|a596| |b18| |c17| Erster Abschnitt.
Homiletik und Katechetik.

13a1.

Nach dem Leichtsinn oder der Gleichgültigkeit zu urtheilen, mit der ein großera2 Theil wirklicher oder künftiger Prediger den Vortrag der Religion behandelt, scheint es, daß man das sogenannte Predigenc3, und die Erreichung seiner Absicht, für etwas sehr leichtesc4, oder den Fleiß, der auf den guten Vortrag gewendet werden soll, für sehr entbehrlich halte. Liegt nicht dabeyc5 Verachtung der Religion selbst, Gleichgültigkeit gegen das wahre Wohl andrerc6 Menschen, oder Mangel der Ueberzeugung von dem großena7 Einfluß der Religion auf das Beste der Menschen, zum Grunde: so ist nicht abzusehen, wie es ohne jene Einbildung möglich wäre, daß man sich für reif zu einem solchen Vortrage,a8 oder für berechtigt halten /ckönntea9 c\c10 wenn man kaum mehr wie die ersten Schritte zur deutlichen Kenntniß und Ueberzeugung in der Religion gethan hat;a11 noch eben so arm an Kenntniß des menschlichen Herzens als an mannichfaltigen Kenntnissen zu Befriedigung so vieler Bedürfnisse des Verstandes und Herzens andrerc12 Menschen ist;a13 noch so wenig |a597| sich selbst durch eignec14 Erfahrung und Uebung in der wahren Gottseligkeit gebildet |b19| /chat –c\c15 alsdanna16 schon auf den Lehrstuhl zu eilen, und sich zum Lehrer Andrerc17, gewiß oft an Kenntnissen und Erfahrungen reicherer Zuhörer, auf|c18|zuwerfen. Es wäre unbegreiflich, wie viele Prediger diese Beschäftigung als bloßesa18 c19 Tagewerk, ohne wahrhaftige Theilnehmung oder gar mit Verdruß treiben, allesc20, was und wie sie es sagen, für gut genug für ihre Zuhörer halten, sich mit der Vorstellung einwiegen könnten, daß Gottes Wort schon an sich kräftig genug seyc21 Gutes zu wirken, ohne daß es einer sorgfältigen Auswahl der Sachen, eines /ceignen Fleissesc\c22 im Ausdrucke bedürfte, oder daß diese Wahl und dieser Fleiß Mißtrauen gegen die göttlichen Lehren selbst voraussetzte, und gar dem Eindruck derselben hinderlich wäre. Es /cbliebe,c\c23 ohne dies,c24 eben so unerklärlich, wie manche Andre,ac25 unbekümmert um das, was sie lehren und einschärfen, fast den einzigen oder größestenac27 Werth auf Einkleidung und auf das Aeusserlichec29 des Vortrags setzen, anstatt Verstand und Herz reden zu laßenac30, nach allerleyc31 Künsten, den Vortrag auszuschmücken, haschen, und sich einbilden könnten, mit einem, ihrer Meinung nach, schönen und lebhaften /cVortrag allesc\c32 gethan zu haben, was man von dem Prediger erwarten dürfe.

a1: 515 a2: grosser c3: Predigen c4: Leichtes c5: dabei c6: anderer a7: grossen a8: Vortrage a9: könnte, c10: könnte, a11: hat, c12: anderer a13: ist, c14: eigene c15: hat, a16: alsdenn c17: Anderer a18: blosses c19: Hand- und c20: Alles c21: sei, c22: eigenen Fleißes c23: bliebe aber auch c24: dies ac25: Andre (a); Andere, (c) ac27: grössesten (a); größten (c) c29: Aeußerliche ac30: lassen c31: allerlei c32: Vortrage Alles

14a1.

Sicherlich würde man nie auf diese Einbildungen und Ausschweifungen verfallen, oder sich |a598| leichter von ihnen loswinden können, wenn man sich von der Wahrheit folgender Betrachtungen |b20| recht lebhaft überzeugte, und sie stets gegenwärtig zu erhalten suchte, Betrachtungen, die der ernsthaftesten Untersuchung, zumala2 eines jeden, der sich dem Beruf eines Lehrers der Religion weyhenc3 will, höchst würdig sind. Zuförderstac4 1) beruht alle wahre wesentliche Glückseligkeit, so fern sie in unsrerc5 Gewalt ist, auf Tugend, und, so fern sie nicht in unsern Händen steht, auf Zufrieden|c19|heit. Diese Glückseligkeit kanac6 nur alsdanna7 vollkommen seyn, wenigstens nähern wir uns dieser Vollkommenheit c8 in dem Grade, /aa)a\ je weiter Tugend und Zufriedenheit reichen, /ab)a\ je mehr sie Ermunterung und Unterstützung haben, und /ac)a\ je dauerhafter sie sind. Aber es läßt sich kein Mittel denken, das in dieser dreyfachenc9 Absicht so weit reichte, als die Religionc10.

a1: 516 a2: zumahl c3: weihen ac4: Zuvörderst c5: unserer ac6: kann a7: alsdenn c8: nur c9: dreifachen c10: Religion

15a1.

Sie giebt /aa)c2 a\ der Tugend und Zufriedenheit den weitesten Umfang. Wer an einen Gott glaubt, der der Vater aller Geschöpfe ist;a3 wer alle Geschöpfe, und die Menschen insonderheit, als Glieder Eines großena4 Körpers ansieht; wer eine allweise und gütige Regierung des Ganzen erkennt, wo Alles als Mittel zu Einema5 gemeinsamen Zweck, zur Glückseligkeit /aAller mitwirkt;a\a6 wer also auch glaubt, daß kein Fleiß in dem Trachten nach dem, was wahr ist, ganz vergebens seyn könne, daß dies vielmehr die Ursach des |a599| weitern Fortrückens in jeder Vollkommenheit seyn müsse,c7 daß endlich uns schlechterdings nichts begegnen könne ohne Gottes Willen, der immer das |b21| erfolgen läßt, was für uns das Beste ist: wie sollte dem, der dieses mit Ueberzeugung und von Herzen glaubt, der sich über das Sichtbare zum Unsichtbaren erheben kanc8, irgend etwas gleichgültig, von seiner Liebe und seinem Bestreben, Andrerc9 Bestes zu befördern, ausgeschlossen, irgend etwas, das ihm begegnet, niederschlagend, und nicht vielmehr Ermunterung zur Dankbarkeit seyn? – /ab)c10 Alsdanna\a11 sind ihm alle Gesetze, als so viele Anzeigen der Quellen seines Glücks, wahre Wohlthaten, an welchen er um so mehr Antheil hat, je mehr er Gutes thut. Ihm sind alle seine Kräfte |c20| c12 so viele Mittel glücklich zu werden; alle Erkenntniß des wahrenac13 und alle Ausübung des Guten so viele Belohnungen; und von der unerschöpflichen Macht, Weisheit und Liebe Gottes kanc14 er, selbst beyc15 gefühlter Ohnmacht, beyc16 fehlgeschlagenen bestimmten Hoffnungen, sogar beyc17 Vergehungen, Unterstützung, Ersatz, Nachsicht und Lenkung dessen, was versehen ist, oder vergeblich scheint, zum Besten, erwarten. Wie dieses stete Ermunterung ist, Gutes zu thun, und nie müde zu werden, weil der Gedanke, Gott ist Zeuge und Vergelter meiner Handlungen und Gesinnungen, überall und auch dahin reicht, wo es an andern Beweggründen fehlt, oder diese nicht wirksam genug sind: so ist es auch kräftiger Antrieb, seine Begierden zu mäßigen, und Verwahrungsmittel wider Eigennutz, Miß|a600|muth und Neid. – Und da /ac)c18 a\ weder die seligen Folgen der Tugend, ihrer Natur nach, ausbleiben können, diejenigea19 wenigstens nie, welche in |b22| dem Wohlgefallen Gottes daran besteht, noch Gott sich in seinen erwähntena20 Eigenschaften /cverleugnen kanc\c21: so steht Tugend und Zufriedenheit auf einem unerschütterlichemc22 Grunde, so lange die Ueberzeugung von der Wahrheit und dem Werthc23 der Religion bleibt, und wir uns immer an dieselbe halten. – Die Religion müßte also die /cwichtigste Angelegenheit des Menschen seync\c24.

a1: 517 c2: A) a3: ist, a4: grossen a5: Einen a6: Aller, mitwirkte, c7: müsse; c8: kann c9: Anderer c10: B) a11: Alsdenn c12: eben ac13: Wahren c14: kann c15: bei c16: bei c17: bei c18: C) a19: die a20: erwehnten c21: verläugnen kann c22: unerschütterlichen c23: Werthe c24: wichtigste Angelegenheit des Menschen seyn

16a1.

Diese großea2 Angelegenheit für die Menschen zu der zu machen, die sie seyn soll, ist 2) /a(§. 14c3)a\ der sogenannte /cgeistliche Standc\c4 ganz eigentlich errichtet. Man erwartet von denen, die sich ihm widmen, daß sie für Andere, welche zur Untersuchung der Religion nicht Fähigkeit, oder |c21| Hülfsmittel, oder Mußea5 genug haben, /cuntersuchenc\c6, ihnen, nach ihren c7 verschiedenen Fähigkeiten /cund Bedürfnissenc\, Ueberzeugung von den Lehren der Religion und deren großema8 /cWerth beybringenc\c9, ihnen diese durch Vorstellungen und Beyspielec10 eindringlich machen, Zweifel benehmen, in Gewissensangelegenheiten rathen, sie mit Trost unterstützen, kurz, sie durch Religion leiten und beruhigen sollen. Man hat ihnen, um diesen Pflichten besser und ungestörter obliegen zu können, in der bürgerlichen Gesellschaft gewisse kleine Gesellschaften oder Gemeinenc11 angewiesen, auf die sie zu|a601|nächst ihre Beschäftigungen einschränken sollen; man hat sie von manchen bürgerlichen Plichten und Lasten befreyetc12; man hat sogar deswegen für ihren bequemen Unterhalt gesorgt. Man rech|b23|neta13 um so mehr /aauf ihrea\a14 Geschicklichkeit, Fleiß und Redlichkeit, da sie eigentlich den einzigen Stand ausmachen, dem die Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion selbst anvertraut ist. Wie verabscheuungswürdig muß derjenige seyn, der, in einer Sache von der Wichtigkeit, einen Beruf übernimmt, von dem er nicht weiß,a15 ob er ihn würdig und nach den billigen Erwartungen der Gesellschaft erfüllen kanc16, oder, wenn er ihn übernommen hat, der nicht, alles dies erfüllen zu wollen, willig, oder fleißig, oder redlich genug ist.

a1: 518 a2: grosse c3: 14. c4: geistliche Stand a5: Musse c6: diese Untersuchung anstellen c7: so a8: grossen c9: Werthe beibringen c10: Beispiele c11: Gemeinden c12: befreiet a13: erwartet a14: von ihrer a15: weiß c16: kann

17a1.

Nun hat zwar 3) der, werc2 den Unterricht und die Seelsorge für Andreac3 übernimmt, in dem Privatumgangc4 mit ihnen,c5 Gelegenheit genug, sich mit ihnen über die Religion zu unterhalten, und nach jedesmaligem Befinden der Umstände ihre rechte Anwendung und ihren großena6 Einfluß auf Besserung und Beruhigung der Menschen zu zeigen. |c22| Er kanc7 selbst da recht eigentlich für jeden insbesondrec8 mit Weisheit und mit dem glücklichsten Erfolgc9 arbeiten, gerade auf die Art, wie dieser es am meisten braucht, und wie Religion am ersten beyc10 ihm Eingang findet; und wird er sonderlich selbst dazu aufgefordert durch einen solchen, |a602| der in besondern Umständen, z. B. Krankheiten, fühlt, wie unentbehrlich ihm die Religion und die Aufklärung darüber und über seinen Gemüthszustand sey:c11 so kanc12 er sie mit desto mehrerer Wirksamkeit empfehlen. Aber es giebt dererc13 nicht vielc14, |b24| die den Umgang des Predigers deswegen suchen, oder gern sehen, um sich mit ihm über dergleichen geistige Angelegenheiten zu unterhalten: selbst die, welchen Religion unter bedrängten Umständen Bedürfniß wird, oder werden sollte, werden durch Sicherheit, Dünkel, Schüchternheit oder abergläubische Furcht abgehalten, den Prediger zu Rathe zu ziehen;a15 kennen sich selbst, ihre Verderbnisse und deren Quelle zu wenig, oder verhehlena16 sie sich und ihm;a17 oder sind, /czumahl beyc\c18 Krankheiten, so wenig zum Nachdenken fähig, aufgelegt und geneigt, als daß da die Unterredung des Predigers mit ihnen wirksam genug werden könnte. Und wäre dieses alles auch nicht: so ist selten viel auszurichten, wenn nicht schon vorher beyc19 solchen der Grund zu einer rechten Erkenntniß der Religion und zum Geschmack daran gelegt worden ist; wenigstens kanc20 der Prediger durch öffentlichen Vortrag weit Mehrern nutzbar werden, als durch den Privatumgang. Jener bleibt also doch immer die wichtigste Beschäftigung, von der beyc21 den meisten der ihm Anvertrauten, die selten andrec22 Quellen des Religionsunterrichts haben, und nutzen können, sowohl ihre ganze Bildung durch die Religion, als ihre Neigung |c23| abhängt, sich auch in besondern Angelegenheiten seiner Leitung zu bedienen.

a1: 519 c2: welcher ac3: Andere c4: Privatumgange c5: ihnen a6: grossen c7: kann c8: insbesondere c9: Erfolge c10: bei c11: sei, c12: kann c13: deren c14: viele a15: ziehen, a16: verheelen a17: ihm, c18: zumal bei c19: bei c20: kann c21: bei c22: andere

|a603| 18a1.

Aber hier kommt 4) überaus viel auf die Art an, wie dieser Vortrag eingerichtet ist,c2 und die gute Wirkung desselben, so weit sie von dem |b25| Prediger selbst abhängt, beruht immer entweder auf dem Vertrauen, das er beyc3 den Zuhörern hat, oder auf der guten Einrichtung seines Vortrags. Jenes Vertrauen /ckan freylichc\c4 auch aus seiner anerkannten Geschicklichkeit, aus seiner Liebe gegen die Zuhörer, und der thätigen Theilnehmung an ihrem Besten, aus seinem ganzen exemplarischen und anziehenden Betragen, entspringen. Aber, so lange man ihn nach diesen Eigenschaften noch nicht kennt, muß er sich doch dieses Vertrauen erst durch den guten Vortrag erwerben; seinen Werth alsc5 Lehrer kanc6 und pflegt man doch erst nach diesen zu schätzen; und das Vertrauen selbst ist nichts anders, als nur Mittel, nur Vorbereitung, das ihm den Weg bahnt, um gern gehört, und so erst durch den Vortrag den Zuhörern nutzbar zu werden.

a1: 520 c2: ist; c3: bei c4: kann freilich c5: als c6: kann

19a1.

Der Vortrag hat doch ganz andrec2 Wirkungen, wenn er die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesselt, wenn er ihnen die vorgetragnenc3 Sachen deutlich und einleuchtend macht, wenn er sie dafür einnimmt, und daher ihren Fähigkeiten und Neigungen, wenigstens ihren Bedürfnissen angemessen ist, als wenn es ihm an diesen oder einer |a[6]04| dieser Eigenschaften fehlt, oder wenn entweder gewisse Fehler desselben den Zuhörern die Sachen verleiden, oder der Vortrag, indem er ihren Leidenschaften oder ihrer Einbildungskraft |c24| schmeichelt, ganz sie von dem Zweck abführt, sie von der Religion zu überzeugen, und sie zur Befolgung |b26| derselben willig zu machen. – Selbst dieser Zweck und die Natur der Religion hat, wenigstens für die meisten Menschen, nichts Anziehendes. Es gehört schon manche Culturc4 der Seele, mindestens ein Gefühl, wie wenig uns sichtbare Dinge befriedigen, und eine gewisse Verlegenheit über unsern Gemüthszustand, dazu, wenn der Mensch nur erst Geschmack an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen finden soll; und die stete Beschäftigung mit sichtbaren Dingen, das Vergnügen, das aus ihrem Genuß entsteht, und die Gewöhntheit daran, nebst der Kunst, den Ueberdruß dieser Vergnügungen durch mannichfaltige Abwechselung zu verdrängen, läßt vollends jenen Geschmack selten aufkommen. Soll danna5 auch das, was zur Religion gehört, den Menschen nicht bloß unterhalten, sondern wirklich bessern:c6 so muß er sich sehr bittrec7 Wahrheiten gefallen laßenac8, ihnen gegen sich selbst und seine Eigenliebe rechtc9 geben, seinen Neigungen Gewalt anthun, gewohnte und fast unentbehrlich gewordnec10 Vergnügungen aufopfern, beschwerliche Uebungen übernehmen;c11 lauter Dinge, von welchen der Mensch nicht gern hören mag. Und wenn auch schon die Zuhörer, durch sonst erlangte Kenntniß der Religion, durch einigen Geschmack |a605| daran, durch manche Erfahrungen, wie übel sie beyc12 dem Leichtsinn und c13 Ausschweifungen gefahren sind, vorbereitet scheinen mögen, das, was ihnen die Religion vorhält, williger anzunehmen: wie ganz etwas anders ist es, etwas gern zu hören, und es willig zu thun? welch ein großera14 |b27| Unterschied ist zwischen vorübergehenden Bewegungen und zwischen einem dauerhaften Eindruck, der in religiöse Gesinnung übergeht? also, wie unumgänglich nöthig, wenn |c25| die selige Absicht der Religion erreicht werden soll, sie nicht nur vorzutragen, sondern es so zu thun, daß wahrhaftige Willigkeit, sich nach ihr zu bilden, und bleibender Eindruck entstehe.

c15 So unverantwortlich hienachc16 der Prediger handelt, wenn er nicht den /cäussersten möglichenc\c17 Fleiß auf den Vortrag zu dieser Absicht wendet:c18 so sehr wird auch dadurch die Einbildung geschwächt: man müsse den Eindruck der Religion und des Christenthums insbesondrec19 ihrer eignenc20 Kraft zutrauen; Künste des Redners verhinderten ihn eher; und die heilige Schrift warne selbst dafürc21 1 Cor. 1 und 2. 2 Tim. 4, 3. 4. – Freylichc22 macht der gute Vortrag jenen guten Eindruck, zumala23 wenn er bleiben, und die ganze Gesinnung ändern soll, allein nicht; auch hängt dieser heilsame Eindruck eigentlich von der Wahrheit und ihrem Werth selbst, und von den Umständen der Zuhörer ab, welcher sich Gott bedient, ihnen Eingang beyc24 diesen zu verschaffen. Aber zu diesen Umständen gehört der gute Vortrag mit; und die heilsamste Arzeneyc25 ist unnütz, wenn der Kranke nicht an ihre Kraft glaubt, /aunda\ nicht bewogen werden kanc26, sie zu nehmen. Eben |a606| auf diese Kraft der Religion die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu ziehen, Glauben an ihre Wahrheit und an ihren Werth hervorzubringen, sie zu ihrem Gebrauch zu bewegen, dies, |b28| dies soll die Absicht des guten Vortrags seyn. – Sonach kanc27 er auch ihrer Kraft keinen Eintrag thun. /cSogenannte Rednerkünstec\c28, wenn sie /cdenc\c29 heilsamen Endzweck habenc30, und dazu etwas /cbeytragen können, sindc\c31 nicht verwerflicher, als jedes andrec32 in der Natur der Dinge liegende, und den menschlichen Bedürfnissen angemessene Mittel; sie sindc33 nur alsdennc34 hier übel angebracht, und jener Absicht hinderlich, wenn sie bloß die Zuhörer angenehmer unterhalten sollenc35, ohne auf jenen /cwesentlichenc\c36 Zweck zu arbeiten. – /cUnd diese falschen Künstec\c37 mißbilligt die heilige Schrift /calleinc\, wie auch schon Christi und seiner Apostel Beyspielc38 |c26| beweiset, die selbst jene /cbessern Künstec\c39 nicht verschmähten, und Allen allesc40 wurden, um doch überall Einige für die Religion zu gewinnen. c41
a1: 521 c2: andere c3: vorgetragenen c4: Kultur a5: denn c6: bessern, c7: bittere ac8: lassen c9: Recht c10: gewordene c11: übernehmen: c12: bei c13: den a14: grosser c15: Anm. c16: hiernach c17: höchstmöglichen c18: wendet, c19: lediglich c20: eigenen c21: davor, c22: Freilich a23: zumahl c24: bei c25: Arznei c26: kann c27: kann c28: Die sogenannte Rednerkunst c29: nur jenen c30: hat c31: beitragen kann, ist c32: andere c33: ist c34: alsdann c35: will c36: weit wesentlicheren c37: Nur die eitlen Rednerkünste c38: Beispiel c39: echte Kunst c40: Alles c41: Eine recht gefaßte Homiletik ist gerade das Mittel, vor neuen Verirrungen des Geschmacks zu bewahren.

