|b187| Zweyter Abschnitt.
Philosophie.

166.

Man kan über alles philosophiren, wovon sich erkennen läßt, wie es mit etwas anderm zusammenhängt (§. 2. ), es mag die Frage das woher? oder wozu? Ursachen oder Mittel, Wirkungen oder Absichten, betreffen; und in so fern eine Disciplin innerlich zusammenhängt, findet Philosophie bey derselben statt; es kan eine Philosophie der Sprachen, der Geschichte, der Theologie und anderer Wissenschaften geben. Wenn aber Philosophie eine besondere Wissenschaft seyn soll: so muß sie einen gewissen bestimmten Gegenstand haben, wodurch sie sich von andern Wissenschaften unterscheidet; und eben darüber, oder vielmehr über die Gränzen, die man ihr stecken soll, sind die Meinungen so sehr getheilt.Man kan über alles philosophiren, wovon sich erkennen läßt, wie es mit etwas anderm zusammenhängt (§. 2. ), es mag die Frage das woher? oder wozu? Ursachen oder Mittel, Wirkungen oder Absichten, betreffen; und in so fern eine Disciplin innerlich zusammenhängt, findet Philosophie bey derselben statt; es kan eine Philosophie der Sprachen, der Geschichte, der Theologie und anderer Wissenschaften geben. Wenn aber Philosophie eine besondere Wissenschaft seyn soll: so muß sie einen gewissen bestimmten Gegenstand haben, wodurch sie sich von andern Wissenschaften unterscheidet; und eben darüber, oder vielmehr über die Gränzen, die man ihr stecken soll, sind die Meinungen so sehr getheilt.
  • Sextus Empiricus im 7ten Buch wider die Logiker, oder im ersten Buch περι φιλοσοφιας, gleich im Anfang.
  • Alex. Gottl. Baumgarten Philosophia generalis, Halae 1770. 8.
  • J. A. Eberhard von dem Begriffe der Philosophie und ihren Theilen, Berlin 1778. gr. 8.

|b188| 167.

Natürlich. Denn man hatte längst und viel philosophirt, ehe man an eine besondere Wissenschaft dieses Namens dachte. Man hatte allmählich durch Beobachtung und Nachdenken über das menschliche Leben und Handlungen *) , bey den sich stets aufdringenden Fragen: woher und wozu? das Allgemeine und Beständige, was sich bey mehreren einzelnen Dingen und ihren steten Veränderungen wahrnehmen läßt, bemerkt, und von andern Kenntnissen abgesondert, und war, nach dieser Absonderung, auf die Natur der Dinge gekommen, aus der sich allein Rechenschaft geben ließ, wie eines mit dem andern zusammenhänge. So entstand nach und nach eine besondere Wissenschaft, die nur allgemeine und nothwendige Wahrheiten zum Gegenstand hatte, welche man hauptsächlich in Rücksicht auf den Menschen und auf alles betrachtete, was in seine Beschaffenheit und Veränderungen einen Einfluß hatte, so wie diese ganze Wissenschaft aus der Betrachtung des Menschen und der gedachten Dinge geschöpft worden war. Wie sich indessen die Menge der gemachten Entdeckungen über die Natur der Dinge vervielfältigte, und man also für nöthig fand, selbst allgemeine und nothwendige Wahrheiten verschiedener Art von einander abzusondern, und sie in besondere Wissenschaften zu vertheilen; wie man bemerkte, daß es unter diesen allgemeinen und nothwendigen Wahrheiten einige gäbe, welche die Beschaffenheit, andere, welche das Maaß oder |b189| die Quantität der Dinge beträfen: so sonderte man, nach diesem Unterschied, diese allgemeine Wahrheiten von einander ab, überließ das, was die Quantität anging, der Mathematik, und behielt der Philosophie bloß die allgemeine Beschaffenheit der Dinge vor. **) Natürlich. Denn man hatte längst und viel philosophirt, ehe man an eine besondere Wissenschaft dieses Namens dachte. Man hatte allmählich durch Beobachtung und Nachdenken über das menschliche Leben und Handlungen *) , bey den sich stets aufdringenden Fragen: woher und wozu? das Allgemeine und Beständige, was sich bey mehreren einzelnen Dingen und ihren steten Veränderungen wahrnehmen läßt, bemerkt, und von andern Kenntnissen abgesondert, und war, nach dieser Absonderung, auf die Natur der Dinge gekommen, aus der sich allein Rechenschaft geben ließ, wie eines mit dem andern zusammenhänge. So entstand nach und nach eine besondere Wissenschaft, die nur allgemeine und nothwendige Wahrheiten zum Gegenstand hatte, welche man hauptsächlich in Rücksicht auf den Menschen und auf alles betrachtete, was in seine Beschaffenheit und Veränderungen einen Einfluß hatte, so wie diese ganze Wissenschaft aus der Betrachtung des Menschen und der gedachten Dinge geschöpft worden war. Wie sich indessen die Menge der gemachten Entdeckungen über die Natur der Dinge vervielfältigte, und man also für nöthig fand, selbst allgemeine und nothwendige Wahrheiten verschiedener Art von einander abzusondern, und sie in besondere Wissenschaften zu vertheilen; wie man bemerkte, daß es unter diesen allgemeinen und nothwendigen Wahrheiten einige gäbe, welche die Beschaffenheit, andere, welche das Maaß oder |b189| die Quantität der Dinge beträfen: so sonderte man, nach diesem Unterschied, diese allgemeine Wahrheiten von einander ab, überließ das, was die Quantität anging, der Mathematik, und behielt der Philosophie bloß die allgemeine Beschaffenheit der Dinge vor. **)
*) S. die schöne Stelle vom Ursprung des Namens der Philosophie bey Cicero Tuscul. Quaest. V, 3.
**) Freylich ist der Kantische Begriff (in der Kritik der reinen Vernunft S. 724 f. nach der zweyten Aufl.) noch genauer, wonach, wegen der ganz verschiedenen Art, wie beyde Wissenschaften ihre Gegenstände behandeln, die Philosophie eine Vernunftwissenschaft aus Begriffen, und die Mathematik eine Vernunftwissenschaft aus Construction der Begriffe ist, oder die den Begriff entsprechende Anschauung a priori, d. i. so darstellt, daß diese allgemeingültig für alle mögliche Anschauungen ist, die unter denselben Begriff gehören. Aber, weil sich doch nur der Begriff von Größen construiren, oder a priori in der Anschauung darstellen läßt; so kan auch nur die Quantität ein Gegenstand der Mathematik seyn; und so fern kan gar wohl Philosophie und Mathematik auch nach Verschiedenheit der Gegenstände, die sie behalten, unterschieden werden.

168.

Und auch so schien noch immer der Umfang der Philosophie zu groß; so wie man auf einer andern Seite fand, daß er sich noch mehr erwei|b190|terte, je nachdem man den Menschen, der doch eigentlich zu aller Philosophie Gelegenheit gegeben hatte, in verschiedenem Zusammenhange und allgemeinern Beziehungen betrachtete. Man bemerkte, daß er seinem einem Theil nach, in die Classe der Körper, dem andern nach aber, in die Classe der vorstellungsfähigen und verständigen Wesen gehörte; daß beyde Arten der Dinge, Körper und vorstellungsfähige Wesen oder Geister, zu eingeschränkten Wesen gehörten, die man zusammen Welt nennte; daß es auch ein uneingeschränktes Wesen, eine Gottheit, geben könnte, und sich ohne dieses das Daseyn der eingeschränkten und zufälligen Wesen nicht begreifen ließe; daß man bey der Seele des Menschen Vorstellungen und Neigungen unterscheiden könnte, wovon jene das Wahre oder Falsche, diese das Gute oder Böse zum Gegenstand hätten; daß man eben sowohl die Natur von beyden untersuchen, als darnach Regeln bestimmen könnte, das Wahre und Gute zu finden und auszuüben; daß man den Menschen vor sich und in natürlicher Verbindung mit verschiednen Arten von Gesellschaften betrachten könnte. Je nachdem man dieses alles von einander unterschied, und jeder Art solcher allgemeinen Wahrheiten eine besondre Wissenschaft widmete: je nachdem mußten verschiedne Theile der Philosophie, und es mußte, weil man schon einmal gewisse Arten von allgemeinen Wahrheiten von eigentlicher Philosophie ausgeschlossen hatte, die Frage entstehen, ob nicht noch mehrere dergleichen Wahrheiten ganz von der Philosophie könnten |b191| abgesondert, und der Name der Philosophie nur auf einige Arten, und auf welche? eingeschränkt werden ?Und auch so schien noch immer der Umfang der Philosophie zu groß; so wie man auf einer andern Seite fand, daß er sich noch mehr erwei|b190|terte, je nachdem man den Menschen, der doch eigentlich zu aller Philosophie Gelegenheit gegeben hatte, in verschiedenem Zusammenhange und allgemeinern Beziehungen betrachtete. Man bemerkte, daß er seinem einem Theil nach, in die Classe der Körper, dem andern nach aber, in die Classe der vorstellungsfähigen und verständigen Wesen gehörte; daß beyde Arten der Dinge, Körper und vorstellungsfähige Wesen oder Geister, zu eingeschränkten Wesen gehörten, die man zusammen Welt nennte; daß es auch ein uneingeschränktes Wesen, eine Gottheit, geben könnte, und sich ohne dieses das Daseyn der eingeschränkten und zufälligen Wesen nicht begreifen ließe; daß man bey der Seele des Menschen Vorstellungen und Neigungen unterscheiden könnte, wovon jene das Wahre oder Falsche, diese das Gute oder Böse zum Gegenstand hätten; daß man eben sowohl die Natur von beyden untersuchen, als darnach Regeln bestimmen könnte, das Wahre und Gute zu finden und auszuüben; daß man den Menschen vor sich und in natürlicher Verbindung mit verschiednen Arten von Gesellschaften betrachten könnte. Je nachdem man dieses alles von einander unterschied, und jeder Art solcher allgemeinen Wahrheiten eine besondre Wissenschaft widmete: je nachdem mußten verschiedne Theile der Philosophie, und es mußte, weil man schon einmal gewisse Arten von allgemeinen Wahrheiten von eigentlicher Philosophie ausgeschlossen hatte, die Frage entstehen, ob nicht noch mehrere dergleichen Wahrheiten ganz von der Philosophie könnten |b191| abgesondert, und der Name der Philosophie nur auf einige Arten, und auf welche? eingeschränkt werden ?

169.

Diese Verschiedenheit der Meinungen über den Begriff der Philosophie wird dadurch noch mehr befördert, daß einige nichts darin aufgenommen wissen wollen, als sogenannte reine Vernunfterkenntniß, oder nur diejenigen allgemeinen Begriffe, die die menschliche Seele aus sich selbst, aus der Betrachtung ihrer Eigenschaften und Veränderungen schöpfen kan, und was sich nach diesen Begriffen streng beweisen läßt. Hiedurch würde das Gebiet der Philosophie sehr beschränkt werden, und man müßte alsdann, – weil man doch Ursach hat, überall, wo sich nur Zusammenhang denken läßt, zu philosophiren, und weil die meisten so nützlichen Kenntnisse der Natur keine solche Evidenz und strenge Herleitung allgemeiner Wahrheiten zulaßen – wieder neue besondere Wissenschaften einführen, die dann doch größtentheils nur in der Methode von der eigentlichen Philosophie unterschieden wären.Diese Verschiedenheit der Meinungen über den Begriff der Philosophie wird dadurch noch mehr befördert, daß einige nichts darin aufgenommen wissen wollen, als sogenannte reine Vernunfterkenntniß, oder nur diejenigen allgemeinen Begriffe, die die menschliche Seele aus sich selbst, aus der Betrachtung ihrer Eigenschaften und Veränderungen schöpfen kan, und was sich nach diesen Begriffen streng beweisen läßt. Hiedurch würde das Gebiet der Philosophie sehr beschränkt werden, und man müßte alsdann, – weil man doch Ursach hat, überall, wo sich nur Zusammenhang denken läßt, zu philosophiren, und weil die meisten so nützlichen Kenntnisse der Natur keine solche Evidenz und strenge Herleitung allgemeiner Wahrheiten zulaßen – wieder neue besondere Wissenschaften einführen, die dann doch größtentheils nur in der Methode von der eigentlichen Philosophie unterschieden wären.

170.

Da nun der Sprachgebrauch über den Begriff der Philosophie nicht entscheidend ist, und in dem gegenwärtigen Buche die meiste Rücksicht auf die Gestalt der Wissenschaften genommen werden muß, wie sie unter uns und bey den akademischen |b192| Studien genommen werden: so scheint es das sicherste, die Philosophie nach dem Umfang und Gränzen zu nehmen, die man ihr seit dem Ursprung der wolfischen Philosophie angewiesen hat; und sonach möchte die Erklärung, oder, wenn man will, Beschreibung der Philosophie durch – die Wissenschaft der Natur oder der allgemeinen Eigenschaften der Dinge überhaupt, und der geistigen, hauptsächlich der menschlichen, insbesondere, – alle dazu gerechneten Theile und ihre allgemeine Absicht am bestimmtesten in sich fassen.Da nun der Sprachgebrauch über den Begriff der Philosophie nicht entscheidend ist, und in dem gegenwärtigen Buche die meiste Rücksicht auf die Gestalt der Wissenschaften genommen werden muß, wie sie unter uns und bey den akademischen |b192| Studien genommen werden: so scheint es das sicherste, die Philosophie nach dem Umfang und Gränzen zu nehmen, die man ihr seit dem Ursprung der wolfischen Philosophie angewiesen hat; und sonach möchte die Erklärung, oder, wenn man will, Beschreibung der Philosophie durch – die Wissenschaft der Natur oder der allgemeinen Eigenschaften der Dinge überhaupt, und der geistigen, hauptsächlich der menschlichen, insbesondere, – alle dazu gerechneten Theile und ihre allgemeine Absicht am bestimmtesten in sich fassen.
Hiedurch würde zugleich die sogenannte Naturwissenschaft oder Physik im engern Verstande, welche sich bloß mit Körpern beschäftigt, von der Philosophie, wie jetzt noch gemeiniglich geschieht, ausgeschlossen; obgleich die allgemeinsten Eigenschaften der Körper, oder was an ihnen unveränderlich ist, immer noch zur Philosophie gehören, und die Naturwissenschaft im weitern Verstande ausmachen.

171.

Der Nutzen der Philosophie ist augenscheinlich. Denn da sie uns über die Natur aller Dinge belehrt; da sie den rechten Gebrauch aller unsrer Kräfte zeigt; da sich endlich alle Fragen, über die sich etwas Entscheidendes sagen läßt, in die allgemeinen Begriffe und Grundsätze auflösen, die sie enthält: so ist sie der Grund aller andern Wissenschaften, in welchen ohne sie keine deutliche Gewißheit, so wie in Gesinnungen und Handlungen, |b193| die ja von Erkenntniß abhängen, keine rechte Vollkommenheit, statt findet. Mit Recht heißt sie daher die Königin aller Wissenschaften; und sie verachten, heißt, alle Vernunft und Sicherheit im Denken und Handeln verachten. Ihr vielfältiger Nutzen wird sich noch mehr bey ihren einzelnen Theilen angeben laßen.Der Nutzen der Philosophie ist augenscheinlich. Denn da sie uns über die Natur aller Dinge belehrt; da sie den rechten Gebrauch aller unsrer Kräfte zeigt; da sich endlich alle Fragen, über die sich etwas Entscheidendes sagen läßt, in die allgemeinen Begriffe und Grundsätze auflösen, die sie enthält: so ist sie der Grund aller andern Wissenschaften, in welchen ohne sie keine deutliche Gewißheit, so wie in Gesinnungen und Handlungen, |b193| die ja von Erkenntniß abhängen, keine rechte Vollkommenheit, statt findet. Mit Recht heißt sie daher die Königin aller Wissenschaften; und sie verachten, heißt, alle Vernunft und Sicherheit im Denken und Handeln verachten. Ihr vielfältiger Nutzen wird sich noch mehr bey ihren einzelnen Theilen angeben laßen.

172.

Schon der ungemein große Umfang der Philosophie macht es nothwendig, die verschiedenen Hauptarten der Gegenstände, die sie untersuchen soll, von einander abzusondern, und nach Verschiedenheit solcher Hauptarten ihr verschiedene Theile zu geben, d. i. sie in besondre Wissenschaften einzutheilen. Fast noch mehr sollte die verschiedene Art, wie wir zur Kenntniß dieser Gegenstände gelangen können, mit zu einer solchen Absonderung bewegen. Denn je nachdem diese Kenntniß entweder aus der Vernunft (im engsten Verstande) oder aus der Erfahrung geschöpft werden kann: je nachdem kan unsre Erkenntniß von der Natur der Dinge allgemeiner und zuverläßiger werden oder nicht. Soll nun vollends die Philosophie der Grund zu allen andern Arten von Kenntnissen und Wissenschaften werden (§. 171 ): so ist es noch nothwendiger, das Allgemeine von dem, was dergleichen nicht ist, und das Gewisse oder Nothwendige von dem minder Zuverläßigen zu trennen, damit nicht das Letztere, darum, weil man es willkührlich mit dem Erstern verbunden |b194| hat, für eben so gewiß und allgemein gehalten werde, als jenes, oder das Ansehn jener vollkommnern Erkenntniß darunter leide, wenn man einsieht, daß die angebliche Allgemeinheit und Gewißheit andrer damit in Verbindung gesetzten Behauptungen ungegründet sey.Schon der ungemein große Umfang der Philosophie macht es nothwendig, die verschiedenen Hauptarten der Gegenstände, die sie untersuchen soll, von einander abzusondern, und nach Verschiedenheit solcher Hauptarten ihr verschiedene Theile zu geben, d. i. sie in besondre Wissenschaften einzutheilen. Fast noch mehr sollte die verschiedene Art, wie wir zur Kenntniß dieser Gegenstände gelangen können, mit zu einer solchen Absonderung bewegen. Denn je nachdem diese Kenntniß entweder aus der Vernunft (im engsten Verstande) oder aus der Erfahrung geschöpft werden kann: je nachdem kan unsre Erkenntniß von der Natur der Dinge allgemeiner und zuverläßiger werden oder nicht. Soll nun vollends die Philosophie der Grund zu allen andern Arten von Kenntnissen und Wissenschaften werden (§. 171 ): so ist es noch nothwendiger, das Allgemeine von dem, was dergleichen nicht ist, und das Gewisse oder Nothwendige von dem minder Zuverläßigen zu trennen, damit nicht das Letztere, darum, weil man es willkührlich mit dem Erstern verbunden |b194| hat, für eben so gewiß und allgemein gehalten werde, als jenes, oder das Ansehn jener vollkommnern Erkenntniß darunter leide, wenn man einsieht, daß die angebliche Allgemeinheit und Gewißheit andrer damit in Verbindung gesetzten Behauptungen ungegründet sey.

173.

Es läßt sich also alle Erkenntniß, und folglich auch alle, welche die Philosophie ausmacht, 1) nach den verschiednen Quellen abtheilen, aus welchen sie geschöpft werden kan; und hiedurch ensteht der Unterschied zwischen Erkenntniß a priori, oder Vernunfterkenntniß, Rationalkenntniß, und zwischen der a posteriori, aus der Erfahrung, oder empirischen Erkenntniß; ein Unterschied, bey dem so viel Mißverstand herrscht, mit dem so schwankende Begriffe verknüpft werden, der selbst eine Quelle so mancher Irrthümer und falschen Voraussetzungen worden ist, daß er wohl, auch hier wegen des Folgenden, genauer angegeben zu werden verdient.Es läßt sich also alle Erkenntniß, und folglich auch alle, welche die Philosophie ausmacht, 1) nach den verschiednen Quellen abtheilen, aus welchen sie geschöpft werden kan; und hiedurch ensteht der Unterschied zwischen Erkenntniß a priori, oder Vernunfterkenntniß, Rationalkenntniß, und zwischen der a posteriori, aus der Erfahrung, oder empirischen Erkenntniß; ein Unterschied, bey dem so viel Mißverstand herrscht, mit dem so schwankende Begriffe verknüpft werden, der selbst eine Quelle so mancher Irrthümer und falschen Voraussetzungen worden ist, daß er wohl, auch hier wegen des Folgenden, genauer angegeben zu werden verdient.

174.

Wenn wir auf die Geschichte unsrer Vorstellungen und Erkenntnisse, d. i. darauf Acht geben, wie wir sie erlangt haben: so ists immer die Erfahrung, unsre eigne oder fremde, aber uns mitgetheilte, Erfahrung, (Wahrnehmung), die uns den Stoff, oder das, was wir erkennen, gegeben hat; und selbst alsdann, wenn man an|b195|nimmt, daß gewisse Vorstellungen schon in unsrer Seele liegen, die uns nicht erst brauchen durch die Erfahrung zugeführt werden: so können doch diese nie Erkenntnisse werden, nie zu unserm Bewußtseyn kommen, nie können sie klar seyn, d. i. nie können wir das, was wir uns vorstellen (die bestimmten Gegenstände unsrer Vorstellung) von der Vorstellung selbst unterscheiden, die wir uns davon machen, wenn nichts vorhanden ist, das auf unsre Seele einen Eindruck gemacht (sie afficirt, Veränderungen in ihr hervorgebracht) hat. Alle unsre Erkenntniß fängt also mit der Erfahrung an, und in so fern könnte man sagen: daß alle unsre Erkenntniß empirisch (oder a posteriori erlangt) wäre. Aber dieses berechtigt uns so wenig sie so zu nennen, als wenn man alle Erkenntniß darum Erfahrungserkenntniß nennen wollte, weil wir sie als Handlung oder Veränderung in unsrer Seele wahrnehmen. Allgemein wird doch ein Unterschied zwischen Erfahrungs- und Vernunftkenntniß, zwischen der a posteriori und priori, anerkannt; es ist nur genau zu bestimmen, worin er bestehe.Wenn wir auf die Geschichte unsrer Vorstellungen und Erkenntnisse, d. i. darauf Acht geben, wie wir sie erlangt haben: so ists immer die Erfahrung, unsre eigne oder fremde, aber uns mitgetheilte, Erfahrung, (Wahrnehmung), die uns den Stoff, oder das, was wir erkennen, gegeben hat; und selbst alsdann, wenn man an|b195|nimmt, daß gewisse Vorstellungen schon in unsrer Seele liegen, die uns nicht erst brauchen durch die Erfahrung zugeführt werden: so können doch diese nie Erkenntnisse werden, nie zu unserm Bewußtseyn kommen, nie können sie klar seyn, d. i. nie können wir das, was wir uns vorstellen (die bestimmten Gegenstände unsrer Vorstellung) von der Vorstellung selbst unterscheiden, die wir uns davon machen, wenn nichts vorhanden ist, das auf unsre Seele einen Eindruck gemacht (sie afficirt, Veränderungen in ihr hervorgebracht) hat. Alle unsre Erkenntniß fängt also mit der Erfahrung an, und in so fern könnte man sagen: daß alle unsre Erkenntniß empirisch (oder a posteriori erlangt) wäre. Aber dieses berechtigt uns so wenig sie so zu nennen, als wenn man alle Erkenntniß darum Erfahrungserkenntniß nennen wollte, weil wir sie als Handlung oder Veränderung in unsrer Seele wahrnehmen. Allgemein wird doch ein Unterschied zwischen Erfahrungs- und Vernunftkenntniß, zwischen der a posteriori und priori, anerkannt; es ist nur genau zu bestimmen, worin er bestehe.

175.

