mit mir diese Untersuchung und Betrachtung, in seinem <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index>Gewissen vornemen. Wissen und gestehen wir es, daß wir leichter zu
                    allerley guten, edeln, reinen, uneigennützigen Gedanken, Vorsätzen, Wünschen,
                    hinhängen, als zu bösen und unrechtmäßigen Vorstellungen, Vorsätzen, Begierden,
                    Entschliessungen? Ich und alle bisherigen <hi>augspurgischen</hi> und
                        <hi>römischen</hi> Christen sagen aufrichtig: nein, das wissen wir nicht zu
                    bejahen; zum Guten brauchen wir sehr viel neue Mittel und Gründe; sie wirken
                    nicht stets stark, geschwinde; wir folgen leicht dem Schein des Guten, und
                    suchen es da, wo es nicht ist. (<ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_86"/><index indexName="classics-index">
      <term>Pythagoras</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:3r6df">Pythagoras</persName>,</hi>
    <index indexName="classics-index">
      <term>Cicero</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:24gxq">Cicero</persName>,</hi>
    <index indexName="classics-index">
      <term>Seneca</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:2sgsv">Seneca</persName>,</hi>
    <index indexName="classics-index">
      <term>Marc Aurel</term>
      <term type="alternative">Antonin</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:2726t">Antonin</persName>,</hi>
    <index indexName="classics-index">
      <term>Epiktet</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:24gxc">Epictet</persName>,</hi>
    <index indexName="classics-index">
      <term>Arrian</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:24gwj">Arrian</persName></hi> haben, ohne
                    Christen zu seyn, eben diese Erfarung über die Menschheit gemacht.) Sind wir
                    durch diese <index indexName="subjects-index">
      <term>Erfahrung</term>
    </index>Erfarung und Kentnis, zum gottlosen Leben verleitet worden bisher? Wir
                    sagen alle, nein; vielmehr streiten wir täglich gegen diese in uns voraus
                    liegende <index indexName="subjects-index">
      <term>Sinnlichkeit</term>
    </index>Sinlichkeit, <index indexName="subjects-index">
      <term>Eigenliebe</term>
    </index>Eigenliebe, Einbildung – und haben aus unsrer Lehre von gewisser,
                    leichter Sinnesänderung, tägliche glückliche Erfarung, ich wachs’ und nem im
                    Guten zu; wir reichen dar in diesem Christenglauben, Tugend, fruchtbare
                    Erkentnis, gehörige Einschränkung der sinlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Begierden</term>
    </index>Begierden, also auch, wenn es nötig ist, Gedult, <pb xml:id="bs_b_page_44" n="44" edRef="#b"/> und so verehren wir GOtt
                    innerlich; lieben, um GOttes willen, unsre geistlichen Brüder, und alle
                    Menschen, weil sie auch so gebessert werden können, – <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_87"/><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="2Petr:1:5">2 Petri 1,
                            5.</citedRange></bibl> Die Verzeichnisse der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_88"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Früchte des Geistes</term>
    </index><hi>Früchte des Geistes</hi>, oder der christlichen neuen <index indexName="subjects-index">
      <term>Gesinnung, christliche</term>
    </index>Gesinnung kennen wir mit Freuden; weil wir durch unsre Erfarung wissen,
                    daß diese vortrefliche Veränderung der Menschen, wenn sie diese geistlichen
                    Wahrheiten anwenden wollen, wahrlich zu Stande komt. Wir <hi>disputiren</hi>
                    nicht, über <index indexName="subjects-index">
      <term>Mitwirkung, menschliche</term>
    </index>menschliche <hi>Mitwirkung</hi>, oder pur unmittelbar göttliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Gottes Wirkung</term>
    </index>Wirkungen; wir halten uns an die <hi>Wirkungen selbst</hi>, die uns ganz
                    unentberlich sind; es ist gewis, alles Gute, zumal dis innerste geistliche Gute,
                    komt von oben herab; andre Bestimmungen helfen und schaden nichts zur wirklichen
                    Erfarung <hi>der Veränderung</hi>; gehören nun in die verschiedenen äusserlichen
                    Geselschaften, worin man Abänderungen der Vorstellungen, von den seinigen,
                    freilich entdeckt und antrift; also damit einstimt, oder davon abweicht. Wenn
                    Christen nicht nach äusserlichen Umständen verschieden wären, so würden sie sich
                    einerley Vorstellung und Erklärung machen. Wir sehen nur auf den wirklichen
                    herschenden <index indexName="subjects-index">
      <term>Zustand, moralischer</term>
    </index><hi>moralischen</hi> Zustand; wenn der durch GOttes Einflus regiert
                    wird: so sind wir zufrieden, und verlangen nicht, daß jemand seine Erfarung in
                    unsre umsetzen sol. Und <seg xml:id="quote_bs_b44_1">über Notwendigkeit einer
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Genugtuung</term>
      </index>Genugthuung</seg> –? <seg xml:id="quote_bs_b44_2">Wir danken GOtt,
                        daß er einen solchen <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName>
                        bestimt und geordnet hat; <hi>für uns</hi> eben, wozu wir ihn nötig haben,
                        zur Offenbarung der rechten göttlichen Weisheit, der grösten Gerechtigkeit,
                        der innersten Heiligkeit, der allergrösten volkommensten <index indexName="subjects-index">
        <term>Erlösung</term>
      </index>Erlösung; und daraus, aus dieser unserer eigenen Erfarung und
                        täglichen Proben, entstehet in uns das wärmste Lob, der innigste Ruhm
                        GOttes; den preisen wir nun nach Leib und Geist; weit gefelet, daß diese
                        christlichen für uns so grossen <hi>Ideen</hi> uns zur Untugend, und auch
                        nur entferntesten Ungottseligkeit verleiten solten. Wir rufen jedem zu, komm
                        und siehe es; <pb xml:id="bs_b_page_45" n="45" edRef="#b"/> thue erst, und
                        volziehe selbst in dir, für dein Bestes, diesen Willen GOttes, den <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> lehrete; da wirst
                        du es aus deiner Erfarung wissen, was du jetzt, ohne <index indexName="subjects-index">
        <term>Geist und Leben</term>
      </index>Geist und inneres Leben, so kaltsinnig, so fremd, so unbekant mit
                        unsern Wahrheiten, daher <hi>speculirest</hi>.</seg> Und der Geist GOttes,
                    der uns treibet, (magst ihn beschreiben für dich, ohne seine Wirkung zu kennen),
                    versichert uns, daß wir den rechten neuen Weg der christlichen geistlichen
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion, geistliche</term>
    </index>Religion wirklich gehen: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_89"/><lg rend="margin-horizontal">
      <l>Seinen Geist, den edeln Führer,</l>
      <l>Giebt mir GOtt in seinem Wort</l>
      <l>– – – – –</l>
      <l>Daß er mir mein Herz erfülle</l>
      <l>Mit dem hellen <index indexName="subjects-index">
          <term>Glaubenslicht</term>
        </index>Glaubenslicht.</l>
    </lg>
    <lg rend="margin-horizontal">
      <l>Dein Geist in meinem Herzen wohne,</l>
      <l>Und meine Sinnen und Verstand regier.</l>
    </lg> In diesem Gebrauche unserer Vorstellungen vom Geiste GOttes, solten wir
                    jemalen zur Untugend, zur Ungottseligkeit herabsinken können, wie jene, die
                    fleischliche sinliche Menschen bleiben –! dis ist es ungefär, was unsre frommen
                    Christen hier antworten. Ob <index indexName="subjects-index">
      <term>Geist, heiliger</term>
    </index>heiliger Geist eine <index indexName="subjects-index">
      <term>Person, dritte</term>
    </index>Person ist, für sich, eine dritte; oder <index indexName="subjects-index">
      <term>Gottes Wirkung</term>
    </index>GOttes heiligende Wirkung: ist in Absicht <hi>des Erfolges</hi> der
                    Wirkung in dem Menschen, <hi>ganz und gar einerley</hi>; kan gar nicht <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_90"/><quote corresp="#quote_bs_a10_3">eine Quelle des <index indexName="subjects-index">
        <term>Unglaubens, Quelle des</term>
      </index>Unglaubens</quote> – werden, es ist ganz unmöglich. Diese doppelte
                    Bestimmung theilt nur die Geselschaft der Christen in zweierley Parteien; deren
                    Lieder und Gebete vom heiligen Geiste zweierley Beschreibungen und Worte
                    enthalten; davon also nicht das Eine eben so gut als das andre allen beiden
                    Parteien angemessen und ihren Vorstellungen gleichförmig ist. Dis ist aller
                    Erfolg; <hi>weiter gar nichts</hi>.</p>
  <p>Aber wir wollen <hi>zum andern</hi>, eben diese <hi>Sachen</hi>, die in unserm
                    Bewustseyn, in unserer geistlichen Historie <pb xml:id="bs_b_page_46" n="46" edRef="#b"/> unsrer selbst sind, <hi>wegthun, ganz und gar
                    ausstreichen</hi>; von Erbsünde an – alles weg. Nun was für ein Glaube und
                    Inhalt der christlichen Religion bleibt denn übrig? Ich sagte, der
                        <hi>christlichen</hi> Religion; welcher <hi>Character</hi> ist wol da? Der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sol es selbst herschreiben – Alsdenn sol
                    die <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion</term>
    </index>Religion überal wachsen und zunemen. Was für Religion? die
                        <hi>christliche</hi>? ganz gewis nicht; sondern eine <hi>ganz neue</hi>, die
                    den und den Kopf zum Urheber hat. Die christliche Religion, als ein urkundlicher
                    oder beurkundeter Inhalt von Historie und Begriffen darüber, hat ihre ganz
                        <hi>charakteristischen Ideen</hi>, wonach sie eben dem Juden- und Heidentum,
                    auch als <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion, öffentliche</term>
    </index><hi>öffentliche</hi> Religion, entgegen stehet. In diesem kentlichen
                        <hi>Charakter</hi> wird sie sogleich <hi>auch äusserlich</hi> von jeder
                    Religion unterschieden; diese Begriffe werden vor der <index indexName="subjects-index">
      <term>Taufe</term>
    </index>Taufe, so oder so viel, in dem und jenen jedesmaligen <hi>Local</hi> der
                    Schüler und Lehrer, mitgetheilet; eben so in christlichen Uebungen angenommen
                    und fortgesetzt. Daher giebt es sehr <hi>verschiedene</hi> gleichzeitige
                    christliche Parteien, die in Vorstellung über christliche Dinge nicht gleich
                    sind und seyn können; aber in der Gemütsfassung, in der Quelle ihrer Begriffe,
                    in dem Geständnis des Neuen und Ausserordentlichen, alle gleich sind; sie wollen
                    alle der durch <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsum Christum</persName> gelehreten
                    Religion anhängen. Sie samlen die Religionswahrheiten aus den christlichen
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Urkunden, christliche</term>
    </index>Urkunden. Die gesamleten <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrsätze</term>
    </index><hi>Lehrsätze</hi> selbst, die Vorstellung von ihrem Inhalte, sind bey
                    diesen <index indexName="subjects-index">
      <term>Parteien</term>
    </index>Parteien oder Geselschaften vom Anfange an, <hi>nicht eben
                        dieselben</hi>; die <index indexName="subjects-index">
      <term>Parteien</term>
    </index>Parteien gehören auch daher nicht unter Ein Oberhaupt; sie sind einander
                    den Urtheilen, dem Gebrauche des <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index>Gewissens nach, nicht unterworfen; sondern jede folget dem Lehrbegrif,
                    den ihre Lehrer vorgezogen haben. Wir finden also zwar eine immer mehrere
                    Ausbreitung dieser neuen Religion, die von <persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName> sich herschreibet; aber die einzelen Geselschaften sind
                    gerade nach der <index indexName="subjects-index">
      <term>Ungleichheit</term>
    </index><hi>Ungleichheit</hi> der bürgerlichen und äusserlichen Verhältnisse <pb xml:id="bs_b_page_47" n="47" edRef="#b"/> der Provinzen, der Städte, der
                    Lehrer, ebenfals <hi>stets verschieden</hi>; allesamt Christen, aber sie haben
                    nicht einzig <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrbuch, einerlei</term>
    </index><hi>einerley Lehrbuch und <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrform, einerlei</term>
      </index>Lehrform</hi>; denn es war von Anfange an keine <foreign xml:lang="lat">vnitas idearum</foreign> über eben dieselbe <foreign xml:lang="lat">obiecta</foreign>; sie war unmöglich; weil <hi>Zeit und
                        Ort</hi> nicht einerley seyn konten für alle Menschen. Erst, wenn viele
                    Kirchen unter Eine und dieselbe äusserliche oder oberherrschaftliche Regierung
                    nach einerley Zeit und Ort gehören, wird an einer (äusserlichen) <index indexName="subjects-index">
      <term>Vereinigung</term>
    </index>Vereinigung mehrerer Geselschaften gearbeitet; die alsdenn
                        <hi>katholische</hi> Kirchen heissen, wenn sie gegen alle sogenanten
                        <hi>ketzerischen</hi> Parteien, eben dieser Zeit und Orte, berechnet und
                    verglichen werden; von denen sich diese Katholischen alle abgesondert haben,
                    also schon hiemit zusammen gehören. Wer also eine stets einzige Religionsform
                    für alle Christen in <index indexName="subjects-index">
      <term>Europa</term>
    </index><hi>Europa</hi> einfüren wolte: müste zuerst schaffen, daß alle Menschen
                    in einerley Zeit und Ort wären und blieben; schaffen, daß alle unabhängige
                    Oberherren <hi>in eben diesem Vorhaben</hi>, eine einzige Religionslehre
                    durchgängig für alle ihre Unterthanen einzufüren, <hi>sich vereinigten</hi>;
                    folglich die bisherigen so sehr verschiedenen und besondern Rechte über die
                    äusserliche Religion, unter einander <hi>aufhüben</hi>; also weiter <hi>eine
                        allereinzige Beschreibung</hi> des Inhalts der Lehren und der Geschichte
                        <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName>, und ein Mittel
                    festsetzten, diese Beschreibung in allen Menschen mit <hi>einerley</hi>
                    Gedanken, die sich nicht verändern, ganz unfelbar immer gleich zusammen zu
                    hängen – ich wil gar nicht weiter gehen. Die <hi>innere Unmöglichkeit</hi> eines
                    solchen <index indexName="subjects-index">
      <term>Projekt</term>
    </index>Projects fält einem jeden von selbst in die Augen. Man müste zunächst
                    eine <hi>algemeine</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Sprache, allgemeine</term>
    </index><hi>Sprache</hi> haben; sonst werden die besondern Nationalsprachen auf
                    einmal <hi>alle Einheit</hi> der Beschreibung wieder in <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_91"/>neue <index indexName="subjects-index">
      <term>Nationalreligionsformen</term>
    </index>Nationalreligionsformen, in den Köpfen austheilen; und alsdenn – nach
                    vieler langer Zeit komt man wieder auf die <hi>politische</hi> öffentliche
                    Religionsvereinigung nach dem Unterschied der Staaten, und auf die <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensfreiheit</term>
    </index>Gewissensfreiheit der einzelen <pb xml:id="bs_b_page_48" n="48" edRef="#b"/> Menschen zurück; wo wir jetzt schon sind. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_92"/>Ich behaupte also, ohne
                    alles Bedenken, <hi>es giebt kein <index indexName="subjects-index">
        <term>Urchristentum</term>
      </index>Urchristentum</hi>, in der Bedeutung, der einzigen Identität der
                    angenommenen Vorstellungen; es giebt vielmehr <hi>eben so viel
                        gleichzeitige</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Modifikationen</term>
    </index><hi>Modification</hi> der <index indexName="subjects-index">
      <term>Ideen, moralische</term>
    </index><hi>moralischen</hi> und <index indexName="subjects-index">
      <term>Ideen, historische</term>
    </index><hi>historischen Ideen</hi>, als viel es damalen <index indexName="subjects-index">
      <term>selbstdenkend</term>
    </index>selbstdenkende Zuhörer und Lehrer gab, die <hi>nach Zeit und Ort</hi>
                    verschieden waren. Wer wird denn nun mehr leisten durch einen neuen Entwurf, als
                        <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsus</persName>, <index indexName="persons-index">
      <term>Paulus</term>
    </index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName>, ja als GOtt selbst
                    unter den Menschen erwartet oder befördert? Wer kan die christliche Religion so
                    beschreiben, sie müsse, dem Inhalte nach, also eingerichtet werden, daß alle
                        <hi>Europäer</hi>, alle <hi>Africaner, Asiaten</hi>, kurz alle Menschen,
                    nach so verschiedenen Umständen der Zeit und des Orts, diesen Inhalt gleich gern
                    und leicht annämen? Wenn die Wirkungen des <index indexName="subjects-index">
      <term>Verstand</term>
    </index>Verstandes so erfolgten, als sinliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Empfindungen</term>
    </index>Empfindungen bey allen Menschen; wenn das Object hier ein sinliches,
                    äußerliches Ding wäre: so ist kein Zweifel daran, alle Menschen würden einerley
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Vorstellungen, einerlei</term>
    </index>Vorstellungen zusammen setzen, wie sie die Augen und Ohren auf eine
                    notwendige Art gleichförmig brauchen; und überal darin übereinkommen, dis sey
                    ein Stein, ein Baum, ein Berg; das <hi>Gehen</hi> oder <hi>Schlagen, Werfen,
                        Essen, Trinken</hi>, müsse <hi>durch diese Art</hi> der Bewegung der
                    Gliedmassen bewerkstelliget werden. Aber wer wil in den Vorstellungen von der
                    christlichen Religion, bey allen Menschen diese <index indexName="subjects-index">
      <term>Einförmigkeit</term>
    </index>Einförmigkeit zu wege bringen? Es giebt also immerfort verschiedene
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrsysteme, verschiedene</term>
    </index><hi>Lehrsysteme</hi>, sie sind ganz und gar unvermeidlich für <index indexName="subjects-index">
      <term>Christen, denkende</term>
    </index>denkende Christen, sind auch unschädlich, was die eigene Religion
                    betrift.</p>
  <p>Nun folget die <hi>andere</hi> Bestätigung, <choice>
      <abbr>S.</abbr>
      <expan>Seite</expan>
    </choice>
    <ref target="#bs_a_page_13">13.</ref>
    <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_93"/><quote corresp="#quote_bs_a13_1">Und <hi>eben so gewis scheint es mir</hi>, daß die
                        meisten der obgedachten Lehrsätze <hi>der Tugend und Gottseligkeit</hi>
                        schaden.</quote></p>
  <p>Wenn es nun aber unsern Regenten und allen von ihnen verpflichteten Lehrern,
                        <hi>nicht eben so gewis scheinet</hi>? <pb xml:id="bs_b_page_49" n="49" edRef="#b"/>
    <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_94"/>Haben wir alsdenn ganz
                    gewis ein kurzes blödes Gesicht, oder kein Menschengefül? kein gutes
                    Gewissen?</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_95"/><quote corresp="#quote_bs_a13_3">Denn so bald man die Menschen überredet, daß z. B.
                        a) jeder von Natur und von Mutterleibe an mit allen <index indexName="subjects-index">
        <term>Neigungen</term>
      </index>Neigungen zu allem Bösen behaftet und ein geborner Feind GOttes
                        ist.</quote></p>
  <p>Und wo lehret man denn auf diese Art? und wer könte die Menschen hievon
                        <hi>überreden</hi>? Wenn der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sich auf häufige, starke, uneigentliche,
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>sinnlich</term>
    </index>sinliche Beschreibungen berufen wil, die in manchen Büchern stünden,
                    zumal in <hi>Poesie</hi> und Liedern, von den <hi>Erwachsenen</hi> Menschen
                    gebraucht würden: so ist hiemit weder diese Beschuldigung, daß dis die Lehre der
                        <hi>augspurgischen Confession</hi> seie; noch auch diese Folge erwiesen, daß
                    das <hi>teutsche Reich</hi> eine <hi>Religionsform</hi> und zwar aus solchen
                    Händen, nötig habe; weil sonst die ganze christliche Religion aus der Welt würde
                    verdrenget werden. Wenn nicht mit Worten gespielet werden sol, (wozu <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_96"/><foreign xml:lang="lat">Hebraismi</foreign>, von Mutterleibe an, und der unbestimte Gebrauch des
                    Ausdrucks, <hi>alle</hi> Neigung zu <hi>allen</hi> Bösen, <hi>geborner</hi>
                    Feind GOttes, gehören würde:) so ist dieses geradehin <hi>unwahr</hi>, daß die
                        <hi>augspurgische Confession</hi> oder irgend eine öffentliche
                    Religionspartey im <hi>teutschen</hi> Reiche, diesen Inhalt lehre, der hier
                    ausgedruckt ist. Ein <hi>jeder</hi> Mensch sol mit <hi>allen</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Neigungen</term>
    </index>Neigungen <index indexName="subjects-index">
      <term>Natur, von</term>
    </index>von Natur, oder von der Geburt an behaftet seyn, zu <hi>allem</hi>
                    Bösen; und es ist doch alles bürgerliche Gute eingestanden. Ein Doctor Theologiä
                    muste die Apologie, und das <hi>wormsische</hi> colloquium kennen, wo die
                    Beschreibungen schon lange auf <hi>Christen</hi> sind eingeschränkt worden; was
                    nachdenkende Zeitgenossen schon in jener Zeit betrift. Damalen redete man ganz
                    sicher mit biblischen Ausdrücken, man sahe auf <hi>christliche</hi> Ideen; es
                    wurde auch richtig der Sache nach verstanden: daß in dem Menschen, wenn er
                    bleibt, wie er durch die Geburt sein Daseyn hat, wenn kein <index indexName="subjects-index">
      <term>Unterricht</term>
    </index>Unterricht, keine bestimmende Richtung ohne und außer ihm noch dazu
                    komt; kein an <pb xml:id="bs_b_page_50" n="50" edRef="#b"/> sich wirksamer Grund
                    zu der Verschaffung der christlichen oder geistlichen unsichtbaren <index indexName="subjects-index">
      <term>Vollkommenheit</term>
    </index>Volkommenheit schon finde; daß er sie nicht einmal für sich selbst kent;
                    daß er vielmehr durch die Sinnen zur moralischen wirklichen Unvolkommenheit
                    immer mehr geleitet werde. Daß aber hierin, in diesem mangelhaften Zustande, die
                    Menschen einander nicht gleich, sondern nach gar vielerley <index indexName="subjects-index">
      <term>Stufen</term>
    </index>Stufen verschieden sind. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_97"/><foreign xml:lang="lat">Morbus, vitium
                        originis</foreign> ist es recht gut <hi>lateinisch</hi> beschrieben; in der
                    Confession. <hi>So bald</hi> nun Menschen hievon <hi>unterrichtet</hi> werden,
                    durch unsre Lehrer, um sie desto leichter zu bessern: so geben sie, viel oder
                    wenige, auf sich Achtung, und fragen ihre <index indexName="subjects-index">
      <term>Erfahrung von sich selbst</term>
    </index>Erfarung von sich selbst; sie werden also nicht davon
                    <hi>überredet</hi>. Und so bald sie diesen Unterricht hören: so sagen wir ihnen
                    auch, daß GOttes bessernde Wirkung <hi>nun schon in ihnen</hi> seie, und sie nun
                        <hi>anfangen</hi> sollen, ihre moralische <index indexName="subjects-index">
      <term>Zerrüttung, moralische</term>
    </index>Zerrüttung täglich auszubessern, gute Neigungen in sich zu befördern,
                    und also eine neue <index indexName="subjects-index">
      <term>Ordnung</term>
    </index>Ordnung zu ihrer Wohlfart in sich einzufüren und anzunemen. <hi>Beide
                        Belehrung</hi> ist gleich beisammen; daher wird diese von Natur, von dem
                    ersten Daseyn her, in dem Menschen befindliche sinliche Neiglichkeit schon immer
                    durch christliche Eltern, Bediente, Lehrer, Beyspiele, etwas geschwächt und
                    aufgehalten. Hiezu braucht nun ein Lehrer diese, der andre jene Schriftstellen,
                    Erklärungen, Erläuterungen; und einer machts besser als der andre, aber alle
                    haben den Zweck, die Menschen <hi>von der Quelle alles</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Bösen, Quelle alles</term>
    </index><hi>Bösen</hi> in ihnen selbst zu überzeugen, und sie zur wahren innern
                    Besserung zu leiten. Nun wil ich die Leser urtheilen lassen, ob der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> unsre Lehre richtig angegeben hat; und
                    ob es <hi>je nur von weitem möglich</hi> ist, daß diese Lehre <quote corresp="#quote_bs_a13_2">der <index indexName="subjects-index">
        <term>Tugend</term>
      </index><hi>Tugend und</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Gottseligkeit</term>
      </index><hi>Gottseligkeit</hi> schade</quote>? da sie ja die unmittelbare
                    Anleitung zu der leichtesten Besserung, und zum vertraulichsten Begriffe von
                    GOtt ist, der das gewisseste, zulänglichste Besserungsmittel augenblicklich an
                    die Hand gegeben hat, so bald sich ein Mensch <index indexName="subjects-index">
      <term>kennen, sich moralisch</term>
    </index><hi>moralisch</hi> kennen kan. Denn <pb xml:id="bs_b_page_51" n="51" edRef="#b"/> zum nützlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Unterricht</term>
    </index>Unterricht rechnen unsre Kirchen auch noch das Geschick, das Gewissen
                    und den Ernst des Lehrers; da, im <foreign xml:lang="lat">concreto</foreign>, wo
                    wir diesen Unterricht wirklich ertheilen, ist an kein Hindernis der Tugend und
                    Gottseligkeit jemalen zu denken. Dis erste Stück war also falsch.</p>
  <p>b) <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_98"/><quote corresp="#quote_bs_a13_4">Daß er zur Befreiung von diesem Elende und zur
                        Besserung seines Herzens und Lebens nichts wirken könne: sondern lediglich
                        den Beistand des heiligen Geistes dazu erflehen müsse.</quote></p>
  <p>Die <hi>augspurgische Confession</hi>, oder alle 3 Religionssysteme im ganzen
                    teutschen Reiche sollen dis enthalten? warum wird es so unvollkommen, so
                    mangelhaft beschrieben? <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_99"/>In eben dem 2ten Artikel der <hi>augspurgischen Confession</hi> stehet: es
                    werden verworfen, die da lehren, <foreign xml:lang="lat">hominem <hi>propriis
                            viribus</hi> rationis, coram Deo <index indexName="subjects-index">
        <term>iustificari</term>
      </index>iustificari <hi>posse</hi></foreign>. Das lezte, <foreign xml:lang="lat">iustificari coram Deo</foreign>, ist ein christlicher Begriff
                        (<ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_100"/><choice>
      <abbr>s.</abbr>
      <expan>siehe</expan>
    </choice> die <hi>Apologie</hi>); die <hi>Sache</hi> selbst, kann nicht von dem
                    Menschen <foreign xml:lang="lat">propriis viribus</foreign> geschaft werden. Die
                    Rede ist nicht von bürgerlicher <index indexName="subjects-index">
      <term>Tugend, bürgerliche</term>
    </index>Tugend: sondern von <index indexName="subjects-index">
      <term>Tugend, christliche</term>
    </index><hi>christlicher</hi>, oder aus der heiligen Schrift hergeleiteter
                    Beschreibung der <hi>Besserung</hi>, und geistlichen grösten <index indexName="subjects-index">
      <term>Vollkommenheit</term>
    </index>Volkommenheit der <index indexName="subjects-index">
      <term>Seelenkräfte</term>
    </index>Seelenkräfte, oder Anrichtung eines moralischen Zustandes, nach den
                    Bestimmungen der heiligen Schrift. Ganz recht sagt nun der Artikel: Wenn man es
                    dennoch bejahet, so begehet man eine <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_101"/><foreign xml:lang="lat"><choice>
        <sic>extenuationen</sic>
        <corr type="editorial">extenuationem</corr>
      </choice> gloriae meriti et beneficiorum <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName></foreign>, das
                    heißt, man gibt zu erkennen, daß einem an dem Inhalt der heiligen Schrift wenig
                    liege. Folglich solte der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> ehrlicher geschrieben haben: daß ein
                    Mensch <hi><foreign xml:lang="lat">propriis viribus</foreign></hi>, aus eigenen
                    Kräften dieser Natur, sich nicht <hi>in den Stand</hi> des Wohlgefallens GOttes,
                    (wie es für Christen statt findet,) <hi>selbst bringen könne</hi>; sondern daß
                    gleichsam eine neue Geburt erst entstehe, <hi>durch Wirkungen des heiligen
                        Geistes</hi>, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_102"/>und
                    nun <choice>
      <abbr>Artic.</abbr>
      <expan>Articel</expan>
    </choice> 5. folget: es werden verworfen die, so lehren, daß man, ohne <hi>das
                        leibliche Wort des Evangelii</hi> (zu hören und zu überlegen, <pb xml:id="bs_b_page_52" n="52" edRef="#b"/> oder ohne Unterricht und Belehrung
                    aus der heiligen Schrift) den heiligen <index indexName="subjects-index">
      <term>Geist, heiliger</term>
    </index>Geist, (der gleichsam eine neue Geburt schaft) überkommen könne. Ist nun
                    hier eine Lehre, welche <hi>der Tugend und Gottseligkeit</hi> ein Hindernis
                    macht? Es ist ja das öffentliche Gegentheil. Wir lehren vielmehr, daß ein <index indexName="subjects-index">
      <term>Predigtamt</term>
    </index>Predigtamt nötig seie; daß GOtt <index indexName="subjects-index">
      <term>Evangelium</term>
    </index>Evangelium und <index indexName="subjects-index">
      <term>Sakramente</term>
    </index>Sacramente uns gegeben habe, (für die Menschen, die sich aus eigenen
                    natürlichen Kräften, nicht zu diesem geistlichen Leben selbst bringen können;)
                    dadurch GOtt, als durch Mittel, den heiligen Geist gibt, welcher den Menschen
                    gleichsam neu zeuget oder schaft; <choice>
      <abbr>d. i.</abbr>
      <expan>das ist</expan>
    </choice> ihm, seinem Verstand und Willen, geistliche Kräfte und Bewegung gibt.
                    Da soll ja nun der Mensch freilich <hi>diese Kräfte brauchen und ernstlich
                        anwenden</hi>; aber sie waren doch nicht ordentliche Wirkungen seiner
                    leiblichen Geburt? In <foreign xml:lang="lat">concreto</foreign> ist alles
                    leicht und erbaulich, vol Ueberzeugung. Gebet und eigene herzliche Wünsche des
                    Menschen sind doch Veränderungen und Wirkungen <hi>des Menschen</hi>; warum wird
                    alles so versteckt, als wenn wir aus dem Menschen ein Holz machten? Aber wir
                    reden von <hi>christlicher</hi> Tugend und <hi>Volkommenheit</hi>; nicht von
                    bürgerlicher, wie schon gesagt.</p>
  <p>c) <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_103"/><quote corresp="#quote_bs_a13_5">Daß GOtt auch auf alle gute Werke des Menschen und
                        auf allen seinen Eifer in der Gottseligkeit nichts rechne; sondern Vergebung
                        der Sünden, und ewige Seligkeit ihm schenke; nicht wegen seiner Besserung
                        und Tugend, sondern wegen eines für unsre Sünde geschehenen Menschenopfers,
                        und wegen der an unserer Statt geleisteten Tugend des
                    Geopferten.</quote></p>
  <p>Wie viel unbillige Declamation! <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_104"/><foreign xml:lang="grc">ποιον ἐπος σεον ἐφυγεν ἑρκος
                        ὀδοντων</foreign>; ist es eine so geringe Sache, alle christliche
                    Religionssysteme, die im <hi>römischen</hi> Reiche öffentliche Rechte haben,
                    leichtsinniger Weise zu verdrehen, und dafür, zum Lohn solcher öffentlichen
                    Untreue, sich zum <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalreformator</term>
    </index>Universalreformator anzubieten; und dis gar unter den Augen kaiserlicher
                        <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs>! Mich verdrießt es, auf <pb xml:id="bs_b_page_53" n="53" edRef="#b"/> solche unrichtige Vorwürfe zu
                    antworten. Ist es denn richtig und wahr geredet von uns <hi>Protestanten</hi>
                    und von Lehrern der <hi>römischen</hi> Kirche, wo ebenfals, was gründliche
                    Lehrer betrift, alle Kraft oder Wirksamkeit des Menschen, der gern ein
                    innerlicher ruhiger Christ werden wil, aus dem <foreign xml:lang="lat">merito et
                        beneficiis <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName></foreign>
                    hergeleitet wird: daß irgend jemand so lehre: GOtt <hi>rechnet nichts</hi> auf
                    alle gute Werke oder Eifer des Menschen? Rechnet GOtt nichts auf die
                        <hi>allereinzige</hi> von ihm selbst gemachte <index indexName="subjects-index">
      <term>Ordnung</term>
    </index>Ordnung der Sinnesänderung und des Glaubens? und ist diese Fertigkeit
                    ohne viele einzele Versuche und Bemühungen, des nun GOtt gefälliger weise
                    wirksamen Menschen? Wir hatten zuweilen <hi>unser</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Verdienst</term>
    </index><hi>Verdienst</hi>, oder den menschlichen mangelhaften Grund zur
                    Zuversicht, abgesondert; aber was GOtt in uns für christliche neue Bestrebungen
                    angefangen und uns anbefolen hatte: das haben wir niemalen so irrig beschrieben,
                        <hi>GOtt rechnet nichts</hi> darauf. Es ist unwürdig, über solche längst
                    abgetragene Sachen nur ein Wort zu verlieren; weis es der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nicht anders, und bildet sich unsre
                    Lehre also ein: so weis ich nicht, wie er es habe ignoriren können. Weis er es
                    aber besser, was für viele klare treffende Distinctionen in unsern Lehrbüchern
                    darüber schon lange da sind: so weis ich nicht, warum er hier so gar unrichtig
                    redet. Und wenn man auch die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_105"/>Lehrart der <hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Mystiker</term>
      </index>Mystiker</hi> so gar gelten läßt: die GOtt wirklich <hi>allein</hi>
                    thun und wirken lassen: ist dadurch Untugend und Gottlosigkeit bestärkt worden?
                    Wie kan man aber vollend dieses <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_106"/><foreign xml:lang="grc">ρημα φορτικον</foreign>
    <hi>entschuldigen</hi>? wir lehreten, wegen eines <index indexName="subjects-index">
      <term>Menschenopfer</term>
    </index><hi>Menschenopfers</hi>, das für unsere Sünde geschehen seie – Ist es
                    erlaubt, Lehrsätze so zu verdrehen, um ihren Inhalt auffallend verächtlich zu
                    machen? Denkt nicht jedermann mit diesem Ausdruck an die Völker, denen man
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Menschenopfer</term>
    </index><hi>Menschenopfer</hi>, aus der und jener Zeit, schuld giebt? und ist in
                    der Historie des Todes <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> dis enthalten, <hi>daß
                        die Juden hätten</hi> ein Menschen<pb xml:id="bs_b_page_54" n="54" edRef="#b"/>opfer <hi>verrichten wollen</hi>? <hi>Oder haben die
                        Christen</hi> ein <index indexName="subjects-index">
      <term>Menschenopfer</term>
    </index>Menschenopfer aus dem Tode <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> gemacht? So <index indexName="subjects-index">
      <term>untreu (Bahrdt)</term>
    </index>untreu, so leichtsinnig, gestützt auf einheimische auf häusliche
                        <hi>Consequenzen</hi>, muste der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> hier handeln? Ich kenne doch die ganze
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Kirchengeschichte</term>
    </index>Kirchengeschichte so ziemlich genau, seitdem man die Beschreibung eines
                    geistlichen, rechten, ewigen <index indexName="subjects-index">
      <term>Opfer, geistliches</term>
    </index>Opfers, und volkommenen, geistlichen, rechten, ewigen <index indexName="subjects-index">
      <term>Priester, vollkommener</term>
    </index>Priesters zusammengesetzt hat, um das würdige Verhältnis und den
                    unendlichen Erfolg des freywilligen Todes <persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> recht gros und lebhaft, wider alle bisher bekante
                    eigentliche Opfer unter allen Religionen, nun zu empfelen. Aber noch niemanden
                    kenne ich in der ganzen Kirchenhistorie, der diese Beschreibung gegeben hätte.
                    Es ist eine <hi>Lästerung</hi>, die so gar nach dem ordentlichen Kirchenrechte
                    und den gemeinsten Grundsätzen, in Absicht der <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsrechte</term>
    </index>Religionsrechte, auch der Juden und Heiden, ganz unerlaubt ist. Man
                    sucht und bittet, wie es heißt, <index indexName="subjects-index">
      <term>Toleranz</term>
    </index><hi>Toleranz</hi>, und man begehet öffentliche Beleidigungen aller
                    großen Kirchenparteien, deren öffentliche Rechte doch so feierlich, so algemein
                    bekant, so gewis bestätigt sind! Es ist ferner <hi>auch nicht an dem</hi>, daß
                    diese Begebenheit und Hinrichtung <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName>, als solche, an sich,
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Vergebung der Sünden</term>
    </index>Vergebung der Sünden nach sich gezogen habe; niemand lehret einen
                    solchen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_107"/><foreign xml:lang="lat">nexum physicum</foreign> zwischen dem <hi>physischen</hi>
                    Tode <persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName>, und den
                        <hi>moralischen</hi> Gütern, die wir davon uns zueignen, durch die neue
                    Uebung in geistlichen Erkentnissen. Der <index indexName="subjects-index">
      <term>Glaube</term>
    </index>Glaube des Menschen wird überal erfordert, in allen Lehrbüchern, wenn
                    der Mensch wil an diesen geistlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Wohltaten Christi</term>
    </index>Wohlthaten <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> selbst
                    seinen Theil nemen. Wenn nun der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> gar nichts selbst weis und kent, von
                    dieser rechten ewigfortdaurenden geistlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Versöhnung</term>
    </index>Versönung der Menschen; wenn er das uns allen so heilige Blut <persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> so gering schätzt, und mit einem
                    gräslichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Menschenopfer</term>
    </index>Menschenopfer öffentlich vergleichet: so folgt doch wohl nicht, daß die
                    katholischen Christen, welche, indem sie das geistliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Opfer, geistliches</term>
    </index>Opfer glauben, allesamt ihrem Gewissen folgen, alsdenn Hin<pb xml:id="bs_b_page_55" n="55" edRef="#b"/>dernisse der Tugend und
                    Gottseligkeit, statt der grösten Mittel dazu, ergriffen haben! Der unendliche
                    große Grund geistlicher <index indexName="subjects-index">
      <term>Ruhe, geistliche</term>
    </index>Ruhe und Wohlfart wird hiemit beschrieben, auf neue christliche Weise;
                    und dis solten <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_108"/><quote corresp="#quote_bs_a10_3">Quellen des <index indexName="subjects-index">
        <term>Unglaubens, Quelle des</term>
      </index>Unglaubens</quote> seyn? Wie verkehrt! Der Grund und die Quelle des
                    christlichen Glaubens sol Unglauben erzeugen! Unsre Christen hatten Muth und
                    Stärke, zur Verherrlichung der christlichen Religion, alle Noth und Tod gern zu
                    übernemen; da reden Leute von <index indexName="subjects-index">
      <term>Toleranz</term>
    </index><hi>Toleranz</hi>, denen kein Finger wehe thut. Sie wollen, daß wir es
                    leiden, wenn sie unsre Lehre und Religion verdrehen und verunglimpfen; dis
                    sollen wir an ihnen <hi>toleriren</hi>! Es ist ein seltsamer Tausch! Eine
                    seltsame misliche Aussicht für die algemeine <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_109"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Reform</term>
    </index>Reforme! <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_110"/>Aus des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> Historie und Betragen sehen wir eben
                    keine solche Neigung, die Wahrheit, die er doch so grosredend retten wil, auch
                    nur mit einigem äußerlichen Leiden zu bestätigen. Wir haben aber alle den Sinn
                        <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, nachzufolgen seinen
                    Fustapfen, wie unsre frommen Vorfaren, seit vielen Jahrhunderten; wo mag nun
                    Stärke und Kraft der <index indexName="subjects-index">
      <term>Tugend</term>
    </index>Tugend und <index indexName="subjects-index">
      <term>Gottseligkeit</term>
    </index>Gottseligkeit festern Grund und größeres Beispiel haben?</p>
  <p>Der ganze <hi>Nachsatz</hi> ist nun ohne alle Wahrheit: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_111"/><quote corresp="#quote_bs_a14_1"><hi>so ists unmöglich</hi>, daß ächte Reue über
                        die Sünde und Abneigung gegen das Laster entstehen kan; so ists
                        unvermeidlich, daß das Herz gegen die Tugend kalt und gleichgültig werde und
                        aller Eifer der Gottseligkeit ermatte, und es lehrts auch leider die
                        Erfarung genug, daß das heutige Christentum fast alle Kraft zur Heiligung
                        der Menschen verloren hat; und daß seine Zöglinge in Absicht auf Tugend und
                        Glückseligkeit, oft sehr weit hinter einem auch nur gemeinen Heiden
                        stehen.</quote></p>
  <p>Diese Strafpredigt, dieser Eifer um algemeine <index indexName="subjects-index">
      <term>Heiligung</term>
    </index>Heiligung – würde mehr eindringendes bey sich haben, wenn sie von jemand
                    anders herkäme; so wenig bin ich Heuchler gegen den <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>, geschweige gegen meinen <index indexName="subjects-index">
      <term>Eid</term>
    </index>Eid und Beruf. <hi>So ists unmöglich</hi> – wird <pb xml:id="bs_b_page_56" n="56" edRef="#b"/> ein billiger, ein denkender Leser
                    auch diese grobe Unwahrheit so leicht verdauen! Also seit der <hi>augspurgischen
                        Confeßion</hi> her, seit dem <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_112"/><hi>tridentinischen Catechismus</hi>, ist und war es
                    unmöglich, daß ächte <index indexName="subjects-index">
      <term>Reue</term>
    </index>Reue über die Sünde – entstehen konte? Nach welcher <hi>Psychologie</hi>
                    wäre dis? Welche unverzeihliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Rhetorication</term>
    </index><hi>Rhetorication</hi>! <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_113"/><quote corresp="#quote_bs_a14_5">Das Herz wird
                        unvermeidlich gegen die Tugend kalt.</quote>“ War es etwa ohne diese
                    Erkentnis so <hi>warm und thätig</hi>? Und was ist denn das für <hi>Tugend</hi>,
                    wovon dieser <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> so stark spricht? Wie groß, wie glänzend
                    ist denn <hi>sein eigen Beispiel</hi>, dadurch er dis wider uns und unsre so
                    vielen, so redlichen, ernstlichen Christen erweisen oder bestätigen und
                    erläutern wird? <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_114"/><quote corresp="#quote_bs_a14_6">Das heutige Christentum hat fast alle Kraft zur
                        Heiligung der Menschen verloren.</quote>“ Nemlich, wie beweiset es der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>? Wo ist <index indexName="subjects-index">
      <term>Christentum</term>
    </index>Christentum als eigne Fertigkeit, ohne diese Fertigkeit? Hatte etwa das
                    Christentum, die geistliche Lehre <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName>, zur Zeit JEsu und der
                    Apostel <hi>eine andre Art von Kraft</hi>? wurden alle Christen so gewis gleich
                    innerlich <hi>Heilige</hi>? Ich wil daran nicht einmal denken, daß es bey allen
                    vernünftigen Menschen von je her unterschieden worden ist, als eine
                        <hi>psychologische</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Erfahrung, psychologische</term>
    </index>Erfarung, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_115"/><foreign xml:lang="lat">video meliora, proboque, deteriora
                        sequor</foreign>; ohne daß dis an dem Inhalte der Lehrsätze jemalen gelegen
                    hätte. Allein ich gebe nimmermehr diese <hi>historische</hi> Anzeige zu; ich
                    kenne viel tausend fromme und heilige Christen in der <hi>römischen</hi>,
                    morgenländischen, teutschen Kirche; deren <index indexName="subjects-index">
      <term>Gemütsfassung</term>
    </index>Gemütsfassung GOtt wohlgefält, wenn sie gleich selbst noch immer klagen,
                    daß sie in der Heiligung ihnen selbst nicht, geschweige GOtte, schon ein Genüge
                    thun. Die letzte Beschreibung ist eben so übertrieben und falsch; wie viel
                    fromme Landleute, fromme arbeitsame Eltern giebt es, die in Absicht
                    unbescholtener <index indexName="subjects-index">
      <term>Tugend, bürgerliche</term>
    </index>bürgerlicher Tugend, und grosser Mäßigung in Wünschen für äusserliche
                    Bequemlichkeit, es vielen kalten Lobrednern der Tugend zuvor thun! Könten wir da
                    in die Seelen einschauen, wir würden ein <pb xml:id="bs_b_page_57" n="57" edRef="#b"/> grosses Feld erblicken, worauf <index indexName="subjects-index">
      <term>Samen, moralischer</term>
    </index><hi>moralischer</hi> Samen in die Höhe wächset, ohne vor Menschen ein
                    groß Geräusche zu machen. Und das ist die eigene christliche Religion.</p>
  <p>In eben der wunderlichen Stellung lieset man diese unerwartete Anrede unsers
                    bekanten <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> an <choice>
      <abbr>Se.</abbr>
      <expan>Seine</expan>
    </choice>
    <choice>
      <abbr>Kaiserl.</abbr>
      <expan>Kaiserliche</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs>, <choice>
      <abbr>S.</abbr>
      <expan>Seiten</expan>
    </choice>
    <ref target="#bs_a_page_14">14.</ref>
    <ref target="#bs_a_page_15">15.</ref>
    <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_116"/><quote corresp="#quote_bs_a14_2">Ach allergnädigster Kaiser, König und Herr, wie
                        blutet mir das Herz, wenn ich denke, wie werth, wie hochgeachtet das
                        Evangelium <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsu Christi</persName> unter den
                        aufgeklärtesten Menschen in allen Welttheilen seyn könte; was für
                        Siege</quote>“ –</p>
  <p>Warum denn gerade unter den <hi>aufgeklärtesten</hi> Menschen in allen
                    Welttheilen! Ist die christliche Religion von nun an vornemlich für <index indexName="subjects-index">
      <term>aufgeklärt</term>
    </index>aufgeklärte Menschen bestimt: so ist es gewis nicht mehr die Religion
                        <persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName> und der Apostel. Solche
                    starke <index indexName="subjects-index">
      <term>Redensarten</term>
    </index>Redensarten, <hi>das Herz blutet mir</hi>, lese ich gern, wenn
                        <hi>Thatsache</hi> dabey ist oder öffentlich einstimt; wie <choice>
      <abbr>z. E.</abbr>
      <expan>zum Exempel</expan>
    </choice> von so viel eifrigen <index indexName="subjects-index">
      <term>Missionarien</term>
    </index><hi>Mißionarien</hi> aus allerley Kirchen, die Leben und Gesundheit, und
                    alles dran wagen, ohne erst ein neu und leichteres Evangelium zu machen; wie
                    jene so eifrigen treuen Brüder aus den <index indexName="subjects-index">
      <term>Herrnhut</term>
    </index><hi>hernhutischen</hi> Gemeinen, nach <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_117"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Grönland</term>
      </index>Grönland</hi>, <choice>
      <abbr><hi><index indexName="subjects-index">
            <term>St. Thomas (Insel)</term>
          </index>St.</hi></abbr>
      <expan><hi>Sankt</hi></expan>
    </choice>
    <hi>Thomas</hi>
    <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> da findet man <index indexName="subjects-index">
      <term>Herzenswärme</term>
    </index>Herzenswärme; aber in solchen so bequemen Anstalten, daß Kaiser und
                    Könige und Fürsten die im <hi>teutschen</hi> Reich angenommene Religionssysteme
                    jetzt abschaffen, und sich vom <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> und dergleichen Liebhabern neuer
                    Entwürfe, eine <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalreligion</term>
    </index><hi>Universalreligion</hi> zu rechte machen lassen möchten – findet man
                    eben nicht, daß ihr Herz dabey blute. Und was würde auch eine einzele noch so
                    ernstliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensangst</term>
    </index>Gewissensangst oder Sorge <hi>für andre</hi> hier helfen? Es wäre doch
                    kein andrer Christ verbunden, seine Lehrsätze nach solchem fremden Gewissen
                    einzurichten. Haben wir keine treuen Lehrer, denen das Herz blutet, über der
                    einreissenden ungeistlichen, unmoralischen Lebensart ihrer Zeitgenossen! die
                    eben so klagen als <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsus</persName> und <index indexName="persons-index">
      <term>Paulus</term>
    </index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName>, daß viele sich die
                    Gestalt geben <pb xml:id="bs_b_page_58" n="58" edRef="#b"/> eines gottseligen
                    Wesens, aber alle Kraft der <index indexName="subjects-index">
      <term>Gottseligkeit</term>
    </index>Gottseligkeit verleugnen! Wir wissen es ja, daß nur wenige sind, die
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_118"/><hi>den
                        schmalen</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Weg, schmaler</term>
    </index><hi>Weg</hi> selbst zu gehen sich entschliessen; und man wil einen so
                    breiten Weg der Religion machen, da alle sogleich mitgehen würden; solte das
                    wohl die geistliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion, geistliche</term>
    </index>Religion seyn, die so viel besondre geistliche anhaltende Uebungen der
                    Seele zum immer gewissern Glauben und bessern Leben vorschreibet?</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_119"/><quote corresp="#quote_bs_a14_3">Das Evangelium</quote><quote corresp="#quote_bs_a15_1">würde ganz anders als bisher auf die Besserung und
                        Heiligung der Menschen wirken; und in die Augen fallende Einflüsse auf
                        Moralität und Glückseligkeit zeigen, wenn es von allem Unrath menschlicher
                        Hypothesen und Meinungen gereiniget und zu seiner ursprünglichen Lauterkeit
                        und Einfalt zurück gefüret würde.</quote></p>
  <p>Ich kan hier eben so wenig Gründlichkeit und Wahrheit finden, als in der
                    bisherigen <hi>Declamation</hi>. 1) Was heißt <hi>ursprüngliche</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Lauterkeit</term>
    </index>Lauterkeit und <index indexName="subjects-index">
      <term>Einfalt</term>
    </index>Einfalt des Evangelii? Hätte der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> doch einen Versuch gemacht, diese
                    Lauterkeit zu entwerfen, oder in einen Abris zu bringen, so würde er eingesehen
                    haben, daß es überaus leicht seie, im <foreign xml:lang="lat">abstracto</foreign> solche Einfälle zu haben; da aber die Lauterkeit und
                    Einfalt des Evangelii im <foreign xml:lang="lat">abstracto</foreign> ein Ding
                    der <index indexName="subjects-index">
      <term>Mondwelt</term>
    </index>Mondwelt ist, und wir stets das Evangelium unter Menschen <foreign xml:lang="lat">in concreto</foreign> gelehret oder angenommen antreffen: so
                    hilft jene Lauterkeit <foreign xml:lang="lat">in abstracto</foreign>, die
                    nirgend da ist, und nirgend gewesen ist, gar nichts zur Verbesserung der
                    Religionslehre, die für irgend eine Geselschaft bestimt ist; geschweige daß
                    denkende und verständige Leute sich beigehen lassen solten, für solche leere
                    Einfälle und Undinge ihre feierlichen Urkunden der öffentlichen Religionslehre
                    wegzuwerfen, und auf solche Grillen mehr zu bauen. Es ist nicht nur für Menschen
                    nicht möglich, irgend einen Begrif oder Satz aufzufassen, und als ihren, als
                    bejaheten von ihnen, anzunemen, ohne ihre <pb xml:id="bs_b_page_59" n="59" edRef="#b"/> eigene <index indexName="subjects-index">
      <term>Vorstellungen</term>
    </index>Vorstellung sogleich selbst dazu zu nemen; sondern es ist folglich auch
                    niemalen, zur Lebenszeit <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName> oder <index indexName="persons-index">
      <term>Paulus</term>
    </index><persName ref="textgrid:251kf">Pauli</persName>, oder irgend eines
                    Lehrers <hi>eine andere Art der Anname des Evangelii</hi>, oder der christlichen
                    Lehre <hi>zu finden</hi>, als mit Einmischung der eigenen <index indexName="subjects-index">
      <term>Denkungsart</term>
    </index>Denkungsart der <foreign xml:lang="lat">Indiuiduorum</foreign>, oder
                    ihrer <index indexName="subjects-index">
      <term>lokal</term>
    </index><hi>localen</hi> Lage. Dis ist also auch nicht geradehin Unrath
                    menschlicher Hypothesen und Meinungen zu nennen; als worunter man vielmehr
                        <hi>theologische</hi> seichte <hi>scholastische</hi> Bestimmungen, oder
                    offenbar ungegründete Urtheile ehedem verstunde, in so fern sie die leichte
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion, praktische</term>
    </index><hi>practische</hi> Religion hinderten, und an ihre Stelle ganz andre
                    Erfindungen ohne Sprachkentnis setzten. 2) Ueber diese Sachen hat schon ein
                    jeder denkender Christ alle <index indexName="subjects-index">
      <term>Freiheit, selbst zu urteilen</term>
    </index>Freiheit, selbst zu urtheilen; und er macht nun damit, was er wil, so
                    bald er den <index indexName="subjects-index">
      <term>Ungrund</term>
    </index><hi>Ungrund</hi> solcher Meinungen einsiehet. Es kan ihm hierin niemand
                    allein so vorarbeiten, daß er es ganz darauf ankommen liesse, und sein eigen
                    Urtheil nicht weiter nötig hätte. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_120"/>Wie lange ist schon <index indexName="subjects-index">
      <term>Theologie</term>
    </index><hi>Theologie</hi>, nach ihrem ganz andern besondern Zweck, von <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion</term>
    </index><hi>Religion</hi> unterschieden worden, in allen Parteien! 3) Es giebt
                    aber folglich auch hierin nicht gleichlautende algemeine Urtheile, in Absicht
                    der <hi>Subsumtion</hi>; so sehr alle verständige Zeitgenossen darin
                    übereinstimmen, daß manche <index indexName="subjects-index">
      <term>Hypothesen</term>
    </index><hi>Hypothesen</hi> für die leichte und gewisse Uebung des Christentums
                    ganz gleichgültig oder unnütz sind; daß sie nur um äusserlicher Endzwecke willen
                    eigentlich mit Recht gegolten haben. In der besondern Anwendung des Urtheils,
                    dis und dis (in der Lehre von Erbsünde, von ihrer <index indexName="subjects-index">
      <term>Zurechnung der Sünde Adams</term>
    </index>Zurechnung, von Rechtfertigung, von Gottheit <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> und des heiligen
                    Geistes <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice>) ist eine solche <hi>Hypothese</hi>: muß völlige <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissensfreiheit</term>
    </index>Gewissensfreiheit immer bleiben, wie der <hi>Protestant</hi> sie dem
                        <hi>katholischen</hi> Christen lassen muß, in der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_121"/>Lehre vom <index indexName="subjects-index">
      <term>Abendmahl</term>
    </index>Abendmal etc. der <hi>Katholik</hi> umgekehrt sie dem Protestanten
                    lassen muß. Ganz vergeblich ist alle Arbeit von <index indexName="subjects-index">
      <term>Universallehre</term>
    </index><hi>Universal-Lehre</hi> oder <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen, Vereinigung der</term>
    </index><hi>Vereinigung</hi> der Gewissen. Also kan der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> auch <pb xml:id="bs_b_page_60" n="60" edRef="#b"/> dieses nicht durch sein Urtheil ausmachen wider alle drey
                    Parteien. 4) Endlich ist es nicht an dem, daß alsdenn jedermann viel leichter
                    das wahre rechte Christentum lieben und ausüben würde; wenn die <index indexName="subjects-index">
      <term>Grundlehren</term>
    </index>Grundlehren der drey grossen Kirchen ganz weggeschaft würden. Im ersten
                    Jahrhundert sehen wir ja den Beweis ganz augenscheinlich; da waren die
                    ausdrücklichen Beschreibungen der öffentlichen Lehre noch nicht da, welche jetzt
                    die Grundsätze der drey grossen Kirchen ausmachen; und dennoch ist die Besserung
                    und Heiligung der Menschen nicht so algemein bewerkstelliget worden. Wir können
                    und müssen vielmehr sagen, daß die Art der christlichen Begriffe und
                    Erkentnissen in den folgenden Zeiten immer <hi>besser</hi> und volkommener erst
                    geworden, als sie im 1sten, 2ten, 3ten und 4ten Jahrhundert <hi>schon
                        gewesen</hi>; wenn gleich die <hi>Gegenstände</hi> alle da waren. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_122"/>Ich sehe hier auf die
                    wahre ehrliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Kirchenhistorie</term>
    </index>Kirchenhistorie zurück; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_123"/>ich weis kein <hi>reines</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
    </index><hi>Gold und keine Lauterkeit</hi> zu suchen, in dieser Bedeutung; der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sol es auch bleiben lassen, <hi>dis
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
      </index>reine Gold zu zeigen</hi>. Warum wird also dergleichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Nullität</term>
    </index><hi>Nullität</hi> und <hi>Unding</hi> mit solcher <hi>Emphase</hi>
                    unsern <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrsystem</term>
    </index><hi>Lehrsystemen</hi>, aller drey Kirchen, öffentlich entgegen gesetzt?