20a1.

Aber zu einenc2 guten Vortragc3 der Religion gehört 5) überaus viel, gewiß mehr, als sich /cMancherc\c4 nur /cc\ vorzustellen vermögend ist. Gut nenne ich dergleichen Vortrag, wenn er durchaus der Absicht gemäß ist, die /cbey denenjenigen, beyc\c5 welchen man ihn braucht, erreicht werden soll. Diese muß seyn, ihnen wahrhaftigc6 die Religion und ihren Werth einleuchtend, und sie willig zu machen, ganz ihre Gesinnungen und Handlungen danacha7 einzurichten. Denn, daß der Vortrag, wo es der Prediger bloß darauf anlegt, daß Er |a607| selbst gefallen will, wo es ihm nur darum zu thun ist, seine Zuhörer zu unterhalten, und wo nicht das herzliche Verlangen zum Grunde liegt, |b29| die Zuhörer wirklich zu bessern, oder wo es ihm gar genügt, sein Tagewerk mechanisch gethan zu haben, daß der Vortrag jenen Namen nicht verdiene, und dem großena8 Zweckc9, worauf der Prediger durch Religion arbeiten soll, beyc10 weitem nicht entspreche, bedarf doch wohl keines Beweises. Aber c11 eben jenerc12 des Namens wahrhaftig /cwürdige Vortrag, daß der sehr schwerc\c13 zu erreichen /cseya14c\c15, davon kanc16 man sich einigermaßenac17 überzeugen, wenn man folgende Schwierigkeiten wohl überlegt, /cdie –c\c19 in der Natur der Sache /cselbstc\ und den daraus entstehenden großena20 Erfordernissen auf Seiten des Predigers selbst /a§. /c21–25 –c\c21 in dem Mangel derselben beyc22 dem Prediger odera\ in der Beschaffenheit der /aZuhörer §. /c26–28 –c\c23 a\a24 und zum Theil in unsrerc25 ganzen Erziehungsart und Verfassung /a§. 29. 30,c26 a\ liegen.

a1: 522 c2: einem c3: Vortrage c4: Mancher, der nie gründlich darüber nachgedacht, c5: bei denen, bei c6: {wahrhaft} a7: darnach a8: grossen c9: Zwecke c10: bei c11: daß c12: jenen c13: würdigen Vortrag ac14: ist (a); nicht leicht sei (c) c16: kann ac17: einigermassen (a); einigermaaßen (c) c19: die zum Theil a20: grossen c21: 21–25., c22: bei c23: 26–28., a24: Zuhörer – c25: unserer c26: 30.

|c27| 21a1.

/aZuerst in der Natur der Sache selbst, odera\a2 eines solchen Vortrags, der durch Nichts die abgezweckte Wirkung verhindern oder stören, sondern durchaus durch alle jedesmal mögliche Mittel sie befördern soll. Nothwendig muß der Prediger oder Katechet wissen, 1) woher er theils die vorgetragenen Sachen nehmen, theils wie er sie empfehlen soll. Zu jenem gehört ein gewisser Reichthum von recht praktischen Kenntnissen des ganzen Umfangs der |a608| Religion; zu diesem ein ansehnlicher Vorrath selbst von praktischen Kenntnissen aus der Philosophie, vornemlichc3 der Psychologie und Logik, und aus den schö|b30|nen Wissenschaften, hauptsächlich aus der Rhetorik. Beyderleyc4 Kenntnisse, jene, die den Stoff, diese, welche die Form dem Vortrage geben, muß eignerc5 Fleiß und Uebung erlangt und verarbeitet haben. Die Sache verdient eine etwas deutlichere Erläuterung.

a1: 523 a2: In der Natur der Sache selbst oder c3: vornehmlich c4: Beiderlei c5: eigener

22a1.

Erstlich sollte jede Erkenntniß, und vorzüglich unsrec2 Kenntniß der Religion, in dem oben (/aTheil 2c3 a\ §. /c169a4) angegebenemc\c5 Verstande, praktisch seyn, daß wir nie bloß auf ihre Wahrheit sähenc6, sondern eben so sehr auf ihren Werth c7, d. i. ihren Nutzen und Einfluß in die menschliche Glückseligkeit, es mag dieser Einfluß mittelbar oder unmittelbar seyn (ebendas. Anmerk.). Wozu weiß oder lernt man sonst? vornemlichc8, wie kanc9 der die Absicht der Religion und seines Berufs erfüllen, wer auch die richtigsten Sätze derselben nicht zu Andrerc10 Besten anzuwenden weiß.c11 – Aber es giebt /acausser demac\ac12 noch eine weit mehr verkannte praktische Erkenntniß, die darum so heissenc14 könnte, weil die Art, wie man sie erlangt hat und |c28| wieder anwendet, praktisch ist. Wer als ein vernünftiger, wirklich freyerc15 Mensch, gewissenhaft lernen, und so wieder mittheilen will, der muß nicht bloß von Andern Sachen, Beweise und deren Anwendung lernen, oder dies ihnen |a609| nachsagen; er muß nicht bloß wiedergeben was er empfangen hat, und es von Hand in Hand /cfortpflanzen. Erc\c16 muß vielmehr – in Absicht auf Erkenntnißeigenthümliche Begriffe und |b31| Ueberzeugung davon erlangt, d. i. sich es nach seiner Art vorgestellt,c17 und klar gemacht, mit seinen übrigen Begriffen vereinigt haben;a18 er muß, so viel er kanc19, durch eignec20 Beobachtung und eignesc21 Nachdenken versuchen, sie deutlich und einleuchtend zu machen, /avornehmlicha\a22, was er erkennt, in so vielen Beziehungen auf menschliche Glückseligkeit zu denken;a23 und fleißig insbesondrec24 auf den Einfluß Acht geben, den dies auf seine Gewißheit, auf seine Gesinnung und auf alle Handlungen hat, daß ihm einzelnea25 Lehren der Religion zu seiner und Anderer Besserung und Beruhigung immer brauchbarer werden. Und, in eben dem Maaßc26, wie diese seine Erkenntniß wächset, muß er – in Absicht auf Anwendung derselben – immer mehr eignenc27 Antheil daran nehmen, sich wirklich dabeyc28 beruhigen, wirklich darnach handeln, sich immer mehr darüber freuen lernen, und den Trieb unterhalten, Andern auf eben die Spur zu helfen, beyc29 ihnen die nemlichec30 Ueberzeugung, Gesinnung, Freude und Art zu handeln, zu befördern. – Sonach muß er Anderer mündlichen oder schriftlichen Vortrag mehr als Veranlaßungc31 zum eignenc32 Denken, mehr als Winke, als /cEröfnung weitrerc\c33 Aussichten brauchen, die ihmc34 aufmerksam machen, ihm zu eignenc35 Gedanken helfen sollen, ihnen mehr die Art, selbst Erfahrungen anzustellen, darüber nachzu|a610|denken, und sie nutzbar zu machen, ablernen, |c29| als die Kenntnisse selbst von ihnen annehmen. – Durch diesen eignenc36 Fleiß, eignec37 Beobachtungen oder benutzte Erfahrungen, eignesc38 Nach|b32|denken, eignec39 Anwendung, wird seine Erkenntniß, Gesinnung und Handlungsart ihm eigenthümlich und wahrhaftig gewissenhaft.

c40 Um sich dieses deutlicher zu machen, erwegec41 man nur, wie wir es beyc42 Anhörung des Vortragesa43 eines Andern oder der Lesung seiner Schriften machen, und welch ein großera44 Unterschied es seyc45, bloß da dem Andern zu folgen, und im Gegentheil das Buch beyc46 Seite zu legen, /asich selbsta\a47 zu fragen, ob man das nicht bloß verstehe, sondern Ueberzeugung fühle? was man sonst davon wisse? und wie man dies damit verbinden, dadurch bestätigen, einsc48 durch das andrec49 berichtigen, wie und wozu man es brauchen könne? wie es in der Anwendung zu Hebung von Zweifeln, /azura\ Entdeckung neuer Vorstellungen, zu neuer Ermunterung im Guten diene u. s. f.
a1: 524 c2: unsere c3: 2. a4: 456 c5: 169.) angegebenen c6: sehen c7: und ihre Brauchbarkeit c8: vornehmlich c9: kann c10: Anderer c11: weiß? ac12: ausserdem (a); außerdem (c) c14: heißen c15: freier c16: fortpflanzen: er c17: vorgestellt a18: haben, c19: kann c20: eigene c21: eigenes a22: und vornemlich a23: denken, c24: insbesondere a25: einzle c26: Maaße c27: eigenen c28: dabei c29: bei c30: nämliche c31: Veranlassung c32: eigenen c33: Eröffnung weiterer c34: ihn c35: eigenen c36: eigenen c37: eigene c38: eigenes c39: eigene c40: Anm. c41: erwäge c42: bei a43: Vortrags a44: grosser c45: sei c46: bei a47: sich selbst c48: Eins c49: Andere

23a1.

Es ist kein Zweifel, daß, wer so die Religion erkennt, daß der auch mehr dadurch selbst gebildet werde, sie klärer und anschauender erkenne, mehr von ihrer Wahrheit und /cWerthc\c2 überzeugt, mehr dafür eingenommen seyc3; daß er weit kräftigern Antrieb habe, sie Andern mitzutheilen; mit mehr Deutlichkeit, und, so zu sagen, Herzlichkeit davon spreche; mehr aus eignerc4 Erfahrung wisse, sie Andern wirksam beyzubringenc5; folglich |a611| auch auf Andrec6 weit kräftiger wirke;c7 daß dies also, dieses Praktische der Erkenntniß in der Religion, in beyderleyc8 Sinn (§. 22ac9) genommen, |b33| die Hauptsache seyc11, wenn ein Lehrer der Religion wahrhaftig sie Andern recht nutzbar machen will. Sehr schwer ist es immer, zu dieser praktischen Erkenntiß zu gelangen, und angestellte Versuche werden es jeden lehren, der es im Ernst darauf |c30| anlegt. Beständige /cAufmerksamkeit, /aviel und eina\a12 c\c13 eben so ruhiger als c14 geschäftiger Beobachtungsgeist,c15 Gewohnheit, eine Sache auf mehrern Seiten anzusehen, und über den Einfluß eines Satzesc16 auf Andreac17 sowohl als auf den Verstand und das Herz des Menschen nachzudenken,c19 Kenntniß dessen, worauf man beyc20 einer solchen Untersuchung Acht zu geben, woraus man die Kenntnisse zu schöpfen hat,c21 gute Hülfsmittel, fleissigeac22 Uebung, selbst hinlängliche Zeit /cdazu – diesesc\c23 alles erfordert viele Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack an solchen Betrachtungen, Fleiß und glückliche Umstände. – Gemeiniglich schöpft der angehende Prediger oder Katechet seine Kenntnisse aus dem Unterricht auf Schulen und Universitäten, und aus Büchern. Daraus zu lernen, macht ihn, wie schon gesagt, allein nicht zu /cseinen Berufc\c24 tüchtig. Gesetzt auch, daß er in der Wahl oder beyc25 dem Zufall, der ihn auf diese Anweisung führte, nicht unglücklich gewesen, durch diesen genossenen Unterricht nicht verstimmt worden seyc26, also nicht erst noch zu lernen habe, wie viel er gar nicht, wie viel er vergebens gelernt habe, wie viel er also erst wieder verlernen müsse; gesetzt daß er auch |a612| selbst den besten, zu seinem künftigen besondern Beruf,c27 zweckmäßigsten Unterricht erhalten, daß er ihn mit der gehörigen Aufmerksamkeit benütztc28 |b34| habe – Fälle, die äusserstc29 selten /csind –:c\c30 so kanc31 ihm zwar dieser Unterricht sehr nützlich, ja in so fern unentbehrlich seyn, daß er allesc32 kürzer, bestimmter, zu einer allgemein zusammenhängenden Uebersicht der Religion brauchbarer, lernt,c33 daß er auf das aufmerksam gemacht wird, was und wie er es lernen, untersuchen, anwenden, auch wohl wie er das Gelernte praktisch machen soll. Aber es ist doch alles dieses mehr ein Faden, woran er seine eignenc34 erworbenen Kenntnisse an|c31|reihen, eine Grundlage, worauf er erst selbst weiter fortbauen, ein angewiesenes Fachwerk, worin er erst noch viel zusammentragen und ordnen soll. Und wenn er selbst dem Lehrer die gute Methode abgelernt hat, selbst von ihm in praktischer Behandlung des Gelernten geübt worden ist: so sind dieses doch nur Muster in wenigen Beyspielenc35, so wie der allgemeinere Unterricht nur Entwurf im Ganzen, den er selbst, nach den künftigen besondern Umständen und Bedürfnissen seiner eignenc36 Zuhörer, erst ausführen muß. Kurz, er wird nur mit vorläufigen allgemeinen Kenntnissen, mit einer allgemeinen Instruction, wie er sich zu benehmen habe, mit einigen Handgriffen und Uebungen ausgerüstet, in die Welt geschickt, und es wird ihm nun, da er unmöglich auf Alles vorbereitet werden kanc37, was er für sich und Andrec38 nöthig haben wird, ihm nun selbst überlaßenac39, sich weiter zu bilden, seine Kenntnisse zu vermehren, und immer neue Anwendung zu machen.

|a613| Anm.ac40 Demnach lerne er von seinem Lehrer oder dem guten Schriftsteller, den er lieset, nicht nur die |b35| Lehren der Religion, ihre genaue Bestimmung, ihre Gründe und ihre Anwendung. Er lerne ihm auch die Arta41 ab, wie man untersuchen, sich überzeugen, Mißverstand und falsche Vorstellungen absondern, allesc42 praktisch machen müsse. Er gewöhne sich aber, gleich zu der Zeit schon, wo er noch Verständigere befragen, seine Ideen durch sie berichtigen, sich in unternommenen eignenc43 Uebungen leiten /claßena44 kanc\c45, zu /ceignen Fleißc\c46 und /cUebungc\c47, und arbeite eben so eifrig an der Besserung seines Herzens, an dem Geschmack an allem Guten, an der Erweiterung und Befestigung seiner guten Gesinnung, an der steten Anwendung alles Gelernten und Entdeckten zur wahren Gottseligkeit, als an Aufklärung seines Verstandes. Ohne diesen erworbnenc48 Schatz, der sicherlich nicht leicht zu erwer|c32|ben ist, wird er niemals selbst nur recht brauchbaren Stofc49 erlangen, den er verarbeiten,c50 und Andern wieder aufs nützlichste mittheilen kanc51.
a1: 525 c2: ihrem Werthe c3: sei c4: eigener c5: beizubringen c6: Andere c7: wirke: c8: beiderlei ac9: 524 (a); 22. (c) c11: sei a12: viel, c13: Aufmerksamkeit; ein c14: reger und c15: Beobachtungsgeist; c16: Lehrsatzes ac17: andre (a); Andere (c) c19: nachzudenken; c20: bei c21: hat; ac22: fleißige c23: dazu: dies c24: seinem Berufe c25: bei c26: sei c27: Beruf c28: benutzt c29: äußerst c30: sind: – c31: kann c32: Alles c33: lernt; c34: eigenen c35: Beispielen c36: eigenen c37: kann c38: Andere ac39: überlassen ac40: Anm. a41: Art c42: Alles c43: eigenen a44: lassen c45: lassen kann c46: eigenem Fleiß c47: eigener Uebung c48: erworbenen c49: Stoff c50: verarbeiten c51: kann

24a1.

Was bisher eigentlich nur darüberc2 gesagt worden ist, woher man die vorzutragenden Sachen nehmen soll, gilt auch in seiner Art von dem, wodurch man sie Andern empfehlen sollc3 (§. /c21).a4 c\c5 Man hat schon Vielesa6 gewonnen, wenn man seine eignec7 Kenntniß der Religion praktisch gemacht hat. Sie für Andere eben so c8 zu machen, die gemeiniglich weniger Fähigkeiten, weniger Geschmack an Religion, weniger Kenntniß derselben, und weniger Uebung in praktischer Kennt|b36|niß der Religion haben, ist nicht |a614| nur nöthig, aus den oben (§. 21ac9) angegebenen Wissenschaften und aus eignerc11 fleißigen Beobachtung und Nachdenken die beste Art zu lernen, wie man jemandema12 Sachen interessant, deutlich und eindrücklich machen könne, sondern auch fleißig mit Anderenc13, zumal Leuten von geringeren Fähigkeiten, in der Absicht umzugehen, um ihre Fähigkeiten, Kenntnisse, Gesinnungen und Bedürfnisse auszustudierena14, und c15 die wirksamste Art /causfündigc\ zu machenc16, wie man ihnen am besten beykommenc17 könnea18. Daß dieses keine leichte Sache seyc19, braucht kaum erinnert zu werden.

a1: 526 c2: darüber c3: soll. ac4: 523). (a); 21.) (c) a6: vieles c7: eigene c8: praktisch ac9: 523. (a); 21. (c) c11: eigener a12: jemanden c13: Andern a14: auszustudiren c15: auf diesem Wege c16: finden c17: beikommen a18: kan c19: sei

25a1.

Ausserc2 dem Auffinden desjenigen, was und wie man es am wirksamsten in dem Vortrage der Religion vorstellen soll, trägt 2) (§. 21ac3) die Ordnung, in welcher die Gedanken gestellt werden, der Ausdruck, worein man sie kleidet, und das /cAeusserliche beyc\c5 Ablegung des Vortrags (die Action) ungemein viel zur Wirksamkeit des |c33| Vortrags beyc6. – Wenn die Unordnung in Stellung der Gedanken auch nicht so groß ist, daß sie Undeutlichkeit der Begriffe und Verwirrung inc7 Vorstellungen hervorbringt, den Vortrag widerlich, und das Gesagte zu behalten unmöglich macht,c8 oder erschwert: so unterhält doch lichtvolle Ordnung und natürliche Folge der Gedanken die Aufmerksamkeit; jeder Gedanke giebt dem andern Licht und Stärke, /aunda\ bereitet den Zuhörer auf das Folgende; der natür|a615|liche Zusammenhang giebt |b37| eine angenehmere Unterhaltung, eine zusammenhängendere Uebersicht des Ganzen, und macht die Eindrücke dauerhafter, weil der Vortrag behältlicherc9 ist, indem eine Idee die andrec10, wegen ihres Zusammenhangs, leichter wieder ins Gemüth bringt. – a11 Wie viel der gute Ausdruck, der den Sachen und ihrer Würde angemessen ist, zur Empfehlung der Sache selbst thue, ist schon /cobenc\ /aim ersten Theilea\ c12 berührt worden a13. – Und daß a14 der den Sachen selbst entsprechende, und nach ihrer Verschiedenheit abgeänderte Ton der Stimme, die ganze natürliche Gebärdensprache, der ganze äusserlichec15 Anstand, mit /ceinem Wort,c\c16 das ganze äusserlichec17 Benehmen, in welchem sich die anschauliche Ueberzeugung von den vorgetragenen Sachen und ihrem Werthc18, die wahrhaftige Theilnehmung daran und an dem Wohl der Zuhörer, abdrückt, großena19 Einfluß auf diese habe, weiß ein jeder, der einiges Gefühl hat. – Aber daß dieses alles, was den Vortrag so sehr empfiehlt, zu erlangen, die rechte Mittelstraßea20 zwischen der ungebildeten Natur und der Kunst dabeyc21 zu treffen, den Einfluß der oft unbemerkten Naturfehler und üblenc22 Gewohnheiten auf einer, und der Zierereyc23 oder der unnatürlichen Nachahmung auf der andern, abzuwehren, auch sehr schwer seyc24, lehren die seltenen Beyspielec25 genug, wenn man auch nicht wüßte, wie viel dabeyc26 |c34| natürliche Talente, ein durch viele Uebung aufgeräumter Kopf, genaue Bekanntschaft mit den Sachen, ein für alles Gute warmes und wohlwollendes |a616| Herz, Reichthum der Sprache und Gewalt über |b38| sie, ein feines Gefühl des Schicklichen,c27 und ein sehr gebildeter Geschmack,c28 vermögen.

a1: 527 c2: Außer ac3: 523 (a); 21. (c) c5: Aeußerliche bei c6: bei c7: der c8: macht c9: behaltbarer c10: andere a11: 3) c12: (S. 284) a13: (§. 274 f.) a14: 4) c15: äußerliche c16: Einem Wort: c17: äußerliche c18: Werthe a19: grossen a20: Mittelstrasse c21: dabei c22: übeln c23: Ziererei c24: sei c25: Beispiele c26: dabei c27: Schicklichen c28: Geschmack

26a1.