Der Deutlichkeit wegen setzen wir hier voraus: daß alle unsre Vorstellungen entweder aus und durch einen Gegenstand unmittelbar erzeugt werden, der sich unsrer Seele (unserm innern Sinn oder den äussern Sinnen) darstellt, oder nicht unmittelbar. Jene, die sich unmittelbar auf den |b196| Gegenstand beziehen, der bey uns die Vorstellung hervorbringt, nennen wir Eindrücke (Impressionen), oder, wie Andere lieber wollen, Anschauungen, welche innere oder äussere sind, je nachdem sie vermittelst des innern Sinnes oder der äussern Sinne entstehen, und das Vermögen, dergleichen Anschauungen zu empfangen, die Sinnlichkeit. Die andern, welche nicht unmittelbar durch unsre Sinne hervorgebracht werden, heissen mittelbare Erkenntisse oder Begriffe, die anders nichts sind, als Vorstellungen von Merkmalen der durch die Sinne erkannten Gegenstände: sie mögen nun bloße Wiederholungen oder Nachbildungen der gehabten Anschauungen, also Werke der Einbildungskraft, oder Vorstellungen von solchen Merkmalen seyn, die wir bey mehrern Gegenständen erkannt, von ihnen abgezogen, und in Einen Begriff vereinigt haben, also allgemeine Begriffe, die ein Werk des Verstandes sind; von dem auch alle Urtheile, d. i. die Einsicht des Verhältnisses mehrerer Begriffe gegen einander, abhängen. – Ob nun gleich alle diese Erkenntnisse – sie mögen einzelne, d. i. Anschauungen, oder Begriffe, oder verbundne, d. i. Urtheile, seyn – Wahrnehmungen oder Erfahrungen voraussetzen, wobey vorhandne Gegenstände uns zu den Vorstellungen geleitet haben: so sind doch diese Erkenntnisse keinesweges alle aus solchen Gegenständen, sondern aus dem ursprünglichen Vermögen der Seele selbst entstanden, so daß diese Erkenntnisse nicht durch vorhandne Gegenstände in die Seele hineingekommen, sondern |b197| von der Seele mit ihrem eignen Vermögen entwickelt sind. Es giebt 1) Erkenntnisse, zu deren Erzeugung in uns schlechterdings erfordert wird, daß wir uns ein wirklich vorhandnes Object vorstellen, z. B. einen Baum, ein Thier, ein Metall, Schmerz oder Lust, ja selbst ganze Sätze, als: daß die Bäume vom Frühling an grün sind, das Gold gelb und glänzend ist, daß alle Menschen sterben u. d. gl. und, weil alsdann die Erkenntniß später ist als der Gegenstand: so nennt man dieses, Erkenntniß a posteriori, empirische oder Erfahrungserkenntniß. Es giebt aber auch 2) Erkenntnisse, wozu eine Vorstellung von einem wirklich vorhandnen Object, auf das sich unsre Vorstellung bezieht, nicht erfordert wird, die also von aller Erfahrung schlechterdings unabhängig ist, z. B. der Begriff von Ursache, Nothwendigkeit, und allen nicht sinnlichen Gegenständen, als Gott, Geist u. d. gl. oder das Urtheil: daß jede Wirkung oder jede Verändrung eine Ursach hat. Weil nun hier die Erkenntniß da seyn kan, ohne daß man sich ein wirklich vorhandnes Object gedenkt, und ehe man noch weiß, ob ein solches Object auch wirklich ist: so nennt man diese, Erkenntnisse a priori, oder auch Vernunfterkenntnisse, weil Vernunft das Vermögen ist, etwas aus Principien, d. i. das Besondere aus dem Allgemeinen zu erkennen, und eben diese Erkenntnisse a priori Gesetze oder Bedingungen sind, die aus der Natur unsers Erkenntnißvermögens fliessen, ohne welche keine Erkenntniß der Objecte möglich ist.Der Deutlichkeit wegen setzen wir hier voraus: daß alle unsre Vorstellungen entweder aus und durch einen Gegenstand unmittelbar erzeugt werden, der sich unsrer Seele (unserm innern Sinn oder den äussern Sinnen) darstellt, oder nicht unmittelbar. Jene, die sich unmittelbar auf den |b196| Gegenstand beziehen, der bey uns die Vorstellung hervorbringt, nennen wir Eindrücke (Impressionen), oder, wie Andere lieber wollen, Anschauungen, welche innere oder äussere sind, je nachdem sie vermittelst des innern Sinnes oder der äussern Sinne entstehen, und das Vermögen, dergleichen Anschauungen zu empfangen, die Sinnlichkeit. Die andern, welche nicht unmittelbar durch unsre Sinne hervorgebracht werden, heissen mittelbare Erkenntisse oder Begriffe, die anders nichts sind, als Vorstellungen von Merkmalen der durch die Sinne erkannten Gegenstände: sie mögen nun bloße Wiederholungen oder Nachbildungen der gehabten Anschauungen, also Werke der Einbildungskraft, oder Vorstellungen von solchen Merkmalen seyn, die wir bey mehrern Gegenständen erkannt, von ihnen abgezogen, und in Einen Begriff vereinigt haben, also allgemeine Begriffe, die ein Werk des Verstandes sind; von dem auch alle Urtheile, d. i. die Einsicht des Verhältnisses mehrerer Begriffe gegen einander, abhängen. – Ob nun gleich alle diese Erkenntnisse – sie mögen einzelne, d. i. Anschauungen, oder Begriffe, oder verbundne, d. i. Urtheile, seyn – Wahrnehmungen oder Erfahrungen voraussetzen, wobey vorhandne Gegenstände uns zu den Vorstellungen geleitet haben: so sind doch diese Erkenntnisse keinesweges alle aus solchen Gegenständen, sondern aus dem ursprünglichen Vermögen der Seele selbst entstanden, so daß diese Erkenntnisse nicht durch vorhandne Gegenstände in die Seele hineingekommen, sondern |b197| von der Seele mit ihrem eignen Vermögen entwickelt sind. Es giebt 1) Erkenntnisse, zu deren Erzeugung in uns schlechterdings erfordert wird, daß wir uns ein wirklich vorhandnes Object vorstellen, z. B. einen Baum, ein Thier, ein Metall, Schmerz oder Lust, ja selbst ganze Sätze, als: daß die Bäume vom Frühling an grün sind, das Gold gelb und glänzend ist, daß alle Menschen sterben u. d. gl. und, weil alsdann die Erkenntniß später ist als der Gegenstand: so nennt man dieses, Erkenntniß a posteriori, empirische oder Erfahrungserkenntniß. Es giebt aber auch 2) Erkenntnisse, wozu eine Vorstellung von einem wirklich vorhandnen Object, auf das sich unsre Vorstellung bezieht, nicht erfordert wird, die also von aller Erfahrung schlechterdings unabhängig ist, z. B. der Begriff von Ursache, Nothwendigkeit, und allen nicht sinnlichen Gegenständen, als Gott, Geist u. d. gl. oder das Urtheil: daß jede Wirkung oder jede Verändrung eine Ursach hat. Weil nun hier die Erkenntniß da seyn kan, ohne daß man sich ein wirklich vorhandnes Object gedenkt, und ehe man noch weiß, ob ein solches Object auch wirklich ist: so nennt man diese, Erkenntnisse a priori, oder auch Vernunfterkenntnisse, weil Vernunft das Vermögen ist, etwas aus Principien, d. i. das Besondere aus dem Allgemeinen zu erkennen, und eben diese Erkenntnisse a priori Gesetze oder Bedingungen sind, die aus der Natur unsers Erkenntnißvermögens fliessen, ohne welche keine Erkenntniß der Objecte möglich ist.
|b198| Da uns Erfahrung nur lehrt, daß Etwas so und so beschaffen sey, aber nicht, daß es nicht anders seyn könnte, und sie uns nur einzelne Fälle vorstellt: so sieht man, daß sie weder zu allgemeinen noch zu nothwendigen Sätzen (beyden im strengsten Verstande) führe. Nothwendigkeit und Allgemeinheit eines Begriffs oder Urtheils ist also ein sichres Kennzeichen einer Kenntniß a priori.

176.

Diese Erkenntniß a priori enthält entweder ganz und gar nichts Wahrgenommnes; es ist darin ganz von allen sinnlichen Merkmalen abgesehn, z. B. bey dem Begriff von Zahlen an sich (nicht den Tönen oder Zeichen, wodurch sie ausgedruckt werden), von Möglichkeit, von Gott etc. oder bey dem Satz: jeder Körper ist ausgedehnt; oder es ist in ihr doch etwas Wahrgenommnes (empirisches) enthalten, wovon wir ohne Empfindung keinen Begriff haben. In jenem Fall nennt man sie reine Vernunfterkenntniß (Erk. die schlechterdings a priori ist); in diesem Fall aber vergleichungsweise oder vermischte Erkenntniß a priori. – Ist die Philosophie, oder ein Theil derselben, durchaus aus reinen Anschauungen oder Begriffen geschöpft, enthält sie lauter reine Vernunftsätze: so verdient sie den Namen einer eigentlichen Wissenschaft im strengsten Verstande. Stützt sie sich aber zugleich auf empirische Begriffe, wenn sie gleich nach reinen Vernunftgesetzen verknüpft sind: so ist sie eine empirische oder Erfahrungsphilosophie.Diese Erkenntniß a priori enthält entweder ganz und gar nichts Wahrgenommnes; es ist darin ganz von allen sinnlichen Merkmalen abgesehn, z. B. bey dem Begriff von Zahlen an sich (nicht den Tönen oder Zeichen, wodurch sie ausgedruckt werden), von Möglichkeit, von Gott etc. oder bey dem Satz: jeder Körper ist ausgedehnt; oder es ist in ihr doch etwas Wahrgenommnes (empirisches) enthalten, wovon wir ohne Empfindung keinen Begriff haben. In jenem Fall nennt man sie reine Vernunfterkenntniß (Erk. die schlechterdings a priori ist); in diesem Fall aber vergleichungsweise oder vermischte Erkenntniß a priori. – Ist die Philosophie, oder ein Theil derselben, durchaus aus reinen Anschauungen oder Begriffen geschöpft, enthält sie lauter reine Vernunftsätze: so verdient sie den Namen einer eigentlichen Wissenschaft im strengsten Verstande. Stützt sie sich aber zugleich auf empirische Begriffe, wenn sie gleich nach reinen Vernunftgesetzen verknüpft sind: so ist sie eine empirische oder Erfahrungsphilosophie.
|b199| Bey allen bisher erwähnten Erklärungen sind die Kantischen Bestimmungen in der Kritik der reinen Vernunft, zweyte Aufl. Riga 1787 in gr. 8. zum Grunde gelegt, woraus man weitere Aufklärung derselben schöpfen kan.
Die reine Philosophie, oder die philosophische Wissenschaft beschäftigt sich also bloß mit dem, was gar kein Gegenstand der Sinne ist, es mögen nicht sinnliche Objecte oder dergleichen Eigenschaften sinnlicher Objecte seyn. Es sollte daher bey allen Theilen der Philosophie das, was wirklich reine Erkenntniß ist, ganz von allem Empirischen geschieden werden, wenn man auch dieses Letztere, wegen der oben §. 169 angegebnen Ursach, mit in eine philosophische Wissenschaft aufnehmen wollte. Indessen giebt es Theile der Philosophie, die ganz reine Erkenntnisse enthalten, oder wenigstens ganz rein seyn können. Welche Theile dies sind oder nicht, wird im Folgenden bemerkt werden.

177.

Wenn man aber 2) (§. 173 ) die Philosophie nach der Verschiedenheit der Gegenstände, oder vielmehr der Begriffe von diesen Gegenständen, abtheilen will, welche sie untersucht: so beschäftigt sie sich entweder mit der Materie oder mit der Form des Verstandes, d. i. sie betrachtet entweder die Objecte des Denkens, oder sie sieht von allen diesen ab, und untersucht bloß die Art und Weise, wie sich Objecte denken laßen, die nothwendigen und allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt. |b200| Jenen Theil der Philosophie kan man daher den materiellen, diesen den formellen nennen, oder von jenem den Namen der Metaphysik (mit Kant, im engern Sinn) brauchen, so wie dieser Theil die Logik oder Vernunftlehre ist, die auch bey den Alten Dialektik genennt wurde.Wenn man aber 2) (§. 173 ) die Philosophie nach der Verschiedenheit der Gegenstände, oder vielmehr der Begriffe von diesen Gegenständen, abtheilen will, welche sie untersucht: so beschäftigt sie sich entweder mit der Materie oder mit der Form des Verstandes, d. i. sie betrachtet entweder die Objecte des Denkens, oder sie sieht von allen diesen ab, und untersucht bloß die Art und Weise, wie sich Objecte denken laßen, die nothwendigen und allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt. |b200| Jenen Theil der Philosophie kan man daher den materiellen, diesen den formellen nennen, oder von jenem den Namen der Metaphysik (mit Kant, im engern Sinn) brauchen, so wie dieser Theil die Logik oder Vernunftlehre ist, die auch bey den Alten Dialektik genennt wurde.
Anm. 1. Metaphysik nennt Kant (Kritik der reinen Vernunft S. 869) im weitesten Verstande die ganze reine Philosophie, selbst die Propädevtik dazu, oder die Kritik der reinen Vernunft, mit einbegriffen; im engern Sinn aber, und noch unterschieden von der Kritik der reinen Vernunft, das System der reinen Vernunft, oder die ganze, wahre sowohl als scheinbare, philosophische Erkenntniß aus R. V. im systematischen Zusammenhange. Bekanntlich wird Metaphysik auch, sofern sie von Logik unterschieden ist, von der theoretischen Philosophie im Unterschiede von der praktischen genommen, wie man unten (§. 182 ) sehen wird; dies wäre denn die dritte und engste Bedeutung des Worts.
Anm. 2. Die Logik heißt auch die Instrumentalphilosophie ; aber dieser letztre Name begreift mehr in sich. Denn wir haben eben sowohl ein Vermögen, gewisse Eindrücke von Gegenständen zu empfangen, als ein Vermögen, das Mannichfaltige, also gewisse Merkmale eines Gegenstandes, in Eine Vorstellung, mehrere Eindrücke in Einen Begriff, mehrere Begriffe zu Einem höhern oder allgemeinern Begriff, oder in Ein Urtheil, und mehrere Urtheile in Einem Schluß, zu verbinden, mit einen Wort, zu denken. Jenes Vermögen ist die Sinnlichkeit |b201| (untern Kräfte der menschlichen Seele), dieses der Verstand (obern Kräfte), und wir bedürfen eben sowohl einer Wissenschaft der Regeln für jene, als für diesen. Aber die Logik ist nur eine Wissenschaft der letztern; hingegen die erstere müßte die Aesthetik enthalten, in so fern sie nicht, wie man sie seit Alex. Gottl. Baumgarten nimmt, sich auf Schönheit einschränkt, oder Philosophie für die schönen Wissenschaften ist, die doch nur empirische Regeln begreifen würde, sondern eine transcendentale Aesthetik genennt werden könnte. – Selbst die allgemeine Grammatik gehört mit Recht zur Instrumentalphilosophie, da wir ohne Zeichen und Wörter nicht denken können, und Mängel oder Fehler der Sprache selbst dergleichen im Denken nach sich ziehen. Allein noch erwartet diese eine möglichst systematische Bearbeitung, wozu wir, seitdem Harris (1751) mit seinem vortreflichen Hermes vorgegangen ist (Hermes, oder philosophische Untersuchung über die allgemeine Grammatik, von Jakob Harris, übersetzt von C. G. Ewerbeck, Halle 1788 in gr. 8.) nur manche Beyträge erhalten haben.

178.

Da die Logik 1) die allgemeinen Regeln, und zwar 2) des Denkens überhaupt, enthalten soll (§. 177 ): so muß man darin 1) von allen besondern Arten der Gegenstände absehen, auf die das Denken gerichtet ist, und bloß die Form des Denkens in Anschlag nehmen; sie muß eine allgemeine |b202| oder Elementar-Logik seyn, die den allgemeinen Gebrauch des Verstandes lehre; 2) müßte sie, ohne Rücksicht auf diesen und jenen Verstand, nur die schlechthin nothwendigen Gesetze des Denkens in sich fassen, ohne die gar kein Gebrauch des Verstandes möglich ist, sie müßte also gar nicht auf Gründen unsrer Erfahrung, sondern auf lauter Grundsätzen a priori beruhen, d. i. eine reine Logik seyn. Indessen soll sie doch eigentlich den menschlichen Verstand in Erkenntniß der Wahrheit leiten, und daher unsern Bedürfnissen angemessen seyn. Zu diesem Zweck muß sie also Vieles aufnehmen, was wir von unsern Kräften und den Regeln, wodurch diese geleitet werden, von deren Einschränkungen, von den in uns und unsern Umständen liegenden Hindernissen der Erkenntniß der Wahrheit, von den uns möglichen Mitteln, Wahrheit zu finden und Irrthum zu vermeiden, nur aus der Erfahrung wissen, und daher Manches aus der Psychologie, und überhaupt aus der Anthropologie, entlehnen. Weil nun alsdann die allgemeinen reinen Verstandesgesetze auf den menschlichen Verstand, nach dessen Einschränkungen und Hindernissen, angewendet werden, dergestalt, daß gezeigt werden soll, wie unser Verstand auch bey diesen Einschränkungen richtig denken solle: so nennen Manche, nach Kant (Kritik der reinen Vernunft S. 77) diese Anweisung, die sich auch mit auf empirische Grundsätze gründet, im Unterschiede von der reinen Logik, die allein nur eine Wissenschaft im strengsten Verstande ist, die angewandte Logik, welche alsdann noch |b203| immer eine allgemeine Logik ist, so fern sie den rechten Gebrauch des Verstandes, ohne Rücksicht auf besondre Gegenstände, lehrt, ob sie gleich, ausser den allgemeinen Gesetzen des Denkens, auch die besondern für den menschlichen Verstand in sich faßt. – Der reinen und angewandten Logik zusammen genommen (beyde mögen übrigens besonders vorgetragen oder vermischt werden), könnte man den Namen der Logik im weitern Verstande geben.Da die Logik 1) die allgemeinen Regeln, und zwar 2) des Denkens überhaupt, enthalten soll (§. 177 ): so muß man darin 1) von allen besondern Arten der Gegenstände absehen, auf die das Denken gerichtet ist, und bloß die Form des Denkens in Anschlag nehmen; sie muß eine allgemeine |b202| oder Elementar-Logik seyn, die den allgemeinen Gebrauch des Verstandes lehre; 2) müßte sie, ohne Rücksicht auf diesen und jenen Verstand, nur die schlechthin nothwendigen Gesetze des Denkens in sich fassen, ohne die gar kein Gebrauch des Verstandes möglich ist, sie müßte also gar nicht auf Gründen unsrer Erfahrung, sondern auf lauter Grundsätzen a priori beruhen, d. i. eine reine Logik seyn. Indessen soll sie doch eigentlich den menschlichen Verstand in Erkenntniß der Wahrheit leiten, und daher unsern Bedürfnissen angemessen seyn. Zu diesem Zweck muß sie also Vieles aufnehmen, was wir von unsern Kräften und den Regeln, wodurch diese geleitet werden, von deren Einschränkungen, von den in uns und unsern Umständen liegenden Hindernissen der Erkenntniß der Wahrheit, von den uns möglichen Mitteln, Wahrheit zu finden und Irrthum zu vermeiden, nur aus der Erfahrung wissen, und daher Manches aus der Psychologie, und überhaupt aus der Anthropologie, entlehnen. Weil nun alsdann die allgemeinen reinen Verstandesgesetze auf den menschlichen Verstand, nach dessen Einschränkungen und Hindernissen, angewendet werden, dergestalt, daß gezeigt werden soll, wie unser Verstand auch bey diesen Einschränkungen richtig denken solle: so nennen Manche, nach Kant (Kritik der reinen Vernunft S. 77) diese Anweisung, die sich auch mit auf empirische Grundsätze gründet, im Unterschiede von der reinen Logik, die allein nur eine Wissenschaft im strengsten Verstande ist, die angewandte Logik, welche alsdann noch |b203| immer eine allgemeine Logik ist, so fern sie den rechten Gebrauch des Verstandes, ohne Rücksicht auf besondre Gegenstände, lehrt, ob sie gleich, ausser den allgemeinen Gesetzen des Denkens, auch die besondern für den menschlichen Verstand in sich faßt. – Der reinen und angewandten Logik zusammen genommen (beyde mögen übrigens besonders vorgetragen oder vermischt werden), könnte man den Namen der Logik im weitern Verstande geben.
Anm. 1. Billig sollte indeß bey dem Vortrag der Logik die reine von dieser angewandten geschieden, und erst jene besonders, alsdann diese vorgetragen, d. i. es sollten erst hinterdrein die allgemeinen Gesetze des Denkens auf den Gebrauch des menschlichen Verstandes angewendet werden. Einen Versuch findet man davon gemacht in dem Grundriß der allgemeinen Logik und kritischen Anfangsgründe der allgemeinen Metaphysik, von Ludw. Heinr. Jakob, zweyte umgearbeitete Auflage, Halle 1791 in 8.
Anm. 2. Mit dem Namen der angewandten Logik belegen auch Manche das, was sie, im Unterschiede von der allgemeinen Logik, die besondere Logik nennen, oder die Methodenlehre (nehmlich die besondre, nicht transcendentelle, welche letztre einen Haupttheil der Kritik der reinen Vernunft ausmacht), worin Regeln zum rechten Gebrauch des Verstandes, in Rücksicht auf besondre Arten von Gegenständen, vorgetragen werden. Diese bleibt eben hierdurch von der allgemeinen angewandten |b204| Logik, die in dem §. beschrieben ist, verschieden. Das meiste, was zu dieser letztern allgemeinen gehört, macht den Inhalt desjenigen aus, was man gemeiniglich praktische Logik nennt, und darunter gewisse Uebungen nach den Regeln der Logik, z. B. im Bücherlesen, Disputiren, Vortrag überhaupt u. s. f. begreift.
Anm. 3. Die Logik soll also eben sowohl den rechten Gebrauch des Verstandes lehren, als den unrechten verhindern, folglich auch in dieser letztern Absicht verhüten, daß man nicht das für wahr halte, was nur wahr scheint, (das heißt nicht: was wahrscheinlich ist, denn dies letztre ist wahr, und nur eine mangelhafte Erkenntniß, sondern: was trüglich ist). Da nun die Dialektik der Alten auch lehrte, scheinbar etwas darzustellen, oder Blendwerken den Anstrich der Wahrheit zu geben, dies aber unanständig ist; da es sich hingegen sehr der Mühe verlohnt, zu zeigen, wie man Schein von Wahrheit unterscheiden solle: so nennt Kant (K. d. R. V. S. 85 f. 249 f.) den Theil der Logik, der eine Kritik des Scheins der Wahrheit enthält, die Dialektik (im engern Verstande also; vergl. §. 177 ) oder die Logik des Scheins, und den Theil derselben, welcher den rechten Gebrauch der Vernunft zeigt, die Analytik (Logik der Wahrheit), weil sie das formale Geschäfte des Verstandes in seine Elemente auflöst. –

179.

Wenn uns die Logik die allgemeinen und nothwendigen Regeln des Denkens überhaupt und |b205| ihre Anwendung auf den menschlichen Verstand lehren soll (§. 178 ): so muß sie erstlich jene Regeln selbst vortragen. Sie muß daher 1) zeigen, wie und nach welchen Gesetzen der Verstand verfährt (Logische Elementarlehre), und zu dem Ende theils den Unterschied des Verstandes von der Sinnlichkeit (§. 177 Anm. 2.), die verschiednen Arten der Vorstellungen, und der Erkenntnisse insbesondre, mit ihren verschiednen Vollkommenheiten darstellen, theils die besondern Wirkungen des Verstandes und dessen Wirkungen in Bildung und Beurtheilung der Begriffe, Urtheile und Schlüsse, mit den Regeln, wonach er dabey richtig verfährt, darstellen; und 2) lehren, wie diese einzelnen Wirkungen, Begriffe u. s. w. aufs deutlichste gemacht, und in eine solche Vereinigung gebracht werden, daß daraus ein möglichst vollkommnes Ganze oder System der Erkenntniß entstehe (Logische Methodenlehre). – Hernach muß sie diese Regeln in Hinsicht auf die mannigfaltigen Einschränkungen des menschlichen Verstandes vorlegen, so in der angewandten Logik oder in dem Theile derselben geschieht, worin sie, neben jenen allgemeinen Regeln, Erfahrungssätze zu Hülfe nehmen muß. Sie muß diese Einschränkungen selbst erklären, sie mögen von der Sinnlichkeit, welche die Gegenstände dem Verstande zuführt, oder von den Mängeln und Fehlern unsrer Einbildungskraft und unsers Gedächtnisses, oder von der Unvollkommenheit unsrer Aufmerksamkeit, oder den Mängeln und Fehlern der Sprache, und überhaupt der Zeichen, ohne die |b206| wir nicht denken können, oder von äusserlichen Umständen herrühren. Sie muß die verschiednen Arten und Quellen des bloßen Scheins der Wahrheit, der Irrthümer und des Mangels der Ueberzeugung, aufdecken, und zeigen, wie diese Fehler zu entdecken, oder wie ihnen abzuhelfen sey. Sie muß zugleich die Mittel angeben, wie man die Erkenntniß der Wahrheit erweitere; was für Eigenschaften man selbst dazu mitbringen, und wie man einen richtigen Gebrauch von den Quellen der Wahrheit, sowohl der eignen und fremden Erfahrung, als auch der Vernunft, machen müsse. Endlich muß sie auch lehren, wie man bey Mittheilung der erkannten Wahrheit an Andere, zu verfahren habe.Wenn uns die Logik die allgemeinen und nothwendigen Regeln des Denkens überhaupt und |b205| ihre Anwendung auf den menschlichen Verstand lehren soll (§. 178 ): so muß sie erstlich jene Regeln selbst vortragen. Sie muß daher 1) zeigen, wie und nach welchen Gesetzen der Verstand verfährt (Logische Elementarlehre), und zu dem Ende theils den Unterschied des Verstandes von der Sinnlichkeit (§. 177 Anm. 2.), die verschiednen Arten der Vorstellungen, und der Erkenntnisse insbesondre, mit ihren verschiednen Vollkommenheiten darstellen, theils die besondern Wirkungen des Verstandes und dessen Wirkungen in Bildung und Beurtheilung der Begriffe, Urtheile und Schlüsse, mit den Regeln, wonach er dabey richtig verfährt, darstellen; und 2) lehren, wie diese einzelnen Wirkungen, Begriffe u. s. w. aufs deutlichste gemacht, und in eine solche Vereinigung gebracht werden, daß daraus ein möglichst vollkommnes Ganze oder System der Erkenntniß entstehe (Logische Methodenlehre). – Hernach muß sie diese Regeln in Hinsicht auf die mannigfaltigen Einschränkungen des menschlichen Verstandes vorlegen, so in der angewandten Logik oder in dem Theile derselben geschieht, worin sie, neben jenen allgemeinen Regeln, Erfahrungssätze zu Hülfe nehmen muß. Sie muß diese Einschränkungen selbst erklären, sie mögen von der Sinnlichkeit, welche die Gegenstände dem Verstande zuführt, oder von den Mängeln und Fehlern unsrer Einbildungskraft und unsers Gedächtnisses, oder von der Unvollkommenheit unsrer Aufmerksamkeit, oder den Mängeln und Fehlern der Sprache, und überhaupt der Zeichen, ohne die |b206| wir nicht denken können, oder von äusserlichen Umständen herrühren. Sie muß die verschiednen Arten und Quellen des bloßen Scheins der Wahrheit, der Irrthümer und des Mangels der Ueberzeugung, aufdecken, und zeigen, wie diese Fehler zu entdecken, oder wie ihnen abzuhelfen sey. Sie muß zugleich die Mittel angeben, wie man die Erkenntniß der Wahrheit erweitere; was für Eigenschaften man selbst dazu mitbringen, und wie man einen richtigen Gebrauch von den Quellen der Wahrheit, sowohl der eignen und fremden Erfahrung, als auch der Vernunft, machen müsse. Endlich muß sie auch lehren, wie man bey Mittheilung der erkannten Wahrheit an Andere, zu verfahren habe.