                    Ich wiederhole es, ich weis das Land nicht, die Kirche nicht, die Schriften
                    nicht anzugeben: worin <quote corresp="#quote_bs_a15_5"><index indexName="subjects-index">
        <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
      </index><hi>das reine Gold</hi></quote> zu sehen wäre. <hi>Die Leser müssen
                        eben so ihr <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissen und <index indexName="subjects-index">
        <term>Nachdenken</term>
      </index>Nachdenken erst anwenden</hi>, als es bey allen unsern Lehrbüchern
                    ihre Pflicht ist. Ich hoffe diesen Vortrag deutlich genug gemacht zu haben;
                    unsere <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrbücher, Nützlichkeit der</term>
    </index>Lehrbücher sind unsern Zeitgenossen <hi>viel</hi>
    <hi>nützlicher</hi> als ältere Schriften, diese waren <hi>für ihre</hi>
                    Zeitgenossen gut. Wir wissen auch, wie ich zum Theil gezeiget habe, daß gerade
                    diese Begriffe, die der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> einen Unrath menschlicher Hypothesen und
                    Meinungen zu nennen sich erkünet, mit unserm guten Gewissen keinesweges <hi>von
                        uns dafür gehalten werden können</hi>; daß vielmehr unsre christliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Besserung</term>
    </index>Besserung und <index indexName="subjects-index">
      <term>Heiligung</term>
    </index>Heiligung mit diesen <hi>Begriffen</hi> wirklich recht <pb xml:id="bs_b_page_61" n="61" edRef="#b"/> gut und leicht zusammen hängt. Wie
                    ungegründet also, um nicht mehr zu sagen, ist der Eifer, der nun in diesen
                    Worten ausgedruckt wird.</p>
  <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_124"/><quote corresp="#quote_bs_a15_2">O möchten doch <choice>
        <abbr>Ew.</abbr>
        <expan>Eure</expan>
        <expan>Euer</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>Kaiserl.</abbr>
        <expan>Kaiserliche</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> von GOtt auserkoren seyn, alle
                        diejenigen vor der Wuth der Verfolgung zu schützen, welche Kraft und Muth
                        haben, an diesem großen Anliegen der Menschheit zu arbeiten; den
                        unübersehlichen Wust der Systemsreligion zu untersuchen, und das <index indexName="subjects-index">
        <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
      </index>reine Gold der göttlichen und seligmachenden Christusreligion wieder
                        herauszufinden.</quote></p>
  <p>Wer thut diesen Wunsch? die Leser können selbst antworten. Wenn <choice>
      <abbr>kaiserl.</abbr>
      <expan>kaiserliche</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> diesen Wunsch nicht erfüllen: ist alsdenn
                    zu sagen, GOtt habe die <choice>
      <abbr>kaiserl.</abbr>
      <expan>kaiserliche</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> nicht zu einer, angeblichermaßen, so
                    wichtigen Sache, erkoren? Soll <hi>Teutschland</hi>
    <choice>
      <abbr>kaiserl.</abbr>
      <expan>kaiserliche</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> ansehen, als Hinderniß dieser angeblichen
                    Glückseligkeit! Sind so viel erlauchte Staatsräthe, so viel gelerte Leute, blind
                    oder boshaft? Wird es sogleich Wuth der <index indexName="subjects-index">
      <term>Verfolgung</term>
    </index>Verfolgung heißen, wenn viele teutsche Fürsten und Stände dieses Project
                    verwerfen, und diese ausschweifende Schrift gar unterdrücken! Der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> also leitet es her von Kraft und Muth!
                    und so viel würdige, treue, von jeher unbescholtene Männer, sind bisher ohne
                    Kraft und Muth! Ich dächte, die allererste Frage müste auf Geschicklichkeit und
                    notwendige Gelersamkeit gehen; daß der anmasliche, algemeine <index indexName="subjects-index">
      <term>Reformator</term>
    </index><hi>Reformator</hi> auch unsre <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrsystem</term>
    </index><hi>Lehrsysteme</hi> besser und getreuer auslegen könnte, ehe er den
                    drey Religionsparteien hier öffentlich schuld geben dürfte, sie närten und
                    beschützten einen unabsehlichen Wust der <index indexName="subjects-index">
      <term>Systemsreligion, Wust der</term>
    </index>Systemsreligion, wozu so ein großer Mann, von Kraft und Muth, nötig
                    gewesen; der auch sogleich das alles seie, was er sich selbst anmaße! O lieber
                    GOtt, wenn unsre Christen sonst <hi>bisher</hi> das <hi>reine <index indexName="subjects-index">
        <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
      </index>Gold</hi> der göttlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion</term>
    </index>Religion, der seligmachenden <index indexName="subjects-index">
      <term>Christusreligion</term>
    </index>Christusreligion, (wie es hier heißt) nicht selbst haben herausfinden
                    können, wie doch <pb xml:id="bs_b_page_62" n="62" edRef="#b"/> ein jeder seines
                    Glaubens leben mus; wenn ihre Lehrer, darunter doch viel herzlich eifrige <index indexName="subjects-index">
      <term>Christusfreunde</term>
    </index>Christusfreunde und <index indexName="subjects-index">
      <term>Christuskenner</term>
    </index>Christuskenner sind, unter allen drey Parteien, ihnen dis <index indexName="subjects-index">
      <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
    </index>reine Gold bisher noch nicht haben zeigen können, bis der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> für sich selbst, jetzt in seinen
                    Umständen, Kraft und Muth fassete, dis <index indexName="subjects-index">
      <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
    </index>reine Gold ihnen und uns so zu zeigen, als in diesem übereilten
                    Bekentnisse geschiehet: – wehe so viel hunderttausend Christen! Zu dieser neuen
                    Anstalt sol sich <choice>
      <abbr>kaiserl.</abbr>
      <expan>kaiserliche</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> so gar auffordern lassen! Wie erstaunlich
                    gros ist diese <index indexName="subjects-index">
      <term>Anmaßung</term>
    </index>Anmaßung und <index indexName="subjects-index">
      <term>Übereilung</term>
    </index>Uebereilung! Und, wenn wir nicht alle gleich Beifal geben, und
                    öffentlich danken, für diese neue Anweisung, das <index indexName="subjects-index">
      <term>Gold der Christusreligion, reines</term>
    </index>reine Gold der Religion hier so kurz und gut beisammen zu haben: so sol
                    unser Urtheil mit zur Wuth der <index indexName="subjects-index">
      <term>Verfolgung</term>
    </index>Verfolgung oder zur Lügen und Heucheley gehören!</p>
  <p>Noch mehr solche – Declamation, um es nicht anders zu nennen. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_125"/><quote corresp="#quote_bs_a15_6">Möchte unter allerhöchstdero Regierung der Tag
                        anbrechen, da in dem christlichen Europa alle die für Christen gehalten und
                        in den Rechten des Staats und der <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenrechte</term>
        <term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
      </index>Menschheit geschützt werden, welche <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesum Christum</persName> verehren
                        und seine Lehren befolgen – ohne gezwungen zu seyn, sich <hi>Kephisch</hi>,
                        oder Paulisch, oder Papisch, oder Calvinisch, oder Lutherisch zu nennen, und
                        auf Menschenwort zu schwören.</quote></p>
  <p>Noch immer ein <index indexName="subjects-index">
      <term>Nebel</term>
    </index>Nebel und Dampf; kein <index indexName="subjects-index">
      <term>Licht</term>
    </index>Licht. Warum sol man so vergebliche unnütze Wünsche thun und äußern!
                    Sollen <choice>
      <abbr>kaiserl.</abbr>
      <expan>kaiserliche</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> über ganz <index indexName="subjects-index">
      <term>Europa</term>
    </index>Europa ein Ausschreiben ergehen lassen, um diese seltsamen Einfälle in
                    allen Staaten zu empfelen? Kan ein <index indexName="subjects-index">
      <term>unfanatisch</term>
    </index><hi>unfanatischer</hi> Christ solche Wünsche mit Bedacht hegen und
                    öffentlich ausbreiten! In <hi>Teutschland</hi> nicht nur, sondern auch in den
                    meisten <hi>europäischen</hi> Staaten ist es ja lange ausgemacht, <hi>daß
                        derjenige ein</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Christen</term>
    </index><hi>Christ</hi> ist, der <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesum Christum</persName> verehrt und
                    seine Lehre befolget; alle <index indexName="subjects-index">
      <term>Muhammedaner</term>
    </index><hi>Muhammedaner</hi> wissen diesen Satz seit vielen Jahrhunderten. Sie
                    wissen <pb xml:id="bs_b_page_63" n="63" edRef="#b"/> auch, daß die Verehrung
                        <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu Christi</persName> und die Befolgung
                    seiner Lehren, so viel Verschiedenheit leidet, als verschieden die <index indexName="subjects-index">
      <term>Lokalität</term>
    </index><hi>Localität</hi> der Christen ist. Ich lasse auch die <index indexName="subjects-index">
      <term>Sozinianer</term>
    </index><hi>Socinianer</hi> Christen seyn; und wenn sie andre Lehrer nicht dafür
                    halten, thut es ihrer Gemütsfassung und Tugend nicht den geringsten Schaden.
                    Warum sol aber in <hi>Europa</hi> eine algemeine Vorschrift hierüber aufgebracht
                    werden? Ein Christ muß es frey behalten, nach seiner <index indexName="subjects-index">
      <term>Denkungsart</term>
    </index>Denkungsart zu reden und zu <index indexName="subjects-index">
      <term>frei urteilen</term>
    </index>urtheilen. Aber der andre Theil des Wunsches, alle (auch socinianische)
                        <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_126"/>Christen <hi>solten
                        in den Rechten des Staats und der <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenrechte</term>
        <term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
      </index>Menschheit geschützt werden</hi>: ist weder christlich und
                    apostolisch, noch sonst gegründet. <index indexName="persons-index">
      <term>Jesus Christus</term>
      <term type="alternative">Christus</term>
    </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> selbst hat seinen
                    Aposteln eine ganz andere <index indexName="subjects-index">
      <term>Vokation</term>
    </index><hi>Vocation</hi> ausgestellet; die doch hinten nach von guten Christen
                    nicht wird umgestempelt werden! Man muß einwilligen in alle Leiden als ein
                    Christ, welche das <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen vor Gott</term>
    </index>Gewissen vor GOtt mit sich bringt; diese Pflicht hört nicht auf für
                    einen jeden Christen, und es ist nicht zu begreifen, wie man das ganze
                    Gegentheil zu einem neuen Lehrsatz, ja gar zur Pflicht der Christen machen wil.
                    Ob nun die für sich gewissenhaftesten Christen in einem Lande und Staat
                        <hi>einerley öffentliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Rechte, einerlei öffentliche</term>
      </index>Rechte genießen sollen</hi>: gehört gar nicht für <hi>Doctores</hi>
                    Theologiä, indem sie nicht zu <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_127"/>geheimen Staatsräthen berufen sind. Ob Christen,
                    welche seit so viel Jahren eine geselschaftliche Ordnung und Einrichtung unter
                    sich gemacht haben, welche der Staat selbst genemigt hat, so gleich ihre so
                    alten Ordnungen und Einrichtungen aufheben sollen, wenn ein noch so gut
                    meinender Mitchrist oder Zeitgenosse dafür hält, es seie Zeit an einer <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalreligion</term>
    </index><hi>Universalreligion</hi> für ganz <hi>Europa</hi>
    <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> zu arbeiten: <hi>kann gar nicht zur christlichen Religion</hi>
                    gehören; auch gar nicht für das <index indexName="subjects-index">
      <term>Privatgewissen</term>
    </index><hi>privat</hi> Gewissen; es müste denn ein sehr <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen, irriges</term>
    </index><hi>irriges</hi> Gewissen seyn; welches doch gar niemanden von uns
                    andern verbindet, als den also irrenden Menschen. Er müßte auch in der That sehr
                    irren, wenn <hi>er sich selbst</hi> so leicht, aus seinem stillen Stand eines
                        Un<pb xml:id="bs_b_page_64" n="64" edRef="#b"/>terthan und Privatmans bis an
                    kaiserliche <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> erhebet, und die
                        <hi>protestantischen</hi> Mächte und Kirchen hiebey so wenig erst fragt, als
                    die <hi>römischkatholischen</hi> Erzbischöfe und Bischöfe; um so gleich
                    kaiserliche Mitwirkung zu einer <hi>europäischen</hi>
    <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_128"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Christusreligion</term>
    </index>Christusreligion zu erlangen! Nun ist alles sogleich <quote corresp="#quote_bs_a15_3">unabsehlicher <index indexName="subjects-index">
        <term>Systemwust</term>
      </index><hi>Systemwust</hi></quote>, was theologische und kirchliche sehr
                    schwere Gelersamkeit, sehr gegründete Klugheit und Erfarung, einschließet; alles
                    ist <hi>Systemwust</hi>, was die <hi>augspurgische Confession</hi> dem Reichstag
                    damalen vorlegte, ohne an ein System zu denken; was der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_129"/><hi>römische
                        Catechismus</hi> enthält – alles <index indexName="subjects-index">
      <term>Systemwust</term>
    </index>Systemwust. Schon lange wusten alle gründliche Theologi aller Parteien,
                    daß es keine innere eigene christliche Religion geben könte, ohne christlichen
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Unterricht</term>
    </index>Unterricht zu schaffen und vorauszuschicken; daß der gemeine <index indexName="subjects-index">
      <term>Unterricht</term>
    </index>Unterricht um der mislichen besondern Geschicklichkeit willen, den
                    einzelnen Lehrern einer jeden <index indexName="subjects-index">
      <term>Parteien</term>
    </index>Partei, in einer feierlichen Vorschrift lieber mitgetheilt werden müsse;
                    daß diese <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrvorschrift</term>
    </index><hi>Lehrvorschriften</hi> gar nicht einzig und allein unmittelbar die
                    Seligkeit, Tugend und eigene <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionspraxis</term>
    </index><hi>Religionspraxin</hi>, wirklich schon schaffeten, sondern dazu eine
                    erprobte nützliche Anleitung für die Unterthanen wären; daß also der <hi>nächste
                        unmittelbare</hi> Zweck und Erfolg <hi>die äußerliche Verbindung</hi> der
                    kirchlichen Glieder untereinander, in den gemeinen Grundsätzen der Gesänge, der
                    Gebete, der Predigten und Unterweisungen, seie; die eben so verschieden bleibe,
                    unbeschadet der eigenen Religion und Gewissenhaftigkeit, so bald sie da ist: als
                    verschieden die Religionsform, Gesetze und Statuten in der <index indexName="subjects-index">
      <term>Gesellschaft, bürgerliche</term>
    </index><hi>bürgerlichen</hi> Geselschaft sind; unbeschadet des ruhigen
                    glücklichen menschlichen Lebens, unter noch so verschiedenen Staatsverfassungen.
                    Ist es nun mit Grund gewünschet, es möchte doch unter <choice>
      <abbr>kaiserl.</abbr>
      <expan>kaiserlicher</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> Regierung der Tag anbrechen, da in ganz
                        <hi>Europa einerley äußerlich</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Kirchenrecht</term>
    </index>Kirchenrecht gelten müste! Wem mag wol an dergleichen Einfällen und
                    Wünschen etwas gelegen seyn! Denkenden Zeitgenossen, <index indexName="subjects-index">
      <term>Christen, denkende</term>
    </index>denkenden Christen gewis <pb xml:id="bs_b_page_65" n="65" edRef="#b"/>
                    nicht; denn die verstehen sich besser auf diese Sachen, als daß sie unmögliche
                    Dinge und <index indexName="subjects-index">
      <term>Ebentheuer, moralische</term>
    </index><hi>moralische</hi> Ebentheuer bey andern Menschen, sich zum Zweck
                    setzen sollten; da sie ihre <index indexName="subjects-index">
      <term>Christusreligion</term>
    </index>Christusreligion so völlig frey haben, was ihr Gewissen, ihr Herz gegen
                    GOtt betrift; wird es aber gewünschet zu häuslichen bürgerlichen
                    Bequemlichkeiten für andre, die nicht zu uns gehören: so gehört ja die
                    bürgerliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Obrigkeit</term>
    </index>Obrigkeit hieher, mit ihren Einsichten, nicht das Privat-Gewissen. –
                    Eben so matt und unstatthaft ist dieses: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_130"/>ohne gezwungen zu seyn, sich Kefisch oder Paulisch,
                        „<quote corresp="#quote_bs_a16_1">oder Papisch oder Calvinisch oder
                        Lutherisch zu nennen.</quote>“ Wir sind <hi>gezwungen</hi> zu diesen Namen?
                    Von wem wol? Wer hat dis befolen, daß wir uns also nennen sollen? Man solte
                    nicht <index indexName="subjects-index">
      <term>Gewissen</term>
    </index>Gewissen und eigene Religion so gleich mit der <hi>äußerlichen</hi>
                    Religion, mit <hi>besondern Rechten in der bürgerlichen Geselschaft</hi>
                    vermischen; man erschleicht zur Noth einige Leser, aber man befördert gar keinen
                    Nutzen für die Zeitgenossen. Was das Gewissen und die eigene <index indexName="subjects-index">
      <term>Religion als moralische Fertigkeit</term>
    </index>Religion, als moralische Fertigkeit oder Zustand des Menschen betrift:
                        <hi>so kan es diese Namen gar nicht hier geben; es ist kein Platz dazu</hi>.
                    Ist aber die Rede von der sichtbaren äußerlichen Geselschaft: so ist der Name
                        <hi>Lutherische, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_131"/>Zwinglische, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_132"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Altkatholische</term>
      </index>Altkatholische</hi>, wie es überal bekant ist, ohne <hi>allen Befel
                        oder Zwang</hi> aufgekommen, wie eine benachbarte Nation die andre mit einem
                    Namen unterscheidet: wie überhaupt <index indexName="subjects-index">
      <term>Namen</term>
    </index><hi>Namen</hi> zur ganz nötigen Unterscheidung der Dinge und Menschen
                    aufgebracht und eingefürt worden sind. Kan denn jemand verlangen, wir sollen
                        <hi>ohne Unterschied</hi>, zwey oder dreierley Geselschaft immer mit einem
                    einzigen Namen nennen, da es doch so viel besondre Religionsgeselschaften gibt,
                    als Regierungen, als Länder und Provinzen? Findet wol jemand Ursache, zu
                    verlangen, es möchten die Namen der <hi>Nationen</hi> in <hi>Europa</hi>, alle
                    aufhören? Gibt es aber nicht eben so wol eine <hi>kirchliche</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Geographie, kirchliche</term>
    </index><hi>Geographie</hi>, eine <hi>theologische</hi> verschiedene Diöces? Es
                    ist ja <hi>ganz unmöglich</hi>, daß alle <pb xml:id="bs_b_page_66" n="66" edRef="#b"/> Einwoner eines Landes oder gar eines großen Staats, nur eine
                    und dieselbe <hi>Religionsform</hi> haben; wer will eine kirchliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Universalmonarchie</term>
    </index><hi>Universalmonarchie</hi> errichten, da wir froh sind, der
                        <hi>lateinischen</hi> alten <hi>Monarchie</hi> der Päbste uns entzogen zu
                    haben! Ich halte es also für sehr unwichtige Einfälle, für lang abgetragene
                        <hi>Projecte</hi>, die gar keine <hi>Realität</hi> in sich fassen: wenn
                    jemand in seinen vier Wänden sich dergleichen Entwürfe macht, daß die
                        <hi>äußerlichen Religionsformen</hi> aufhören und in eine einzige
                    eingeschmolzen werden möchten. Ich habe es schon gesagt, daß man seit dem 16ten
                    Jahrhundert, auch noch im vorigen 17ten häufig damit umgegangen ist; daß auch
                    das Ansehen der Könige und Fürsten, ja bey des <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_133"/>Abt <index indexName="persons-index">
      <term>Molanus, Gerhard Wolter</term>
    </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dd">Molanus</persName></hi> so plat
                    ehrlichen Arbeiten auch des kaiserlichen Hofes Ansehen dazu gebraucht worden
                    ist: eine <hi>einzige äußerliche Religionsform</hi> einzufüren; daß aber endlich
                    alle wirklichen Kenner dieser Sachen solche unthunliche Projecte ganz und gar
                    wieder aufgegeben haben. Welch Verdienst kann es also seyn, daß der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>, dessen Verhältnis ohnehin sich gar
                    nicht zu diesem Anerbieten und Versprechen reimen läßt, indem er bei keiner
                    öffentlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Religionsparteien</term>
    </index>Religionspartey in dem erforderlichen würdigen Ansehn stehet und stehen
                    kann, diese alten Einfälle mit solcher großen Gestalt, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_134"/><foreign xml:lang="grc">μετα πολλης φαντασιας</foreign> wieder aufstellet, und gar <choice>
      <abbr>Sr. Kaiserl.</abbr>
      <expan>Seiner Kaiserlichen</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> vorzutragen sich herausnimt! Unter dem
                    gemeinen Haufen konte er noch weniger erspriesliche Folgen und edle Früchte
                    erwarten.</p>
  <p>Aber noch eine Klage, <hi rend="margin-horizontal"><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_135"/><quote corresp="#quote_bs_a16_2"><hi>und auf Menschenwort zu
                            schwören</hi>.</quote></hi></p>
  <p>Viel hundert mal ist dis schon gesagt worden; zuweilen mit seltsamer Stellung und
                    Verknüpfung; wie es an sich selbst, sehr seltsam und auffallend ist, daß man
                    sich beschweret, über die Forderung eines <index indexName="subjects-index">
      <term>Eid</term>
    </index>Eides, wegen der öffentlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrordnung</term>
    </index>Lehrordnung. <hi>Worüber oder worauf</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>schwören</term>
    </index>schwören denn wol Menschen in der ganzen Welt, wo je ein <pb xml:id="bs_b_page_67" n="67" edRef="#b"/>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Eid</term>
    </index>Eid, oder eine dem gleiche Feierlichkeit, eingefürt ist?
                        <hi>Ueberal</hi>, aller Orten, beschwöret man das, <hi>was andre
                        Menschen</hi> von uns auf diese Art bestätigt und versichert haben wollen.
                    Man schwöret <hi>auf einen</hi> von Menschen vorgelegten <hi>Inhalt oder
                        Vertrag</hi>; und auf solche Menschenworte oder von Menschen uns vorgelegten
                    Inhalt <index indexName="subjects-index">
      <term>schwören</term>
    </index>schwören: ist etwa <hi>an sich selbst</hi> schon unrecht? Kan man
                        <hi>auf GOttes Zusage oder</hi>
    <index indexName="subjects-index">
      <term>Vorschriften</term>
    </index><hi>Vorschrift</hi>, um GOttes willen, <index indexName="subjects-index">
      <term>schwören</term>
    </index>schwören? Man schwöret also oder bestätiget mit einem <index indexName="subjects-index">
      <term>Eid</term>
    </index>Eide, daß man <hi>diesen Lehrinhalt</hi> gewis und unverändert den
                    anvertrauten Zeitgenossen, als ein Lehrer erklären und einschärfen wolle. Worin
                    sol denn hier eine richtige Ursache oder ein kentlicher Grund liegen, zu
                    wünschen und zu fordern, daß kein <index indexName="subjects-index">
      <term>Lehrer</term>
    </index>Lehrer inskünftige auf einen vorgelegten Lehrinhalt <index indexName="subjects-index">
      <term>schwören</term>
    </index>schwören oder seiner Geselschaft dis <hi>zusagen</hi> solle? Ist es
                    erlaubt einen <index indexName="subjects-index">
      <term>Eid</term>
    </index>Eid eines Unterthan, nach vorgelegtem Inhalte, wörtlich abzuleisten? Ich
                    denke ja. Ist es erlaubt, daß ein Soldat einen <index indexName="subjects-index">
      <term>Eid</term>
    </index>Eid <index indexName="subjects-index">
      <term>schwören</term>
    </index>schwöret, auf die ihm vorgelegten Forderungen? O ja. Worin bestehet denn
                    nun die alte Klage oder Beschwerde, dieser und jener Leute, welche darüber
                    unzufrieden sind, daß öffentliche Lehrer eidlich versprechen, sie wollen in
                    ihrem öffentlichen <index indexName="subjects-index">
      <term>Amt</term>
    </index>Amte, das sie gegen eine Geselschaft von Zuhörern und Kindern feierlich
                    annemen, <hi>eben dieselben Lehrsätze lehren und erklären</hi>, die in dieser
                    besondern Geselschaft ausdrücklich festgesetzt und vorgeschrieben sind? Wem kan
                    denn dieser <index indexName="subjects-index">
      <term>Eid</term>
    </index>Eid im Wege stehen, als <hi>wer öffentlich eine ganz andre Lehre</hi>
                    gern einfüren wil? Mag er sie für richtiger halten; das kan sein eigen Gewissen
                    beruhigen in Absicht seiner. Aber diese <index indexName="subjects-index">
      <term>Privatgedanken</term>
    </index><hi>privat</hi> Gedanken sollen nicht die öffentliche Lehre seyn. Einem
                    solchen Lehrer wolte ja die Geselschaft ihre Mitglieder nicht anvertrauen; warum
                    geht er also nicht weiter, und sucht sich einen solchen Zusammenhang aus, wo die
                    Obrigkeit kein äusserlich <index indexName="subjects-index">
      <term>Kirchenregiment</term>
    </index>Kirchenregiment ausübet? Auf diese Weise, wenn noch so zufällige
                    Gedanken sogleich wichtig <pb xml:id="bs_b_page_68" n="68" edRef="#b"/> werden,
                    weil sie in der jetzigen Zeit gedruckt werden, wo jedermann ins Ganze, ins
                    Grosse, sich ausdehnet, und Allkraft, Allumfassung um sich her spreitet: wird
                    nächstens auch jemand die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_136"/>kaiserliche <hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Wahlcapitulation</term>
      </index>Wahlcapitulation</hi>, und die feierliche Versicherung der
                    Majestäten und Landesherren, <hi>reformiren</hi>, weil auf Menschenworte
                    geschworen wurde. In welcher Tiefe und <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_136a"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Mikrologie</term>
    </index><hi>Mikrologie</hi> mag unser Zeitalter liegen, wenn solche gar grosse
                    Kleinigkeiten lesenswerth, gemeinnützig, und alwichtig heissen können!</p>
  <p>Nun ist die <hi>Vorrede</hi> zu Ende: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_137"/><quote corresp="#quote_bs_a16_3">möchten doch <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> geruhen, mit Langmut und Schonung auf
                        mich unschuldig Verfolgten vom Thron der Majestät herab zu
                    blicken.</quote></p>
  <p>Schon jetzt nent sich der <choice>
      <abbr>Hr.</abbr>
      <expan>Herr</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> einen unschuldig <hi>Verfolgten</hi>!
                    worin besteht wol die scheinbarste <index indexName="subjects-index">
      <term>Verfolgung</term>
    </index>Verfolgung? daß der <choice>
      <abbr>kaiserl.</abbr>
      <expan>kaiserliche</expan>
    </choice> Reichshofrath dis Decret wider ihn gegeben hat, oder daß zwey
                    theologische <index indexName="subjects-index">
      <term>Responsa</term>
    </index><foreign xml:lang="lat">Responsa</foreign> eingeholet worden sind, über
                    die neue Uebersetzung des neuen Testaments. Das Reichshofrathsdecret hat gar
                    keinen Erfolg haben können, in so weit es eine Anmassung über protestantische
                    wirkliche <index indexName="subjects-index">
      <term>Kirchenglieder</term>
    </index>Kirchenglieder ist; die an sich selbst schon ohne alle Realität ist, wie
                    die steten <foreign xml:lang="lat">Principia</foreign> des <foreign xml:lang="lat">Corporis Euangelicorum</foreign> mit sich bringen. Uebrigens
                    könte ich die noch so genaue Prüfung der neuen Uebersetzung, nicht aus einem
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Verfolgungsgeist</term>
    </index>Verfolgungsgeiste zunächst herleiten; da es eine natürliche Folge in der
                    gelehrten Welt ist. Wenn auch <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_138"/>manche Zeitgenossen zu hart oder zu geschwind <hi>von
                        der Absicht</hi> dieser Uebersetzung urtheileten: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_139"/>so war es doch noch keine
                            <hi><index indexName="subjects-index">
        <term>Verfolgung</term>
      </index>Verfolgung</hi>. Hingegen ist es einem noch so kalten und <index indexName="subjects-index">
      <term>unparteiisch</term>
    </index>unparteiischen Zuschauer der öffentlichen Historie des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> gleich wol sehr auffallend, daß er
                    überal sich so gleich, so leicht Verdrus und Unlust zugezogen hat, ohne daß
                        <hi>Dogmatiken</hi> und <hi>Systeme</hi> daran Schuld waren. Und nun sein
                        <hi>Glaubensbekentnis</hi>; aber ohne Zeitbestimmung, wie <pb xml:id="bs_b_page_69" n="69" edRef="#b"/> viel davon in <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_0_140"/><index indexName="subjects-index">
      <term>Leipzig (Bahrdts Zeit in)</term>
    </index><hi>Leipzig, <index indexName="subjects-index">
        <term>Erfurt (Bahrdts Zeit in)</term>
      </index>Erfurt, <index indexName="subjects-index">
        <term>Giessen (Bahrdts Zeit in)</term>
      </index>Giessen</hi>, (wohin ich ihn selbst durch Empfelung auf eine Anfrage
                    aus Darmstadt, hatte bringen helfen,) in <index indexName="subjects-index">
      <term>Marschlins (Philanthropinum)</term>
    </index><hi>Marschlins</hi>, in <index indexName="subjects-index">
      <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
    </index><hi>Heidesheim</hi>, eigentlich schon entschieden gewesen seyn möge.
                    Ganz ohne Einflus wäre es doch nicht, wenn wir diese <hi>historische</hi>
                    Kentnis des steten Ganges der gesamleten Vorstellungen zur weitern Beurtheilung
                    anwenden könten. Dis Bekentnis betrift 10 Stücke:</p>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_1"><label>Polemik</label>
    <p>Entgegen der heutigen pejorativen Bedeutung meint „Polemik“ (gr. <foreign xml:lang="grc">πόλεμος</foreign>; „Krieg“) hier die vor allem in der
                        Theologie der Frühen Neuzeit etablierte wissenschaftliche Methode zur
                        Widerlegung eines Gegners, indem (wie auch in diesem Fall) der gegnerische
                        Text Punkt für Punkt besprochen und widerlegt wird, ohne zwangsläufig den
                        Gegner dabei auch persönlich anzugreifen oder herabzusetzen. Vgl. hingegen
                        auch schon im 18. Jh. stark wertend: „pasquillantisch“ (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_ns_3"/>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_2"><label>Pflicht des
                        Hrn. Verfassers, alle Ueberzeugung frey und ohne Zurückhaltung zu entdecken
                        –</label>
    <p>Leicht bearbeitetes Zitat a9.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_3"><label>ein Heuchler
                        seye, [...] zu erschleichen suche</label>
    <p>Leicht bearbeitetes Zitat a9.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_4"><label>um des
                        Schwachen zu schonen [...] durch Uebereilung – zu schwächen</label>
    <p>Teils Zitat, teils Paraphrase a9.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_5"><label>„Ich gestehe
                        also, [...] bey Tausenden sind.“</label>
    <p>Teils fehlerhaftes Zitat a9f; im Original steht: „durch ihr der Vernunft
                        Anstößiges“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_6"><label>Fal
                        Babels</label>
    <p>Anspielung auf die von Dippel (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_n_18"/>) und anderen Orthodoxiekritikern erhobene Gleichsetzung der depravierten
                        zeitgenössischen Kirche mit dem biblischen sündigen Babel (Offb 18 u. 19),
                        das dem Untergang geweiht ist, vgl. Christianus Democritus [Dippel],
                            <hi>Christen-statt auf Erden</hi> (1699). Vgl. dazu auch Semlers
                            <hi>Versuch einer freiern theologischen Lehrart</hi> (1777), 61, wo er
                        neben Dippel explizit den lutherischen Dissidenten Friedrich Breckling
                        (1629–1711) nennt.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_7"><label>Fanatiker
                        des 16ten Jahrhunderts</label>
    <p>Zu den Fanatikern wurden alle radikalreformatorischen Gruppen gerechnet, die
                        nicht eine politisch organisierte Konfessionskirche anstrebten, da sie sich
                        als direkt von Gott inspiriert (lat. <hi>fanaticus</hi>) ansahen.
                        Inspirierte folgten entsprechend ihrem Gewissen und lehnten eine von Gott
                        gegebene politische Macht und eingesetzte Kirchendiener ab.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_8"><label>Bauchdiener</label>
    <p>Schon Luther benutzte den Ausdruck „Bauchdiener“ zur Kritik des
                        vorreformatorischen Klerus. Im 17. Jh. verwendete ihn etwa Dippel (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_n_20"/>), um die tatsächlichen oder
                        vermeintlichen Auswüchse seiner eigenen lutherischen Konfession zu
                        kritisieren.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_9"><label>Recht und
                        die Freiheit, die bisherige Religionspartey ganz und gar zu
                        verlassen</label>
    <p>Anspielung auf das reichsrechtliche <hi>ius emigrandi</hi>, das im Augsburger
                        Religionsfrieden (1555) dem einzelnen Untertan ein Emigrationsrecht aus
                        Glaubensgründen zusicherte.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_10"><label>Obrigkeit,
                        welche den äusserlichen Religionsstand ihrer Unterthanen freilich allein zu
                        beurtheilen</label>
    <p>Anspielung auf den seit 1555 geltenden reichsrechtlichen Grundsatz des
                            <hi>cuius regio eius religio</hi>, wonach die Obrigkeit über die
                        Konfession ihrer Untertanen bestimmt. Bemerkenswert ist die Betonung des
                        bloß „äusserlichen“ Religionsstands, der Raum für eine innere Haltung
                        eröffnet, die vom äußeren Religionsstand abweicht. Vgl. dazu z.B. <ref target="#bs_f_page_13">f13f.</ref></p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_11"><label>Fanaticismus oder Unruhe</label>
    <p>Seit dem Bauernkrieg (1525) und dem Täuferreich von Münster (1534/35) war es
                        ein gängiger Topos, radikale religiöse Positionen mit politischer Unruhe zu
                        assoziieren.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_12"><label>durch
                        Religionsfrieden festgesetzten Religionssysteme</label>
    <p>Anspielung auf den Augsburger Religionsfrieden (1555).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_13"><label>„O möchten
                        doch Ew. kaiserliche Majestät [...] wieder heraus zu finden.“</label>
    <p>Zitat a15.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_14"><label>Wesen des
                        Christentums ist Geist und Wahrheit</label>
    <p>Anspielung auf Joh 4,24, was häufig von den von Semler so gescholtenen
                        „Fanatikern“ oder Spiritualisten zitiert wird. Semler nutzt den Bibelvers,
                        um ein Christentum „im Geist und in der Wahrheit“ von der politisch
                        eingehegten äußerlichen Konfessionszugehörigkeit abgrenzen zu
                    können.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_15"><label>Braminen</label>
    <p>Heute im Deutschen kaum noch verwendete Wortvariante von „Brahmanen“. Im
                        weiteren Sinne bezeichnet der Ausdruck Mitglieder der höchsten Kaste im
                        Hinduismus, im engeren Sinne hinduistische Priester, die sich (jedenfalls im
                        18. Jh.) ausschließlich aus besagter Kaste rekrutierten.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_16"><label>Localität</label>
    <p>Dass die äußeren Religionsformen der Christen von regionalen und historischen
                        Besonderheiten abhängen, welche sich nicht einfach im Zuge
                        universalreligiöser Bestrebungen aufheben lassen, ist eine zentrale, häufig
                        wiederholte Überzeugung Semlers, vgl. z.B. <ref target="#bs_b_page_VII">b[VII]</ref>; <ref target="#bs_b_page_6">f6–9</ref>.<ref target="#bs_b_page_175">175</ref> etc.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_17"><label>Flattergeister [...] Schwärmer</label>
    <p>Weitere Ausdrücke für spiritualistische Gruppierungen, die in religiösen
                        Dingen ihrem Gewissen folgten und teils zur Weltflucht neigten.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_18"><label>Concretenwelt</label>
    <p>Das Substantiv scheint eine Neuschöpfung Semlers zu sein, die den
                        Gegenbegriff zur tatsächlichen oder vermeintlichen „Mondwelt“ (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_28"/>) Bahrdts liefern soll.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_19"><label>die weder
                        in der Schrift, [...] , und die Quelle sind von –</label>
    <p>Zitat a10 (mit Auslassung).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_20"><label>es seien
                        Lehrsätze darin, welche theils der Gottseligkeit schaden, [...] für
                        tausende</label>
    <p>Leicht verändertes Zitat a10 (mit Auslassung).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_21"><label>Talapoinen</label>
    <p>Seit dem 16. Jh. nachweisbare Bezeichnung für buddhistische Mönche; in der
                        Sprache der Mon, die im heutigen Myanmar und Thailand leb(t)en, bedeutet der
                        Ausdruck „tīla puin “ so viel wie „werter Herr“ und diente der respektvollen
                        Anrede der Mönche. Vermutlich über portugiesische Seefahrer fand der
                        Ausdruck Eingang in europäische Sprachen.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_22"><label>ein
                        christlich Utopien</label>
    <p>Der Begriff der Utopie, wörtlich „Nirgend-Ort“, bezeichnet die literarisch
                        oder philosophisch entfaltete Vorstellung einer (in der Zukunft, in fernen
                        Erdgegenden oder auf fremden Planeten angesiedelten) nach rationalen
                        und/oder religiösen Grundsätzen konzipierten idealen Gemeinschaft. Der
                        Ausdruck ist eine Schöpfung Thomas Morus’ (1478–1535), der Sache nach finden
                        sich utopische Entwürfe aber schon in der Antike, etwa in Platons
                            <hi>Staat</hi>. Zu den bedeutenden christlichen Utopien gehören Tommaso
                        Campanellas (1568–1639) <hi>Sonnenstaat</hi> (1602) und Johann Valentin
                        Andreaes (1586–1654) <hi>Christianopolis</hi> (1619). Auch das Zusammenleben
                        christlicher Gemeinschaften wie der Hutterer oder der Quäker kann als
                        Versuch der Umsetzung utopischer Konzepte gedeutet werden; vgl. auch <ptr type="page-ref" target="#erl_f_36_3"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_23"><label>Cajus und
                        Titius</label>
    <p>Die lateinischen Namen „Cajus” und „Titius” wurden vor allem in der Logik und
                        in der Jurisprudenz zur Bezeichnung von Personen innerhalb fiktiver
                        Beispiele verwendet. Ihr Gebrauch lässt sich u.a. bei Gottfried Wilhelm
                        Leibniz, Jacob Bernoulli, Georg Friedrich Meier, Immanuel Kant und Johann
                        Gottfried Kiesewetter belegen. Erstmals in besagter Funktion benutzt wurden
                        die Namen vermutlich von dem berühmten Glossator und Rechtsgelehrten
                        Irnerius von Bologna (um 1050–um 1130). Im Italienischen bedeutet der
                        Ausdruck „Tizio, Caio e Sempronio“ noch heute so viel wie „Hinz und
                        Kunz“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_24"><label>vom
                        öffentlichen Religionsfrieden</label>
    <p>Wiederum Anspielung auf den Augsburger Religionsfrieden (1555), der den
                        reformatorischen religiösen Streit zwischen den unterschiedlichen
                        christlichen Konfessionen politisch einhegte.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_25"><label>Thomas</label>
    <p>Thomas von Aquin (um 1225–1274), dominikanischer Theologe und Philosoph. Er
                        gilt als Hauptvertreter der mittelalterlichen Scholastik, trägt den Beinamen
                            <hi>Doctor angelicus</hi> und wird in der römisch-katholischen Kirche
                        als einflussreichster Kirchenlehrer verehrt. Thomas steht hier bei Semler
                            <hi>pars pro toto</hi> für die gesamte katholische Position.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_26"><label>Luther</label>
    <p>Martin Luther (1483–1546), der wichtigste deutsche Reformator, steht hier
                        stellvertretend für die protestantische Position.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_27"><label>Socinus</label>
    <p>Der italienische Reformator Fausto Sozzini (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_6"/>) steht hier für die übrigen christlichen
                        Positionen jenseits von Katholizismus und Protestantismus.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_28"><label>Mondwelt</label>
    <p>Dass Semler gerade dieses Bild wählt, ist kein Zufall. Die Spekulation über
                        die Existenz von außerirdischen Gesellschaften und ihrer etwaigen
                        Lebensweise war im 17. und 18. Jh. weit verbreitet. Viele Autoren hielten es
                        für wahrscheinlich, dass es in unserem Sonnensystem andere intelligente
                        Wesen gibt. Sowohl literarische Anverwandlungen des Themas – Francis Godwin,
                            <hi>The Man in the Moone</hi> (1638); Cyrano de Bergerac, <hi>L’Autre
                            Monde</hi> (1657), Jonathan Swift, <hi>Gulliver’s Travels</hi> (1726)
                        [Dritte Reise nach Laputa], Voltaire, <hi>Micromégas</hi> (1752) – als auch
                        (populär-)wissenschaftliche Darstellungen – Bernard le Bovier de Fontenelle,
                            <hi>Entretiens sur la pluralité des mondes</hi> (1686; <hi rend="superscript">2</hi>1724); Christiaan Huygens, <hi><foreign xml:lang="grc">Κοσμοθεωρός</foreign></hi> (1698); Eberhard Christian
                        Kindermann, <hi>Reise in Gedancken durch die eröffneten allgemeinen
                            Himmels-Kugeln</hi> (1739); Immanuel Kant, <hi>Allgemeine
                            Naturgeschichte und Theorie des Himmels</hi> (1755; 3. Teil) – hatten
                        Konjunktur. Wie zur Bestätigung Semlers publizierte Bahrdt 1787 eine anonyme
                        Schrift mit dem Titel <hi>Zamor oder der Mann aus dem Monde[,] kein bloßer
                            Roman</hi>, in der er einen Mondbewohner auftreten lässt und ihm einige
                        der eigenen Überzeugungen in den Mund legt.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_29"><label>„Darunter
                        rechne ich die [...] und einige andre.“</label>
    <p>Zitat a10.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_30"><label>diese
                        Lehren, [...] bey Tausenden</label>
    <p>Umgestelltes Zitat a10, vgl. oben <ref target="#bs_b_page_12">b12</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_31"><label>Nahrungsstandes</label>
    <p>Das sind die Mittel, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_32"><label>Rechte der
                        Menschheit und Gewissensfreiheit</label>
    <p>Anspielung auf a24; vgl. oben <ref target="#bs_b_page_8">b8</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_33"><label>unabsehlichen Wust der Systemsreligion</label>
    <p>Zitat a15, vgl. <ref target="#bs_b_page_15">b15</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_34"><label>solitarischen</label>
    <p>Der Ausdruck (von lat. <hi>solitarius</hi>; „alleinstehend“) war auch zu
                        Semlers Zeiten wenig gebräuchlich. Gemeint sein dürfte hier wohl so viel wie
                        „eigensinnig“, „keinerlei Spielraum zur Interpretation lassend“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_35"><label>Lügner und
                        Heuchler wären, die um des Brots willen</label>
    <p>Anspielung auf a19, vgl. oben <ref target="#bs_b_page_12">b12</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_36"><label>unmittelbare oder mittelbare Zurechnung</label>
    <p>Das Problem, wie die Sünde eines einzigen (oder zweier) Menschen – der Fall
                        Adams (und Evas) – der gesamten, nicht direkt beteiligten Menschheit
                        gerechterweise zugerechnet werden könne, beschäftigte die christliche
                        Theologie seit der Spätantike. Verschiedene Lösungen wurden vorgeschlagen:
                        Adam stehe und agiere für die gesamte Menschheit, wie der Repräsentant eines
                        Staats für all seine Bürger; sämtliche Menschen existierten bereits als
                        Samen im Stammvater Adam; Gott habe aufgrund seines „mittleren Wissens“
                        (Luis de Molina; vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_2_9"/>) erkannt,
                        dass alle Menschen (außer Jesus) in die Sünde Adams eingewilligt
                            <hi>hätten</hi>, falls sie vor die Wahl gestellt worden <hi>wären</hi>.