Zu diesen Schwierigkeiten, die in der Natur des Vortrags und dessen Theilen liegen (§. /a21c2), kommen noch mehrere anderea\a3, die mehr von gewissen Mängeln des Predigers selbst und den Bedürfnissen der Zuhörer abhängen, denen er c4 nicht gewachsen ist (§. /c20a5). –c\c6 Jeder hat nicht nur seine /ceigne Grundsätze,c\c7 er hat auch seine eigne Art, Begriffe und Sätze zu verbinden, zu ordnen, zu bestätigen und auszudrucken;ac8 deswegen ist das, was uns verständlich, deutlich, überzeugend und eindrücklich ist, nicht Andern eben so. Es ist schon nichts Leichtes, zu empfinden, daß man sich oft selbst nicht recht verstehe, selbst nicht deutlich denke, sich mehr überedet als überzeugetc10 habe; wie käm'c11 es sonst, daß man seine Ausdrücke, zumal wenn man in Bildern und Tropen spricht, nicht in deutlichere einkleiden, seine Gedanken nicht weiter /causeinander setzenc\c12 oder zusammenziehen kanc13, seine Ueberzeugung oder Rührung oft zerstört sieht, wenn man die Ordnung oder Einkleidung der Gedanken geändert hat? Wie viel schwerer muß es seyn, sich in Anderer Lage nur vorerst hinein zu denken, um zu erkennen, was ihnen verständlich, überzeugend und anziehend seyn möchte, um deswegen den Grad ihrer Fas|a617|sungskraft, ihre Vorurtheile und vermuthlichen Kenntnisse, ihre Neigungen, |b39| ihre Bedürfnisse, an welches /callesc\ man den weiternc14 Unterricht und dessen |c35| Anordnung anschließena15 soll, und die beste Art zu kennen, wie man ihrem Verstande und Herzen /cbeykommen kanc\c16? Wie noch viel schwerer, sich in Anderer Lage hinein zu versetzen, d. i. seine eignec17 Art zu denken, sich in Bewegung zu setzen, und sich auszudruckenac18, in diejenigea19 gleichsam umzuschmelzen, die ihnen eigen ist? Wie vieleac20 feine Menschenkenntniß gehört dazu? wie viel Beugsamkeit des Verstandes und Herzens? welche Mannichfaltigkeit und c21 Reichthum von Gedanken, Worten und Wendungen?

c22 Wahr ists, es giebt gewisse Begriffe, die alle Menschen für wahr halten,c23 gewisse Neigungen, wodurch alle gelenkt werden /ckönnen; jenec\c24 sind das, was man unter dem gemeinen Wahrheitssinn, diese, was man, wenn sie auf freyec25 Handlungen gehnc26, unter moralischem /cGefühle, beydesc\c27 zusammen vielleicht, was man unter Gemeinsinn (sensus communis) zu begreifen pflegt. Dem, sagt man, dürfe man nur allesc28 anschließena29, so könne man mit dem Menschen machen was man wolle. /cc\ ⌇⌇c Aber 1) eben dieses Anschließena30 und das so lange fortgesetzte Herumwenden aller Begriffe, bis sie sich jedesc31 Begriffen und Neigungen /aanschließen, diesa\a32 /cist ebenc\c33, was so schwer, ohne die am Ende /cunsers Textes erwehntec\c34 Eigenschaften, und ohne lange Uebung unerreichbar ist. 2) Vieles, dasjenige wenigstens, wobeyc35 irgend historische Kenntnisse, wie beyc36 Erklärung der heil.c37 Schrift und beyc38 der in ihr vorkommenden Geschichte, oder eine genauere Kennt|b40|niß der Natur der Dinge, zum Grunde gelegt werden müssena39, wie beyc40 |a618| manchen zwar oft gemeinen, aber sehr verwickelten Zweifeln und sehr gewöhnlichem Mißverstande, läßt sich durch diesen Gemeinsinn allein, nicht zur Ueberzeugung oder Entschließunga41 bringen. Und wenn vollends 3) vieles zu diesem Gemeinsinn gezogen würde, was dahin nicht gehörte, oder dieser durch Vorurtheile und Schwärmereyc42 verdorben wäre; kostete es da nicht viel Mühe, den so Verdorbnenc43 zu überzeugen, daß er sich täuschte, |c36| daß sein Sinn zerrüttet wäre? und könnte man ihn wohl eben durch diesen Sinn dahin bringen, daß er empfände, er habe keine Empfindung, oder empfände nicht recht? Wie diese Ueberzeugung durch ganz etwas Andersc44, als durch den bloßena45 Gemeinsinn, bewirkt werden muß: so hat 4) jeder Mensch, ausserc46 dem, worin seine Begriffe und Neigungen mit /cAndrer ihrenc\c47 übereinstimmen, noch viele besondrec48 Vorstellungen, die beyc49 ihm Ueberzeugung wirken, noch sein eignesc50 Interesse, National- und Zeitvorurtheile,a51 z. B. die aus seinem besondern Temperament, seiner Lebensart, seiner besondern Art zu denken, zu schließena52, zu erklären u. s. f. entspringen; und gerade das wirkt auf ihn am meisten, was sich daran schließt. Ists denn also weniger nöthig, oder weniger schwer, daran sich zu halten, wenn man ihn wofürc53 oder /cwowiderc\c54 einnehmen will? – Man hat Jesum /aals eina\a55 Muster des populären und eindringlichen Vortrags dargestellt, und man hat es mit dem größestena56 Recht gethan. Aber eben seine ganze so vollkommen weise Lehrart zeigt, |b41| daß er sich beyc57 denen, die er bekehren oder bessern wollte, keineswegs bloß an den Gemeinsinn hieltec58, sondern gewiß auch das anderec59, was hier berührt worden ist, vornehmlichc60 das zuletzt genannte Eigne seiner Zuhörer, zu Hülfe nahm.
c⌇⌇c Man vergleiche Hauff Bemerkungen über die Lehrart Jesu, mit Rücksicht auf jüdische Sprache und Denkart. Offenbach 1798.c
a1: 528 c2: 21. a3: 523), kommen noch mehrere andere c4: vielleicht a5: 522 c6: 20.). c7: eigenen Grundsätze; ac8: auszudrücken; (a); auszudrucken: (c) c10: überzeugt c11: käme c12: auseinandersetzen c13: kann c14: weiteren a15: anschliessen c16: beikommen kann c17: eigene ac18: auszudrücken a19: die ac20: viel c21: welcher c22: Anm. c23: halten; c24: können. Jene c25: freie c26: gehen c27: Gefühl, Beides c28: Alles a29: anschliessen a30: Anschliessen c31: Jedes a32: anschliessen, das c33: eben ists c34: des vorstehenden §. erwähnten c35: wobei c36: bei c37: heiligen c38: bei a39: muß c40: bei a41: Entschliessung c42: Schwärmerei c43: Verdorbenen c44: anders a45: blossen c46: außer c47: denen anderer Menschen c48: besondere c49: bei c50: eigenes a51: Zeitvorurtheile a52: schliessen c53: für c54: wider etwas a55: zum a56: grössesten c57: bei c58: hielt c59: Andere c60: vornämlich

|a619| 27a1.

Und gerade der /cnatürlich schönec\c2 Vortrag, der allen Arten von Zuhörern gefällt, weil er für Allec3 nicht nur verständlich, sondern auch unterhaltend ist, der eben so wenig künstlich als kunstlos ist, ob er gleich das Letztrec4 zu seyn scheint; der so einnimmt, daß jeder sagen muß: so stellen sich die Sachen in ihrer natürlichen Einfalt dar; von dem jeder glauben kanc5, der koste die wenigste Anstren|c37|gung – gerade der ist am allerschwerestenc6 zu erreichen, weit schwerer als der, wobeyc7 man die Anstrengung des Verstandes oder der Einbildungskraft, oder gar das ängstliche Bestreben, etwas Schönes und Auffallendes zu sagen, wahrnimmt. Woher käm' es sonst, daß wir so äusserstc8 wenige Muster desselben fänden? woher sonst so großea9 Schwierigkeiten, wenn man, was man selbst gedacht, sich es selbst ganz deutlich gemacht, sich es ganz zu seiner eigenen Zufriedenheit ausgedruckta10 hat, in eine ganz andrec11 Form für anders Denkende gießena12 soll? woher, beyc13 einer nicht geringen Anzahl recht guter Prediger, so ungleich weniger recht gute Katecheten? Es ist wahr, ein solcher Vortrag gelingt nur in solchen Stunden, wo die |b42| Seele ruhig, d. i. von keinem andern Gegenstande gestört, wo sie ganz heiter, ganz von dem Gegenstande eingenommen, voll von ihm, aber nicht überladen ist. Alleina14 er wird da nur /ageboren oder empfangen,a\a15 und lange gebildet ist er schon vorher; oder, um ohne Bilder zu reden, |a620| er könnte da nicht gelingen, wenn nicht ein reicher Schatz von praktischen Kenntnissen in der Seele läge, die sich gerade zu rechter Zeit darstellten, um dieser Sache Licht und Wärme zu geben; wenn era16 nicht von vielen feinen Kenntnissen der Menschen und ihrer hier in Anschlag kommenden Umstände unterstützt würde; wenn /adie Seelea\a17 nicht viele Regeln kennte, die man zur Gewinnung des menschlichen Verstandes und Herzens befolgen muß; wenn sie sich nicht durch viele Uebung die Fertigkeit erworben hätte, Sachen von vielen Seiten zu denken, mannichfaltig auszudruckenac18, und sich gleichsam in mancherleyc19 Formen zu gießena20; nur daß zu der Zeit zwar die Vorstellung von den Sachen lebhaft in der Seele ist, aber die Art sie zu sagen, nicht ganz deutlich gedacht wird, |c38| sondern mehr im Verborgnen wirkt, und jene Kenntnisse von Menschen, jene Regeln und Fertigkeiten sich mehr unvermerkt in den Vortrag ergießena21. Es muß jedem einleuchten, wie viel mehr dazu der ehemalige Erwerb aller jener Kenntnisse und Fertigkeiten, als die Stimmung der Seele in einer solchen Stunde selbst, beytragec22, und wie schwer es seyc23, sich erst jenes zu erwerben, wenn man sich Hoffnung machen solle, daß ein solcher Vortrag gelingen werde.

a1: 529 c2: natürlich-schöne c3: alle c4: Letztere c5: kann c6: allerschwersten c7: wobei c8: äußerst a9: grosse a10: ausgedrückt c11: andere a12: giessen c13: bei a14: Aber a15: geboren, empfangen a16: sie a17: sie ac18: auszudrücken c19: mancherlei a20: giessen a21: ergiessen c22: beitrage c23: sei

|b43| 28a1.

Wenn der Prediger immer eine Versammlung von Zuhörern vor sich hätte, die wahres |a621| Interesse für die Religion, und für ihre wahre geistige Wohlfahrt, einen reichen Vorrath von praktischen Kenntnissen der Religion, und heissec2 Lernbegierde mitbrächten, c3 die zum Denken über ernsthafte und unsichtbare Dinge, zur gewissenhaften Anwendung des Erlernten gewöhnt wären;c4 die sich nicht bloß führen ließena5, sondern, an der Hand des Lehrers, über das Vorgetragene selbst dächten, und es auf ihren besondern Zustand anwendeten:c6 so würde c7 sich /cder Prediger bey seinenc\c8 Vortrag sehr erleichtert, und dieser sicherlich mehr Eingang finden. So sind und handeln aber die wenigsten Zuhörer; selbst der aufgeklärtere und der frömmere Theil denkt gemeiniglich, jener zu wenig an die Anwendung, dieser zu wenig an die Läuterung und feste Gründung der Religionserkenntnißa9. Noch dazu ist fast immer die Versammlung ein vermischter Haufe; wo, was dem Einen verständlich, dem Andern schaal und wässerig, und was diesena10 unterhält, jenem undeutlich und zu hoch ist; wo die Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack und Interesse so verschiedenc11 sind, daß es sehr schwer wird, sich ganz zu dem einen Theil herabzulassen, und ihn zu sich hinaufzuheben, demc12 andern hinlängliche Unterhaltung zu geben, |c39| durchaus aber Allen Alles zu werden. – Diesc13 /aund das Unvermögen des Predigers, sich in die Um|b44|stände der Zuhörer zu schicken,a\ ist /aalsoa\ die /czweyte Hauptursachc\c14 (§. 20ac15) der großena17 Schwierigkeiten beyc18 einema19 guten /aVortragc20a\a21.

a1: 530 c2: heiße c3: und c4: wären: a5: liessen c6: anwendeten; c7: er c8: bei seinem a9: Religionskenntniß a10: diesem c11: entschieden c12: den c13: Dieß c14: zweite Hauptursache ac15: 522 (a); 20. (c) a17: grossen c18: bei a19: einen c20: Vortrage a21: Vortrag, die in der Beschaffenheit und Verschiedenheit der Zuhörer liegt

|a622| 29.a1

Indessen würden sie sehr vermindert werden, und der Prediger oder Katechet würde sie weit leichter überwinden können, wenn ihm – welches das drittec2 war (§. 20ac3 und 26ac5) – nicht manche Einrichtungen unter uns im Wege stünden, und a7 Anstalten dazu mehr angelegt wären, worin Christenc8 und worin vornehmlich Lehrer der Religion sollen gebildet werden. – Es versteht sich von selbst, und die Geschichte bestätigt es, daß, wenn Wißbegierde, Aufklärung in der Religion, Interesse für sie und für geistige Angelegenheiten, allgemeiner würde, ein großera9 Theil der Schwierigkeiten wegfallen müßte, welcher von Beschaffenheit /ades Predigers selbst unda\ der Zuhörer /aherrührt.a\a10 Und, wenn gleich alsdanna11 immer noch eine großea12 Verschiedenheit der /aLehrer unda\ Zuhörer bliebe: so würde doch auch die den Vortrag weniger erschweren, wenn, wenigstens öfters, besondrec13 Vorträge für die verschiednenc14 Arten der Zuhörer, bloß für Kinder, c15 für Landleute, für Gelehrtere u. s. w. gehalten würden, und wenn man in Besetzung der Lehrstellen mit mehr Weisheit und Gewissenhaftigkeit verführe, um jeden Lehrer an den Ort, unter die Art von Zuhörern zu versetzen, c16 ihm die Art des Vortrags anzuweisen, die seinen Fähigkeiten am angemessensten wäre.

cAnm. *) Ich kann mich noch immer nicht überzeugen, daß eine solche von Zeit zu Zeit eintretende Absonderung der Zuhörer, wenigstens auf dem Lande oder in kleinen Städten, |c40| nicht möglich sein sollte, sobald es nur der Prediger auf die rechte Art anzufangen wüßte. Siehe meine Vorschläge darüber im Journal für Prediger, Bd. 17. A. d. H.c
a1: 531 c2: Dritte ac3: 530. (a); 20. (c) ac5: 522 (a); 26. (c) a7: die c8: Christen, a9: grosser a10: selbst herrührt, a11: alsdenn a12: grosse c13: besondere c14: verschiedenen c15: Handwerker, Dienstboten, *) c16: und

|b45| 30a1.

Eigentlich aber ziele ich hier auf die Anstalten zur Bildung unsrerc2 Christen und ihrer |a623| Lehrer. Diese sind entweder Schulenc3 oder Universitätenc4, und, wenn man will, besondere Pflanzschulen für die /aLehrer. –a\a5 In Schulenc6 wird gemeiniglich die Jugend fast bloß zu Gelehrten, oder bloß zum gemeinen Leben und den Nahrungsstand erzogen, beyc7 jenen die Bildung zu recht praktischen Kenntnissen in den Wissenschaften, und besonders in der Religion, beyc8 diesen die Kenntniß und das Nachdenken über unsichtbare Dinge, /cbey beydenc\c9 moralische Bildung und Gewöhnung zu eignemc10 Fleiß zu sehr vernachläßigtc11. /aa\ Auf Universitätenc12, wo der künftige Lehrer /cnothwendig mußc\ zu gelehrten Kenntnissen /cangeführetc\c13 werden c14, führt die Natur der Wissenschaften, worin c15 vorzüglich c16 Bestimmtheit und Gründlichkeit /cherrschen mußc\c17, und der Vortrag, wodurch nicht das Volk, sondern Lehrer /csollenc\ gebildet werden c18, auf eine gewisse einförmige und gelehrte Art zu denken, worüber gemeiniglich die praktische Art, die Religion zu behandeln, versäumetc19 wird, und der künftige Lehrer eine Art zu denken und sich auszudruckenac20 annimmt, die es ihm hernach sehr schwer macht, sich zu Ungelehrten herabzulaßenac21, und mit ihnen nach ihren Bedürfnissen zu reden. /cc\ Ueberhaupt aber werden in beyderleyc22 Anstalten zu sehr die Uebungen im guten, besonders praktischen und /cpopulären, Vortrag vernachläßigt,a23 c\c24 und immer seltner,c25 Uebungen, zu welchen man frühzeitig, vorzüglich auf Schu|b46|len, sollte angehalten werden. Denn da ist nicht nur die meiste Zeit |c41| dazu; daa26 könnte auch die Leitung und Kritik eines |a624| verständigen Lehrers die Aufmerksamkeit des jungen Lehrlings gerade auf das richten, was eigentlich zum guten Vortragc27 gehört, ihm die Quellen, woraus er schöpfen sollte, anweisen, oder ihm selbst zu den nöthigen Gedanken helfen, und allesc28 durch nöthige Erinnerungen verbessern;c29 daa30 kanc31 man noch an Achtsamkeit auf /cklein scheinendec\c32 Umstände, die auf den Vortrag so großena33 Einfluß haben, gewöhnt werden, weil das Gemüth noch nicht durch die Aufmerksamkeit auf nöthigere Dinge abgelenkt, und der Geschmack noch nicht durch sogenannte reelle Kenntnisse verwöhnt ist; daac34 läßt sich auch noch die Flüchtigkeit des jungen Kopfs durch stete Uebung und einen heilsamen Zwang einschränken. – Sind aber diese Uebungen versäumt worden;a35 ist der Geschmack nicht frühzeitig zum Gefühl der wahren natürlichen Schönheit des Vortrags gebildet;a36 kommt noch eine unvorsichtige Lectüre dazu, und der Trieb, mehr sein Vergnügen dadurch zu befriedigen, oder höchstens Kenntnisse einzusammlenc37, als den zweckmäßigen Vortrag der Religion zu bilden: so muß es, wie auch die Erfahrung lehretc38, unbeschreiblich schwer werden, hinterher erst einen solchen Vortrag, wie er bisher beschrieben ist, in seine Gewalt zu bekommen.

a1: 532 c2: unserer c3: Schulen c4: Universitäten a5: Letztern. c6: Schulen c7: bei c8: bei c9: bei beiden c10: eigenem c11: vernachlässigt c12: Universitäten c13: nothwendig angeführt c14: muß c15: es c16: auf c17: ankommt c18: sollen c19: versäumt ac20: auszudrücken ac21: herabzulassen c22: beiderlei a23: vernachlässigt c24: populären Vortrage vernachlässigt c25: seltener: a26: da c27: Vortrage c28: Alles c29: verbessern: a30: da c31: kann c32: kleinscheinende a33: grossen ac34: da a35: worden, a36: gebildet, c37: einzusammeln c38: lehrt

31a1.