180.

Der Nutzen dieser Wissenschaft ist gar nicht zu verkennen, so bald man nur weiß, was sie ist und leisten kan, und den Werth dessen, was sie leistet, zu schätzen weiß. – Was ist der Mensch, der keinen Verstand hat, oder, welches ohngefähr einerley ist, ihn nicht recht zu brauchen weiß? Wie unendlich vielen Verirrungen im Denken, und, da hievon auch die Verderbnisse des Herzens oder Willens nebst allen Ausschweifungen abhängen, die aus Fehlern in Begriffen, Urtheilen und Schlüssen entstehen, wie sehr der Macht böser Neigungen und Eindrücke ist er ausgesetzt? oft und alsdann unvermeidlich ausgesetzt, wenn er den Schein falscher Vorstellungen nicht von Wahrheit zu unterscheiden weiß. Die Ursachen dieser |b207| Mängel, Verirrungen und Blendwerke kennen, und wissen, wie man sie entdecken und vermeiden soll, ist denn doch schon der halbe Weg zur Glückseligkeit, auf den man wenigstens nie sicher fortschreiten kan, ohne von richtigen Regeln des Verstandes geleitet zu werden. – Und sind diese Regeln der Probierstein aller Wahrheit; giebts keine Wissenschaft, wo sie nicht müßten zum Grunde liegen, um alles danach zu prüfen, und richtig zu verbinden; so bleibt die Logik zu jeder Wissenschaft, wozu sie die Vorbereitung enthält, wie zu aller Untersuchung unentbehrlich. – Man hat es auch mit Recht als merkwürdig anerkannt, daß sie – wenn man allenfalls die Wegräumung einiger entbehrlichen Subtilitäten, oder die Verbannung dessen, was andern Wissenschaften angehört, oder einige genauere Bestimmungen und mehrere Regelmäßigkeit im Vortrag, abrechnet – seit Aristoteles Zeit keinen Schritt weder habe vor- noch rückwärts thun dürfen, und also eine fast vollendete Wissenschaft zu seyn schiene. – Nur muß man nicht mehr von ihr fordern, oder ihr mehr zuschreiben, als sie ihrer Natur nach liefern kan. Denn sie betrift doch nur die Form der Erkenntniß (§. 177 ), und in ihr kommt die Materie oder Stoff zur Erkenntniß gar nicht in Anschlag (§. 178 ); dieser muß ihr also erst anderwärtsher gegeben werden, und sie prüft und verbindet ihn nur; auch gehört zur richtigen Erkenntniß eben sowohl Untersuchung ihres Inhalts, als ihrer Form. Ohne Kenntniß und Beobachtung der Regeln des Verstandes kan also zwar |b208| keine sichre Erkenntniß je erhalten werden; aber allein führt diese Kenntniß zur Wahrheit nicht; und wer es darauf anlegen wollte, ohne anderweitige Erkundigung nach den Gegenständen selbst, bloß mit der Logik die Gegenstände zu beurtheilen, oder gar neue Wahrheit zu erfinden, der würde sich und Andre sehr betrügen, und höchstens die armselige Kunst zur Ausbeute bekommen, was er wollte, mit einigen Schein zu behaupten oder zu bestreiten.Der Nutzen dieser Wissenschaft ist gar nicht zu verkennen, so bald man nur weiß, was sie ist und leisten kan, und den Werth dessen, was sie leistet, zu schätzen weiß. – Was ist der Mensch, der keinen Verstand hat, oder, welches ohngefähr einerley ist, ihn nicht recht zu brauchen weiß? Wie unendlich vielen Verirrungen im Denken, und, da hievon auch die Verderbnisse des Herzens oder Willens nebst allen Ausschweifungen abhängen, die aus Fehlern in Begriffen, Urtheilen und Schlüssen entstehen, wie sehr der Macht böser Neigungen und Eindrücke ist er ausgesetzt? oft und alsdann unvermeidlich ausgesetzt, wenn er den Schein falscher Vorstellungen nicht von Wahrheit zu unterscheiden weiß. Die Ursachen dieser |b207| Mängel, Verirrungen und Blendwerke kennen, und wissen, wie man sie entdecken und vermeiden soll, ist denn doch schon der halbe Weg zur Glückseligkeit, auf den man wenigstens nie sicher fortschreiten kan, ohne von richtigen Regeln des Verstandes geleitet zu werden. – Und sind diese Regeln der Probierstein aller Wahrheit; giebts keine Wissenschaft, wo sie nicht müßten zum Grunde liegen, um alles danach zu prüfen, und richtig zu verbinden; so bleibt die Logik zu jeder Wissenschaft, wozu sie die Vorbereitung enthält, wie zu aller Untersuchung unentbehrlich. – Man hat es auch mit Recht als merkwürdig anerkannt, daß sie – wenn man allenfalls die Wegräumung einiger entbehrlichen Subtilitäten, oder die Verbannung dessen, was andern Wissenschaften angehört, oder einige genauere Bestimmungen und mehrere Regelmäßigkeit im Vortrag, abrechnet – seit Aristoteles Zeit keinen Schritt weder habe vor- noch rückwärts thun dürfen, und also eine fast vollendete Wissenschaft zu seyn schiene. – Nur muß man nicht mehr von ihr fordern, oder ihr mehr zuschreiben, als sie ihrer Natur nach liefern kan. Denn sie betrift doch nur die Form der Erkenntniß (§. 177 ), und in ihr kommt die Materie oder Stoff zur Erkenntniß gar nicht in Anschlag (§. 178 ); dieser muß ihr also erst anderwärtsher gegeben werden, und sie prüft und verbindet ihn nur; auch gehört zur richtigen Erkenntniß eben sowohl Untersuchung ihres Inhalts, als ihrer Form. Ohne Kenntniß und Beobachtung der Regeln des Verstandes kan also zwar |b208| keine sichre Erkenntniß je erhalten werden; aber allein führt diese Kenntniß zur Wahrheit nicht; und wer es darauf anlegen wollte, ohne anderweitige Erkundigung nach den Gegenständen selbst, bloß mit der Logik die Gegenstände zu beurtheilen, oder gar neue Wahrheit zu erfinden, der würde sich und Andre sehr betrügen, und höchstens die armselige Kunst zur Ausbeute bekommen, was er wollte, mit einigen Schein zu behaupten oder zu bestreiten.

181.

Legt man hingegen dieser Wissenschaft nicht mehr bey, als bisher gesagt worden ist: so wird man ihr auch nicht mit Recht die Vorwürfe machen können: – daß sie, wenigstens so wie wir sie in den gewöhnlichen Lehrbüchern haben, das nicht leiste, was sie sollte; – daß sie hingegen mit vielen Spitzfündigkeiten und unnützen Dingen angefüllt sey; – daß sie nur Gelegenheit gebe, Armuth an Kenntnissen durch den Schein tieferer Einsichten zu bedecken; und – daß eine natürliche Logik weit mehr werth sey als eine kunstmäßige. – Der dritte Vorwurf trift doch diese Wissenschaft selbst so wenig, als diejenigen, welche ihren vorhin bestimmten eingeschränkten Zweck und Werth erkennen; er trift nur die, welche sich von ihr überspannte Begriffe machen, oder, anstatt die Regeln dieser Wissenschaften zu nutzen, um Wahrheit von Schein sorgfältig zu unterscheiden, geflissentlich darauf ausgehn, Blendwerke statt gegründeter Wahrheit unterzuschieben. – Aus |b209| den Lehrbüchern, die diese Wissenschaften vortragen, ist doch schon vieles Entbehrliche und Fremde verbannt, in sie mehr Bestimmtheit und Ordnung gebracht, selbst reine und empirische Logik mehr von einander gesondert worden; und man hätte wohl Ursach, erst genau zu untersuchen, ob das, was noch von leerer Spitzfündigkeit soll zurück geblieben seyn , diesen Namen auch wirklich verdiene, ehe man etwas für unnütz oder für leeres Spielwerk erklärt. – Endlich, eine natürliche Logik, die von einer künstlichen unterschieden seyn soll, kan doch anders nichts seyn als eine Sammlung von richtigen Gesetzen des Denkens, die man sich nur nicht deutlich, oder nicht als Theile eines wohl zusammenhängenden Ganzen, denkt; so wie die kunstmäßige, wenn man sie nicht, aus Unwissenheit, oder um sie nur verächtlich zu machen, anders sich oder Andern vorstellt, als wie sie wirklich ist, nichts anders seyn kan, als ein wirkliches System der Regeln des Verstandes. Und alsdann übertrift letztere die erstre eben so sehr, als deutliche und zusammenhängende Erkenntniß die undeutliche und fragmentarische. Eine solche Logik macht uns nicht nur auf Vieles aufmerksam, was wir sonst wohl übersehen hätten, sondern sie sichert uns auch für der Gefahr, Schein für Wirklichkeit zu nehmen; sie führt zu allgemeinen Sätzen, die bey jeder Art von Erkenntniß und in allen Fällen, wo wir denken und untersuchen, unentbehrlich sind; sie erspart uns also auch Umwege, und macht unsre Tritte sicherer.Legt man hingegen dieser Wissenschaft nicht mehr bey, als bisher gesagt worden ist: so wird man ihr auch nicht mit Recht die Vorwürfe machen können: – daß sie, wenigstens so wie wir sie in den gewöhnlichen Lehrbüchern haben, das nicht leiste, was sie sollte; – daß sie hingegen mit vielen Spitzfündigkeiten und unnützen Dingen angefüllt sey; – daß sie nur Gelegenheit gebe, Armuth an Kenntnissen durch den Schein tieferer Einsichten zu bedecken; und – daß eine natürliche Logik weit mehr werth sey als eine kunstmäßige. – Der dritte Vorwurf trift doch diese Wissenschaft selbst so wenig, als diejenigen, welche ihren vorhin bestimmten eingeschränkten Zweck und Werth erkennen; er trift nur die, welche sich von ihr überspannte Begriffe machen, oder, anstatt die Regeln dieser Wissenschaften zu nutzen, um Wahrheit von Schein sorgfältig zu unterscheiden, geflissentlich darauf ausgehn, Blendwerke statt gegründeter Wahrheit unterzuschieben. – Aus |b209| den Lehrbüchern, die diese Wissenschaften vortragen, ist doch schon vieles Entbehrliche und Fremde verbannt, in sie mehr Bestimmtheit und Ordnung gebracht, selbst reine und empirische Logik mehr von einander gesondert worden; und man hätte wohl Ursach, erst genau zu untersuchen, ob das, was noch von leerer Spitzfündigkeit soll zurück geblieben seyn , diesen Namen auch wirklich verdiene, ehe man etwas für unnütz oder für leeres Spielwerk erklärt. – Endlich, eine natürliche Logik, die von einer künstlichen unterschieden seyn soll, kan doch anders nichts seyn als eine Sammlung von richtigen Gesetzen des Denkens, die man sich nur nicht deutlich, oder nicht als Theile eines wohl zusammenhängenden Ganzen, denkt; so wie die kunstmäßige, wenn man sie nicht, aus Unwissenheit, oder um sie nur verächtlich zu machen, anders sich oder Andern vorstellt, als wie sie wirklich ist, nichts anders seyn kan, als ein wirkliches System der Regeln des Verstandes. Und alsdann übertrift letztere die erstre eben so sehr, als deutliche und zusammenhängende Erkenntniß die undeutliche und fragmentarische. Eine solche Logik macht uns nicht nur auf Vieles aufmerksam, was wir sonst wohl übersehen hätten, sondern sie sichert uns auch für der Gefahr, Schein für Wirklichkeit zu nehmen; sie führt zu allgemeinen Sätzen, die bey jeder Art von Erkenntniß und in allen Fällen, wo wir denken und untersuchen, unentbehrlich sind; sie erspart uns also auch Umwege, und macht unsre Tritte sicherer.

|b210| 182.

Indessen ist die Logik doch nur eigentlich der Vorhof zur Philosophie, oder sie rüstet den Verstand, der die Natur der Dinge untersuchen will, nur mit den Regeln aus, ohne welche er nicht richtig und sicher verfahren kan. Die eigentliche Philosophie hingegen enthält die Kenntniß der Natur selbst, oder beschäftigt sich mit Begriffen, die nicht auf die Form des Verstandes, sondern auf die Dinge oder Objecte selbst gehn. Diese materielle Philosophie (§. 177. ) nennen einige: Metaphysik im engern Verstande, weil sie ebendenselben Namen im weitern Verstande, aller reinen Philosophie, die Logik also mit einbegriffen, geben; und sie würde dann eben sowohl das in sich fassen, was man zur praktischen, als was man zur theoretischen Philosophie, zu rechnen pflegt. Gemeiniglich aber nimmt man Metaphysik so, daß man sie noch eben sowohl von der praktischen Philosophie, als von der Logik, unterscheidet. Dies wäre also der engste Sinn des Worts (§. 177 Anm. 1.), der noch eine weitere Erläuterung verdient.Indessen ist die Logik doch nur eigentlich der Vorhof zur Philosophie, oder sie rüstet den Verstand, der die Natur der Dinge untersuchen will, nur mit den Regeln aus, ohne welche er nicht richtig und sicher verfahren kan. Die eigentliche Philosophie hingegen enthält die Kenntniß der Natur selbst, oder beschäftigt sich mit Begriffen, die nicht auf die Form des Verstandes, sondern auf die Dinge oder Objecte selbst gehn. Diese materielle Philosophie (§. 177. ) nennen einige: Metaphysik im engern Verstande, weil sie ebendenselben Namen im weitern Verstande, aller reinen Philosophie, die Logik also mit einbegriffen, geben; und sie würde dann eben sowohl das in sich fassen, was man zur praktischen, als was man zur theoretischen Philosophie, zu rechnen pflegt. Gemeiniglich aber nimmt man Metaphysik so, daß man sie noch eben sowohl von der praktischen Philosophie, als von der Logik, unterscheidet. Dies wäre also der engste Sinn des Worts (§. 177 Anm. 1.), der noch eine weitere Erläuterung verdient.

183.

Alle vernünftige Wesen haben, als solche, das Vermögen, sich in ihren Handlungen unmittelbar nach der Vernunft zu bestimmen, und darin besteht eben, was man praktische Freyheit oder Freyheit des Willens nennt, so wie sittlich, moralisch, praktisch, alles was sich auf |b211| diese Freyheit bezieht. So fern sich die Philosophie mit diesem Sittlichen beschäftigt, oder mit dem, was nach der Vernunft seyn und geschehen soll, heißt sie die praktische Philosophie, so fern sie aber davon absieht, und das untersucht, was ist oder seyn kan, heißt sie die theoretische oder speculative. Soll beyderley Philosophie eine eigentliche Wissenschaft im strengsten Sinn seyn: so muß sie sich nur auf Begriffe des reinen Verstandes stützen, und nur reine Vernunftsätze enthalten (§. 176 ). Dergleichen theoretische Philosophie heißt, bey Kant *) , Metaphysik der Natur, und dergleichen praktische, Metaphysik der Sitten.Alle vernünftige Wesen haben, als solche, das Vermögen, sich in ihren Handlungen unmittelbar nach der Vernunft zu bestimmen, und darin besteht eben, was man praktische Freyheit oder Freyheit des Willens nennt, so wie sittlich, moralisch, praktisch, alles was sich auf |b211| diese Freyheit bezieht. So fern sich die Philosophie mit diesem Sittlichen beschäftigt, oder mit dem, was nach der Vernunft seyn und geschehen soll, heißt sie die praktische Philosophie, so fern sie aber davon absieht, und das untersucht, was ist oder seyn kan, heißt sie die theoretische oder speculative. Soll beyderley Philosophie eine eigentliche Wissenschaft im strengsten Sinn seyn: so muß sie sich nur auf Begriffe des reinen Verstandes stützen, und nur reine Vernunftsätze enthalten (§. 176 ). Dergleichen theoretische Philosophie heißt, bey Kant *) , Metaphysik der Natur, und dergleichen praktische, Metaphysik der Sitten.
*) Kritik der R. V. S. 868 f. und in der Vorrede zur Grundlegung der Metaphysik der Sitten, Riga 1785. in gr. 8.
Anm. 1. Die gedachte Metaphysik der Natur ist eben das, was sonst gewöhnlich Metaphysik oder Metaph. im engsten Verstande heißt (§. 182 ); nur daß Kant der Metaphysik, wie sie in den gewöhnlichen Lehrbüchern erscheint, diese Eigenschaft abspricht, daß sie durchaus reine Vernunft enthalte. Ein Versuch, die reinen Begriffe darin von den empirischen ganz abzusondern, ist schon §. 178 Anm. 1. angeführt worden. Uebrigens können manche Theile der Philosophie, der Erfahrungsgrundsätze gar nicht entbehren, und nie Wissenschaften im strengsten Verstande werden. Was dieses für Theile der Philosophie seyn, wird sich in der Folge zeigen.
|b212| Anm. 2. Diejenigen, welche theoretische und praktische Philosophie von einander scheiden, und die Logik zu jener rechnen, begreifen unter dem Namen der theoretischen, Logik und Metaphysik zugleich; sie nennen auch beyde Wissenschaften zusammen, die Philosophiam primam, weil beyde vor der praktischen Philosophie vorhergehen, und bey ihr zum Grunde liegen.

184.

Unter dem Namen der eigentlich sogenannten Metaphysik (§. 183 Anmerk. 1) begreift man, seitdem Wolf sie bearbeitet hat, die Ontologie, Kosmologie, Psychologie und natürliche Theologie; und wie diese Wissenschaften zusammenkommen, desgleichen wie sie von einander verschieden sind, läßt sich auf folgende Art fassen. Die Metaphysik beschäftigt sich entweder mit Begriffen von Dingen überhaupt, oder mit Begriffen von besondern Dingen. Jenem Theil oder Wissenschaft hat man deswegen den Namen der Ontologie, auch der Transscendentalphilosophie, zugeeignet; hingegen diesen Theil, der die drey letztgenannten Wissenschaften unter einem gemeinschaftlichen Namen zusammenfassen könnte, nennt Kant rationale Physiologie.Unter dem Namen der eigentlich sogenannten Metaphysik (§. 183 Anmerk. 1) begreift man, seitdem Wolf sie bearbeitet hat, die Ontologie, Kosmologie, Psychologie und natürliche Theologie; und wie diese Wissenschaften zusammenkommen, desgleichen wie sie von einander verschieden sind, läßt sich auf folgende Art fassen. Die Metaphysik beschäftigt sich entweder mit Begriffen von Dingen überhaupt, oder mit Begriffen von besondern Dingen. Jenem Theil oder Wissenschaft hat man deswegen den Namen der Ontologie, auch der Transscendentalphilosophie, zugeeignet; hingegen diesen Theil, der die drey letztgenannten Wissenschaften unter einem gemeinschaftlichen Namen zusammenfassen könnte, nennt Kant rationale Physiologie.

185.

Alles was ist, oder alle Dinge, haben Manches mit einander gemein. Wenn man dieses allen Dingen Gemeine absonderte, und die |b213| allgemeinsten Begriffe und Gesetze in Eine Wissenschaft vereinigte: so würde daraus die Ontologie entstehen, und sie würde mit Recht die Grundwissenschaft und Mutter aller Wissenschaften heissen, weil dieses Allgemeine bey allem Besondern zum Grunde liegen muß, ohne sie also eine eigentliche Wissenschaft nicht einmal nöthig ist. – Bey jeder recht sichern Erkenntniß müssen die Begriffe und Sätze so weit wieder in andre aufgelöset werden, bis man auf solche stößt, die keiner weitern Auflösung fähig oder bedürftig sind; und es ist daher leicht zu begreifen, wie die Ontologie, welche dergleichen unauflösbare Begriffe und Sätze enthalten müßte, die Sicherheit der Erkenntniß begründen würde. – Eben so: je weiter Zweifel getrieben werden: je nöthiger wird es, um ihren Grund oder Ungrund zu entdecken, bis auf die einfachsten Begriffe und solche Sätze zurück zu gehen, die keines weitern Beweises bedürfen, und die eben den Inhalt der Ontologie ausmachen sollten. – Und kommt es auf die Frage von Allgemeinheit eines Satzes an: so läßt sich die weder aus der Induction noch aus der Analogie, sondern bloß aus allgemeinen Begriffen darthun, dergleichen die Ontologie entweder enthält oder unterstützt. – Gewiß ists auch kein geringer Vortheil, den man von dem Studium dieser Wissenschaft hat, daß man, – ohne ihre Kenntniß nicht nur Vieles nicht verstehen noch beurtheilen kan, was aus ihr in andre Wissenschaften, namentlich in die Theologie, übergetragen worden ist – sondern daß man auch eine Menge |b214| sehr bestimmter Begriffe, Sätze und Ausdrücke kennen lernt, die, eben wegen der Allgemeinheit, einen großen Einfluß auf alle wissenschaftliche Kenntniß haben.Alles was ist, oder alle Dinge, haben Manches mit einander gemein. Wenn man dieses allen Dingen Gemeine absonderte, und die |b213| allgemeinsten Begriffe und Gesetze in Eine Wissenschaft vereinigte: so würde daraus die Ontologie entstehen, und sie würde mit Recht die Grundwissenschaft und Mutter aller Wissenschaften heissen, weil dieses Allgemeine bey allem Besondern zum Grunde liegen muß, ohne sie also eine eigentliche Wissenschaft nicht einmal nöthig ist. – Bey jeder recht sichern Erkenntniß müssen die Begriffe und Sätze so weit wieder in andre aufgelöset werden, bis man auf solche stößt, die keiner weitern Auflösung fähig oder bedürftig sind; und es ist daher leicht zu begreifen, wie die Ontologie, welche dergleichen unauflösbare Begriffe und Sätze enthalten müßte, die Sicherheit der Erkenntniß begründen würde. – Eben so: je weiter Zweifel getrieben werden: je nöthiger wird es, um ihren Grund oder Ungrund zu entdecken, bis auf die einfachsten Begriffe und solche Sätze zurück zu gehen, die keines weitern Beweises bedürfen, und die eben den Inhalt der Ontologie ausmachen sollten. – Und kommt es auf die Frage von Allgemeinheit eines Satzes an: so läßt sich die weder aus der Induction noch aus der Analogie, sondern bloß aus allgemeinen Begriffen darthun, dergleichen die Ontologie entweder enthält oder unterstützt. – Gewiß ists auch kein geringer Vortheil, den man von dem Studium dieser Wissenschaft hat, daß man, – ohne ihre Kenntniß nicht nur Vieles nicht verstehen noch beurtheilen kan, was aus ihr in andre Wissenschaften, namentlich in die Theologie, übergetragen worden ist – sondern daß man auch eine Menge |b214| sehr bestimmter Begriffe, Sätze und Ausdrücke kennen lernt, die, eben wegen der Allgemeinheit, einen großen Einfluß auf alle wissenschaftliche Kenntniß haben.

186.