                        – Manche Theologen lehnten eine unmittelbare Zurechnung der Schuld Adams
                        zugunsten einer bloß mittelbaren ab: Adams Fall sei kausal verantwortlich
                        für die (biologische und/oder soziale) Zerrüttung seiner Nachkommenschaft.
                        Aus dieser immer weiter „vererbten“ Zerrüttung erwuchs die allgemeine
                        moralische Verderbtheit der Menschen. Die Schuld Adams kann seinen
                        Nachfolgern daher zwar nicht unmittelbar zugerechnet werden, ist aber
                        (mit)ursächlich für ihre Sünden. Qua Wirkung, d.h. qua der sündhaften
                        moralischen Verderbtheit, kann Adams Fall der gesamten Menschheit mittelbar
                        zugerechnet werden. – Die Schwierigkeiten dieser Theorien sind augenfällig
                        und veranlassten die meisten (wenn auch nicht alle) Neologen zu einer
                        Ablehnung von sowohl unmittelbarer als auch mittelbarer Zurechnung.
                    </p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_37"><label>Notwendigkeit einer Genugthuung</label>
    <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_3_10"/> und <ptr type="page-ref" target="#erl_d_7_8"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_38"><label>Bekehrung,
                        pur leidlich oder mitwirkend</label>
    <p>Anspielung auf eine zentrale Frage der Gnadenlehre, ob Gott dem Menschen den
                        Glauben ohne dessen Zutun „pur leidlich“ schenkt oder aber eine Form von
                        menschlicher Mitwirkung angenommen werden kann.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_39"><label>Synergistischen, Helmstädtischen, der Gewissener</label>
    <p>Anspielung auf drei unterschiedliche Positionen der lutherischen Gnadenlehre.
                        Die Synergisten (gr. <foreign xml:lang="grc">συνεργετικός</foreign>;
                        „mitwirkend“) diskutierten schon im 16. Jh. eine Mitwirkung des Willens bei
                        der Annahme der Gnade, was allerdings in der <hi>Konkordienformel</hi>
                        (1577) deutlich abgelehnt wurde. Dieser von Melanchthon beeinflusste
                        Streitpunkt flammte erneut in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s um den
                        Helmstedter Theologen Georg Calixt (1586–1656) auf, der die
                            <hi>Konkordienformel</hi> ablehnte und eine irenische Unionstheologie
                        verfocht. Der Jenaer Theologe Johannes Musaeus (1613–1681) diskutierte die
                        radikale Gruppierung der „Gewissener“ (lat. <hi>Conscientarii</hi>), die
                        sich nur ihrem Gewissen verantwortlich fühlen. Ob diese Gruppe jemals
                        existiert hat oder es sich bei ihr um eine Erfindung des Dissidenten
                        Matthias Knutzen (1646–1674?) handelt, der sie erstmals erwähnte und sich
                        auf ihre Unterstützung berief, ist ungeklärt.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_40"><label>selbstdenkenden und prüfenden Theile der Menschen</label><p>Zitat
                        a12.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_41"><label>Reforme
                        vorzuschreiben [...] Rechte der Menschheit und des Gewissens</label>
    <p>Anspielung auf a23f.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_42"><label>„Ich habe
                        zwar [...] ein Beyspiel sind.)“</label><p>Zitat a10f.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_43"><label>Lehre von
                        Erbsünde [...] von Ewigkeit der Höllenstrafen</label>
    <p>Bearbeitetes Zitat a10, vgl. <ref target="#bs_b_page_20">b20</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_44"><label>Pauli
                        Ausspruch, Röm. 5. alle Menschen sündigen, <foreign xml:lang="grc">ἡμαρτον</foreign></label>
    <p>Zitat aus Röm 5,12 (gr. <foreign xml:lang="grc">ἥμαρτον</foreign>; „sie
                        sündigen“), das seit dem Kirchenvater Augustinus die biblische Grundlage der
                        christlichen Erbsündenlehre darstellt.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_45"><label>in
                        athanasianischen Sinn</label>
    <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_20"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_46"><label>subiecta,
                        Personen etc. (alle neue Worte der Gelerten für ihres gleichen)</label>
    <p>Nach der klassischen christlichen Trinitätslehre – wie man sie etwa im
                        athanasischen Glaubensbekenntnis findet – handelt es sich bei Vater, Sohn
                        und Heiligem Geist zwar um drei Personen (oder Subjekte), jedoch nur um ein
                        Wesen mit einer einzigen göttlichen Natur oder Substanz. Semler spielt hier
                        darauf an, dass dem Ausdruck „persona“ vor den trinitätstheologischen
                        Debatten der Spätantike im Alltag keinerlei wichtige Funktion zukam – er
                        bezeichnete ursprünglich Masken, die Schauspieler auf der Bühne trugen. Auch
                        bei „subjectum“ handelt es sich um einen spätlateinischen <hi>terminus
                            technicus</hi> ohne Entsprechung in der damaligen
                    Umgangssprache.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_47"><label>Hunnii
                        epitomen credendorum</label>
    <p>Nikolaus Hunnius (1585–1643), lutherischer Theologe, u.a. Professor in
                        Wittenberg, ab 1623 Pastor, ein Jahr später auch Superintendent in Lübeck.
                        Sein dickleibiges Werk <hi>Epitome credendorum, oder kurtzer Inhalt
                            christlicher Lehre: so viel einem Christen darvon zu seiner Seelen
                            Seligkeit zu wissen und zu gläuben hochnötig und nützlich ist</hi>
                        (1625) gilt als erste populäre Dogmatik deutscher Sprache. Semler bezieht
                        sich auf folgende Passage (zitiert nach <hi rend="superscript">3</hi>1633,
                        72f. [§ 88]): „Dieweil aber diese art zu reden (<hi>von der H.
                            Dreyfaltigceit/ oder von den dreyen Personen in Gott/</hi>) in der H.
                        Schrifft nicht zu finden ist/ sondern man hat sie in der alten/ Kirchen zu
                        widerlegung Arii und anderer Ketzer gebrauchen müssen/ ist niemand
                        darangebunden/ d[a]z er eben dieselbe gebrauche/ und sich selber peinige/
                        wie er das Wort/ <hi>Person</hi>/ eigentlich verstehen sol/ oder/ wie das
                        zugehe/ daß ein Göttlichs Wesen sey/ unnd doch drey Personen in demselben zu
                        gleuben“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_48"><label>Lehrsätze
                        schaden der Gottseligkeit [...] sind Quelle des Unglaubens</label>
    <p>Bearbeitetes Zitat a10, vgl. <ref target="#bs_b_page_12">b12.</ref><ref target="#bs_b_page_21">21</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_48a"><label>medius
                        terminus</label>
    <p>Bezeichnung aus der Syllogistik. Der Mittelbegriff (<hi>terminus medius</hi>)
                        ist der Begriff, aus dem „die Verbindung des Subjectes und Prädicates mit
                        dem Schlußsatze erweislich ist, und welchen die beyden Vordersätze mit
                        einander gemein haben“ (Adelung 3, 1798, 244). In dem Schluss – 1. Alle
                        Lebewesen sterben. 2. Alle Menschen sind Lebewesen. 3. Also: Alle Menschen
                        sterben. – fungiert „Lebewesen“ als Mittelbegriff. Worauf Semler mit der
                        Verwendung des Ausdrucks im Text hinauswill, ist unklar.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_49"><label>mit solcher
                        Klugheit abgesondert habe, daß es das Volk nicht gemerket</label>
    <p>Polemische Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_11">a11</ref>, vgl. das
                        nächste von Semler als solches gekennzeichnete Zitat im Text.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_50"><label>Homousios</label>
    <p>Das für fast alle heutigen großen Kirchen verbindliche Konzil von Nicäa (325)
                        bekannte sich zu der Auffassung, dass Vater und Sohn wesensgleich
                        (homousios; <foreign xml:lang="grc">ὁμοούσιος</foreign>) seien, und
                        verurteilte den Arianismus (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_36"/>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_51"><label>Erasmus</label>
    <p>Desiderius Erasmus von Rotterdam (1467–1536) gilt als Hauptvertreter des
                        Renaissance-Humanismus. Seine Schriften, darunter auch eine kritische
                        Edition des Neuen Testaments (<hi>Novum Testamentum omne</hi>, 1516), später
                        oft als „textus receptus“ bezeichnet, fanden bei den frühen Vertretern der
                        Reformation zahlreiche Bewunderer (Bucer, Melanchthon, Zwingli u.a.).
                        Erasmus, der sich durch umfassende klassische Bildung, geistreiche Rhetorik
                        und irenisch-moderate Haltung auszeichnete, blieb jedoch der römischen
                        Kirche treu, in der Schrift <hi>De libero arbitrio</hi> (1524) distanzierte
                        er sich von Luther. Während der Aufklärung (Spinoza, Bayle, Voltaire u.a.)
                        erneuerte sich das Interesse an seinem Werk. – In seiner Thomas Morus
                        gewidmeten berühmtesten Schrift <hi>Moriae Encomium</hi> (1511; <hi>Lob der
                            Torheit</hi>) kritisierte Erasmus im Gewande der Parodie die Anmaßungen
                        der Theologen: „Keine Taufe, kein Evangelium, kein Paulus oder Petrus, kein
                        Hieronymus oder Augustin, ja selbst nicht der Oberaristotelicus Thomas
                        vermag noch einen Menschen zum Christen zu machen, wenn nicht der hohe Rat
                        der Bakkalaren dazu Amen sagt“ (Übers. Alfred Hartmann).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_52"><label>die
                        Walenburche</label>
    <p>Die Brüder Adrian (1609–1669) und Peter (1610–1675) van Walenburch waren
                        katholische Kontroverstheologen und zeitweilig Kölner Weihbischöfe. Zusammen
                        mit Leibniz bemühten sie sich um eine irenische Annäherung der Konfessionen.
                        Sie standen unter großem Einfluss des französischen Jesuiten François Véron
                        (1575–1649) und dessen 1645 verfassten Traktats <hi>Secretio eorum quae sunt
                            de fide catholica ab iis quae non sunt de fide</hi>, vgl. <ref target="#bs_b_page_32">b32</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_53"><label>„Folglich
                        bin ich auch noch nie [...] in den Volksunterricht gehören etc.“</label>
    <p>Zitat a11.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_54"><label>„Welches
                        [...] angenommen etc.“</label>
    <p>Zitat aus Schauroth (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_n_3"/>),
                    708.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_55"><label>„sie hat
                        schädliche, irrige, in der Schrift nicht gegründete Lehrsätze, von Erbsünde
                        etc.[“]</label>
    <p>Es handelt sich um kein Zitat, sondern um eine kompilierte Paraphrase von
                        Passagen aus <ref target="#bs_a_page_10">a10</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_56"><label>in der so
                        großen Feierlichkeit 1530</label>
    <p>Das <hi>Augsburger Bekenntnis</hi> wurde 1530 dem Kaiser auf dem Reichstag
                        überreicht.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_57"><label>rechne
                        ich</label>
    <p>Zitat a10.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_58"><label>Bossuet</label>
    <p>Jacques Bénigne Bossuet (1627–1704), Bischof von Condom (1669) und ab 1682
                        von Meaux, Prinzenerzieher am französischen Hof, seit 1671 Mitglied der
                        Académie Française. 1690 war Bossuet Briefpartner von Leibniz und Molanus
                        während der irenischen Gespräche zur Annäherung der Konfessionen. In diesem
                        Zusammenhang verfasste er u.a. <hi>Explicatio ulterior methodi reunionis
                            Ecclesiasticae</hi>, postum veröffentlicht in <hi>Oeuvres</hi> XIV
                        (1767), 309–325.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_59"><label>Abt
                        Molanus</label>
    <p>Gerhard Wolter Molanus (1633–1722), evangelischer Theologe, Schüler Georg
                        Calixts (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_9_3"/>), war zunächst
                        Professor für Mathematik und Theologie in Rinteln, ab 1677 Abt des Klosters
                        Loccum. Zu seinen Bemühungen um eine Wiedervereinigung der Kirchen vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_11"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_60"><label>jene nanten
                        es secretionem, dieser Bischof explicationem</label>
    <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_52"/> (Walenburche) und <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_58"/> (Bossuet).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_61"><label>Erbsünde
                        [...] Gottheit Christi und des heiligen Geistes</label>
    <p>Vgl. Bahrdts Aufzählung <ref target="#bs_a_page_10">a10</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_62"><label>„fest
                        überzeugt [...] vorzutragen wissen.“</label>
    <p>Zitat a11.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_63"><label>mit
                        besondrer Klugheit und Vorsicht [...] zu vereinigen gesucht</label>
    <p>Leicht verändertes Zitat a11, vgl. <ref target="#bs_b_page_29">b29</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_64"><label>„daß
                        folglich [...] werden kan“</label><p>Zitat a11.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_65"><label>der reinen
                        Christusreligion (ein neuer Ausdruck)</label>
    <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_24"/>. In Semlers Bemerkung kommt
                        ein nicht nur im 18. Jh. weit verbreitetes Misstrauen gegenüber neuen
                        Begriffen und Neuerungen zum Ausdruck, dem auch die Neologie selbst ihre
                        zunächst abschätzig gemeinte Fremdbezeichnung verdankt. Vgl. Zedler,
                            <hi>Universal-Lexicon</hi> 24 (1740), 128, unter dem Stichwort
                        „Neuerung“: „Es giebt Leute, die sehr dazu geneigt sind, und entweder aus
                        einer wollüstigen Unbeständigkeit, oder aus Ehrgeitz immer was neues oder
                        besonderes haben wollen.“</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_66"><label>„Ich muß es
                        [...] ansehe.“</label>
    <p>Zitat a12.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_67"><label>den alten
                        öcumenischen oder gemeinen Symbolis der 4 ersten Jahrhunderte</label>
    <p>Gemeint sind die für Christen bis heute allgemein gültigen
                        Glaubensbekenntnisse (lat. <hi>symbola</hi>), die vor allem auf den
                        Konzilien von Nicäa (325) und Konstantinopel (381) formuliert
                    wurden.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_68"><label>universelle
                        Religionsform</label>
    <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_24">a24</ref> („allgemeine
                        Verbrüderung aller Religionspartheyen“).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_69"><label>Lügner oder
                        Heuchler</label>
    <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_9">a9</ref>, vgl. <ref target="#bs_b_page_12">b12</ref> und <ref target="#bs_b_page_23">b23</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_70"><label>Kirchen des
                        Orients</label>
    <p>Gemeint sind die orientalisch-orthodoxen Kirchen, die sich nach dem Konzil
                        von Chalcedon (451) von der byzantinischen Kirche abspalteten – darunter die
                        armenische, die koptische und die syrisch-orthodoxe Kirche –, sowie die
                        (nestorianische) assyrische Kirche. Diese Glaubensgemeinschaften nehmen,
                        ähnlich den orthodoxen Kirchen Osteuropas, zwar an, dass die Menschheit
                        unter den Folgen der Sünde Adams leidet (v.a. dem natürlichen Tod),
                        bestreiten aber eine damit verbundene „ererbte“ oder „zurechenbare“ Schuld
                        (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_36"/>).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_71"><label>Begrif von
                        Erbsünde, [...] von traduce, wie Augustinus sie am ersten so bestimt hat,
                        für seine Mitglieder im africanischen Lehramte</label>
    <p>Im Jahre 418 trafen sich über 200 Bischöfe der nordafrikanischen römischen
                        Provinzen <hi>Africa</hi> und <hi>Numidia</hi> zu einer Synode in Karthago,
                        unter ihnen auch Augustinus (354–430), der Bischof von Hippo (im heutigen
                        Algerien) war. Dem Wortführer Augustinus folgend, verurteilte die
                        Versammlung den Pelagianismus (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_2_12"/>). Kurz darauf verfasste Augustinus die Schrift
                            <hi>De gratia Christi et de peccato originali</hi>, in der sich u.a.
                        auch die Phrasen „de traduce peccati“ und „peccatum ex traduce“ (Sünde durch
                        Übertragung) finden. Die augustinische Verwendung dieser Ausdrücke ist
                        allerdings älter und erstmals bereits für das Jahr 397 nachzuweisen: <hi>De
                            diversis quaestionibus ad Simplicianum</hi> I, 2.20. Vgl. zur Erbsünde
                        auch <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_36"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_72"><label>nicht als
                        allein seligmachende Wahrheit</label>
    <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_12">a12</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_73"><label>die auf
                        ihren Posseß trotzende Geistlichkeit, [...] aufdringen wolle</label>
    <p>Zitat a12. Semler verbessert von „die“ zu „der Welt“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_74"><label>kan sich
                        zur römischen Kirche begeben, und umgekehrt</label>
    <p>Erneute Anspielung auf das reichsrechtliche <hi>ius emigrandi</hi>, das dem
                        einzelnen Untertan das Recht zusicherte, aus Glaubensgründen in ein anderes
                        Territorium des Reichs auszuwandern.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_75"><label>Logus,
                        Monogenes, Erstgeborner aller nachher geschaffenen Dinge</label>
    <p>Zu der in der Theologiegeschichte vielfältig interpretierten Auffassung, dass
                        das mit Gott (wesensmäßig) identische „Wort“ (gr. <foreign xml:lang="grc">λόγος</foreign>; Joh 1,1) in der Person Jesu Fleisch geworden sei (Joh
                        1,14), vgl. z.B. auch <ref target="#bs_b_page_5">b5</ref>.<ref target="#bs_b_page_27">27–29</ref>. Der griechische Ausdruck „Monogenes“
                            (<foreign xml:lang="grc">μονογενὴς</foreign>) bezeichnet etwas, das
                        einzig in seiner jeweiligen Art ist. Im Johannesevangelium und im 1.
                        Johannesbrief wird das Wort in Verbindung mit „Gottes Sohn“ auf Jesus
                        angewandt (Joh 1,14; 3,16.18; 1Joh 4,19). Luther übersetzt „eingeboren“. Die
                        Bezeichnung „Erstgeborner aller Schöpfung“ (<foreign xml:lang="grc">πρωτότοκος πάσης κτίσεως</foreign>) entstammt Kol 1,15; vgl. aber
                        ähnliche Formulierungen in Röm 8,29; Kol 1,18; Hebr 1,6 und Offb 1,5.
                        Gemeint ist mit dem Ausdruck, anders als Semlers Formulierung suggeriert
                        (vgl. <ref target="#bs_f_page_228">f228</ref>), wohl nicht eine zeitliche
                        (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_5_2"/>), sondern eine rangmäßige
                        Ausnahmestellung Christi.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_76"><label>als die
                        Quelle eines doppelten Uebels</label>
    <p>Zitat a12, Hervorhebung von Semler.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_77"><label>„Einmal
                        empören [...] ganze Religion verwarf.“</label>
    <p>Zitat a12, wie oben verbessert Semler von „die“ zu „der Welt“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_78"><label>peccato
                        originali</label>
    <p><hi>Peccatum originale</hi>; Erbsünde.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_79"><label>ad
                        secundarios articulos</label>
    <p>Gemeint ist die in der protestantischen Theologie gängige Hierarchisierung
                        der Glaubenssätze in Fundamentalartikel und Nebenartikel (Adiaphora). Unter
                        sekundäre Fundamentalartikel (<hi>articuli fundamentales secundarii</hi>)
                        fallen alle Glaubenssätze, die zwar vom Gläubigen nicht notwendig gekannt
                        werden müssen, jedoch auf keinen Fall bewusst geleugnet werden dürfen. Vgl.
                        dazu Semlers Erläuterungen in Baumgarten, <hi>Glaubenslehre</hi> II (1760),
                        477.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_80"><label>Scholastikern</label>
    <p>Der Begriff steht hier für alle mittelalterlichen und somit
                        vorreformatorischen Gelehrten.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_81"><label>zu
                        Worms</label>
    <p>Gemeint ist das Religionsgespräch zwischen katholischen und evangelischen
                        Reichsständen, das 1541 in Worms stattfand.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_82"><label>augspurgischen Confession und ihrer Apologie</label>
    <p>Auf die Übergabe des <hi>Augsburger Bekenntnisses</hi> auf dem Reichstag
                        (1530) reagierte die katholische Seite umgehend mit der Abfassung einer
                        Widerlegung (<hi>Confutatio</hi>), die auf dem Reichstag verlesen wurde. Die
                        evangelischen Reichsstände ließen daraufhin eine <hi>Apologie</hi> des
                            <hi>Augsburger Bekenntnisses</hi> (AC)<!-- Kursivierung sic? -->
                        erstellen, die in unterschiedlichen Fassungen vorliegt und hauptsächlich von
                        Melanchthon verfasst wurde. Sie fand 1580 Einzug ins <hi>Konkordienbuch</hi>
                        und gehört zum Kernbestand lutherischer Konfessionsschriften.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_83"><label>„daher man
                        jene Lehrsätze [...] Mittel gesteuret wird.“</label>
    <p>Zitat a12f.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_84"><label>Gewissensfreiheit [...] Religionsreforme</label>
    <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_23">a23f.</ref></p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_85"><label>Lehrsätze,
                        von Erbsünde, [...] und des heiligen Geistes</label>
    <p>Vgl. erneut Bahrdts Aufzählung <ref target="#bs_a_page_10">a10</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_86"><label>Pythagoras,
                        Cicero, Seneca, Antonin, Epictet, Arrian</label>
    <p>Pythagoras von Samos (6. Jh. v. Chr.), antiker Philosoph und Schulgründer,
                        von dem nur wenige Fragmente überliefert sind. Semler dürfte vor allem an
                        die „Goldenen Verse“ (1775 von Johann Wilhelm Ludwig Gleim übersetzt und als
                            <hi>Goldene Sprüche</hi> herausgegeben) denken, in Hexameterform
                        gebrachte pythagoreische Lebensweisheiten aus dem 5. vorchristlichen Jh. –
                        Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), römischer Politiker, Redner und
                        Philosoph, der nicht nur als stilistisches Vorbild, sondern auch als Ethiker
                        und natürlicher Theologe sowie Verteidiger der römischen Republik geschätzt
                        wurde. – Lucius Annaeus Seneca (vor 1 v. Chr.–65 n. Chr.), stoischer
                        Philosoph, Dramatiker und politischer Berater Kaiser Neros. In erster Linie
                        diskutiert wurden die ethischen Schriften, bemerkenswert ist Senecas Analyse
                        von Emotionen (v.a. der des Zorns) und seine kritische Haltung gegenüber der
                        Sklaverei. – Mit „Antonin“ ist der römische Kaiser und letzte bedeutende
                        stoische Philosoph der Antike, Marcus Aurelius Antoninus (121–180; Mark
                        Aurel), gemeint. Seine <hi>Selbstbetrachtungen</hi> fanden u.a. die
                        Bewunderung Friedrichs des Großen. – Zu Epiktet vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_18"/>. – Arrian (um 89–nach 146) trat vor allem als
                        Herausgeber von Vorlesungen seines Lehrers Epiktet sowie als Historiker des
                        Alexanderfeldzugs hervor.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_87"><label>2 Petri
                        1,5</label>
    <p>Semler paraphrasiert in der Textpassage unmittelbar zuvor auch die beiden
                        folgenden Verse, so dass es heißen sollte: „2Petr 1,5–7“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_88"><label>Früchte des
                        Geistes</label>
    <p>Anspielung auf Gal 5,16–26.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_89"><label>Seinen
                        Geist [...] Verstand regier</label>
    <p>Auszüge aus im Luthertum beliebten Kirchenliedern: vier Zeilen aus der
                        vierten Strophe von „Solt ich meinem Gott nicht singen?“ (Paul Gerhardt,
                        1653) sowie zwei Zeilen aus der 2. Strophe von „Dir, dir Jehovah will ich
                        singen“ (Bartholomäus Crasselius, 1695).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_90"><label>eine Quelle
                        des Unglaubens –</label>
    <p>Zitat a10.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_91"><label>neue
                        Nationalreligionsformen</label>
    <p>Semler hält weder eine konfessionelle Wiedervereinigung aller deutschen
                        Christen noch – allein angesichts der Sprachbarriere – eine übernationale
                        Vereinigung für möglich. Neu wären die von ihm insinuierten
                        Nationalreligionsformen im Vergleich etwa zu der „alten“ anglikanischen oder
                        gallikanischen „Nationalkirche“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_92"><label>Ich
                        behaupte also [...] es giebt kein Urchristentum</label>
    <p>Reaktion auf das von Johann Bernhard Basedow (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_14"/>) 1780 anonym publizierte Werk <hi>Vorschlag an
                            die Selbstdenker des 19ten Jahrhunderts zum Frieden zwischen dem
                            wohlverstandnen Urchristenthume und der wohlgesinnten Vernunft</hi>.
                        Semler war die Schrift, ihrem Titel und Inhalt nach, bereits im März 1779
                        bekannt, vgl. seine <hi>Beantwortung der Fragmente eines Ungenanten
                            insbesondere vom Zweck Jesu und seiner Jünger</hi> (1779), Vorrede [8].
                        Der normativ aufgeladene Ausdruck „Urchristentum“ wurde von Basedow in die
                        zeitgenössische Debatte eingeführt, findet sich aber schon bei Johann
                        Gottfried Herder, <hi>Briefe zweener Brüder Jesu in unserm Kanon</hi>
                        (1775), 54. </p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_93"><label>„Und eben
                        so gewis [...] Gottseligkeit schaden.“</label><p>Zitat a13.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_94"><label>Haben wir
                        [...] ein kurzes blödes Gesicht [...]?</label>
    <p>D.i. „Sind wir kurzsichtig [...]?“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_95"><label>„Denn so
                        bald man die Menschen überredet, [...] Feind GOttes ist.“</label>
    <p>Fortsetzung des Zitats einige Zeilen zuvor, a13.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_96"><label>Hebraismi</label>
    <p>Bildliche Sprachwendungen, die aus dem biblischen Hebräisch in die deutsche
                        Sprache übernommen wurden. Für den von Bahrdt gebrauchten und von Semler als
                        solchen ausgewiesenen Hebraismus „von Mutterleibe an“ (<ref target="#bs_a_page_13">a13</ref>), vgl. etwa Ps 71,6 oder Jes
                    49,1.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_97"><label>Morbus,
                        vitium originis ist es recht gut lateinisch beschrieben; in der
                        Confession</label>
    <p>Zitat aus dem zweiten Artikel über die Erbsünde aus der lateinischen Fassung
                        der <hi>Confessio Augustana</hi> (BSLK 53).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_98"><label>„Daß er zur
                        Befreiung von diesem Elende [...] dazu erflehen müsse.“</label>
    <p>Zitat a13.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_99"><label>In eben dem
                        2ten Artikel [...] coram Deo iustificari posse</label>
    <p>Zitat aus dem zweiten Artikel über die Erbsünde aus der lateinischen Fassung
                        der <hi>Confessio Augustana</hi> (BSLK 53).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_100"><label>s. die
                        Apologie</label>
    <p>Die Formulierung findet sich im zweiten Artikel der <hi>Apologie</hi> (BSLK
                        150, vgl. auch 174).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_101"><label>extenuationem gloriae meriti et beneficiorum Christi</label>
    <p>Zitat aus dem zweiten Artikel der lateinischen <hi>Confessio Augustana</hi>
                        (BSLK 53).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_102"><label>und nun
                        Artic. 5. folget</label>
    <p>Teils Zitat, teils Paraphrase aus der deutschen Fassung des fünften Artikels
                        des <hi>Augsburger Bekenntnisses</hi> (BSLK 58).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_103"><label>„Daß GOtt
                        auch auf alle gute Werke des Menschen [...] Tugend des Geopferten.“</label>
    <p>Zitat a14.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_104"><label><foreign xml:lang="grc">ποιον ἐπος σεον ἐφυγεν ἑρκος ὀδοντων</foreign></label>
    <p><foreign xml:lang="grc">ποῖόν σε ἔπος φύγεν ἕρκος ὀδόντων</foreign> (Welch
                        Wort entfloh deinem Munde? [wörtlich: „dem Gehege Deiner Zähne“]), bei Homer
                        anzutreffende Redewendung; z.B. Hom. Od. I 64.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_105"><label>Lehrart
                        der Mystiker</label>
    <p>Gemeint ist die von einigen mystischen Autoren geforderte „Gelassenheit“ und
                        Auslöschung des eigenen Willens des Gläubigen auf dem Weg der erstrebten
                        Vereinigung mit Gott.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_106"><label><foreign xml:lang="grc">ρημα φορτικον</foreign></label>
    <p>Dt. in etwa „plumpes/aufdringliches/aggressives Wort“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_107"><label>nexum
                        physicum zwischen dem physischen Tode JEsu, und den moralischen
                        Gütern</label>
    <p>Semler will hier betonen, dass zwischen dem Tod Jesu und der Besserung der
                        Menschen kein <hi>physischer Kausalzusammenhang</hi> besteht – wie bei den
                        Bahnen sich anstoßender Billardbälle o.Ä. Vgl. dazu ausführlicher <ptr type="page-ref" target="#erl_b_6_9"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_108"><label>Quellen
                        des Unglaubens</label>
    <p>Anspielung auf a10.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_109"><label>Reforme</label>
    <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_23">a23</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_110"><label>Aus des
                        Hrn. Verfassers Historie und Betragen</label>
    <p>Semler spielt auf Bahrdts Gewohnheit an, beim Auftreten von Schwierigkeiten
                        fluchtartig den Ort seiner jeweiligen Tätigkeit zu verlassen. Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_140"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_111"><label>„so ists
                        unmöglich [...] stehen.“</label>
    <p>Zitat a14.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_112"><label>tridentinischen Catechismus</label>
    <p>Der im Anschluss an das Trienter Konzil (1545–1563) formulierte <hi>Römische
                            Katechismus</hi> wird hier als katholisches Pendant zum evangelischen
                            <hi>Augsburger Bekenntnis</hi> genannt.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_113"><label>„Das Herz
                        wird unvermeidlich [...] kalt.“</label>
    <p>Paraphrase a14.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_114"><label>„Das
                        heutige Christentum hat [...] verloren.“</label>
    <p>Leicht verändertes Zitat a14.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_115"><label>video
                        meliora, proboque, deteriora sequor</label>
    <p>Redewendung aus Ovids <hi>Metamorphosen</hi> (met. VII 20f.), deutsch in
                        etwa: „Ich sehe das Bessere, erkenne es an und folge [doch] dem
                        Schlechteren.“ Ovid und Semler wenden sich gegen die u.a. von Platon (vgl.
                        Prot. 358b–c; auch 345d–e, 355a–b, 357d) vertretene Auffassung, ein Akt der
                        Willensschwäche (gr. <foreign xml:lang="grc">ἀκρασία</foreign>) sei
                        begrifflich ausgeschlossen. Es komme – gegen Platon – durchaus vor, dass
                        jemand eine bestimmte Tat für die bestmögliche Handlung halte, aber
                        gleichwohl wider besseres Wissen und aus freien Stücken die schlechtere
                        Alternative wähle.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_116"><label>„Ach
                        allergnädigster Kaiser [...] was für Siege“ –</label>
    <p>Zitat a14f .</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_117"><label>Grönland,
                        St. Thomas</label>
    <p>Der Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf
                        (1700–1760) nutzte seine verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kopenhagener
                        Königshaus, um Missionare in die dänischen Kolonien zu schicken. Im Dezember
                        1732 landeten die ersten Herrnhuter auf der Karibikinsel St. Thomas (heute
                        Teil der Amerikanischen Jungferninseln). 1733 errichtete die Brüdergemeine
                        im westgrönländischen Godthåb (heute: Nuuk) eine Missionsstation, die bis
                        ins Jahr 1900 bestand.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_118"><label>den
                        schmalen Weg</label>
    <p>Anspielung auf Mt 7,14.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_119"><label>„Das
                        Evangelium [...] gefüret würde.“</label>
    <p>Zitat mit Auslassungen a14f.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_120"><label>Wie lange
                        ist schon Theologie [...] von Religion unterschieden worden</label>
    <p>Die emphatische Unterscheidung zwischen der für alle Zeiten und Menschen
                        stets gleichen – wenn auch in ihren <hi>äußeren</hi> „localen“ Formen (vgl.
                            <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_16"/>) durchaus variablen –
                        christlichen Religion (oder „Heilsordnung“) und der steten Wandlungen
                        unterworfenen Theologie der Gelehrten durchzieht viele Schriften Semlers.
                        Sie ist eine der wichtigsten Konstanten seines Denkens. Mit großem Furor und
                        einprägsamen Formulierungen macht Semler den Unterschied deutlich in seiner
                        „Antwort auf die Recension von meiner Institutio ad theol. dogmaticam [d.i.
                            <hi>Institutio ad doctrinam Christianam liberaliter discendam</hi>], in
                        der noua bibliotheca Ecclesiastica Friburgensi“, in: <hi>[A]usfürliche
                            Erklärung über einige neue theologische Aufgaben, Censuren und
                            Klagen</hi> (1777), 137–264, z.B. 245–253.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_121"><label>Lehre vom
                        Abendmal</label>
    <p>Semler nennt mit der Abendmahlslehre einen Hauptstreitpunkt zwischen den
                        unterschiedlichen christlichen Konfessionen.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_122"><label>Ich sehe
                        hier auf die wahre ehrliche Kirchenhistorie</label>
    <p>Semler konnte als Schüler des Hallenser Theologen Siegmund Jacob Baumgarten
                        (1706–1757) für sich eine solide Kompetenz in Sachen Kirchengeschichte
                        beanspruchen, die er durch eigene Publikationen und Herausgeberschaften
                        seines Lehrers Baumgarten unter Beweis gestellt hatte; vgl. etwa <hi>D.
                            Siegmund Jacob Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen</hi> (1766)
                        oder <hi>Versuch eines fruchtbaren Auszugs der Kirchen-Geschichte</hi>, 3
                        Bde. (1773–1778).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_123"><label>ich weis
                        kein reines Gold</label>
    <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_15">a15</ref>, vgl. das nächste von
                        Semler als solches gekennzeichnete Zitat im Text.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_124"><label>„O möchten
                        doch [...] herauszufinden.“</label>
    <p>Zitat a15.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_125"><label>„Möchte
                        unter allerhöchstdero Regierung [...] schwören.“</label>
    <p>Zitat a15f.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_126"><label>Christen
                        solten in den Rechten des Staats und der Menschheit geschützt werden</label>
    <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_16">a16</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_127"><label>geheimen
                        Staatsräthen</label>
    <p>Ein für die Frühe Neuzeit typisches Amt, um den regierenden Fürsten
                        vertraulich („geheim“) in politischen Angelegenheiten zu beraten. Im Verlauf
                        des 18. Jh.s setzte es sich immer mehr durch, bevorzugt Juristen zu Räten zu
                        ernennen.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_128"><label>Christusreligion [...] unabsehlicher Systemwust</label>
    <p>Anspielung auf a15, vgl. <ref target="#bs_b_page_61">b61</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_129"><label>römische
                        Catechismus</label>
    <p>Andere Bezeichnung für den <hi>Tridentinischen Katechismus</hi>, s. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_112"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_130"><label>ohne
                        gezwungen zu seyn, sich Kefisch oder Paulisch, „oder Papisch [...] zu
                        nennen.“</label>
    <p>Zitat a16.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_131"><label>Zwinglische</label>
    <p>Anhänger des oberdeutschen Reformators Huldrych Zwingli (1484–1531), der
                        hauptsächlich in Zürich gewirkt hatte.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_132"><label>Altkatholische</label>
    <p>Gemeint sind Altgläubige, die während und nach der Reformation bei der
                        römischen Kirche verblieben sind. Zeitgenössisch konnten mit
                        „Altkatholischen“ auch niederländische Altkatholiken bezeichnet
                    werden.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_133"><label>Abt
                        Molanus</label>
    <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_59"/> und <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_11"/>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_134"><label><foreign xml:lang="grc">μετα πολλης φαντασιας</foreign></label>
    <p>Zitat Apg 25,23: „mit großem Gepränge“.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_135"><label>„und auf
                        Menschenwort zu schwören.“</label>
    <p>Zitat a16.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_136"><label>kaiserliche Wahlcapitulation</label>
    <p>Wichtiges Dokument im Vorfeld einer römisch-deutschen Kaiserwahl. In seiner
                        Wahlkapitulation verpflichtete sich der Kandidat im Falle seiner Wahl zur
                        Umsetzung bestimmter vorher ausgehandelter Vereinbarungen.
                        Wahlkapitulationen wurden schriftlich niedergelegt und beeidet.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_136a"><label>Mikrologie</label>
    <p>D.i. Kleingeistigkeit.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_137"><label>„möchten
                        doch Allerhöchdieselben [...] blicken.“</label>
    <p>Zitat a16.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_138"><label>manche
                        Zeitgenossen zu hart [...] von der Absicht dieser Uebersetzung
                        urtheileten</label>
    <p>Prominente Kritik kam von zwei ganz verschiedenen Seiten: Der streitbare
                        Hamburger Hauptpastor und Verteidiger der Orthodoxie Johann Melchior Goeze
                        (1717–1786) veröffentlichte 1773 die unmissverständlich betitelte Schrift:
                            <hi>Beweis, daß die Bahrdtische Verdeutschung des Neuen Testaments keine
                            Uebersetzung, sondern eine vorsetzliche Verfälschung und frevelhafte
                            Schändung der Worte des lebendigen Gottes sey</hi>; vgl. § 14 der
                        dortigen Einleitung für eine Übersicht der Vorwürfe. Johann Wolfgang von
                        Goethe (1749–1832) verspottete die in seinen Augen stutzerhafte und
                        neumodisch-glättende Übersetzung in der satirischen Szene <hi>Prolog zu den
                            neusten Offenbarungen Gottes[,] verdeutscht durch Dr. Carl Friedrich
                            Bahrdt</hi> (1774). Ähnliche Kritik kam von Herder (<hi>Sämmtliche
                            Werke</hi> 5, 1891, 268). Bahrdts Übertragung hatte allerdings auch
                        bekannte Fürsprecher, etwa in Lavater, Lessing und Wieland.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_139"><label>so war es
                        doch noch keine Verfolgung</label>
    <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_15">a15</ref>, vgl. <ref target="#bs_b_page_V">b[V]</ref>.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_0_140"><label>Leipzig,
                        Erfurt, Giessen, (wohin ich ihn selbst durch Empfelung auf eine Anfrage aus
                        Darmstadt, hatte bringen helfen,) in Marschlins</label>
    <p>Semler zählt hier die verschiedenen beruflichen Stationen seines Gegners auf,
                        um zu unterstreichen, dass für die häufigen Ortswechsel weniger die
                        Theologie als vielmehr die Persönlichkeit Bahrdts verantwortlich gewesen
                        sei: Leipzig musste er 1768 wegen des Skandals um eine schwangere
                        Prostituierte verlassen (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_16a"/>).
                        1768–1771 war Bahrdt Professor in Erfurt, 1771–1775 in Gießen, an beiden
                        Orten verstrickte er sich in Fehden mit seinen Kollegen. Anders als Semler
                        suggeriert, waren hierfür allerdings Lehrstreitigkeiten hauptursächlich
                        (vgl. auch <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_22"/>). Ab Juni 1775 stand
                        Bahrdt dem Philanthropinum in Marschlins (Graubünden) als Direktor vor, gab
                        die Stelle aber nach nur einem Jahr wegen Querelen mit dem „Fürsorger“ und
                        Mäzen der Schule, Ulysses von Salis-Marschlins (1728–1800), wieder auf. –
                        Ein Schreiben Semlers an die Regierung der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt,
                        in dem er Bahrdt für eine Anstellung in Gießen „ohnerachtet mancher aus
                        Leipzig entlenter Erzälungen“ wärmstens empfiehlt, ist abgedruckt in Paul
                        Drews: Das Eindringen der Aufklärung in der Universität Gießen,
                            <hi>Preußische Jahrbücher</hi> 130 (1907), 35–59; 42f.</p></note>
  <div type="section">
    <head>1.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_1_1"/><quote corresp="#quote_bs_a16_4"><hi>Ich glaube, daß ich und alle Menschen
                                Sünder sind, welche der Gnade und Erbarmung GOttes bedürfen. Daß
                                aber dieses, (daß wir Sünder sind) uns angebohren sey und daß alle
                                Menschen mit der Neigung zu allem Bösen auf die Welt kommen, daran
                                zweifle ich. Vielmehr scheinen mir die Menschen an ihrem Verderben
                                selbst Schuld zu haben. Denn ich bemerke in ihnen von Natur so viel
                                herrliche Anlagen zur</hi>
        <choice>
          <sic><hi>Tugeud</hi></sic>
          <corr type="editorial"><hi>Tugend</hi></corr>
        </choice><hi>, so viel angebohrne, edle Gefühle und Neigungen, daß
                                vielleicht nur eine andere Erziehungsmethode und von Tyranney und
                                Luxus mehr entfernte Lebensart nöthig wäre, um der Menschheit ihre
                                ursprüngliche Güte wiederzugeben.</hi></quote></p>
    <p>Hierbey merke ich an, 1) daß der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> weder mir noch irgend einem Leser
                        der heiligen Schrift, vorschreiben kan, <hi>was</hi> wir, durch ihren
                        Unterricht und Wirkung, von uns sagen und bejahen, wenn wir gegen GOtt das
                        Bekentnis thun, o GOtt <hi>wir sind</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Sünder</term>
      </index><hi>Sünder</hi> vor dir! dieses Bekentnis begreift eine unzälige
                            <hi>Verschiedenheit</hi> des <index indexName="subjects-index">
        <term>Verschiedenheit des moralischen Zustands</term>
      </index><hi>moralischen</hi> Zustandes, wovon einer mehr der andre weniger
                        lebhafte starke Vorstellung hat. 2) Es stehet ihm frey, <hi>daran zu
                            zweifeln</hi>, ob uns diese <index indexName="subjects-index">
        <term>Negation, moralische</term>
      </index><hi>moralische Negation</hi>, und eine vorzügliche Leichtigkeit und
                        Neigung zum Bösen, angeboren heissen könne; wie es uns frey stehet, es zu
                            <hi>bejahen</hi>. Wir sehen aber den grossen <hi>Unterschied</hi> der
                        Rede; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_1_2"/><quote corresp="#quote_bs_a10_4">die Lehre von <index indexName="subjects-index">
          <term>Erbsünde</term>
        </index><hi>Erbsünde</hi>
        <choice>
          <abbr>etc.</abbr>
          <expan>et cetera</expan>
        </choice></quote>
      <pb xml:id="bs_b_page_70" n="70" edRef="#b"/>
      <choice>
        <abbr>S.</abbr>
        <expan>Seite</expan>
      </choice>
      <ref target="#bs_a_page_10">10.</ref>
      <hi>gehöret geradehin</hi> unter solche <quote corresp="#quote_bs_a10_1">Lehrsätze, die weder in der <index indexName="subjects-index">
          <term>Schrift</term>
        </index>Schrift noch in der <index indexName="subjects-index">
          <term>Vernunft</term>
        </index>Vernunft einigen Grund haben, und theils der Gottseligkeit
                            schaden, theils die Quelle des <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Unglaubens – bey Tausenden sind</quote>. <hi>Hier sagt er
                            nur</hi> so viel: ich <hi>zweifle daran</hi>, ob es eine Erbsünde giebt.