Worauf käme es nun eigentlich an, wenn der Vortrag der Religion, – er seyc2 aneinan|a625||b47|derhangend, oder mehr Unterredung mit Anderen,c3 – so seyn sollte, daß die Absicht, Andere durch Religion glücklich zu machen, erreicht werden könnte? /c/aa\ Willigkeitc\c4 sie anzunehmen und zu befolgen, kanc5 anders nicht, als durch erweckte Vorstellungen entstehen, die uns das, was zur Religion gehört, als wahr und als |c42| gut zeigen. Wenn also der Vortrag jene Absicht befördern soll:c6 so muß /cer: – beyc\c7 den Zuhörern Vorstellungen /cerweckenc\c8 die von ihnen als wahr, d. i. als der Sache selbst, oder dem Grunde, worauf sie beruhen, gemäß erkannt /cwerden –c\c9 und deren Werth ihnen in Rücksicht auf ihr Bestes einleuchtet. In der ersten Absicht ist der Vortrag belehrend (unterrichtend); in der zweytenc10 überzeugend; in der dritten rührend (im weiternc11 Verstande/a; s.c12 unten §. 43.a\) †)c13. Diese dreyc14 Eigenschaften kanc15 man unter dem Namen der Erbaulichkeit zusammenfassen, und der Vortrag ist erbaulich, wenn er so eingerichtet ist, daß er /cc\ die Erkenntniß /cc\ der göttlichen Wahrheit /cc\ zur Gottseligkeit /cc\ befördern kanc16; wiewohl er auch von Manchen schon so genannt wird, wenn er auch nur Einea17 dieser Eigenschaften, vornehmlich wenn er die dritte,c18 hat. c19

/c†) Anm.a20 1.c\c21 In dem gedachten ersten Fallc22 wirkt der Vortrag auf die bloßea23 Vorstellungskraft, erweitert die Erkenntniß, und verbannt die Unwissenheit oder Unbedachtsamkeit; im zweytenc24 wirkt er auf den Verstand, berichtigt die Erkenntniß, und vertreibt Vorurtheile und Irrthümer; im dritten |b48| wirkt er aufs Herz, oder auf |a626| den Willen, macht die Erkenntniß lebendig, und hebt die Gleichgültigkeit.
/cAnm.a25 2. Das Folgendec\c26 soll c27 weder eine /cAnweisung zum Predigenc\c28, noch zum Katechisirenc29 seyn. Es soll nur auf die Hauptsache beyc30 dem /cerbaulichen Vortragec\c31 aufmerksam machen, und zeigen, wie viel dazu gehöre, wenn ein solcher Vortrag seiner wahren Absicht entsprechen soll. Einzelne Regeln lassen sich hernach leicht daraus ableiten.
c⌇⌇c {Die Bedeutung des Erbaulichen wird oft sehr einseitig aufgefaßt, wie es meistentheils tropischen Aus|c43|drücken geht. Die Hauptidee, welche auch den Stellen des neuen Testaments, woraus er genommen ist (Apostelgesch. 20, 32. Eph. 21, 22. 23. Jud. 20., 1 Kor. 14, 5. 26. u. s. w.) zum Grunde liegt, ist das Emporsteigen eines Baues auf einem gelegten Grunde; eigentlich also ein Zunehmen, Besser- und Vollkommnerwerden, wie denn Luther selbst in mehreren Stellen οἰκοδομη durch Besserung übersetzt hat (1. Kor. 14, 3. 26.). Dieß wird eben sowohl auf Wachsthum an Erkenntniß als an Heiligung bezogen; und Alles, was das Eine oder das Andere, sei es durch Aufklärung der Vorstellungen, sei es durch Erweckung sittlicher und frommer Gefühle, sei es durch Belebung des Eifers in allen Tugenden befördert, ist erbaulich. Häufig aber hat man das Erste davon ausgeschlossen, und nicht nur Vorträge, die mehr den Zweck hatten zu erleuchten, als zu erwärmen, unerbaulich genannt. Allerdings sind Erbauungsbücher, Erbauungsstunden, erbauliche Predigten nicht bloße Verstandesbeschäftigungen, oder Belehrungen über Dinge, und Materieen, die keinen Einfluß auf die ganze Besserung des Menschen haben, wie schon früherhin so viele streng dogmatische und gar polemische Predigten enthielten; aber es giebt auch heilsame Erkenntnisse und eine Berichtigung der Begriffe, die von großer Wichtigkeit für die Tugend des Menschen ist. Außer J. B. Koppe genauere Bestimmung des Erbaulichen in Predigten, Göttingen 1778, vergleiche man Spalding's Predigt von dem was erbaulich ist, Berlin 1781, und die lehrreiche Abhandlung in Paulus neuem theologischen Journal 1797, N. 6. über den Begriff des Erbaulichen, und in meinen Briefen an christliche Religionslehrer, 3te Sammlung. A. d. H.}c
a1: 533 c2: sei c3: Andern c4: Willigkeit, c5: kann c6: soll, c7: er bei c8: erwecken, c9: werden, c10: zweiten c11: weiteren c12: siehe c13: 1) c14: drei c15: kann c16: kann a17: eine c18: dritte c19: 2) a20: Anm. c21: Anm. 1) c22: Falle a23: blosse c24: zweiten a25: Anm. c26: 2) Wenn wir diese Haupttendenz öffentlicher Vorträge etwas weiter verfolgen, so c27: dies doch c28: Anweisung zum Predigen c29: Katechisiren c30: bei c31: erbaulichen Vortrage

32a1.

Belehrung, wodurch die Kenntniß des Zuhörers immer mehr erweitert, und er zum Besinnen und Denken ge|c44|bracht wird, ist die erstea2 unentbehrliche Eigenschaft eines guten Vortrags,c3 und c4 in dem Grade kanc5 dieser nützlich seyn, in welchem er diese Eigenschaft hat. – Denn wie kanc6 man etwas für wahr unda7 gut halten, was man nicht kennt? woher anders, als daraus, können Gründe genommen werden, wodurch man sich überzeugt, und wonach man etwas begehrt oder verabscheut? oder wie kanc8 der Beyfallc9, den man einem Satzc10 giebt, und die Willigkeit, mit der man ihn befolgt, gewissenhaft seyn, /cd. i.c\c11 wie kanc12 man sich selbst Rechenschaft geben, daß man etwas für wahr annehmen und wollen müsse, ohne durch die Kenntniß, die man von einer solchen Sache hat? Immer rührt auch alle Gleichgültigkeit gegen das, was wahr und gut ist, und alle Verwerfung desselben da|b49|her, daß man es entweder nicht kennt, oder zu der Zeit nicht daran denkt, oder sichs nicht lebhaft genug vorstellt; und diesem allen kanc13 |a627| nur rechte Belehrung abhelfen. – Das Bekannte verliert, weil man dessen gewohnt wird, nach und nach den Eindruck, und kanc14 nur dadurch aufgefrischt werden, daß man immer Mehreres hinzu lernt, wodurch das Bekannte in uns in neuen Verbindungen erscheint, und uns neue Aussichten eröfnetc15 werden, welche die Beschäftigung mit bekannten Sachen unterhaltender machen. – Was nicht wirklich belehrt, wobeyc16 man nichts Bestimmtes denkt, was bloß die Phantasie in Bewegung, und das Gemüth in Affekt setzt, das geht wie ein Rausch vorüber, und kanc17 keine dauerhaftec18 Eindrücke hinterlaßenac19. Je mehreres man hingegen von einer Sache /cweiß; jec\c20 mehr erzeugt Eines das Andere, weckt Eins das Andrec21 wieder auf, wirkt Eins wenn das Andrec22 unwirksam schläft, verstärkt das Eine die Wirkungen des Andern. – Wenn nun vollends der Re|c45|ligionsunterricht in den früheren Jahren, es seyc23 aus Schuld des Lehrers oder der Unfähigkeit und Flüchtigkeit des Alters, bloß auf das Gedächtniß gewirkt hat; wenn aus der Denkungsart und aus anderweitigen angenommnenc24 Vorurtheilen eines Menschen sich Vorstellungen in seine Religionskenntnisse eingeschlichen haben, die, so denkbar sie sonst seyn mögen, in der Religion undenkbar sind; wenn sein Gemüth durch angefangneac25 Zweifel oder verführerische, zumal den Leidenschaften des Men|b50|schen schmeichelnde, Gedanken verwirrt, oder von der Achtung und Liebe zur Religion abgezogen worden ist; wenn ohnehin mit den Jah|a628|ren der Unmündigkeit der jugendliche Religionsunterricht aufhört; wenn die sich nun selbst Ueberlaßenenac27 keines aneinanderhängenden förmlichen Unterrichts in derselben mehr genießena28, und sich entweder gar nicht mehr um Unterricht in der Religion und dessen Erweiterung bekümmern, oder sich selbst nach mangelhaften und willkührlichenc29 Begriffen eine Religion bilden: was bleibt dann, diesem Uebel abzuhelfen, noch übrig, als daß durch öffentliche Vorträge der Religion diese Belehrung entweder erst ertheilt, oder unbestimmten, halbwahren und unrecht angewendeten Vorstellungen eine andrec30 Richtung gegeben werde.c31

a1: 534 a2: erste c3: Vortrags; c4: nur c5: kann c6: kann a7: oder c8: kann c9: Beifall c10: Satze c11: d. i.: c12: kann c13: kann c14: kann c15: eröffnet c16: wobei c17: kann c18: dauerhaften ac19: hinterlassen c20: weiß, desto c21: Andere c22: Andere c23: sei c24: angenommenen ac25: aufgefangne (a); angefangene (c) ac27: Ueberlassenen a28: geniessen c29: willkürlichen c30: andere c31: werde?

33a1.

Soll der Vortrag belehrend seyn: so muß er nicht nur Dinge bekannt machen, die der Zuhörer vorhin nicht wußte, oder an die er nicht dachte; er muß auch beyc2 ihm wirklich Begriffe, und zwar bestimmte Begriffec3 davon hervorbringen können. – Er muß ihm 1) etwas zu denken geben, sowohl in Absicht auf Sachen als auf Worte. – – Auf Sachen.c4 Und hier sollte aus dem Vortrage |c46| allesc5 entfernt werden, was entweder an sich undenkbar ist, oder doch, so fern es von Gott und in der Religion gebraucht wird, sich nicht denken läßt, oder, weil die ganze Religion praktisch seyn /cmuß (/aTheil 2.a\ §. |b51| 169a6)c\c7, was überhaupt oder /cbey denenjenigenc\c8 Zuhörern, mit welchen man zu thun hat, weder zu ihrer |a629| Besserung, noch zu ihrer Beruhigung brauchbar vorgetragen werden kanna9. /c†)c\ Was sich hingegen denkbar und praktisch machen läßt, müßte man so sehr an die Begriffe, die man beyc10 den Zuhörern voraussetzen kanc11, anknüpfen, durch Gegensätze, durch Erfahrungen, Beyspielec12 und Beschreibungen so erläutern, und, wenn man Stellen der heiligen Schrift braucht, diese durch faßlichere Gedanken und Umschreibungen so klar und anschauend machen, daß aller nachtheilige Mißverstand verhütet, und der Gedanke ihnen so anschaulich,c13 als möglich gemacht würde. – In Absicht auf Worte aber müßte man sich aller Ausdrücke enthalten, die den Zuhörern unverständlich sind, sie mögen übrigens sonst so gut, und durch den Gebrauch so gangbar gemacht und geheiligt seyn, als sie /cwollen; manc\c14 müßte /cwenigstensc\ nichts unerklärt /claßena15, wobeyc\c16 man wüßtea17, daß sie nichts oder leicht etwas Falsches zu denken gewohnt wärena18; /cund alles müßtec\c19 in so faßliche, darstellende und edle Ausdrücke eingekleidet werden, als man /cirgend,c\c20 der Natur der Sachen angemessena21 finden könnte.

†)c22 Undenkbar an sich ist z. B. die c23 Lehre von Christi Allwissenheit, der er sich in besondern Fällen soll entäussertc24 haben. Undenkbar in der Religion sind die gemeinen groben Begriffe von dem erzürntenc25 und erst durch Christum besänftigtenc26 Gott, von Vergebung der Sünden, als einer Aufhebung aller |b52| nachtheiligen Folgen unsrerc27 Vergehungen, von Strafen Gottes als bloßena28 Uebeln /cu. d. gl.c\c29 Undenkbar im praktischen Verstan|c47|de, die Lehre von der /cHöllenfahrt Christic\c30 im eigentlichen Verstandea31, die von einer eigentlichen Zurech|a630|nung des Falls Adams u. a. – Beyspielec32 zu den übrigen Theilen des §., sonderlich von unverständlichen, gemißdeuteten, theils vieldeutigen, theils uneigentlichen Ausdrücken, als: wesentlicher Leib Christi, Glaube, Bußea33, Gnade, Wiedergeburt /cu. d. gl.c\c34 werden jedem leicht beyfallenc35.
a1: 535 c2: bei c3: Begriffe, c4: Sachen! c5: Alles a6: 456 c7: muß, Alles c8: bei denjenigen a9: kan c10: bei c11: kann c12: Beispiele c13: anschaulich c14: wollen. Wenigstens a15: lassen c16: bleiben, wovon a17: weiß a18: sind c19: Alles dagegen c20: nur irgend a21: angemessen, c22: Anm. c23: dogmatische c24: entäußert c25: erzürnten c26: besänftigten c27: unserer a28: blossen c29: u. dgl. c30: Höllenfahrt Christi a31: Verstand c32: Beispiele a33: Busse c34: und dergleichen, c35: beifallen

34a1.

Doch dieses allein würde zur rechten Belehrung nicht dienen, wenn der Vortrag nicht auch so eingerichtet wäre, daß er 2) bestimmte Begriffe erwecken könnte. Wer diese Eigenschaft /cseinen Vortragc\c2 mittheilen, und verhindern wollte, daß dieser nicht entweder Irrthümer erzeugte, welchen doch die Belehrung eben mit vorbeugen will, oder daß der Vortrag den Zweck nicht erreichte, den er doch haben soll, Belehrung zu geben: der müßte sich durchaus solcher Ausdrücke bedienen, wobeyc3 er voraussehen könntea4, der Zuhörer werde, nach dem ihm bekannten Sprachgebrauch, gerade das denken, was der Lehrer ihm dadurch sagen /awill. Era\a5 müßte sich aller zweydeutigenc6 und schwankenden Ausdrücke enthalten, die nach dem Sprachgebrauch entweder mehr oder weniger Vorstellungen, als der Lehrer wirklich mittheilen will, oder gar fremde Vorstellungen, erregen /akönnten. Wärea\a7 dieses aber zu besorgen, |b53| und wären entweder keine Ausdrücke in der Sprache vorhanden, die diese Fehler nicht hätten, oder gäbe es zwar bestimmtere, aber denena8 Zuhörern, vor denen man redete, nicht verständliche Ausdrü|a631|cke, so müßte durch deutliche und faßliche Erklärungen und Erläuterungen, auf die /aim vorigena\a9 §. erwähntea10 Art, diesem Mißverstande abgeholfen werden.

|c48| c11 Man sieht c12 aus diesen /czwey §§a13 c\c14
  • 1.c15 Wie ausnehmend viel auf die Klugheit des Lehrers in der Wahl der vorzutragenden Sachen und Worte ankomme, und worauf er beyc16 dieser Wahl zu sehen habe. Die wahren Bedürfnisse und Kenntnisse der Zuhörer, die er belehren will, müssen der Maaßstab seyn, wonach er sich in seiner Wahl,c17 aufs gewissenhafteste und schonendste,ac18 richten muß.
  • 2.c19 Wie höchst nöthig es seyc20, daß ein Lehrer seine Zuhörer, wenigstens überhaupt nach ihrer Fähigkeit, c21 Kenntnissen, herrschender Denkungsart, Geschmack und Sitten kenne; mit den gewöhnlichen Begriffen, Vorurtheilen, moralischen Grundsätzen, und selbst der Sprache des Volks, allesc22 besonders in Absicht auf Religion, bekannt sey;c23 und nicht nur die Wahrheit, sondern auch den wahren praktischen Werth und c24 Wichtigkeit der Lehren zu schätzen wisse; und
  • 3.c25 wie sehr ein wahrer Volkslehrer nach Menschenkenntniß,c26 und nach ausgebreiteter, bestimmter und fruchtbarer Kenntniß der Religion, der Moral, des guten Vortrags und der Sprachen, wenigstenc27 |b54| der Sprache, worin er seine Vorträge hält, und nach der gehörigen Fertigkeit darin, durch öftere und fleissigeac28 Uebung streben sollte.
a1: 536 c2: seinem Vortrage c3: wobei a4: kan a5: will; er c6: zweideutigen a7: könnten; wäre a8: den a9: in vorigem a10: erwehnte c11: Anm. c12: sowohl a13: §§. c14: als den vorigen §§. c15: 1) c16: bei c17: Wahl ac18: schonendste c19: 2) c20: sei c21: ihren c22: Alles c23: sei, c24: die c25: 3) c26: Menschenkenntniß c27: wenigstens ac28: fleißige

35a1.

Durch die Belehrung lernt der Zuhörer die Sachen recht kennen; soll er aber dabeyc2 nicht |a632| gleichgültig bleiben, sondern sie zu seinem Besten benutzen;c3 so muß er einsehen lernen, daß dasjenige, was er gehört hat, wahr seyc4, d. i. er muß es, so fern es seine Kenntniß angeht, glauben, und, so fern es seinen Willen betrifft, für seine Pflicht ansehen, und sich, es zu thun oder zu laßenac5, für verbunden achten. Ein Vortrag, der dies bewirken kanc6, ist überzeugend; welches die zweytec7 Eigenschaft warc8 (§. 31).ac9 Die Einsicht der Wahrheit beruht auf Gründen, die den |c49| Zuhörer nöthigen, eine Lehre für wahr zu halten; er wird aber diesen keine hinlängliche Aufmerksamkeit schenken, wenn er die Lehre nicht in Beziehung auf sein Bestes ansieht, d. i. wenn sie nichts Anziehendes für ihn hat, wenn sie ihm nicht interessant ist;c11 und /cdies kanc\c12 sie für ihn, wenn sie praktisch ist, nicht seyn, falls er nicht einsieht, daß sie in der Anwendung möglich seyc13, /aunda\ daß er ihr gemäß handeln könne. Hieraus entstehen dreyc14 Eigenschaften des überzeugenden Vortrags. Er muß darauf eingerichtet seyn, daß die Zuhörer,c15 die Lehren /cc\ für gegründet, /cc\ für interessant und /cc\ für ausführbar erkennen.

a1: 537 c2: dabei c3: benutzen, c4: sei ac5: lassen c6: kann c7: zweite c8: war. ac9: 533). (a); 31.) (c) c11: ist: c12: dieß kann c13: sei c14: drei c15: Zuhörer

|b55| 36a1.