Zu verwundern ists indessen nicht, daß diese Wissenschaft so viele ungerechte Verachtung erfahren hat. Denn keine Wissenschaft liegt von den gemeinnützigen Kenntnissen so weit entfernt , und zieht sich so weit auf die einfachsten Begriffe und Sätze zurück , als diese. Die wenigsten Menschen besitzen Fähigkeit oder Geduld genug, sich bis zu diesen feinsten und ganz unsinnlichen Vorstellungen zu erheben. Und manche Verehrer der Ontologie haben sich so sehr von anschauenden Vorstellungen entwöhnt; haben sich um andre Gegenstände der menschlichen Erkenntniß so wenig bekümmert; oder gar sich im Stande zu seyn eingebildet , über Alles zu entscheiden, weil sie sich im Besitz einer Erkenntniß der allgemeinen Beschaffenheit aller Dinge zu seyn glaubten; oder sie haben in dieser Wissenschaft so Vieles zu leisten übernommen, was sie weder wirklich leisteten, noch zu leisten vermochten, daß hinterher diese Wissenschaft selbst das entgelten mußte, was ihre Verehrer verschuldet hatten *) . So wahr es indessen ist, daß man sich nirgends leichter, als bey dieser Wissenschaft, in unfruchtbare Untersuchungen verlieren kan, wenn man entweder zu wenig Sachen kennt, und zu wenig Stoff hat, aus welchen sich das Allgemeine abziehen läßt, oder |b215| nicht die Gränzen wahrnimmt, wo der menschliche Verstand stille stehen muß: so hängt doch von der fortgesetzten Zergliederung gewisser Begriffe oder Sätze unsre Gemüthsruhe oder die weitre Entdeckung der Wahrheit so sehr ab, und der rastlose Trieb denkender Menschen über die Gräntzen des Sinnlichen hinaus zu gehn, ist ihnen so wenig umsonst gegeben, daß selbst die Befriedigung dieses Triebes ihnen die Pflicht auferlegt, wenigstens zu versuchen, wie weit der menschliche Geist in das Gebiet übersinnlicher Dinge eindringen könne, ohne die ihm von der Natur gesetzten Gränzen zu überschreiten.Zu verwundern ists indessen nicht, daß diese Wissenschaft so viele ungerechte Verachtung erfahren hat. Denn keine Wissenschaft liegt von den gemeinnützigen Kenntnissen so weit entfernt , und zieht sich so weit auf die einfachsten Begriffe und Sätze zurück , als diese. Die wenigsten Menschen besitzen Fähigkeit oder Geduld genug, sich bis zu diesen feinsten und ganz unsinnlichen Vorstellungen zu erheben. Und manche Verehrer der Ontologie haben sich so sehr von anschauenden Vorstellungen entwöhnt; haben sich um andre Gegenstände der menschlichen Erkenntniß so wenig bekümmert; oder gar sich im Stande zu seyn eingebildet , über Alles zu entscheiden, weil sie sich im Besitz einer Erkenntniß der allgemeinen Beschaffenheit aller Dinge zu seyn glaubten; oder sie haben in dieser Wissenschaft so Vieles zu leisten übernommen, was sie weder wirklich leisteten, noch zu leisten vermochten, daß hinterher diese Wissenschaft selbst das entgelten mußte, was ihre Verehrer verschuldet hatten *) . So wahr es indessen ist, daß man sich nirgends leichter, als bey dieser Wissenschaft, in unfruchtbare Untersuchungen verlieren kan, wenn man entweder zu wenig Sachen kennt, und zu wenig Stoff hat, aus welchen sich das Allgemeine abziehen läßt, oder |b215| nicht die Gränzen wahrnimmt, wo der menschliche Verstand stille stehen muß: so hängt doch von der fortgesetzten Zergliederung gewisser Begriffe oder Sätze unsre Gemüthsruhe oder die weitre Entdeckung der Wahrheit so sehr ab, und der rastlose Trieb denkender Menschen über die Gräntzen des Sinnlichen hinaus zu gehn, ist ihnen so wenig umsonst gegeben, daß selbst die Befriedigung dieses Triebes ihnen die Pflicht auferlegt, wenigstens zu versuchen, wie weit der menschliche Geist in das Gebiet übersinnlicher Dinge eindringen könne, ohne die ihm von der Natur gesetzten Gränzen zu überschreiten.
*) Ob die Vorwürfe, welche Kants Kritik der reinen Vernunft den bisherigen Versuchen der Ontologen und Metaphysiker gemacht hat, gegründet sind, und ob ihm sein Versuch in einer so höchst nöthigen Wissenschaft, wie diese Kritik, als Propädevtik der Philosophie, seyn soll, besser gelungen sey, darüber hier urtheilen zu wollen, würde ganz und gar dem Zweck des gegenwärtigen Buchs nicht angemessen seyn, wo alles dieses nur braucht historisch angegeben zu werden.

187.

Die übrigen drey Wissenschaften, welche §. 184 zur theoretischen Philosophie gerechnet wurden, und darin mit einander übereinkommen, daß sie sich nicht mit Begriffen von Dingen überhaupt, sondern mit Begriffen von besondern Dingen beschäftigen, bekommen eine ganz andere Gestalt, |b216| je nachdem man diese Theile der Philosophie entweder zu strengen Wissenschaften erheben, d. i. nur reine Anschauungen, Begriffe und Sätze darin aufnehmen, oder auch mit auf Erfahrungen und Erfahrungssätze bauen will (§. 176 ). – In jenem Fall laßen sich vier verschiedene Wissenschaften denken. Denn entweder sind die Gegenstände dieser Wissenschaften Dinge, welche können wahrgenommen oder erfahren werden, (sie sind uns, um mit Kant zu reden, immanent, und gleichsam einheimisch), oder sie können dies gar nicht, sondern gehen über alle uns mögliche Erfahrung hinaus, (sie sind transscendent). – Im erstern Fall bauet man nicht etwa auf Erfahrung, (denn so wären es ja nicht reine Begriffe), man nimmt nur aus dieser Erfahrung einen Gegenstand des äussern oder innern Sinnes, mit dessen Untersuchung sich die Wissenschaft beschäftigt, ohne noch etwas Mehreres ausser den bloßen Begriff, aus der Erfahrung zu entlehnen. Und da alles, was wir durch Erfahrung kennen, entweder Materie, etwas Ausgedehntes, oder Geist, etwas Denkendes, ist, und jenes, d. i. die körperliche Natur, durch die äussern Sinne erkannt wird, dieses aber, nemlich die denkende Natur, durch innern Sinn: so entsteht eine Wissenschaft der körperlichen Natur, d. i. die Physik, oder vielmehr rationale Physik, oder metaphysische Naturwissenschaft, und eine andere Wissenschaft der denkenden Natur, d. i. rationale Pnevmatologie, worunter die Wissenschaft unsrer denkenden Natur, oder unsrer Seele, unter dem Namen der |b217| rationalen Psychologie, mit begriffen ist. – Wenn hingegen, in dem vorhinerwähnten zweyten Fall, der besondre Gegenstand, der in der Metaphysik untersucht werden soll, ausser den Gränzen aller Erfahrung liegt: so begreift dieser zum Grunde liegende Begriff entweder Alles, was sich als existirend denken läßt, als ein Ganzes betrachtet, das man daher das Universum oder die Welt nennt, oder das Wesen, welches man sich als den absoluten Grund der Welt denkt. Jene Wissenschaft würde die Kosmologie oder transscendentale Welterkenntniß; diese, die rationale Theologie, oder transscendentale Gotteserkenntniß seyn.Die übrigen drey Wissenschaften, welche §. 184 zur theoretischen Philosophie gerechnet wurden, und darin mit einander übereinkommen, daß sie sich nicht mit Begriffen von Dingen überhaupt, sondern mit Begriffen von besondern Dingen beschäftigen, bekommen eine ganz andere Gestalt, |b216| je nachdem man diese Theile der Philosophie entweder zu strengen Wissenschaften erheben, d. i. nur reine Anschauungen, Begriffe und Sätze darin aufnehmen, oder auch mit auf Erfahrungen und Erfahrungssätze bauen will (§. 176 ). – In jenem Fall laßen sich vier verschiedene Wissenschaften denken. Denn entweder sind die Gegenstände dieser Wissenschaften Dinge, welche können wahrgenommen oder erfahren werden, (sie sind uns, um mit Kant zu reden, immanent, und gleichsam einheimisch), oder sie können dies gar nicht, sondern gehen über alle uns mögliche Erfahrung hinaus, (sie sind transscendent). – Im erstern Fall bauet man nicht etwa auf Erfahrung, (denn so wären es ja nicht reine Begriffe), man nimmt nur aus dieser Erfahrung einen Gegenstand des äussern oder innern Sinnes, mit dessen Untersuchung sich die Wissenschaft beschäftigt, ohne noch etwas Mehreres ausser den bloßen Begriff, aus der Erfahrung zu entlehnen. Und da alles, was wir durch Erfahrung kennen, entweder Materie, etwas Ausgedehntes, oder Geist, etwas Denkendes, ist, und jenes, d. i. die körperliche Natur, durch die äussern Sinne erkannt wird, dieses aber, nemlich die denkende Natur, durch innern Sinn: so entsteht eine Wissenschaft der körperlichen Natur, d. i. die Physik, oder vielmehr rationale Physik, oder metaphysische Naturwissenschaft, und eine andere Wissenschaft der denkenden Natur, d. i. rationale Pnevmatologie, worunter die Wissenschaft unsrer denkenden Natur, oder unsrer Seele, unter dem Namen der |b217| rationalen Psychologie, mit begriffen ist. – Wenn hingegen, in dem vorhinerwähnten zweyten Fall, der besondre Gegenstand, der in der Metaphysik untersucht werden soll, ausser den Gränzen aller Erfahrung liegt: so begreift dieser zum Grunde liegende Begriff entweder Alles, was sich als existirend denken läßt, als ein Ganzes betrachtet, das man daher das Universum oder die Welt nennt, oder das Wesen, welches man sich als den absoluten Grund der Welt denkt. Jene Wissenschaft würde die Kosmologie oder transscendentale Welterkenntniß; diese, die rationale Theologie, oder transscendentale Gotteserkenntniß seyn.
So findet man überhaupt die Begriffe von dieser Wissenschaft in Kants Kritik der reinen Vernunft geordnet S. 873 f., womit noch seine Vorrede zu den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, Riga 1786. gr. 8. zu vergleichen ist; in welchem Buche selbst er einen Versuch gemacht hat, eine metaphysische Naturwissenschaft zu liefern, die keinesweges mit dem zu verwechseln ist, was man gewöhnlich Physik nennt, als welche Erfahrungsbegriffe und dergleichen Gesetze aufnimmt. – Uebrigens zeigt §. 170 , warum wir in dem Folgenden auch die metaphysische Naturwissenschaft übergehen.

188.

So wahr es indessen ist, daß nur reine Philosophie eine eigentliche strenge Wissenschaft giebt, |b218| und so nützlich es daher bleibt, wenn man Wissenschaften in einem weitern Verstande so abhandelt, daß der bloß reine Theil derselben von dem Theile abgesondert werde, der empirische Kenntnisse zu Hülfe nehmen muß: so würde doch der Inhalt der Philosophie alsdann, wenn man ihn nur auf reine Kenntnisse einschränken wollte, gar zu dürftig seyn, und für das menschliche Leben zu wenig brauchbar werden (§. 169 ); und wohin anders sollte man den reichen Schatz von Kenntnissen, den uns die Erfahrung über die Natur darbietet, schlagen, als zur Philosophie? Wir werden also im Folgenden auch immer dieses Empirische mit zu den einzelnen Theilen der Philosophie rechnen.So wahr es indessen ist, daß nur reine Philosophie eine eigentliche strenge Wissenschaft giebt, |b218| und so nützlich es daher bleibt, wenn man Wissenschaften in einem weitern Verstande so abhandelt, daß der bloß reine Theil derselben von dem Theile abgesondert werde, der empirische Kenntnisse zu Hülfe nehmen muß: so würde doch der Inhalt der Philosophie alsdann, wenn man ihn nur auf reine Kenntnisse einschränken wollte, gar zu dürftig seyn, und für das menschliche Leben zu wenig brauchbar werden (§. 169 ); und wohin anders sollte man den reichen Schatz von Kenntnissen, den uns die Erfahrung über die Natur darbietet, schlagen, als zur Philosophie? Wir werden also im Folgenden auch immer dieses Empirische mit zu den einzelnen Theilen der Philosophie rechnen.

189.

Weil in der Philosophie über unsre Seele und über Gott Vieles nicht recht deutlich erklärt werden kan, wenn nicht der Begriff von der Welt, d. i. dem Inbegriff aller zu einem Ganzen vereinigten endlichen Dinge, die wirklich sind oder seyn könten, vorher entwickelt ist, und ihre Eigenschaften und Gesetze bestimmt sind: so fand Wolf für gut, dieses in eine besondere Wissenschaft zu ziehen, die daher den Namen der allgemeinen Kosmologie bekam, weil sie das, was allen Welten gemein seyn muß, und nicht wie die besondere Kosmologie, nur das, was wir aus Beobachtung der wirklichen Welt erkennen, enthalten sollte. Ihr Nutzen ergiebt sich aus ihrem Verhältniß gegen die eben genannten beyden Theile |b219| der Metaphysik von Gott und der Seele des Menschen.Weil in der Philosophie über unsre Seele und über Gott Vieles nicht recht deutlich erklärt werden kan, wenn nicht der Begriff von der Welt, d. i. dem Inbegriff aller zu einem Ganzen vereinigten endlichen Dinge, die wirklich sind oder seyn könten, vorher entwickelt ist, und ihre Eigenschaften und Gesetze bestimmt sind: so fand Wolf für gut, dieses in eine besondere Wissenschaft zu ziehen, die daher den Namen der allgemeinen Kosmologie bekam, weil sie das, was allen Welten gemein seyn muß, und nicht wie die besondere Kosmologie, nur das, was wir aus Beobachtung der wirklichen Welt erkennen, enthalten sollte. Ihr Nutzen ergiebt sich aus ihrem Verhältniß gegen die eben genannten beyden Theile |b219| der Metaphysik von Gott und der Seele des Menschen.

190.

Einen viel weit reichendern Nutzen würde die Seelenlehre (Psychologie) selbst haben, da sich kein Theil der theoretischen Philosophie unsern Bedürfnissen näher andringt als sie . Zu ihrer Kenntniß kan man auf zwey Wegen gelangen. Man kan zuerst die verschiedenen Veränderungen in der Seele beobachten, diese Beobachtungen sammlen, mit einander vergleichen, dadurch deutliche Begriffe davon gewinnen, ihre Kräfte, oder vielmehr die verschiednen Arten, wie sich die einzige Kraft der Seele äussert, und die allgemeinen Gesetze zu entdecken suchen, nach welchen unsre Seele bey jeder Art ihrer Wirkungen verfährt. So entstünde eine Naturgeschichte der Seele, welche man die empirische Seelenlehre nennt, weil sie aus der Erfahrung geschöpft worden ist. Hätte man jene Kräfte und Gesetze entdeckt, und gefunden, daß sich alle wahrgenommene verschiedene Kräfte derselben auf die einzige Vorstellungskraft zurückbringen laßen: so könnte man hernach wieder aus diesem Begriff und den entdeckten Gesetzen, nach welchen sie verfährt, neue Entdeckungen über die Seele herleiten, und daraus eine Wissenschaft bilden, welche den Namen der wissenschaftlichen oder erklärenden Seelenlehre (Psychologiae rationalis) bekommt.Einen viel weit reichendern Nutzen würde die Seelenlehre (Psychologie) selbst haben, da sich kein Theil der theoretischen Philosophie unsern Bedürfnissen näher andringt als sie . Zu ihrer Kenntniß kan man auf zwey Wegen gelangen. Man kan zuerst die verschiedenen Veränderungen in der Seele beobachten, diese Beobachtungen sammlen, mit einander vergleichen, dadurch deutliche Begriffe davon gewinnen, ihre Kräfte, oder vielmehr die verschiednen Arten, wie sich die einzige Kraft der Seele äussert, und die allgemeinen Gesetze zu entdecken suchen, nach welchen unsre Seele bey jeder Art ihrer Wirkungen verfährt. So entstünde eine Naturgeschichte der Seele, welche man die empirische Seelenlehre nennt, weil sie aus der Erfahrung geschöpft worden ist. Hätte man jene Kräfte und Gesetze entdeckt, und gefunden, daß sich alle wahrgenommene verschiedene Kräfte derselben auf die einzige Vorstellungskraft zurückbringen laßen: so könnte man hernach wieder aus diesem Begriff und den entdeckten Gesetzen, nach welchen sie verfährt, neue Entdeckungen über die Seele herleiten, und daraus eine Wissenschaft bilden, welche den Namen der wissenschaftlichen oder erklärenden Seelenlehre (Psychologiae rationalis) bekommt.
Unsre Seele, die Vollkommenheit ihrer Kräfte, und ihre Veränderungen hängen, nach allen unsern |b220| Wahrnehmungen, so sehr von unserm Körper ab, daß ohne Kenntniß dieses Letztern keine rechte und zuverläßige Erklärung dessen, was in unsrer Seele vorgeht, möglich ist. Verbände man daher diese Kenntniß des Körpers, so weit sie zur Aufklärung der Erscheinungen in unsrer Seele dient, mit der Psychologie, so würde daraus eine Wissenschaft entstehen können, die den Namen einer philosophischen (theoretischen) Anthropologie eher verdiente, als die empirische Psychologie, welche einige mit diesem Namen belegen. Ein treflicher Versuch davon ist Ernst Platners Neue Anthropologie für Aerzte und Weltweise, wovon der erste Band Leipzig 1790 in gr. 8. erschienen ist.

191.

Die Glückseligkeit des Menschen beruht auf der Kenntniß seiner selbst, seiner Kräfte, des Verhältnisses andrer Dinge gegen ihn, und der nützlichen oder schädlichen Wirkungen, welche aus dem verschiednen Gebrauch seiner Kräfte und dem Einfluß andrer Dinge auf ihn entstehen. Diese Kenntniß belehrt ihn über das, was er zu seinem Besten vermag oder nicht; über seine Mängel und Fehler; über seine Fähigkeiten und Vorzüge; und die Mittel jenen vorzubauen, sie zu heben, zu vermindern oder ihnen doch die unschädlichste und vortheilhafteste Richtung zu geben, seine Fähigkeiten hingegen zu verstärken, wirksamer zu machen, und sie zur Erreichung seiner höchst möglichsten Vollkommenheit zu lenken; über den |b221| Werth aller Dinge für ihn, der anders nicht als nach ihrem mehrern oder mindern Einfluß auf seine Glückseligkeit bestimmt werden kan; endlich über die Mittel, alles ausser sich zu seinem Besten zu verwenden. – Alle unsre Kenntniß der Wahrheit und der wirklichen Beschaffenheit der Dinge sowohl, als die Verschiedenheit des Grades von Deutlichkeit, Gewißheit und Wirksamkeit gewisser Begriffe und Sätze, gründet sich auf die besondre Beschaffenheit unsrer Seele, auf die Gesetze unsers Denkens und Wollens, und auf die größere oder geringere Fähigkeit, nach demselben unsre Seelenkräfte zu gebrauchen. In so fern hängen alle theoretische und praktische Wissenschaften von nichts so sehr ab, als von der rechten Bekanntschaft mit unsrer Seele; diejenigen am meisten, die sich mit dem Menschen und dessen Regierung, mit Beförderung seiner Gemüthsruhe und seiner Besserung beschäftigen. – Für den Lehrer der Religion insbesondre, der eben durch die Religion Andre, ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen nach, aufs weiseste leiten soll, ist sie ganz vorzüglich nöthig, wenn er diese wohlthätige Absicht, wozu er arbeiten muß, erreichen will.Die Glückseligkeit des Menschen beruht auf der Kenntniß seiner selbst, seiner Kräfte, des Verhältnisses andrer Dinge gegen ihn, und der nützlichen oder schädlichen Wirkungen, welche aus dem verschiednen Gebrauch seiner Kräfte und dem Einfluß andrer Dinge auf ihn entstehen. Diese Kenntniß belehrt ihn über das, was er zu seinem Besten vermag oder nicht; über seine Mängel und Fehler; über seine Fähigkeiten und Vorzüge; und die Mittel jenen vorzubauen, sie zu heben, zu vermindern oder ihnen doch die unschädlichste und vortheilhafteste Richtung zu geben, seine Fähigkeiten hingegen zu verstärken, wirksamer zu machen, und sie zur Erreichung seiner höchst möglichsten Vollkommenheit zu lenken; über den |b221| Werth aller Dinge für ihn, der anders nicht als nach ihrem mehrern oder mindern Einfluß auf seine Glückseligkeit bestimmt werden kan; endlich über die Mittel, alles ausser sich zu seinem Besten zu verwenden. – Alle unsre Kenntniß der Wahrheit und der wirklichen Beschaffenheit der Dinge sowohl, als die Verschiedenheit des Grades von Deutlichkeit, Gewißheit und Wirksamkeit gewisser Begriffe und Sätze, gründet sich auf die besondre Beschaffenheit unsrer Seele, auf die Gesetze unsers Denkens und Wollens, und auf die größere oder geringere Fähigkeit, nach demselben unsre Seelenkräfte zu gebrauchen. In so fern hängen alle theoretische und praktische Wissenschaften von nichts so sehr ab, als von der rechten Bekanntschaft mit unsrer Seele; diejenigen am meisten, die sich mit dem Menschen und dessen Regierung, mit Beförderung seiner Gemüthsruhe und seiner Besserung beschäftigen. – Für den Lehrer der Religion insbesondre, der eben durch die Religion Andre, ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen nach, aufs weiseste leiten soll, ist sie ganz vorzüglich nöthig, wenn er diese wohlthätige Absicht, wozu er arbeiten muß, erreichen will.

192.

Um so mehr muß man stets darnach trachten, die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich bey Erforschung der menschlichen Seele in den Weg legen, und eben deswegen sie auch kennen zu lernen suchen; zumal – da der Mensch gemeiniglich in dem Wahn steht, nichts besser als sich selbst zu |b222| kennen, – da die Einbildung, ein Menschenkenner zu seyn, immer weiter, und am meisten bey denen um sich greift, die sichs bewußt sind, daß sie wenig Kenntniß der Dinge ausser den Menschen besitzen, – und da die, welche am ersten Gelegenheit und Aufforderung hätten, Menschen kennen zu lernen, d. i. die, welche sich mit dem praktischen Leben und mit gleich anwendbaren Untersuchungen beschäftigen, mehrentheils nicht die Geduld haben, erst die Erfahrungen zu zergliedern oder zu läutern, und zu sehr gewohnt sind, Alles, was sie beobachtet haben, gleich anzuwenden, als daß sie sich nicht mit oben abgeschöpften, einseitigen und halbwahren Beobachtungen begnügen sollten.Um so mehr muß man stets darnach trachten, die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich bey Erforschung der menschlichen Seele in den Weg legen, und eben deswegen sie auch kennen zu lernen suchen; zumal – da der Mensch gemeiniglich in dem Wahn steht, nichts besser als sich selbst zu |b222| kennen, – da die Einbildung, ein Menschenkenner zu seyn, immer weiter, und am meisten bey denen um sich greift, die sichs bewußt sind, daß sie wenig Kenntniß der Dinge ausser den Menschen besitzen, – und da die, welche am ersten Gelegenheit und Aufforderung hätten, Menschen kennen zu lernen, d. i. die, welche sich mit dem praktischen Leben und mit gleich anwendbaren Untersuchungen beschäftigen, mehrentheils nicht die Geduld haben, erst die Erfahrungen zu zergliedern oder zu läutern, und zu sehr gewohnt sind, Alles, was sie beobachtet haben, gleich anzuwenden, als daß sie sich nicht mit oben abgeschöpften, einseitigen und halbwahren Beobachtungen begnügen sollten.

193.

Diese Schwierigkeiten zeigen sich entweder bey der Beobachtung selbst, oder bey ihrer Entwickelung und Anwendung. Zu jener Art gehört unter andern: – daß entweder gewisse Veränderungen unsrer Seele zu selten und zu unerwartet sind, als daß man sie anhaltend und wiederholt beobachten könnte, zumal da sie eben wegen des Ausserordentlichen mehr betäuben, als ein stilles und bedächtiges Anschauen erlauben, oder zu gewöhnlich, als daß sie unsre Aufmerksamkeit genug reitzten; – daß viele Veränderungen und Zustände unsrer Seele sich kaum beobachten laßen, weil es uns entweder zu der Zeit, wo sie vorgehen und da sind, am Bewußtseyn, wenigstens am deutlichen Bewußtseyn, fehlt, oder weil sie so |b223| schnell auf einander folgen, vorübergehn, und unter einander abwechseln, daß man sie nicht genug festfassen kan, oder weil selbst durch die angestrengte Aufmerksamkeit ihr Zusammenhang oder doch die Bemerkung desselben unterbrochen wird; – daß insbesondre die dunkeln Vorstellungen der Seele, und alle dadurch bestimmte Neigungen und Abweichungen, sowohl als ihr Zusammenhang mit dem Körper, so ganz oder zum Theil im Dunkeln liegen, und eine so unsichtbare Gewalt über andere Vorstellungen ausüben, daß sich weder sie selbst, noch ihr Zusammenfluß, noch ihre wechselseitig mitgetheilte Stärke, noch die Gesetze, wonach die Seele dabey wirkt, entdecken laßen; – daß endlich bey den Veränderungen der Seele so viele und oft ganz kleine und unmerkbare Ursachen zusammen kommen und in einander fließen, die sich unserm Blick entziehen, und die keine Scheidungskunst völlig sondern kan.Diese Schwierigkeiten zeigen sich entweder bey der Beobachtung selbst, oder bey ihrer Entwickelung und Anwendung. Zu jener Art gehört unter andern: – daß entweder gewisse Veränderungen unsrer Seele zu selten und zu unerwartet sind, als daß man sie anhaltend und wiederholt beobachten könnte, zumal da sie eben wegen des Ausserordentlichen mehr betäuben, als ein stilles und bedächtiges Anschauen erlauben, oder zu gewöhnlich, als daß sie unsre Aufmerksamkeit genug reitzten; – daß viele Veränderungen und Zustände unsrer Seele sich kaum beobachten laßen, weil es uns entweder zu der Zeit, wo sie vorgehen und da sind, am Bewußtseyn, wenigstens am deutlichen Bewußtseyn, fehlt, oder weil sie so |b223| schnell auf einander folgen, vorübergehn, und unter einander abwechseln, daß man sie nicht genug festfassen kan, oder weil selbst durch die angestrengte Aufmerksamkeit ihr Zusammenhang oder doch die Bemerkung desselben unterbrochen wird; – daß insbesondre die dunkeln Vorstellungen der Seele, und alle dadurch bestimmte Neigungen und Abweichungen, sowohl als ihr Zusammenhang mit dem Körper, so ganz oder zum Theil im Dunkeln liegen, und eine so unsichtbare Gewalt über andere Vorstellungen ausüben, daß sich weder sie selbst, noch ihr Zusammenfluß, noch ihre wechselseitig mitgetheilte Stärke, noch die Gesetze, wonach die Seele dabey wirkt, entdecken laßen; – daß endlich bey den Veränderungen der Seele so viele und oft ganz kleine und unmerkbare Ursachen zusammen kommen und in einander fließen, die sich unserm Blick entziehen, und die keine Scheidungskunst völlig sondern kan.