                        Ist dis <hi>einerley</hi> Rede? Wenn er blos <hi>zweifelte</hi>, wo kam das
                        Recht her, jenes zu schreiben? durfte er jenes schreiben, wie wil er dis
                        blos <hi>seinen Zweifel</hi> nennen! 3) Alle Theologi aller Parteien lehren,
                        daß alle Menschen an ihrem (<hi>wirklichen</hi>) Verderben selbst <index indexName="subjects-index">
        <term>Schuld</term>
      </index>Schuld sind, nicht aber die Erbsünde ohne sie; daß diese <index indexName="subjects-index">
        <term>Zerrüttung, natürliche moralische</term>
      </index>natürliche moralische Zerrüttung bey ununterbrochener Wirksamkeit
                        gar eine wirkliche <hi>Herrschaft</hi> der <index indexName="subjects-index">
        <term>Sünde</term>
      </index>Sünde, oder Fertigkeit zu sündigen zu wege bringe; hier sagt er also
                        nichts neues oder unbekantes. 4) Hat er nie an sich oder andern bemerket,
                        daß es auch <hi>Anlagen</hi> zu Lastern, angeborne unedle Triebe und <index indexName="subjects-index">
        <term>Neigungen</term>
      </index>Neigungen gebe? Ich dächte, wenn es von ihm mit Recht hier so
                        beschrieben wird, herrliche <hi>Anlagen</hi> zur <index indexName="subjects-index">
        <term>Tugend</term>
      </index>Tugend, <hi>angeborne</hi> edle <index indexName="subjects-index">
        <term>Gefühle, angeborene edle</term>
      </index>Gefüle und <index indexName="subjects-index">
        <term>Neigungen</term>
      </index>Neigungen: so wäre es eben so richtig von unsern Vorfaren
                        beschrieben worden, es giebt <index indexName="subjects-index">
        <term>Neigungen</term>
      </index><hi>angeborne Neigungen</hi> zum geistlich Bösen, aber in unzäligen
                        Graden – das hat man Erbsünde genant, um stets die einzelen
                            <hi>wirklichen</hi> Sünden der Erwachsenen zu unterscheiden.</p>
    <p>Warum tadelt er nun die christlichen Religionssysteme, da er selbst <index indexName="subjects-index">
        <term>Neigungen</term>
      </index><hi>angeborne</hi> edle Neigungen annimt? hat er sie etwa bey allen
                        oder den meisten Menschen, gleich von Kindheit an, gleich groß, angetroffen?
                        So fand er mehr, als alle <hi>Gesetzgeber</hi>, welche auf <index indexName="subjects-index">
        <term>Erziehung</term>
      </index>Erziehung der Kinder vornemlich sahen; mehr als alle <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_1_2a"/><hi>Philosophen</hi>,
                        welche zum Theil gar auf zwey gleiche Grundwesen kamen, um das Gute und Böse
                        in der menschlichen Natur zu erklären. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_1_3"/><index indexName="persons-index">
        <term>Grotius, Hugo</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:25k75">Grotius</persName></hi> sagte
                        daher, <hi>die Sache</hi> selbst, die unter uns mit dem Namen <index indexName="subjects-index">
        <term>Erbsünde</term>
      </index>Erbsünde gemeint wird, haben auch die Heiden erkant. Eine andre
                            Erziehungsme<pb xml:id="bs_b_page_71" n="71" edRef="#b"/>thode – Sind
                        die <hi>guten</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Gesinnung, gute</term>
      </index><hi>Gesinnungen</hi>, in der That <hi>ohne alle Erziehung</hi>, ohne
                        alles Beispiel, und äusserliche Ursache, in dem Kinde schon gewesen? Wer
                        wird dis aus der <index indexName="subjects-index">
        <term>Erfahrung</term>
      </index>Erfarung beweisen? Und was sol denn die <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschheit, ursprüngliche Güte der</term>
      </index><hi>ursprüngliche Güte der Menschheit</hi> heissen, die man sogar
                        durch eine andre <index indexName="subjects-index">
        <term>Erziehungsmethode</term>
      </index>Erziehungsmethode wieder herzustellen hoffen könte? Sie ist <hi>also
                            nicht da</hi>, wenn sie <hi>wieder</hi> hergestellet werden sol.
                            <hi>Ursprüngliche Güte der <index indexName="subjects-index">
          <term>Menschheit, ursprüngliche Güte der</term>
        </index>Menschheit</hi> – wer kan wissen, was der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> hier denkt? Also <hi>angeborne</hi>,
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschheit, ursprüngliche Güte der</term>
      </index>ursprüngliche Güte der Menschheit gäbe es; <index indexName="subjects-index">
        <term>Neigungen</term>
      </index>angeborne böse Neigungen gibts aber nicht? Ich brauche übrigens
                        davon nicht viel zu sagen, daß aller unser <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterricht nicht auf einen <hi>ursprünglichen</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Zustand, urprünglicher</term>
      </index>Zustand der Kinder und Menschen gehet, da es von einer <index indexName="subjects-index">
        <term>Historie, moralische</term>
      </index><hi>moralischen</hi> Historie, in der Kindheit noch gar nicht Platz
                        ist zu reden, wo Kinder noch blos physicalischer Veränderungen fähig sind;
                        wir auch den ursprünglichen Zustand des <hi>Cajus</hi> und <hi>Titius</hi>
                        nicht ausmachen können; sondern daß wir auf <hi>wirkliche</hi> Ausbesserung
                        der nun <hi>wirklich</hi> bösen und zerrütteten Menschen gerade zu gehen;
                        wonach es unmöglich wahr ist, daß <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_1_4"/><hi>die Lehre</hi> von Erbsünde, die Mutter so
                        vieler einzelen Sünden sey, eine Quelle der Untugend und Gottlosigkeit
                        abgebe; diese Lehre hilft vielmehr zur leichten <index indexName="subjects-index">
        <term>Ausbesserung</term>
      </index>Ausbesserung der Menschen.</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_1_1"><label>Ich
                            glaube [...] wiederzugeben</label>
      <p>Zitat a16f.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_1_2"><label>die
                            Lehre von Erbsünde etc. [...] Quelle des Unglaubens – bey Tausenden
                            sind</label>
      <p>Kompiliertes Zitat a10.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_1_2a"><label>Philosophen, welche [...] auf zwey gleiche Grundwesen kamen, um
                            das Gute und Böse in der menschlichen Natur zu erklären</label>
      <p>Semler dürfte hier vor allem der Dualismus des frühchristlichen
                            Häretikers Markion (ca. 85–160) vor Augen stehen. Vgl. Christian Wilhelm
                            Franz Walch (1726–1784) <hi>Entwurf einer vollständigen Historie der
                                Kezereien, Spaltungen und Religionsstreitigkeiten, bis auf die
                                Zeiten der Reformation</hi>, Bd. 1 (1762), 506: „Marcion [kam] mit
                            andern Partheien, welche der morgenländischen Philosophie
                            beypflichteten, überein, daß er zwey gleiche Grundwesen annahm, von
                            denen er das eine <hi>den Guten</hi> nannte; das andere den
                                <hi>Bösen</hi>.“</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_1_3"><label>Grotius
                            sagte daher, die Sache selbst, [...] Erbsünde [...] haben auch die
                            Heiden erkant</label>
      <p>Hugo Grotius (1588–1646) war nicht nur ein gefeierter Rechtsgelehrter
                            seiner Zeit, der einflussreiche juristische Werke schrieb und wichtige
                            Impulse für die Aushandlung des Westfälischen Friedens (1648) gab.
                            Grotius verfasste auch theologische Werke, darunter den über die
                            Niederlande hinaus wichtigsten Bibelkommentar des 17. Jh.s. Semler
                            spielt hier wohl auf die Schrift <hi>Defensio fidei Catholicae de
                                satisfactione Christi adversus Faustum Socinum</hi> (1617) an, in
                            der Grotius eine Reihe heidnischer Zeugen (u.a. Cicero, Plutarch,
                            Valerius Maximus, Ulpian) für die als gerecht empfundene Praxis
                            aufbietet, Unschuldige für die Sünden anderer zu bestrafen (vgl. 62–70):
                            Kinder für ihre Eltern, Bürgen für säumige Schuldner, Geiseln für
                            vertragsbrüchige Regierungen etc.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_1_4"><label>daß die
                            Lehre von Erbsünde [...] eine Quelle der Untugend und
                            Gottlosigkeit</label>
      <p>Erneute Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_10">a10</ref>.</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>2.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_1"/><hi><quote corresp="#quote_bs_a17_1">Ich glaube, daß der Mensch, so wie er
                                alles Gute GOtt zu verdanken hat, auch all sein moralisches Gute,
                                was in ihm ist, der Gnade GOttes schuldig sey. Daß aber GOtt die
                                Besserung der Menschen selbst wirke und der Mensch nichts thue, als
                                GOtt stille halte, ist wider die Schrift, und beruhet dieser Irrthum
                                gröstentheils auf dem Wort Gnade, welches die meisten Lehrer der
                                Kirche bisher gemisdeutet haben.</quote></hi></p>
    <p>Wir wollen 1) annemen, es seie wider die Schrift, daß der Mensch zu seiner
                        Besserung nichts thue <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> kan <pb xml:id="bs_b_page_72" n="72" edRef="#b"/> dieser Irtum zur
                        Untugend und Verachtung der <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsverachtung</term>
      </index>Religion gereichen? <seg xml:id="quote_bs_b72_1">Bringt diese
                            Ueberzeugung, die ein Mensch angenommen hat, <index indexName="subjects-index">
          <term>Gottes Wirkung</term>
        </index>GOtt ist es, der in mir alles Gute wirket, in dem Menschen Sünde
                            und Hinderniß des <index indexName="subjects-index">
          <term>moralisch Gutes</term>
        </index>moralisch guten hervor? Ich denke nicht.</seg> Man mus nur dazu
                        nemen, daß <choice>
        <abbr>z. E.</abbr>
        <expan>zum Exempel</expan>
      </choice>
      <hi>Cajus</hi> täglich den Wunsch und Gedanken fortsetzt, immer besser zu
                        werden; er wünschet folglich und verlangt innigst von GOtt diese ihm so
                        nötige Wirkung; dis wird in ihm eine Fertigkeit; er nimt täglich in dieser
                        Gemütsfassung zu. An so vielen Beispielen unserer und voriger Zeit wissen
                        wir auch, daß die wirkliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Erfahrung</term>
      </index>Erfarung diese hier gegebene Erklärung bestätige; es ist also dieser
                        Lehrsatz <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_2"/><hi>keinesweges eine <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Quelle des Unglaubens</hi>; der Mensch, der darnach handelt, hat
                        vielmehr den stärksten Antrieb und die tägliche gröste Erleichterung und
                        Beförderung seiner innigsten <index indexName="subjects-index">
        <term>Frömmigkeit</term>
      </index>Frömmigkeit. 2) Ist es in der That <hi>gar nichts neues</hi>, oder
                            <hi>uns unbekantes</hi>, daß viele Lehrer, <foreign xml:lang="lat">latini</foreign> nemlich, die <index indexName="classics-index">
        <term>Augustinus von Hippo</term>
      </index><persName ref="textgrid:2r5hd">Augustino</persName> folgeten, mit
                        dem Worte <index indexName="subjects-index">
        <term>gratia</term>
      </index><foreign xml:lang="lat">gratia</foreign> einen besondern Begrif
                        verbunden, und diese <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_3"/><foreign xml:lang="lat">gratiam actualem, victricem</foreign>
      <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> sehr viel enger verstanden haben, zu Folge einer angenommenen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_4"/><hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Prädestination</term>
        </index>Prädestination</hi>. Schon einige Jahre vor der
                            <hi>augspurgischen Confession</hi> hat der bekante <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_5"/><index indexName="persons-index">
        <term>Lambert von Avignon, Franz</term>
      </index><persName ref="textgrid:3r6dg"><hi>Lambert</hi>, von
                                <hi>Avignon</hi></persName>, da er noch zu <hi>Wittenberg</hi>
                        lehrete, alle <index indexName="subjects-index">
        <term>gratia</term>
      </index>species gratiae, welche die <hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Thomisten</term>
        </index>Thomisten</hi> und andre <hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Scholastiker</term>
        </index>Scholastiker</hi> nach einander herzunennen und abzutheilen
                        pflegten, <hi>geradehin</hi> öffentlich <hi>verworfen</hi>. In der
                            <hi>römischen</hi> Kirche ist der so alte lange Widerspruch gegen die
                        Partey der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_6"/><hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Thomisten</term>
        </index>Thomisten, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_7"/><index indexName="subjects-index">
          <term>Dominikaner</term>
        </index>Dominicaner</hi> und <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_8"/><hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Augustinianer</term>
        </index>Augustinianer</hi>, schon einige Jahrhunderte lang unaufhörlich
                        fortgesetzt, und von der andern Partey eine solche <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_9"/><index indexName="subjects-index">
        <term>gratia</term>
      </index><foreign xml:lang="lat">gratia efficax</foreign> per se geleugnet
                        worden; wie seit dem <hi>Jansenius</hi> der heftige Streit <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_10"/><foreign xml:lang="lat">de auxiliis gratiae</foreign> erneuert und noch nicht
                        entschieden worden. Da aber dieses alles in die gelerte und
                            <hi>theologische</hi> Uebung gehört, und im gemeinen <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterrichte gar nicht vorkommen kan, es müste denn ein Lehrer sehr
                        ungeschickt <pb xml:id="bs_b_page_73" n="73" edRef="#b"/> handeln: so ist
                        nicht abzusehen, wie der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> diese gelerte <index indexName="subjects-index">
        <term>Subtilität</term>
      </index><hi>Subtilität</hi> hier vorbringt: da die Rede doch seyn solte, von
                        Lehren, die in den <hi>öffentlichen gemeinen</hi> Religionssystemen bisher
                        so enthalten wären, daß sie <quote corresp="#quote_bs_a10_3">eine Quelle des
                                <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Unglaubens</quote> – seien. Die <index indexName="subjects-index">
        <term>Jansenisten</term>
      </index><hi>Jansenisten</hi> sind die eifrigsten Christen, <hi>recht
                            zufolge</hi> dieser Lehre <foreign xml:lang="lat">de gratia</foreign>.
                        3) Es ist noch nicht ausgemacht, daß die Beschreibung, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_10a"/>der Mensch thut zu
                        seiner innerlichen Besserung nichts selbst, er verhält sich <foreign xml:lang="lat">passiue</foreign>, hinlänglich deutlich, und dem Sinne
                        unserer Lehrer gemäs ist. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_11"/>Ich wil nur anmerken, 1) wenn wir dieses lehren:
                        so hängt es gar nicht mit der <hi>lateinischen</hi> Schullehre <foreign xml:lang="lat">de gratia efficaci</foreign> zusammen; wir haben keine
                        solche <foreign xml:lang="lat">gratiam</foreign> angenommen, die der freyen
                        vernünftigen <index indexName="subjects-index">
        <term>Natur des Menschen</term>
      </index>Natur des Menschen nicht angemessen seie; kein Mensch, der unter
                        christlicher Geselschaft lebt, ist jemalen in dem blos menschlichen
                        Zustande, worin ihm die Wirkung dieser <index indexName="subjects-index">
        <term>Gnade</term>
      </index>Gnade GOttes, die wir unter den Wahrheiten wirksam nennen, felen
                        könten; von Kindheit an. Daher sagen wir, alles, was der Mensch christlich
                        gutes thut und in sich ausrichtet, ist GOttes geistliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Gottes Wirkung</term>
      </index>Wirkung. Solte dieses <hi>wider die Schrift</hi> seyn, da ja der
                            <hi>Inhalt</hi> der Schrift eben diese Wirkung GOttes enthält und
                        fortsetzt? Die Schrift ist ja eben <hi>darum</hi> da; als Mittel zu diesem
                        Erfolge, daß wir was geistlich gutes nun wirken können und sollen. In unsern
                        Zeiten ist sogar die ehemalige historische Vorstellung des so genanten <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_2_12"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Pelagianismus</term>
      </index><hi>Pelagianismus</hi> von der Sache, oder <foreign xml:lang="lat">factum</foreign> von <foreign xml:lang="lat">iure</foreign>, so genau <choice>
        <sic>nnd</sic>
        <corr type="editorial">und</corr>
      </choice> deutlich unterschieden worden: daß es ausgemacht ist, es seie hier
                        sehr viel <index indexName="subjects-index">
        <term>Wortstreit</term>
      </index>Wortstreit. Die <hi>Sache</hi> ist, der Mensch muß in Ansehung aller
                        seiner Fähigkeiten eine <index indexName="subjects-index">
        <term>moralisch vollkommener</term>
      </index><hi>moralische</hi> volkommenere Richtung und Regung in sich
                        bewirken lassen; alles Gute komt von GOtt, dem müssen wir es danken; also
                        sagen wir auch in dieser Absicht mit Recht, diese Besserung des Menschen
                        wird von GOtt unter den Christen befördert. Solte wol dieser erhabene
                        fröliche Gedanke <pb xml:id="bs_b_page_74" n="74" edRef="#b"/> eine Quelle
                        des <index indexName="subjects-index">
        <term>Unglaubens, Quelle des</term>
      </index>Unglaubens seyn? Kurz, weder in der <hi>lutherischen</hi>, noch
                            <hi>reformirten</hi>, noch <hi>katholischen Theorie</hi> von der Gnade
                        GOttes, ist eine solche irrige Lehre enthalten, die eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Unglaubens, Quelle des</term>
      </index>Quelle des Unglaubens seie; hier müssen alle gewissenhafte fromme
                        Christen aus ihrer <index indexName="subjects-index">
        <term>Erfahrung</term>
      </index>Erfarung reden; und nun ist gar nichts in der Lehre selbst zu
                        ändern; die <index indexName="subjects-index">
        <term>Methode</term>
      </index><hi>Methode</hi>, – ist stets frey.</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_1"><label>Ich
                            glaube [...] gemisdeutet haben</label>
      <p>Zitat a17.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_2"><label>keinesweges eine Quelle des Unglaubens</label>
      <p>Abermals Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_10"/>a10.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_3"><label>gratiam
                            actualem, victricem etc.</label>
      <p>Der Ausdruck „gratia actualis“ bezeichnet das Gnadenhandeln Gottes, das
                            den Menschen zum Guten führt. Von einer „gratia victrix“, wörtlich
                            „siegreiche Gnade“, spricht man, wenn man ausdrücken möchte, dass das
                            Gnadenhandeln Gottes nicht nur wirksam, sondern – trotz des freien
                            Willen des Menschen – auch <hi>notwendigerweise</hi> wirksam ist. Eine
                            solche Auffassung wurde sowohl von den Dominikanern im sog.
                                <hi>Gnadenstreit</hi> als auch von den Jansenisten in
                            Auseinandersetzung mit den Jesuiten vertreten: Wenn Gott will, dass wir
                            seine Gnadenhilfe aus freien Stücken annehmen, dann nehmen wir sie auch,
                            und zwar unfehlbar, aus freien Stücken an. Vgl. auch zur <hi>gratia
                                efficax</hi>
        <ptr type="page-ref" target="#erl_b_2_9"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_4"><label>Prädestination</label>
      <p>Gemeint ist die Lehre von der göttlichen Vorherbestimmung des
                            menschlichen Schicksals.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_5"><label>Lambert,
                            von Avignon</label>
      <p>Franz Lambert von Avignon (1487–1530), zunächst Franziskaner, der sich um
                            1522 der Reformation anschloss, den Orden verließ und heiratete. Er
                            hielt Vorlesungen an der Universität Wittenberg und ab 1527 an der neu
                            gegründeten evangelischen Universität Marburg. Semler bezieht sich auf
                            das aus einer Wittenberger Vorlesung hervorgegangene Werk <hi>In Divi
                                Lucae Evangelium Commentarii</hi> (1524); die Erstausgabe ist
                            unpaginiert, vgl. daher die Straßburger Ausgabe von 1525, 25: „Ergo
                            inutiles & mendosae sunt, partitiones illae plenitudinis eiusdem
                            gratiae, insufficientem, abundantem, superabundantem, indeficientem,
                            & aliae similes, quod nullus sanae mentis non animaduertit.“ Vgl.
                            auch Semler, <hi>Versuch einer freiern theologischen Lehrart</hi>
                            (1777), 505.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_6"><label>Thomisten</label>
      <p>Gemeint sind katholische Gelehrte, die im Sinne von Thomas von Aquin
                            (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_25"/>) argumentieren. In der
                            scholastischen Tradition von Thomas wurden verschiedene Gnadenformen
                            (lat. <hi>species gratiae</hi>) unterschieden, vgl. seine <hi>Summa
                                Theologiae</hi> I-II, q. 111. </p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_7"><label>Dominicaner</label>
      <p>Nach dem Gründer Dominikus (gest. 1221) benannter Predigerorden (<hi>Ordo
                                Praedicatorum</hi>), der sich schon früh vom Kanonikerorden zu einem
                            Bettelorden entwickelte. Dominikaner besetzten rasch wichtige
                            Universitätsposten und waren maßgeblich am Ausbau der Inquisition
                            beteiligt, weshalb sie auch spöttisch als <hi>domini canes</hi> („Hunde
                            des Herrn“) bezeichnet wurden. Auch stellen sie seit ihrem Gründer in
                            Rom den obersten päpstlichen Hoftheologen und prägten entscheidend die
                            katholische Theologie.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_8"><label>Augustinianer</label>
      <p>Gemeint sind katholische Gelehrte, die im Sinne von Augustinus (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_71"/>) argumentieren. Der Einfluss
                            des Augustinianismus zeigte sich besonders in der
                        Gnadenlehre.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_9"><label>gratia
                            efficax per se</label>
      <p>Semler spielt hier auf den in der römischen Kirche schwelenden, sog.
                            Gnadenstreit an, der mehrere Konfliktepisoden erlebte. Nach langen
                            Kontroversen im Mittelalter hatten im 16. Jh. vor allem Jesuiten wie der
                            Spanier Luis de Molina SJ (1535–1600) die thomistische Vorstellung einer
                            göttlichen <hi>gratia efficax ab intrinseco sive per se</hi> („eine
                            innerlich bedingte und notwendig wirksame Gnade“), wie sie etwa der
                            spanische Dominikaner Domingo Báñez OP (1528–1604) lehrte, verworfen und
                            zugunsten einer libertarischen Mitwirkung des Menschen an seinem Heil zu
                            einer <hi>gratia efficax ab extrinseco sive per accidens</hi> („eine
                            äußerlich bedingte und nicht notwendig wirksame Gnade“)
                            abgeschwächt.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_10"><label>de
                            auxiliis gratiae</label>
      <p>1597 hatte Papst Pius V. eine <hi>Congregatio de auxiliis gratiae</hi>
                            („Kommission über die Gnadenhilfen“) eingesetzt, um den
                            innerkatholischen Gnadenstreit zu klären. Nach zehn vergeblichen Jahren
                            beendete der Papst dieses hoffnungslose Unterfangen. Papst Paul V.
                            versuchte 1607/11 den Konflikt nunmehr dadurch einzugrenzen, dass er den
                            streitenden Parteien untersagte, sich gegenseitig die Rechtgläubigkeit
                            abzusprechen. Die Auseinandersetzung um den Jansenismus (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_n_17"/>) führte zu einer
                            Wiederauflage des Gnadenstreits.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_10a"><label>der
                            Mensch thut zu seiner innerlichen Besserung nichts selbst, er verhält
                            sich passiue</label>
      <p>Vgl. zur Diskussion um die Einwilligung des Menschen ausführlich <ptr type="page-ref" target="#erl_b_3_2"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_11"><label>Ich
                            will nur anmerken, 1)</label><p>Da auf diese erneute „1)“ keine weitere
                            Ziffer folgt, dürfte es sich wohl um ein Versehen handeln und hier eine
                            „4)“ gemeint sein.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_2_12"><label>Pelagianismus</label>
      <p>Gemeint ist die Lehre, die auf Pelagius (frühes 5. Jh.) zurückgeführt
                            wird. Sie besagt, dass der Mensch auch nach dem Fall von sich aus im
                            Stande ist, Gott zu gehorchen und sein Heil zu erwirken.</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>3.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_1"/><hi><quote corresp="#quote_bs_a17_2">Ich glaube, daß uns GOtt aus blosser Gnade
                                unsre Sünden vergiebt, und daß unsre Tugend und unser Eifer im
                                Guten, da er selbst im Grunde Wohlthat GOttes und mit so viel
                                Mängeln und Unvollkommenheiten befleckt ist, einer ganzen Ewigkeit
                                voll Lohn und Seeligkeit nicht werth sey: Daß aber doch unsere
                                Besserung und Tugend auf der einen Seite die Bedingung sey, unter
                                welcher uns GOtt Vergebung der Sünde und ewige Seeligkeit um <index indexName="persons-index">
            <term>Jesus Christus</term>
            <term type="alternative">Christus</term>
          </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> willen (d.
                                h. weil er diese Gnadengeschenke allen Tugendhaften durch <persName ref="textgrid:255cd">Jesum Christum</persName> verheißen und
                                versiegelt hat) ertheilet, und daß sie auf der andern Seite die
                                natürliche Quelle der höchsten Seeligkeit ist, aus welcher dieselbe
                                von selbst erfolget. Daß aber GOtt blos um eines Menschenopfers
                                willen mir meine Sünden vergebe und um einer fremden Tugend willen
                                die Flecken der meinigen übersehe, das ist wider meine Vernunft und
                                habe ich auch nie etwas davon in h. Schrift
                        gefunden.</quote></hi></p>
    <p>1) Ich merke an, daß hier gesagt wird: <hi>unsre</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Tugend</term>
      </index>Tugend, und <hi>unser</hi> Eifer im Guten, ist selbst <hi>im
                            Grunde</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohltaten Gottes</term>
      </index><hi>Wohlthat</hi> GOttes; und <hi>vorhin</hi> wurde doch gesagt, die
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Besserung</term>
      </index>Besserung des Menschen ist im Grunde nicht <index indexName="subjects-index">
        <term>Gottes Wirkung</term>
      </index>GOttes Wirkung, sondern gehört dem Menschen selbst. Warum sollen wir
                        so ungleich und widersprechend von <hi>unserm</hi> Eifer, von
                            <hi>unsrer</hi> Tugend reden? Ist sie selbst im Grunde doch <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohltaten Gottes</term>
      </index>Wohlthat GOttes, wie sie es ist: warum sollen wir <pb xml:id="bs_b_page_75" n="75" edRef="#b"/> es denn nicht <hi>lehren</hi>:
                        daß aller unser Eifer im Guten eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohltaten Gottes</term>
      </index>Wohlthat GOttes selbst ist und bleibet? 2) <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_2"/>Ob man die Einwilligung
                        in eine innerliche Besserung sol <hi>eine Bedingung</hi> nennen oder nicht:
                        ist eine alte Streitigkeit; daher ist es auch auf beiden Seiten lange
                        ausgemacht, in welcher Bedeutung es <hi>ja</hi> oder <hi>nein</hi> heißen
                        müsse. Daß diese unsre Besserung eine natürliche Quelle der höchsten <index indexName="subjects-index">
        <term>Seligkeit</term>
      </index>Seligkeit ist, und eben darum von GOtt uns auferlegt und anempfolen
                        worden: ist eben so lange bekant. 3) <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_3"/>Ob <hi>um <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> willen</hi> heißen sol, dieweil es GOtt durch
                            <persName ref="textgrid:255cd">Jesum Christum</persName> verheißen und
                        versiegelt hat; oder aber, GOtt hat eben um <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> willen, dessen Historie und Zusammenhang mit neuen
                        Folgen er vorher kante, dieses alles verheißen und versiegelt; wird der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sich nicht anmaßen für uns zu
                        entscheiden. Weil <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> durch
                        seine ganze Historie einen so großen Umfang von geistlichen Wohlthaten und
                        Realitäten zu stande gebracht, und folglich auch die Kentnis und <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissheit</term>
      </index>Gewisheit derselben uns geschaft hat; und dieser neue Umfang nun
                        ganz unfelbar alle diese <hi>möglich</hi> neuen Wohlthaten, nur in einer
                        besondern <index indexName="subjects-index">
        <term>Bestimmung</term>
      </index>Bestimmung, in der besondern Gemütsfassung, für einzele Menschen,
                        aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit übergehet: so weis es und glaubt es
                        der Mensch, daß diese Beschreibung in der Schrift, um <persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName>, um <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> willen, ist GOtt auch mir <index indexName="subjects-index">
        <term>gnädig</term>
      </index>gnädig, <hi>vielmehr bedeutet</hi>, und einen ganz andern Grund für
                        die Vorstellung anbietet, als hier der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> mit manchen <index indexName="subjects-index">
        <term>Sozinianer</term>
      </index><hi>Socinianern</hi> es erkläret. GOtt hat den Menschen durch
                            <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> Lehre, z. E.
                        versprochen, er wil ihnen die Sünde vergeben und sie zu ewiger geistlichen
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohlfahrt, geistliche</term>
      </index>Wohlfart befördern. Dis mus GOtt nun <hi>um <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> willen</hi>, der sonst nicht
                        wahr geredet hätte, halten; so erklärt es der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_4"/>Wir <index indexName="subjects-index">
        <term>katholisch</term>
      </index><hi>katholischen</hi> Christen aller drey Parteien, sagen viel mehr;
                        weil durch dieses Leben und Tod <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> eine neue Aussicht, neuer Grund und Boden für sonst
                        unbekante geistliche Wohlthaten eröfnet und geschaffet wor<pb xml:id="bs_b_page_76" n="76" edRef="#b"/>den; indem das Leben und der
                        Tod <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>
      <hi>wirkliche</hi> Dinge und große Begebenheiten in einem Zusammenhange mit
                        geistlichen Wohlthaten, einschließet: so entstehet hier ein kentlicher
                        Grund, warum GOtt dieses Leben und Tod <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> also verordnet und genemiget hat, und warum er jedem
                        gläubigen Christen, der diese geistlichen Wohlthaten, die er <persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName> zu danken hat, herzlich wünschet
                        und begehret, die ganze Fülle von geistlichen Wohlthaten unfelbar zueignet.
                        Wer wolte hier die geistvollen <index indexName="subjects-index">
        <term>erbaulich</term>
      </index>erbaulichen Entwickelungen des gläubigen Christen hindern oder
                        abschneiden? Ist jemand mit wenigerm zufrieden, so hat er doch kein Recht,
                        unsre gläubige Uebung des <index indexName="subjects-index">
        <term>Verstand</term>
      </index>Verstandes und <index indexName="subjects-index">
        <term>Wille</term>
      </index>Willens uns zu verbieten. Ich denke, daß ich deutlich genug hierüber
                        mich erklärt habe; <hi>es gehöret dis für unser Herz und Gewissen</hi>; wir
                        haben eine gar ernstliche große Beschäftigung des <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaube</term>
      </index>Glaubens; wir finden darin göttliche unendliche Ruhe und <index indexName="subjects-index">
        <term>Zuversicht</term>
      </index>Zuversicht; denn <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_5"/>hier ist alles <index indexName="subjects-index">
        <term>unendlich</term>
      </index>unendlich, ewig unaufhörlich; weil es nichts Zeitliches ist. Wie
                        solte dieser unser so lebendiger, so in GOtt unaufhörlich eindringender
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaube, lebendiger</term>
      </index>Glaube, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_6"/><hi><quote corresp="#quote_bs_a10_3">eine Quelle des <index indexName="subjects-index">
            <term>Unglaubens, Quelle des</term>
          </index>Unglaubens werden</quote></hi>? Wie so gar schlecht und
                        untreffend ist dis hingeschrieben! So viel fromme Lehrer und Christen haben
                        Noth und Elend des äußerlichen Lebens, Quaal und Marter, Tod und
                        Todesschrecken durch diesen <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaube, lebendiger</term>
      </index>lebendigen Glauben überwunden: warum sollen wir diese vortrefliche
                        Lehre mit einer andern kleinern vertauschen, die wir nicht so gut <hi>in der
                            Schrift</hi> gegründet finden, als unsere. 4) Daß aber der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> abermalen schreibt, wir lehreten in
                        allen drey Parteien, daß GOtt <hi>um eines bloßen</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenopfer</term>
      </index><hi>Menschenopfers</hi> willen uns unsre Sünden vergebe etc. Daran
                        redet und thut er <hi>Gewalt und Unrecht</hi>; beschimpfet alle drey
                        Parteien, und ihre so vielen Mitglieder, aufs unverantwortlichste. Ich habe
                        schon vorhin, wo diese Vorbereitung und unerlaubte Empfindlichkeit zum
                        ersten mal vorkam, mich dawider erkläret; da er es aber wiederholet, so wil
                        ich noch mehr hinzusetzen. <pb xml:id="bs_b_page_77" n="77" edRef="#b"/>
                        Wuste er nicht, die große Beschreibung, <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Hebr:9:14">Hebr. 9, 14.</citedRange></bibl>
      <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Hebr:13:20"><choice>
            <abbr>Cap.</abbr>
            <expan>Capitel</expan>
          </choice> 13, 20.</citedRange></bibl> wo das <index indexName="subjects-index">
        <term>Opfer</term>
      </index>Opfer und Blut <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> ganz ausdrücklich,
                        ganz <hi>charakteristisch</hi> auf eine unvergleichliche Weise, seinem
                        innern Werthe, seinem geistlichen Gange und der Wirkung nach, bestimt wird?
                        Wuste er diesen großen Begrif nicht? <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> hat sich selbst GOtte dargebracht, ohne Tadel, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_7"/><foreign xml:lang="grc">δια πνευματος αἰωνιου</foreign>, so daß eine ewige unaufhörliche
                        Wirkung dieses <index indexName="subjects-index">
        <term>Opfer</term>
      </index>Opfers auf unsern Geist, ganz begreiflich ist. Dis Blut hat
                        geistlicher volkommener Weise einen neuen <index indexName="subjects-index">
        <term>Bund, neuer</term>
      </index>Bund gestiftet. Kann man diese Sache so <index indexName="subjects-index">
        <term>untreu (Bahrdt)</term>
      </index>untreu, so unwürdig beschreiben, daß wir Christen glaubeten, GOtt
                        vergebe uns die Sünden um eines <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenopfer</term>
      </index><hi>Menschenopfers</hi> willen? In diesem Briefe an die
                            <hi>Hebräer</hi> ist gerade die Stärke und Hauptsache des Inhalts eben
                        diese: äußerliche, gemeine, sichtbare <index indexName="subjects-index">
        <term>Opfer, äußerliche</term>
      </index>Opfer haben für das <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissen der Menschen keine Wirkung, keinen Erfolg; sie betreffen
                        blos das äußerliche Verhältnis in der Geselschaft. <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> aber ist in dem
                        grösten volkommensten Verstande ein <index indexName="subjects-index">
        <term>Priester, vollkommener</term>
      </index>Priester; er hat GOtte ein einziges <index indexName="subjects-index">
        <term>Opfer, einziges</term>
      </index>Opfer, durch sich selbst, gebracht; dis hat aber so eine
                        Beschaffenheit, so einen Umfang, begreift solche große Grundsätze und
                        Wahrheiten in sich: daß wir in unsern <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissen eine neue unaufhörliche Kraft erfaren, alle jene Sünden
                        künftig zu meiden, und in die geistliche rechte Verehrung GOttes
                        einzuwilligen. Sind dis Begriffe, die ein Leser mit dem greulichen Namen
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenopfer</term>
      </index><hi>Menschenopfer</hi> verbindet? Warum sol nun <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> mit einem so unwürdigen Namen
                        beschrieben werden? Haben wir Christen diesen unwürdigen Begrif? Ist es eine
                        natürliche Folge unsers übrigen <index indexName="subjects-index">
        <term>System</term>
      </index><hi>Systems</hi>? bey keiner Partey nicht. <hi>Arianer</hi> hatten
                        eine <hi>physische</hi> Vereinigung des <index indexName="subjects-index">
        <term>Logus</term>
      </index><hi>Logus</hi> und <persName ref="textgrid:255cd">JEsus</persName>
                        angenommen, und beschrieben daher den begreiflichen Grund, daß das Blut
                            <persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName> (im Abendmal) eine
                        besondre große Kraft hätte, die Menschen von der Sünde und dem Tode, zur
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Frömmigkeit</term>
      </index>Frömmigkeit in diesem Leben, und zur seligen <index indexName="subjects-index">
        <term>Unsterblichkeit</term>
      </index>Unsterblichkeit zu erheben. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_8"/><hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Gnostiker</term>
        </index>Gnostiker</hi> ließen <pb xml:id="bs_b_page_78" n="78" edRef="#b"/> ebenfals alle Kraft und Wirksamkeit zur <index indexName="subjects-index">
        <term>Ausbesserung, moralische</term>
      </index><hi>moralischen</hi> Ausbesserung der Menschen, aus der Person des
                        himmlischen, ewigen <hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Äon</term>
        </index>Aeon</hi>, <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>, herkommen.
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Sabellianer</term>
      </index><hi>Sabellianer</hi> lehren eine Einwirkung GOttes auf <persName ref="textgrid:255cd">Jesum</persName>, und beschreiben eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Ausbesserung, moralische</term>
      </index><hi>moralische</hi> Ausbesserung der Menschen, durch änliche Wirkung
                        GOttes, als in <persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> war. Da man
                        ferner ausdrücklich <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_9"/>diese Person aus <index indexName="subjects-index">
        <term>Zwei Naturen</term>
      </index>zwey Naturen zusammensetzte, beschrieb man den steten Einflus der
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Natur, göttliche</term>
      </index>göttlichen Natur, um die großen Wirkungen begreiflich zu machen, die
                        in der Menschheit ihren Grund nicht hätten. Nie hat man also aus dem Tode
                            <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> ein <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenopfer</term>
      </index><hi>Menschenopfer</hi> gemacht. Die freye Einwilligung <persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> in diesen Tod, um die großen Folgen
                        für die Menschen zu verschaffen, die bey allen ungeistlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Opfer, ungeistliches</term>
      </index>Opfern nicht entstehen konten: nent die <choice>
        <abbr>h.</abbr>
        <expan>heilige</expan>
      </choice> Schrift ein Opfer, das <persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> GOtte geleistet habe. Kann dis ein <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenopfer</term>
      </index>Menschenopfer seyn? <hi>Man müste ja alles verdrehen.</hi> Und wer
                        könte unter Christen so sehr unwürdig und leichtsinnig es beschreiben? Sie
                        sagen selbst, GOtt hat den Tod <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> um eines großen Zwecks willen, uns zu gute,
                        verordnet; die Christen kennen diesen <index indexName="subjects-index">
        <term>Endzweck</term>
      </index>Endzweck; nun wird dis als das rechte volkommenste <index indexName="subjects-index">
        <term>Opfer, vollkommenstes</term>
      </index>Opfer beschrieben; seine <index indexName="subjects-index">
        <term>Folgen, ewige moralische</term>
      </index>moralischen Folgen sind ewig; wer konte in diesem Zusammenhange so
                        reden, GOtt hatte sich ein <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenopfer</term>
      </index>Menschenopfer bestelt? Ist es billig und ehrlich,
                            <hi>Consequentien</hi> zusammen zu setzen, und sie den andächtigen
                        Christen nun Schuld zu geben? Dis konte, durfte, solte der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> denken: <foreign xml:lang="lat">proprie</foreign> ist <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> kein Priester und kein Opfer; GOtt hat die Menschen
                        mit ihm selbst versönet, und läßt diese Predigt von einer geistlichen
                        rechten <index indexName="subjects-index">
        <term>Versöhnung</term>
      </index>Versönung nun öffentlich bekant machen; dis sind alles
                            <hi>moralische</hi> Sachen. Denn <hi>mit den Sinnen</hi> sahe man zwar
                            <persName ref="textgrid:255cd">JEsum</persName> kreutzigen und tödten;
                        aber den <hi>Zusammenhang</hi> mit einem neuen Erfolge für die neue Kentnis
                        und Zuversicht der Christen, konte niemand sehen oder mit den Sinnen
                        empfinden. <hi>Moralische</hi> Dinge und Begebenheiten bringen also keine so
                            <hi>einzige</hi> Vor<pb xml:id="bs_b_page_79" n="79" edRef="#b"/>stellung von sich und ihrer Absicht oder Zusammenhange mit, als sinliche
                        Dinge und ihre Veränderungen. Giebt es also <hi>mehrere</hi> Vorstellungen
                        über den <hi>Zusammenhang</hi> des Todes <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, mit Folgen für
                        die neue Erkentnis und Anwendung der Menschen: so kan ich nicht fordern, daß
                        alle Christen in Ansehung der Beschreibung, (<index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> ist ein geistlich
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Opfer, geistliches</term>
      </index>Opfer für unsre Sünden; er hat uns mit GOtt aufs volkommenste
                        versönet etc. wir brauchen keine gemeinen sinlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Opfer, sinnliches</term>
      </index>Opfer;) eine einzige Vorstellung und Bestimmung dieser <index indexName="subjects-index">
        <term>Begriffe</term>
      </index>Begriffe haben sollen; es geht mich auch ein fremdes Gewissen gar
                        nichts an; ich wil auch kein Lehrer der <hi>augspurgischen</hi> Confeßion
                        seyn, ich gehöre selbst zu keiner der drey Religionsparteien; ich kan also
                        meiner eigenen Vorstellung für mich und meines gleichen Zeitgenossen den
                        Vorzug geben. Aber ich darf die Beschreibung der Christen, die sie ebenfals
                        aus <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissenhaftigkeit</term>
      </index>Gewissenhaftigkeit annemen, nicht nachtheilig verdrehen. Dieses
                        hätte der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> denken und schreiben dürfen.
                        Endlich, wenn es auch, seit einiger Zeit, wider die <index indexName="subjects-index">
        <term>Vernunft</term>
      </index>Vernunft des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> ist, wenn er auch nie in der
                        heiligen Schrift davon etwas gefunden, daß GOtt um der volkommensten Tugend
                            <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName> willen, die wir uns
                        wünschen, die Flecken oder Mängel unserer Tugend und Pflichten übersehe: so
                        hilft es ja <hi>nicht dazu</hi>, daß dieses sogleich auch wider die Vernunft
                        anderer Christen seyn müsse, und daß sie diese Sache nicht in der heiligen
                        Schrift fänden. Viele der ersten Christen konten es nicht einsehen, daß GOtt
                        das <hi>mosaische</hi> Gesetz nun für unnütz, zu <hi>moralischen</hi>
                        Absichten, erklären könne und wolle; war dis nun zugleich ein Grund wider
                        alle übrige Christen, die dieses wirklich ganz leicht einsahen? Wer auch nur
                        die Schrift des gelehrten <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_10"/><index indexName="persons-index">
        <term>Anselm von Canterbury</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dh">Anselmus</persName></hi>,
                            <foreign xml:lang="lat">cur Deus homo</foreign>, gelesen hat, (und wer
                        eine solche <index indexName="subjects-index">
        <term>Reform</term>
      </index><hi>Reforme</hi> der christlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrbücher, öffentliche</term>
      </index>öffentlichen Lehrbücher vornemen wil, müste sie doch auch gelesen
                        haben) der kennet eine grosse Menge von würdigen erhabenen Gedanken, die
                        alle höchst <index indexName="subjects-index">
        <term>vernünftig</term>
      </index>vernünftig und ge<pb xml:id="bs_b_page_80" n="80" edRef="#b"/>gründet sind, über den vortreflichen Zusammenhang der volkommensten
                        Frömmigkeit und des Wohlgefallens GOttes, mit der <index indexName="subjects-index">
        <term>Beruhigung</term>
      </index>Beruhigung aufrichtiger Christen, die sie aus dieser von GOtt
                        gemachten <index indexName="subjects-index">
        <term>Ordnung</term>
      </index>Ordnung und Folgen, die sie selbst so gern einwilligen, herleiten.
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_11"/>Die <index indexName="subjects-index">
        <term>Tugend</term>
      </index>Tugend <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, ist auch nicht
                        eine <hi>fremde</hi> Tugend, in Absicht aller gläubigen Christen; wenn sie
                        gleich nicht subjectivisch schon wirklich ihre Tugend ist; sie ist dem
                        Anfange, dem heissesten Wunsche nach, auch schon ihre Tugend. Wie GOtt den
                        Vorsatz und Wunsch dis und jenes Böse zu volziehen, mit Recht als volzogen
                        für den Menschen ansiehet: so ist es gleiches Recht und <index indexName="subjects-index">
        <term>Würde Gottes</term>
      </index>Würde GOttes, uns, die wir die volständigste <index indexName="subjects-index">
        <term>Tugend</term>
      </index>Tugend <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> gern selbst
                        haben wolten, um <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> willen,
                        das ist um sein selbst willen, weil er ein solcher GOtt ist, über unsre
                        Mängel zu beruhigen. Dis finden wir überal in der Schrift; warum sollen wir
                        nicht unsrer <index indexName="subjects-index">
        <term>Erkenntnis</term>
      </index>Erkentnis folgen, die ohnehin die Erkentnis und der <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaube</term>
      </index>Glaube aller katholischen Christen ist? Und wer solte uns wol
                        vorschreiben, was wir für Betrachtungen und Gedanken zu unserer christlichen
                        Erbauung machen müsten? Man griffe ja in das heilige Recht unsers Gewissens;
                        das wäre eine neue Art von <index indexName="subjects-index">
        <term>Toleranz</term>
      </index><hi>Toleranz</hi>; deren Anhänger den Vorsatz ausfüren wolten, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_3_12"/><foreign xml:lang="lat">veteres migrate coloni</foreign>.</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_1"><label>Ich
                            glaube [...] Schrift gefunden</label>
      <p>Zitat a17f.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_2"><label>Ob man
                            die Einwilligung [...] sol eine Bedingung nennen [...] ist eine alte
                            Streitigkeit</label>
      <p>Für die Diskussion innerhalb der protestantischen Theologie war Luthers
                            Auffassung die entscheidende Referenzstelle. Der Reformator behauptete
                            erstens, dass die moralische Besserung nicht <hi>Bedingung</hi>, sondern
                                <hi>Folge</hi> der Erlösung sei, und zweitens, dass die Rolle des
                            Menschen bei seiner Erlösung (und Besserung) „rein passiv“ (<hi>mere
                                passive</hi>) ausfalle. Vgl. <hi>De servo arbitrio</hi> (1525), WA
                            18, 697: „Johannes [1,12–13] spricht nicht von irgendeinem Werk des
                            Menschen [...], sondern von der Erneuerung selbst und der Umwandlung des
                            alten Menschen, der ein Kind des Teufels ist, in einen neuen Menschen,
                            der ein Kind Gottes ist. Hier verhält sich der Mensch rein passiv [...]