Um den ersten Zweck zu erreichen, ist /a1)a\ die /abloße Wärmea\a2 oder c3 Eifera4 im Vortrag nicht hinlänglich; siec5 beweiset nur, daß der Lehrer für das, was er sagt, eingenommen seyc6. Der Affektc7 läßt sich nicht immer den Zuhörern /amittheilen. Era\a8 wirkt nur da, wo der Zuhörer schon durch seine Denkungsart, durch seine Grundsätze, durch seine Neigungen,c9 dazu gestimmt ist, aber nicht da, woa10 er eben am /anöthigsten wäre; ich meinea\a11, wo gerade alles dieses nach den Lehren, und durch sie, sollte verbessert /awerden. Esa\a12 wird /a/cso garc\c13 der Affektc14 daa\a15, wo die Zuhörer nicht blindlings zu folgen gewohnt sind – und diesc16 sollte der Lehrer nicht einmal wünschen, wenn ihm Gewissenhaftigkeit der Zuhörer lieb wärea17 – er wird beyc18 nüchternen, selbstdenkenden, gewissenhaften, oder gegen eine Lehre eingenommnenc19 Zuhörern vielmehr das Vorurtheil einer übeln Sache, oder doch wenigstens der Unfähigkeit des Lehrers, Andrec20 zu überzeugen, /ahervorbringen; weil jeder glauben muß, daß der Lehrer den einzigen Weg zur wahren Ueberzeugung, |c50| die nur durch Gründe bewirkt wird, gehen würde, wenn er wirkliche Gründe hätte, und nicht den Abgang der Gründe durch sinnliche Betäubung der Zuhörer ersetzen wollte. – 2) Scharfsinnigea\a21 und /agelehrte Beweisea\a22 wirken eben so wenig, weil sie die Wenigsten fassen können, und die Meisten ohnehin gelehrte Angaben auf das bloße Wort des Lehrers annehmen müssen. – Man führe hingegen allesc23, |b56| wovon man überzeugen will, so viel man immer kanc24, auf den gemeinen Menschenverstand und auf das moralische Gefühl;a25 auf Sätze, die man beyc26 den Zuhörern, als wahr erkannt, gewiß voraussetzen kan;ac27 auf bekannte Erfahrungen, deutliche Gleichnisse, einleuchtende Beyspielec29, auf Vergleichung mit offenbar ähnlichen unbezweifelten Sätzen und Fällen;a30 auf ganz klare oder leicht klar zu machende Stellen der heiligen Schrift zurück. Man nehme beyc31 moralischen Sätzen die natürliche Billigkeit und die augenscheinlichen oder leicht abzusehenden Folgen der Handlungen zu Hülfe. |a634| Man mache, zumal wenn uns die bisher erwähnten Mittel abgehen, die Lehren praktisch, und zeige, wie viel besser man, in Absicht auf Beförderung des Guten und unsreac32 Beruhigung, als beyc34 dem Gegentheil, fahre. Man hüte sich insbesondere fürc35 unbestimmten Behauptungen, die man nicht ganz wahr machen, und wobeyc36 der Zuhörer leicht Ausflüchte finden kanc37, und /cfür übertriebnenc\c38 Sätzen und Forderungen, welchen er leicht gegenseitige Erfahrungen oder die Unmöglichkeit entgegensetzen /akönnte. Mana\a39 zeige vielmehr, wie weit jemand, der anders denken möchte, rechtc40 habe, und laßeac41 selbst der Schwachheit und den Fehlern Gerechtigkeit wiederfahrenc42. Man hüte sich endlich, keine Zweifel zu erwähnen, oder zu bestreiten, wenn sie nicht jedem von selbst aufzustoßen schei|c51|nen, oder als sehr gangbar bekannt sind; man richte vielmehr den Vortrag so behutsam, bestimmt und discret ein, daß dadurch selbst die Zweifel verhindert werden, oder der ir|b57|gend nachdenkende Zuhörer schon in dem Vorgetragnenc43 selbst hinlängliche Auflösung der etwa entstehenden Zweifel finde.

a1: 538 a2: blosse Wärme c3: der a4: Eifer c5: er c6: sei c7: Affect a8: mitthei|a633|len; er c9: Neigungen a10: worauf a11: meisten arbeiten sollte a12: werden; er c13: sogar c14: Affect a15: sogar da c16: dieß a17: ist c18: bei c19: eingenommenen c20: Andere a21: hervorbringen. Scharfsinnige a22: gelehrte Beweise c23: Alles c24: kann a25: Gefühl, c26: bei ac27: kan, (a); kann; (c) c29: Beispiele a30: Fällen, c31: bei ac32: unsrer (a); unsere (c) c34: bei c35: vor c36: wobei c37: kann c38: vor übertriebenen a39: könnte; man c40: Recht ac41: lasse c42: widerfahren c43: Vorgetragenen

37a1.

Wenn wir uns eine Sache – es seyc2 ein allgemeiner Satz oder ein besondrerc3 Fall – in Beziehung auf uns vorstellen, und ihrenc4 vortheilhaften Einfluß c5 auf uns bemerken,ac6 oder ahnden, so ist sie anziehend für uns, oder in|a635|teressant,c7 (sie nimmt uns ein, wir nehmen daran Theil, bleiben dagegen nicht /cgleichgültig) †);c\c8 und ein Vortrag ist anziehend, wenn er diese Wirkung hervorbringt. Diese zweytec9 Eigenschaft /a(§. /c35) kanc\c10 a\a11 entweder in den Sachen selbst liegen, die man vorträgt, oder in der Art, wie sie vorgetragen werden, wodurch das einen Reiz bekommen kanc12, was für uns sonst gar keinen, oder, weil es uns schon geläufig war, nicht mehr den starken Reiz, wie vorhin, hatte. – Ein solcher Vortrag erregt und fesselt unsrec13 Aufmerksamkeit. Er überzeugt, d. i. er macht, daß wir etwas für wahr und gegründet erkennen, weil wir es, in solcher Beziehung, mit unserma14 Zustand, unserer Denkungsart oder sonstigen Kenntnissen und Neigungen, übereinstimmend finden; er verstärkt wenigstens unsrec15 Ueberzeugung, oder vertritt doch ihre Stelle, wenn wir einsehen, daß wir, ohne dieses als wahr vorauszusetzen, uns gewisse für wahr erkannte Dinge nicht erklären, oder ein gefühltes Bedürfniß nicht befriedigen |b58| können. Und überhaupt kanc16 ein Vortrag |c52| nicht den geringsten Eindruck auf uns machen, und also auch nicht erbauen (§. 31ac17), wenn er für uns gar nichts Anziehendes hat.

/c†) Es scheint, daß dasc\c19 Interessante c20 nicht immer in einerleyc21 Sinn genommen /cwerdec\. Wir /cnennen schon alles interessirendc\c22, was wir uns in Beziehung auf unsern Zustand denken, es mag ihm eine angenehme Veränderung versprechen, oder eine unangenehme drohen; wir bleiben beyc23 diesem so wenig gleichgültig als beyc24 jenem. Aber oft nennen wir nur das |a636| anziehend oder interessant, was wir uns gern vorstellen; wir wenden uns vom Unangenehmen weg, und es hat nur einen Reiz für uns, so fern es mit etwas Angenehmen verbunden ist, z. B. mit der Vorstellung von moralischer Stärke der leidenden Menschheit, von Mitteln,a25 dem Unangenehmen abzuhelfen /cu. d. gl.c\c26 Man könnte jenes interessant im weitern, dieses,c27 im engern Verstande nennen. In dem letztern ist es hier genommen.
a1: 539 c2: sei c3: besonderer c4: den c5: derselben ac6: bemerken c7: interessant c8: gleichgültig); *) c9: zweite c10: 35.) kann a11: (§ 537) kan c12: kann c13: unsere a14: unsern c15: unsere c16: kann ac17: 533 (a); 31. (c) c19: Anm. *) Das c20: wird c21: einerlei c22: sagen von Allem, daß es uns interessire c23: bei c24: bei a25: Mitteln c26: u. dgl. c27: dieses

38a1.

Nach dem bisher erläuterten Begriff wird es überhaupt auf zweyc2 Stücke ankommen, wenn der Vortrag anziehend werden soll. – Zuerst, /aa\ weil die Zuhörer das, was gesagt wird, auf sich ziehen, für ihre Angelegenheit erkennen sollen, /aa\ daß man allesc3 vermeide, was sie auf den Gedanken bringen könnte, als redete der Lehrer bloß Amts halbenc4, hörte sich selbst gern, suchte seine Talente oder Kenntnisse zu zeigen, wollte über |b59| das Gewissen der Zuhörer herrschen, oder sie durch Vorwürfe kränken, kurz, seinetwegen reden; hingegen den Vortrag so einrichte, daß die Zuhörer merken können, er sage alles bloß ihretwegen, und mache ihre Angelegenheit zu der seinigen. – Hernach,c5 /aa\ weil nur das interessirt, was einen Einfluß |c53| auf unser Bestes hat, /aa\ daß der Vortrag nichts enthalte, als was praktisch ist (/aTheil 2.a\ §. 169ac6), und so dargestellt werden kanc8.

a1: 540 c2: zwei c3: Alles c4: halber c5: Hernach ac6: 456 (a); 169. (c) c8: kann

|a637| 39a1.

Dieses doppelte Interesse kanc2 man dem Vortragc3 1) durch die Sachen selbst geben (§. 37ac4). Es giebt gewisse Sachen, die jeden Menschen, der nicht ganz unempfindlich ist, andrec6, die gewisse Classenc7 von Menschen, oder die sie unter gewissen Umständen vorzüglich interessiren, weil sie mit ihrer besondern Denkungsart, Beschäftigungen, Bedürfnissen und Wünschen zusammenhängen. Davon hören sie gern sprechen, darüber wünschen sie weitere Belehrung, an deren Gewißheit liegt ihnen, und dagegen sind ihnen Zweifel, oder Verlegenheit darüber, peinlich; was /cda hinein schlägtc\c8, ihnen darüber Licht, Gewißheit und Auskunft giebt, findet allezeit willig Gehör; und wer /aselbst solchea\a9 Sachen, die ihnen gleichgültig sind, daran zu knüpfen versteht, wird sogara10, durch jener Hülfe, auch für diese einnehmen. Man mache ihnen also nur, was man sagt, durch ihre eignenc11 erlangten oder leicht zu erlangenden Erfahrungen begreiflich;a12 zeige ihnen über|b60|all, wozu und wie sie das Gesagte brauchen, wie sie Gottes nie entbehren, aber beyc13 ihm immer Rath und Hülfe finden können, wie die Gottseligkeit zu allen Dingen und in allen und allerleyc14 Angelegenheiten nütze seyc15, und was alle Arten des Bösen für schädliche Folgen haben; man bleibe nie bloß beyc16 dem Allgemeinen stehen, wovon sie die Beziehung auf sich nicht absehen, oder sich einbilden möchten, es gehe sie nicht /can †);a17 c\c18 sondern /amana\ gehe mehr ins Einzelne, |a638| und laßeac19 sich zu den besondern Angelegenheiten der Zuhörer herab:c20 so wird man |c54| sie gewiß anziehen, so weit es durch die Natur der Sache selbst möglich ist.

†)c21 Man dringe z. B. nicht bloß auf Besserung oder Glauben, sondern zeige zugleich, auf die §. 36ac22 erwähnte Art, was und wie viel dazu gehöre, nebst den Hindernissen und den Mittelnc24 sie zu überwinden; man bestreite vornehmlich praktische Vorurtheile und schädliche Mißverständnisse, und mache ihren Schaden klar. Man zeige, wenn von besondern Tugenden oder Lastern und Sünden die Rede ist, die Gränzen, wo Recht und Unrecht aufhört, ziehe die feinern unerkannten Vergehungen,c25 (z. B. beymc26 Diebstahl, die Verfertigung schlechter Arbeit, die Verwendung zu vieler Zeit darauf, das Beziehen eines unbilligen Preises, die Benutzung öffentlicher Bedürfnisse und deren Seltenheit zur Uebertheurung Anderer /cu. d. gl.c\c27) ans Licht, mache das darin liegende Unrecht, mit aller Billigkeit und Schonung, begreiflich. Eben so beyc28 der |b61| Beurtheilung sogenannter unschuldigenc29 Vergnügungen, des falschen Vertrauens auf Gott u. s. f.
a1: 541 c2: kann c3: Vortrage ac4: 539 (a); 37. (c) c6: andere c7: Klassen c8: dahin einschlägt a9: auch a10: selbst c11: eigenen a12: begreiflich, c13: bei c14: allerlei c15: sei c16: bei a17: †), c18: an: ac19: lasse c20: herab, c21: Anm. ac22: 538. (a); 36. (c) c24: Mitteln, c25: Vergehungen c26: beim c27: u. dgl. c28: bei c29: unschuldiger

40a1.

Denn es kanna2 der Vortrag 2) auch durch die Art anziehend gemacht werden, wie man die Sachen darstellt. Je natürlich schöner und dem guten Geschmackec3 gemäßera4 der Vortrag ist; je mehr er Erguß des von dem Werth der Sachen und von Liebe zu den Zuhörern vollen Herzens ist; je mehr er den Reizc5 des Neuen hat, |a639| d. i. nicht des Paradoxen oder überhaupt Auffallenden, sondern so, daß der Zuhörer auf das bisher Unbemerkte, oder, wenn es gefunden ist, sich durch seine Einfalt und Werth so leicht Empfehlende aufmerksam gemacht wird; je natürlicher Eines sich aus dem Andern ergiebt; je leichter man es dem Zuhörer macht, selbst Entdeckungen zu machen, und das Ge|c55|sagte selbst anzuwenden; je vertraulicher und herablaßenderac6 der Lehrer mit ihnen spricht; je natürlicher selbst der Ton seiner Stimme und der ganzen Aktionc7 ist: je mehr Wirkung kanc8 er thun. – Wie nöthig es zu allem bisher Erwähnten sey:c9 seine Zuhörer,c10 nach ihren Fähigkeiten, Beschäftigungen, allgemeinen und besondern Bedürfnissen, herrschenden Vorurtheilen, Meinungen und Sitten zu kennen; eine recht ausgebreitete praktische Kenntniß der Religion, besonders nach ihrenac11 Werth und Einfluß aufs Herz und Glückseligkeit der Menschen; viele Uebung, diese Lehren |b62| darauf anzuwenden; viele vertraute Bekanntschaft mit dem menschlichen Herzen, denen darin liegenden Hindernissen des Guten, der mannichfaltigen besten Art ihm beyzukommenc12, der Geschichte und dem gemeinen Leben, endlich der schönen Wissenschaften, zu haben – das bedarf kaum einer Erinnerung.

a1: 542 a2: kan c3: Geschmack a4: gemässer c5: Reitz ac6: herablassender c7: Action c8: kann c9: sei, c10: Zuhörer ac11: ihrem c12: beizukommen

41a1.

Und eben dieses ist nöthig, um das Gesagte drittens (§. 35ac2) ausführbar darzustellen. Denn, |a640| wenn der Zuhörer in der Einbildung steht, daß das, was ihm empfohlen wird, unmöglich, oder über seine Kräfte seyc4, oder wenigstens nicht weiß, wie er es anfangen solle: so kanc5 es beyc6 ihm keine Frucht /aschaffen. Ihma\a7 jene Einbildung zu benehmen, zu zeigen wie er der werde, der er seyn soll, wie er das Empfohlnec8 in Ausübung bringen, wie er die vorgeschlagnenc9 Mittel wirklich anwenden /ckönne, dies kanc\c10 ohne jene eignec11 Kenntnisse des Lehrers nicht geschehen. †)c12 Bloßea13 Vermahnungen und Gewissensrügen, oder bloßea14 Verweisungen auf Gott, ohne Aufmunterung zu eignemc15 Fleiß, helfen nicht. Der Lehrer gewinnt schon viel, |c56| wenn er den Zuhörern die Vorurtheile benehmen kanc16, worauf jene Einbildungen beruhen. Er verhindert oder schwächt die Ausflüchte, wenn er seine Forderungen nicht überspannt, wenn er nichts Unmögliches und das Schwere nicht auf einmalac17 fordert. Noch mehr, wen er an ähnlichen Fällen des menschlichen Lebens die Möglichkeit der Ausführung und die Art zeigt, wie es |b63| anzufangen seyc19. /aa\ Je mehr er die Selbstliebe der Zuhörer in Bewegung zu setzen, und es ihnen einleuchtend zu machen weiß, was für selige Folgen der Fleiß habe, das Gute auszuüben, und wenigstens öftere Versuche zu machen, und wie unglücklich der Mensch werde oder bleibe, wenn er es nicht thue: je mehr wird er ihre Trägheit besiegen, welche die größesteac20, oft die einzige, Ursache ist, warum sie den Lehren nicht folgen, und sich von ihrer Wahrheit oder Werth oft nicht einmahlc22 überzeugen laßenac23.

|a641| /c†)c\c24 Es ist z. B. eben so vergeblich,c25 als /cleicht, gesagt:c\c26 daß man Zweifel, Gram und Sorgen wegwerfen solle. Man laßeac27 dagegen auch diesen Gerechtigkeit wiederfahren;ac28 mache sie nicht geradezu und durchaus zur Sünde,c30 nehme wirklich mitleidigen Antheil;a31 warne nur fürc32 dem bloß sinnlichen Nachhängen,a33 oder der Verfolgung trauriger Gedanken, /cfür denc\c34 süßen Gift, das sie mit sich führen, besonders dafürc35, daß die Leidenden sich nicht diese /cVerfolgungc\c36 /atrüber Gedankena\ zur Gewissenspflicht machen;a37 benehme, durch heilsame Aufklärung ihrer Religionsbegriffe, allem schädlichen Wahne die Nahrung;a38 suche sie durch wahrhaftig tröstende Vorstellungen und heitrec39 Aussichten, auch Verdeutlichung der, ohne unser Verdienst und Denken, überall, selbst beyc40 Leiden, väterlich sorgenden Güte und Weisheit Gottes, auf angenehme Umstände zu lenken, ihnen wirklich ihrena41 Zweifel aufzulösen, oder, wo sie, |c57| den Umständen nach, zu beydenc42 noch nicht fähig sind, sie nützlich zu zerstreuen /cu. d. gl.c\c43
a1: 543 ac2: 537 (a); 35. (c) c4: sei c5: kann c6: bei a7: schaffen; und ihm c8: Empfohlene c9: vorgeschlagenen c10: könne: dieß kann c11: eigenen c12: *) a13: Blosse a14: blosse c15: eigenem c16: kann ac17: einmahl (a); Einmal (c) c19: sei ac20: grösseste (a); größte (c) c22: einmal ac23: lassen c24: Anm. *) c25: vergeblich c26: leicht gesagt, ac27: lasse ac28: wiederfahren, (a); widerfahren; (c) c30: Sünde; a31: Antheil, c32: vor a33: Nachhängen c34: vor dem c35: davor c36: geflissentliche Nährung a37: machen, a38: Nahrung, c39: heitere c40: bei a41: ihre c42: beiden c43: u. dergl.

|b64| 42a1.

Der dritte Zweck des erbaulichen Vortrags (§. /a31c2 und 35c3a\a4) muß auf das Herz und die Neigungen der Zuhörer gerichtet seyn, und dahin gehen, die Erkenntniß lebendig zu machen, oder beyc5 ihnen wirksame Entschließungena6 hervorzubringen, dem zu folgen, was man als wahr und gut erkannt hat. Ein Vortrag, der so eingerichtet ist, daß er diese Wirkung hervorbringen kanc7, ist ein rührender Vortrag (§. 31ac8) – Ohne diese Eigenschaft desselben würde alle noch so verbesserte Kenntniß das Beste |a642| des Menschen nicht wirklich befördern;c10 ohne zugleich mit auf das Herz zu arbeiten, würde nicht einmala11 die Aufmerksamkeit des Zuhörers an das, was zu seiner Belehrung gesagt wird, genug gefesselt, noch die Ueberzeugung vollendet werden, wenn sich Neigungen und Gewohnheiten gegen die Ueberzeugung streubtenc12.

a1: 544 c2: 31. c3: 35. a4: 533 u. 537 c5: bei a6: Entschliessungen c7: kann ac8: 533 (a); 31. (c) c10: befördern, a11: einmahl c12: sträubten

43a1.

Nun hängt alle wahre Glückseligkeit der Menschen davon ab, daß sie theils, in Absicht auf diejenige, die in ihrer Gewalt steht, und von ihrem Willen abhängt, immer recht handeln, und daher stets mit sich zufrieden seyn können; theils, in Absicht auf die, welche nicht in ihren Händen ist, aber ihnen von der stets weisesten und gütigsten Regierung Gottes zugetheiletc2 wird, immer das für ihr wahres Beste halten, was diese über sie fügt, und sich dabeyc3, zufrieden mit |b65| Gott, beruhigen. Folglich entspricht ein Vortrag der Religion nur alsdanna4 seinem wirklichen Zweck,c5 |c58| die Menschen glücklich zu machen, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Menschen wirklich /cc\ bessern /cc\ und beruhigen kanac6. In jener Absicht,c7 könnte man ihn rührend,c8 oder bessernd, im engern Verstande, in dieser,c9 ihn beruhigend nennen.