194.

Ließe sich aber auch dieses aufs Reine bringen, und man hätte allen Stoff von Wahrnehmungen beysammen, der nur noch verarbeitet, und denn gebraucht werden dürfte: so würden wieder bey dieser Behandlung des Gesammleten neue Schwierigkeiten entstehen. – Sind uns alle bey einer Veränderung der Seele zusammenstoßende Umstände, wenn wir sie auch kennen gelernt hätten, bey der einzelnen Betrachtung und bey der nachmaligen Wiederzusammensetzung gleich gegenwärtig? selbst nach ihrem Unterschied, nach ih|b224|rem wechselseitigen Einfluß, nach ihrem eingeschränkten Beytrag zur Hervorbringung einer bestimmten Wirkung? und laßen sich die einzelnen verschlungenen Fäden so aus einander wickeln, daß nicht dadurch das Ganze zerrissen, oder die Einsicht in die Totalwirkung vertilgt wird? – Läßt sich da, wo alles nach mechanischen Gesetzen zu erfolgen scheint, und nichts von der eignen Mitwirkung der Seele bemerkt wird, auch die Thätigkeit der Seele dabey leugnen? – Läßt sich auch bey einer Menge von gleichscheinenden Fällen abnehmen, was bey den Ursachen und Wirkungen einer Veränderung wesentlich, und was bloß zufällig sey? – wie weit man allgemeine Schlüsse daraus ziehen könne?Ließe sich aber auch dieses aufs Reine bringen, und man hätte allen Stoff von Wahrnehmungen beysammen, der nur noch verarbeitet, und denn gebraucht werden dürfte: so würden wieder bey dieser Behandlung des Gesammleten neue Schwierigkeiten entstehen. – Sind uns alle bey einer Veränderung der Seele zusammenstoßende Umstände, wenn wir sie auch kennen gelernt hätten, bey der einzelnen Betrachtung und bey der nachmaligen Wiederzusammensetzung gleich gegenwärtig? selbst nach ihrem Unterschied, nach ih|b224|rem wechselseitigen Einfluß, nach ihrem eingeschränkten Beytrag zur Hervorbringung einer bestimmten Wirkung? und laßen sich die einzelnen verschlungenen Fäden so aus einander wickeln, daß nicht dadurch das Ganze zerrissen, oder die Einsicht in die Totalwirkung vertilgt wird? – Läßt sich da, wo alles nach mechanischen Gesetzen zu erfolgen scheint, und nichts von der eignen Mitwirkung der Seele bemerkt wird, auch die Thätigkeit der Seele dabey leugnen? – Läßt sich auch bey einer Menge von gleichscheinenden Fällen abnehmen, was bey den Ursachen und Wirkungen einer Veränderung wesentlich, und was bloß zufällig sey? – wie weit man allgemeine Schlüsse daraus ziehen könne?

195.

Mit alle dem müssen uns diese Schwierigkeiten nicht muthlos machen; es ist doch ein großer Gewinnst, wonach wir ringen, und schon der bisherige, selbst die Erwartung bey so großen Schwierigkeiten übersteigende, glückliche Fortgang solcher Untersuchungen muß uns ermuntern. Je mehr man der Natur auflauren, und ihr bey verschiednen Menschen, in sehr verschiednen Lagen, besonders in noch ungebildeten Kinderseelen, nachspüren wird; je mehr der Reichthum, die Bestimmtheit und die wirklich philosophische Behandlung der Wissenschaften überhaupt, besonders der Physiologie, der Vernunftlehre, und, was hier am meisten übersehen wird, der Sprachen und ihrer allmähligen Bildung, zunehmen wird; je |b225| mehr die, welche sich mit Menschenkenntniß abgeben wollen, sich zur anhaltenden Aufmerksamkeit, zur langsamen, bedächtigen und geduldigen Untersuchung sowohl, als zur Vorsichtigkeit und Bescheidenheit gewöhnen; und je mehrere auf diese Art an der Erweiterung der Seelenlehre arbeiten: je ein weiteres Feld wird sie gewinnen, und je sicherer ihr Eigenthum werden.Mit alle dem müssen uns diese Schwierigkeiten nicht muthlos machen; es ist doch ein großer Gewinnst, wonach wir ringen, und schon der bisherige, selbst die Erwartung bey so großen Schwierigkeiten übersteigende, glückliche Fortgang solcher Untersuchungen muß uns ermuntern. Je mehr man der Natur auflauren, und ihr bey verschiednen Menschen, in sehr verschiednen Lagen, besonders in noch ungebildeten Kinderseelen, nachspüren wird; je mehr der Reichthum, die Bestimmtheit und die wirklich philosophische Behandlung der Wissenschaften überhaupt, besonders der Physiologie, der Vernunftlehre, und, was hier am meisten übersehen wird, der Sprachen und ihrer allmähligen Bildung, zunehmen wird; je |b225| mehr die, welche sich mit Menschenkenntniß abgeben wollen, sich zur anhaltenden Aufmerksamkeit, zur langsamen, bedächtigen und geduldigen Untersuchung sowohl, als zur Vorsichtigkeit und Bescheidenheit gewöhnen; und je mehrere auf diese Art an der Erweiterung der Seelenlehre arbeiten: je ein weiteres Feld wird sie gewinnen, und je sicherer ihr Eigenthum werden.

196.

Ein guter Theil der Mängel und Schwierigkeiten in der Seelenlehre kan durch die Art der Behandlung gehoben werden, die in der erklärenden Psychologie (§. 190 ) herrscht, und diese dadurch von der empirischen unterscheidet. Denn da sie die Veränderungen der Seele aus dem mit Hülfe ontologischer Grundsätze entdeckten Begriff der Seele und den Gesetzen der Vorstellungskraft erklärt: so ersetzt sie nicht nur die Kenntnisse, die sich nicht aus der Erfahrung ableiten laßen, z. B. die, welche ihr künftiges Schicksal betreffen: sondern sie setzt auch das, was die Beobachtung entdeckt, mehr ausser Zweifel, bestimmt die Allgemeinheit desselben, und bringt dadurch die Seelenlehre einer eigentlichen Wissenschaft näher. Freylich ist selbst der Begriff der Seele erst aus Beobachtungen abgeleitet, und es läßt sich nichts bearbeiten, wo kein Stoff dazu vorhanden ist, den die Beobachtung giebt; es läßt sich auch nicht leugnen, daß man diese letztre, zumal ehedem, zu wenig brauchte, und daß man leicht in Versuchung kommen kan, das, was an bewährten |b226| Grundsätzen abgeht, durch Hypothesen zu ersetzen, oder die große Kluft zwischen den höhern Grundsätzen und einzelnen Veränderungen der Seele zu überspringen. Aber diese Fehler sind doch vermeidlich, die wohlthätige Einschränkung und Leitung der Phantasie durch jene höhere Grundsätze doch unleugbar, und die Verbindung der Beobachtung mit deren Läuterung durch allgemeine Grundsätze kan nicht anders als beyden sehr vortheilhaft seyn.Ein guter Theil der Mängel und Schwierigkeiten in der Seelenlehre kan durch die Art der Behandlung gehoben werden, die in der erklärenden Psychologie (§. 190 ) herrscht, und diese dadurch von der empirischen unterscheidet. Denn da sie die Veränderungen der Seele aus dem mit Hülfe ontologischer Grundsätze entdeckten Begriff der Seele und den Gesetzen der Vorstellungskraft erklärt: so ersetzt sie nicht nur die Kenntnisse, die sich nicht aus der Erfahrung ableiten laßen, z. B. die, welche ihr künftiges Schicksal betreffen: sondern sie setzt auch das, was die Beobachtung entdeckt, mehr ausser Zweifel, bestimmt die Allgemeinheit desselben, und bringt dadurch die Seelenlehre einer eigentlichen Wissenschaft näher. Freylich ist selbst der Begriff der Seele erst aus Beobachtungen abgeleitet, und es läßt sich nichts bearbeiten, wo kein Stoff dazu vorhanden ist, den die Beobachtung giebt; es läßt sich auch nicht leugnen, daß man diese letztre, zumal ehedem, zu wenig brauchte, und daß man leicht in Versuchung kommen kan, das, was an bewährten |b226| Grundsätzen abgeht, durch Hypothesen zu ersetzen, oder die große Kluft zwischen den höhern Grundsätzen und einzelnen Veränderungen der Seele zu überspringen. Aber diese Fehler sind doch vermeidlich, die wohlthätige Einschränkung und Leitung der Phantasie durch jene höhere Grundsätze doch unleugbar, und die Verbindung der Beobachtung mit deren Läuterung durch allgemeine Grundsätze kan nicht anders als beyden sehr vortheilhaft seyn.
Einer besondern Wissenschaft unter dem Namen der Geisterlehre (Pnevmatica, Pnevmatologia,) bedarf es nicht; es wäre auch sehr unzeitig, daran zu denken. Nur von Gott und unsrer Seele können wir einiges zuverläßig wissen; von andern läßt sich weder aus dem Begriff eines Geistes, noch aus ihren Wirkungen, noch anderwärts her etwas Bestimmtes oder Zuverläßiges erkennen, und wir haben bey den Lücken und Dunkelheiten der Seelenlehre hohe Ursach, sie nicht durch Schwärmerey noch mehr verdunkeln zu laßen.

197.

Unter allen Geistern oder denkenden Wesen ist doch keines, ausser uns selbst, dessen Erkenntniß so viel Anziehendes hätte, und zu dessen Untersuchung, ob und was es sey? vornehmlich ob und in welcher Verbindung es mit uns stehe? unsre Vernunft ein so dringendes Bedürfniß fühlte, als der allervollkommenste Geist, den wir uns unter dem Namen Gottes vorstellen. Es ist ei|b227|nem jeden Menschen, der über sich, sein Schicksal und sein Verhalten nachdenkt, und, vermöge des Dranges, den er als ein vernünftiges Wesen fühlt, nie eher zu ruhen, als bis er dahin gekommen ist, wo ihm keine Frage nach dem Grunde der Dinge mehr dringend scheint, einem solchen, sag' ich, ists natürlich, mit seinen Untersuchungen bis auf irgend ein Wesen fort zu gehen, bey dem seine Vernunft mit Fragen still stehen muß, bey dem er voraussetzen kan, daß es nicht wieder von einem andern Wesen abhänge, sondern schlechthin der Grund von allen andern wirklichen Wesen sey, und daß es solche Eigenschaften habe, ohne deren Voraussetzung sich die Eigenschaften und Veränderungen, die er an sich und in der Welt wahrnimmt, nicht befriedigend erklären laßen. Diese Vorstellung von Gott, die allein ihn in Absicht auf seine vernünftige Erkenntniß befriedigt, hat eben so natürlich ein großes Interesse für ihn, und wirkt auf seinen Willen. Er sieht bald ein, daß zum Theil seine Glückseligkeit in seiner Gewalt stehe; in so fern ihm seine Vernunft gewisse Gesetze zu erkennen giebt, nach welchen er handeln soll, und denen er auch gemäß zu handeln für nothwendig (für seine Pflicht) erkennt; in so fern er eben sowohl ihnen folgen, als das Gegentheil thun kan (d. i. frey ist); und in so fern er, wenn er ihnen folgt, gewiß wohl, und, wenn ers nicht thut, übel fährt. Er findet aber eben sowohl, daß er nicht ganz Herr über seine Glückseligkeit sey, da diese so oft von den Umständen abhängt, die er |b228| nicht ändern kan, sondern sie nehmen muß, wie sie sind. In dieser letztern Hinsicht ist es dem Menschen gar nicht gleichgültig, ob das, was in der Welt vorgeht, und besonders sein Schicksal, vom bloßen Zufall, oder von Nothwendigkeit, gegen welches beydes Vernunft und Gefühl eines freyen Willens so laut spricht, oder von einem eben so höchst weisen und gütigen als allmächtigen Wesen abhängt. Eben so wenig ist es ihm gleichgültig, in Rücksicht auf das erstre, ob, bey der Einsicht seiner Pflicht und dem Drang dazu, Pflicht und Glückseligkeit in stetem richtigen Verhältniß stehe, oder nicht; ob, bey dem, oft wenigstens scheinbaren, Widerspruch der Pflicht und Glückseligkeit, jene durchaus zu befolgen, und bey aller alsdann nothwendigen Aufopferung gewisser Ersatz zu hoffen sey; ob bey den unzählichen Hindernissen der Befolgung unsrer Pflicht und den mannichfaltigen Reitzen, ihr untreu zu werden, durchaus hinlängliche Bewegungsgründe zur Tugend vorhanden sind, wenn wir fürchten müssen, daß unsre ganze Existenz nur auf dieses Leben eingeschränkt sey, und nicht versichert seyn können, daß es ein über alle Veränderungen der Welt waltendes Wesen gebe, welches auch da, wo es nicht scheint, ganz gewiß für die stete Verknüpfung unsres Wohls mit der Ausübung unsrer Pflicht sorgen werde.Unter allen Geistern oder denkenden Wesen ist doch keines, ausser uns selbst, dessen Erkenntniß so viel Anziehendes hätte, und zu dessen Untersuchung, ob und was es sey? vornehmlich ob und in welcher Verbindung es mit uns stehe? unsre Vernunft ein so dringendes Bedürfniß fühlte, als der allervollkommenste Geist, den wir uns unter dem Namen Gottes vorstellen. Es ist ei|b227|nem jeden Menschen, der über sich, sein Schicksal und sein Verhalten nachdenkt, und, vermöge des Dranges, den er als ein vernünftiges Wesen fühlt, nie eher zu ruhen, als bis er dahin gekommen ist, wo ihm keine Frage nach dem Grunde der Dinge mehr dringend scheint, einem solchen, sag' ich, ists natürlich, mit seinen Untersuchungen bis auf irgend ein Wesen fort zu gehen, bey dem seine Vernunft mit Fragen still stehen muß, bey dem er voraussetzen kan, daß es nicht wieder von einem andern Wesen abhänge, sondern schlechthin der Grund von allen andern wirklichen Wesen sey, und daß es solche Eigenschaften habe, ohne deren Voraussetzung sich die Eigenschaften und Veränderungen, die er an sich und in der Welt wahrnimmt, nicht befriedigend erklären laßen. Diese Vorstellung von Gott, die allein ihn in Absicht auf seine vernünftige Erkenntniß befriedigt, hat eben so natürlich ein großes Interesse für ihn, und wirkt auf seinen Willen. Er sieht bald ein, daß zum Theil seine Glückseligkeit in seiner Gewalt stehe; in so fern ihm seine Vernunft gewisse Gesetze zu erkennen giebt, nach welchen er handeln soll, und denen er auch gemäß zu handeln für nothwendig (für seine Pflicht) erkennt; in so fern er eben sowohl ihnen folgen, als das Gegentheil thun kan (d. i. frey ist); und in so fern er, wenn er ihnen folgt, gewiß wohl, und, wenn ers nicht thut, übel fährt. Er findet aber eben sowohl, daß er nicht ganz Herr über seine Glückseligkeit sey, da diese so oft von den Umständen abhängt, die er |b228| nicht ändern kan, sondern sie nehmen muß, wie sie sind. In dieser letztern Hinsicht ist es dem Menschen gar nicht gleichgültig, ob das, was in der Welt vorgeht, und besonders sein Schicksal, vom bloßen Zufall, oder von Nothwendigkeit, gegen welches beydes Vernunft und Gefühl eines freyen Willens so laut spricht, oder von einem eben so höchst weisen und gütigen als allmächtigen Wesen abhängt. Eben so wenig ist es ihm gleichgültig, in Rücksicht auf das erstre, ob, bey der Einsicht seiner Pflicht und dem Drang dazu, Pflicht und Glückseligkeit in stetem richtigen Verhältniß stehe, oder nicht; ob, bey dem, oft wenigstens scheinbaren, Widerspruch der Pflicht und Glückseligkeit, jene durchaus zu befolgen, und bey aller alsdann nothwendigen Aufopferung gewisser Ersatz zu hoffen sey; ob bey den unzählichen Hindernissen der Befolgung unsrer Pflicht und den mannichfaltigen Reitzen, ihr untreu zu werden, durchaus hinlängliche Bewegungsgründe zur Tugend vorhanden sind, wenn wir fürchten müssen, daß unsre ganze Existenz nur auf dieses Leben eingeschränkt sey, und nicht versichert seyn können, daß es ein über alle Veränderungen der Welt waltendes Wesen gebe, welches auch da, wo es nicht scheint, ganz gewiß für die stete Verknüpfung unsres Wohls mit der Ausübung unsrer Pflicht sorgen werde.

198.

Dieses Gefühl der Bedürfnisse unsrer Seele, wenn es auch mehr geahndet als erkannt wurde, |b229| mehr auf dunkeln oder verwirrten als auf entwickelten Vorstellungen beruhete, hat den nachdenkenden Menschen immer gedrungen, an eine Gottheit zu glauben, und, bey reifer gewordnen Vernunft, Gründe aufzusuchen, sich zu überzeugen, daß ein solches Wesen vorhanden sey, und die Eigenschaften haben müsse, ohne welche sich weder die Erscheinungen und Veränderungen in der Welt erklären ließen, noch eine wahre Beruhigung wegen unsers Schicksals, und eine durchgängige Rechtschaffenheit in Gesinnungen und Handlungen Statt fände. Dadurch ist nach und nach die Wissenschaft entstanden, die man mit dem Namen der natürlichen oder Vernunft-Theologie belegt, so fern sie bloß aus der Natur, und nicht aus einer sogenannten nähern Offenbarung der Gottheit selbst geschöpft wird. Soll die letztere eine sichere Quelle der Erkenntniß des höchsten Wesens für uns seyn: so müssen wir doch erst zuverläßig wissen, daß dasjenige, was wir für offenbart halten, wirklich von Gott geoffenbart sey, daß es nicht nur dem, was wir aus der Natur von Gott wissen, nicht widerspreche, sondern dem auch gemäß sey. Wer also die natürliche Erkenntniß Gottes heruntersetzt und verdächtig macht, oder dagegen gleichgültig ist, der untergräbt ohne sein Denken selbst die Zuverläßigkeit der Offenbarung, oder beraubt sich oder Andre, wenigstens da, wo es zweifelhaft wird, ob etwas eine göttliche Offenbarung sey, oder ob sie eine gewisse Entscheidung enthalte, der so nöthigen Gewißheit von der Erkenntniß Gottes. Dies und |b230| was §. 197 gesagt worden ist, setzt die Nothwendigkeit der natürlichen Theologie und ihres sorgfältigen Studiums ausser allem Zweifel.Dieses Gefühl der Bedürfnisse unsrer Seele, wenn es auch mehr geahndet als erkannt wurde, |b229| mehr auf dunkeln oder verwirrten als auf entwickelten Vorstellungen beruhete, hat den nachdenkenden Menschen immer gedrungen, an eine Gottheit zu glauben, und, bey reifer gewordnen Vernunft, Gründe aufzusuchen, sich zu überzeugen, daß ein solches Wesen vorhanden sey, und die Eigenschaften haben müsse, ohne welche sich weder die Erscheinungen und Veränderungen in der Welt erklären ließen, noch eine wahre Beruhigung wegen unsers Schicksals, und eine durchgängige Rechtschaffenheit in Gesinnungen und Handlungen Statt fände. Dadurch ist nach und nach die Wissenschaft entstanden, die man mit dem Namen der natürlichen oder Vernunft-Theologie belegt, so fern sie bloß aus der Natur, und nicht aus einer sogenannten nähern Offenbarung der Gottheit selbst geschöpft wird. Soll die letztere eine sichere Quelle der Erkenntniß des höchsten Wesens für uns seyn: so müssen wir doch erst zuverläßig wissen, daß dasjenige, was wir für offenbart halten, wirklich von Gott geoffenbart sey, daß es nicht nur dem, was wir aus der Natur von Gott wissen, nicht widerspreche, sondern dem auch gemäß sey. Wer also die natürliche Erkenntniß Gottes heruntersetzt und verdächtig macht, oder dagegen gleichgültig ist, der untergräbt ohne sein Denken selbst die Zuverläßigkeit der Offenbarung, oder beraubt sich oder Andre, wenigstens da, wo es zweifelhaft wird, ob etwas eine göttliche Offenbarung sey, oder ob sie eine gewisse Entscheidung enthalte, der so nöthigen Gewißheit von der Erkenntniß Gottes. Dies und |b230| was §. 197 gesagt worden ist, setzt die Nothwendigkeit der natürlichen Theologie und ihres sorgfältigen Studiums ausser allem Zweifel.

199.

Wenn diese Erkenntniß Gottes den gedachten Nutzen erreichen, und unsern Bedürfnissen ein Genüge thun soll: so muß sie nicht nur die Ueberzeugung gewähren, daß Gott die Ursache der Welt und das seiner Natur nach nothwendige und ganz unabhängige Wesen, sondern daß er auch der höchste Geist sey, und den allervollkommensten Verstand und Willen besitze. Jene Theologie, die Gott nur als Weltursache betrachtet, nennt Kant (Crit. der R. V. S. 660) transscendentale Theologie, weil darin nur reine Vernunft zum Grund gelegt wird, es sey, daß die Ueberzeugung auf den bloßen Begriff des möglichen allerrealsten Wesens (auf Ontologie), oder auch auf Erfahrung überhaupt von irgend etwas Existirenden (meiner selbst oder der Welt) gebaut werde (auf Kosmologie). Diese hingegen, die einen Welturheber und Regierer aufsucht, heißt bey ihm natürliche Theologie (also in einem engern Verstande), und würde sich von jener darin unterscheiden, daß dabey schon der Begriff von einem Geiste oder denkenden Wesen vorausgesetzt werde, den wir nur aus der Erfahrung von uns selbst näher angeben, und also erst aus eigner Erfahrung schließen können, wie die Gott beygelegten Vollkommenheiten, nach der Analogie mit uns, mit Absonderung aller Einschränkung, |b231| näher bestimmt werden müssen. Sie bauet also unsre Ueberzeugung und Kenntniß von Gott auf die Kenntniß unsrer eignen Natur, und, da wir bey uns dasjenige, was da ist, von dem, was da seyn soll (§. 183 ), oder eigentliche Natur und Freyheit, unterscheiden können, so schließt sie aus beyden, also aus Psychologie und Moral, sowohl auf die Existenz als auf die Beschaffenheit Gottes. So fern sie Gott als den vorstellt, auf welchem alle natürliche Vollkommenheit unsrer selbst und der Welt beruht, nennt sie Kant Physicotheologie, so fern sie ihn aber als den Grund aller sittlichen Vollkommenheit darstellt, Moraltheologie, die mit theologischer Moral nicht zu verwechseln ist, (welche Gott als Weltregierer voraussetzt), sondern sein Daseyn und Kenntniß seiner Eigenschaften auf sittliche Gesetze gründet. –Wenn diese Erkenntniß Gottes den gedachten Nutzen erreichen, und unsern Bedürfnissen ein Genüge thun soll: so muß sie nicht nur die Ueberzeugung gewähren, daß Gott die Ursache der Welt und das seiner Natur nach nothwendige und ganz unabhängige Wesen, sondern daß er auch der höchste Geist sey, und den allervollkommensten Verstand und Willen besitze. Jene Theologie, die Gott nur als Weltursache betrachtet, nennt Kant (Crit. der R. V. S. 660) transscendentale Theologie, weil darin nur reine Vernunft zum Grund gelegt wird, es sey, daß die Ueberzeugung auf den bloßen Begriff des möglichen allerrealsten Wesens (auf Ontologie), oder auch auf Erfahrung überhaupt von irgend etwas Existirenden (meiner selbst oder der Welt) gebaut werde (auf Kosmologie). Diese hingegen, die einen Welturheber und Regierer aufsucht, heißt bey ihm natürliche Theologie (also in einem engern Verstande), und würde sich von jener darin unterscheiden, daß dabey schon der Begriff von einem Geiste oder denkenden Wesen vorausgesetzt werde, den wir nur aus der Erfahrung von uns selbst näher angeben, und also erst aus eigner Erfahrung schließen können, wie die Gott beygelegten Vollkommenheiten, nach der Analogie mit uns, mit Absonderung aller Einschränkung, |b231| näher bestimmt werden müssen. Sie bauet also unsre Ueberzeugung und Kenntniß von Gott auf die Kenntniß unsrer eignen Natur, und, da wir bey uns dasjenige, was da ist, von dem, was da seyn soll (§. 183 ), oder eigentliche Natur und Freyheit, unterscheiden können, so schließt sie aus beyden, also aus Psychologie und Moral, sowohl auf die Existenz als auf die Beschaffenheit Gottes. So fern sie Gott als den vorstellt, auf welchem alle natürliche Vollkommenheit unsrer selbst und der Welt beruht, nennt sie Kant Physicotheologie, so fern sie ihn aber als den Grund aller sittlichen Vollkommenheit darstellt, Moraltheologie, die mit theologischer Moral nicht zu verwechseln ist, (welche Gott als Weltregierer voraussetzt), sondern sein Daseyn und Kenntniß seiner Eigenschaften auf sittliche Gesetze gründet. –

200.