                            und tut auf keine Weise etwas, sondern ‚wird‘ völlig, d.h. läßt ganz an
                            sich geschehen“ (Übers. Kurt Aland). Im Synergistischen Streit
                            (1556–1560) argumentierten Anhänger Philipp Melanchthons gegen die sog.
                            Gnesiolutheraner für die Feststellung einer Mitwirkung (gr. <foreign xml:lang="grc">συνεργεία</foreign>) des Menschen.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_3"><label>Ob um
                            Christi willen heißen sol, [...] wird der Hr. Verfasser sich nicht
                            anmaßen für uns zu entscheiden</label>
      <p>Vgl. <ref target="#bs_a_page_18">a18</ref>, s. auch <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_34"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_4"><label>Wir
                            katholischen Christen aller drey Parteien</label>
      <p>Alle drei Konfessionen des lateinischen Westens bekennen sich zum Glauben
                            an die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“
                            (Nicäno-Konstantinopolitanum, 381), vgl. <ref target="#bs_f_page_205">f205</ref>. Das Adjektiv „katholisch“, das im Ritus der
                            protestantischen Kirchen, um Missverständnisse zu vermeiden, heute meist
                            durch „christlich“ ersetzt wird, hat hier, seinem griechischen Ursprung
                            entsprechend, einen weiten Sinn. Es bedeutet so viel wie „allumfassend“,
                            d.h. sich an alle Personen und Völker wendend.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_5"><label>hier ist
                            alles unendlich, ewig unaufhörlich; weil es nichts Zeitliches
                            ist</label>
      <p>Vgl. 2Kor 4,17–18. Eine klassische Verteidigung und Analyse
                            nicht-zeitlicher Ewigkeit findet sich bei Boethius (477/480–524),
                                <hi>Consolatio Philosophiae</hi>, 5. Buch, VI.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_6"><label>eine
                            Quelle des Unglaubens werden</label>
      <p>Anspielung auf a10.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_7"><label><foreign xml:lang="grc">δια πνευματος αἰωνιου</foreign></label>
      <p>Zitat Hebr 9,14: „Durch den ewigen Geist“.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_8"><label>Gnostiker ließen [...] aus der Person des himmlischen, ewigen
                            Aeon, Christus, herkommen</label>
      <p>Der Ausdruck „Gnosis“ ist eine Sammelbezeichnung für eine heterogene
                            Gruppe von religiösen Ideen aus den ersten drei nachchristlichen
                            Jahrhunderten. Gnostiker eint die dualistische Vorstellung von einem
                            metaphysischen Gegensatz – oder Kampf – zwischen Gut und Böse, zwischen
                            vollkommenem Gott und die materielle Welt hervorbringendem Demiurgen,
                            Licht und Finsternis, Wissen und Unwissen, Geist und Fleisch usw. Unter
                            einem „Äon“ verstand man eine Emanation der Gottheit. Viele Gnostiker
                            nahmen an, dass Christus der vollkommenste Äon sei, dessen Aufgabe darin
                            bestehe, die Menschheit zur Erkenntnis (gr. <foreign xml:lang="grc">γνῶσις</foreign>) der dualistischen Struktur der Wirklichkeit und
                            Überwindung der bösen materiellen Welt zu führen.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_9"><label>diese
                            Person aus zwey Naturen zusammensetzte</label>
      <p>Die Zweinaturenlehre ist ein Kernstück traditioneller Christologie. Nach
                            der für alle großen Kirchen verbindlichen Formulierung des Konzils von
                            Chalcedon (451) ist Christus „vollkommen derselbe in der Gottheit,
                            vollkommen derselbe in der Menschheit, wahrhaft Gott und wahrhaft
                            Mensch, [...] wesensgleich dem Vater der Gottheit nach, wesensgleich uns
                            derselbe der Menschheit nach, in allem uns gleich außer der Sünde, [...]
                            in zwei Naturen unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt
                            [...], nicht [...] in zwei Personen, sondern ein und derselbe
                            einziggeborene Sohn, Gott, Logos, Herr.“</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_10"><label>Anselmus, cur Deus homo</label>
      <p>Anselm von Canterbury (1033/34–1109), wichtigster Vertreter der
                            Frühscholastik, u.a. bekannt durch die erste, immer noch viel
                            diskutierte Formulierung des ontologischen Gottesbeweises
                                (<hi>Proslogion</hi> 2–4). In dem Dialog <hi>Cur Deus Homo</hi>
                            (entstanden um 1095) entwickelte Anselm eine äußerst einflussreiche
                            Satisfaktionstheorie: Ihr zufolge setzt die Erlösung des Menschen eine
                            Genugtuung (Satisfaktion) voraus, die die begangene Sündenschuld
                            ausgleicht. Da besagte Schuld eine Beleidigung Gottes darstellt, mithin
                            „unendlich“ groß ist, kann sie nur durch den Tod eines Mensch gewordenen
                            unendlichen Gottes beglichen werden. Inkarnation und Tod Christi
                            bewirkten also nicht nur <hi>de facto</hi> die Erlösung der Menschheit,
                            sie waren ihre <hi>notwendige</hi> Bedingung (vgl. auch <ref target="#bs_b_page_24">b24</ref> und <ptr type="page-ref" target="#erl_d_7_8"/>).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_11"><label>Die
                            Tugend Christi, ist auch nicht eine fremde Tugend</label>
      <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_7_12"/> (obedientia
                        activa).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_3_12"><label>veteres
                            migrate coloni</label>
      <p>Eine Vergil (ecl. 9, 4) entnommene Redewendung, die eine verächtliche und
                            unduldsame Haltung gegenüber dem Althergebrachten ausdrückt; wörtlich in
                            etwa: „Zieht weg, ihr alten Pächter!“</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>4.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_4_1"/><hi><quote corresp="#quote_bs_a18_3">Ich glaube, daß GOtt den Aposteln seinen
                                Geist gegeben hat; daß aber dieser Geist eine dritte Person in der
                                Gottheit sey, davon bin ich nicht überzeugt: vielmehr finde ich in
                                heiliger Schrift keine andere Bedeutung von dem <foreign xml:lang="grc">πνευμα ἁγιον</foreign> als diese beyden: daß es
                                entweder göttlich gewirkte Gaben, Talente und Kräfte anzeigt, oder
                                das <foreign xml:lang="lat">nomen Dei</foreign> selbst, welcher
                                diese Gaben mittheilt.</quote></hi></p>
    <p>Wenn der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nicht vorhin namentlich dieses
                        angefüret hätte, unter den Lehren, welche die <index indexName="subjects-index">
        <term>Unglaubens, Quelle des</term>
      </index>Quel<pb xml:id="bs_b_page_81" n="81" edRef="#b"/>len des Unglaubens
                        und der <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsverachtung</term>
      </index>Religionsverachtung seyn sollen: so würde man es aus dieser hier
                        gegebenen Erklärung nicht einsehen oder wissen können. Diese Erklärung steht
                        ihm eben so frey, als die andern Urtheile über die Lehrformen im teutschen
                        Reiche; allein nur in Absicht <hi>seines eigenen Gewissens</hi>; gar nicht
                        aber, insofern er zugleich sich ein Recht geben wil, unsre Lehre vom
                        heiligen <index indexName="subjects-index">
        <term>Geist, heiliger</term>
      </index>Geiste, die wir öffentlich abgefaßt haben, so zu beschreiben, sie
                        seie gar nicht in der <choice>
        <abbr>h.</abbr>
        <expan>heiligen</expan>
      </choice> Schrift gegründet; warum? dieweil er diese Bedeutung vom <choice>
        <abbr>h.</abbr>
        <expan>heiligen</expan>
      </choice>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Geist, heiliger</term>
      </index>Geist, als einer <index indexName="subjects-index">
        <term>Person</term>
      </index>Person in der Gottheit, gar nicht finde. Dis ist eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Übereilung</term>
      </index>Uebereilung. <hi>Ich bin davon nicht überzeugt</hi>, schreibt er
                        hier; und <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_4_2"/>dort schrieb
                        er, dieser Lehrsatz gehöre mit unter diejenigen, <quote corresp="#quote_bs_a10_1">welche keinen Grund in der <choice>
          <abbr>h.</abbr>
          <expan>heiligen</expan>
        </choice> Schrift haben, und eine Quelle des <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Unglaubens – seien</quote>. Wie kan er dieses so geradehin
                        behaupten, wenn er blos ungewis ist, und nur <hi>nicht überzeugt</hi> ist?
                        Wenn er aber auch wirklich überzeugt wäre, unsre Lehrbestimmung habe gar
                        keinen Grund: Folgt es denn, daß also <hi>niemand</hi> davon überzeugt seyn
                        könne, und daß sie in der <index indexName="subjects-index">
        <term>Bibel</term>
      </index>Bibel nicht gegründet seie? War denn <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_4_3"/><index indexName="persons-index">
        <term>Clarke, Samuel</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dj">Clarke</persName></hi> es nun
                        nicht? Er hat aber ausdrücklich diese Bestimmung, als die Bedeutung mancher
                        Stellen, ganz überzeugt und sicher angenommen. Warum zeichnet also der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> diesen Lehrsatz doch an, <hi>unter
                            denen</hi>, welche alle Christen faren lassen solten? Ich habe schon
                        angefürt, daß an dem Namen, <index indexName="subjects-index">
        <term>Person, dritte</term>
      </index><hi>dritte Person</hi>, gar nichts lieget; wenn die Christen nur aus
                        heiliger Schrift glauben, der heilige Geist bedeutet den Urheber der
                        geistlichen Wirkungen zu ihrer <index indexName="subjects-index">
        <term>Besserung</term>
      </index>Besserung und ewigen <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohlfahrt</term>
      </index>Wohlfart. Was die Sache selbst betrift: so ist es lange Zeit her
                        schon eingestanden, daß <foreign xml:lang="grc">πνευμα ἁγιον</foreign> nicht
                            <hi>überal</hi>, in allen Stellen, eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Person</term>
      </index>Person oder <foreign xml:lang="lat">alium agentem</foreign> anzeige;
                        daß vielmehr, <hi>sehr oft</hi>, da und dort, durch eine <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_4_4"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Metonymie</term>
      </index><hi>Metonymie</hi>, die Wirkung und Gaben des heiligen Geistes
                        selbst mit diesem Namen belegt würden. Die Apostel haben den heiligen Geist
                        in dieser Bedeutung em<pb xml:id="bs_b_page_82" n="82" edRef="#b"/>pfangen;
                        da giebt es ein ungleiches <index indexName="subjects-index">
        <term>Maß, ungleiches</term>
      </index>Maas des heiligen Geistes. Es ist hier der Ort nicht, alles zu
                        wiederholen, was unsre drey Systemata hiervon gemeinschaftlich enthalten;
                        aber ich wil doch ganz kurz etwas anfüren. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_4_5"/><foreign xml:lang="grc">πνευμα</foreign> und
                            <foreign xml:lang="grc">πνευματα</foreign>, heißt <hi>unleugbar</hi> in
                        recht vielen Stellen des neuen Testaments, eine unsichtbare selbst handelnde
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Substanz</term>
      </index>Substanz; ein <index indexName="subjects-index">
        <term>Subjekt</term>
      </index><hi>Subject</hi>, das Verstand und Willen in Wirkungen selbst
                        anwendet. Es wird oft von <hi>dem Geiste</hi> GOttes geredet, wie ein Geist
                        des Menschen oder im Menschen unterschieden wird, den man in GOttes Hände
                        befelen kan, wenn der Mensch dem Leibe nach stirbt. Nachdenkende Christen
                        wusten es, daß sich diese Vergleichung (wie der Geist, der im Menschen ist)
                        nur auf diese, alle andre Mitkentnis ausschliessende, Absicht GOttes
                        beziehen solle und müsse; indem der Geist GOttes nicht, wie in einem
                        menschlichen Körper, durch den Tod getrent und abgesondert werden kan; es
                        müsse also der Geist GOttes ganz anders zu GOtt gehören, als der Geist des
                        Menschen jetzt zum Menschen als ein Theil eines endlichen Ganzen gehöret.
                        Sie fanden auch, im Namen des heiligen Geistes, neben der Beschreibung im
                        Namen des Vaters, des Sohnes, oder im Namen <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>; daß auch dem
                        Geiste GOttes ein <hi>Wollen, Thun, Wirken, Reden, Lehren</hi>
      <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> beigelegt werde, also leiteten sie diese Vorstellung aus solchen
                        Stellen ab: heiliger Geist ist in manchen Stellen ein <foreign xml:lang="lat">subiectum agens</foreign>, ohne <index indexName="subjects-index">
        <term>Vervielfältigung</term>
      </index>Vervielfältigung und Veränderung eben des einzigen höchsten Wesens.
                        Ueber diesen Lehrsatz vereinigten sich nach und nach alle katholischen
                        Kirchen und Lehrer, mit steter <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen, Schonung der</term>
      </index>Schonung der Gewissen <index indexName="subjects-index">
        <term>Christen, denkende</term>
      </index>denkender Christen, die ja nicht eine <hi>absurde</hi> unwürdige,
                        widersprechende Vorstellung zu diesem Lehrsatz rechnen sollen. Man läßt auch
                        die <hi>Wahl</hi> und Erklärung der Stellen frey; und es haben die Christen
                        einen so guten Zusammenhang ihrer Vorstellungen, von den grossen Wohlthaten
                        GOttes, des Vaters, des Sohnes oder Eingebornen und des heiligen Geistes:
                            <pb xml:id="bs_b_page_83" n="83" edRef="#b"/> daß ihr ganzes Herz vol
                        andächtiger gläubiger Bewegung und geistlicher <index indexName="subjects-index">
        <term>Ordnung, geistliche</term>
      </index>Ordnung ist. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_4_6"/><hi>Wie wil hier <quote corresp="#quote_bs_a10_2">eine Quelle des
                                    <index indexName="subjects-index">
            <term>Unglaubens, Quelle des</term>
          </index>Unglaubens und der Religionsverachtung</quote>
                            entstehen?</hi> Es ist jetzt die Rede vom Verhältnis der Lehrsätze der
                        augspurgischen Confeßion, oder des christlichen Glaubens, in Absicht des
                            <hi>gemeinen</hi> öffentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterrichts für alle Christen; gar nicht vom Verhältnis gegen den
                        Stand der Gelehrten; alle gelehrten Bestimmungen bleiben ein Geschäfte des
                        besondern Standes in der äusserlichen Geselschaft; haben keine Beziehung auf
                        die eigene moralische <index indexName="subjects-index">
        <term>Vollkommenheit, moralische</term>
      </index>Volkommenheit und <index indexName="subjects-index">
        <term>Seligkeit</term>
      </index>Seligkeit der Christen. Und Gelehrte, als Gelehrte, müsten sich
                        schämen, wenn sie in den Lehrsätzen <foreign xml:lang="lat">de
                            trinitate</foreign> einander solche Irthümer schuld geben, die die
                        eigene Seligkeit anstiessen und umwürfen; denn so wichtig sind alle Fragen
                        der <index indexName="subjects-index">
        <term>Scholastiker</term>
      </index><hi>Scholastiker</hi> und <hi>Dogmatiker</hi> niemalen geachtet
                        worden. Folglich hat der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> zwar seine Meinung hier erzälet;
                        aber nichts vorgebracht, das da zeigte, unser gemeiner <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterricht vom heiligen Geiste, als Urheber geistlicher Wirkungen in
                        uns, durch die christlichen Wahrheiten, <hi>seie eine Quelle des <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Unglaubens</hi>. Daß aber Leute, die schon ein Kitzel sticht,
                            <foreign xml:lang="lat">in abstracto</foreign> etliche Begriffe oder
                        Sätze dahin stellen, und nun auf und <hi>abdiscuriren</hi>, und sich
                        entschliessen, die Lehrbücher der drey Religionsparteien aufzuheben, und
                        einen Entwurf einer algemeinen <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, allgemeine</term>
      </index>Religion zu machen: kan gar nicht angesehen werden, als eine
                        endliche Folge unserer so erbaulichen so leichten Lehre; da diese Folge nur
                        in ihren Köpfen und in ihrer <index indexName="subjects-index">
        <term>Denkungsart</term>
      </index>Denkungsart ist; deren christliche Beschaffenheit wir nicht
                        gestehen. Endlich ist es auch nicht gut ausgedruckt: <foreign xml:lang="grc">πνευμα ἁγιον</foreign> zeigt entweder an, göttlich gewirkte Gaben,
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Talente</term>
      </index>Talente und Kräfte; oder das nomen Dei selbst, welcher diese Gaben
                        mittheilt. Was sol denn dis heissen, <foreign xml:lang="grc">πνευμα
                            ἁγιον</foreign> zeigt das <foreign xml:lang="lat">nomen Dei</foreign>
                        selbst an? In welcher Stelle wol? <choice>
        <abbr>Z. E.</abbr>
        <expan>Zum Exempel</expan>
      </choice> Taufet im Namen des Vaters, und des Sohnes und des heiligen
                        Geistes; da sol es heissen, taufet im Namen des <pb xml:id="bs_b_page_84" n="84" edRef="#b"/> Vaters, des Sohnes, und im Namen GOttes selbst? Ich
                        kenne doch <hi>keine Stelle</hi>, wo <foreign xml:lang="grc">πνευμα
                            ἁγιον</foreign> das <foreign xml:lang="lat">nomen Dei</foreign> selbst
                        anzeige; GOtt hat geredet durch <foreign xml:lang="grc">πνευμα
                            ἁγιον</foreign>, durch seinen Geist – Die Sache verhält sich vielmehr
                        anders; die besondre <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_4_7"/>moralische <index indexName="subjects-index">
        <term>Geographie, moralische</term>
      </index><hi>Geographie</hi>, oder die Ungleichheit der Schriften, woraus in
                        einer Provinz eine Geselschaft ihre Vorstellungen samlete: ist die Ursache
                        von der ungleichen Bedeutung des Ausdrucks, <hi>Geist GOttes, heiliger
                            Geist</hi>. Wie <hi>heiliger Geist</hi> und <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName></hi> in
                        manchen Schriften der ältern christlichen Lehrer <hi>einerley</hi> bedeutet
                        hat, wo heiliger Geist gewis weder Talent noch Namen GOttes heißt: so hat
                        hingegen dieser Ausdruck bey andern <hi>zu gleicher Zeit</hi> eine innere
                        Wirkung GOttes auf den Verstand und Willen der Menschen bedeutet. Folglich
                        sind christliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Ausleger</term>
      </index>Ausleger und Schriftsteller gleich vom Anfange an hierüber getheilet
                        gewesen; aber in keiner Bedeutung ist dieser Ausdruck <quote corresp="#quote_bs_a10_3">eine Quelle des <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Unglaubens</quote>; am wenigsten, in dem öffentlichen
                        Religionssystem, das mit gutem Gewissen hier angenommen oder so und so weit
                        verlassen wird. Wo solte bey gutem Gewissen <index indexName="subjects-index">
        <term>Unglaube</term>
      </index>Unglaube und Verachtung der Religion bestehen können? Auch sogenante
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_4_8"/><hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Pneumatomachen</term>
        </index>Pnevmatomachi</hi> blieben Christen, und gerieten in keine
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsverachtung</term>
      </index>Verachtung der christlichen Religion.</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_4_1"><label>Ich
                            glaube [...] Gaben mittheilt</label>
      <p>Zitat a18.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_4_2"><label>dort
                            schrieb er, [...] seien</label><p>Anspielung und verkürztes Zitat von
                            a10.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_4_3"><label>Clarke</label>
      <p>Gemeint ist der Philosoph und anglikanische Geistliche Samuel Clarke
                            (1675–1729), ein enger Vertrauter Isaac Newtons (1643–1727). Bekannt ist
                            Clarke heute vor allem durch seinen Briefwechsel (1715/16) mit Gottfried
                            Wilhelm Leibniz (1646–1716), in dem die beiden u.a. über die Absolutheit
                            des Raums und die Freiheit des menschlichen Willens stritten. Semler
                            spielt hier jedoch auf die Schrift <hi>The Scripture-Doctrine of the
                                Trinity</hi> (1712; <hi rend="superscript">3</hi>1732) an, in der
                            Clarke eine Trinitätslehre auf biblischer Grundlage entwirft. Zwar wurde
                            das Buch von Zeitgenossen – nicht ganz zu Unrecht – für „arianisch“ oder
                            „subordinatianisch“ gehalten, doch verteidigte Clarke in ihm, im
                            Gegensatz zu Bahrdt, die Lehre von drei göttlichen Personen als
                            schriftgemäß. Vgl. z.B. 1. Auflage, 2. Teil, 292 (§ 22): „The <hi>Holy
                                Spirit of God</hi> does not in Scripture generally signify a mere
                                <hi>Power</hi> or <hi>Operation</hi> of the Father, but a <hi>real
                                Person</hi>.” Eine deutsche Übersetzung (<hi>Die Schrift-Lehre von
                                der Dreyeinigkeit</hi>) war 1774 mit einer Vorrede Semlers
                            erschienen.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_4_4"><label>Metonymie, die Wirkung und Gaben des heiligen Geistes selbst mit
                            diesem Namen belegt</label>
      <p>Eine Metonymie ist ein rhetorisches Stilmittel, bei dem auf eine Sache
                            oder Eigenschaft mittels der Bezeichnung von etwas Bezug genommen wird,
                            das man eng mit dem betreffenden Ding oder der betreffenden Eigenschaft
                            assoziiert. Z.B. kann ein Ort für das dort Befindliche („Washington
                            dementiert“), ein Teil fürs Ganze („Pro-Kopf-Einkommen“) oder die
                            Ursache oder der Urheber für die Wirkung („Rembrandt hängt im Museum“)
                            stehen. – Als ein Beispiel für einen solchen metonymischen Gebrauch des
                            Ausdrucks „Heiliger Geist“ gibt Clarke in <hi>The Scripture-Doctrine of
                                the Trinity</hi> (s.o.), 1. Teil, 213f., die Stelle Mt 12,31f.
                            an.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_4_5"><label><foreign xml:lang="grc">πνευμα</foreign> [...] heißt unleugbar in recht
                            vielen Stellen</label>
      <p>Clarke (s. <ptr type="page-ref" target="erl_b_4_3"/>), 292, gibt u.a.
                            folgende Beispiele: Apg 13,2; Röm 8,26f.; 1Kor 12,8–11; Eph
                        4,30.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_4_6"><label>Wie wil
                            hier eine Quelle des Unglaubens und der Religionsverachtung
                            entstehen?</label>
      <p>Anspielung auf a10.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_4_7"><label>moralische Geographie</label>
      <p>Darunter ist die Beschäftigung mit je nach Weltgegend verschiedenen
                            Charakteren, Sitten und moralischen sowie weltanschaulichen
                            Vorstellungen zu verstehen; siehe auch <ref target="#bs_b_page_VII">b[VII]</ref>. Als Verfasser der ersten moralischen Geographie gilt
                            der italienische Jesuit Daniello Bartoli (1608–1685), <hi>La Geografia
                                Trasportata al Morale</hi> (1664). Eine Unterscheidung von
                            mathematischer, physischer, politischer und moralischer (daneben auch
                            theologischer [vgl. <ref target="#bs_b_page_65">b65</ref>] und
                            merkantilistischer/ökonomischer) Geographie war im 18. Jh. üblich, vgl.
                            z.B. Immanuel Kant, <hi>Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen
                                in dem Winterhalbenjahre, von 1765–1766</hi> (1765), AA 2, 303–313;
                            312 (vgl. auch AA 9, 164).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_4_8"><label>Pnevmatomachi</label>
      <p>Die Pneumatomachen waren eine Gruppierung der frühen Kirche, die die
                            Gottheit des Heiligen Geistes ablehnte. Sie „gerieten [gleichwohl] in
                            keine Verachtung der christlichen Religion“, d.h., sie betrachteten sich
                            weiterhin als Christen.</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>5.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_1"/><quote corresp="#quote_bs_a19_1"><hi>Ich glaube, daß GOtt in und mit <index indexName="persons-index">
            <term>Jesus Christus</term>
            <term type="alternative">Christus</term>
          </index><persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName> war, und
                                daß wir folglich alle den Sohn zu ehren verbunden sind, wie wir den
                                Vater ehren: allein wie GOtt in <persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName> war, ob nach <index indexName="classics-index">
            <term>Athanasius von Alexandrien</term>
          </index><persName ref="textgrid:2sjxr">Athanasius</persName>
                                Vorstellungsart (welche ich gerade für die schlechteste halte) oder
                                nach</hi>
        <index indexName="classics-index">
          <term>Arius</term>
        </index><hi><persName ref="textgrid:3r67m">Arius</persName> oder</hi>
        <index indexName="classics-index">
          <term>Sabellius</term>
        </index><hi><persName ref="textgrid:3r67n">Sabellius</persName> oder
                                eines andern Meynung, das ist für den Zweck der Religion <choice>
            <abbr>d. h.</abbr>
            <expan>das heißt</expan>
          </choice> für die Besserung und Beruhigung der Menschen, sehr
                                gleichgültig, und solte nie mit kirchlicher Autorität entschieden
                                sondern jedem überlassen werden, wie er sichs denken will.</hi>
        <pb xml:id="bs_b_page_85" n="85" edRef="#b"/>
        <hi>Indessen scheint mir so viel aus Vernunft und Schrift bis zur
                                höchsten Evidenz erweislich, daß</hi>
        <index indexName="persons-index">
          <term>Jesus Christus</term>
          <term type="alternative">Christus</term>
        </index><hi><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> und der
                                einige GOtt Jehovah, den er seinen Vater nennt, sehr verschieden
                                sind, und daß wenigstens <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> nicht in dem nämlichen Sinne GOtt heisse,
                                in welchen es der einige GOtt Jehovah heißt; wie er sich denn selbst
                                über diese Benennung <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Joh:10">Joh. 10.</citedRange></bibl> deutlich und ehrlich
                                genug erklärt hat; wenn er denen, die ihm Gotteslästerung vorwarfen,
                                sagt: – Wenn die Schrift alle die GOtt nennt, <foreign xml:lang="grc">προς οὐς ὁ λογος θεου ἐγενετο</foreign>, <choice>
            <abbr>d. h.</abbr>
            <expan>das heißt</expan>
          </choice> die göttliche Aufklärungen zu Belehrung der Menschen
                                erhalten haben, wie könnte ich mir über diese Benennung einen
                                Vorwurf machen, (<foreign xml:lang="grc">ὁν ὁ πατηρ
                                ἡγιασε</foreign>,) da mich der Vater so ganz besonders ausgezeichnet
                                hat.</hi></quote></p>
    <p>Hiebey mache ich folgende Anmerkung. 1) Es wäre nötig, wenigstens sehr gut
                        gewesen, die hier blos abgeschriebenen Worte und Texte, GOtt war in <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName>, wir sollen alle
                        den <index indexName="subjects-index">
        <term>Sohn</term>
      </index>Sohn ehren, wie wir den Vater ehren, mit einer deutlichen Erklärung
                        zu versehen; zumal in einem öffentlichen Bekentnis. 2) Das Urtheil, ob nach
                        des <index indexName="classics-index">
        <term>Athanasius von Alexandrien</term>
      </index><persName ref="textgrid:2sjxr">Athanasius</persName>
                        Vorstellungsart, die der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> gerade für die schlechteste hält,
                        habe ich schon vorhin kurz erläutert; was sol es denn hier heißen? Leser
                        wissen nun nicht, welche Vorstellungsart hier so geschwind, (die
                        schlechteste) beurtheilt werde. 3) Daß die genaue einzige Bestimmung,
                        entweder des <index indexName="classics-index">
        <term>Arius</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r67m">Arius</persName></hi>, oder des
                            <index indexName="classics-index">
        <term>Sabellius</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r67n">Sabellius</persName></hi>, oder
                        der nachherigen hintereinander folgenden <hi>katholischen</hi> Lehrer, für
                        den Zweck der <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, Zweck der</term>
      </index>Religion, <choice>
        <abbr>d. i.</abbr>
        <expan>das ist</expan>
      </choice> für die <index indexName="subjects-index">
        <term>Besserung</term>
      </index>Besserung und <index indexName="subjects-index">
        <term>Beruhigung</term>
      </index>Beruhigung der Menschen sehr gleichgültig sey, ist des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs>
      <hi>eigene</hi> Meinung; und kann doch wenigstens nicht machen, daß alle
                        Lehrer und alle Christen <hi>eben so</hi> urtheilen müsten oder könten.
                        Denn, wenn es genau genommen wird, so redet der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> von der <hi>privat</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatreligion</term>
      </index>Religion, von der eigenen innerlichen Religion, indem er die
                        Besserung und Beruhigung der Menschen <pb xml:id="bs_b_page_86" n="86" edRef="#b"/> ausdrücklich nent; welches ganz gewis zur <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatreligion</term>
      </index>Privatreligion gehöret. Nun kan aber der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> über die <hi>privat</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatreligion</term>
      </index>Religion gewis noch weniger ein Gebot ausgehen lassen, als er dis
                        dem <index indexName="classics-index">
        <term>Athanasius von Alexandrien</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:2sjxr">Athanasius</persName>,</hi>
      <index indexName="classics-index">
        <term>Arius</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r67m">Arius</persName>,</hi>
      <index indexName="classics-index">
        <term>Sabellius</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r67n">Sabellius</persName></hi> selbst
                        zugestehet. Folglich müssen es alle Christen ganz und gar auch frey
                        behalten, zu <index indexName="subjects-index">
        <term>frei urteilen</term>
      </index>urtheilen, ob <hi>für sie selbst</hi> dis wahr ist; daß ihre
                            <hi>Beruhigung</hi> eben so gewis und sicher statt finde, wenn sie
                        verneinen wollen, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_2"/>daß
                            <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> schon vorher zu
                        GOtt gehöre. Dis kann der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nicht nach seiner eignen Einsicht
                        ausmachen. Allein, wie hängt dis nun zusammen, mit seinem vorigen
                        Ausspruche, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_3"/><quote corresp="#quote_bs_a10_1">die Lehren, welche weder in der heiligen
                            Schrift, noch in der Vernunft Grund haben, und eine <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Quelle des Unglaubens und der <index indexName="subjects-index">
          <term>Religionsverachtung</term>
        </index>Religionsverachtung sind</quote>, seien diese, die in unsern
                        Lehrbüchern stünden: von Erbsünde – von Gottheit <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> und des heiligen
                        Geistes. Ich sage, wie hängt dieses nun zusammen? Hier sagt er, es ist für
                        den Zweck der Religion <hi>gleichgültig</hi>, man mag <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName> zu GOtt rechnen, nach unserer
                        kirchlichen öffentlichen Lehre, oder nicht. <hi>Dort aber</hi> sagte er:
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_4"/>diese Lehre gehört
                        zum <quote corresp="#quote_bs_a15_3">unabsehligen <index indexName="subjects-index">
          <term>Systemwust</term>
        </index><hi>Systemwust</hi></quote>, sie ist eine <quote corresp="#quote_bs_a12_7">Quelle des immer mehr einreissenden <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Unglaubens</quote>? Wenn in einem so kurzen Bekentnisse, das
                        doch wohl gehörige Ueberlegung erforderte, solche unreimliche sich
                        aufhebende Beschreibungen vorkommen: wie sollen denn Leser dem <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> die nötige Einsicht und Ueberzeugung
                        zutrauen, wenn er gleich seinen Muth und Unerschrockenheit rümet, womit er
                        alle unsre öffentlichen Lehrschriften, allen Systemwust umreissen, und eine
                        neue Religionsforme oder neuen <index indexName="subjects-index">
        <term>Systemwust</term>
      </index>Systemwust entwerfen wil? Da nun noch dazu unsre öffentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrbücher, öffentliche</term>
      </index>Lehrbücher zur feierlichen äußerlichen Religionsordnung, als
                        Vorschrift, gehören, um eben dergleichen tägliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Anmaßung</term>
      </index>Anmaßungen und <index indexName="subjects-index">
        <term>Übereilung</term>
      </index>Uebereilungen einzeler Schriftsteller zu verhüten, und der
                        unabsehligen Verwirrung der Zeitgenossen vorzubauen; wie kann nun daraus,
                        daß <index indexName="subjects-index">
        <term>Privaturteile</term>
      </index>Privaturtheile über diese <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrformen</term>
      </index>Lehrformen, die für die öf<pb xml:id="bs_b_page_87" n="87" edRef="#b"/>fentliche Geselschaft bestimt sind, noch dazu enthalten
                        können, es seie dem Zweck der Privatreligion gleichgültig, es mag <index indexName="classics-index">
        <term>Athanasius von Alexandrien</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:2sjxr">Athanasii</persName></hi> oder
                            <index indexName="classics-index">
        <term>Sabellius</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r67n">Sabellii</persName></hi>
                        Bestimmung <foreign xml:lang="lat">priuatim</foreign> vorgezogen werden; wie
                        kann, sage ich, hieraus folgen, daß also der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> mit allem Rechte eine Abschaffung
                        unserer <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrbücher, Abschaffung der</term>
      </index>Lehrbücher öffentlich wünschen und fordern dürfe? Unsre <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirchengesellschaft</term>
      </index>Kirchengeselschaft verwechselt die Rechte und Pflichten des Christen
                        nicht mit den Pflichten des Lehrers, den sie öffentlich prüfen und bestellen
                        läßt. Dem und jenen Christen ist es freilich vielleicht genug, (denn
                        entscheiden kann dis niemand) zu wissen und zu glauben, GOtt hat in <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName> mich mit ihm ganz
                        gewis versönet; und er denkt nun, was er kann; – aber von dem Lehrer wil man
                        ja nicht eine Privatreligion jetzt wissen, sondern ob er zu unserer
                        Geselschaft, wie sie von andern öffentlichen kirchlichen Geselschaften
                        unterschieden ist, wirklich selbst als ihr Lehrer und Vertheidiger gehöre!
                        Aber eben dis scheinet der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> für unrecht zu erklären; denn er
                        sagt nun weiter, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_5"/><hi><quote corresp="#quote_bs_a19_2">dis solte nie mit kirchlicher
                                Auctorität entschieden, sondern jedem überlassen werden, wie er
                                sichs denken wil</quote></hi>. Wenn dis auch zu den neuen Wohlthaten
                        gehören sol, womit die algemeine <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, allgemeine</term>
      </index>Religion uns beglücken wil: so ist in der That wenig im Ernst zu
                        erwarten. Es ist ja abermalen <index indexName="subjects-index">
        <term>Verwechslung</term>
      </index><hi>Verwechselung</hi> der Rechte des eigenen besondern <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissens, welches blos gegen GOtt es beurtheilen wil, ob <hi>diese
                            Entscheidung</hi> in meinem Gewissen selbst muß angenommen werden,
                        welche nun die <hi>katholische</hi>, die <hi>arianische, sabellianische,
                            socinianische</hi> heisset; mit den <hi>öffentlichen Rechten</hi> einer
                        ganzen Geselschaft. Wie diese ein für allemal alles entscheidet, was durch
                        Zeit und Ort bestimt werden kan, ob die öffentliche Versamlung zum <index indexName="subjects-index">
        <term>Gottesdienst</term>
      </index>Gottesdienst diese oder jene Umstände und Einrichtung begreifen sol,
                        ohne alle Tage dem Lehrer Abänderungen zu verstatten; ob die Kanzel und
                        Orgel, da oder dort stehen sol, wenn gleich viele einzele Mitglieder darüber
                        anders denken mögen: so entscheidet sie auch die <pb xml:id="bs_b_page_88" n="88" edRef="#b"/>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Redensarten</term>
      </index><hi>Redensarten</hi>, welche zum öffentlichen gemeinen <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterricht, zu Gesängen und Gebeten gleichförmig gebraucht werden
                        sollen. Wenn nun ein Lehrer oder Zuhörer in solche Beschreibungen und
                        Redensarten nicht einwilligen kan und wil: so muß er nicht der Geselschaft
                        es anbieten, sie solte sein täglich anderes Urtheil über sich gelten lassen;
                        sondern er hat die Freiheit, sich von dieser Geselschaft, die dieses
                        festgesetzt hat, zu trennen, und eine andre gottesdienstliche Geselschaft
                        sich auszusuchen. Alle Schüler und Anfänger sind nicht im Stande selbst zu
                            <hi>urtheilen</hi>, indem sie erst den <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterricht anhören und kennen lernen wollen; für diese wird in der
                        öffentlichen Geselschaft gesorget, durch einen gemeinen <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterricht. Die Lehrer, welche den Unterricht ertheilen sollen,
                        werden von der Geselschaft angewiesen, den Unterschied dieser öffentlichen
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Parteien</term>
      </index>Partey von andern öffentlichen Parteien selbst zu kennen und
                        fortzusetzen; denn die Geselschaft hat gar die Grundsätze nicht, sich, in
                        Absicht der äusserlichen Umstände und Rechte, mit allen andern Parteien zu
                        vereinigen; weil sie weder Grund noch Mittel dazu kennet. Sie bestimt also
                        den Unterschied von <hi>socinianischer</hi> Lehre, und wil ihre Mitglieder
                        nicht zu Schülern des <index indexName="persons-index">
        <term>Sozzini, Fausto (Socinus)</term>
      </index><hi><persName>Socinus</persName></hi> selbst machen, weil sie gar
                        keinen Grund dazu hat; es wäre wider die eingewilligten Grundsätze der
                        Geselschaft; es würde tägliche Zerrüttung der öffentlichen Rechte, die
                        ausser dem Gebiet des einzelen <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissens liegen. Wie kan nun ein <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatus</term>
      </index><hi>Privatus</hi> sein Urtheil so hoch ansehen, daß er verlangt, es
                        sol gar keine äusserliche Religionsgeselschaft mehr sich unterscheiden von
                        den andern; sie sollen alle Merkmale eines noch so gewissenhaften
                        Unterschiedes wegschaffen, weil der <hi>Privatus</hi> glaubt, dieser
                        Unterschied seie ohne allen wahren, gültigen, äusserlichen, oder
                            <hi>politischen</hi> Grund? Ich sehe nicht ein, wie der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sein privat Urtheil so gleich und so
                        leicht so hoch erheben kan, daß er <hi>Ort und Zeit</hi>, die Quellen der
                        Individuation und der ungleichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Denkungsart</term>
      </index>Denkungsart, die ganz unvermeidlichen Un<pb xml:id="bs_b_page_89" n="89" edRef="#b"/>terscheidungsstücke aller <hi>äusserlichen</hi>
                        Geselschaften, gleich aus den Augen setzt; als gäbe es unter Menschen eine
                        Geselschaft, die freilich <hi>nach Zeit und Ort</hi> von allen andern
                        Geselschaften änlicher Bestimmung und Absicht, verschieden seyn müste, aber
                        dennoch, <hi>ohne festgesetzte Bestimmung der gebrauchten</hi>
                        Beschreibungen über ihre Grundsätze und Hauptideen, eine
                            <hi>zusammengehörige</hi> äusserliche Geselschaft seyn könte. Da möchte
                        ich doch das Band kennen, wodurch es Eine zusammengehörige
                        Religionsgeselschaft wirklich ist?</p>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_6"/><quote corresp="#quote_bs_a19_3">Indessen scheint mir so viel aus Vernunft und
                            Schrift bis zur höchsten Evidenz erweislich, daß <index indexName="persons-index">
          <term>Jesus Christus</term>
          <term type="alternative">Christus</term>
        </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> und der
                            einige GOtt <index indexName="subjects-index">
          <term>Jehova</term>
        </index>Jehova, den er seinen Vater nent, sehr verschieden sind, und daß
                            wenigstens <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> nicht in
                            dem nemlichen Sinne GOtt heisse, in welchem es der einige GOtt Jehovah
                            heißt.</quote></p>
    <p>Diese Beschreibung ist so sehr mangelhaft, daß ich sagen muß, ein jeder
                            <hi>lutherischer, reformirter, katholischer</hi> Lehrer sage und
                        schreibe ja <hi>eben dieses</hi>; was hat also der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> hiemit gesagt, um sich von der
                        eigenen Kirche, zu der er bisher gehört hatte, mit kentlichem Grunde zu
                        trennen? Denn, so lange das <foreign xml:lang="lat">Subiectum</foreign>,
                            <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>, so unbestimt bleibt,
                        und das <foreign xml:lang="lat">Praedicatum</foreign>, <hi>sehr
                            verschieden</hi>, keine Anzeige der wirklichen Verschiedenheit, worin
                        sie bestehet, bey sich hat: ist gar keine Bedenklichkeit dieses zu sagen,
                            <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> und der einige GOtt
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index>Jehovah sind sehr verschieden; indem es ganz ausgemacht ist, daß
                        niemand sagen kan, der einige GOtt <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index>Jehovah ist eben jener <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>; indem dis der <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> GOttes ist; folglich muß freilich eine
                        Verschiedenheit da seyn. Es ist auch an dem, daß <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>, GOtt, <hi>nicht in dem
                            nämlichen Sinne</hi> GOtt heißt, in welchem es der einige GOtt <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index><hi>Jehovah</hi> heißt; denn Jehovah wird <choice>
        <abbr>z. E.</abbr>
        <expan>zum Exempel</expan>
      </choice> von den Juden aus den Schriften des alten Testaments beschrieben
                        als der, der den Christus sendet; und so können sie so wenig <pb xml:id="bs_b_page_90" n="90" edRef="#b"/> als wir Christen sagen, <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias, <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>, ist in dem
                        nämlichen Sinne eben der <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index><hi>Jehovah</hi>, als dis Wort im alten Testament als ein Name des
                        höchsten Wesens, <hi>an sich</hi>, vorkomt, welcher <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index>Jehovah den Christus sendet. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_7"/>Wenn nun noch dazu die alte christliche Bestimmung
                        des <foreign xml:lang="grc">τροπος ὑπαρξεως</foreign>, oder <foreign xml:lang="grc">ἰδια ὑποστασεως περιγραφη</foreign>, und <foreign xml:lang="lat">notio personalis</foreign> mit dem Worte <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index><hi>Jehovah</hi> verbunden wird, wie es in den christlichen
                        katholischen Lehrbüchern vorkomt: so ist es ausgemacht, daß <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> nicht in der <hi>nämlichen
                            Bedeutung</hi>, derselben <index indexName="subjects-index">
        <term>Person</term>
      </index>Person, GOtt heissen könne. Wozu diente also diese unfruchtbare
                        Anzeige, die in den gemeinen <index indexName="subjects-index">
        <term>Unterricht</term>
      </index>Unterricht der Christen gar nicht gehört? wenigstens ist die
                        Bestimmung der <index indexName="subjects-index">
        <term>Person</term>
      </index>Person nur von Gelehrten zum Widerspruch gegen andre Gelehrte, und
                        zum Unterschied der äusserlichen Geselschaft, aufgebracht worden. Konte es
                        nicht in der grösten Deutlichkeit gesagt werden: <index indexName="subjects-index">
        <term>Logus</term>
      </index><hi>Logus</hi>, der <index indexName="subjects-index">
        <term>Eingeborner</term>
      </index>Eingeborne Sohn, ist auch GOtt, wenn gleich nicht <foreign xml:lang="grc">ὁ Θεος</foreign>, <index indexName="subjects-index">
        <term>Logus</term>
      </index><hi>Logus</hi> war immer bey GOtt; <hi>Logus</hi> und <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:255cd">JEsus</persName></hi> machen den
                        Christus oder <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias <foreign xml:lang="grc">του Θεου</foreign> aus. <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> ist also GOtt, ohne die Person
                        zu seyn, die zwar <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index><hi>Jehovah</hi> heißt, aber niemalen Christus heissen kan. Nun wäre
                        alles klar und deutlich; wer nun den <index indexName="subjects-index">
        <term>Logus</term>
      </index><hi>Logus</hi> nicht als GOtt und Urheber und Retter der
                        unsichtbaren Welt und der geistlichen Kentnissen, annemen wil; wer an diesem
                        Stück des Evangelii <hi>Johannis</hi> gar zweifelt, (obgleich sogar der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_8"/><index indexName="classics-index">
        <term>Julian (Kaiser)</term>
      </index><persName ref="textgrid:3r68m">Kaiser <hi>Julian</hi></persName> zu
                        seiner Zeit noch keinen Zweifel an der Aechtheit dieses Stücks kante, und es
                        der einfältigen Denkungsart, des <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_9"/><foreign xml:lang="grc">ἠλιθιος</foreign>
      <hi>Johannes</hi> geradehin zuschreibet): der muß nun dis sagen, daß er
                        dieses bezweifle und nicht glaube; aber in der wissentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Zweideutigkeit</term>
      </index>Zweideutigkeit des Worts <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index><hi>Jehovah</hi>, das Ein einzig <index indexName="subjects-index">
        <term>Subjekt</term>
      </index><hi>Subject</hi> hier bedeutet, kan er keinen Grund finden. Ich will
                        ganz gerne zugeben, daß <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index><hi>Jehovah</hi> im hebräischen ein einzigs <hi>Subject</hi>, oder
                        Person, anzeige; weil die den <hi>katholischen</hi> Christen geläufige
                        Auslegung mancher Stellen, von dem <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias oder <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_10"/>En<pb xml:id="bs_b_page_91" n="91" edRef="#b"/>gel des Angesichtes
                        GOttes, zunächst auf dem Einflusse der Beschreibungen des neuen Testaments
                        beruhet. Wie diese Beschreibungen wieder eine besondre Auslegung mancher
                        Stellen des alten Testaments zum Grund haben, welche Auslegung ebenfals
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Auslegung, lokale</term>
      </index><hi>local</hi> und nicht allen Juden gleich gemein gewesen. Aber,
                        wenn nun auch <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>, als GOtt und
                        Urheber der geistlichen Welt, jetzt erst diesen besondern Zeitgenossen
                        bekant worden, wogegen <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index><hi>Jehovah</hi>, den die Juden bisher in der sichtbaren Welt über
                        sich regieren liessen, die eher bekante Person nun hies: hatte diese
                            <hi>neue Kentnis</hi> eines göttlichen Subjects keinen eben so
                        gewissenhaften Grund für diese Liebhaber der geistlichen unsichtbaren Welt?
                        Sie haben also den Namen <index indexName="subjects-index">
        <term>Jehova</term>
      </index><hi>Jehovah</hi>, oder <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_11"/><foreign xml:lang="grc">ὁ Θεος των ὁλων</foreign>,
                        von nun an unterschieden von dem Logos, oder <index indexName="subjects-index">
        <term>Eingeborner</term>
      </index>Eingebornen, und von <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>; aber dieser
                        Unterschied betraf ja nicht das, was das allerhöchste Wesen <hi>an sich</hi>
                        ausmacht, und von endlichen Dingen, die ausser einander sind, <hi>durch</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Vervielfältigung</term>
      </index><hi>Vervielfältigung</hi> ihrer Natur, unterscheidet; hie ist
                            <foreign xml:lang="grc">Θεος</foreign> und <foreign xml:lang="grc">ὁ
                            Θεος</foreign> einerley; sondern einen anders bestimten <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_12"/><foreign xml:lang="grc">τροπον ὑπαρξεως</foreign> des Einen höchsten Wesens,
                        dessen weitere Entwickelung entweder, der Unbegreiflichkeit wegen, gar nicht
                        versucht wurde; oder von Lesern des neuen Testaments eben aus den
                        Beschreibungen, mein Vater, der Vater, der <index indexName="subjects-index">
        <term>Eingeborner</term>
      </index>Eingeborne, der einzige höchste Sohn, der <index indexName="subjects-index">
        <term>Erstgeborner</term>
      </index>Erstgeborne, durch den alles geschaffen ist – nach ihrem gutem
                        Gewissen zusammen gesetzt worden, welche in dieser unsichtbaren Welt sich
                        auch einen <index indexName="subjects-index">
        <term>Zusammenhang</term>
      </index>Zusammenhang GOttes dachten, wozu sie allerley Schriftstellen
                        erbaulich anwendeten. Ist hier etwas geradehin <index indexName="subjects-index">
        <term>unvernünftig</term>
      </index>unvernünftiges und tadelnswürdiges? <hi>Es ist der <index indexName="subjects-index">
          <term>Gewissens, freier Gebrauch des</term>
        </index>freie Gebrauch des Gewissens</hi> gegen den Inhalt daseiender
                        Schriftstellen oder mündlicher Belehrungen: welcher Gebrauch des Gewissens
                        jederzeit die eigene Religion bestimt und ausmacht.</p>
    <p><pb xml:id="bs_b_page_92" n="92" edRef="#b"/>
      <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_13"/>Daß sich <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>
      <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Joh:10">Johan.