Anm.ac10 Es scheint wegen des Folgenden, und um allen Mißverstand zu verhüten, nöthig, zu bemerken, daß, was wir hier rührend nennen, keinesweges mit dem Interessanten /a(§. /c37) einerley seyc\c11. Allesa\a12 Rührende muß interessant seyn,c13 aber es kanc14 etwas interessiren, ohne mich zu rühren. Schon allesc15, was /cich denken kanc\c16, interessirt mich, weil es meine Vorstellungen bereichert, oder meine Thätigkeit beschäftigt: ich habe dann immer eine, wenn gleich oft nur dunkle, Vorstellung von einer Beziehung, in der das Erkannte auf mich steht. Je näher diese Beziehung ist, oder je stärker ich sie mir /cdenke: jec\c17 lebhafter kanc18 das Vergnügen über die Betrachtung dieser Sache, und jec19 stärker das Interesse werden. – Aber deswegen begehre ich die Sache noch nicht. Ich kanc20 durch einen Satz oder durch eine Handlung in einer wahren oder erdichteten Geschichte sehr angezogen werden, und mit großem Vergnügen dabeyc21 verweilen, ohne jenem folgen, oder so werden zu wollen; wie dieses der Fall beyc22 allen Sätzen und Handlungen ist, die Anstrengung und Aufopferung erfordern, z. B. beyc23 dem Satzc24, daß ich durchaus auf Gott |b66| vertrauen, daß ich nicht Böses mit Bösenc25 vergelten /csoll, u. d. gl.c\c26 und beyc27 dem /cerhabnen Beyspielc\c28 eines /cvernünftigenc\ Märtyrers c29. Soll ich also nicht bloß bewundern, hochachten, lieben, mich woran vergnügen, es auch wohl zu besitzen wünschen, sondern wirklich,c30 so zu werden und zu handeln,c31 begehren: so muß ich die Sache ohne Zweifel in einer noch näheren Beziehung auf mich ansehen, theils /cin sofernc\c32 sie mir möglich, und meine Anstrengung nicht vergeblich, /ctheils in sofernc\c33 sie werth ist, daß ich ein andresc34 Gut darüber verleugnec35, |c59| und lieber ein Uebel übernehme, als diese erkannte Sache entbehre. Jenes, daß ichs als mirc36 möglich ansehe, scheint noch zur Ueberzeugung zu gehören, zu der ich oben /a(§. 41c37)a\ das Ausführbare gerechnet habe, denn ohne diese Einsicht ist für mich die Sache nicht wahr oder gut. Dieses aber, der erkannte |a644| so großea38 Werth der Sache, der mir Aufopferung abdringt, dieses, sag' ich, scheint eigentlich das zu seyn, was mich nöthigt, es wirklich zu wollen, meine Gesinnungen und Handlungen danachc39 abzuändern. Diesc40 ist doch offenbar mehr, als wenn ich bloß sage, daß mich eine Sache interessire. Ein solches wirkliches Wollen und Begehren im eigentlichsten Verstande beruht ohne Zweifel auf der Vergleichung mehrerer Güter der Welt mit einander, und auf der lebhaften Vorstellung, daß, was ich begehre, weit mehr für mich gut und nothwendig ist, als das, was ich darüber verleugnenc41 muß. /acIn so fernac\ac42 nun der Vortrag dieses Wollen hervorbringt, nenne ich ihn rührend; und sollte es |b67| scheinen, daß ich mich hierin von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch entfernte:c43 so wird man mir diese Abweichung in einec44 Sache zu gute halten, wo die Verschiedenheit der Begriffe bisher noch nicht genug mit angemeßnenc45 Worten bestimmt zu seyn scheint.
c{Allerdings weicht diese Auffassung des Begriffs des Rührenden von dem angenommenen Sprachgebrauch ab, und möchte sich kaum rechtfertigen lassen. Wenn die Rührung immer das Wollen zur Folge hätte, so müßte man von vielen Vorträgen, welche mit großer Rührung angehört werden, eine ganz andere Wirkung gewahr werden.}c
a1: 545 c2: zugetheilt c3: dabei a4: alsdenn c5: Zwecke ac6: kann c7: Absicht c8: rührend c9: dieser ac10: Anm. c11: 37.) einerlei sei a12: einerley |a643| sey; alles c13: seyn; c14: kann c15: Alles c16: mir Stoff zum Denken giebt c17: denke, desto c18: kann c19: desto c20: kann c21: dabei c22: bei c23: bei c24: Satze c25: Bösem c26: soll u. dergl., c27: bei c28: erhabenen Beispiel c29: für Recht und Wahrheit c30: wirklich c31: handeln c32: insofern c33: theils insofern c34: anderes c35: verläugne c36: mir c37: 41. a38: grosse c39: darnach c40: Dieß c41: verläugnen ac42: Insofern c43: entfernte, c44: einer c45: angemessenen

44a1.

Wenn nun durch den rührenden Vortrag nicht bloß Wohlgefallen am Guten und Mißfallen am Bösen soll hervorgebracht werden, sondern auch Willigkeit, jenes zu thun,c2 und dieses zu laßenac3, oder eigentlich Gewohnheit, |c60| immer so zu handeln: so muß ein solcher Vortrag so eingerichtet seyn, daß 1) der Zuhörer durch die gemachten Vorstellungen genöthigt werde, das Erkannte, welches für ihn anziehend ist (ihn interessirt), auf sich ziehe, zu seiner Angelegenheit mache, d. i. einsehe, so |a645| müsse er werden, und das Gegentheil ablegen, jenes sich an-c4 und dieses sich abgewöhnen, jenes thun und befördern, dieses laßenac5 und verhüten. Diesc6 würde sogleich, nach der Natur der menschlichen Seele, von selbst erfolgen, /cso baldc\c7 nur der Vortrag ihn, auf die oben beschriebene Art, überzeugte, interessirte, und ihm die Möglichkeitc8 es auszuführenc9 einleuchtend machte, wenn nicht in dem Menschen selbst Hindernisse lägen, welche diese Entschließunga10 zurückhielten. Diese liegen unstreitig in der Gewohnheit, Böses, und in der Ungewohnheit, Gutes zu thun, d. i. weil ihm die Vorstellungen von dem mit dem Bösen |b68| vermischten Nutzen oder Vergnügen, und von den mit Ausübung des Guten verknüpften Uebeln oder Mißvergnügen geläufig, hingegen die Vorstellungen des aus dem Bösen für ihn entspringenden Schadens,c11 und der mit Ausübung des Guten verbundenen Seligkeit,c12 ihm nicht geläufig sind, folglich die dadurch geleiteten Neigungen ihn vom Guten ab-c13 und zum Bösen hinziehen;c14 kurz, es liegt die Schuld an dem Geschmack und Hangc15 zum Bösen, und an dem /cMangel des Geschmacksc\c16 und Hanges zum Guten. Soll also der Vortrag rühren, d. i. wirklich Besserung hervorbringen:c17 so müssen 2) beyc18 den Zuhörern a) die reitzenden Einbildungen von dem Bösen und die davon abhängende Lust dazu geschwächt; hingegen die Vorstellungen von dessen traurigen Folgen mit der daraus entstehenden Unlust gestärkt; und eben so b) in Absicht auf das Gute, die bessern Vorstellungen von dessen |c61| seli|a646|gen Folgen, nebst der dadurch gewirkten Neigung dazu, immer mehr erweckt und vermehrt, im Gegentheil die Einbildungen oder übertriebnenac19 Vorstellungen von demc20 mit dem Gutena21 verknüpften Uebeln und Schwierigkeiten, nebst der daher entstehenden Abneigung vom Gutena22 geschwächt werden.

/cAnm. 1.c\c23 S. /aMehreres über diea\a24 hier geäussertenc25 Grundsätze in /cmeinema26 Buch überc\c27 den Werth der Moral etc. 2te Auflagec28 S. 76 f.
/cAnm. 2.c\c29 Aus dem ersten Stück des §. erhellt, warum es, /acausser demac\ac30 was oben über die Besserung der Erkenntniß gesagt ist, keiner besondern Bemü|b69|hung bedürfe, den Zuhörer zu bewegen, daß er das so Erkannte auch wirklich wolle, und daß allesc32 nur darauf ankomme, die Hindernisse des Wollens zu heben. Gleichergestalt werden die Neigungen somit schon gebessert, als die falschen Vorstellungen vom Werth des Guten und Bösen verbessert, und die bessern Vorstellungen lebhafter als jene gemacht werden.
a1: 546 c2: thun ac3: lassen c4: an-, ac5: lassen c6: Dieß c7: sobald c8: Möglichkeit, c9: auszuführen, a10: Entschliessung c11: Schadens c12: Seligkeit c13: ab-, c14: hinziehen: c15: Hange c16: Mangel des Geschmacks c17: hervorbringen, c18: bei ac19: übertriebenen c20: den a21: Guten, a22: Guten, c23: Anm. 1) a24: mehreres der c25: geäußerten a26: dem c27: meiner Schrift: Ueber c28: Auflage, c29: Anm. 2) ac30: ausserdem (a); außer dem, (c) c32: Alles

45a1.

Erstlich in Absicht auf das Böse, woran der Mensch hängt, und wobeyc2 er seine Rechnung zu finden glaubt, würde ihm zu zeigen seyn:a3 1) wie falsch die Vorstellungen seyenc4, die er sich theils von seinem Glücke dabeyc5, theils von seiner vermeinten guten Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten macht; – wie nichtig also, wie unbefriedigend und verbittert, wie vergänglich das seyc6, was er für sein Glück halte; – und wenn es auch wahre Güter sind, wonach er trachtet, |a647| wie wenig gleichwohl es immer von ihm abhänge, dieses Glück zu erlangen, wie vielea7 unverantwortliche Handlungen er sich dieserwegen erlauben müsse; wie und wodurch er sich selbst den Zugang zu solchem Glück ver|c62|schließea8, oder sich wieder darum bringe; wie sehr er sich durch seine Gesinnung und Betragen ausserc9 Stand setze, es recht zu genießena10, und damit zufrieden zu seyn; wie gar keine, oder armselige, oder unbeständige Tugenden das seync11, worauf er sich verläßt, oder wie so ohne Grund er sich wirkliche Tugenden einbilde. – 2) Wie traurig die Folgen |b70| seyenc12, die er sich durch seine Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten zugezogen habe, oder zuziehen müsse, d. i. – wie und wodurch er sich, es seyc13 aus Unachtsamkeit, oder falschen Vorstellungen, oder Trägheit, oder Leidenschaften,c14 oder üblenc15 Gewohnheiten, selbst unglücklich mache, und wie groß das daraus entstehende Elend seyc16; – wie er eben dadurch, auch wenn sein Unglück unverschuldet seyc17, es vermehre, oder sich ausserc18 Stand setzec19 es zu ertragen, oder zu seinem Besten anzuwenden; und, wenn er auch auf einer Seite einsehe, in welches Unglück er sich stürze, und er das Böse /cgerne laßena20 c\c21 möchte, um diesem zu entgehen, auf der andern aber, wie wohl ihm seyn würde, wennc22 er besser wäre und handelte, und,a23 wenn er es deswegen auch gern möchte, wie ohnmächtig er gleichwohl und wie stark sein Hang zum Bösen und die Macht der Gewohnheit seyc24.

a1: 547 c2: wobei a3: seyn c4: seien c5: dabei c6: sei a7: viel a8: verschliesse c9: außer a10: geniessen c11: seien c12: seien c13: sei c14: Leidenschaften c15: übeln c16: sei c17: sei c18: außer c19: setze, a20: lassen c21: gern lassen c22: sobald a23: und c24: sei

|a648| 46a1.

Eben so müßten ihm, in Absicht auf das Gute, 1) die seligen und weitreichenden Folgen deutlich gemacht werden, welche aus wahrer Tugend und Gottseligkeit entspringen; – wie recht man alsdann erst alles Gute, was uns begegnet, schätzen und genießena2, es weit herzlicher und dankbarer empfinden, und zu seinem wahren Besten anwenden lerne; – wie sehr selbst unverschuldete Leiden uns dadurch erträglich, /awie diesea\ die beste Schule, im Guten zu |c63| wachsen, eine Quelle von vielem erst hinterher sich zeigenden Glück, |b71| eine nähere Vorbereitung auf die Glückseligkeit einer bessern Welt, werden; – wie sehr wir uns dadurch die Herrschaft über unsrec3 Neigungen, wie viele Verdienste um Andere, wie viel Vertrauen und Liebe von andern Menschen erwerben, wie zufrieden und dankbar gegen Gott, und ihm immer ähnlicher werden. 2) /aAlleina\a4 die meisten Menschen habena5 sehr falsche Begriffe von Besserung und /aTugend. Sie machena\a6 sich entweder /adie Tugend zua\a7 leicht a8, und /aziehena\ sie sehr ins Kleine /azusammen. Sie setzen siea\a9 in bloßea10 fromme Empfindung oder äusserlichec11, zumal gottesdienstliche, Handlungen, oder bloßea12 Ehrbarkeit, Gerechtigkeit, Menschenliebe, bürgerliche und gesellschaftliche /aTugenden. Oder sie stellena\a13 sie sich als einen unnatürlichen Zwang und lästige Einschränkung vora14, die den Geist seiner Heiterkeit, das Leben seiner Freuden beraube, und den Menschen zur menschlichen Gesellschaft, und Beobachtug seiner natürlichen und |a649| bürgerlichen Pflichten unfähig /amache. Oder sie sinda\a15 aus überspannten Begriffen, Gefühl ihrer Ohnmacht, und Erinnerung oft mißlungener Versuche der Besserung, /amuthlos. Dahera\a16 muß zwar jenen falschen Begriffen, die nur auf eine oberflächigec17 Besserung zielen, beständig /centgegen gearbeitetc\c18, /aes mußa\ ihnen keine Schwierigkeit verheeltc19 oder verkleinert, und der großea20 Umfang wahrer Tugend, die durchaus auf allesa21 Gute gehen, und in wahrhaftiger Besserung der Gesinnung bestehen müsse, einleuchtend dargestellt /awerden. Abera\a22 man muß ihnen auch eben so sehr die trübseligen Begriffe von Frömmigkeit be|b72|nehmen, und ihnen /aeines Theilsa\ den großena23 Werth der Gottseligkeit in aller Absicht, und des Zeugnisses eines guten Gewissens, immer fühlbarer, /aandern Theilsa\a24 ihnen, durch Vorstellung, |c64| wie Vieles thätiger, ausharrender Fleiß, fortgesetzte Uebung und gewissenhafte Treue, unter Gottes uns nie entstehendem Beystandec25, vermöge, immer guten Muth machen.

a1: 548 a2: geniessen c3: unsere a4: Und, – weil a5: so a6: Tugend haben, daß sie a7: dieselbe sehr a8: machen a9: zusammenziehn, a10: blosse c11: äußerliche a12: blosse a13: Tugenden setzen, oder a14: vorstellen a15: mache, oder a16: muthlos sind: – so c17: oberflächliche c18: entgegengearbeitet c19: verhehlt a20: grosse a21: alles a22: werden; aber a23: grossen a24: andern Theils c25: Beistande

47a1.

Beyc2 dem Vortragc3 dieser Sachen, wenn er wirklich für die Zuhörer rührend werden soll, kommt es hauptsächlich darauf an: 1) sie auf ihren Gemüthszustand, besonders auf ihre eigenthümlichen und am meisten eingewurzelten,a4 oder durch ihr Temperament und ihre besondern Umstände am meisten begünstigten Fehler aufmerksam zu machen; weil, ohne dieses zu erkennen, keine Reue und wahre Besserung mög|a650|lich ist, und gerade diese von einem jeden am meisten übersehen, oder am wenigsten als Fehler erkannt werden; 2) nicht nur das daraus entstehende Elend, sondern auch das ihnen begreiflich zu machen, daß und wie sie selbst daran Schuld sind, und wie viel auf sie selbst ankomme, um besser und glücklicher zu werden; und 3) daß und wie ihnen nur durch Besserung und durch die Religion könne geholfen werden. – Es giebt keinen Menschen, der nicht die Eitelkeit und das Leere sündlicher Vergnügungen, die üblenc5 Folgen der Ausschweifungen, und selbst die wohlthätigen |b73| Wirkungen der Tugend, /awenigstens dann und wann,a\ sollte erfahren haben. Auch der schlechteste Mensch hat doch manchmal etwas Gutes gethan, und weiß, wie wohl ihm dabeyc6 gewesen ist, wenn er nach seinem Gewissen gehandelt, zumal sich selbst überwunden hat; er sieht doch, wie heiter und zufrieden rechtschaffnec7 Menschen, auch beyc8 traurigen Umständen, sind, und wie bald sie sich zu finden wissen, wenn sie nur recht und mit Ueberlegung verfahren wollen; er weiß, wie gut es ihm thut, wenn |c65| jemand sich gegen ihn rechtschaffen beträgt, und ist leicht zu überzeugen, welche Hölle aus der menschlichen Gesellschaft werden würde, wenn sich alle Menschen erlaubten, schlecht, oder, ohne sich einzuschränken, nur nach ihren Lüsten zu handeln. Er fühlt diesc9 am meisten, wenn er die Folgen seines Leichtsinns und seiner Ausschweifungen erlebt; fühlt, was er ohne gutes Gewissen und Religion ist, wenn er in Gefahr oder Verlegenheit kommt; wird doch durch besondere Wohlthaten, die ihm |a651| wiederfahrenc10, manchmal gerührt, und zu der Zeit geschmeidiger gemacht. Zu solchen Zeiten ihn anfassen, ihn an seinen erwähnten Erfahrungen /afest haltena\a11, und dann ihm den großena12 Werth der Tugend und Religion lebhaft /cvorstellen, dies kana13 c\c14 doch schwerlich ohne alle gute Eindrücke bleiben, die ihn zu rechter Zeit verfolgen werden. – Nur arbeite man nicht bloß auf seine Sinnlichkeit,c15 und wenn man es thut, welches /csehrc\c16 nützlich werden kanc17, und oft unentbehrlich ist, so geschehe es mehr, um gute Eindrücke zu verstärken, als hervorzubringen.

|b74| c18 Es versteht sich von selbst:c19 daß man von Ausschweifungen nie so reden müsse, daß der Mensch erst solche dadurch lerne, die er vorher nicht kannte, und also auch nicht beging; daß alle Erbitterung der Zuhörer verhütet, und eben so sehr alle Veranlaßungac20 vermieden werde, sie muthlos zu machen, oder sie zu verleiten, daß sie denken, es treffe sie etwas nicht; wohin alle übertriebnec21 Vorstellungena22 vom moralischen Verderben und alle zu allgemeine Behauptungen gehören. Unerkannte Sündenc23 und feinere, unschuldig scheinende, oder unschuldige, aber zu leicht dem Mißbrauch unterworfnec24 Ausschweifungen, sollten am meisten hervorgezogen werden. – Im Privatumgange und beyc25 besondern Vorfällen, |c66| Krankheiten /cu. d. gl. kanc\c26 der Lehrer mehr Gutes stiften als beyc27 öffentlichen Vorträgen. – Beyc28 letztern wird die Geschichte noch viel zu wenig benutzt. Wie viel recht eigentlich Rührendes ließea29 sich über die Geschichte vom verlohrnenc30 Sohn, vom Falle Petri, von der Versuchung Christi, über dessen Leidensgeschichte, selbst über die Geschichte des alten Testaments – mit discreter Anwen|a652|dung auf die Umstände und Bedürfnisse unsrerc31 Zuhörer – sagen, wie sehr /asicha\ dadurch der Vortrag unterhaltender, anschauender, individueller machen!
a1: 549 c2: Bei c3: Vortrage a4: eingewurzelten c5: übeln c6: dabei c7: rechtschaffene c8: bei c9: dieß c10: widerfahren a11: festhalten a12: grossen a13: kann c14: vorstellen: dieß kann c15: Sinnlichkeit; c16: auch im rechten Maaß c17: kann c18: Anm. c19: selbst, ac20: Veranlassung c21: übertriebene a22: Vorstellung c23: Sünden, c24: unterworfene c25: bei c26: u. dgl. kann c27: bei c28: Bei a29: liesse c30: verlorenen c31: unserer

48a1.

Beyc2 allen denjenigena3 Veränderungen des menschlichen Lebens, die wir nicht nach Belieben und Ueberlegung hervorbringen, oder verhindern,a4 oder lenken können, und beyc5 dem Gefühl alles |b75| desjenigen, was wir ohne unser Zuthun sind, bleibt uns nichts weiter übrig, als uns zu unterwerfen;a6 und – da das Gefühl der Leiden sich mit den Vorstellungen unsrerc7 doch möglichen Glückseligkeit nicht verträgt, und wir in so fernec8 unglücklich sind, auch der Mensch zu selbstthätig ist, als daß er selbst dann, wenn er sich nur leidentlich verhalten zu können scheint, nicht wenigstens Etwas sollte zu seinem Besten thun können – unsrec9 Vorstellungen von unserm Zustandc10 zu berichtigen, oder unangenehmere durch andrec11 angenehmere zu verdrängen, oder das unangenehme Gefühl dieses Zustandes zu mildern, mit einemc12 Wort: uns vernünftig zu beruhigenc13 (§. 43).ac14 Alle Unruhe, Gram und Sorgen scheinen nur in den dreyc16 Fällen zu entstehen: 1) wenn wir zu bemerken glauben, daß wir glücklicher seyn würden, wenn wir freyc17 von einem Uebel oder dessen Gefühlec18, oder im Besitz und Genusse eines gewissen Gutes wären;a19 2) wenn wir uns gewisser |c67| Vergehungen bewußt sind, deren Andenken wir nicht vertilgen können, und deren Folgen |a653| wir nicht abwenden zu können glauben; und 3) wenn wir, beyc20 allem Wunsch und Vorsatz uns zu bessern, unsrec21 Ohnmacht und die unüberwindliche Gewalt der bösen Gewohnheit fühlen. Uns vernünftig zu beruhigen,a22 ist daher zu unsrerc23 Glückseligkeit eben so unentbehrlich nothwendig, /cals, unsc\c24 zu bessern. Darauf in dem Vortrage der Religion zu arbeiten, ist also eine unumgängliche Pflicht,c25 und wer das wollte, müßte suchen, jenen dreyc26 Ursachen der Gemüthsunruhe entgegen zu arbeiten.

a1: 550 c2: Bei a3: solchen a4: verhindern c5: bei a6: unterwerfen, c7: unserer c8: fern c9: unsere c10: Zustande c11: andere c12: Einem c13: beruhigen. ac14: 545.). (a); 43.) (c) c16: drei c17: frei c18: Gefühl a19: wären. c20: bei c21: unsere a22: beruhigen c23: unserer c24: als uns c25: Pflicht; c26: drei

|b76| 49a1.