In der natürlichen Theologie im gewöhnlichsten Verstande (§. 198 ) werden alle diese verschiednen Arten, auf die Erkenntniß des Daseyns und der Eigenschaften Gottes zu kommen, mit einander verbunden. Dies ist auch nothwendig. Denn 1) die transscendentale Theologie, (um uns, der Kürze wegen, dieses Ausdrucks zu bedienen) – gesetzt auch, daß diese eine wirklich apodiktische Gewißheit mit sich führe, welches doch wenigstens bezweifelt, hier aber nicht untersucht werden kan – leitet doch nur auf die Wirklichkeit Gottes und die ihm beyzulegenden Eigenschaften überhaupt; es bedarf aber noch der Kenntniß unsrer |b232| selbst, um zu wissen, wie wir uns Gottes geistige Eigenschaften, in Vergleichung mit den unsrigen, vorstellen, und zur Erklärung der Beschaffenheit und Veränderungen in der Welt anwenden sollen (§. 199 ). Auch wird durch Hülfe der Beobachtung über uns selbst und die Dinge in der Welt, ihre Einrichtung und ihre Veränderungen, alle Erkenntniß und Ueberzeugung von Gott anschaulich, sonach wenigstens ihr Eindruck sehr verstärkt; und unsre Ueberzeugung praktisch, welches bey einer solchen Kenntniß, wie die von Gott ist, die auch zu unserm rechten Betragen gegen Gott kräftig und wirksam seyn muß, höchst nöthig ist. Nicht zu gedenken, daß, weil nur Wenige im Stande sind, bloß speculative Vorstellungen zu fassen, und sich zu reinen Begriffen zu erheben, für diese und ihre Bedürfnisse durch reine Philosophie wenig oder gar nicht würde gesorgt werden. 2) Hinwiederum können strengere ontologische und kosmologische Untersuchungen, neben denen, welche die Erfahrung zu Hülfe nehmen, große Dienste thun. Denn, wenn auch die Untersuchungen dieser Art wirklich nicht zu strengen Beweisen der Wirklichkeit und Eigenschaften Gottes führen sollten: so zeigt doch eben dieselbe Kritik, welche diese Beweise als unbündig darstellt, damit auch, daß die vermeinten Gegenbeweise eben so unbündig und ungegründet sind, benimmt dadurch allen speculativen Gründen der Atheisten, Skeptiker etc. alle Kraft, und gründet zugleich die Sicherheit unsers Glaubens an Gott, dem die Gegner nicht nur nichts Vernünftigeres an |b233| die Seite stellen können, sondern auch, mit Verleugnung aller Vernunft, selbst alle Begriffe von Sittlichkeit aufgeben müssen. Ueber dies sind alle sogenannte natürliche Eigenschaften Gottes (im Unterschiede von den geistigen, und besonders von den moralischen), als Nothwendigkeit, Ewigkeit, Allmacht u. s. f. solche Eigenschaften, welche selbst die reine Vernunft erkennen, und die Begriffe davon reinigen kan, um alle Beymischung der Unvollkommenheit eingeschränkter Wesen zu verhüten. Ja überhaupt kan sie dieses in Absicht auf alle göttliche Eigenschaften, wenn erst deren Kenntniß anderswoher geleitet ist, wo sie alsdann nicht nur unsre Begriffe davon mehr verdeutlicht und berichtigt, sondern sie auch in einen größern Zusammenhang bringt, und dadurch die Ueberzeugung davon befestigt.In der natürlichen Theologie im gewöhnlichsten Verstande (§. 198 ) werden alle diese verschiednen Arten, auf die Erkenntniß des Daseyns und der Eigenschaften Gottes zu kommen, mit einander verbunden. Dies ist auch nothwendig. Denn 1) die transscendentale Theologie, (um uns, der Kürze wegen, dieses Ausdrucks zu bedienen) – gesetzt auch, daß diese eine wirklich apodiktische Gewißheit mit sich führe, welches doch wenigstens bezweifelt, hier aber nicht untersucht werden kan – leitet doch nur auf die Wirklichkeit Gottes und die ihm beyzulegenden Eigenschaften überhaupt; es bedarf aber noch der Kenntniß unsrer |b232| selbst, um zu wissen, wie wir uns Gottes geistige Eigenschaften, in Vergleichung mit den unsrigen, vorstellen, und zur Erklärung der Beschaffenheit und Veränderungen in der Welt anwenden sollen (§. 199 ). Auch wird durch Hülfe der Beobachtung über uns selbst und die Dinge in der Welt, ihre Einrichtung und ihre Veränderungen, alle Erkenntniß und Ueberzeugung von Gott anschaulich, sonach wenigstens ihr Eindruck sehr verstärkt; und unsre Ueberzeugung praktisch, welches bey einer solchen Kenntniß, wie die von Gott ist, die auch zu unserm rechten Betragen gegen Gott kräftig und wirksam seyn muß, höchst nöthig ist. Nicht zu gedenken, daß, weil nur Wenige im Stande sind, bloß speculative Vorstellungen zu fassen, und sich zu reinen Begriffen zu erheben, für diese und ihre Bedürfnisse durch reine Philosophie wenig oder gar nicht würde gesorgt werden. 2) Hinwiederum können strengere ontologische und kosmologische Untersuchungen, neben denen, welche die Erfahrung zu Hülfe nehmen, große Dienste thun. Denn, wenn auch die Untersuchungen dieser Art wirklich nicht zu strengen Beweisen der Wirklichkeit und Eigenschaften Gottes führen sollten: so zeigt doch eben dieselbe Kritik, welche diese Beweise als unbündig darstellt, damit auch, daß die vermeinten Gegenbeweise eben so unbündig und ungegründet sind, benimmt dadurch allen speculativen Gründen der Atheisten, Skeptiker etc. alle Kraft, und gründet zugleich die Sicherheit unsers Glaubens an Gott, dem die Gegner nicht nur nichts Vernünftigeres an |b233| die Seite stellen können, sondern auch, mit Verleugnung aller Vernunft, selbst alle Begriffe von Sittlichkeit aufgeben müssen. Ueber dies sind alle sogenannte natürliche Eigenschaften Gottes (im Unterschiede von den geistigen, und besonders von den moralischen), als Nothwendigkeit, Ewigkeit, Allmacht u. s. f. solche Eigenschaften, welche selbst die reine Vernunft erkennen, und die Begriffe davon reinigen kan, um alle Beymischung der Unvollkommenheit eingeschränkter Wesen zu verhüten. Ja überhaupt kan sie dieses in Absicht auf alle göttliche Eigenschaften, wenn erst deren Kenntniß anderswoher geleitet ist, wo sie alsdann nicht nur unsre Begriffe davon mehr verdeutlicht und berichtigt, sondern sie auch in einen größern Zusammenhang bringt, und dadurch die Ueberzeugung davon befestigt.

201.

Was hier von der Nothwendigkeit gesagt ist, reine und Erfahrungserkenntniß in dieser besondern Wissenschaft zu verbinden: dies gilt, auch ausser derselben, von dem ganzen Bestreben nach der Kenntniß Gottes aus der Natur. – Alle Erkenntniß ist doch nur in sofern recht nützlich, als sie uns mehr Kräfte und Ermunterung, Gutes zu thun und zufrieden zu seyn, giebt, und dadurch unsre und Andrer Glückseligkeit erweitert und befestigt; die Erkenntniß Gottes ist daher auch nur in dem Grade etwas werth, in welchem sie uns tiefe Ehrfurcht, herzliche Liebe, Vertrauen, Folgsamkeit gegen ihn, Eifer, ihn nachzuahmen, |b234| und seine allezeit besten Absichten zu befördern, mittheilt. Hiezu ist anschauende, lebhafte Erkenntniß nöthig; und jede Vorstellung, wenn sie gleich nur eine beredende Kraft hätte, und eine unvollendete Gewißheit erzeugte, vermehrt doch die Stärke des Eindrucks, und muß uns schon deswegen nie gleichgültig seyn. – Diese Wirksamkeit der Erkenntniß kan auch der Deutlichkeit und strengen Gewißheit mehrentheils entbehren, ja diese letztere beschäftiget gemeiniglich die Aufmerksamkeit so sehr, und gewöhnt so sehr an Speculation oder dürre und nur auf eine entferntere Art nutzbare Untersuchungen, daß sie leicht Kälte gegen die Anwendung und gegen praktische Untersuchungen hervorbringt, und daher um so mehr nöthig hat, durch lebhafte Eindrücke erfrischt, und in Verbindung mit der Thätigkeit erhalten zu werden. – Die Lebhaftigkeit der Erkenntniß giebt selbst, indem sie uns den Gedanken von Gott werther macht, mehr Reitz, tiefer einzudringen, und unsere Ueberzeugung durch strengere Beweise zu befestigen, und die Gewohnheit, Gott überall, auch in seinen kleinsten Anstalten, gleich groß, gütig und weise zu finden, erhebt unsern Verstand und unser Herz zu einer ungewöhnlichen Stärke und Aehnlichkeit mit ihm. – Wollen wir vollends Allen Alles werden, und die seligen Eindrücke von Gott überall befördern: so ist nicht nur dieser Weg, zur Erkenntniß Gottes zu führen, jedem, auch von den gemeinsten Fähigkeiten, offen, sondern auf diesem kan auch jeder am leichtesten, eindrücklichsten, und überall zur Ueberzeugung kommen, weil |b235| alles, was ihn umgiebt, Gott und seine Eigenschaften verkündigt, und den Gedanken an Gott unmittelbar an das eigne Interesse eines Jeden anknüpft, so wie ihm, wenn er sich nur erst einmal gewöhnt, alles auf Gott zu beziehen, diese überall zu findenden Spuren Gottes sich mehr aufdringen, als erst mit Mühe aufgesucht zu werden brauchen. – Also studiere man mit allem Fleiß auch die sichtbare, jedem vor Augen liegende, Natur. Man studiere, recht eigentlich in dieser Absicht, die Geschichte , in der sich, wenn man bey den Veränderungen der Welt auf den Zusammenhang, die Ursachen und Folgen der Dinge aufmerksam ist, so unverkennbare Spuren der göttlichen Vorsehung darbieten. Man nehme so viele trefliche Bücher zu Hülfe, worin dergleichen Beobachtungen aus dem Reiche der Natur und der Geschichte gesammlet, und die Gesichtspuncte angegeben worden, woraus diese Spuren am leichtesten zu bemerken sind, und der Uebergang von diesen Veränderungen zu den, der Alles regiert, erleichtert wird. – Lehrer der Religion sollten eben deswegen, weil diese Art Gott zu erkennen die gemeinfaßlichste, gemeinnützigste, und zur Beförderung der praktischen Ueberzeugung nothwendigste ist, sie vorzüglich kennen lernen, und brauchen. Sie sollten aber auch, weil sie andre selbst in der Gewißheit der Erkenntniß übertreffen, und sie eigentlich, was nur wenige Andre können, auch scharfsinnigere und spitzfindige Zweifel aufzulösen im Stande seyn müßten, die demonstrativere Erkenntniß von Gott, so viel sie es vermöchten, in ihre Gewalt zu bekommen suchen.Was hier von der Nothwendigkeit gesagt ist, reine und Erfahrungserkenntniß in dieser besondern Wissenschaft zu verbinden: dies gilt, auch ausser derselben, von dem ganzen Bestreben nach der Kenntniß Gottes aus der Natur. – Alle Erkenntniß ist doch nur in sofern recht nützlich, als sie uns mehr Kräfte und Ermunterung, Gutes zu thun und zufrieden zu seyn, giebt, und dadurch unsre und Andrer Glückseligkeit erweitert und befestigt; die Erkenntniß Gottes ist daher auch nur in dem Grade etwas werth, in welchem sie uns tiefe Ehrfurcht, herzliche Liebe, Vertrauen, Folgsamkeit gegen ihn, Eifer, ihn nachzuahmen, |b234| und seine allezeit besten Absichten zu befördern, mittheilt. Hiezu ist anschauende, lebhafte Erkenntniß nöthig; und jede Vorstellung, wenn sie gleich nur eine beredende Kraft hätte, und eine unvollendete Gewißheit erzeugte, vermehrt doch die Stärke des Eindrucks, und muß uns schon deswegen nie gleichgültig seyn. – Diese Wirksamkeit der Erkenntniß kan auch der Deutlichkeit und strengen Gewißheit mehrentheils entbehren, ja diese letztere beschäftiget gemeiniglich die Aufmerksamkeit so sehr, und gewöhnt so sehr an Speculation oder dürre und nur auf eine entferntere Art nutzbare Untersuchungen, daß sie leicht Kälte gegen die Anwendung und gegen praktische Untersuchungen hervorbringt, und daher um so mehr nöthig hat, durch lebhafte Eindrücke erfrischt, und in Verbindung mit der Thätigkeit erhalten zu werden. – Die Lebhaftigkeit der Erkenntniß giebt selbst, indem sie uns den Gedanken von Gott werther macht, mehr Reitz, tiefer einzudringen, und unsere Ueberzeugung durch strengere Beweise zu befestigen, und die Gewohnheit, Gott überall, auch in seinen kleinsten Anstalten, gleich groß, gütig und weise zu finden, erhebt unsern Verstand und unser Herz zu einer ungewöhnlichen Stärke und Aehnlichkeit mit ihm. – Wollen wir vollends Allen Alles werden, und die seligen Eindrücke von Gott überall befördern: so ist nicht nur dieser Weg, zur Erkenntniß Gottes zu führen, jedem, auch von den gemeinsten Fähigkeiten, offen, sondern auf diesem kan auch jeder am leichtesten, eindrücklichsten, und überall zur Ueberzeugung kommen, weil |b235| alles, was ihn umgiebt, Gott und seine Eigenschaften verkündigt, und den Gedanken an Gott unmittelbar an das eigne Interesse eines Jeden anknüpft, so wie ihm, wenn er sich nur erst einmal gewöhnt, alles auf Gott zu beziehen, diese überall zu findenden Spuren Gottes sich mehr aufdringen, als erst mit Mühe aufgesucht zu werden brauchen. – Also studiere man mit allem Fleiß auch die sichtbare, jedem vor Augen liegende, Natur. Man studiere, recht eigentlich in dieser Absicht, die Geschichte , in der sich, wenn man bey den Veränderungen der Welt auf den Zusammenhang, die Ursachen und Folgen der Dinge aufmerksam ist, so unverkennbare Spuren der göttlichen Vorsehung darbieten. Man nehme so viele trefliche Bücher zu Hülfe, worin dergleichen Beobachtungen aus dem Reiche der Natur und der Geschichte gesammlet, und die Gesichtspuncte angegeben worden, woraus diese Spuren am leichtesten zu bemerken sind, und der Uebergang von diesen Veränderungen zu den, der Alles regiert, erleichtert wird. – Lehrer der Religion sollten eben deswegen, weil diese Art Gott zu erkennen die gemeinfaßlichste, gemeinnützigste, und zur Beförderung der praktischen Ueberzeugung nothwendigste ist, sie vorzüglich kennen lernen, und brauchen. Sie sollten aber auch, weil sie andre selbst in der Gewißheit der Erkenntniß übertreffen, und sie eigentlich, was nur wenige Andre können, auch scharfsinnigere und spitzfindige Zweifel aufzulösen im Stande seyn müßten, die demonstrativere Erkenntniß von Gott, so viel sie es vermöchten, in ihre Gewalt zu bekommen suchen.

|b236| 202.

Ein jedes vernünftiges Wesen hat nicht nur Vernunft, in so fern es aus dem erkannten Allgemeinen (oder aus Principien) das Besondre zu erkennen vermag, (theoretische Vernunft §. 175 ), sondern auch so fern es nach Principien, d. i. nach Vorstellung der Gesetze, handeln kan. Dieses Vermögen ist die praktische Vernunft, die mit dem Willen einerley ist, welcher in so fern frey heißt, als er sich in seinen Handlungen unmittelbar, d. i. unabhängig von allem Sinnlichen, nach Vorstellung der Gesetze (allgemeiner Sätze) bestimmen kan (§. 183 ). Derjenige Theil der Philosophie, der sich mit Bestimmung freyer Handlungen, oder des praktischen, sittlichen, Verhaltens beschäftigt, heißt die praktische Philosophie (ebendaselbst), Moral, Ethik (beyde letztern Wörter im weiterm Verstande genommen).Ein jedes vernünftiges Wesen hat nicht nur Vernunft, in so fern es aus dem erkannten Allgemeinen (oder aus Principien) das Besondre zu erkennen vermag, (theoretische Vernunft §. 175 ), sondern auch so fern es nach Principien, d. i. nach Vorstellung der Gesetze, handeln kan. Dieses Vermögen ist die praktische Vernunft, die mit dem Willen einerley ist, welcher in so fern frey heißt, als er sich in seinen Handlungen unmittelbar, d. i. unabhängig von allem Sinnlichen, nach Vorstellung der Gesetze (allgemeiner Sätze) bestimmen kan (§. 183 ). Derjenige Theil der Philosophie, der sich mit Bestimmung freyer Handlungen, oder des praktischen, sittlichen, Verhaltens beschäftigt, heißt die praktische Philosophie (ebendaselbst), Moral, Ethik (beyde letztern Wörter im weiterm Verstande genommen).

203.

An der Wichtigkeit dieser Wissenschaft zweifeln, wäre eben so viel, als zweifeln, ob der Mensch und ein jedes vernünftiges Wesen, immer vernünftig handeln müsse. – Keine Fähigkeiten und keine Umstände haben eigentlichen Werth und machen glücklich, als so fern sie recht gebraucht werden; nur der gute Wille ist ohne Einschränkung gut, und kan mit Recht das höchste Gut genannt werden *) . – Es ist auch so offenbar, daß wahre, ungetrübte, dauerhafte Glückseligkeit nur davon, nur von stetem vernünftigen |b237| Handeln und der Neigung dazu abhängt, daß man entweder gegen seine höchst möglichste Glückseligkeit gleichgültig seyn, oder glauben müßte, sie ohne vernünftigen Gebrauch seiner Kräfte oder Umstände erreichen zu können, wenn es uns gleich viel wäre, ob unser Wille gut sey oder nicht, oder wenn wir um alle Kenntniß der Beschaffenheit eines wahrhaftig guten Willens, und der Mittel ihn zu erlangen, unbekümmert blieben.An der Wichtigkeit dieser Wissenschaft zweifeln, wäre eben so viel, als zweifeln, ob der Mensch und ein jedes vernünftiges Wesen, immer vernünftig handeln müsse. – Keine Fähigkeiten und keine Umstände haben eigentlichen Werth und machen glücklich, als so fern sie recht gebraucht werden; nur der gute Wille ist ohne Einschränkung gut, und kan mit Recht das höchste Gut genannt werden *) . – Es ist auch so offenbar, daß wahre, ungetrübte, dauerhafte Glückseligkeit nur davon, nur von stetem vernünftigen |b237| Handeln und der Neigung dazu abhängt, daß man entweder gegen seine höchst möglichste Glückseligkeit gleichgültig seyn, oder glauben müßte, sie ohne vernünftigen Gebrauch seiner Kräfte oder Umstände erreichen zu können, wenn es uns gleich viel wäre, ob unser Wille gut sey oder nicht, oder wenn wir um alle Kenntniß der Beschaffenheit eines wahrhaftig guten Willens, und der Mittel ihn zu erlangen, unbekümmert blieben.
*) S. Kant's Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 1 flg.

204.

Wenn man die hieher gehörigen Kenntnisse, welche uns die Natur darbietet, in eine Wissenschaft bringen will: so kan sie entweder bloß auf Begriffe und Sätze der reinen Vernunft oder auch auf Erfahrungssätze gebaut werden. Nur in jenem Fall entsteht eine eigentliche Wissenschaft, die Kant in eigentlichen und engern Verstande (§. 202 ) Moral oder praktische Philosophie, und mit einem besondern Namen Metaphysik der Sitten nennt (§. 183 ); in diesem Fall aber, d. i. wenn sie empirisch ist, praktische Anthropologie (§. 190 Anmerk.). Jene würde lediglich müssen aus dem allgemeinen Begriff eines vernünftigen Wesens hergeleitet werden, und Gesetze enthalten, die nicht bloß für den Menschen, sondern für alle vernünftige Wesen gälten, auch allen andern Gesetzen für den Willen zum Grunde lägen. Daß wir einer solchen reinen Moral |b238| bedürfen, ist leicht einzusehen. – Denn woraus kan man sonst beweisen, daß etwas gut oder böse, Pflicht sey oder nicht? Beruft man sich deswegen auf Gefühle, oder auf menschliche oder göttliche Gesetze, oder Beyspiele, oder erkannte nützliche Folgen, oder was man sonst als verpflichtend anführen mag: so sind ja dies immer subjective Gründe, wobey stets die Frage entstehen kan: ob es nicht Täuschung sey, ob nicht das Urtheil durch Gründe des Angenehmen oder Nützlichen, statt des Rechtmäßigen, ob es nicht durch Eigennutz, durch Gewohnheit, durch Temperament gestimmt werde? ob die guten Folgen nothwendig aus der Handlung oder aus zufälligen Umständen entspringen? ob die Handlungen also wirklich Lob oder Tadel verdienen? ob jemand das Recht hatte, gewisse Gesetze zu geben, oder sich auf solche, als Gesetze, einzulaßen? selbst bey vorgegebenen göttlichen Gesetzen, ob es wirklich göttliche sind? welche Frage anders nicht kan bejahet werden, als so fern dergleichen angeblich göttliche Gesetze mit dem, was ursprünglich recht ist, übereinstimmen; so wie nicht einmal eine Verbindlichkeit, sie zu beobachten, überzeugend erkannt werden kan, wenn man nicht voraussetzt, daß Gottes Wille höchst heilig sey, welche Heiligkeit wieder in der durchgängigen Uebereinstimmung seines Willens und der daher fließenden Gesetze, mit jenen Urbegriffen vom Recht- und Unrechtmäßigen besteht. – Wie anders, als durch solche aus dem Begriff eines vernünftigen Wesens geschöpfte Begriffe und Gesetze läßt sich |b239| auch der nothwendige Unterschied zwischen Recht und Unrecht und der wahre Werth sowohl als die Möglichkeit der Tugend darthun, oder wie kan man sonst hinlänglich dem Eigendünkel und der Zweifelsucht dererjenigen begegnen, die überall an keine Tugend noch an einen solchen sittlichen Unterschied glauben, zumal wenn sie durch die Uneinigkeit der Menschen über diese Gegenstände, durch viele schlimme Erfahrungen, und durch scharfsichtige Beobachtung der menschlichen Schwäche und Scheintugenden, gegen alle Tugend eingenommen sind? – Und wie sehr ist der Mensch geneigt, wenn er seine Pflichten mit seinen Bedürfnissen und Neigungen vergleicht, und in ihrer Befriedigung seine Glückseligkeit zu finden glaubt, entweder Pflicht nicht für Pflicht zu halten, weil sie seiner Glückseligkeit im Wege zu stehen scheint, oder sich Ausnahmen zu erlauben, und diese damit zu rechtfertigen, daß sie nicht allgemein verbindlich sey, oder sie mit seinen Neigungen und Wünschen zu vereinigen, und dadurch Pflicht und Gesetze zu entkräften! und was kan ihn dagegen sichern, oder seinem hin und her schwankenden Gewissen mehr Festigkeit geben, als die Ueberzeugung von ihrer Allgemeinheit, die nur durch reine Vernunft erwiesen werden kan? – Ueberhaupt aber erfordert wahre Tugend, daß man nicht nur das Gute thue, sondern auch eben darum, weil es gut ist, und nicht bloß den Gesetzen gemäß, sondern auch aus Achtung gegen die Gesetze handle. Hiezu dient denn eben die Ueberzeugung von der Verbindlichkeit dieser Gesetze an sich, |b240| ohne Rücksicht auf andre (subjective) Gründe, die aber freylich nicht anders, als, unabhängig von diesen, aus reiner Vernunft bewiesen werden kan.Wenn man die hieher gehörigen Kenntnisse, welche uns die Natur darbietet, in eine Wissenschaft bringen will: so kan sie entweder bloß auf Begriffe und Sätze der reinen Vernunft oder auch auf Erfahrungssätze gebaut werden. Nur in jenem Fall entsteht eine eigentliche Wissenschaft, die Kant in eigentlichen und engern Verstande (§. 202 ) Moral oder praktische Philosophie, und mit einem besondern Namen Metaphysik der Sitten nennt (§. 183 ); in diesem Fall aber, d. i. wenn sie empirisch ist, praktische Anthropologie (§. 190 Anmerk.). Jene würde lediglich müssen aus dem allgemeinen Begriff eines vernünftigen Wesens hergeleitet werden, und Gesetze enthalten, die nicht bloß für den Menschen, sondern für alle vernünftige Wesen gälten, auch allen andern Gesetzen für den Willen zum Grunde lägen. Daß wir einer solchen reinen Moral |b238| bedürfen, ist leicht einzusehen. – Denn woraus kan man sonst beweisen, daß etwas gut oder böse, Pflicht sey oder nicht? Beruft man sich deswegen auf Gefühle, oder auf menschliche oder göttliche Gesetze, oder Beyspiele, oder erkannte nützliche Folgen, oder was man sonst als verpflichtend anführen mag: so sind ja dies immer subjective Gründe, wobey stets die Frage entstehen kan: ob es nicht Täuschung sey, ob nicht das Urtheil durch Gründe des Angenehmen oder Nützlichen, statt des Rechtmäßigen, ob es nicht durch Eigennutz, durch Gewohnheit, durch Temperament gestimmt werde? ob die guten Folgen nothwendig aus der Handlung oder aus zufälligen Umständen entspringen? ob die Handlungen also wirklich Lob oder Tadel verdienen? ob jemand das Recht hatte, gewisse Gesetze zu geben, oder sich auf solche, als Gesetze, einzulaßen? selbst bey vorgegebenen göttlichen Gesetzen, ob es wirklich göttliche sind? welche Frage anders nicht kan bejahet werden, als so fern dergleichen angeblich göttliche Gesetze mit dem, was ursprünglich recht ist, übereinstimmen; so wie nicht einmal eine Verbindlichkeit, sie zu beobachten, überzeugend erkannt werden kan, wenn man nicht voraussetzt, daß Gottes Wille höchst heilig sey, welche Heiligkeit wieder in der durchgängigen Uebereinstimmung seines Willens und der daher fließenden Gesetze, mit jenen Urbegriffen vom Recht- und Unrechtmäßigen besteht. – Wie anders, als durch solche aus dem Begriff eines vernünftigen Wesens geschöpfte Begriffe und Gesetze läßt sich |b239| auch der nothwendige Unterschied zwischen Recht und Unrecht und der wahre Werth sowohl als die Möglichkeit der Tugend darthun, oder wie kan man sonst hinlänglich dem Eigendünkel und der Zweifelsucht dererjenigen begegnen, die überall an keine Tugend noch an einen solchen sittlichen Unterschied glauben, zumal wenn sie durch die Uneinigkeit der Menschen über diese Gegenstände, durch viele schlimme Erfahrungen, und durch scharfsichtige Beobachtung der menschlichen Schwäche und Scheintugenden, gegen alle Tugend eingenommen sind? – Und wie sehr ist der Mensch geneigt, wenn er seine Pflichten mit seinen Bedürfnissen und Neigungen vergleicht, und in ihrer Befriedigung seine Glückseligkeit zu finden glaubt, entweder Pflicht nicht für Pflicht zu halten, weil sie seiner Glückseligkeit im Wege zu stehen scheint, oder sich Ausnahmen zu erlauben, und diese damit zu rechtfertigen, daß sie nicht allgemein verbindlich sey, oder sie mit seinen Neigungen und Wünschen zu vereinigen, und dadurch Pflicht und Gesetze zu entkräften! und was kan ihn dagegen sichern, oder seinem hin und her schwankenden Gewissen mehr Festigkeit geben, als die Ueberzeugung von ihrer Allgemeinheit, die nur durch reine Vernunft erwiesen werden kan? – Ueberhaupt aber erfordert wahre Tugend, daß man nicht nur das Gute thue, sondern auch eben darum, weil es gut ist, und nicht bloß den Gesetzen gemäß, sondern auch aus Achtung gegen die Gesetze handle. Hiezu dient denn eben die Ueberzeugung von der Verbindlichkeit dieser Gesetze an sich, |b240| ohne Rücksicht auf andre (subjective) Gründe, die aber freylich nicht anders, als, unabhängig von diesen, aus reiner Vernunft bewiesen werden kan.
Es wäre also höchst nöthig, diese bloß auf reine Vernunft gegründete Moral von aller empirischen getrennt, als einen besondren Theil oder Wissenschaft vorzutragen. Die sehr nützliche Wissenschaft, welche Wolf, und nach ihm Andere, unter dem Namen einer allgemeinen praktischen Philosophie aufgestellt haben, untersucht zwar den Willen überhaupt mit den daraus fließenden allgemeinen Grundsätzen; sie schränkt sich aber nicht auf bloß reine Vernunftbegriffe ein, sondern nimmt vielmehr Erfahrungsgrundsätze zu Hülfe. Ganz eigentlich aber hat Kant, sowohl vorläufig in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, als noch vielmehr in der Kritik der praktischen Vernunft, Riga 1788 in gr. 8. dieses beabsichtigt.