                                10.</citedRange></bibl> deutlich und <hi>ehrlich</hi> (welch eine
                        Beschreibung! ehrlich genug?) genug erklärt habe: ist ja ebenfals nichts
                        weiter, als des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> eigene Meinung, wodurch eine
                        richtigere und volständige <index indexName="subjects-index">
        <term>Auslegung</term>
      </index>Auslegung nicht aufgehoben werden kann. Der Zusammenhang der Rede
                        ist ein Vortrag <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> von dem
                        geistlichen Verhältnis des <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias; <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Joh:10:24"><choice>
            <abbr>v.</abbr>
            <expan>Vers</expan>
          </choice> 24.</citedRange></bibl> fragten die Juden, bist du denn
                        der Christus? sage es uns doch gerade heraus. <persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> antwortet also: schon lange habe ich euch durch meine
                        Lehre und Handlungen zu überzeugen gesucht, daß eure Begriffe vom <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias gar nicht mit den Absichten GOttes einstimmen; aber ihr wolt
                        keinen solchen Messias; ihr gehört nicht zu der Heerde, die GOtt dem Messias
                        angewiesen hat; meine Schaafe folgen mir, wie ich sie füre und lehre;
                        freilich füre ich nicht in ein leibliches <index indexName="subjects-index">
        <term>Reich</term>
      </index>Reich auf Erden: sondern ich füre sie alle zum ewigen Leben; da ist
                        kein Untergang der Heiden zu erwarten; aller Widerstand, den ihr mir
                        entgegen setzt, ist vergeblich. Die Verordnung GOttes kann niemand
                        umstossen; ihr werdet doch glauben, daß ihr GOtt nicht überwinden könt. Ich,
                        der ich dieses lehre und immermehr bewerkstellige, was GOtt haben und durch
                        den <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias ausrichten wil; und mein Vater, der nur einen solchen Meßias
                        verordnet hat, sind Eins; wer sich mir widersetzet, der widersetzet sich
                        GOtte. Da wolten die Juden ihn steinigen; du bist doch ein Mensch und wir
                        sollen dich eben so ehren als GOtt; das ist eine Lästerung – <persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> antwortet nun: euer Eifer ist sehr
                        ungegründet und ist sogar euren heiligen Schriften entgegen. Nicht wahr, der
                        Name <hi>Elohim</hi> wird dort ohne allen Anstos solchen Menschen beigelegt,
                        die im Namen GOttes diese und jene Aussprüche bekant machten; weil sie
                        hiemit an dem Ansehen und der Hoheit GOttes Theil namen? Nun schließt vom
                        Kleinen aufs Große! Kent ihr die alten Grundsätze nicht mehr, wonach man den
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index><hi>Meßias</hi> also beschreibet, daß GOtt ihn über alles außer ihm
                        gesetzt habe; daß dis der <pb xml:id="bs_b_page_93" n="93" edRef="#b"/> Sohn
                        GOttes ist, der immer bey dem Vater in der unsichtbaren Welt ist; wenn nun
                        GOtt diesen Sohn in die Welt gesendet hat, wie er mich wirklich gesendet
                        hat: ist das eine Lästerung, wenn ich sage, der Sohn und sein Vater sind
                        Eins? beurtheilet, was ich zeither unter euch vorneme, ob es große GOtt
                        würdige Anstalten sind? wenn sie es nach euren guten <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissen nicht sind, alsdenn habet ihr ein Recht, mir nicht zu
                        glauben <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice></p>
    <p>Nun wollen wir diese Rede <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> näher untersuchen.
                        Der Satz, den er den Juden vorhält, ist als <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_14"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Obersatz</term>
      </index><hi>Obersatz</hi> von ihnen eingestanden; es gibt einen Sohn, der
                        bey GOtt ist, der von GOtt selbst von jeher über alle endliche Dinge gesetzt
                        ist, (<foreign xml:lang="grc">ἡγιασε</foreign>) und der in die Welt kommen
                        sol, um das wahre Verhältnis des <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias auszurichten oder zu bewerkstelligen. Ja, sagen die Juden,
                        das wissen wir. Der <index indexName="subjects-index">
        <term>Untersatz</term>
      </index><hi>Untersatz</hi> aber, dieser <persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> ist in irgend einer Bestimmung dieser <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias und Sohn GOttes, wird von ihnen geleugnet, weil sie die
                        algemeine geistliche Bestimmung des <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias nicht kanten und glaubeten. Vorausgesetzt also, das bisherige
                        unsichtbare Daseyn dieser Person bey GOtt, ehe sie in die sichtbare Welt
                        gesendet, oder unter den Menschen nun weiter bekant wird: wie unbillig und
                            <hi>unehrlich</hi> müsten wir handeln, wenn wir nicht aus eben diesem
                        Evangelio <hi>Johannis</hi> und aus andern Stellen, die von dieser so
                        charakteristischen <index indexName="subjects-index">
        <term>Person</term>
      </index>Person reden, uns alle nur mögliche Belehrung aus allerley Zeiten
                        und Schriften der Apostel samlen wolten? <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_15"/>Es ist ja vielmehr klar, daß <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName>
      <hi>für diese Zuhörer</hi> jetzt ein mehrers nicht anbringen konte; deswegen
                        aber blieben ja alle jene ausfürlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Begriffe, welche andre von diesem <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias sich gesamlet hatten, wirklich stehen, wenn gleich <persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> diesen Juden nicht alle einzele
                        Stücke hier jetzt vortragen konte. Er wil ja offenbar diese Zuhörer nur auf
                        die erste Stufe des eigenen gewissenhaften <index indexName="subjects-index">
        <term>Nachdenken</term>
      </index>Nachdenkens bringen, und den allerersten Anstos ihnen benemen. Dis
                            <pb xml:id="bs_b_page_94" n="94" edRef="#b"/> ist aber folglich nicht
                        die allerdeutlichste Stelle, wonach man alle andern wieder einschränken und
                        ihren Inhalt kleiner machen dürfte. Wer wolte so unbillig und unrecht
                        handeln? Die <index indexName="subjects-index">
        <term>Juden</term>
      </index>Juden setzen hier voraus, <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> ist ein gemeiner
                        Mensch; <persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> sagt, ich bin jener
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias, jener Sohn GOttes, dem sein Vater das allergrößte unendliche
                        moralische Verhältnis beigelegt hat; der sonst bey dem Vater, und auf Erden
                        noch nie beschäftiget war; den er nun zu euch gesendet hat. Hat dieser nicht
                        das Recht, dis sein großes unendliches Verhältnis gegen GOtt euch bekant zu
                        machen, und es sich bey euch beizulegen? Hier wil nun der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sagen, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_16"/><index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> wolle deutlich und
                        ehrlich nur so viel anzeigen, <hi>ich kan mir über diese Benennung keinen
                            Vorwurf machen</hi>. Es ist ja die Rede nicht davon, ob sich <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName> einen Vorwurf machen
                        könne, oder nicht könne: sondern ob die Juden nicht einräumen müssen, daß
                        der <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias vielmehr seie, in einem viel größern Verhältnis gegen alle
                        Menschen stehe, als je ein gewesener Prophet oder ehemaliger Oberster ihres
                        einzelen Volks? Wenn nun dis keine <index indexName="subjects-index">
        <term>Gotteslästerung</term>
      </index>Gotteslästerung war, daß die Schrift schon ehedem solche Menschen
                            <hi>Elohim</hi> nent: wie können Juden einen Grund haben, denjenigen
                        einer Gotteslästerung zu beschuldigen, der sich als den <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index>Meßias angibt; von welchem Meßias sie alle gestehen, daß GOtt ihm
                        eben das algemeine Verhältnis beigelegt habe, wonach ihm Menschen, wenn er
                        in die Welt komt, eben die Ehre beilegen sollen, und eben so glauben, als
                        GOtt, sein Vater, ihm schon beigelegt hat. Alles ist hier <index indexName="subjects-index">
        <term>Historie</term>
      </index>Historie; ist vorausliegende Vorstellung denkender Juden von dem
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Messias</term>
      </index><hi>Meßias</hi>; aber noch immer unbestimte jüdische Vorstellung.
                        Eben der <index indexName="persons-index">
        <term>Johannes</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:2z6t3">Johannes</persName></hi> setzt
                        nun die <hi>christliche neue</hi> Bestimmung dazu; <index indexName="subjects-index">
        <term>Logus</term>
      </index><hi>Logus</hi> ist GOtt, oder ein <hi>Subiect</hi>, das zu GOtt, und
                        nicht zu Geschöpfen gehört; er war immer bey GOtt; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_17"/>der <index indexName="subjects-index">
        <term>Eingeborner</term>
      </index>Eingeborne, der gleichsam im ewigen Schooße des Vaters ist; und nun
                        alle Beschreibungen aus dem Briefe an die <hi>Hebräer</hi> und <pb xml:id="bs_b_page_95" n="95" edRef="#b"/> andern Briefen <index indexName="persons-index">
        <term>Paulus</term>
      </index><persName ref="textgrid:251kf">Pauli</persName>. Die müssen zu
                        unserm christlichen Unterricht <hi>notwendig</hi> jener <index indexName="subjects-index">
        <term>Rede Jesu, lokale</term>
      </index>localen Rede <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName> vorgezogen werden,
                        der mit Juden zu thun hatte, welche von der Kentnis der ewigen geistlichen
                        Welt noch weit entfernt waren. Nimmermehr aber fält es einem Christen ein,
                        den einigen GOtt, in Ansehung des wesentlichen Verhältnisses dem GOtt
                            <hi>Logos</hi>, oder dem <index indexName="subjects-index">
        <term>Eingeborner</term>
      </index>Eingebornen, der immer bey GOtt ist, der unendlichen Natur nach, zu
                            <hi>opponiren</hi>; das <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissen des Christen behält es frey, dis dem Begrif der <index indexName="subjects-index">
        <term>Unendlichkeit</term>
      </index>Unendlichkeit anzurechnen, daß er weiter davon nichts verstehen
                        kann; dis überhebt ihn aber der Pflicht nicht, den <index indexName="subjects-index">
        <term>Urkunden, christliche</term>
      </index>Urkunden der christlichen Religion aufrichtig selbst nachzudenken,
                        und an den Vater und Sohn des Vaters gleichgut zu glauben. Wir überlassen
                        also dem <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_5_18"/><hi>es mag ihm</hi> dis oder jenes
                            <hi>scheinen</hi>; wir glauben, daß <index indexName="subjects-index">
        <term>Eingeborner</term>
      </index>Eingeborner, <index indexName="subjects-index">
        <term>Erstgeborner</term>
      </index>Erstgeborner vor aller Creatur, einer der im Schooße des Vaters ist,
                        zu GOtt und zur Ewigkeit gehöre; wenn wir gleich es nicht, der bestimten Art
                        und Weise nach, verstehen und erklären können; wie es uns mit andern
                        wesentlichen praedicatis des allerhöchsten Wesens gehet, die wir doch gewis
                        glauben, wenn wir sie gleich nicht ihrer innern Beschaffenheit nach erklären
                        können, weil wir endliche eingeschränkte Menschen sind, die das <index indexName="subjects-index">
        <term>Unendliche, das</term>
      </index>Unendliche nicht aus ihren <index indexName="subjects-index">
        <term>Gesichtskreis</term>
      </index>Gesichtskreise berechnen dürfen. <hi>Oder</hi> ist das höchste Wesen
                        sonst nichts, als was ich durch meine Gedanken erst bestimme und
                        festsetze?</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_1"><label>Ich
                            glaube [...] ausgezeichnet hat</label>
      <p>Zitat a19f.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_2"><label>daß
                            Christus schon vorher zu GOtt gehöre</label>
      <p>Semler spricht hier (vgl. auch <ref target="#bs_b_page_94">b94f.</ref>)
                            die Lehre von der Präexistenz Christi an, gemäß der Jesus Christus
                            bereits „vor“ seinem irdischen Leben oder gar „vor“ der Welt existierte,
                            vgl. z.B. Joh 17,5. In der Regel wurde das „vor“ dabei im Sinne einer
                            zeitlos-ewigen (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_3_5"/>)
                            Existenz Christi interpretiert. Eine solche Deutung ist vollauf
                            verträglich mit der Auffassung, das zeitliche Menschsein Jesu Christi
                            beginne mit Marias Empfängnis, vgl. z.B. Thomas von Aquin, <hi>Summa
                                Theologiae</hi> III, q. 16, a. 6.9.10. Sozinianer (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_6"/>) und Unitarier (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_c_8"/>) lehnten die Präexistenz-Lehre
                            ab.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_3"><label>die
                            Lehren [...] Quelle des Unglaubens und der Religionsverachtung
                            sind</label>
      <p>Zitat a10.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_4"><label>diese
                            Lehre gehört zum unabsehligen Systemwust, sie ist eine Quelle des immer
                            mehr einreissenden Unglaubens?</label>
      <p>Vgl. a15 („unübersehligen Wust der Systemsreligion“), a10 („Quelle des
                            Unglaubens“), a13 („überall einreissenden Unglaubens“).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_5"><label>dis
                            solte [...] wie er sichs denken will</label>
      <p>Zitat a19.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_6"><label>„Indessen scheint mir [...] GOtt Jehovah heißt.“</label>
      <p>Zitat a19.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_7"><label>Wenn
                            [...] die [...] Bestimmung des <foreign xml:lang="grc">τροπος
                                ὑπαρξεως</foreign>, oder <foreign xml:lang="grc">ἰδια ὑποστασεως
                                περιγραφη</foreign>, und notio personalis mit dem Worte Jehovah
                            verbunden wird</label>
      <p>In der traditionellen christlichen Theologie werden die drei Personen
                            (Vater, Sohn, Heiliger Geist) der Gottheit auch als „Hypostasen“ (gr.
                                <foreign xml:lang="grc">ὑπόστασις</foreign>; eigentlich:
                            „Grundlage“) bezeichnet. Da nach athanasianischem Verständnis (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_36"/>) besagte Personen nicht
                            identisch miteinander sind, wurde die Angabe einer jeweils
                            charakteristischen Seinsart (gr. <foreign xml:lang="grc">τρόπος</foreign>), identifizierenden Beschreibung (gr. <foreign xml:lang="grc">περιγραφή</foreign>), eines begrifflichen
                            Unterscheidungsmerkmals (lat. <hi>notio</hi>) etc. für nötig erachtet.
                            Vgl. ausführlich die von Semler herausgegebene und kommentierte
                                <hi>Evangelische Glaubenslehre</hi> I (1759) Siegmund Jacob
                            Baumgartens, § 16; zu Christus v.a. die Thesen VI–VIIII,
                        479–493.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_8"><label>Kaiser
                            Julian</label>
      <p>Julian (331/32–363), von seinen christlichen Gegnern „Apostata“ genannt,
                            römischer Kaiser (361–363), Philosoph und Literat. Julian war der letzte
                            Nicht-Christ auf dem römischen Thron. Er versuchte den Einfluss des
                            Christentums in der Verwaltung des Reichs zurückzudrängen und heidnische
                            Kulte und das Judentum zu stärken. Obwohl es unter seiner Regentschaft
                            keine staatlich organisierte Christenverfolgung gab, wurde Julian von
                            späteren kirchlichen Autoren häufig dämonisiert. In seiner Schrift
                                <hi>Gegen die Galiläer</hi> (<foreign xml:lang="grc">Κατὰ
                                Γαλιλαίων</foreign>) unterzog er das Christentum einer umfassenden
                            Kritik. Das Werk ist verloren, aber zumindest das erste der drei Bücher
                            in Teilen rekonstruierbar, da antike christliche Apologeten
                            (insbesondere Kyrill von Alexandrien) aus ihm zitierten. In den
                            erhaltenen Fragmenten diskutiert Julian u.a. den Prolog des
                            Johannesevangeliums, ohne an seiner Echtheit zu zweifeln.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_9"><label><foreign xml:lang="grc">ἠλιθιος</foreign> Johannes</label>
      <p>Julian (s. <ptr type="page-ref" target="erl_b_5_8"/>) hatte eine geringe
                            Meinung vom Evangelisten Johannes, den er für die in seinen Augen ebenso
                            absurde wie verderbliche Meinung, Jesus sei Gott, verantwortlich machte
                            (vgl. Gegen die Galiläer, Fragmente 79.80 [Zählung Masaracchia]). Nicht
                            belegt ist hingegen, dass er Johannes „dumm“ (gr. <foreign xml:lang="grc">ἠλίθιος</foreign>) nannte. Semler mag hier ein
                            gelehrtes Wortspiel beabsichtigt haben: „<foreign xml:lang="grc">ἠλίθιος</foreign> Johannes – dummer Johann – Dummerjan“.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_10"><label>Engel
                            des Angesichtes GOttes</label>
      <p>Vgl. Ex 33,14f.; Jes 63,9. Semler lehnte die keineswegs nur unter
                            „katholischen“ (s. Text) Theologen verbreitete, auf Christus
                            vorausdeutende typologische oder allegorische Auslegung des Alten
                            Testaments im Allgemeinen und die Identifizierung des hier genannten
                            Engels mit Christus im Besonderen ab. Vgl. schon seine „Fortsetzung der
                            historischen Einleitung in die dogmatische Gottesgelersamkeit“, die er
                            dem 3. Band der von ihm herausgegebenen <hi>Evangelische[n]
                                Gotteslehre</hi> (1760) Siegmund Jacob Baumgartens voranstellte
                            (30–148): „Sehr vieles gehört zu den <hi>Altertümern</hi> und der
                            gottesdienstlichen Geschichte der Juden, nicht aber in unsre
                                <hi>Theologie</hi>; [...] gleichwie der bestimte Vortrag der Lehre
                            von GOtt, den götlichen Personen und Eigenschaften in der Vorstellung
                            der oeconomia V.T. [d.i. der Ordnung des Alten Testaments] nicht
                            eigentlich vorkommen kann, ohne den Vorzug des neuen Bundes [...] zu
                            schmälern“ (117f.).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_11"><label><foreign xml:lang="grc">ὁ Θεος των ὁλων</foreign></label>
      <p>Wörtlich „der Gott von allen [d.i. der ganzen Welt]“; der Ausdruck ist
                            nicht biblisch, kommt aber bei einigen Kirchenlehrern (z.B. Origenes,
                            Theodoret) vor.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_12"><label><foreign xml:lang="grc">τροπον ὑπαρξεως</foreign></label>
      <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_5_7"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_13"><label>Daß
                            sich Christus Johan. 10. deutlich und ehrlich [...] genug erklärt
                            habe</label>
      <p>Anspielung auf a19 (mit polemischem Einschub Semlers).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_14"><label>Obersatz [...] Untersatz</label>
      <p>Begriffe aus der aristotelischen Logik. Ober- und Untersatz sind die
                            Prämissen eines Syllogismus, aus denen sich die Schlussfolgerung
                            (Konklusion) mit logischer Notwendigkeit ergibt. Semler denkt hier in
                            etwa an folgenden Schluss: 1. (Obersatz) Der Sohn Gottes ist über alle
                            endlichen Dinge gesetzt und kommt in die Welt, um das wahre Verhältnis
                            des Messias auszurichten. 2. (Untersatz) Jesus ist der Sohn Gottes. 3.
                            (Konklusion) Jesus ist über alle endlichen Dinge gesetzt und kommt in
                            die Welt, um das wahre Verhältnis des Messias auszurichten. – Da die
                            Juden (3) bestreiten, müssen sie, wenn sie sich nicht in Widersprüche
                            verwickeln wollen, (mindestens) eine der Prämissen zurückweisen. Sie
                            lehnen (2), den Untersatz, ab. </p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_15"><label>Es ist
                            ja vielmehr klar, daß Jesus [...] nicht anbringen konte</label>
      <p>Hier und im Folgenden wendet Semler die häufig mit seinem Namen
                            verbundene, jedoch schon bei Autoren wie Baruch Spinoza (1632–1677) oder
                            Jean-Alphonse Turretini (1671–1737) zu findende, sog.
                            Akkommodationstheorie an, gemäß der die Propheten bzw. Jesus und die
                            Apostel aus pädagogischen Gründen ihre Lehre den religiösen und
                            weltanschaulichen Vorstellungen der jeweiligen Zuhörerschaft angepasst
                            haben. Vgl. z.B. Semler über Origenes <ptr type="page-ref" target="#erl_b_7_4"/>; zur doppelten Lehrart <ptr type="page-ref" target="#erl_c_9"/>; <ref target="#bs_d_page_151">d151</ref>; <ref target="#bs_f_page_194">f194f.</ref></p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_16"><label>Jesus
                            wolle deutlich und ehrlich [...] keinen Vorwurf machen</label>
      <p>Kompiliertes Zitat <ref target="#bs_a_page_19">a19f.</ref></p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_17"><label>der
                            Eingeborne, der gleichsam im ewigen Schooße des Vaters ist</label>
      <p>Vgl. Joh 1,18.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_5_18"><label>es mag
                            ihm dis oder jenes scheinen</label>
      <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_19">a19</ref> („Indessen scheint
                            mir [...]“), vgl. <ref target="#bs_b_page_89">b89</ref>.</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>6.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_1"/><quote corresp="#quote_bs_a20_1"><hi>Daß für Christen der Glaube an <index indexName="persons-index">
            <term>Jesus Christus</term>
            <term type="alternative">Christus</term>
          </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesum Christum</persName> die
                                unausbleibliche Bedingung der Seeligkeit sey, ist unleugbar. Allein
                                daß sich diese Verbindlichkeit auch auf die Nichtchristen erstrecke,
                                halte ich für unvernünftig, unmenschlich und schriftwidrig. Und daß
                                dieser Glaube in einer Ergreifung und Zueignung des Verdienstes
                                    <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> bestehe, halte
                                ich für eben so falsch.</hi>
        <pb xml:id="bs_b_page_96" n="96" edRef="#b"/>
        <hi>Wenigstens steht im neuen Testament so wenig von diesem Begrif des
                                Glaubens, daß es mir ein Räthsel ist, wie die Lehrer der Kirche je
                                haben drauf fallen können. Der Glaube an <index indexName="persons-index">
            <term>Jesus Christus</term>
            <term type="alternative">Christus</term>
          </index><persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName> ist
                                Annehmung und Befolgung der Lehre <persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName>, und festes Vertrauen auf seine mit seinem Tode
                                besiegelten Verheißungen einer künftigen Seeligkeit der
                                Tugendhaften.</hi></quote></p>
    <p>1) Stehet denn etwa in den <index indexName="subjects-index">
        <term>symbolische Bücher</term>
      </index><hi>symbolischen</hi> Büchern der drey Parteien dergleichen
                        Behauptung? daß auch diejenigen, so nichts von der christlichen Religion
                        gehört haben, gar nichts davon wissen, dennoch danach, nach den Grundsätzen
                        der Christen, von GOtt gerichten<!-- gerichtet SF? --> werden? Wissen wir
                        etwa nicht, was <index indexName="persons-index">
        <term>Paulus</term>
      </index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName>
      <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Röm:2:12">Röm. 2,
                                12.</citedRange></bibl> schon gelehret hat, von denen, die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_2"/><foreign xml:lang="grc">ἀνομως</foreign>, ohne ein geschrieben jüdisches <index indexName="subjects-index">
        <term>Gesetz, jüdisches</term>
      </index>Gesetz leben? Jederman, der zu Gelehrten gehört, weis es, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_3"/>seit dem alten Urheber
                        der Bücher <foreign xml:lang="lat">de vocatione gentium</foreign> – warum
                        wird also hier diese ganz zufällige Anzeige eingerückt? 2) Daß der Glaube an
                            <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Jesum Christum</persName> in einer
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Zueignung des Verdienstes Christi</term>
      </index>Zueignung des Verdienstes <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> bestehe: hält der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> für falsch; glaubt auch, daß davon
                        nichts im neuen Testament stehe; sagt also, es seie ihm ein Räthsel, wie die
                        Lehrer der Kirche je haben drauf fallen können. Ist denn nun dis was großes
                        und wichtiges? Dem <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> kann gar vieles als ein Räthsel
                        vorkommen, und dieses, sein Denken, hat doch weiter gar keine Wichtigkeit.
                        Uns mus es sonderbar vorkommen, daß er solche unerhebliche Anzeigen drucken
                        läßt; und so alte <hi>socinianische</hi> Anmerkungen als wichtige
                        Verbesserungen des öffentlichen Lehrbegrifs, öffentlich empfielet. Ueber
                            <hi>Worte</hi> sol doch wol nicht jetzt ein Krieg entstehen? <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohltaten Christi</term>
      </index><hi>Wohlthaten</hi> oder <index indexName="subjects-index">
        <term>Gnade</term>
      </index><hi>Gnade</hi>
      <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>; das ist, was wir ihm von
                        geistlichen Vortheilen zu danken haben: und <index indexName="subjects-index">
        <term>Verdienst Christi</term>
      </index><hi>Verdienst</hi>
      <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, ist in der ganzen
                        christlichen Welt einerley. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_4"/><foreign xml:lang="lat"><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>
        <hi>meruit</hi> nobis</foreign>, und <foreign xml:lang="lat"><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>
        <hi>peperit</hi>, procurauit, consecutus est suis studiis hominum
                            bono</foreign>, <pb xml:id="bs_b_page_97" n="97" edRef="#b"/> ist
                        einerley, in der <hi>lateinischen</hi> christlichen Welt; und diesem <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> ist es ein Räthsel, wie die Christen
                        sich diese <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohltaten Christi</term>
      </index>Wohlthaten <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, dieses <foreign xml:lang="lat">meritum</foreign>
      <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, <foreign xml:lang="lat">id, quod meruit Christus</foreign>, <hi>zueignen</hi> wollen? Es ist
                        ihm ein Räthsel! <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> ist
                        Urheber und Mitler eines neuen bessern <index indexName="subjects-index">
        <term>Bund, neuer</term>
      </index>Bundes, hat einen neuen lebendigen Weg geöfnet, hat eine ewige
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Erlösung</term>
      </index>Erlösung von der Sünde geschaft; durch <persName ref="textgrid:255cd">Christum Jesum</persName> ist eine solche Erlösung
                        geschaft worden, worin sich lauter Gnade GOttes thätig offenbaret, –; und
                        wir sollen keinen Grund haben, zu sagen, wir eignen uns durch <hi>den</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaube</term>
      </index><hi>Glauben</hi> durch lebendige Vorstellung und Genemhaltung zu,
                        alle diese Wohlthaten <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>? Wil
                        denn der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> Oberherr über unsern Verstand, über
                        unsre Urtheile, und die darin gegründeten wörtlichen Aeußerungen und
                        Beschreibungen seyn? Und wie beschreibet er denn den Glauben an <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName>? Er sagt: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_5"/><quote corresp="#quote_bs_a20_2">der Glaube an <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName> ist Annemung und Befolgung der Lehre <persName ref="textgrid:255cd">JEsu</persName>, und festes Vertrauen auf seine
                            mit seinem Tode besiegelte Verheissung einer künftigen Seligkeit der
                            Tugendhaften.</quote>“ Folglich, weil er nur also den Glauben an
                            <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName> beschreibet, so haben
                        alle bisherige Christen unrecht, da sie sagten, der Glaube an <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName> bestehet in Ergreifung und
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Zueignung des Verdienstes Christi</term>
      </index>Zueignung seines Verdienstes oder seiner <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohltaten Christi</term>
      </index>Wohlthaten. Ich gestehe es wieder, daß es mich verdrießt, auf solche
                        Kleinigkeiten und <index indexName="subjects-index">
        <term>Mikrologie</term>
      </index><hi>Mikrologien</hi> etwas zu antworten. 1) Die <index indexName="subjects-index">
        <term>Verheißungen</term>
      </index><hi>Verheissungen</hi>
      <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> sind also doch auch ein
                        Gegenstand des Glaubens an <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName>, und zwar <hi>der erste Gegenstand</hi>, wider die
                        falschen Einbildungen der Juden und Heiden, in Absicht ihrer
                            <hi>äusserlichen</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>gottesdienstlich</term>
      </index>gottesdienstlichen Beschäftigungen; die ersten <index indexName="subjects-index">
        <term>Verheißungen</term>
      </index><hi>Verheissungen</hi>
      <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> betreffen unsere jetzige
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Seligkeit</term>
      </index>Seligkeit, die wir sonst nicht kennen und nicht finden; enthalten
                        eine neue volkommenere Art, GOtt wohlzugefallen, mit Vergebung unserer
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Vergebung der Sünden</term>
      </index>Sünden. Wer nun diese verheissenen Sachen ergreift, der glaubet
                        selbst an <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName>; wer diese
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Verheißungen</term>
      </index>Verheissungen als Wohlthaten, die <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Chri<pb xml:id="bs_b_page_98" n="98" edRef="#b"/>stus</persName> geschaft und versichert hat, mit eigenem
                        Wunsche annimt: der ergreifet dasjenige, was ihm ohne <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName> felete, und ihm
                        doch unentberlich ist zu seiner jetzigen geistlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohlfahrt, geistliche</term>
      </index>Wohlfart und Seligkeit. Wenn nun der Glaube bestehet in
                            <hi>Annemung</hi> und <index indexName="subjects-index">
        <term>Vertrauen</term>
      </index>Vertrauen auf die <index indexName="subjects-index">
        <term>Verheißungen</term>
      </index>Verheissungen <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>: und
                        unsre christlichen Vorfaren haben vor mehr als 1000 Jahren gesagt, ich
                        ergreife diese <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohltaten Christi</term>
      </index>Wohlthaten und dieses <index indexName="subjects-index">
        <term>Verdienst Christi</term>
      </index>Verdienst <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>: warum sol denn
                        von andächtigen Christen in unserer Zeit nicht mehr also geredet werden? Dis
                        wäre ja ein unerhörter <index indexName="subjects-index">
        <term>Zwang</term>
      </index>Zwang und eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen, Tyrannei über</term>
      </index>Tiranney über die Gewissen und Gedanken der Christen? 2) <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>
      <hi>lehret</hi> nicht blos, was <hi>wir</hi> in unserm Leben thun und
                        beobachten sollen, als Pflichten gegen andre Menschen; sondern er <hi>lehret
                            auch von sich selbst</hi>, wofür wir <hi>ihn</hi> halten und annemen
                        sollen, wozu GOtt den <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName>
                        gemacht und bestimt hat; hier hat der Glaube des Christen freies offenes
                        Feld, und läßt es sich von niemand, geschweige von dem <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>, verengern; <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> ist meine rechte <index indexName="subjects-index">
        <term>Versöhnung</term>
      </index>Versönung, meine <index indexName="subjects-index">
        <term>Gerechtigkeit</term>
      </index>Gerechtigkeit, die muß GOtte wohl gefallen; denn er hat <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName> für mich gemacht zur
                        Gerechtigkeit, <index indexName="subjects-index">
        <term>Heiligung</term>
      </index>Heiligung, <index indexName="subjects-index">
        <term>Erlösung</term>
      </index>Erlösung, daß ich gerecht, weise und erlöset würde, <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> ist mein allerbester
                        Hoherpriester; ist mir alles, was ich zu geistlicher <index indexName="subjects-index">
        <term>Wohlfahrt, geistliche</term>
      </index>Wohlfart brauche. Dis <hi>lehret</hi> ja <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> auch von sich; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_6"/>ich bin der Weg, die
                        Volkommenheit, das Leben <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> wenn also der Glaube bestehet in der Anname und Befolgung <hi>der
                            Lehre <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName></hi>; und
                            <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> uns lehret, was er
                        ist, wozu er uns von GOtt bestimt seie: so ist es ja ein armseliger <index indexName="subjects-index">
        <term>Wortstreit</term>
      </index><hi>Wortstreit</hi>, ob man reden und sagen darf, mein Glaube
                        ergreift <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Verdienst Christi</term>
      </index>Verdienst, oder alle seine geistlichen <foreign xml:lang="lat">Praedicata</foreign> und Wohlthaten; und ich befolge freilich auch
                        herzlich gerne, <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>
                        Vorschriften, wonach er lehret, was ich nun seyn und werden sol. Es ist hier
                        also kein <hi>Räthsel</hi>; sondern wir sehen, der Zustand des Gemüts, das
                        eine starke lebendige Vorstellung hat von seinen geistlichen Mängeln und <pb xml:id="bs_b_page_99" n="99" edRef="#b"/> von dem grossen <index indexName="subjects-index">
        <term>Elend, moralisches</term>
      </index>moralischen Elend, treibt den unruhigen Menschen am ersten zur
                        geistlichen, volkommenen <index indexName="subjects-index">
        <term>Ruhe, geistliche</term>
      </index>Ruhe und Zufriedenheit, die ihm GOtt durch <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName>, der dis auch
                        gelehret und verheissen hat, so reichlich, so unendlich groß geschaft hat;
                        nun lebt der Mensch auch <persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName>,
                        und ziehet <persName ref="textgrid:255cd">Christum</persName> an, um ihm
                        dankbar zu seyn. Da lebt nicht der vorige Mensch, sondern <persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> lebt in ihm; er ist und wird
                        immer mehr ein neuer Mensch; diese <hi>gleichzeitigen</hi>
      <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_7"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Früchte des Glaubens</term>
      </index><hi>Früchte</hi> des Glaubens erfordern wir auch in allen
                        Lehrbüchern. Und also ist es die alte Leier; ob die <hi>socinianische</hi>
                        Beschreibung besser seie. Wer nun diese als besser vorziehet, muß deswegen
                        nicht sich anmassen, andre christliche Lehrbücher, die in der Geselschaft
                        ein öffentliches Ansehen haben, öffentlich so zu beschreiben, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_8"/><quote corresp="#quote_bs_a10_3">daß sie eine Quelle des <index indexName="subjects-index">
          <term>Unglaubens, Quelle des</term>
        </index>Unglaubens seien <choice>
          <abbr>etc.</abbr>
          <expan>et cetera</expan>
        </choice></quote> 3) Eben so ist es unnütze Wortstreitigkeit, und
                        unbillige <index indexName="subjects-index">
        <term>Anmaßung</term>
      </index>Anmassung, wenn jemand seine eigene, <index indexName="subjects-index">
        <term>individuell</term>
      </index><hi>individuelle</hi> Vorstellung, (die <index indexName="subjects-index">
        <term>Verheißungen</term>
      </index>Verheissungen <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> sind
                        mit seinem Tode <hi>besiegelt worden</hi>,) durchaus allen Christen
                        aufdringen wil, als die einzig wahren oder am meisten erbaulichen. Wo sol
                        das Recht herkommen, uns zu tadeln, daß wir sagen: der Tod <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> ist eine fruchtbare Begebenheit,
                        welche in einem grossen reellen <index indexName="subjects-index">
        <term>Zusammenhang</term>
      </index>Zusammenhange von neuen Folgen und Früchten stehet, die sich als
                            <hi>Wirkungen</hi> gegen eine <hi>Ursache</hi> verhalten; wir kennen die
                        Wirkungen und ihre Ursache. Warum sol ich durchaus uneigentlich und tropice
                        reden, <hi>besiegelte</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Verheißungen</term>
      </index>Verheissungen? Der <hi>wirkliche</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Erfolg, moralischer</term>
      </index><hi>moralische Erfolg</hi> für unsre Einsicht und Ueberzeugung,
                        hängt ja zusammen mit dem Tode <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>; nicht wie <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_9"/><foreign xml:lang="lat">caussa physica</foreign>
                        einen <foreign xml:lang="lat">effectum physicum</foreign> überal hat, es mag
                        Menschen geben oder nicht, die ihn bemerken; sondern wie <foreign xml:lang="lat">caussa moralis</foreign> wirken kan. Die Einsicht der
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Wahrheit</term>
      </index><hi>Wahrheit</hi> der Lehren und Versicherungen <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, von geistlicher Verehrung und
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Geniessung</term>
      </index>Geniessung GOttes, ist durch das Leben und durch den Tod <persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, für unser <index indexName="subjects-index">
        <term>Gemüt</term>
      </index>Gemüt, möglich gemacht, wirklich befördert, geschaft <pb xml:id="bs_b_page_100" n="100" edRef="#b"/> worden. Der Tod <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, in dem
                        Zusammenhange mit der Absicht GOttes, <hi>giebt Sätze und Begriffe her, die
                            sonst gar nicht statt finden</hi>, ohne einen gläubigen wahren Christen;
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_6_10"/>der muß auch
                        dabey seyn, wie <index indexName="persons-index">
        <term>Luther, Martin</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:254tm">Luther</persName></hi> sagte. Ist
                        es nun der Mühe werth, hierüber ein Bekentnis abzufassen, worin zur Noth die
                            <hi>individuelle</hi> enge Lage der Denkungsart des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> sich entdeckt? Hat er damit unsern,
                        den so alten, so erbaulichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrbegriff, erbaulicher</term>
      </index>Lehrbegrif, umgestossen? konte er ihn umstossen? Kan er, oder irgend
                        ein vernünftiger <index indexName="subjects-index">
        <term>Sozinianer</term>
      </index><hi>Socinianer</hi>, es sich nur einfallen lassen, dis thun zu
                        wollen?</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_1"><label>Daß für
                            Christen [...] der Tugendhaften</label>
      <p>Zitat a20.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_2"><label><foreign xml:lang="grc">ἀνομως</foreign></label>
      <p>Anspielung auf Röm 2,12, wo Paulus über diejenigen spricht, die ohne das
                            Gesetz (gr. <foreign xml:lang="grc">ἀνόμως</foreign>) lebten.
                        </p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_3"><label>seit dem
                            alten Urheber der Bücher de vocatione gentium</label>
      <p>Die Urheberschaft der Schrift <hi>De vocatione omnium gentium</hi> (Über
                            die Berufung aller Völker) war bis Anfang des 20. Jh.s umstritten, sie
                            wurde u.a. dem Kirchenvater Ambrosius (um 340–397) und Papst Leo I., dem
                            Großen (um 400–461), zugeschrieben. Heute gilt Prosper von Aquitanien
                            (gest. nach 455), Laientheologe, Dichter und Mitarbeiter Leos, als
                            wahrscheinlicher Autor. Prosper war ein glühender Anhänger Augustinus’,
                            versuchte mit seiner Schrift jedoch die Radikalität der augustinischen
                            Gnadenlehre abzumildern und sie mit der Aussage, Gott wolle das Heil
                                <hi>aller</hi> Menschen (1Tim 2,4), in Einklang zu bringen. Zu
                            diesem Zweck nahm er eine <hi>allgemeine</hi> Gnade an (De voc. II, 25),
                            die es allen Menschen ermögliche, anhand der Werke der Schöpfung und
                            Vorsehung Gott zu erkennen und zu verehren (I, 5). Auch Christi
                            Kreuzestod ist Ausdruck einer solchen Gnade, er starb für alle Menschen
                            und sein Opfer wird selbst den Völkern, die bislang noch nicht von ihm
                            gehört haben, bekannt gemacht werden (II, 16.17). Zudem lässt Prosper
                            ausdrücklich Raum für die Errettung von Heiden (II, 5.14). Dass
                            gleichwohl nicht alle in den Genuss <hi>spezieller</hi> Gnade, d.h.
                            individueller Erlösung, kommen, liegt nicht an Gott, sondern am
                            verstockten Willen der Menschen (II, 25.28). Da Prosper allerdings
                            zugleich mit Augustinus darauf besteht, dass die göttliche Erwählung in
                            absoluter Souveränität allem menschlichen Handeln (explanatorisch)
                            vorausgeht (z.B. I, 22), erscheint seine Position inkonsistent. Warum
                            trotz des allgemeinen Heilswillens Gottes manche erlöst und andere
                            verdammt werden, bleibt ein Mysterium (z.B. I, 21).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_4"><label>Christus
                            meruit nobis, und Christus peperit, procurauit, consecutus est suis
                            studiis hominum bono</label>
      <p>Semler benutzt hier biblisch fundierte christologische Aussagen, die
                            nicht nur zum Kernbestand der Scholastik, sondern auch der evangelischen
                            Theologie gehörten. Dt. in etwa: „Christus hat uns ein Verdienst
                            erworben, Christus brachte hervor, sorgte sich, trachtete mit all seinen
                            Mühen nach dem für die Menschen Guten.“</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_5"><label>„der
                            Glaube an Christum [...] Seligkeit der Tugendhaften.“</label>
      <p>Zitat a20.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_6"><label>ich bin
                            der Weg, die Volkommenheit, das Leben etc.</label>
      <p>Vgl. Joh 14,6.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_7"><label>Früchte
                            des Glaubens</label>
      <p>Anspielung auf Gal 5,16–26 sowie auf Mt 7,17–20.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_8"><label>daß sie
                            eine Quelle des Unglaubens seien etc.</label>
      <p>Erneute Anspielung auf a10.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_9"><label>caussa
                            physica [...] caussa moralis</label>
      <p>In der damaligen Schulmetaphysik gängige Unterscheidung zweier Arten von
                            Wirkursache (<hi>causa efficiens</hi>). Einer der meistgelesenen
                            Lehrbuchautoren der Zeit, Christian August Crusius (1715–1775), dessen
                            Werk sowohl den jungen Bahrdt als auch Kant stark beeinflusste, erklärt
                            den Unterschied wie folgt: „Causa physice efficiens ist [die Ursache],
                            welche den Effect selbst ins Werk setzet, es geschehe nun mittelbar oder
                            unmittelbar. Causa moralis ist, welche zu dem betrachteten Effecte in so
                            ferne die Ursache ist, daß sie einen Geist dazu bewogen hat. Sie ist
                            also zwar von der Antreibung des Geistes eine Causa physice efficiens,
                            aber nicht von der betrachteten That selbst“ (<hi>Weg zur Gewißheit und
                                Zuverläßigkeit der menschlichen Erkenntniß</hi>, 1747; <hi rend="superscript">2</hi>1762, 280). – Der Tod Christi ist laut
                            Semler also nur insofern ursächlich für die Besserung von Menschen, als
                            er von ihnen „bemerkt“ (s. Text) wird und einen Eindruck auf ihren Geist
                            hinterlässt; vgl. auch <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_107"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_6_10"><label>der muß
                            auch dabey seyn, wie Luther sagte</label>
      <p>Dieser Gedanke durchzieht das gesamte Werk Luthers, vgl. z.B. <hi>Die
                                sechste Predigt am Freitage nach dem Sontag Invocavit</hi> (1522),
                            WA 10.3, 48f.</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>7.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_7_1"/><hi><quote corresp="#quote_bs_a20_3">Daß GOtt alle Tugendhafte in einem andern
                                Leben höchstseelig machen werde, glaube ich; daß er aber eben so
                                geneigt sey, die Bösen in alle Ewigkeit zu martern und dem Teufel zu
                                übergeben, glaube ich nicht. Denn er selbst sagt: ich bin ein
                                eifriger GOtt, der über die, so mich hassen, die Sünde der Väter
                                heimsucht bis ins dritte und vierte Glied, aber denen so mich lieben
                                und meine Gebote halten, denen thue ich wohl bis ins tausende Glied.
                                Daraus schließe ich gegen die, welche GOtt gern eben so strafgierig
                                als gütig machen möchten: wie sich verhält 4 gegen 1000, so verhält
                                sich GOttes Neigung zu strafen, gegen seine Neigung zu
                                belohnen.</quote></hi></p>
    <p>Hierin ist 1) nicht gut oder bedächtig ausgedruckt, daß GOtt eben so geneigt
                        seie, die <index indexName="subjects-index">
        <term>Bösen, die</term>
      </index>Bösen in alle <index indexName="subjects-index">
        <term>Ewigkeit</term>
      </index>Ewigkeit zu <hi>martern</hi>, so auch nachher, GOtt <index indexName="subjects-index">
        <term>strafgierig</term>
      </index>
      <hi>strafgierig</hi> machen. Kein verständiger Christ redet so, daß GOtt
                        geneigt oder gierig seie, die bösen Menschen zu <hi>martern</hi>. Seit mehr
                        als tausend Jahren ist die Frage von <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_7_2"/><foreign xml:lang="lat">duplici praedestinatione,
                            ad vitam, ad mortem</foreign>, eben in dieser Absicht untersucht worden,
                        daß nach der Ungleichheit des <foreign xml:lang="lat">obiecti</foreign> in
                        GOtt die <index indexName="subjects-index">
        <term>praedestinatio</term>
      </index><foreign xml:lang="lat">praedestinatio</foreign> nicht einerley
                        seie; da<pb xml:id="bs_b_page_101" n="101" edRef="#b"/>her so viel
                        Unterscheidungen aufgebracht worden, die Wirkung des Willens oder der
                        Neigung GOttes <hi>hier</hi> kleiner und anders zu beschreiben, als wenn die
                        Rede ist von unmittelbarer Beförderung alles Guten. Es ist auch bekant
                        genug, daß bey dieser langen Streitigkeit, von ewigen <index indexName="subjects-index">
        <term>Strafen, ewige</term>
      </index>Strafen, der Grund dazu nicht in einer Neigung GOttes eigentlich
                        gesucht worden, sondern in dem nun notwendigen unveränderlichen Zustande und
                        wachsender Fertigkeit des bösen Menschen. 2) Was die angebrachte Stelle aus
                            <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Ex:20:5">2 Mos. 20,
                                5.</citedRange></bibl> betrift, ich bin ein eifriger GOtt <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> so wird es jedem denkenden Leser auffallen, daß der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> diese Stelle in diese Aufgabe und
                        Frage gebracht hat; die sich auf gar keine Weise hierzu schickt. 1) Wird
                        hier von unglückseligen Folgen in diesem Leben geredet, wo böse Menschen
                        auch noch die Folgen von dieser <index indexName="subjects-index">
        <term>Sünde</term>
      </index>Sünde, die ihre Väter begangen hatten, erfaren sollen; nemlich wegen
                        der vorsetzlichsten Sünde der <index indexName="subjects-index">
        <term>Abgötterei</term>
      </index><hi>Abgötterey</hi>, wovon hier allein die Rede ist; nicht aber von
                        Strafen, die nach dem Tode einem jeden um seiner eigenen vielerley Sünden
                        willen zukommen; welche Sünden eine viel größere Beschaffenheit haben, und
                        den Menschen innerlich mehr zerrütten, als die äußerliche hier verbotene
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Abgötterei</term>
      </index>Abgötterey. 2) Wenn in GOtt die unendliche Abneigung vom Bösen eben
                        so gros ist, als die unendliche Neigung zum Guten: wie kan man eine so arme
                        Rechnung machen, in GOtt verhält sich die Neigung das Böse zu strafen und zu
                        hindern, gegen die Neigung zu belohnen, wie 4 zu 1000? Diese Beschreibung
                        ist recht treffend für dieses Volk, das an dem Wohlergehen seiner Kinder
                        besonders seine eigene <index indexName="subjects-index">
        <term>Glückseligkeit</term>
      </index>Glückseligkeit berechnete. Eltern können schwerlich länger Zuschauer
                        des Glücks und Unglücks ihrer Nachkommen seyn, als bis auf Enkel und
                        Urenkel, oder ins dritte und vierte Glied. Es wird also den Vätern, die
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Abgötterei</term>
      </index><hi>Abgötterey</hi> erwälen würden, gedrohet, daß sie zu desto
                        größerer Empfindung das Unglück ihrer Kinder und Nachkommen erleben sollen,
                        hingegen fromme Israe<pb xml:id="bs_b_page_102" n="102" edRef="#b"/>liten
                        sollen sicher seyn, daß ihre <index indexName="subjects-index">
        <term>Frömmigkeit</term>
      </index>Frömmigkeit in unzäligen Nachkommen hier noch belonet werden solle.