Der ersten Ursach.c2 – Wenn wir unglücklich, oder nicht glücklich genug zu seyn glauben, und der Grund beyderc3 Uebel liegt /aa)a\ in unserm /ceignen freyenc\c4 Verhalten, das wir abändern können:c5 so ist uns ohne wahrhafte Besserung unsers Herzens und Lebens schlechterdings nicht zu helfen. Was der Lehrer in Absicht auf die Beruhigung solcher Zuhörer thun müsse, und um diese Ursach ihres Mißvergnügens zu heben, das zeigen die obigen Regeln, wonach an der Besserung der Menschen zu arbeiten istc6 (§. 44a7 bis 47).ac8 – Rührt aber das Elend, das wir empfinden, und das versagte Glück, das wir mit Schmerzen entbehren, /ab)a\ /cgar nichtc\c10, so viel wir wenigstens zu sehen vermögen, /cgar nichtc\ von /cunsrerc\c11 Schuld her; läßt sich wenigstens auch durch unsrec12 Besserung jenes nicht verhüten oder wegschaffen, und dieses nicht erwerben: so steht |a654| es doch unter der höchst weisen und gütigen Aufsicht der Regierung Gottes, der es über uns nie anders, |c68| als wie ein höchst wohlthätiges und unentbehrliches Mittel zu unserm Besten, verhängt hat;c13 und diesc14 wird es in der Hand seiner Vorsehung gewiß, wenn wir uns unter diese demüthigen, und Ihn allein walten laßen;ac15 ohne diese wohlthätigec17 Wirkungen durch unsrec18 Beschwerden und ängstliche Sorgen zu stören, und uns dadurch um unser von ihm dabeyc19 bezieltes Glück, wenigstens um die ruhige Heiterkeit der Seele,a20 zu bringen, die aus dem stillen Zusehen, wie sich |b77| nach und nach allesc21 so schön, so zu unsrerc22 Beruhigung, entwickelt und aufklärt, und aus der schon vorläufig dankbaren Erwartung des besten Ausgangs, entspringen würde.

a1: 551 c2: Ursach! c3: beider c4: eigenen freien c5: können, c6: ist. a7: 546 ac8: 549). (a); 47.) (c) c10: gar nicht c11: unserer eigenen c12: unsere c13: hat: c14: dieß ac15: lassen, (a); lassen; (c) c17: wohlthätigen c18: unsere c19: dabei a20: Seele c21: Alles c22: unserer

50a1.

Ein Lehrer, der diese Gesinnung und deswegen richtigere und eindrücklichere Vorstellungen von der wahren Beschaffenheit der Uebel und ihrem Verhältniß gegen unser Bestes, unter der väterlichen Regierung Gottes, befördern wollte, müßte folgende und ähnliche Betrachtungen, durch öftere, mannichfaltige und einleuchtende Darstellung aus der ähnlichen, eigenen, wirklichen, oder leicht zu erhaltenden,ac2 Erfahrung der Zuhörer, mit steter Rücksicht auf ihre besondrec3 Umstände und Bedürfnisse, anschaulich zu machen suchen. – Wie sehr sorgt Gott überall, sowohl durch die Mannichfaltigkeit der Dinge und ihrer |a655| Eigenschaften, als durch das in uns gelegte Gefühl für ihre Reitze, nicht bloß für unsrec4 Nothdurft, sondern auch für unsrec5 Bequemlichkeit, Vergnügen und Ueberfluß? /aa\ Wie viel hat jeder Mensch insbesondrec6 vor unzählichen Andern voraus, und, wo ihm Etwas abgeht, durch wie viel andresc7, gerade für ihn zuträglicheres, Gute wird diesc8 ersetzt? /aa\ |c69| Wie viele ganz unerwartete, uns ohne unser Zuthun wiederfahrnec9, oder, wenn auch dieses mitwirken muß, durch die schon zum voraus gemachtec10 Anlagen unsers Geistes und unsrerc11 Umstände, in welchen der Keim unsrerc12 künfti|b78|gen Glückseligkeit und der Grund seiner Entwicklungc13 liegt, veranstaltete und erleichterte, oder ganz wider den sichtbaren Gang der Dinge ausgefallnec14, so sehr unverdiente Wohlthaten, erzeigt er uns? hilft uns aus so vieler Gefahr und Verlegenheit? /aa\ Wie unendlich viele unerkanntec15 Wohlthaten wiederfahrenc16 uns durch Abwendung unsers möglichen Unglücks, oder solcher Umstände, die es uns unvermeidlich bereiten würden, an welche zu denken und sie beyc17 Würdigung unsrerc18 Glückseligkeit mit in Anschlag zu bringen, uns, wegen Gottes verborgnerc19 Wirkungen, nicht einmal in den Sinn kommt, und deren dereinstige Entdeckung uns überaus angenehm unterhalten, das Gefühl der wirklich genossenen Wohlthaten unendlich erheben, uns bis zur innigsten Rührung beschämen, und unsrec20 Dankbarkeit gegen Ihn erhöhen wird? /aa\ Wie viele und großea21 Uebel sind mit vorzüglichen Fähigkeiten, Glücksumständen, Ansehen, weitläuftigen Verhältnissen u. s. f. verbunden, deren wir |a656| überhoben sind, wenn uns nur ein eingeschränktes Glück zu Theil worden ist? /aa\ Und überhauptc22 leiden wir wirklich Mangel oder Verlust, wenn uns Etwas versagt ist oder entrissen wird? hatt' es den Werth, den wir darauf legten? würd' es den Werth für uns behalten haben? würd' es uns nicht an einem andern größerna23 Glückc24 hinderlich wordenc25 seyn?

a1: 552 ac2: erhaltenden c3: besonderen c4: unsere c5: unsere c6: insbesondere c7: anderes c8: dieß c9: wiederfahrene c10: gemachten c11: unserer c12: unserer c13: Entwickelung c14: ausgefallene c15: unerkannte c16: widerfahren c17: bei c18: unserer c19: verborgener c20: unsere a21: grosse c22: überhaupt, a23: grössern c24: Glücke c25: geworden

51a1.

Und das Unglück, ist es nicht eine Quelle eines sonst nicht erhaltenen Glücks? /aa\ Diente es |b79| nicht, unserm Glück |c70| beygemischtc2, die angenehme Empfindung dieses letztern zu erhöhen? /aa\ Ists, beyc3 aller seiner Bitterkeit, nicht herzstärkende Arzeneyc4, wahre Schule der Genügsamkeit, der Vorsichtigkeit, der Klugheit, des gänzlichen Anschließensa5 an Gott, ohne und ausserc6 dem doch allesc7 eitel ist, und aller Tugenden, wozu es uns sonst an Veranlaßungac8 und Uebung fehlt; ohne welches wir nie eifrig genug vorwärts zur wahren Vollkommenheit streben würden? /aa\ Beyc9 mißlungener Ausführung unsrerc10 guten Absichten, /abeyc11 a\ mißrathenen Mitteln, /abeyc12 a\ unerwarteter Richtung, die unsrec13 gutgemeinten Anstalten nehmen,a14 und selbst Uebel erzeugen, die wir nicht vorhersehen, oder denen wir entgegenarbeiten, von welchen wir gerade das Gegentheil befördern wollten, – ist da durchaus Alles verloren? Habena15 wir, wenn gleich nicht Allesac16, doch Etwasac17, wenn gleich nicht Diesesac18, doch etwas Andresac19 Gute, wenn gleich nicht vor der Hand, doch auf die Zu|a657|kunft, wenn gleich nicht beyc21 Andern, doch beyc22 uns und durch eignec23 Uebung im Guten, gestiftet? Was kanc24 dieser ausgestreute, /cverlohren scheinende,c\c25 Saame, unter Gottes Pflege und Segen, hie und da, früh oder spät, für eine reiche und selige Aerndtec26 geben, von der uns jetzt noch gar nichts träumetc27. /aa\ Und, beyc28 dem, ausserc29 jenem mißlungnenc30 Guten, für jeden guten Menschen,c31 gerade schmerzhaftesten Unglück, das wir empfinden, wenn unsrec32 guten Absichten verkannt, nachtheilig gedeutet, oder wir durch ungerechte Bedrückungen gemißhandelt werden: sind wir denn |b80| Gott nicht auch Opfer, aus Dankbarkeit auch grossec33 Aufopferungen, ihm auch darin Nachahmung schuldig, daß wir Versündigungen Anderer gegen uns dulden? /aa\ Ist es nicht gegen Gott Dankes werth, wenn er uns dadurch von der Eitelkeit, Selbstsucht und c34 Anhängena35 von Meinungen |c71| und Willen der Menschen,c36 abzieht, und uns aus Pflicht, um Seinetwillen, zu handeln gewöhnt? Erhebt nicht eben diese Gesinnung und Art zu handeln, wobeyc37 es uns nur darum zu thun ist, recht zu handeln, und unser höchster Wunsch, Ihm werth zu seyn, unsrec38 Seele recht eigentlich zu der höchsten Würde des Menschen? /aa\ Können wir nicht eben darum auf desto größre Vergeltung und darauf desto gewisser rechnen, je weniger wir durch irgend etwas Vergängliches belohnt waren; und muß sie uns nicht desto /cangenehmer fallenc\c39, da sie nicht bloßera40 Zufall, sondern Belohnung, Belohnung von dem ist, der allein höchst gerecht richtet?

|a658| c41 Es versteht sich, daß alles in diesen beydenc42 §§. Gesagte nur Hinweisung seyc43 auf gewisse Gesichtspunkte, woraus man die Leiden vorstellen müsse; die jedesmalige Gelegenheit muß es einem verständigen Lehrer zeigen, aus welchem am wirksamsten könne Beruhigung geschöpft werden. Diese Punkte recht anschaulich und eindrücklich zu machen, ist freylichc44 sehr schwer,c45 es scheint selbst – aus mehrern Gründen, die sich hier nicht erklären laßenac46 – weit schwerer,a47 jemanden wahrhaftig durch Vorstellungen zu beruhigena48 als zu bessern. Erregte |b81| Aufmerksamkeit auf den Lauf der Dinge in der Welt thut beyc49 Leidenden sehr viel;a50 aber ohne feste innige Ueberzeugung von Gottes Vorsehung und von der Ewigkeita51 wird sie immer wenig zur Beruhigung wirken, oder Leidende nur gleichgültig und leichtsinnig machen. Kurze, fruchtbare Sentenzen, zumal wenn sie den Zuhörern geläufig,a52 und von ihnen oft zu ihrenc53 Trost gebraucht sind, zu rechter Zeit angebracht (z. B. Jonä 4, 10. 11. Matth. 18, 11 f. 1 Tim. 1, 15. /c16a54 u. d. gl.c\c55) – nebst dem Ansehen und Vertrauen, das der Lehrer, zumal beyc56 fleißiger Hausbesuchung der Elenden, sich als ein gesetzter, erfahrnerc57 und mitleidender Mann erworben hat, wirken in solchen Fäl|c72|len mehr als die bündigsten Predigten. Man kanc58 daher junge Lehrer nicht genug auf Vorsichtigkeit und Mäßigung im Umgangc59 mit Leidenden aufmerksam machen, und sie warnen, nicht zu viel von der schönen Welt, von der Freude, wozu der Mensch geschaffen ist, von milzsüchtigen Klagen u. s. f. zu /areden. Junge Lehrera\a60 haben ohnehin schon das Vorurtheil einer noch nicht genug reifen Erfahrung, jugendlicher Flüchtigkeit, und, weil sie noch in wenigenc61 entweder die zarte Empfindung nährenden oder sehr drückenden Verbindungen stehen, nicht genugsamer |a659| Theilnehmung,a62 gegen sich,c63 Röm. 12, 15. 1 Tim. 5, 1. 2.
a1: 553 c2: beigemischt c3: bei c4: Arzenei a5: Anschliessens c6: außer c7: Alles ac8: Veranlassung c9: Bei c10: unserer c11: bei c12: bei c13: unsere a14: nehmen a15: haben ac16: alles ac17: etwas ac18: dieses ac19: andres (a); anderes (c) c21: bei c22: bei c23: eigene c24: kann c25: verloren scheinende c26: Ernte c27: träumt c28: bei c29: außer c30: mißlungenen c31: Menschen c32: unsere c33: große c34: dem a35: Abhängen c36: Menschen c37: wobei c38: unsere c39: belohnender erscheinen a40: blosser c41: Anm. c42: beiden c43: sei c44: freilich c45: schwer; ac46: lassen a47: schwerer a48: beruhigen, c49: bei a50: viel, a51: Ewigkeit, a52: geläufig c53: ihrem a54: 16. c55: 16. u. dgl. c56: bei c57: erfahrener c58: kann c59: Umgange a60: reden; sie c61: wenigen, a62: Theilnehmung c63: sich.

52a1.

Wird jemand durch das Andenken seiner Vergehungen, auch wohl wissentlicher und grö|b82|berer Verbrechen, oder der selbst unvertilgbar scheinenden Folgen derselben beyc2 sich oder Andern, beunruhigt – welches das zweytec3 war (§. 48):ac4 – so müßte ihm der Lehrer 1) den eigentlichen Inhalt des Evangeliums, das ganz eigentlich zur Absicht hat, diese Bekümmernisse zu heben, fleißig und einleuchtend vorstellen; vorzüglich, wie Gott seine Gnade auch dem Unwürdigsten (dem, der es sogara6 nicht verdient,ac7) zugedacht, wie unser Heiland sich nicht für einen Arzt der Gesunden, sondern der Kranken erklärt habe, nicht nur keinen hinausstossenc8 wolle wer zu ihm kommt, sondern auch gekommen /csey, aufzusuchen,c\c9 was sich verlohrenc10 habe, /cu. d. gl.c\c11 2) Und wenn ein solcher zweifelte, ob jene /cgöttliche Verheissungenc\c12 ihm zukämen:c13 so müßte er ihm diese Besorgniß dadurch benehmen, daß er ihmc14 darauf führte: – schon /cdies seyc\c15 ein Zeichen, wie ihn Gott nicht verlaßenac16 habe, daß er nicht fühllos seyc17 gegen das Andenken seiner Vergehungen, noch gleichgültig gegen Gottes Gesinnungen gegen |c73| ihn:a18 – er würde bis zu dieser Unruhe des Gewissens nicht einmal gekommen seyn, ohne besondrec19 Umstände, die dieses Gewissen aufweckten, und die ja alle unter der väterlichen Regierung Gottes |a660| standen; /aa\ und Gott veranstaltetea20 keine Mittel wozu, wenn er nicht auch die Absicht wolle, worauf diese abzielen. Er müßte ihm 3) zeigen, wie sehr Gott beyc21 allen solchen Hülflosen auf den Glauben dringe, und wie diesc22 – gerade wie beyc23 dem Verhältniß des Arztes und des Kranken, des Vaters und des Kindes,c24 – das Bil|b83|ligste seyc25, was Gott fordern, und das Leichtestec26 was ein Hülfloser leisten könne, sich an den Gott zu halten, und dem ganz zu überlaßenac27, der unerschöpflich, wie an Güte, so an Mitteln ist, dem Menschen zu helfen, und von dem er ja /aohne diesc28 a\a29 in aller möglichen Rücksicht abhänge; daß es auch 4) der erste Schritt zur wahren Besserung seyc30, dadurch gerecht zu seyn gegen Gott und gegen sich selbst, daß man geduldig die natürlichen Folgen trage, die man sich selbst zugezogen habe, und es Gott zutraue, daß er uns auch dadurch wolle zur Besserung leiten. Er müßte endlich 5), so viel es immer die Fähigkeiten und Kenntnisse dera31 Bekümmerten erlauben, ihnen, besonders durch ihre eignec32 Erfahrungen, begreiflich machen:a33 wie sehr es Gott in seiner Gewalt habe, selbsta34 schädliche Folgen böser Handlungen durch die unter seiner Regierung stehenden dazwischenkommenden Umstände abzuwenden; auch das, was auf unsrerc35 Seite unrecht ist, zu Mitteln zu machen, die viel Gutes stiften, welches ohne jenes nicht würde erfolgt seyn; auch dadurch, /acac\ daß er uns diese Wendung, die unsrec36 Vergehungen nehmen, dereinst wird erkennen laßenac37, und durch unsere auf unsrec38 wahre Besserung und an|a661|gestrengtern Fleiß zum Guten erfolgte größerea39 |c74| Glückseligkeit und deren lebhafte Empfindung, – das schmerzhafte Andenken an unsrec40 Vergehungen und deren Folgen zu schwächen, oder ganz auszulöschen, oder dadurch die Empfindung unsrerc41 Seligkeit zu erhöhen, so daß wir begreifen, wie wir dahin nicht würden gekommen seyn, |b84| wenn Gott nicht, indem er uns tief fallen ließ, unsern Fleiß und Eifer im Guten erhoben hätte.

a1: 554 c2: bei c3: Zweite ac4: 550): (a); 48.), (c) a6: so gar ac7: verdient c8: hinausstoßen c9: sei aufzusuchen c10: verloren c11: u. dgl. c12: göttlichen Verheißungen c13: zukämen, c14: ihn c15: dieß sei ac16: verlassen c17: sei a18: ihn c19: besondere a20: veranstalte c21: bei c22: dieß c23: bei c24: Kindes c25: sei c26: Leichteste, ac27: überlassen c28: dieß a29: ohnedem c30: sei a31: des c32: eigenen a33: machen, a34: auch c35: unserer c36: unsere ac37: lassen c38: unsere a39: grössere c40: unsere c41: unserer

53a1.

Endlich in dem dritten Fall (§. 48ac2), wenn jemand durch das Gefühl seiner Ohnmacht, der Macht böser Gewohnheiten, nicht merklicher Fortschritte im Guten, oder durch Wahrnehmung so oft gescheiterter und nicht ausgeführter guten Vorsätze,c4 niedergeschlagen würde:c5 müßte der Lehrer 1) allen Fleiß anwenden, um, mit der möglichsten Sanftmuth, Theilnehmung und Schonung seiner Schwachheit, ihm die Vorurtheile zu benehmen, die hauptsächlicha6 dergleichenc7 Muthlosigkeit hervorbringenc8 oder c9 unterhalten /a/c†). –c\c10 Unda\a11 wenn er weiß oder merkt, daß diese zu tief eingewurzelt, und so mit den guten Kenntnissen und Gesinnungen desselben verschlungen sind, daß zu besorgen ist, diese möchten darunter leiden, wenn man jene angriffe, oder der Versuch, jene auszurotten, möchte ihn gegen den Lehrer einnehmen: – so mache er ihn aufmerksam darauf, wie oft die besten Gedanken und Grundsätze uns zu weit führen können, und wie nöthig er habe, |a662| auf seiner Hut zu seyn, um nicht durch gänzliche Unthätigkeit sicher, durch unterlaßenenac12 Gebrauch auch geringer Kräfte, die ihm Gott giebt, und ermunternder Umstände, untreu und undankbar gegen ihn zu werden, oder Gott durch zu weit getriebene Forde|c75|rungen und Erwartungen zu versuchen. /aa\ Er suche ihn wenigstens dahin zu brin|b85|gen, die Gelegenheit, immer mehr sich selbst und Gottes Willen erkennen zu lernen, jede Aufmunterung zum Guten, besonders zum Fleiß und zum Vertrauen auf Gott, und den Umgang mit redlichen, heitern und solchen Christen zu benutzen, die sich aus ihren Erfahrungen einen Schatz von wahrer Klugheit gesammletc13 haben, und die Fähigkeit besitzen, sich theils zu Anderer Bedürfnissen und Schwächen herabzulaßenac14, theils vernünftige Rechenschaft von ihrem Rath und Belehrung zu geben. 2) Er suche ihm besonders durch sehr klare Grundsätze, vornemlichc15 aus der Bibel, durch /cBeyspiele Andrerc\c16, die mit ihm in gleichen Umständen waren, und durch die nemlichec17 Erfahrungen, die er selbst müsse gehabt haben, einleuchtend zu machen: wie herablaßendac18 und billig Gott seyc19, der mehr nicht fordertc20 als der Mensch /cvermag, nicht ärndten will wo er nicht gesäet, oder den Saamen dazu gegeben hat;c\c21 wie Gottc22 so oft durch c23 Umwege und anhaltende Prüfungen den Menschen zum Ziel führe,c24 und recht reif zum Guten mache; wie die wahre Besserung nie anders als allmählig, nach vielem Fallen und Wiederaufstehn,ac25 erfolge, und in dem Grade fortrücke, gründlicher und merkbarer wer|a663|de, in welchem der Mensch auch mit wenigen Kräften treu umgeht; und wie durch jedesc27 auch geringec28 Fortrücken in der Besserung, was uns schwer oder unmöglich schien, immer leichter werde. 3) Er stelle das, was der Mensch an seinem Theile thun muß, immer mehr auf der angenehmen Seite und nach den großena29 Vortheilen |b86| vor, die jeden redlichen Fleiß gewiß belohnen, je nachdem er weiß, daß die Vorstellung dieses oder jenesa30 Vortheils beyc31 dem Bekümmerten den meisten Eindruck mache. 4) Er begnüge sich endlich nicht mit bloßena32 Ver|c76|mahnungen und Aufmunterungen, sondern zeige dem Unentschlossenena33 und Muthlosen, wie er seine Pflichten ausüben, oder sich deren Ausübung erleichtern könne.