205.

Betrachtet man die moralischen Gesetze in Rücksicht auf den menschlichen Willen insbesondre, mit alle dem, was in der Natur des Menschen die Ausübung jener Gesetze begünstigt, oder erschwert und hindert: so entsteht daraus die praktische Philosophie in dem gewöhnlichern Sinn, die (nach §. 204 ) auch praktische Anthropologie heissen könnte. Diese gründet sich sowohl auf Grundsätze der reinen Moral, daher sie auch Einige angewandte Moralphilosophie |b241| nennen, als auf die Seelenlehre. Es mag nun diese Wissenschaft die allgemeinen Grundsätze der Sitten mit aufnehmen, oder, wenn sie diese einer allgemeinen praktischen Philosophie oder der Metaphysik der Sitten überläßt, sich auf die menschlichen Sitten einschränken: so muß sie – die wahre Natur der den Menschen möglichen Tugend und den großen Umfang der Pflichten darstellen, die aus der Natur und den Verhältnissen der Menschen entstehen – sie mit überzeugenden Beweisen und dringenden Empfehlungsgründen unterstützen – und ihre Ausführbarkeit klar machen, d. i. sowohl die Hindernisse angeben, die ihrer Ausübung im Wege stehen, und die rechte Art, sie zu überwinden, lehren, als auch zugleich die Mittel vorlegen, wodurch gute Gesinnungen und Handlungen am wirksamsten hervorgebracht, erhalten und vermehrt werden können. – Diese auf Menschenkenntniß gegründete praktische Philosophie kan weit Mehreren faßlich und einleuchtend dargestellt werden, als die sogenannte reine, und selbst diese letztere wird durch jene erst anschaulich. Durch diese Behandlungsart wird allen praktischen Grundsätzen und Lehren weit mehr Nachdruck gegeben und mehr Eingang verschafft. Hier kan man recht eigentlich praktischen Vorurtheilen entgegen arbeiten, die selbst der überzeugendsten Einsicht unsrer Pflichten bey der Ausübung so sehr im Wege stehen. Hier hat man besonders die beste Gelegenheit, die Trägheit und Muthlosigkeit aufzumuntern, indem man zeigt, wie gar wohl möglich und wie vortreflich |b242| die Tugend, und wie ausführbar unsre Pflichten seyn. Hier läßt sich die Anwendung der Pflichten aufs Leben und auf besondre Fälle näher zeigen, und dadurch das Studium und die Ausübung der Pflichten sehr erleichtern. – Alles dies sind sehr große Vortheile, die dieser Art der Moral selbst einen gewissen Vorzug vor der reinen geben; wenn nur nicht, über das Bestreben faßlich zu werden, die Bestimmtheit, und über die Bemühungen Eindruck zu machen, die Gründlichkeit im Vortrage vernachläßigt wird.Betrachtet man die moralischen Gesetze in Rücksicht auf den menschlichen Willen insbesondre, mit alle dem, was in der Natur des Menschen die Ausübung jener Gesetze begünstigt, oder erschwert und hindert: so entsteht daraus die praktische Philosophie in dem gewöhnlichern Sinn, die (nach §. 204 ) auch praktische Anthropologie heissen könnte. Diese gründet sich sowohl auf Grundsätze der reinen Moral, daher sie auch Einige angewandte Moralphilosophie |b241| nennen, als auf die Seelenlehre. Es mag nun diese Wissenschaft die allgemeinen Grundsätze der Sitten mit aufnehmen, oder, wenn sie diese einer allgemeinen praktischen Philosophie oder der Metaphysik der Sitten überläßt, sich auf die menschlichen Sitten einschränken: so muß sie – die wahre Natur der den Menschen möglichen Tugend und den großen Umfang der Pflichten darstellen, die aus der Natur und den Verhältnissen der Menschen entstehen – sie mit überzeugenden Beweisen und dringenden Empfehlungsgründen unterstützen – und ihre Ausführbarkeit klar machen, d. i. sowohl die Hindernisse angeben, die ihrer Ausübung im Wege stehen, und die rechte Art, sie zu überwinden, lehren, als auch zugleich die Mittel vorlegen, wodurch gute Gesinnungen und Handlungen am wirksamsten hervorgebracht, erhalten und vermehrt werden können. – Diese auf Menschenkenntniß gegründete praktische Philosophie kan weit Mehreren faßlich und einleuchtend dargestellt werden, als die sogenannte reine, und selbst diese letztere wird durch jene erst anschaulich. Durch diese Behandlungsart wird allen praktischen Grundsätzen und Lehren weit mehr Nachdruck gegeben und mehr Eingang verschafft. Hier kan man recht eigentlich praktischen Vorurtheilen entgegen arbeiten, die selbst der überzeugendsten Einsicht unsrer Pflichten bey der Ausübung so sehr im Wege stehen. Hier hat man besonders die beste Gelegenheit, die Trägheit und Muthlosigkeit aufzumuntern, indem man zeigt, wie gar wohl möglich und wie vortreflich |b242| die Tugend, und wie ausführbar unsre Pflichten seyn. Hier läßt sich die Anwendung der Pflichten aufs Leben und auf besondre Fälle näher zeigen, und dadurch das Studium und die Ausübung der Pflichten sehr erleichtern. – Alles dies sind sehr große Vortheile, die dieser Art der Moral selbst einen gewissen Vorzug vor der reinen geben; wenn nur nicht, über das Bestreben faßlich zu werden, die Bestimmtheit, und über die Bemühungen Eindruck zu machen, die Gründlichkeit im Vortrage vernachläßigt wird.

206.

Wenn man sich den Menschen im Stande der Natur denkt, das heißt, als bloßen Menschen, vor sich oder im Verhältniß gegen Andre, als bloße Menschen, und in einem Zustande, wo er noch keine andre Verbindungen mit ihnen, ausser denen, die die Natur selbst gemacht hat, eingegangen ist: so darf er, nach dem Zweck seines Daseyns, seine Kräfte bestmöglichst brauchen, und alles, was er dadurch hervorbringt oder erlangt, ist als das Seinige anzusehen; nur mit der Einschränkung, daß, weil ein jeder andrer Mensch eben dieses darf, kein andrer an dem ebenmäßigen Gebrauch seiner Kräfte und dem Genuß desjenigen, was er dadurch bewirkt oder erworben hat, gehindert werden muß. Jeder Mensch hat also zu dem gedachten Gebrauch und Genuß ein Recht , und in dieser Rücksicht entsteht für jeden Andern die Pflicht, ihn in dem, was sein ist, |b243| das heißt, in dem Gebrauch seiner Kräfte, des dadurch Erworbenen, und der Güter, ohne welche er jene nicht brauchen, dieses nicht genießen könnte, nicht zu beeinträchtigen. Dergleichen natürliche Rechte und Pflichten nennt man vollkommene Rechte und Pflichten, weil und sofern sie die Natur mit sich bringt, ohne daß es erst der Einwilligung eines Andern bedarf; auch heissen sie erzwingliche Rechte und Zwangspflichten, weil der, so diese Rechte hat, sie dadurch behaupten darf, daß er den Andern zwinget, sie unbeeinträchtigt zu laßen. Alle andre Rechte und Pflichten heissen unvollkommne oder unerzwingliche, auch bloße Gewissenspflichten. Jene Zwangsrechte und Pflichten machen das Naturrecht, diese Gewissenspflichten die Moral oder Sittenlehre im engern Verstande aus. Beyde gehören zu der oben (§. 204 und 5 ) erwähnten praktischen Anthropologie. Wenn man sich den Menschen im Stande der Natur denkt, das heißt, als bloßen Menschen, vor sich oder im Verhältniß gegen Andre, als bloße Menschen, und in einem Zustande, wo er noch keine andre Verbindungen mit ihnen, ausser denen, die die Natur selbst gemacht hat, eingegangen ist: so darf er, nach dem Zweck seines Daseyns, seine Kräfte bestmöglichst brauchen, und alles, was er dadurch hervorbringt oder erlangt, ist als das Seinige anzusehen; nur mit der Einschränkung, daß, weil ein jeder andrer Mensch eben dieses darf, kein andrer an dem ebenmäßigen Gebrauch seiner Kräfte und dem Genuß desjenigen, was er dadurch bewirkt oder erworben hat, gehindert werden muß. Jeder Mensch hat also zu dem gedachten Gebrauch und Genuß ein Recht , und in dieser Rücksicht entsteht für jeden Andern die Pflicht, ihn in dem, was sein ist, |b243| das heißt, in dem Gebrauch seiner Kräfte, des dadurch Erworbenen, und der Güter, ohne welche er jene nicht brauchen, dieses nicht genießen könnte, nicht zu beeinträchtigen. Dergleichen natürliche Rechte und Pflichten nennt man vollkommene Rechte und Pflichten, weil und sofern sie die Natur mit sich bringt, ohne daß es erst der Einwilligung eines Andern bedarf; auch heissen sie erzwingliche Rechte und Zwangspflichten, weil der, so diese Rechte hat, sie dadurch behaupten darf, daß er den Andern zwinget, sie unbeeinträchtigt zu laßen. Alle andre Rechte und Pflichten heissen unvollkommne oder unerzwingliche, auch bloße Gewissenspflichten. Jene Zwangsrechte und Pflichten machen das Naturrecht, diese Gewissenspflichten die Moral oder Sittenlehre im engern Verstande aus. Beyde gehören zu der oben (§. 204 und 5 ) erwähnten praktischen Anthropologie.
  • J. G. Sulzers vermischte philosophische Schriften S. 389 flgg.
  • M. Mendelssohns Jerusalem I. S. 29 f.
  • J. G. Sulzers vermischte philosophische Schriften S. 389 flgg.
  • M. Mendelssohns Jerusalem I. S. 29 f.
Sonst nennte man auch Naturrecht den Inbegriff aller aus der Natur fließenden Pflichten und Rechte, und verwies in die Moral (im engsten Verstande) oder in die Ethik (im engern Sinn §. 202 ) bloß die Mittel zur moralischen Bildung und Ausübung der Pflichten. Eine sehr unbequeme Trennung, die auch hier nicht in Anschlag kommt. Sonst nennte man auch Naturrecht den Inbegriff aller aus der Natur fließenden Pflichten und Rechte, und verwies in die Moral (im engsten Verstande) oder in die Ethik (im engern Sinn §. 202 ) bloß die Mittel zur moralischen Bildung und Ausübung der Pflichten. Eine sehr unbequeme Trennung, die auch hier nicht in Anschlag kommt.

|b244| 207.

Es hat allerdings seinen großen Vortheil für die weise Bestimmung und Handhabung der bürgerlichen Gerechtigkeit, wenn die gedachten vollkommnen und unvollkommnen Pflichten von einander unterschieden werden; und da alle positive Rechte um so gegründeter sind, je mehr sie mit dem Naturrecht übereinstimmen, sie auch eigentlich durch dieses letztere ihre Festigkeit bekommen: so bleibt das Recht der Natur immer eine sehr wichtige Wissenschaft, auch für den, der sich der Theologie widmet; zumal wenn damit, wie von Manchen, zugleich im Vortrag die allgemeine praktische Philosophie verbunden wird. Allein da sich das Naturrecht nur auf Pflichten gegen Andre, und noch dazu nur auf Zwangspflichten einschränkt, folglich nur Beleidigungen abwehren, und äusserliche Sicherheit, also einen zwar sehr schätzbaren, aber doch nur sehr kleinen Theil der menschlichen, und nur der äusserlichen, Glückseligkeit, befördern soll; auch in der eigentlichen Moral eben dieselben Pflichten, nur nicht mit so besondrer Anwendung auf die in der menschlichen Gesellschaft sich ereignenden Umstände, vorgetragen werden; und in der eigentlichen Moral noch dazu mehr auf Liebe und Achtung gegen Andre gearbeitet wird, ohne welche die wahre Gerechtigkeit sehr oft nicht erkannt oder nicht ausgeübt werden möchte: so scheint es für den künftigen Lehrer der Religion räthlicher, beyde Wissenschaften (§. 206 ) in der Erlernung nicht zu trennen.Es hat allerdings seinen großen Vortheil für die weise Bestimmung und Handhabung der bürgerlichen Gerechtigkeit, wenn die gedachten vollkommnen und unvollkommnen Pflichten von einander unterschieden werden; und da alle positive Rechte um so gegründeter sind, je mehr sie mit dem Naturrecht übereinstimmen, sie auch eigentlich durch dieses letztere ihre Festigkeit bekommen: so bleibt das Recht der Natur immer eine sehr wichtige Wissenschaft, auch für den, der sich der Theologie widmet; zumal wenn damit, wie von Manchen, zugleich im Vortrag die allgemeine praktische Philosophie verbunden wird. Allein da sich das Naturrecht nur auf Pflichten gegen Andre, und noch dazu nur auf Zwangspflichten einschränkt, folglich nur Beleidigungen abwehren, und äusserliche Sicherheit, also einen zwar sehr schätzbaren, aber doch nur sehr kleinen Theil der menschlichen, und nur der äusserlichen, Glückseligkeit, befördern soll; auch in der eigentlichen Moral eben dieselben Pflichten, nur nicht mit so besondrer Anwendung auf die in der menschlichen Gesellschaft sich ereignenden Umstände, vorgetragen werden; und in der eigentlichen Moral noch dazu mehr auf Liebe und Achtung gegen Andre gearbeitet wird, ohne welche die wahre Gerechtigkeit sehr oft nicht erkannt oder nicht ausgeübt werden möchte: so scheint es für den künftigen Lehrer der Religion räthlicher, beyde Wissenschaften (§. 206 ) in der Erlernung nicht zu trennen.
|b245| Anm. Wenn man sich statt einzelner Menschen ganze Völker, und diese als moralische Personen gegen einander, denkt: so entsteht aus dem Begriff eines solchen Volks, auf welches der Inhalt des Naturgesetzes angewendet wird, das sogenannte Völkerrecht; das aber hier zu unsrer Absicht nicht gehört.

208.

Die philosophische Moral also, wenn sie von der allgemeinen praktischen und von der reinen praktischen Philosophie (§. 204 Anm.), aber nicht von dem Naturrecht (§. 206 ) unterschieden wird, faßt den ganzen Umfang aller besondern Pflichten des Menschen in sich, sofern sie aus der Natur erkennbar sind, und schränkt sich bey Vorstellung der Gründe, womit sie sie empfiehlt, so wie der Mittel, die sie zur Beförderung guter Gesinnungen und Handlungen vorschlägt, auf keine besondre Arten derselben, wie das Naturrecht, ein, wenn nur jene Gründe und diese Mittel aus der Natur erkannt werden können. Sie dehnt sich auch über die Pflichten der Gerechtigkeit aus, – dies hat sie mit dem Recht der Natur gemein –; aber sie begnügt sich nicht mit äusserlicher Gerechtigkeit, sie dringt auch auf innerliche; sie fügt noch die Pflichten des Wohlthuns hinzu, und alle Pflichten, die wir Gott und uns selbst schuldig sind, oder die irgend aus allen diesen Verhältnissen entstehen. Sie bearbeitet alle diese Pflichten zugleich und eigentlich als Gewissenspflichten, und begnügt sich nicht mit guten Handlun|b246|gen, sondern arbeitet auch und vornemlich auf gute Gesinnungen. Kurz, sie bildet den Menschen nicht bloß zum unschädlichen und ehrlichen Mann, sondern sucht ihn auch nützlich oder wohlthätig, redlich und religiös zu machen. – Da sie so den Menschen eigentlich veredelt, und zu seiner wahren Bestimmung führt: so muß jedem die Nothwendigkeit einleuchten, sie ganz vorzüglich zu treiben. Am meisten müßte der künftige Lehrer der Religion sie sich zu eigen zu machen suchen, da er ganz eigentlich dazu bestimmt ist, Andrer Gewissen zu leiten.Die philosophische Moral also, wenn sie von der allgemeinen praktischen und von der reinen praktischen Philosophie (§. 204 Anm.), aber nicht von dem Naturrecht (§. 206 ) unterschieden wird, faßt den ganzen Umfang aller besondern Pflichten des Menschen in sich, sofern sie aus der Natur erkennbar sind, und schränkt sich bey Vorstellung der Gründe, womit sie sie empfiehlt, so wie der Mittel, die sie zur Beförderung guter Gesinnungen und Handlungen vorschlägt, auf keine besondre Arten derselben, wie das Naturrecht, ein, wenn nur jene Gründe und diese Mittel aus der Natur erkannt werden können. Sie dehnt sich auch über die Pflichten der Gerechtigkeit aus, – dies hat sie mit dem Recht der Natur gemein –; aber sie begnügt sich nicht mit äusserlicher Gerechtigkeit, sie dringt auch auf innerliche; sie fügt noch die Pflichten des Wohlthuns hinzu, und alle Pflichten, die wir Gott und uns selbst schuldig sind, oder die irgend aus allen diesen Verhältnissen entstehen. Sie bearbeitet alle diese Pflichten zugleich und eigentlich als Gewissenspflichten, und begnügt sich nicht mit guten Handlun|b246|gen, sondern arbeitet auch und vornemlich auf gute Gesinnungen. Kurz, sie bildet den Menschen nicht bloß zum unschädlichen und ehrlichen Mann, sondern sucht ihn auch nützlich oder wohlthätig, redlich und religiös zu machen. – Da sie so den Menschen eigentlich veredelt, und zu seiner wahren Bestimmung führt: so muß jedem die Nothwendigkeit einleuchten, sie ganz vorzüglich zu treiben. Am meisten müßte der künftige Lehrer der Religion sie sich zu eigen zu machen suchen, da er ganz eigentlich dazu bestimmt ist, Andrer Gewissen zu leiten.
Durch den Eintritt in die häusliche und bürgerliche Gesellschaft geht zwar der Stand der Natur in einen conventionellen, d. i. in einen solchen über, der auf freywilligen Vertrag und Uebereinkunft beruht; aber es entstehen doch theils schon aus der Natur und Absicht eines solchen Standes gewisse neue Pflichten, theils bleiben darin alle natürliche Rechte, und eben so alle natürliche Pflichten, so fern man jenen nicht durch den Vertrag freywillig entsagt hat. Man hat daher auch die natürlichen Rechte und Pflichten der häuslichen und bürgerlichen Gesellschaft in zwey besondre Wissenschaften gebracht, die als Theile der praktischen Philosophie behandelt werden. Jene, die erstere, welche sich mit der häuslichen Gesellschaft beschäftigt, nennet man die Oekonomik; die andre, so auf die bürgerliche Gesellschaft geht, die Politik. Nach Verschiedenheit der Gesellschaften ließen sich dergleichen Wissenschaften noch mehr vervielfältigen, und nach |b247| ihren mannichfaltigen Gegenständen und besondren Theilen dieser Wissenschaften wieder besondre neue Wissenschaften bilden.

209.