                            <hi>Diese</hi> so ausdrücklich angepassete Beschreibung, die auf diese
                        Leser und ihren kleinen <index indexName="subjects-index">
        <term>Gesichtskreis, moralischer</term>
      </index><hi>moralischen</hi> Gesichtskreis rechnet, welche vornemlich durch
                        äußerliche Dinge gerürt wurden: solte für <index indexName="subjects-index">
        <term>geistvoll</term>
      </index>geistvolle Christen ein Maasstab seyn, wonach sie GOttes Neigung zum
                        Guten, in Absicht der geistlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Belohnung, geistliche</term>
      </index>Belonung; und Abneigung vom Bösen, in Absicht der geistlichen
                        Strafen, nach diesem Leben, berechnen dürften? Wer so schliessen kan, muß
                        sehr bereit seyn, das überal zu finden, was er sucht. 3) Ich wil den ganzen
                        Schluß sogar umkehren, wenn man ja so rechnen sol; und zwar, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_7_3"/>wie <index indexName="persons-index">
        <term>Calvin, Johannes</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:24h4b">Calvinus</persName></hi> schon
                        also geschlossen hat. (<foreign xml:lang="lat">Institut. <choice>
          <abbr>lib.</abbr>
          <expan>liber</expan>
        </choice> 2. <choice>
          <abbr>c.</abbr>
          <expan>caput</expan>
          <expan>capitulum</expan>
        </choice> 8.</foreign>) Wenn GOtt die Sünden der Väter straft bis ins
                        dritte und vierte Glied; so wird die Strafe der Verdamten, noch viel grösser
                        seyn, als sie <hi>um ihrer eigenen Sünde</hi> willen seyn müste. Wenn also
                        der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nichts gründlicheres weis, so wird
                        diese Rechnung nichts helfen. Uebrigens muß ein öffentlicher <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrer, öffentliche</term>
      </index>Lehrer auch hier dasjenige <index indexName="subjects-index">
        <term>öffentlich lehren</term>
      </index><hi>öffentlich lehren</hi> und vortragen, was die <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrvorschrift</term>
      </index>Lehrvorschrift enthält; seine <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatgedanken</term>
      </index>privat Gedanken gehören nicht her. Die <hi>Lehrart</hi> aber darf
                        und sol man so gut einrichten, als es unserer Zeit gemäs ist; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_7_4"/>wie schon <index indexName="classics-index">
        <term>Origenes</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:2r5jq">Origenes</persName></hi> wider
                        den <index indexName="classics-index">
        <term>Celsus</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6fh">Celsus</persName></hi> die
                        Fähigkeit des gemeinen Haufens unterschieden hat, den die Bilder von Feuer
                        und Schwefel am ersten rüren. Der bessere reichere Unterricht muß nicht
                        wegfallen, so bald er Eingang finden kann.</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_7_1"><label>Daß GOtt
                            [...] zu belohnen</label>
      <p>Zitat a20f.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_7_2"><label>duplici
                            praedestinatione, ad vitam, ad mortem</label>
      <p>Gemeint ist die doppelte göttliche Vorherbestimmung (Prädestination) des
                            Menschen zum ewigen Leben oder zur Verdammnis.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_7_3"><label>wie
                            Calvinus schon also geschlossen hat. (Institut. lib. 2. c. 8)</label>
      <p>Verweis auf das Hauptwerk des Genfer Reformators Jean (Johannes) Calvin
                            (1509–1564). Calvin studierte die Artes liberales am Pariser Collège de
                            Montaigu und Rechtswissenschaften an den Universitäten Orléans und
                            Bourges. Seine humanistisch geprägten Reformideen wurden anfänglich von
                            anderen französischen Humanisten und der Schwester des Königs, Margarete
                            von Navarra, unterstützt. Nach der Flucht aus Paris (1533) und kürzeren
                            Aufenthalten in Straßburg dann ab 1537 und erneut ab 1541 großer
                            Einfluss auf die reformatorische Neuordnung der Genfer Kirche und
                            darüber hinaus auf die nach ihm benannte Richtung der reformierten
                            Konfession (Calvinismus). An den unterschiedlichen Ausgaben seines
                            Hauptwerks <hi>Institutio religionis christianae</hi> (<hi rend="superscript">1</hi>1536; <hi rend="superscript">2</hi>1536;
                            letzter Hand 1556) lässt sich Calvins Entwicklung eindrucksvoll
                            nachvollziehen. Ab der 2. Aufl. besitzt Calvins <hi>Institutio</hi> die
                            Aufteilung in vier Bücher, die auch Semler für seinen Verweis benutzt.
                            Im achten Kapitel des 2. Buches geht es um die Auslegung des Dekalogs
                            und konkret um Gottes Anrechnung der Sünde der Väter, vgl. Inst. II, 8,
                            18–21.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_7_4"><label>wie
                            schon Origenes wider den Celsus</label>
      <p>Das apologetische Werk <hi>Gegen Celsus</hi> (<foreign xml:lang="grc">Κατὰ Κέλσου</foreign>) entstand zwischen 244 und 249. In ihm
                            beschäftigt sich der neben Augustinus wohl bedeutendste antike Theologe
                            Origenes (um 185–um 253) mit Einwänden gegen das Christentum, die in der
                            (verlorenen) Streitschrift <hi>Wahre Lehre</hi> (<foreign xml:lang="grc">Ἀληθὴς λόγος</foreign>; um 175) des griechischen Philosophen Celsus
                            erhoben wurden. Semler gab 1780/81 in seinem kurzlebigen <hi>Magazin für
                                die Religion</hi> eine geraffte und mit Anmerkungen versehene
                            Fassung von <hi>Gegen Celsus</hi> heraus (2. Teil; 171–398; 3. Teil,
                            279–380). Hier bezieht er sich auf 1, 9: „Wenn es möglich wäre, dass
                            alle Menschen sich von den Geschäften des Lebens freimachen und ihre
                            ganze Zeit auf das Studium der Philosophie verwendeten, so dürften sie
                            keinen anderen Weg einschlagen als diesen allein. Denn im Christentum
                            wird sich [...] keine geringere Prüfung der Glaubenslehren [...] finden
                            lassen als anderswo. Wenn aber dies nicht möglich ist, wenn wegen der
                            Sorgen und Mühen, die das Leben mit sich bringt, und wegen mangelnder
                            geistiger Begabung sich nur wenige der Wissenschaft widmen, welcher
                            andere Weg, um der großen Menge zu helfen, dürfte wohl gefunden werden,
                            der besser wäre, als der Weg, den Jesus den Völkern überliefert hat?“
                            (Übers. Paul Koetschau).</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>8.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_8_1"/><hi><quote corresp="#quote_bs_a21_1">Daß es Engel und Teufel giebt, mag wahr
                                seyn: daß sie aber das sind, wofür das Kirchensystem sie ausgiebt –
                                daß sie leiblich die Menschen besitzen, daß sie sich als Gespenster
                                zeigen, daß sie in die Seelen der Menschen wirken, und böse Gedanken
                                und Vorsätze hervorbringen können, dazu habe ich nie einen
                                hinreichenden Grund gefunden es zu glauben.</quote></hi></p>
    <p><pb xml:id="bs_b_page_103" n="103" edRef="#b"/> 1) <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirchensystem</term>
      </index><hi>Kirchensystem</hi>? welches Buch meint der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> damit? Weder in der
                            <hi>augspurgischen Confession</hi>, noch sonst in irgend einem
                            <hi>symbolischen</hi> oder feierlichen Lehrbuche, stehen diese Dinge als
                            <hi>algemeine Lehrsätze</hi> und Theile der christlichen Religion. Daß
                        sie leiblich Menschen besitzen – <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_8_2"/>wer lehret dieses wol als eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaubenslehre</term>
      </index><hi>Glaubenslehre</hi> der Christen? Wie algemein bekant ist es, daß
                        so gar <choice>
        <abbr>kaiserl.</abbr>
        <expan>kaiserliche</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_8_3"/><index indexName="persons-index">
        <term>Gaßner, Johann Joseph</term>
      </index><persName ref="textgrid:3rnq2"><hi>Gaßnerischen</hi></persName>
                        Auftritte geradehin untersagt, und glücklich geendigt haben! Wer kent nicht
                        die vortreflichen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_8_4"/>Ausschreiben der würdigsten Erzbischöfe von <hi>Salzburg</hi> und
                            <hi>Prag</hi>? an die freien <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_8_5"/>Urtheile vieler Gelerten in <hi>Baiern</hi>
      <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> nicht zu denken. Nirgend, in der ganzen christlichen so weiten
                        Welt, hat man diese Gedanken, von leiblichen Besitzungen, von
                            <hi>Gespenstern</hi> – als <hi>Glaubenstheile</hi>, als christliche
                        algemeine <hi>Lehrsätze</hi> angeboten und behauptet; <hi>Meinungen</hi>
                        sind es häufig gewesen; aber die Rede solte ja seyn, von
                            <hi>Glaubenslehren</hi> und von <hi>Lehrsätzen</hi> der 3 Parteien. Eben
                        so wenig hat man es zu christlichen <hi>Lehrsätzen</hi> gerechnet, daß böse
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Geister, böse</term>
      </index>Geister (mittelbar oder unmittelbar) in die Seelen der Menschen
                        wirken und böse Gedanken und Vorsätze hervorbringen können. Schon von den
                            <hi>Scholastikern</hi> an, noch vor dem <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_8_6"/><index indexName="persons-index">
        <term>Descartes, René</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dm">Cartesius</persName></hi>, ist es
                        als eine <hi>Aufgabe</hi> angesehen worden, die nur in sofern unter
                            <hi>theologische</hi> Fragen gerechnet wurde, als manche Schriftstellen
                        und ihre Auslegung mit eingemischet wurden. Dieses ganze 8te Stück also
                        gehört gar nicht her; der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> hat es nicht wohl überlegt, wie der
                        ganze Aufsatz diesen sichtbaren Mangel hat.</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_8_1"><label>Daß es
                            Engel [...] zu glauben</label>
      <p>Zitat a21.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_8_2"><label>wer
                            lehret dieses wol als eine Glaubenslehre der Christen</label>
      <p>Semler hatte sich einige Jahre zuvor noch ganz anders geäußert. Vgl.
                            seine (unpaginierte) Vorrede zur anonym erschienenen Schrift <hi>Versuch
                                einer biblischen Dämonologie, oder Untersuchung der Lehre der heil.
                                Schrift vom Teufel und seiner Macht</hi> (1776). Dort spricht Semler
                            u.a. vom „alte[n] Begrif vom <hi>Teufel, Satan</hi> etc. [...], den so
                            viele Ausleger und Theologen, so lange Jahrhunderte nicht nur
                            beybehalten, sondern durch ihre so grosse Uebereinstimmung, zu einem
                            ganz kentlichen Lehrsatz, <hi>reiner lutherischen</hi> Theologie gemacht
                            haben“ ([4]; vgl. [5]–[7]).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_8_3"><label>Gaßnerischen Auftritte</label>
      <p>Johann Joseph Gaßner (1727–1779) war ein österreichischer
                            römisch-katholischer Priester, Exorzist und Wunderheiler. Er wirkte
                            zunächst in Vorarlberg und am Bodensee, zwischen den Jahren 1774 und
                            1776 in Ellwangen und Regensburg. Unter enormem, weit über die jeweilige
                            Region hinausgehendem Zulauf vollzog er dabei an Kranken und
                            „Besessenen“ den Exorzismus. Kaiser Joseph II. (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_dc_1"/>) befahl 1776, dem Treiben ein
                            Ende zu setzen. Gaßner wurde daraufhin als Dechant in das verschlafene
                            Pondorf (heute Teil der niederbayrischen Gemeinde Kirchroth) versetzt,
                            wo er wenige Jahre später starb. Seine tatsächlichen oder vermeintlichen
                            Heilungen provozierten eine beachtliche Anzahl an Schriften und
                            Gegenschriften. Auch Semler beteiligte sich an der Debatte mit den von
                            ihm herausgegebenen zweibändigen <hi>Samlungen von Briefen und Aufsätzen
                                über die Gaßnerischen und Schröpferischen Geisterbeschwörungen</hi>
                            (1776), in denen er u.a. kritisch auf Gaßner in Schutz nehmende Briefe
                            Lavaters (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_14"/>)
                            antwortete.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_8_4"><label>Ausschreiben der würdigsten Erzbischöfe von Salzburg und
                            Prag</label>
      <p>Nicht nur Kaiser Joseph II., sondern auch die Erzbischöfe von Salzburg
                            und Prag verurteilten 1776 Gaßners „Heilkuren“ und veröffentlichten
                            vielbeachtete Hirtenbriefe gegen sein Auftreten.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_8_5"><label>Urtheile
                            vieler Gelerten in Baiern</label>
      <p>Besonders in Kurbayern, wo Gaßner Zuflucht gefunden hatte, erschienen
                            viele Schriften gegen ihn und allgemein gegen Zauberei; vgl. AdB 24
                            (1775), 608–631.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_8_6"><label>Cartesius</label>
      <p>René Descartes (1596–1650), französischer Philosoph, Mathematiker und
                            Naturforscher. Sein Denken – u.a. die Ablehnung aristotelischer
                            Finalursachen zur Erklärung von Naturphänomenen, die Methode des
                            Zweifels und das <hi>Cogito</hi>-Argument, die Behauptung eines
                            Dualismus von körperlichen und geistigen Substanzen – markierte in den
                            Augen vieler späterer Autoren eine Zeitenwende. Berühmt ist Descartes’
                            Gedankenexperiment, in dem ein böser Geist (<hi>genius malignus</hi>)
                            ihm die Existenz einer Außenwelt nur vorgaukelt (<hi>Meditationes de
                                prima philosophia</hi>, 1641). Semler spielt hier aber vermutlich
                            auf die Schrift <hi>Les Passions de l’âme</hi> (1649; dt. 1723) an, in
                            der Descartes eine wissenschaftliche Analyse der Seelenvorgänge und
                            menschlichen Leidenschaften vornimmt, die ohne die Annahme böser und
                            guter, auf die Seele wirkender Geister auskommt.</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>9.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_9_1"/><quote corresp="#quote_bs_a21_2"><hi>Daß die göttlichen Schriften neuen
                                Testaments göttliche Belehrungen der Menschen zur Glückseligkeit
                                enthalten, denen wir alles Vertrauen und allen Gehorsam schuldig
                                sind, davon bin ich gewis; daß aber GOtt alle in diesen Schriften
                                enthaltene Worte einge</hi><pb xml:id="bs_b_page_104" n="104" edRef="#b"/><hi>geben habe, davon habe ich noch nie einen
                                befriedigenden Beweiß gelesen.</hi></quote></p>
    <p>Dis ist wirklich eben so beschaffen; daß alle <index indexName="subjects-index">
        <term>Worte</term>
      </index><hi>Worte</hi> in der <index indexName="subjects-index">
        <term>Schrift</term>
      </index>Schrift von GOtt eingegeben seien: ist niemalen ein Theil des
                        christlichen Glaubens gewesen; von den Vätern an, von den <index indexName="subjects-index">
        <term>Scholastiker</term>
      </index><hi>Scholastikern</hi> her, von der so bekanten öffentlichen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_9_2"/>Streitigkeit an, so die
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>jesuitisch</term>
      </index>jesuitischen Lehrer zu <hi>Löwen, Douai</hi> – mit den <hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Dominikaner</term>
        </index>Dominicanern</hi> geraume Zeit gefüret haben; in unserer Kirche
                        ist es vollend <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_9_3"/>seit
                            <index indexName="persons-index">
        <term>Calixt, Georg</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:25k77">Calixti</persName></hi> Zeit so
                        ausgemacht: daß <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_9_4"/>diejenigen Zeitgenossen, welche <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Num:8 Num:9">Num. 8. und 9.</citedRange></bibl> mit
                        unter die Beweise setzen wollen, warum sie die christliche Religion nicht
                        selbst annemen oder behalten wollen, sehr unwissende, einfältige,
                        leichtsinnige Leute seyn müssen. Der <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrinhalt</term>
      </index><hi>Lehrinhalt</hi> der heiligen Schrift, die Wahrheiten, haben
                        ihren Ursprung von GOtt, und seiner jetzigen Mittheilung; aber ob die
                            <hi>Worte</hi> auch eingegeben sind, ist eine Aufgabe; <hi>kein</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaubensartikel</term>
      </index><hi>Glaubensartikel</hi> – Daß übrigens auch in der Samlung der
                        Bücher des alten Testaments ebenfals göttliche Belehrungen der Menschen
                        enthalten sind, zur geistlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Glückseligkeit</term>
      </index>Glückseligkeit: denen wir alles Vertrauen und allen Gehorsam (aus
                        mitfolgender Ueberzeugung unsers Gewissens, aus <index indexName="subjects-index">
        <term>Erfahrung</term>
      </index>Erfarung) schuldig sind: gehörte auch noch her; ob gleich der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nichts davon hergeschrieben hat.</p>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_9_1"><label>Daß die
                            göttlichen Schriften [...] Beweiß gelesen</label>
      <p>Zitat a21.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_9_2"><label>Streitigkeit [...], so die jesuitischen Lehrer zu Löwen, Douai –
                            mit den Dominicanern [...] gefüret haben</label>
      <p>Hier formuliert Semler recht verkürzend. In seiner <hi>Abhandlung von
                                freier Untersuchung des Canon</hi> IV (1775), 342, heißt es
                            korrekter: „Streitschriften der Jesuiten und ihrer Widersacher zu Löwen
                            und Douai“. Der flämische Jesuit Leonhard Lessius (1554–1623) lehrte
                            eine Realinspiration, wonach der Heilige Geist die Inhalte (lat.
                                <hi>res</hi>) der Bibel garantiere. Es kam deshalb zu
                            Auseinandersetzungen mit Theologen in Löwen und Douai. Lessius’
                            einflussreichster Gegenspieler war der spanische Dominikaner Domingo
                            Báñez OP (1528–1604), der weiterhin die Ansicht einer Verbalinspiration
                            vertrat, wonach der Heilige Geist sogar die konkreten Worte (lat.
                                <hi>verba</hi>) der Bibel eingegeben habe. </p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_9_3"><label>seit
                            Calixti Zeit</label>
      <p>Gemeint ist Georg Calixt (1586–1656), evangelischer Theologe und Ireniker
                            (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_46"/>). Laut Calixt sind nur
                            auf übernatürliche heilsnotwendige Wahrheiten bezogene Stellen der
                            Schrift direkt offenbart oder inspiriert. In allen anderen Fällen sei
                            lediglich eine göttliche <hi>adsistentia</hi> anzunehmen, die die
                            biblischen Autoren daran hindere, Falsches aufzuzeichnen. Siehe
                                <hi>Responsum Maledicis Theologorum Moguntinorum</hi> (1644), §§
                            72–74. Calixt konnte sich innerprotestantisch mit dieser Ansicht jedoch
                            nicht durchsetzen, vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_42"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_9_4"><label>diejenigen Zeitgenossen, welche Num. 8. und 9. mit unter die
                            Beweise setzen wollen</label>
      <p>Der Text von Numeri 8 und 9 enthält eine Reihe ritueller jüdischer
                            Reinheitsgebote, deren kontingenter, „lokaler“ Charakter eine
                            Verbalinspiration ganz besonders unplausibel erscheinen lässt, vgl. auch
                                <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_42"/>.</p></note>
  </div>
  <div type="section">
    <head>10.</head>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_1"/><quote corresp="#quote_bs_a21_3"><hi>Daß alle Christen die Religionslehren der
                                Schrift, welche ohne Kunstauslegung darinnen zu finden sind, zu
                                glauben und zu befolgen verbunden sind, ist gewiß, daß aber der
                                Kirche, (darunter ich mir doch eigentlich nichts als den großen
                                Haufen</hi> {<foreign xml:lang="lat">plurima vota</foreign>} <hi>der
                                Geistlichkeit denke, die, wie schon oben gesagt worden, zu keiner
                                Zeit das Vorurtheil der tiefen Einsicht, Gelehrsamkeit und
                                unpartheyischen Prüfungsgabe, gehabt hat) das Recht zustehe, mir,
                                aus den Sätzen der Schrift künstlich gefolgerte Lehren und Begriffe
                                aufzu</hi><pb xml:id="bs_b_page_105" n="105" edRef="#b"/><hi>dringen, das glaube ich nicht. Wenigstens wäre dieß ganz wider
                                die Grundsätze des Protestantismus, welcher im deutschen Reich mit
                                dem Catholicismus gleiche Herrschaft und Rechte behauptet. Denn nach
                                diesen Grundsätzen bin ich in Absicht auf meinen Glauben an keines
                                Menschen Ansehn gebunden, sondern habe das Recht, alles zu prüfen,
                                und nur das zu behalten, wovon ich mich aus GOttes Wort überzeugt
                                fühle. Und dieses Recht erstreckt sich bey protestantischen Lehrern
                                noch weiter als bey gemeinen Protestanten. Denn als ein solcher bin
                                ich ein Theil der repräsentirenden Kirche, und bin daher nicht nur
                                verpflichtet, die Lehrsätze meiner Kirche zu prüfen, sondern auch
                                das Resultat meiner Prüfung, wenn es von Wichtigkeit ist, meinen
                                Glaubensbrüdern vorzulegen, wie ich bisher in einigen meiner
                                Schriften gethan habe, auch fernerhin thun werde, und in diesem
                                meinem öffentlichen Bekenntniß jetzt zum ersten male vor dem
                                allerhöchsten Richterstuhle thun zu können, gewürdiget
                            werde.</hi></quote></p>
    <p>Wenn der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nicht <index indexName="subjects-index">
        <term>parteiisch</term>
      </index>parteiisch, oder nicht eilfertig und nachläßig zu handeln sich
                        vorgesetzt hätte: so hätte dieses Stück auch ganz und gar <hi>wegbleiben
                            müssen</hi>. Aber auf diese Bedingung und Voraussetzung, hätte das
                        ganze, obgleich sehr kleine, Glaubensbekentnis, gar nicht zum Vorschein
                        kommen dürfen. Um nur auf dieses 10te Stück etwas zu antworten, so ist 1) in
                        allen unsern <foreign xml:lang="lat">compendiis</foreign> und <foreign xml:lang="lat">systematibus</foreign>, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_2"/>ohnerachtet sie lauter Wust enthalten sollen, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_3"/>seit <index indexName="persons-index">
        <term>Gerhard, Johann</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:250f3">Gerhards</persName></hi> Zeiten
                        die <hi>vortrefliche</hi> wahre Anleitung befindlich: der Lehrer solle
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>elementaria</term>
      </index><foreign xml:lang="lat">elementaria</foreign> unterscheiden, und in
                        der heiligen Schrift heraussuchen, zur öffentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehre, öffentliche</term>
      </index>Lehre; <hi>denn die seien einem jeden Leser und Zuhörer leicht,
                            faslich und unmittelbar erbaulich</hi>. Es ist auch unsern Kindern
                        bekant, die auch einen <hi>Auszug</hi> von <hi>Sprüchen</hi> und Lehrsätzen
                        lernen. Und in der so langen Streitigkeit, über den Gebrauch der <index indexName="subjects-index">
        <term>Schrift</term>
      </index>Schrift <pb xml:id="bs_b_page_106" n="106" edRef="#b"/> für alle
                        Leser, über ihre <index indexName="subjects-index">
        <term>Deutlichkeit</term>
      </index>Deutlichkeit oder <index indexName="subjects-index">
        <term>Dunkelheit</term>
      </index>Dunkelheit: ist dieses <hi>unzälige mal</hi> auseinander gesetzt und
                        bestätiget worden. Man hat daher auch schon zur Zeit <index indexName="persons-index">
        <term>Luther, Martin</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:254tm">Lutheri</persName></hi>,
                        vielerley <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_4"/><hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Summarien</term>
        </index>Summarien</hi> oder Auszüge drucken lassen, wie besonders <index indexName="persons-index">
        <term>Dietrich, Veit</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r689">Veit Dietrich</persName></hi>: um
                        jene andern Theile der Schrift, die zur Abfassung in der damaligen Zeit, zum
                            <foreign xml:lang="lat">locali</foreign> gehören, abzusondern von dem
                        algemeinen nützlichen Inhalt, wie schon <index indexName="persons-index">
        <term>Paulus</term>
      </index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName>, <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="2Tim:3:16">2 Tim. 3,
                                16.</citedRange></bibl> diese vortrefliche Unterscheidung anempfolen
                        hatte. In allen Jahrhunderten, seit dem 2ten und 3ten, gibt es solche <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_5"/><foreign xml:lang="lat">Eclogas, Synopses,</foreign>
      <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_6"/><foreign xml:lang="lat">Capitula</foreign>, (des <index indexName="classics-index">
        <term>Prätextatus</term>
      </index><hi>Prätextatus</hi>, über <index indexName="persons-index">
        <term>Paulus</term>
      </index><persName ref="textgrid:251kf">Pauli</persName> Briefe,) <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_7"/><foreign xml:lang="lat">speculum</foreign> in <index indexName="classics-index">
        <term>Augustinus von Hippo</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:2r5hd">Augustini</persName></hi> Werken <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> und so gar in der <hi>römischkatholischen</hi> Kirche hat kein
                        gelerter Mann ferner Theil genommen, an den <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_8"/>Uebereilungen des <index indexName="persons-index">
        <term>Gretser, Jakob</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dp">Gretser</persName></hi> und
                            <index indexName="persons-index">
        <term>Tanner, Adam</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dn">Tanner</persName></hi> auf dem
                            <foreign xml:lang="lat">colloquio</foreign> zu <hi>Regenspurg</hi>,
                        welche auch den Satz, das Hündlein wedelte mit dem Schwanze, weil es ein
                        Theil der Schrift seie, zu Glaubensartikeln gerechnet hatten. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_9"/><index indexName="persons-index">
        <term>Calixt, Georg</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:25k77">Calixti</persName></hi> Lehrart
                        unter uns hierüber, ist auch bekant genug.</p>
    <p>2) Sagt der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr </expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> weiter: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_10"/><quote corresp="#quote_bs_a22_1">daß aber der <index indexName="subjects-index">
          <term>Kirche</term>
        </index>Kirche, (darunter ich mir doch eigentlich <choice>
          <abbr>etc.</abbr>
          <expan>et cetera</expan>
        </choice>)</quote> Hier wünschte ich, daß diese hitzige Beurtheilung,
                        die schon einmal da gewesen ist, nicht wäre wiederholet worden. Geradehin
                        ist sie nicht wahr. Man müste unwissend oder vorsetzlich parteiisch seyn,
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_11"/>wenn man die
                            <hi>Kirche</hi> blos und geradehin so beschreibet, sie ist der große
                        Haufen der <index indexName="subjects-index">
        <term>Geistlichkeit</term>
      </index>Geistlichkeit, hat zu keiner Zeit das Vorurtheil der Einsicht <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> gehabt. Es hat in vorigen Zeiten und Jahrhunderten, wenigstens
                        schon vom 3ten an, Bischöfe und Presbyteros gegeben, von Einsicht,
                        Gelersamkeit und innigster Rechtschaffenheit; wenn gleich der größere Haufe
                        diese <foreign xml:lang="lat">praedicata</foreign> nicht haben konte.
                        Insbesondre aber kann dem <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nicht unbekant seyn, daß die <index indexName="subjects-index">
        <term>Protestanten</term>
      </index><hi>Protestanten</hi> unter dem Namen Kirche, keinesweges den großen
                        Haufen der <hi>Geistlichkeit</hi> verstehen; er konte dis an dem <pb xml:id="bs_b_page_107" n="107" edRef="#b"/> Beispiel der Fürsten und
                        Obrigkeiten wissen, welche die <hi>augspurgische Confession</hi>, als den
                        Lehrinhalt der Kirchen ihres Landes aufgestellet, und in den <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_12"/><hi>schmalkaldischen</hi> Artikeln, sich von jener gemeinen Art der
                        Concilien und Macht der Kirche, so öffentlich schon losgesagt haben. Wie nun
                        in dieser Zeit diese protestantischen Fürsten und Herren das <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_13"/><foreign xml:lang="lat">ius circa sacra publica</foreign> auf eine ganz andere
                        Art, und in ganz anderer Absicht stets selbst ausgeübet und behauptet haben,
                        als es sonst in den Händen des Pabsts und der Bischöfe war, zum steten
                        Nachtheil der landesherrlichen Hoheit; wie unsre Vorfaren eben den
                        Grundsätzen der landesherrlichen Macht, welche das Beste ihrer Unterthanen
                        schaft, auch was <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, äußerliche</term>
      </index>äußerliche Religion, und daher möglichen Schaden und Unruhe betrift,
                        gefolget sind, als der Kaiser, der König von Frankreich <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> befolgeten, da sie zu <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_14"/><hi>Costnitz</hi> und <hi>Basel</hi>, und nachher
                        durch <foreign xml:lang="lat">concordata</foreign>
      <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> die Anmassungen der Päbste einschränkten, wie alle Kaiser und
                        Fürsten schon in jenen Zeiten thaten, da Päbste über <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_15"/><hi>Investituren</hi>
                        so viel Unruhe erregten: so wäre es warlich eine sehr ungerechte
                        Beurtheilung, wenn der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> die <foreign xml:lang="lat">iura</foreign> unserer Obrigkeiten und Stände, in Absicht der <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, öffentliche</term>
      </index>öffentlichen Religion, <hi>damit leugnen wolte</hi>: daß er sagt,
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_16"/>die Kirche
                            <quote corresp="#quote_bs_a22_2">hat kein Recht, mir – Lehren und
                            Begriffe aufzudringen</quote>. Eben dieselbe Kirche, welche einen
                        Superintendenten oder Prediger setzt; eben derselbe Landesherr, der einen
                            <foreign xml:lang="lat">professorem theologiae</foreign> der
                            <hi>augspurgischen Confession</hi> in Dienste nimt <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice>
      <hi>hat ja wohl das Recht</hi>, auf der öffentlichen Absicht zu bestehen,
                        wofür das <foreign xml:lang="lat">salarium</foreign> oder die <index indexName="subjects-index">
        <term>Besoldung</term>
      </index>Besoldung ausgezalet wird. Solte dis der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> leugnen: so wäre es abermal die
                        seltsamste Vermischung der Rechte seines eigenen <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissensrechte</term>
        <term type="alternative">Rechte des Gewissens</term>
      </index>Gewissens, und der <foreign xml:lang="lat">iurium</foreign>, welche
                        der Fürst oder Staat über alle seine besoldeten Kirchenbedienten hat. Wenn
                        der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> also die vorhin genanten Lehrsätze
                        der <hi>augspurgischen Confession</hi>, von Erbsünde, von Genugthuung,
                        Rechtfertigung <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> für solche <pb xml:id="bs_b_page_108" n="108" edRef="#b"/>
                        Begriffe ansiehet, welche künstlich (aber ohne Grund) aus der heiligen
                        Schrift gefolgert wären: so urtheilet er nach seinem eigenen richtigen oder
                        unrichtigen <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissen. Aber er irrt sich gewaltig, wenn er nun die <index indexName="subjects-index">
        <term>Obrigkeit</term>
      </index>Obrigkeit nach seinem Gewissen bestimmen wil, in Regierung und
                        Beschützung der <hi>öffentlichen Religion</hi>, die ein gemeinschaftliches
                        Gut und Recht lutherischer Unterthanen ausmacht, denen die <index indexName="subjects-index">
        <term>Obrigkeit</term>
      </index>Obrigkeit allen Schutz zugesichert hat, diesem Glaubensbekäntnis des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> von nun an das Uebergewicht zu
                        geben. Dis ist so klar, daß der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> wol mit der Widerlegung zurück
                        bleiben wird. Er müste aus allen Staaten, wo obrigkeitliche Aufsicht über
                            <foreign xml:lang="lat">sacra publica</foreign> ist, wo so viel tausend
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_17"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Vokation</term>
      </index><hi>Vocationen</hi>, allemal mit Befel und Anweisung auf die
                            <hi>symbolischen</hi> Bücher und <hi>augspurgische Confession</hi>
                        insbesondre ausgestellet werden, nachdem der <index indexName="subjects-index">
        <term>Kandidat</term>
      </index><hi>Candidat</hi> erst hierüber examinirt worden, wo so viel
                        Consistorialverordnungen täglich ausgefertigt werden – sich entfernen; und
                        er müste der Geselschaft eben so ernsthaft vorsagen, daß sie ihm die
                        Besoldung eben so ungerecht <hi>aufdringe</hi>, als die Vorschrift der
                        öffentlichen Lehre. Und wie ganz ungeschickt und lächerlich wäre diese Klage
                        oder Beschwerde! <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_17a"/>So
                        viel gründliche Abhandlungen <foreign xml:lang="lat">de iure principis circa
                            sacra</foreign>, solte der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> mit einer so kahlen Erzälung seiner
                        eigenen Einfälle, oder mit seiner selbst verursachten Lage, so leicht
                        umstoßen! Der Staat und die Landesobrigkeit hält <index indexName="subjects-index">
        <term>Universitäten</term>
      </index><hi>Universitäten</hi>; da sollen künftige Lehrer zubereitet werden,
                        und durch den gelerten und gewissenhaften Unterricht selbst sich überzeugen,
                        von der Richtigkeit und Erweislichkeit der Lehrsätze, welche diese
                        öffentliche Religionspartey von andern unterscheiden. Niemand dringt dem
                            <hi>studirenden</hi> jungen Menschen etwas auf; entweder er
                            <hi>studirt</hi> gründlich und folgt eigener <index indexName="subjects-index">
        <term>Einsicht</term>
      </index>Einsicht, kan sie auch nun aufrichtig wieder von sich geben; ist
                        untadelhaften Lebens, und wird also zum öffentlichen Lehrer für die und die
                        Gemeine ernent. Oder er studirt wenig; wil <pb xml:id="bs_b_page_109" n="109" edRef="#b"/> ein <index indexName="subjects-index">
        <term>Originalkopf</term>
      </index>Originalkopf seyn, lebt auch als Original, stößt gute Leute an <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> und wird nicht in dieser Geselschaft in <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirchendienst</term>
      </index>Kirchendienste genommen. Nun wil er sich der übrigen
                            <hi>lutherischen</hi> Kirchengeselschaft aufdringen? Wil ihr zumuten,
                        sie solle ihre Lehrbücher, um seines Schicksals willen, aufheben, und von
                        ihm solche Beschreibungen der christlichen Religion annemen, die ganz gewis,
                        wie er verspricht, <index indexName="subjects-index">
        <term>Tugend</term>
      </index>Tugend und <index indexName="subjects-index">
        <term>Moral</term>
      </index>Moral vielmehr befördern würden. Ist es wol zu erwarten, daß dieser
                        angebotene Tausch sonderlichen Eingang finden wird? Die ganze Sache ist so
                        natürlich in der Lage, als die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_18"/><hi>Bauren</hi> im 16ten Jahrhundert ihre 12
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Zwölf Artikel</term>
      </index>Artikel ausgehen ließen; daß es Leser nicht reuen wird, in jene Zeit
                        zurück zu gehen, und <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_19"/><index indexName="persons-index">
        <term>Luther, Martin</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:254tm">Luthers</persName>,</hi>
      <index indexName="persons-index">
        <term>Melanchthon, Philipp</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:24h48">Melanchthons</persName></hi> und
                        andrer Lehrer <hi>Antworten</hi> jetzt wieder zu lesen; um zu sehen, daß
                        Güter und Gelder der Landesobrigkeit gehören, welche zu öffentlichen
                        Kirchen- und Schuldiensten angewendet werden, in Absicht auf öffentliche
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsübung</term>
      </index>Religionsübung und Ausbreitung; der gebilligten <index indexName="subjects-index">
        <term>Grundsätze</term>
      </index>Grundsätze; nicht aber, wie <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_20"/><index indexName="persons-index">
        <term>Müntzer, Thomas</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dt">Thomas Münzer</persName></hi> und
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_21"/>Nachbar <index indexName="persons-index">
        <term>Karlstadt, Andreas</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dr">Andres,
                        Carlstadt</persName></hi>, in schwärmerischen Träumen, für gut fanden. Daher
                        auch <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_22"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Kirchenvisitationen</term>
      </index><hi>Kirchenvisitationen</hi> vorgenommen wurden, um den Zustand der
                        Lehrer und Zuhörer, in Absicht gemeiner Grundsätze der öffentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsübung</term>
      </index>Religionsübung, in einerley zweckmäßiger Ordnung zu halten. Es ist
                        daher übel angebracht, wenn der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> weiter sagt: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_23"/><quote corresp="#quote_bs_a22_3">wenigstens wäre dis ganz wider die Grundsätze
                            des <hi>Protestantismus</hi>, welcher im deutschen Reiche gleiche
                            Herrschaft und Rechte behauptet. Denn nach diesen Grundsätzen bin ich in
                            Absicht auf meinen Glauben an keines Menschen Ansehn gebunden, sondern
                            habe das Recht, alles zu prüfen, und nur das zu behalten, wovon ich mich
                            aus GOttes Wort überzeugt fühle.</quote></p>
    <p>Und wozu denn dieses? Der <index indexName="subjects-index">
        <term>Protestantismus</term>
      </index><hi>Protestantismus</hi> ist doch nicht das Eigentum des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs>! Die <hi>protestantischen</hi>
                        Fürsten und Herren waren es, welche diese <pb xml:id="bs_b_page_110" n="110" edRef="#b"/> Protestation damalen einlegten, wider das jetzt
                        einzufürende <hi>wormsische Edikt</hi>; sie protestireten als Reichsfürsten,
                        aus landesherrlicher Macht, über die beste Art der <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion, öffentliche</term>
      </index>öffentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Religion</term>
      </index>Religion, ihren Unterthanen selbst dienliche Vorschriften und
                        Verordnungen zu machen. Eben diese Fürsten setzten Professoren und
                        Pfarrherren ein, mit der Anweisung wider jenes gemeine Pabstum unaufhörlich
                        zu predigen. Notwendig ist ein <hi>öffentliches</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehramt, öffentliches</term>
      </index><hi>Lehramt</hi> abhängig von einem <hi>öffentlichen Auftrage</hi>;
                        und der öffentliche Auftrag erfordert nun öffentliche Anwendung dieses
                        ertheilten Rechtes; und mehr kann es nicht angewendet werden, als es in der
                        ertheilten Bestellung oder <index indexName="subjects-index">
        <term>Vokation</term>
      </index>Vocation beschrieben ist. Nun lauten alle <index indexName="subjects-index">
        <term>Vokation</term>
      </index><hi>Vocationen</hi> aller Lehrer und Prediger in den
                            <hi>lutherischen</hi> Kirchen, auf die <hi>augspurgische
                        Confession</hi>. Der Lehrer handelte ja also ganz verkehrt und zweckwidrig,
                        der da sagen wolte: ich wil zwar dieses <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehramt</term>
      </index>Lehramt haben, aber ich wil die Grundsätze des Protestantismus, die
                        wider den damaligen Pabst gehen, jetzt anwenden wider die
                            <hi>augspurgische</hi> Confession; ich widerspreche ihr, oder ich
                        unterdrücke sie, in der Lehre von Erbsünde, von Genugthuung, von Gottheit
                            <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> und des heiligen
                        Geistes <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> und wenn man mir dis nicht erlauben wil, so sage ich, ich bin in
                        Ansehung meines Glaubens an keines Menschen Ansehn gebunden – Ich sage dis
                        ist ja verkehrt und zweckwidrig gehandelt. Eben darum haben ja unsre
                        Vorfaren diese <hi>Confession</hi> oder <hi>Apologie</hi>, wie sie zuerst
                        hies, öffentlich bekant gemacht: um sich von den täglichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Schwärmerei</term>
      </index>Schwärmereien und Zerrüttungen öffentlich zu unterscheiden, welche
                        die Anhänger des <index indexName="persons-index">
        <term>Müntzer, Thomas</term>
      </index><hi><persName ref="textgrid:3r6dt">Münzer</persName></hi> und der
                            <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_24"/><hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Wiedertäufer</term>
        </index>Wiedertäufer</hi> überal erregten. Wenn Cajus sol ein Prediger
                        oder Lehrer bey der Universität oder Gemeine in – werden: so ist doch eine
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Obrigkeit</term>
      </index>Obrigkeit dazu nötig, die das Recht hat einen zu bestellen, und ihm
                        zu seinem Unterhalt eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Besoldung</term>
      </index>Besoldung anzubieten. Nun hätte <hi>Cajus</hi> sehr gern seinen
                        Unterhalt; er nimt also diese <index indexName="subjects-index">
        <term>Vokation</term>
      </index><hi>Vocation</hi> an, und verspricht auch der Geselschaft, <pb xml:id="bs_b_page_111" n="111" edRef="#b"/> sich nach der eingefürten
                        öffentlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrvorschrift</term>
      </index>Lehrvorschrift zu richten. Allein nun behält er für sich eine <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_25"/><index indexName="subjects-index">
        <term>reservatio mentalis</term>
      </index>reseruationem mentalem, welche selbst alle <hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Jansenisten</term>
        </index>Jansenisten</hi> an jenen <hi>politischen <index indexName="subjects-index">
          <term>Jesuiten</term>
        </index>Jesuiten</hi> verabscheueten; und spricht, ich bin ein
                                <hi><index indexName="subjects-index">
          <term>Protestanten</term>
        </index>Protestant</hi>; ich bin also an keines Menschen Ansehen in
                        meinem <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaube</term>
      </index>Glauben, (also auch in meinem öffentlichen Amte, an keinen <index indexName="subjects-index">
        <term>Eid</term>
      </index>Eid und Versprechen,) gebunden. Ich wil nur das behalten, wovon ich
                        nach GOttes Wort mich selbst, für mein Gewissen, überzeugt füle; also heute
                        dis, morgen jenes. – Giebt es wol einen ehrliebenden Menschen unter uns, der
                        diese Aufführung genemhalten und billigen wil? <hi>Cajus</hi> kan ja sein
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehramt</term>
      </index>Lehramt nicht mehr behalten, als ein ehrlicher teutscher <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_26"/><index indexName="subjects-index">
        <term>Biedermann, ehrlicher teutscher</term>
      </index>Biederman, geschweige als ein Christ, der ein so zartes Gewissen
                        haben wil. So mus er also seiner <index indexName="subjects-index">
        <term>Obrigkeit</term>
      </index>Obrigkeit die schuldige <index indexName="subjects-index">
        <term>Treue</term>
      </index>Treue beweisen, und es anzeigen; ich kan und wil dis nicht lehren,
                        was ihr mir aufgetragen habt; ich lege mein Amt also wieder in eure Hände
                        nieder; sucht einen andern Lehrer. Aber unser <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> ist viel klüger, als daß er dieses
                        thät, was jeder <index indexName="subjects-index">
        <term>Biedermänner</term>
      </index>Biederman in der ganzen Welt thut; er sagt, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_27"/><quote corresp="#quote_bs_a22_4">dieses Recht erstreckt sich bey
                            protestantischen Lehrern noch weiter, als bey gemeinen
                            Protestanten.</quote><hi>Was für ein Recht?</hi> Seinem <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen</term>
      </index>Gewissen zu folgen; und es nicht zu verheimlichen, wenn <foreign xml:lang="lat">status confessionis</foreign> da ist. Recht gut. Ist dis
                        aber das Recht eines protestantischen Lehrers? Es ist ja <hi>Pflicht</hi>
                        eines gewissenhaften Christen. Der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> irret sich abermal; <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrer</term>
      </index><hi>Lehrer</hi> dieser Geselschaft ist er nicht mehr, so bald er die
                        feierliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Norm der öffentlichen Lehre</term>
      </index><hi>Norm</hi> seiner öffentlichen Lehre hintansetzt; denn er ist
                        nicht weiter Lehrer, als die Geselschaft dieses Recht ihm läßt und es
                        fortsetzt. Sie nimt aber sogleich dieses öffentliche ihm ertheilte Recht und
                        Verhältnis zurück, sobald sie es weis, daß Cajus nicht mehr nach ihrer
                        Lehrform sich richten wil. Und nun ist Cajus ein <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatmann</term>
      </index>privat Mann in dieser Geselschaft, er mag noch so gelehrt oder
                        geschickt seyn. Alle gemeinen Protestanten oder privat Leute, haben eben
                        dieses <hi>Recht</hi>
      <pb xml:id="bs_b_page_112" n="112" edRef="#b"/>
      <hi>ihres Gewissens</hi>, Lehrsätze nach der heiligen Schrift zu <index indexName="subjects-index">
        <term>prüfen</term>
      </index>prüfen, und faren zu lassen, wenn sie keinen Grund dazu finden.
                        Cajus ist nun ein privat Mann worden: er hat also nicht das
                            <hi>allergeringste</hi> Recht voraus, wenn er ein
                            <hi>protestantischer</hi> Lehrer gewesen ist, und es nicht mehr ist; er
                        ist es aber nicht mehr, <foreign xml:lang="lat">per hypothesin</foreign>.
                        Die <hi>Vergleichung</hi> des <hi>Catholicismus</hi> und <hi>Protestantismus
                            ist gerade wider den</hi>
      <choice>
        <abbr><hi>Hrn.</hi></abbr>
        <expan><hi>Herrn</hi></expan>
      </choice>
      <hi><rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs></hi>. Beide beziehen sich auf
                        die <hi>öffentliche</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Religionsübung</term>
      </index>
      <hi>Religionsübung</hi>; diese beruhet auf <hi>landesherrlichem</hi> Schutz
                        und Behauptung der Grundsätze der öffentlichen Religion; dis ist ganz
                        ausgemacht. Nimmermehr verstattet der <hi>Protestantismus</hi> dergleichen
                        einzele <index indexName="subjects-index">
        <term>Anmaßung</term>
      </index>Anmassungen dieses und jenen Lehrers, daß er selbst die Grundsätze
                        des <hi>Protestantismus</hi> wider protestantische feierliche <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirchenordnung</term>
      </index>Kirchenordnungen anwenden dürfe; so wenig <hi>Catholicismus</hi>
                        dergleichen Rechte verstattet. Was sol also diese so grosse
                            <hi>Confusion</hi>, die nur aus einem <index indexName="subjects-index">
        <term>Fanaticismus</term>
      </index><hi>Fanaticismus</hi> sich ein Recht holen und borgen kan? Dis würde
                        die greulichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Revolution</term>
      </index><hi>Revolutionen</hi> zurück rufen, aus dem 16ten Jahrhundert; da
                        wolten auch theils schwärmerische, theils listige, theils einfältige Leute,
                        das Reich <index indexName="persons-index">
        <term>Jesus Christus</term>
        <term type="alternative">Christus</term>
      </index><persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName>, die <index indexName="subjects-index">
        <term>Christusreligion</term>
      </index>Christusreligion viel besser und algemeiner einfüren; für sich waren
                        sie nicht zufrieden, mit ihrer <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissensfreiheit</term>
      </index>Gewissensfreiheit; sie wolten öffentliche Anstalten und Vorschriften
                        für alle andre Glieder des bisherigen Staats einfüren. Was hatten sie aber
                        für Recht, sich zu Lehrern <hi>aufzudringen</hi>? Wer sie hören und leiden
                        wolte, der that es ja ohnehin; warum wolten sie aber mit diesem privat Stand
                        nicht zufrieden seyn? Wenn sie der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_28"/>Churfürst von Sachsen, der Stadtrath zu – nicht
                        bey sich dulten wolte, warum wendeten sie nun Mittel an, sich einen
                            <hi>Anhang</hi>, und dadurch sich nach und nach gewaltig zu machen?</p>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_29"/><quote corresp="#quote_bs_a22_5">Ja, sagt der <choice>
          <abbr>Hr.</abbr>
          <expan>Herr</expan>
        </choice>
        <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs>, als ein (gewesener)
                            protestantischer Lehrer, bin ich ein Theil der repräsenti<pb xml:id="bs_b_page_113" n="113" edRef="#b"/>renden Kirche; und ich
                            bin daher nicht nur verpflichtet, die Lehrsätze meiner Kirche zu prüfen,
                            sondern auch das Resultat meiner Prüfung, wenn es von Wichtigkeit ist,
                            meinen Glaubensbrüdern vorzulegen; wie ich bisher in einigen meiner
                            Schriften gethan habe <choice>
          <abbr>etc.</abbr>
          <expan>et cetera</expan>
        </choice></quote></p>
    <p>Welche neue Vorstellungen hat der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> hier mitgetheilet! Wer hat ihm denn
                        das <foreign xml:lang="lat">ius repraesentandi</foreign>, und daher eine
                        besondere Obliegenheit aufgetragen und mitgetheilt? Zum Beispiel, wie er in
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Giessen (Bahrdts Zeit in)</term>
      </index><hi>Giessen</hi> stund, wer kan es verstehen, ein <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_30"/>Superintendens in
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Giessen (Bahrdts Zeit in)</term>
      </index><hi>Giessen</hi>, sey <hi>hiemit</hi> ein Theil der <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirche, repräsentierende</term>
      </index>repräsentirenden Kirche! <hi>Wohin</hi> geht denn der Auftrag von
                        seiner <hi>Repräsentation</hi>? Es wäre ja gar zu seltsam, wenn ein
                        Superintendens oder Prediger, sich hiemit, daß er zu der besondern
                            <hi>lutherischen</hi> Kirche in <index indexName="subjects-index">
        <term>Giessen (Bahrdts Zeit in)</term>
      </index><hi>Giessen</hi> oder in <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index><hi>Heidesheim</hi> gehört, ansehen wil, er seie ein Theil der
                        repräsentirenden <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirche, repräsentierende</term>
      </index>Kirche. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_31"/>Dis
                        mag in <foreign xml:lang="lat">terris infidelium</foreign> seyn; hier unter
                        uns, bey allen <hi>lutherischen</hi> Kirchen, sieht ihn niemand für einen
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Repräsentant</term>
      </index>Repräsentanten an; denn es felet die besondre feierliche Bestimmung
                        zu einem besondern Endzweck, der mehrern Kirchen gemein wäre, die daher so
                        oder so viel <index indexName="subjects-index">
        <term>Repräsentant</term>
      </index>Repräsentanten nach <choice>
        <abbr>N. N.</abbr>
        <expan>Notetur Nomen</expan>
      </choice> abschickten. Die Theologi zu <hi>Augspurg, Worms, Trident</hi>
      <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> konten sich einen Theil der <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirche, repräsentierende</term>
      </index>irenden Kirche nennen; aber ein jeder einzeler Lehrer kan nicht sich
                        selbst dafür halten. Ich wil aber diesen ganz neuen <index indexName="subjects-index">
        <term>Sprachgebrauch</term>
      </index>Sprachgebrauch übergehen; und nur anmerken, daß die <index indexName="subjects-index">
        <term>Repräsentant</term>
      </index><hi>Repräsentanten</hi> im Namen ihrer Geselschaft zu handeln haben,
                        folglich die erhaltene Volmacht zu der und der Sache anwenden müssen. Wer
                        hat aber dem <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> aus irgend einer
                            <hi>lutherischen</hi> Kirche eine Volmacht gegeben, als ihr <index indexName="subjects-index">
        <term>Repräsentant</term>
      </index>Repräsentant, bey kaiserlicher <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> solche Anträge und Einfälle anzubringen? In seinen
                        Schriften – wer hatte wol aus irgend einer lutherischen Kirche ihn
                            <hi>bevolmächtiget</hi>, dis oder jenes, wider die augspurgische Con<pb xml:id="bs_b_page_114" n="114" edRef="#b"/>feßion, zu lehren und zu
                        schreiben? Dis ist alles ungegründete und übereilte <index indexName="subjects-index">
        <term>Anmaßung</term>
      </index>Anmassung. Wenn er fernerhin allerley schreibt: so wil er dafür
                        angesehen seyn, daß er es als ein Theil der <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirche, repräsentierende</term>
      </index>repräsentirenden Kirche thue. Welcher Kirche? Er gehört ja zu gar
                        keiner <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirchengesellschaft</term>
      </index>Kirchengeselschaft, die im <hi>römischen</hi> Reiche öffentliche
                        Rechte und ein <foreign xml:lang="lat">ius repraesentandi</foreign> hat. Und
                        gar wil er als ein Theil der <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirche, repräsentierende</term>
      </index>repräsentirenden Kirche dieses Bekentnis an <choice>
        <abbr>Se.</abbr>
        <expan>Seine</expan>
      </choice> Kaiserliche <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> geschrieben
                        haben! Ich brauche es nicht zu erinnern, daß nicht einmal das kleinste Dorf
                        im römischen Reiche ihm einen solchen Auftrag gethan habe; geschweige
                        diejenige Kirche, in der er ehedem eine öffentliche Stelle, und zwar wider
                        ihre ganze Intention, wie er es selbst vorhin sagte, eine Zeitlang verwaltet
                        hatte. Nun wollen wir doch auch die <hi>Sachen</hi> besehen, wozu er als ein
                        Theil der <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirche, repräsentierende</term>
      </index>repräsentirenden Kirche, eine <index indexName="subjects-index">
        <term>Verpflichtung</term>
      </index><hi>Verpflichtung</hi> haben wil. 1) Er sey nicht nur als ein Theil
                        der <index indexName="subjects-index">
        <term>Kirche, repräsentierende</term>
      </index>repräsentirenden Kirche verpflichtet, die <index indexName="subjects-index">
        <term>Lehrsätze</term>
      </index>Lehrsätze seiner Kirche zu <index indexName="subjects-index">
        <term>prüfen</term>
      </index>prüfen; sondern auch <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice> In der That hatte die Kirche, die ihm einen öffentlichen Dienst
                        aufgetragen, die völlige Meinung, er habe diese Lehrsätze, die er nun zu
                        lehren auf sich nahm, lange schon gekant und geprüfet; keinesweges solte er
                        sie nun zu lehren auf sich nemen und erst nachher <index indexName="subjects-index">
        <term>prüfen</term>
      </index>prüfen. 2) Ist er gar verpflichtet, das Resultat seiner <index indexName="subjects-index">
        <term>Prüfung</term>
      </index>Prüfung seinen <index indexName="subjects-index">
        <term>Glaubensbrüder</term>
      </index>Glaubensbrüdern mitzutheilen: so weit dis wahr ist, so ist es eine
                        innere Obliegenheit und <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissens, Stimme des eigenen</term>
      </index>Stimme seines eigenen Gewissens. Wenn diese nun in Collision komt
                        mit den äusserlichen Pflichten, die er zu leisten übernommen hatte: so muste
                        er es anzeigen, bey seinen Obern; und da er keine besondern Obern mehr hat,
                        also auch kein Lehramt: so fält diese angebliche Verpflichtung, wie gesagt,
                        nicht auf ihn als Lehrer, und anmaslichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Repräsentant</term>
      </index>Repräsentaten, denn das ist er nicht gewesen, und jener ist er nicht
                        mehr: sondern als <index indexName="subjects-index">
        <term>Privatmann</term>
      </index>privat Mann, wenn er gleich noch so gelehrt wäre. Nun stehet es bey
                        den Obern aller <hi>lutherischen, reformirten</hi>
      <pb xml:id="bs_b_page_115" n="115" edRef="#b"/> und
                            <hi>römischkatholischen</hi> Kirchen, ob sie diese unreife Frucht eines
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Gewissen, irriges</term>
      </index>irrigen Gewissens in ihren Landen wollen öffentlich lesen und
                        brauchen lassen; oder ob sie diese ganze <hi>Ausschweifung</hi> lieber
                        unterdrücken und verbieten wollen. Wenn nun dis letzte geschiehet, so ist es
                        vollend klar, daß diese Kirchen <hi>es keinem Lehrer zur <index indexName="subjects-index">
          <term>Pflicht</term>
        </index>Pflicht machen</hi>, sich als <index indexName="subjects-index">
        <term>Repräsentant</term>
      </index>Repräsentant von ihnen selbst anzusehen; und das Resultat seiner
                        privat Prüfung <hi>für so wichtig zu halten</hi>, daß er es drucken lasse.
                        Indes, da es nun gedruckt ist: so komt es weiter darauf an, wie diese
                        Kirchen, deren Lehrbücher der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> so wenig richtig verstund, und doch
                        geradehin so übel beurtheilet hat, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_32"/>daß sie die <hi><quote corresp="#quote_bs_a10_3">Quelle des <index indexName="subjects-index">
            <term>Unglaubens, Quelle des</term>
          </index>Unglaubens</quote></hi> enthielten: dieses sein Bekentnis,
                        und die Beschuldigung ihrer Lehrer, daß sie <hi>heucheln und lügen</hi>,
                        ferner öffentlich behandeln werden. Ich habe nun meiner Pflicht, die ich als
                        öffentlicher Lehrer der <hi>augspurgischen Confeßion</hi> habe, ein Genüge
                        gethan, und den <index indexName="subjects-index">
        <term>Ungrund</term>
      </index>Ungrund dieses so übereilten und <index indexName="subjects-index">
        <term>untreu (Bahrdt)</term>
      </index>untreuen Bekäntnisses, öffentlich entdeckt; bin auch gewis, daß alle
                        gewissenhafte Lehrer aller drey Religionen mir in der Hauptsache recht geben
                        werden.</p>
    <p>Ich muß noch eine Stelle beleuchten, welche in der Anrede an <choice>
        <abbr>Kaiserl.</abbr>
        <expan>Kaiserliche</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs>
      <choice>
        <abbr>S.</abbr>
        <expan>Seite</expan>
      </choice>
      <ref target="#bs_a_page_7">7.</ref> sehr auffallend vorgetragen wird.</p>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_33"/><quote corresp="#quote_bs_a7">Wie ich nun beiden höchstvenerirlichen Conclusis
                            mich sogleich demütigst unterworfen, auch mein Amt bereits verlassen,
                            und alles, was mir, meiner Gattin, und vier kleinen unerzogenen Kindern
                            bisher Quell des Unterhalts und der Verpflegung gewesen war, sogar
                                <hi>mein</hi> im gräflichen Leiningischen Schlosse <index indexName="subjects-index">
          <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
        </index>Heidesheim, mit einem Aufwande von mehr als 6000 <choice>
          <abbr>Rthlr.</abbr>
          <expan>Reichsthalern</expan>
        </choice> errichtetes, und von tausend gutdenkenden Menschen gebilligtes
                            Erziehungsinstitut, mit dem Rücken angesehen, und ohne alle bestimte
                            Aussichten mich in ein ander Land begeben habe: also eile ich <choice>
          <abbr>etc.</abbr>
          <expan>et cetera</expan>
        </choice></quote></p>
    <p><pb xml:id="bs_b_page_116" n="116" edRef="#b"/> Nach dieser Erzälung, hat der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sogar ein Erziehungsinstitut in
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index>Heidesheim mit dem Rücken angesehen, das mit einem Aufwande von mehr
                        als 6000 <choice>
        <abbr>Rthl.</abbr>
        <expan>Reichsthalern</expan>
      </choice> errichtet worden; welches Institut er daher <hi>sein</hi> nent.
                        Ich wil mich nicht darauf einlassen, zu untersuchen, ob der Inhalt des <choice>
        <abbr>kaiserl.</abbr>
        <expan>kaiserlichen</expan>
      </choice> Reichshofrathsconclusi in der That hierauf gehe, dem <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> alles eigenen rechtmäßigen Vermögens
                        so eilfertig zu entsetzen, daß er in gröster Eil davon reisen müsse, und
                            <hi>das Seine</hi> mit dem Rücken ansehe! Ich wil nur die gegründete
                        Befremdung äußern, worein die Leser ganz natürlich geraten, wenn sie nicht
                        nur allerley schriftliche <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_34"/>Nachrichten und Briefe vergleichen, worin des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> heimliche eilfertige Abreise aus
                            <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index><hi>Heidesheim</hi>, und die geschwinde Nachreise des Hrn.
                            –<hi>bers</hi> aus <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index>Heidesheim, und noch zweier ansehnlichen <foreign xml:lang="lat">creditorum</foreign>, mit besondern Umständen erzälet wird, die es
                        sonnenklar machen, daß kein Reichsfiscal und keine kaiserliche execution auf
                        irgend einige Weise hieher zu rechnen ist, was diese <hi>Verlassung</hi> des
                        dortigen rechtmäßigen Eigentums betrift; sondern auch öffentliche <foreign xml:lang="lat">Impressa</foreign> in der <hi>frankfurtischen</hi>
                        kaiserlichen <hi>privilegirten</hi> Zeitung lesen, die einen solchen
                        Zusammenhang an den Tag legen, der gar nicht zur demüthigsten
                            <hi>Unterwerfung</hi> an jene conclusa in diesen Umständen gehören kan.
                        1) In dem 81sten Stück Frankfurter Staats-Ristretto, auf den 22sten May,
                        wird von der <choice>
        <abbr>hochgräfl.</abbr>
        <expan>hochgräflichen</expan>
      </choice> Leiningen-Dagsburgischen Regierungscanzley, zu <hi>Dürkheim</hi>
                        an der Haard, den 19ten May, folgendes bekant gemacht: <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_35"/>da durch die <index indexName="subjects-index">
        <term>Dienstentlassung</term>
      </index><hi>Dienstentlassung</hi> des <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice>
      <hi><persName ref="textgrid:2541p">Bahrdten</persName></hi>, und von ihm
                        hierauf aus eigener Bewegung vorgenommenen Niederlegung des <hi>Fürsorger
                            Amtes</hi> über das <index indexName="subjects-index">
        <term>Erziehungsinstitut</term>
      </index>Erziehungsinstitut in dem hochgräflichen Leiningen-Dagsburgischen
                        Schlosse zu <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index>Heidesheim, diese Anstalt weiter keine Veränderung erlitten, als daß
                        sie unter unmittelbarer Aufsicht der Landesregierung <hi>zweckmäßiger</hi>
                        eingerichtet, und nicht nur für die beste Verpflegung der Zöglinge gesorget,
                            son<pb xml:id="bs_b_page_117" n="117" edRef="#b"/>dern auch insbesondre
                        zu Beförderung der wissenschaftlichen und sittlichen <index indexName="subjects-index">
        <term>Erziehung</term>
      </index>Erziehung derselben, unter einer unermüdeten Aufsicht, mit
                        unerwartetem Erfolge, die vorzüglichsten Mittel bereits in Wirksamkeit
                        gesetzt worden: so hat man solches zu Beruhigung der Eltern und Vormünder,
                        welche Kinder oder Mündel wirklich zu <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index>Heidesheim haben, oder noch dahin zu schicken gedenken, hiedurch
                        bekant zu machen nicht ermangeln wollen. <hi>Dürkheim</hi>
      <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice></p>
    <p>Nach dieser Anzeige vom 19ten May, erfolgte eine andre vom 25sten May, (also
                        kaum 5–6 Tage nachher) in dem 83sten Stück genanter Frankfurter Zeitung,
                        Seite 334. von eben derselben <choice>
        <abbr>hochgräfl.</abbr>
        <expan>hochgräflichen</expan>
      </choice>
      <hi>Leiningen-Dagsburgischen</hi> Regierungscanzley zu <hi>Dürkheim</hi>,
                        dieses Inhalts:</p>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_36"/>Nachdem die <index indexName="subjects-index">
        <term>Ökonomische Gesellschaft (Heidesheim)</term>
      </index><hi>ökonomische</hi> Geselschaft des <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index>Heidesheimer Erziehungsinstituts die gehorsamste Anzeige gethan, wie
                        sich bey genauer Berechnung der zur Bestreitung eines anständigen Unterhalts
                        desselben erforderlichen Kosten ergeben, <hi>daß solche die Einnahme bey
                            weitem übersteigen</hi>; weswegen sie sich außer Stande befinde, die
                        weitere Fortsetzung desselben zu unterstützen; und solchem nach <hi>besagtes
                            ganze Institut nicht weiter bestehen kan, sondern</hi> pro futuro
                            <hi>gänzlich aufhören muß</hi>: als wird dieses unter Beziehung auf das
                        81ste (oder vorige) Stück dieser Zeitung befindliche Avertissement, mit dem
                        Anhange und unter der Versicherung, daß einstweilen die <choice>
        <sic>Zög inge</sic>
        <corr type="editorial">Zöglinge</corr>
      </choice>, <hi>bis sie von den Ihrigen werden zurückgenommen werden</hi>,
                        wohl verpfleget und zweckmäßig unterrichtet werden sollen, hiemit jederman
                        bekant gemacht. <hi>Dürkheim</hi> an der Haard <choice>
        <abbr>etc.</abbr>
        <expan>et cetera</expan>
      </choice></p>
    <p>In eben diesem 83sten Stück, folget <hi>unmittelbar</hi> auf die vorige
                        Nachricht diese anderweitige Anzeige, die aus <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index><hi>Heidesheim</hi> den 21sten May unterschrieben ist, <hi>von der
                                <index indexName="subjects-index">
          <term>Ökonomische Gesellschaft (Heidesheim)</term>
        </index>öconomischen Geselschaft der</hi>
      <index indexName="subjects-index">
        <term>Erziehungsanstalt</term>
      </index><hi>Erziehungsanstalt</hi> daselbst. <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_37"/>Demnach der bisherige
                            <hi>Fürsorger</hi> des Erziehungs<pb xml:id="bs_b_page_118" n="118" edRef="#b"/>instituts zu <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index>Heidesheim <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice>
      <hi><persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName></hi> zwar dieses sein
                            <hi>Fürsorgeramt</hi> freywillig niedergelegt, daraufhin aber, <hi rend="margin-horizontal">ohne mit der <index indexName="subjects-index">
          <term>Ökonomische Gesellschaft (Heidesheim)</term>
        </index>öconomischen Geselschaft sothanen Instituts Abrechnung zu
                            pflegen,</hi> sich von hier wegbegeben hat; diese Erziehungsanstalt
                        hingegen unter unmittelbarer Direction der höchgräflichen Landesregierung
                        annoch bestehet: so hat die <index indexName="subjects-index">
        <term>Ökonomische Gesellschaft (Heidesheim)</term>
      </index>öconomische Geselschaft mehr gedachten Instituts solches hiermit
                        bekant machen, und zugleich nicht nur alle Eltern und Vormünder, welche
                        Kinder oder Mündel darein haben, oder noch anhero zu schicken gesonnen seyn
                        möchten; sondern auch alle diejenigen, welche <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_38"/><foreign xml:lang="lat">ex alio quocunque capite</foreign> etwas hieher schuldig
                        sind, geziemend bitten wollen, an den <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice>
      <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName> weder pensions noch
                        sonstige Gelder vor Rechnung des hiesigen Instituts zu bezahlen, sondern
                        sich disfals an die <index indexName="subjects-index">
        <term>Ökonomische Gesellschaft (Heidesheim)</term>
      </index>öconomische Geselschaft selbsten um so mehr gefälligst zu
                        addressiren, als dieselbe alle an den <choice>
        <abbr>Hrn.</abbr>
        <expan>Herrn</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice>
      <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName> geschehene Zahlungen nicht
                        anerkennen, sondern solche als nicht geschehene ansehen; dahingegen aber vor
                        die an sie selbst addressirte und ihr zukommende Gelder, getreue Rechnung
                        halten wird.</p>
    <p>In einem andern Blat, (der Frankfurter kaiserlichen
                        Reichsoberpostamts-Zeitung,) auf den 2ten <choice>
        <abbr>Jul.</abbr>
        <expan>Juli</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>Num.</abbr>
        <expan>Numerus</expan>
        <expan>Numero</expan>
      </choice> 105. auf der letzten Seite, stehet nun noch eine andre Anzeige,
                        datirt den 28sten May 1779, <hi>Dürkheim</hi>:</p>
    <p><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_39"/>Nachdem sich der
                        ehemalige hiesige erstere Superintendens und <foreign xml:lang="lat">curator</foreign>
      <hi>des von ihm auf eigene Kosten und Gefar errichteten</hi>
                        Erziehungsinstituts, in dem <choice>
        <abbr>hochgräfl.</abbr>
        <expan>hochgräflichen</expan>
      </choice> Schlosse zu <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index>Heidesheim, <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice>
      <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName>, aus hiesigen Gegenden,
                            <hi>mit Zurücklassung, einiger, sogleich nach seinem Abzug in ein
                            gerichtlich Inventarium gebrachter</hi> Effecten, entfernet; und aus
                            <hi>denen bereits gegen ihn</hi> und <hi>die <index indexName="subjects-index">
          <term>Ökonomische Gesellschaft (Heidesheim)</term>
        </index>öconomische</hi> Societät <hi>seiner Anstalt, eingeklagten
                                <index indexName="subjects-index">
          <term>Schulden (Bahrdts)</term>
        </index>Schulden</hi>, sich ergiebet: <hi>daß dessen zurückgelassene
                            Effecten zu Tilgung derselben schwerlich hinlänglich seyn dürften</hi>:
                        als werden alle und jede, so an ihn, <choice>
        <abbr>D.</abbr>
        <expan>Doctor</expan>
      </choice>
      <pb xml:id="bs_b_page_119" n="119" edRef="#b"/>
      <persName ref="textgrid:2541p">Bahrdt</persName>, oder die <index indexName="subjects-index">
        <term>Ökonomische Gesellschaft (Heidesheim)</term>
      </index>öconomische Societät seines Instituts irgend einige Forderung
                            <foreign xml:lang="lat">ex quocunque capite</foreign> zu machen sich
                        berechtiget glauben, hiemit vorgeladen, von <foreign xml:lang="lat">dato</foreign> an, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_40"/>nach Verflus von 6 Wochen, welcher <foreign xml:lang="lat">terminus sub praeiudicio praeclusionis</foreign>
                        anberaumet wird, vor dahiesiger hochgräflichen Regierungscanzley entweder in
                        eigner Person, oder durch einen dazu hinlänglich Bevolmächtigten zu
                        erscheinen, und von dem 12ten <choice>
        <abbr>Jul.</abbr>
        <expan>Juli</expan>
      </choice>
      <choice>
        <abbr>h. a.</abbr>
        <expan>hoc anno</expan>
        <expan>hujus anni</expan>
      </choice> und folgende Tage, als in diesem <foreign xml:lang="lat">ad
                            liquidandum</foreign> bestimten Termin, in Ansehung ihrer etwa habenden
                        Forderungen gehörige Liquidation zu pflegen, sofort weitern rechtlichen
                        Bescheid zu gewärtigen. Zur <choice>
        <abbr>hochgräfl.</abbr>
        <expan>hochgräflichen</expan>
      </choice> Leiningen-Dachsburgischen Regierungscanzley verordnete, Director,
                        Hof- und Regierungscanzley Räthe.</p>
    <p>Ich wil nicht die geringste Anmerkung hierüber machen, wie diese 6000 Rthl.
                        mit so viel dortigen schon eingeklagten <index indexName="subjects-index">
        <term>Schulden (Bahrdts)</term>
      </index>Schulden einstimmen; noch weniger andre Nachrichten hier ausbreiten,
                        was die <index indexName="subjects-index">
        <term>Schulden (Bahrdts)</term>
      </index>Schulden und <foreign xml:lang="lat">creditores</foreign> betrift.
                        Aber es ist doch ganz gewis, daß der <choice>
        <abbr>Hr.</abbr>
        <expan>Herr</expan>
      </choice>
      <rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> in einer sehr schlechten Lage sich
                        befunden hat, als er von <index indexName="subjects-index">
        <term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
      </index>Heidesheim, wo er freilich nicht mehr bleiben konte, das
                        Glaubensbekentnis handschriftlich nach Berlin schickte, um es in den Druck
                        zu bringen; da er gerade am allerwenigsten für die 3 Religionen im römischen
                        Reich, und <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_41"/>für die
                        rechte <index indexName="subjects-index">
        <term>Christusreligion</term>
      </index>Christusreligion, und für grösseste Rechte der <index indexName="subjects-index">
        <term>Menschenrechte</term>
        <term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
      </index>Menschheit, sondern blos für sich selbst zu sorgen Ursache hatte.
                        Die Zeit wird den Erfolg von diesem ganzen Zusammenhange weiter lehren. Alle
                            <foreign xml:lang="lat">studiosos theologiae</foreign> erinnere ich an
                        jene alte vortrefliche Vorschrift, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_10_42"/><foreign xml:lang="grc">Μανθανετωσαν, οἱ
                            ἡμετεροι, καλων ἐργων προϊστασθαι, εἰς τας ἀναγκαιας χρειας, ἱνα μη ὠσι
                            ἀκαρποι</foreign>. Halle den 20sten August, 1779.</p>
    <signed><persName ref="textgrid:250ds"><choice>
          <abbr>D.</abbr>
          <expan>Doctor</expan>
        </choice> Joh. Salomo Semler</persName>.</signed>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_1"><label>Daß
                            alle Christen [...] gewürdiget werde</label>
      <p>Zitat a21–23.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_2"><label>ohnerachtet sie lauter Wust enthalten sollen</label>
      <p>Anspielung auf a15.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_3"><label>seit
                            Gerhards Zeiten</label>
      <p>Johann Gerhard (1582–1637), wirkte ab 1606 in Jena und gilt als
                            bedeutendster Theologe der lutherischen Orthodoxie. Zu Gerhards
                            Verständnis der „Elementaria“ vgl. seinen <hi>Tractatus de legitima
                                Scripturae sacrae interpretatione</hi> (1610), Art. 190. Semler wird
                            wenig später in der Auseinandersetzung um den Deismus eine ganz ähnliche
                            Argumentation verwenden, vgl. Semler, <hi>Zusäze zu Lord Barringtons
                                Versuch</hi> (1783), 83.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_4"><label>Summarien [...] wie besonders Veit Dietrich</label>
      <p>Veit Dietrich (1506–1549), deutscher Theologe und Vertrauter Luthers,
                            erst Student, dann Dozent in Wittenberg, ab 1535 Pfarrer in seiner
                            Heimatstadt Nürnberg. Dietrich gab neben Schriften Luthers und eigenen
                            Predigten auch <hi>Summarien</hi> – auf Erbauung abzielende, leicht
                            verständliche Kapitelzusammenfassungen – des Alten (1541) und des Neuen
                            Testaments (1544) heraus, die vielfach aufgelegt wurden und noch lange
                            nach seinem Tode in Gebrauch blieben.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_5"><label>Eclogas, Synopses</label>
      <p>Eine Ekloge (gr. <foreign xml:lang="grc">ἐκλογή</foreign>; wörtlich:
                            „Auswahl“) ist ein Auszug aus einem längeren Text. Verwendet wurde der
                            Begriff zunächst vor allem für „ausgewählte“ Gedichte, später wurde er
                            auch mit Bezug auf andere Gattungen benutzt. Hiervon zu unterscheiden
                            ist die Bezeichnung bukolischer Gedichte als „Ekloge“ (z.B. bei Vergil
                            oder Gottsched). – Unter einer „Synopse“ versteht Semler hier nicht die
                            Gegenüberstellung gleichartiger Texte (wie der Evangelien), sondern die
                            bündige Zusammenfassung (gr. <foreign xml:lang="grc">σύνοψις</foreign>;
                            „Zusammenschau“) bestimmter Inhalte.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_6"><label>Capitula, (des Prätextatus, über Pauli Briefe,)</label>
      <p>Die Angabe wirft Rätsel auf. Der einzige weitere Hinweis auf ein solches
                            Werk, der sich aufspüren lässt, stammt ebenfalls von Semler und findet
                            sich in Richard Simons (1638–1712) <hi>Kritische[n] Schriften über das
                                neue Testament</hi> II (1777; orig. 1690), übersetzt vom
                            Semler-Schüler Heinrich Matthias August Cramer (1745–1801). Semler
                            selbst steuerte Vorreden und Anmerkungen bei. Auf S. 267 schreibt er:
                            „In der bibliotheca pistoriensis, welche der gelehrte <hi>P.</hi> [=
                            Pater] <hi>Zacharias</hi> herausgegeben, befindet sich eines gewissen
                            Praetextatus Sammlung der capitulorum [Summarien] der Briefe Pauli,
                                <hi>lateinisch</hi>.“ Tatsächlich fehlt jedoch in der zweibändigen
                                <hi>Bibliotheca Pistoriensis</hi> (1752) des jesuitischen
                            Kirchenhistorikers Francisco Antonio Zaccaria (1714–1795) jeder Hinweis
                            auf einen Autor namens Prätextatus. Vermutlich meint Semler die dort
                            abgedruckten „Nonaginta Peregrini Episcopi Canones ex Paulli epistolis
                            sumti contra Haereticos sui temporis“ (I, 66–77). Bei den
                                <hi>Canones</hi> handelt es sich um 90 aus den Briefen des Apostels
                            Paulus (und dem Hebräerbrief) gezogene Lehrsätze, die wahrscheinlich auf
                            den antiken Theologen und Bischof von Avila, Priscillian (ca. 340–385),
                            zurückgehen. Ein „Bischof Peregrinus“, dessen genaue Identität unsicher
                            ist, hat die <hi>Canones</hi> eingeleitet und nach eigener Aussage im
                            Sinne der katholischen Lehre „korrigiert“ – Priscillian war wegen
                            Zauberei von weltlichen Autoritäten hingerichtet worden, seine Anhänger
                            in den Ruf der Häresie geraten. – Die Verwechslung der Namen ist für den
                            enzyklopädisch gebildeten Semler äußerst ungewöhnlich und wohl am
                            ehesten durch ein unleserlich angefertigtes Exzerpt zu
                        erklären.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_7"><label>speculum in Augustini Werken</label>
      <p>Bei Augustinus’ Spätwerk <hi>Speculum</hi> („Spiegel“), entstanden 427,
                            handelt es sich um eine umfangreiche Zusammenstellung biblischer Gebote.
                            Vertreten sind die Mehrzahl der Bücher des Alten und alle Bücher des
                            Neuen Testaments.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_8"><label>Uebereilungen des Gretser und Tanner auf dem colloquio zu
                            Regenspurg [...] das Hündlein wedelte mit dem Schwanze</label>
      <p>Der jesuitische Theologe Adam Tanner (1572–1632) hatte während des
                            Regensburger Religionsgesprächs (1601), das sich um die Frage der
                            alleinigen Autorität der Heiligen Schrift drehte, die Auffassung
                            verteidigt, sämtliche Aussagen der Bibel seien als Glaubensartikel
                            anzusehen. Auf die Nachfrage des Lutheraners Ägidius Hunnius
                            (1550–1603), ob dies auch für die Behauptung gelte, Tobias habe auf
                            seinen Reisen einen Hund bei sich gehabt (vgl. Tob 5,17; 11,4), bejahte
                            Tanner mit Bestimmtheit: 1) Eine Person sei ein Ketzer dann und nur
                            dann, wenn sie einen Glaubensartikel leugne. 2) Wer die Wahrheit der
                            biblischen Aussage, Tobias habe einen Hund gehabt, leugne, sei, wie auch
                            die Lutheraner zugäben, ein Ketzer. 3) Also sei die Aussage, Tobias habe
                            einen Hund gehabt, ein Glaubensartikel. – Der jesuitische
                            Gegenreformator Jakob Gretser (1562–1625) war Teilnehmer des
                            Religionsgesprächs, meldete sich jedoch während der betreffenden 11.
                            Session nicht zu Wort. Das <hi>Schwanzwedeln</hi> ist biblisch im
                            Übrigen nicht explizit bezeugt, sondern geht auf Hunnius’ polemische
                            Fassung des Problems zurück.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_9"><label>Calixti
                            Lehrart</label>
      <p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_9_3"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_10"><label>daß
                            aber der Kirche, (darunter ich mir doch eigentlich etc.)</label>
      <p>Zitat a22, vgl. <ref target="#bs_b_page_104">b104</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_11"><label>wenn
                            man die Kirche [...] das Vorurtheil der Einsicht etc.</label>
      <p>Paraphrase <ref target="#bs_a_page_22">a22</ref>, vgl. <ref target="#bs_b_page_104">b104</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_12"><label>schmalkaldischen Artikeln</label>
      <p>Martin Luther verfasste 1536 die <hi>Schmalkaldische[n] Artikel</hi> nach
                            dem Vorbild seines „Großen Bekenntis“ (1528). Auf dem Bundestag des
                            Schmalkaldischen Bundes, des Zusammenschlusses der protestantischen
                            Reichsstände, im Frühjahr 1537 konnten sie sich zunächst nicht allgemein
                            durchsetzen. 1580 wurden die Artikel dann ins <hi>Konkordienbuch</hi>
                            aufgenommen und sind seither gültige Bekenntnisschrift der lutherischen
                            Kirchen.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_13"><label>ius
                            circa sacra publica</label>
      <p>Gemeint sind die obrigkeitlichen Aufsichtsrechte über
                            Religionsgemeinschaften.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_14"><label>Costnitz und Basel</label>
      <p>Gemeint sind die Reformkonzilien von Konstanz (1414–1418) und Basel
                            (1431–1449), auf denen über die Machtfülle des Papstes gestritten wurde
                            und die Meinung vorherrschte, das Konzil stehe über dem Papst
                            (Konziliarismus).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_15"><label>Investituren</label>
      <p>Gemeint sind die Einsetzungen (wörtlich „Einkleidungen“) kirchlicher
                            Würdenträger. Semler spielt auf die zahlreichen Konflikte zwischen Papst
                            und weltlichen Herrschern über die Rechte zur Einsetzung im Kirchenwesen
                            an, etwa auf den langjährigen Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser
                            (ca. 1075–1122).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_16"><label>die
                            Kirche hat kein Recht, mir – Lehren und Begriffe aufzudringen</label>
      <p>Zitat a22, vgl. <ref target="#bs_b_page_104">b104f.</ref></p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_17"><label>Vocationen</label>
      <p>Gemeint sind Bestallungen von Theologen.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_17a"><label>So
                            viel gründliche Abhandlungen de iure principis circa sacra</label>
      <p>Vgl. etwa Johann Jacob Mosers voluminöses Werk <hi>Von der Landeshoheit
                                im Geistlichen</hi> (1773) und die darin enthaltenen umfangreichen
                            Literaturlisten.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_18"><label>Bauren
                            im 16ten Jahrhundert ihre 12 Artikel ausgehen ließen</label>
      <p>Im März 1525 stellten oberschwäbische Bauern in Memmingen ihre
                            Forderungen, die die schikanöse Behandlung durch die Obrigkeiten beenden
                            und ihnen größere Rechte und Freiheiten zusichern sollten,
                            programmatisch in zwölf Artikeln zusammen. Die mediale Verbreitung der
                                <hi>Zwölf Artikel</hi> verhalf dem meist recht regionalen
                            Aufbegehren des sog. Bauernkrieges (1524/25) zu einem einheitlichen
                            Gesicht. </p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_19"><label>Luthers, Melanchthons und andrer Lehrer Antworten</label>
      <p>Die Reformatoren antworteten abwägend bis feindlich auf die Forderungen
                            der Bauern, was die Fürsten als Rechtfertigung für ihr militärisches
                            Vorgehen gegen die aufständischen Bauern benutzten.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_20"><label>Thomas
                            Münzer</label>
      <p>Thomas Müntzer (1489–1525) war ein radikalisierter Reformator und
                            Anführer der aufständischen Bauern in Thüringen. Unter seiner Führung
                            errichteten die Aufständischen im Frühjahr 1525 in Mühlhausen eine Art
                            theokratische Verfassung, die kurze Zeit darauf niedergeschlagen wurde.
                            Der hingerichtete Müntzer wurde zum Prototyp des religiös motivierten
                            Aufrührers stilisiert.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_21"><label>Nachbar Andres, Carlstadt</label>
      <p>„Nachbar [ursprünglich: Neber] Andres“ war die Selbstbezeichnung von
                            Andreas Rudolf Bodenstein, genannt nach seinem Geburtsort Karlstadt
                            (1486–1541), Priester und Theologieprofessor in Wittenberg, beeinflusst
                            von Neuplatonismus, Kabbala und Humanismus. Karlstadt schloss sich
                            Luthers Reformation an und wurde ein vielgelesener Autor
                            reformatorischer Schriften. Er radikalisierte sich jedoch zunehmend.
                            Entgegen Luthers versöhnlichen „Invocavitpredigten“ rief er 1523 in
                            Wittenberg zum Bildersturm auf und wurde nach weiteren Eskalationen 1524
                            endgültig vom Kurfürsten von Sachsen des Landes verwiesen. Karlstadt
                            lebte nach einigen unsteten Stationen in Kiel und Ostfriesland ab 1534
                            in Basel.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_22"><label>Kirchenvisitationen</label>
      <p>Gemeint sind Besuche vor Ort und Befragungen der Gläubigen und ihrer
                            Gemeindevorsteher, die meist von einer zeitlich einberufenen Kommission
                            durchgeführt wurden. Konkret spielt hier Semler auf die sächsischen
                            Kirchenvisitationen im 16. Jh. an, s. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_10_28"/>, vgl. auch <ptr type="page-ref" target="#erl_d_5_0"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_23"><label>„wenigstens wäre dis [...] überzeugt fühle.“</label>
      <p>Zitat a22, vgl. <ref target="#bs_b_page_105">b105</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_24"><label>Wiedertäufer</label>
      <p>Gemeint sind radikale Strömungen der Reformation, die anstelle der
                            Kindertaufe eine Erwachsenentaufe des Gläubigen fordern, weshalb sie von
                            ihren Gegnern als „Wiedertäufer“ diffamiert wurden. Semler spielt hier
                            deutlich auf die soziale Sprengkraft an, die täuferische Überzeugungen
                            entwickeln konnten. Paradebeispiel dafür war die Situation in Münster,
                            wo 1534 Täufer die Ratsmehrheit erlangten, den Bischof als Landesherrn
                            entmachteten und kurzzeitig ein Täuferreich errichteten. 1535 wurde
                            Münster blutig zurückerobert und die Anführer hingerichtet.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_25"><label>reseruationem mentalem, welche selbst alle Jansenisten an jenen
                            politischen Jesuiten verabscheueten</label>
      <p>Eine (strikte) Mentalreservation liegt vor, wenn der Sprecher seinen
                            Worten im Geiste eine bestimmte Einschränkung oder einen bestimmten
                            Vorbehalt hinzufügt, sodass die Worte zusammen mit dem nicht öffentlich
                            geäußerten Zusatz – und nur mit diesem – eine wahre Aussage oder ein
                            aufrichtiges Versprechen ergeben: z.B. (öffentlich) „Ich gelobe, mich an
                            die Lehrvorschriften zu halten“, (mentale Ergänzung) „solange sie nicht
                            meinem Gewissen widersprechen“. Die kasuistische Lehre der
                            Mentalreservation besagte ferner, dass es zwar eine unaufhebbare Pflicht
                            gebe, gegenüber Gott innerlich die Wahrheit zu bekunden, dies jedoch
                            moralisch damit verträglich sei, zugleich eine Halb- oder gar Unwahrheit
                                <hi>auszusprechen</hi>, falls Letzteres einem höheren Zweck dient.
                            Die Lehre wurde erstmals von dem spanischen Theologen, Kirchenrechtler
                            und Ökonomen Martín de Azpilcueta (1492–1586) entwickelt und dann vor
                            allem von jesuitischen Autoren – Robert Southwell (1561–1595), Henry
                            Garnet (1555–1605), Tomás Sánchez (1550–1610), Vincenzo Filliucci
                            (1566–1622) – übernommen und verfeinert. Der jansenistische (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_n_17"/>) Philosoph und Mathematiker
                            Blaise Pascal (1623–1662) verspottete die Auffassung in seinen
                                <hi>Lettres provinciales</hi> (1656/1657) als heuchlerisch, vgl. 9.
                            Brief.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_26"><label>Biederman</label>
      <p>Bereits im Mittelhochdeutschen nachweisbare Bezeichnung für einen
                            anständigen, rechtschaffenen Mann. Die heutige Konnotation des
                            „Spießerhaften“ wurde im 18. Jh. noch nicht mit dem Ausdruck verbunden.
                            Johann Christoph Gottsched (1700–1766) nannte ein von ihm
                            herausgegebenes Journal (1727–1729) völlig unironisch <hi>Der
                                Biedermann</hi>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_27"><label>„dieses Recht erstreckt sich [...] als bey gemeinen
                            Protestanten.“</label>
      <p>Zitat a22, vgl. <ref target="#bs_b_page_105"/>b105.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_28"><label>Churfürst von Sachsen, der Stadtrath zu –</label>
      <p>Semler führt nochmals die reichsrechtlich eingesetzten Instanzen der
                            Reichsfürsten und Reichsstädte auf, die durch ihre konfessionellen
                            Grenzziehungen den sozialen Frieden garantieren sollen. Der Kurfürst von
                            Sachsen sowie der nicht weiter genannte Stadtrat stehen hier <hi>pars
                                pro toto</hi> für die aus Semlers Sicht ausgleichende
                            Religionspolitik gegen radikale Kräfte wie Karlstadt, Müntzer oder die
                            Bauern; s. <ref target="#bs_b_page_109">b109</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_29"><label>„Ja,
                            sagt der Hr. Verfasser [...] gethan habe etc.“</label>
      <p>Bearbeitetes Zitat a22f. (Einschub in Klammern von Semler hinzugefügt);
                            vgl. <ref target="#bs_b_page_105">b105</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_30"><label>Superintendens in Giessen</label>
      <p>Das Beispiel beruht auf einem Irrtum Semlers, Bahrdt wirkte nie als
                            Superintendent in Gießen. Er war dort von 1771 bis 1775 als vierter
                            Theologieprofessor und Prediger an der Pankratiuskirche
                        angestellt.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_31"><label>Dis
                            mag in terris infidelium seyn</label>
      <p>Gemeint ist, dass allenfalls in nichtchristlichen Gebieten – <hi>in
                                terris</hi> (oder: <hi>partibus</hi>) <hi>infidelium</hi> – einzelne
                            Funktionsträger oder Mitglieder der lutherischen Kirche auch ohne
                            besondere Vollmacht als <hi>Repräsentanten</hi> besagter Kirche gelten
                            können.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_32"><label>daß
                            sie die Quelle des Unglaubens enthielten [...] daß sie heucheln und
                            lügen</label>
      <p>Anspielung auf a10 („Quelle des Unglaubens“) und <ref target="#bs_a_page_9">a9</ref> („Heuchler, der [...]
                        leugt“).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_33"><label>„Wie
                            ich nun [...] also eile ich etc.“</label>
      <p>Zitat a7f.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_34"><label>Nachrichten und Briefe [...], worin des Hrn. Verfassers [...]
                            Abreise aus Heidesheim, und die geschwinde Nachreise des Hrn. –bers aus
                            Heidesheim, und noch zweier ansehnlichen creditorum, [...] erzälet
                            wird</label>
      <p>Um das aufgrund des finanziellen Rückzugs des Grafen von
                            Leiningen-Dagsburg in Schieflage geratene Philanthropinum in Heidesheim
                            (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_14"/>) zu retten, hatte
                            Bahrdt im August 1778 einen Gesellschaftervertrag mit drei Investoren
                            abgeschlossen, die sich für Haushaltung des Instituts, Versorgung der
                            Kinder und Besoldung der Lehrer verbürgten und dafür das Recht auf
                            Bahrdts Vermögen sowie sämtliche Einnahmen der Schule erhielten. Bei den
                            drei Investoren – Mitglieder der sog. „ökonomischen Gesellschaft“ (vgl.
                                <ref target="#bs_b_page_117">b117f.</ref>) – handelte es sich um den
                            Dürkheimer Gastwirt und Postmeister Johann Adam Specht, den Dürkheimer
                            Stadtschreiber Johann Heinrich Koch sowie den Frankfurter Kaufmann und
                            Kammerrat Philipp Christian Schellenberg (1734–1797), auf den Semler
                            hier namentlich anspielen dürfte („–ber[g]s“). Dass die Hauptgläubiger
                            Bahrdt selbst nachgereist sind, ist unwahrscheinlich, sie beauftragten
                            vermutlich den Heidesheimer Hausmeister Tresch mit der Verfolgung.
                            Tresch gelang es zwar tatsächlich, Bahrdt vorübergehend festzusetzen,
                            doch entkam dieser schließlich unter abenteuerlichen Umständen nach
                            Preußen. Vgl. u.a. Degenhard Pott, <hi>Briefe angesehener Gelehrten,
                                Staatsmänner, und anderer an den berühmten Märtyrer D. Karl
                                Friedrich Bahrdt</hi> III (1798), 4–6; Bahrdt, <hi>Geschichte seines
                                Lebens</hi> III (1791), 404–406; IV (1791), 3–14. – Noch im Jahre
                            1787 schickten die Mitglieder der ökonomischen Gesellschaft zwei Briefe
                            an Bahrdt, in denen sie ihre persönlichen Schicksale (Pfändung,
                            Zwangsverkauf, Hausarrest) schildern und die ausstehenden
                            Verbindlichkeiten des früheren Freundes auf über 12.000 Gulden beziffern
                            (Pott, <hi>Briefe</hi> III, 283–286). Bahrdt scheint auf die erste
                            Nachricht mit einem die eigenen Verhältnisse in schwarzen Farben
                            malenden Brief reagiert und die Angelegenheit dann einfach ignoriert zu
                            haben (vgl. aber <hi>Geschichte seines Lebens</hi> IV,
                        221f.).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_35"><label>da
                            durch die Dienstentlassung [...] Dürkheim etc.</label>
      <p>Zitat <hi>Frankfurter Staats-Ristretto</hi>, 81. St. (22.5.1779),
                            329–330.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_36"><label>Nachdem die ökonomische Geselschaft [...] Dürkheim an der Haard
                            etc.</label>
      <p>Zitat <hi>Frankfurter Staats-Ristretto</hi>, 83. St. (28.5.1779), 334[!]
                            statt 338. Hervorhebungen von Semler.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_37"><label>Demnach der bisherige [...] halten wird</label>
      <p>Zitat <hi>Frankfurter Staats-Ristretto</hi>, 83. St. (28.5.1779), 334[!]
                            statt 338. Hervorhebungen von Semler. Zur „öconomischen Gesellschaft“
                            vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_10_34"/>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_38"><label>ex
                            alio quocunque capite</label>
      <p>„Aus irgendeinem anderen Grund“. </p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_39"><label>
                            Nachdem sich [...] Räthe</label>
      <p>Zitat <hi>Frankfurter Kaiserliche Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung</hi>, Nr.
                            105 (2.7.1779), o.S.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_40"><label>nach
                            Verflus von 6 Wochen, welcher terminus sub praeiudicio praeclusionis
                            anberaumet wird</label>
      <p>Gemeint ist eine Frist, nach deren Ablauf Ansprüche erlöschen (Verfalls-
                            oder Präklusionsfrist).</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_41"><label>für
                            die rechte Christusreligion, und für grösseste Rechte der
                            Menschheit</label>
      <p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_15">a15f.</ref>, vgl. auch <ref target="#bs_a_page_11">a11</ref> und <ref target="#bs_a_page_24">a24</ref>.</p></note>
    <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_10_42"><label><foreign xml:lang="grc">Μανθανετωσαν, οἱ ἡμετεροι, καλων
                                ἐργων προϊστασθαι, εἰς τας ἀναγκαιας χρειας, ἱνα μη ὠσι
                                ἀκαρποι</foreign></label>
      <p>Tit 3,14: „Lass aber auch die Unseren lernen, sich hervorzutun mit guten
                            Werken, wo sie nötig sind, damit sie kein fruchtloses Leben
                        führen.“</p></note>
  </div>
</div>