Man spricht öfters von einer Philosophie der gesunden Vernunft, oder, etwas bestimmter ausgedruckt, des bloßen Menschenverstandes, und von einer Philosophie des Lebens, oder der Welt, und empfiehlt sie so, als wenn sie das Studium der eigentlichen bisher beschriebenen Philosophie entbehrlich machte, oder wenigstens ihren Abgang gar wohl ersetzen könnte. – Wenn man sich die Begriffe davon deutlich zu machen sucht, um nur erst zu wissen, was diese Empfehlung eigentlich sagen solle: so kan doch der gemeine Menschenverstand (sensus communis), richtiger: der gemeine Wahrheitssinn, anders nichts seyn, als das Vermögen, oder vielmehr die Fertigkeit der Seele, die Richtigkeit eines Urtheils unmittelbar, d. i. ohne weitere Entwickelung der Begriffe eines Satzes und ihres Verhältnisses, zu erkennen; und alsdann könnte eine solche Philosophie keine andre, als so erkannte Sätze, enthalten. Würde dann dieses Vermögen in Absicht auf praktische Sätze und bey Bestimmung dessen, was rechtmäßig ist, betrachtet: so würde es das seyn, was man moralisches Gefühl oder Gewissen, als bloße Empfindung genommen, zu nennen pflegt. Allein so sehr wir Ursach haben gegen die Speculation mißtrauisch |b248| zu werden, wenn sie einem von beyden widerspricht; so große Dienste uns der Wahrheitssinn und das moralische Gefühl leistet, wenn wir nicht lange untersuchen können, oder, wenn es uns unmöglich ist, auf deutliche Begriffe zu kommen: so haben sie doch 1) nur einen sehr eingeschränkten Nutzen, nemlich nur in den Fällen, wo das Verhältniß des einen Begriffs in einem Satz gegen den andern Begriff sehr nahe ist, oder auf unsern beständig einerleyen Erfahrungen beruht, oder wo zwischen einander gerade entgegengesetzten oder sehr einfachen Sätzen, nicht aber, wo zwischen vielerley oder zwischen sehr zusammengesetzten Sätzen entschieden werden soll. 2) Und dennoch können sie beyde trügen, theils, weil sie zwar auf beständigen, aber oft nur einartigen Erfahrungen beruhen, (wie z. B. bey Einwohnern der heissesten Erdstriche, die nie die Verdichtung des Wassers durch Kälte wahrgenommen haben,) theils, weil sich unvermerkt Vorurtheile des Temperaments, der Erziehung u. d. gl. einmischen. Natürlich kan dieser Fehler nur durch Verdeutlichung der Begriffe entdeckt, und ihm abgeholfen werden, wodurch sich dann auch zeigt, wie das Wahrheits- oder moralische Gefühl auf Abwege gerathen sey; jener Fehler aber ergiebt sich nur aus neuen Erfahrungen, die zwar von dem Irrthum zurückbringen, aber doch noch auf keine vollständige Induction schließen laßen. 3) Ueberhaupt aber führt dieser Sinn und dieses Gefühl auf keine allgemeinen Sätze, die wir in der Philosophie nöthig haben, es sey denn daß es analytische |b249| Sätze, d. i. solche wären, wo das Prädicat schon in dem Subject eingewickelt liegt.Man spricht öfters von einer Philosophie der gesunden Vernunft, oder, etwas bestimmter ausgedruckt, des bloßen Menschenverstandes, und von einer Philosophie des Lebens, oder der Welt, und empfiehlt sie so, als wenn sie das Studium der eigentlichen bisher beschriebenen Philosophie entbehrlich machte, oder wenigstens ihren Abgang gar wohl ersetzen könnte. – Wenn man sich die Begriffe davon deutlich zu machen sucht, um nur erst zu wissen, was diese Empfehlung eigentlich sagen solle: so kan doch der gemeine Menschenverstand (sensus communis), richtiger: der gemeine Wahrheitssinn, anders nichts seyn, als das Vermögen, oder vielmehr die Fertigkeit der Seele, die Richtigkeit eines Urtheils unmittelbar, d. i. ohne weitere Entwickelung der Begriffe eines Satzes und ihres Verhältnisses, zu erkennen; und alsdann könnte eine solche Philosophie keine andre, als so erkannte Sätze, enthalten. Würde dann dieses Vermögen in Absicht auf praktische Sätze und bey Bestimmung dessen, was rechtmäßig ist, betrachtet: so würde es das seyn, was man moralisches Gefühl oder Gewissen, als bloße Empfindung genommen, zu nennen pflegt. Allein so sehr wir Ursach haben gegen die Speculation mißtrauisch |b248| zu werden, wenn sie einem von beyden widerspricht; so große Dienste uns der Wahrheitssinn und das moralische Gefühl leistet, wenn wir nicht lange untersuchen können, oder, wenn es uns unmöglich ist, auf deutliche Begriffe zu kommen: so haben sie doch 1) nur einen sehr eingeschränkten Nutzen, nemlich nur in den Fällen, wo das Verhältniß des einen Begriffs in einem Satz gegen den andern Begriff sehr nahe ist, oder auf unsern beständig einerleyen Erfahrungen beruht, oder wo zwischen einander gerade entgegengesetzten oder sehr einfachen Sätzen, nicht aber, wo zwischen vielerley oder zwischen sehr zusammengesetzten Sätzen entschieden werden soll. 2) Und dennoch können sie beyde trügen, theils, weil sie zwar auf beständigen, aber oft nur einartigen Erfahrungen beruhen, (wie z. B. bey Einwohnern der heissesten Erdstriche, die nie die Verdichtung des Wassers durch Kälte wahrgenommen haben,) theils, weil sich unvermerkt Vorurtheile des Temperaments, der Erziehung u. d. gl. einmischen. Natürlich kan dieser Fehler nur durch Verdeutlichung der Begriffe entdeckt, und ihm abgeholfen werden, wodurch sich dann auch zeigt, wie das Wahrheits- oder moralische Gefühl auf Abwege gerathen sey; jener Fehler aber ergiebt sich nur aus neuen Erfahrungen, die zwar von dem Irrthum zurückbringen, aber doch noch auf keine vollständige Induction schließen laßen. 3) Ueberhaupt aber führt dieser Sinn und dieses Gefühl auf keine allgemeinen Sätze, die wir in der Philosophie nöthig haben, es sey denn daß es analytische |b249| Sätze, d. i. solche wären, wo das Prädicat schon in dem Subject eingewickelt liegt.

210.

Eine ähnliche Bewandniß hat es mit der Philosophie des Lebens oder der Welt. Heißt diese so viel als Erfahrungsphilosophie, im Unterschiede von der Philosophie der reinen Vernunft, oder heißt sie gar nur der Inbegriff von solchen allgemeinen Sätzen, die unmittelbar im Handeln können angewendet werden : so muß bey Beurtheilung ihres Werthes und ihrer Unzulänglichkeit dasjenige in Anschlag kommen, was oben hin und wieder über den Werth und Nothwendigkeit der reinen sowohl als aller theoretischen Philosophie gesagt worden ist; nicht zu gedenken, daß diese Lebensphilosophie im letztern Sinne gar keine Wissenschaft seyn kan, sondern eine bloße Sammlung ohngefehr zusammengeschichteter Sätze, die weder Haltung haben, noch allgemeine Sicherheit in der Ueberzeugung geben. – Soll aber Philosophie des Lebens eine Anweisung zur Weisheit und Klugheit seyn: so ist es zwar die Pflicht eines jeden, sich beyde zu erwerben, d. i. die Fertigkeit, das Beste zu finden, was in einzelnen Fällen zu thun, und wie es aufs beste auszuführen sey. Aber dieses kan in keine Wissenschaft gebracht werden, weil sich allgemeine Sätze nicht aus bloßer Beobachtung abziehen laßen, und weil die einzelnen Umstände, die Lage, in der man zu handeln hat, zu mannichfaltig , und ein sehr verschiednes Verhalten |b250| nothwendig machen. Eine Sammlung von praktischen Maximen würde nicht nur keine zusammenhängende Wissenschaft seyn, sondern auch zu vieles Halbwahre enthalten, das im Handeln selbst oft keine Anwendung litte. Weisheit und Klugheit erfordern vielmehr praktischen Beobachtungsgeist, d. i. Fähigkeit oder Fertigkeit, die Umstände, unter welchen man zu handeln, und die Menschen, die man zu seinen Absichten zu lenken hat, durchzuschauen, und praktische Beurtheilungskraft, d. i. Fähigkeit oder Fertigkeit, in den einzelnen Vorfällen die besten Mittel gleich zu erkennen und anzuwenden. Dazu wird Anlage, Fleiß und Uebung erfordert, ohne die selbst alle Wissenschaft uns nichts zu unsrer wirklichen Glückseligkeit hilft; lehren läßt sie sich, als eine eigentliche Wissenschaft, nicht.Eine ähnliche Bewandniß hat es mit der Philosophie des Lebens oder der Welt. Heißt diese so viel als Erfahrungsphilosophie, im Unterschiede von der Philosophie der reinen Vernunft, oder heißt sie gar nur der Inbegriff von solchen allgemeinen Sätzen, die unmittelbar im Handeln können angewendet werden : so muß bey Beurtheilung ihres Werthes und ihrer Unzulänglichkeit dasjenige in Anschlag kommen, was oben hin und wieder über den Werth und Nothwendigkeit der reinen sowohl als aller theoretischen Philosophie gesagt worden ist; nicht zu gedenken, daß diese Lebensphilosophie im letztern Sinne gar keine Wissenschaft seyn kan, sondern eine bloße Sammlung ohngefehr zusammengeschichteter Sätze, die weder Haltung haben, noch allgemeine Sicherheit in der Ueberzeugung geben. – Soll aber Philosophie des Lebens eine Anweisung zur Weisheit und Klugheit seyn: so ist es zwar die Pflicht eines jeden, sich beyde zu erwerben, d. i. die Fertigkeit, das Beste zu finden, was in einzelnen Fällen zu thun, und wie es aufs beste auszuführen sey. Aber dieses kan in keine Wissenschaft gebracht werden, weil sich allgemeine Sätze nicht aus bloßer Beobachtung abziehen laßen, und weil die einzelnen Umstände, die Lage, in der man zu handeln hat, zu mannichfaltig , und ein sehr verschiednes Verhalten |b250| nothwendig machen. Eine Sammlung von praktischen Maximen würde nicht nur keine zusammenhängende Wissenschaft seyn, sondern auch zu vieles Halbwahre enthalten, das im Handeln selbst oft keine Anwendung litte. Weisheit und Klugheit erfordern vielmehr praktischen Beobachtungsgeist, d. i. Fähigkeit oder Fertigkeit, die Umstände, unter welchen man zu handeln, und die Menschen, die man zu seinen Absichten zu lenken hat, durchzuschauen, und praktische Beurtheilungskraft, d. i. Fähigkeit oder Fertigkeit, in den einzelnen Vorfällen die besten Mittel gleich zu erkennen und anzuwenden. Dazu wird Anlage, Fleiß und Uebung erfordert, ohne die selbst alle Wissenschaft uns nichts zu unsrer wirklichen Glückseligkeit hilft; lehren läßt sie sich, als eine eigentliche Wissenschaft, nicht.

§. 211.

Es läßt sich auch nicht philosophiren, wenn man nicht den nöthigen Stoff hat, den man läutern und verarbeiten will. Daher wäre es sehr gut, wenn junge Studierende frühzeitig, besonders auf Schulen, auf Beobachtung der physischen und moralischen Natur, auf den Menschen, und die Vorfälle in der Welt, auf Ursachen und Folgen der Dinge aufmerksam gemacht, zur Reflexion gewöhnt , und dazu besonders bey dem Lesen classischer Schriftsteller und dem Studium der Geschichte geleitet würden. Hätten sie so sich geübt, und einen guten Vorrath von Kenntnissen |b251| gesammlet, alsdenn müßten sie zu den Regeln des Denkens angeführt, und durch bedächtiges Fortschreiten von dem Einfachern zum Zusammengesetztern, zu deutlicher Untersuchung gewöhnt werden. Hätte man ihnen nachher zugleich eine gute zusammenhängende allgemeine Uebersicht der wissenschaftlichen Philosophie beygebracht, so wüßten sie nicht nur was die gründlichsten Forscher ausgekörnt, und bewährt befunden hätten, sondern sie würden auch, was sie selbst nachgehends durch Nachdenken oder bey den besten Schriftstellern untersucht gefunden, gehörig anreihen, mit mehrerer Sicherheit prüfen, und bestimmter ausdrucken lernen.Es läßt sich auch nicht philosophiren, wenn man nicht den nöthigen Stoff hat, den man läutern und verarbeiten will. Daher wäre es sehr gut, wenn junge Studierende frühzeitig, besonders auf Schulen, auf Beobachtung der physischen und moralischen Natur, auf den Menschen, und die Vorfälle in der Welt, auf Ursachen und Folgen der Dinge aufmerksam gemacht, zur Reflexion gewöhnt , und dazu besonders bey dem Lesen classischer Schriftsteller und dem Studium der Geschichte geleitet würden. Hätten sie so sich geübt, und einen guten Vorrath von Kenntnissen |b251| gesammlet, alsdenn müßten sie zu den Regeln des Denkens angeführt, und durch bedächtiges Fortschreiten von dem Einfachern zum Zusammengesetztern, zu deutlicher Untersuchung gewöhnt werden. Hätte man ihnen nachher zugleich eine gute zusammenhängende allgemeine Uebersicht der wissenschaftlichen Philosophie beygebracht, so wüßten sie nicht nur was die gründlichsten Forscher ausgekörnt, und bewährt befunden hätten, sondern sie würden auch, was sie selbst nachgehends durch Nachdenken oder bey den besten Schriftstellern untersucht gefunden, gehörig anreihen, mit mehrerer Sicherheit prüfen, und bestimmter ausdrucken lernen.
Wenn man nach diesem Vorschlage 1) nicht eher wissenschaftliche Philosophie treibt, als bis man einen guten Vorrath von Begriffen gesammlet, und schon Vorübungen angestellet hat: so wird man bey jener weniger auf unfruchtbare Untersuchungen verfallen, aber auch, trockne Begriffe und Untersuchungen, aus Unwissenheit weniger für unnütz halten, und selbst durch diese weniger ermüdet werden. 2) Macht man sich alsdann ein wohl zusammenhängendes und methodisches System bekannt: so erspart man sich nicht nur manche unnöthige eigne Untersuchungen, und lernt, was bereits vorgearbeitet, und was noch zurück ist, sondern man verfällt auch weniger auf die Thorheit derer, die, unter dem Vorwande des Selbstdenkens und einer freyen Philosophie, nur Streifereyen in dieses ihnen noch zu wenig bekannte Land thun, und es nie zu einem |b252| rechten Ganzen bringen, worin alle Theile einander Licht und Befestigung geben, und Eines durch das Andere bestimmt und berichtigt wird. Vollends schön philosophiren wollen, ehe man gründlich philosophiren gelernt hat, und an die Verzierung des Gebäudes denken, ehe man an einen festen Grund gedacht hat, ist der sicherste Weg, ein seichter Schwätzer zu werden. Es versteht sich aber von selbst, daß ein System, welches jene Dienste leisten soll, methodisch seyn, und nicht eher weiter fortrücken müsse, als bis der Weg zum Folgenden erst durch deutliche Begriffe gebahnt worden ist. Wer dazu keine Geduld, und, worin gemeiniglich dieser Fehler liegt, keinen Kopf zu deutlichen und bestimmten Begriffen, oder keinen Geschmak an Gründlichkeit der Untersuchungen hat, thut freylich besser, daß er sich mit gemeiner Philosophie begnügt, wenn er nur so viel Bescheidenheit hat, sich nicht in Sachen mischen zu wollen, die durch bloß gemeine Philosophie nicht können entschieden werden.

212.

Uebrigens möchten die Haupterfordernisse zu einem wahrhaftig nützlichen Studium der Philosophie wohl folgende seyn. – Hinlänglicher Vorrath von Kenntnissen der Sache, die man untersuchen will. – Stetes Trachten allein nach Wahrheit, ohne Rücksicht auf Neues, Berühmtes, Gangbares, oder was unsern Leidenschaften schmeichelt. – Beständiges Streben nach deutlichen und bestimmten Begriffen. – Nicht schnell |b253| zum Ziele einer Untersuchung eilen, und bald nach Resultaten haschen. – Vielmehr nicht eher weiter gehen, bis man von dem deutlich überzeugt ist, was bey der weitern Untersuchung zum Grunde liegen muß. – Im Untersuchen stete Verbindung der wirkenden und Endursachen. – Stete Rücksicht auf Anwendung zum Handeln und zu Aufklärung anderer Wissenschaften, vornemlich derer, denen wir uns vorzüglich widmen. – Bescheidenheit, da stehen zu bleiben, wo wir wegen der Natur der Sache, wegen unsrer eingeschränkten Erkenntniß, und wegen Mangel von Vorerkenntnissen, nicht weiter können; ohne weder das zu verwerfen, was wir, jetzt wenigstens, nicht durchzuschauen vermögen, noch schlechthin an deren Aufklärung zu verzweifeln. – Zufriedenheit mit moralischer Gewißheit, wo es uns an höherer Evidenz fehlt, und, wo uns auch nicht einmal jene zu erhalten möglich ist, in praktischen Sachen, mit Wahrscheinlichkeit, und überhaupt mit möglichster Annäherung an Gewißheit. – Treue Benutzung aller Winke von Andern, zu weiterer Untersuchung.Uebrigens möchten die Haupterfordernisse zu einem wahrhaftig nützlichen Studium der Philosophie wohl folgende seyn. – Hinlänglicher Vorrath von Kenntnissen der Sache, die man untersuchen will. – Stetes Trachten allein nach Wahrheit, ohne Rücksicht auf Neues, Berühmtes, Gangbares, oder was unsern Leidenschaften schmeichelt. – Beständiges Streben nach deutlichen und bestimmten Begriffen. – Nicht schnell |b253| zum Ziele einer Untersuchung eilen, und bald nach Resultaten haschen. – Vielmehr nicht eher weiter gehen, bis man von dem deutlich überzeugt ist, was bey der weitern Untersuchung zum Grunde liegen muß. – Im Untersuchen stete Verbindung der wirkenden und Endursachen. – Stete Rücksicht auf Anwendung zum Handeln und zu Aufklärung anderer Wissenschaften, vornemlich derer, denen wir uns vorzüglich widmen. – Bescheidenheit, da stehen zu bleiben, wo wir wegen der Natur der Sache, wegen unsrer eingeschränkten Erkenntniß, und wegen Mangel von Vorerkenntnissen, nicht weiter können; ohne weder das zu verwerfen, was wir, jetzt wenigstens, nicht durchzuschauen vermögen, noch schlechthin an deren Aufklärung zu verzweifeln. – Zufriedenheit mit moralischer Gewißheit, wo es uns an höherer Evidenz fehlt, und, wo uns auch nicht einmal jene zu erhalten möglich ist, in praktischen Sachen, mit Wahrscheinlichkeit, und überhaupt mit möglichster Annäherung an Gewißheit. – Treue Benutzung aller Winke von Andern, zu weiterer Untersuchung.

213.

Die vornehmsten Schriftsteller, welche sich um die Aufklärung der Philosophie verdient gemacht haben, und ihre Schriften, kan man einigermaßen, wenigstens ihrer Existenz nach, kennen lernen aus der Bibliotheca philosophica Struviana - - aucta a Lud. Mart. Kahlio, Goetting. 1740. |b254| in 2 Tomm. in gr. 8. noch mehr, zumal in Absicht auf neuere Litteratur und bessere Wahl der Bücher, aus der Anleitung zur Kenntniß der auserlesenen Litteratur in allen Theilen der Philosophie, von Michael Hißmann, Göttingen 1778. 8. welche fortgesetzt zu werden verdient; die merkwürdigsten aber in Absicht auf einzelne Lehrsätze und Streitigkeiten darüber aus: Philosophia rationalis, auctore Sam. Christ. Hollmanno, Edit. auct. Goetting. 1767. 8. Desselben Prima Philosophia multum aucta, ebendaselbst, 1747. 8. Institutiones Pnevmatologiae et Theologiae naturalis, das. 1741. 8. Jurisprudentiae naturalis primae lineae, das. 1751. 8. und Philosophiae moralis, s. Ethices primae lineae, das. 1768. 8; aus den anthropologischen und pnevmatologischen Aphorismen, (von Just. Christ. Hennings) Halle 1777. 8. und Desselben Sittenlehre der Vernunft, Altenburg 1782. gr. 8., nebst den Federschen Lehrbüchern und den Platnerischen Aphorismen, auch den philosophischen Bibliotheken und Magazinen von Windheim, Hennings, Lossius, Cäsar, Eberhard, Feder, Meiners und andern.Die vornehmsten Schriftsteller, welche sich um die Aufklärung der Philosophie verdient gemacht haben, und ihre Schriften, kan man einigermaßen, wenigstens ihrer Existenz nach, kennen lernen aus der Bibliotheca philosophica Struviana - - aucta a Lud. Mart. Kahlio, Goetting. 1740. |b254| in 2 Tomm. in gr. 8. noch mehr, zumal in Absicht auf neuere Litteratur und bessere Wahl der Bücher, aus der Anleitung zur Kenntniß der auserlesenen Litteratur in allen Theilen der Philosophie, von Michael Hißmann, Göttingen 1778. 8. welche fortgesetzt zu werden verdient; die merkwürdigsten aber in Absicht auf einzelne Lehrsätze und Streitigkeiten darüber aus: Philosophia rationalis, auctore Sam. Christ. Hollmanno, Edit. auct. Goetting. 1767. 8. Desselben Prima Philosophia multum aucta, ebendaselbst, 1747. 8. Institutiones Pnevmatologiae et Theologiae naturalis, das. 1741. 8. Jurisprudentiae naturalis primae lineae, das. 1751. 8. und Philosophiae moralis, s. Ethices primae lineae, das. 1768. 8; aus den anthropologischen und pnevmatologischen Aphorismen, (von Just. Christ. Hennings) Halle 1777. 8. und Desselben Sittenlehre der Vernunft, Altenburg 1782. gr. 8., nebst den Federschen Lehrbüchern und den Platnerischen Aphorismen, auch den philosophischen Bibliotheken und Magazinen von Windheim, Hennings, Lossius, Cäsar, Eberhard, Feder, Meiners und andern.

214.

Billig müßte aber niemand, wer die Philosophie studieren will, unterlaßen, sich mit der Geschichte der Philosophie bekannt zu machen. Sie ist eigentlich die Geschichte des menschlichen Verstandes und seiner fortgeschrittnen Bildung, und die Kenntniß derselben hat sonach den größe|b255|sten Einfluß in die Kenntniß der Geschichte und der Veränderungen aller andern Wissenschaften, namentlich der Theologie und der verschiednen Vorstellungen über die Lehrsätze der Religion, die stets von der jedesmaligen Gestalt und den Veränderungen der Philosophie mit abgehangen haben. Sie kan uns belehren, wie weit man in der Philosophie, auch in Aufklärung einzelner Lehrsätze, fortgerückt, und was noch zu leisten übrig sey, und die Ursachen der Verwirrungen nebst den Mitteln und Hindernissen des weitern Fortschritts begreiflich machen. Sie würde wenigstens auf einer Seite den alles anstaunenden Dünkel, oder den Sectengeist verhindern und niederdrücken helfen, und auf der andern die Billigkeit in der Beurtheilung verschiedner Meinungen befördern.Billig müßte aber niemand, wer die Philosophie studieren will, unterlaßen, sich mit der Geschichte der Philosophie bekannt zu machen. Sie ist eigentlich die Geschichte des menschlichen Verstandes und seiner fortgeschrittnen Bildung, und die Kenntniß derselben hat sonach den größe|b255|sten Einfluß in die Kenntniß der Geschichte und der Veränderungen aller andern Wissenschaften, namentlich der Theologie und der verschiednen Vorstellungen über die Lehrsätze der Religion, die stets von der jedesmaligen Gestalt und den Veränderungen der Philosophie mit abgehangen haben. Sie kan uns belehren, wie weit man in der Philosophie, auch in Aufklärung einzelner Lehrsätze, fortgerückt, und was noch zu leisten übrig sey, und die Ursachen der Verwirrungen nebst den Mitteln und Hindernissen des weitern Fortschritts begreiflich machen. Sie würde wenigstens auf einer Seite den alles anstaunenden Dünkel, oder den Sectengeist verhindern und niederdrücken helfen, und auf der andern die Billigkeit in der Beurtheilung verschiedner Meinungen befördern.

215.

Wenn sie diesen Nutzen recht leisten sollte: so müßte sie freylich auf richtige Kritik der Quellen, auf genaue Kenntniß und Studium des philosophischen Sprachgebrauchs, nicht nur überhaupt, sondern auch bey einer jeden Partey, Zeit und einzelner Philosophen, folglich auf sehr feine Sprachkenntniß und Bekanntschaft mit der Geschichte anderer Wissenschaften gebauet seyn, und die Ursachen, Fortgänge und Folgen aufgeklärter Begriffe und Lehrsätze deutlich darlegen, also auch gewissermassen mehr Geschichte der innerlichen Bildung der philosophischen Wissenschaften und einzelner Lehrsätze, als der Personen und |b256| Schriften seyn. An diesen Eigenschaften scheint es den meisten bisherigen Versuchen, die das Ganze dieser Geschichte umfassen sollen, mehr oder weniger zu fehlen, und nur wenige Versuche über einzelne Stücke dieser Geschichte, z. B. das §. 139 angeführte Meinerssche Werk, nähern sich dieser Vollkommenheit. – Bis jetzt sind noch immer Jacob Bruckers kurze Fragen aus der philosophischen Historie, Ulm 1731–1735 in 7 Theilen in 12, nebst einem Bande Neuer Zusätze, ebendas. 1737. 12. und Ebendesselben Historia critica Philosophiae, Lipsiae 1742–44. in 4 Tomis oder 5 Bänden in 4, mit einem Appendix, als dem 6sten Bande, 1767. (jedes Werk in seiner Art vorzüglich); für Anfänger aber Desselben Institutiones historiae philosophicae, Edit. 3, auctior et emendatior, curavit Frid. Gottl. Born, Lipsiae 1790 in gr. 8. und (Joh. Christoph Adelung) Geschichte der Philosophie für Liebhaber, Leipz. 1786 und 87 in 3 Bänden in 8, die besten.Wenn sie diesen Nutzen recht leisten sollte: so müßte sie freylich auf richtige Kritik der Quellen, auf genaue Kenntniß und Studium des philosophischen Sprachgebrauchs, nicht nur überhaupt, sondern auch bey einer jeden Partey, Zeit und einzelner Philosophen, folglich auf sehr feine Sprachkenntniß und Bekanntschaft mit der Geschichte anderer Wissenschaften gebauet seyn, und die Ursachen, Fortgänge und Folgen aufgeklärter Begriffe und Lehrsätze deutlich darlegen, also auch gewissermassen mehr Geschichte der innerlichen Bildung der philosophischen Wissenschaften und einzelner Lehrsätze, als der Personen und |b256| Schriften seyn. An diesen Eigenschaften scheint es den meisten bisherigen Versuchen, die das Ganze dieser Geschichte umfassen sollen, mehr oder weniger zu fehlen, und nur wenige Versuche über einzelne Stücke dieser Geschichte, z. B. das §. 139 angeführte Meinerssche Werk, nähern sich dieser Vollkommenheit. – Bis jetzt sind noch immer Jacob Bruckers kurze Fragen aus der philosophischen Historie, Ulm 1731–1735 in 7 Theilen in 12, nebst einem Bande Neuer Zusätze, ebendas. 1737. 12. und Ebendesselben Historia critica Philosophiae, Lipsiae 1742–44. in 4 Tomis oder 5 Bänden in 4, mit einem Appendix, als dem 6sten Bande, 1767. (jedes Werk in seiner Art vorzüglich); für Anfänger aber Desselben Institutiones historiae philosophicae, Edit. 3, auctior et emendatior, curavit Frid. Gottl. Born, Lipsiae 1790 in gr. 8. und (Joh. Christoph Adelung) Geschichte der Philosophie für Liebhaber, Leipz. 1786 und 87 in 3 Bänden in 8, die besten.