/c†)c\c34 Dergleichen sind: daß Gott die Seligkeit oder Verdammniß der Menschen und die Mittheilung wirksamer Kräfte, nach /cbloßema35 Willkührc\c36 bestimme; daß die Besserung des Menschen allein von Gott abhänge, und man durch eignec37 Thätigkeit sein Werk störe und hindrec38; daß die Tugenden und guten Handlungen der Menschen (nicht etwa nur immer unvollkommen seyn, sondern) gar keinen Werth vor Gott haben; daß der gute und schlechte Zustand des Menschen nach sinnlichen, freudigen oder traurigen Gefühlen müsse entschieden werden; daß alle Theilnehmung an sinnlichen Vergnügungen, die sehr leichtenc39 Mißbrauch unterworfen sind, sündlich seyc40; nebst so manchen Mißverständnissen vom allein seligmachenden Glauben. Sehr oft, /cvornemlich beyc\c41 dem Unterricht der Kinder, kanc42 der Lehrer schon viele dieser falschen Vorstellungen verhüten, zumal wenn er vorsichtig genug beyc43 dem Vortrage der Lehre |a664| vom natürlichen Verderben des Menschen ist; und hiebeyc44, so wie beyc45 Wegräumung solcher schädlichen Vorurtheile überhaupt, wird ihm eine gehörig bestimmte Kenntniß der Religion, ein vorsichtiger Gebrauch gemachter |b87| Erfahrungen, behutsame Entfernung mystischer und ähnlichenc46 Schriften aus den Händen seiner Zuhörer, und Empfehlung solcher Schriften, die nicht sowohl jene Vorurtheile bestreiten, als vielmehr gleich reinere Begriffe vom praktischen Christenthum geben, sehr zu Statten kommen.
c{So viel Verdienst die Spenersche Schule hatte, so ist doch nicht zu verkennen, daß sie durch vorstehende fehlerhafte Vorstellugen auch manche Gemüther nicht nur sehr beunruhigt, sondern auch einer guten Sache einen übeln Namen gemacht hat.}c
a1: 555 ac2: 550 (a); 48. (c) c4: Vorsätze c5: würde, a6: vorzüglich c7: jene c8: hervorzubringen c9: zu c10: pflegen. *) a11: unterhalten: †) und – ac12: unterlassenen c13: gesammelt ac14: herabzulassen c15: vornehmlich c16: Beispiele Anderer c17: nämlichen ac18: herablassend c19: sei c20: forderte c21: vermöge, und c22: er c23: manche c24: führe ac25: Wiederaufstehen (a); Wiederaufstehen, (c) c27: jedes, c28: geringe, a29: grossen a30: jenen c31: bei a32: blossen a33: Unentschloßnen c34: Anm. *) a35: blossem c36: bloßer Willkür c37: eigene c38: hindere c39: leichtem c40: sei c41: vornehmlich bei c42: kann c43: bei c44: hiebei c45: bei c46: ähnlicher

|c77| 54a1.

Alle auf die bisher beschriebene Art gemachten guten Eindrücke würden doch dem großena2 Zweckc3 des erbaulichen Vortrags nicht völlig entsprechen, wenn sie nicht dauerhaft würden, und in feste Grundsätze und Gesinnungen übergingen. Dieses zu bewirken, möchten folgende Mittel am dienlichsten seyn. Zuerst, daß aller Vortrag so eingerichtet werde, daßa4 ihn die Zuhörer leicht übersehen, und sich dessen wieder erinnern können. Hiezuc5 würde 1) schon vieles thun, wenn der Vortrag nicht zu lang, nicht verwirrt wäre, nicht zu viele Abtheilungen, und nicht zu vielerleyc6 Sachen enthielte, hingegen wohl zusammenhinge, c7 so daß ein Gedanke leicht und natürlich auf den andern führte, auch die Hauptsachen umständlich aus einandergesetzt, und auf mannichfaltige Art erläutert und eindringlich gemacht /cwürden †).c\c8 2) wennc9 der Prediger die Kunst verstünde, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch eine gewisse wirklich nutzbare Neuig|a665|keit der Sachen und des Vortrags zu fesseln; weil eben das Neue besonders die Aufmerksamkeit reitzt, und man es gern wiederholt, es sich |b88| einzudruckenac10, geläufig zu machen,a11 und anzuwenden sucht. ††)c12 3) wennc13 er sich vornemlichc14 an einige kurze Kernsprüche hielte, die den Zuhörern bekannt oder leicht zu behalten wären, und sie, nicht bloß durch öftere Wiederholung, sondern vornemlichc15 durch die möglichste Verdeutlichung, und Zurückführung oder Anwendung auf besondere Fälle, anschaulich und interessant zu machen suchte; und 4) auch darin dasa16 Beyspielc17 des /cgrößestena18 Mustersc\c19, Jesu, nachahmte, daß er allesc20, was er den Zuhörern nützlich oder nöthig findet, mehr gelegentlich, d. i. beyc21 einzelnena22 vorkommenden Fällen, wo die Umstände des z. B. |c78| kranken, niedergeschlagnenac23 etc. Zuhörers es veranlaßenac24, und was oder wie es den Zeitumständen und Bedürfnissen des Zuhörers am gemäßestena25 ist, vortrüge.

/c†) Anm.a26 1.c\c27 Je mehr sich der Lehrer gewöhnt, allesc28, was er sagen will, vorher wohl durchzudenken, und je mehr er Achtung gegen die Sachen, wie gegen seine Zuhörer und deren Bestes hat: je mehr wird er diese erste Regel beobachten. – Hätten die vor Haltung des Vortrags gedruckten Predigtentwürfe nicht manche andrec29 Unbequemlichkeiten, und wären sie gut – mit Rücksicht auf das in dem §. selbst /cerwähntea30, – eingerichtet:c\c31 so könnten sie die vorläufige Aufmerksamkeit auf die Predigten und die Wiederholung des Gepredigten sehr befördern. Selbst die Gewohnheit, beyc32 dem Unterricht in der Religion, ein besonderes gut zusammenhängen|a666|des und mit bestimmter Kürze |b89| geschriebnesc33 Buch, und beyc34 Predigten einen Text, zum Grunde zu legen, erleichtert das Behalten desjenigen, was gesagt ist.
/cAnm.a35 2.c\c36 Die sogenannte synthetische Methode beyc37 dem Vortrag der Religion hat freylichc38 auch ihre Vortheile. Vollständiger und zum Theil bestimmter laßenac39 sich dabeyc40 die Sachen ausführen, und, hätte man lauter oder meistens solche Zuhörer, die hauptsächlich weiter aufgeklärt zu werden wünschten, und gewohnt wären, immer im Zusammenhange zu denken: so wäre sie danna41 die schicklichste, wenigstens die zwangloseste /aMethodea\. Aber die analytische, die einen biblischen Text zum Grunde legt, und sich überall an diesen hält, /cc\ befördert doch das bessere Behalten, und giebt dem Zuhörer ein gutes Mittel, durch dessen Hülfe er sich an das Gesagte besser wieder erinnern kanc42; – sie gewöhnt ihn mehr an die Bibel, deren kurze, edel und anschaulich ausgedrucktec43 Kernsprüche mehr wirken als allgemeine Sätze, und Ausführung derselben, die im Allgemeinen stehen bleibt; (man weiß ja, was Sprüchwörter, Verse, Fabeln, Geschichten thun, wie leicht sie |c79| sich dem Gedächtniß und der Einbildungskraft wieder darstellen, wie sie sich an alle Vorfälle des Lebens anschlingen, wie leicht in Grundsätze und Gesinnungen übergehnc44); – und, was das Vornehmste ist, sie lehrt und gewöhnt ihn, seine Bibel nun selbst fleißig zu lesen, sie besser zu verstehen, und, wie er es nach und nach seinenc45 Lehrer abgelernt hat, sie in beständiger Anwendung auf sich zu brauchenc46, wodurch er die |b90| Erbauung fortsetzen, und sich selbst erbauen lernt;a47 ohne welche Uebung selbst der beste Vortrag wenig dauerhafte Eindrücke machen, und die Andacht des Zuhörers nur an Gelegenheiten binden, nie aus ihr etwas |a667| Ganzes machen wird. Je seltnerc48 die Bekanntschaft mit der Bibel, ihrem wahren Verstande und ihrem so weit greifenden höchst fruchtbaren Inhalte wird; je mehr die Gewohnheit abnimmt, über sie und ihren unerschöpflichen Reichthum wahrhaftig praktischer Ideen nachzudenken, und sie auf alle Angelegenheiten des Herzens anzuwenden; je mehr die Einbildung überhand nimmt, daß man allesc49 am besten aus sich selbst herauswickeln könne, und der Wahn, daß es ein Zeichen eines größerna50 und gründlichern Kopfes /csey, allesc\c51 von vornec52 her und aus der Natur der Sache zu erkennen, und im Zusammenhange zu denken; je herrschender der Geschmack an bloßera53 Aufklärung wird, und je mehr die Anwendung der bessern Kenntnisse auf wirkliche Besserung des Herzens vernachläßigtc54 wird: jec55 weniger ists zu verwundern, daß analytische Predigten immer seltner werden. Wiewohl die synthetischen auch leichter sind. Man braucht dazu (wie sie wenigstens gemeiniglich sind) nur wenige, allgemeine Sätze;a56 bedarf wenig oder gar keiner exegetischen Kenntnisse, keines mühsamen Studiums der Erfahrung, keines feinern Studiums des, nach den individuellen Umständen, so /cäusserst verschiednenc\c57 menschlichen Herzens, und der besondersten Bedürfnisse desselben, keiner vielfältigen Uebungen, den Vortrag diesen anzuschmiegen,c58 und, je dürftiger man an Kenntnissen und unreifer zu |b91| einem wahren Religionslehrer |c80| ist, jec59 besser kommen dem Geistesarmen die allgemeinen und unter gewisse Hauptpunkte geschichteten Belehrungen von Universitäten her, zu Statten. Aber ob es für den Zuhörera60 mehr frommt? –
/cAnm.a61 3.c\c62 Es ist hier nicht die Rede von Befriedigung bloßera63 Wißbegierde oder Neugier über ausserordentlichec64 und unbegreifliche Sachen, |a668| oder über Fragen, die eben jedesmal zu einer gewissen Zeit die Aufmerksamkeit des Publikums beschäftigen, und dessen Meinungen theilen;a65 noch von parodoxen Behauptungen oder raschen und auffallenden Aeusserungenc66, die der Zuhörer wenigstens in dem Zusammenhangc67 nicht erwartet. Denn alles diesc68 ist dem Zweckc69 des Religionsvortrags, der Erbauung, so wenig, als eigentliche Gelehrsamkeit, gemäß; oder zerstreut die Zuhörer mehr, zieht wenigstens ihre Aufmerksamkeit von wichtigern Hauptsachen ab; und schadet oft, weil es fremdartig und vielenc70 anstößig ist, dem Vertrauen auf die Weisheit und Andacht des Lehrers. – Ich meine nicht einmal Predigten über die sichtbare Natur, über Aberglauben und /candre besondrec\c71 Ausschweifungen des gemeinen Lebens, über bürgerliche Pflichten und Gegenstände, oder irgend etwas Nützliches, das doch nicht eigentlich zur Religion gehört. Hängt es irgend mit der Religion zusammen:c72 so verdient es,a73 sowohl als Religion selbst, gepredigt, wenigstens zur Beförderung der wahren Religion und Erbauungc74 benutzt zu werden;a75 sofern es den Kenntnissen und Bedürfnissen der Zuhörer gemäß ist, |b92| oder gemacht werden kan;ac76 und sofern es mit Mäßigung und Würde geschieht, nicht den Vortrag der Religion selbst verdrängt, der doch die öffentlichen Vorträge eigentlich gewidmet sind, und nur so selten geschieht, daß der Geschmack der Zuhörer nicht verwöhnt, und von den eigentlichen Religionsvorträgen abgezogen wird. – Neuigkeitc78 verstehe ich /chier wirklich im eigentlichen erbaulichen Vortrage der Religion.c\c79 1) Schonc80 von den dahin |c81| gehörigen Sachen /cselbst kan vieles neu seync\. Der gewöhnliche Religionsunterricht in Schulen und Lehrbüchern ist noch sehr eingeschränkt, ist eigentlich nur Grundlage des weitern Unterrichts, durch den ein Christ immer mehr auch |a669| in der Erkenntniß wachsen soll. Von vielen wichtigen Sachen (/az. B.a\ dem richtigen praktischen Begriffa81 des Glaubensc82, und was wir thun könnenc83 ihn hervorzubringen und zu nähren, von Genügsamkeitc84, von /cwahrer Ehrliebec\c85, von Standhaftigkeitc86 gegen herrschende unschuldig scheinende Gewohnheiten, und dem weisen Kampf dagegen, von der Pflicht, allesc87 was man, auch in seinem Beruf, thut, gutc88 zu machen, von vielen /cunerkannten Sünden und Wohlthaten Gottes, und tausend andern /aSachena\c\c89) wird auf den Kanzeln und beyc90 Katechisationen wenig oder gar nicht geredet. Auch beyc91 bekannten und oft zu wiederholen nöthigen Lehren und Anstalten Gottes,c92 ließea93 sich viel Lehrreiches über Gottes Absichten dabeyc94 sagen, /aes ließen sicha\ viele unerkannte Pflichten und Tröstungen daraus herleiten /cu. d. gl.c\c95 Und kanc96 wenigstens der Lehrer nicht, gleich durch die Anwendung der Lehren undc97 durch die Situationen, in die er |b93| die Zuhörer /cdagegen bringtc\c98, viel Neues sagen, das immer den Zuhörer unterhält, woran dieser schwerlich selbst gedacht hätte, und sich doch immer getroffen, immer das auf diese Art Gesagte,c99 für sich brauchbar findet?a100 Eben so kanc101 2) in den Vortrag Neues gebracht, es können bekannte Sachen durch neue Beweise, durch neue Anwendung der biblischen Texte, durch neue Motive unterstützt, durch dazu gewählte Geschichten und Beyspielec102 aus der Bibel, durch besondrec103 Fälle aus dem gemeinen Leben /cu. d. gl.c\c104 anschauender und lehrreicher gemacht werden. (Wie wenig mag z. B. Marc. 9, 38 f. auf die Duldung und billige Beurtheilung derer, die anders,c105 als wir,c106 in der Religion denken, 1 Kor. 7, 23.c107 auf die Pflicht des Kampfs gegen Mode und Beyspielec108, Kap. 8, 1 f.c109 auf den Mißbrauch der Aufklärung etc. angewendet worden seyn? undc110 wie viel Lehrreiches liegt noch in der Geschichte der Apostel und in an|c82|dern biblischen /aGeschichtena\? nicht nur |a670| in den Sätzen, sondern auch in der ganzen Stellung und Verbindung derselben in der Bibel?) – Wer sich gewöhntc111 über allesc112, und besonders über den Inhalt der Bibel und des menschlichen Lebens,c113 nachzudenken, und beydesc114 täglich zu studieren, fleißig selbst an seiner eignenc115 Erbauung zu arbeiten, die Religion überall anzuwenden, und /callenfalls sich, nicht gemeinec\c116 Bemerkungen, die irgend etwas Neues lehren, oder ein neues Licht worauf werfen, aufzuzeichnen, um sie gelegentlich beyc117 seinen Zuhörern zu brauchenc118: dem wird, viel Neues zweckmäßig zu sagen, so schwer nicht seyn können.
c⌇⌇c {Wo der Prediger an die gewöhnlichen Perikopen gebunden ist, da sollte er sich ganz vorzüglich bemühen, den gewöhnlichen Texten neue Seiten abzugewinnen, auch dazu Predigten geistvoller Männer über diese Abschnitte vergleichen. Ganz vorzüglich zeichnen sich die Reinhardtschen auch von dieser Seite aus. A. d. H.}c
a1: 556 a2: grossen c3: Zwecke a4: damit c5: Hierzu c6: vielerlei c7: 1) c8: würden. 2) c9: Wenn ac10: einzudrücken a11: machen c12: 3) c13: Wenn c14: vornehmlich c15: vornehmlich a16: dem c17: Beispiel a18: grössesten c19: größten Meisters c20: Alles c21: bei a22: einzlen ac23: niedergeschlagenen ac24: veranlassen a25: gemässesten a26: Anm. c27: Anm. 1) c28: Alles c29: andere a30: erwehnte c31: erwähnte – eingerichtet, c32: bei c33: geschriebenes c34: bei a35: Anm. c36: 2) c37: bei c38: freilich ac39: lassen c40: dabei a41: denn c42: kann c43: ausgedrückte c44: übergehen c45: seinem c46: gebrauchen a47: lernt, c48: seltener c49: Alles a50: grössern c51: sei, Alles c52: vorn a53: blosser c54: vernachlässigt c55: desto a56: Sätze, c57: äußerst verschiedenen c58: anzuschmiegen; c59: desto a60: Zuhörer a61: Anm. c62: 3) a63: blosser c64: außerordentliche a65: theilen, c66: Aeußerungen c67: Zusammenhange c68: dieß c69: Zwecke c70: Vielen c71: andere besondere c72: zusammen, a73: es c74: Erbauung, a75: werden, ac76: kan, (a); kann; (c) c78: Vielmehr c79: unter dem, was durch Neuheit Interesse erregt, das, was auch bei einem Religionsvortrage, der sich Erbauung zum höchsten Zweck setzt, neu seyn kann. Dieß gilt c80: schon a81: Begrif c82: Glaubens c83: können, c84: Genügsamkeit c85: wahrer Ehrliebe c86: Standhaftigkeit c87: Alles c88: gut c89: unerkannten Sünden und Wohltaten Gottes u. s. w. c90: bei c91: bei c92: Gottes a93: liesse c94: dabei c95: u. dgl. c96: kann c97: oder c98: zu versetzen sucht c99: Gesagte a100: findet. c101: kann c102: Beispiele c103: besondere c104: u. dgl. c105: anders c106: wir c107: 23., c108: Beispiele c109: f., c110: Und c111: gewöhnt, c112: Alles c113: Lebens c114: Beides c115: eigenen c116: sich allenfalls, feinere c117: bei c118: gebrauchen

|b94| 55a1.

Sehr viel tragenc2 zur Befestigung guter Eindrücke auch 2) (§. /c54a3) die dem Vortrag eingedrucktena4 Spuren der eignen Ueberzeugung des Lehrersc\c5 von der vorgetragenenen Wahrheit und ihrem Werthe c6, und /cseinesc\c7 Interesse für das Wohl der /cZuhörer, beyc\c8. Theilnehmung wirketc9 wieder Theilnehmung, und wenn wir merken, daß jemand angelegentlich zu unserm Besten arbeitet, so giebt unser eignesc10 Interesse, und die Vorstellung von dem Lehrer, als unserm Freunde, einen mächtigen Reitz, seine Gedanken weiter zu verfolgen;ac11 zumal, wenn uns die Sache ohnehin schon anzieht, und die durch den Vortrag durchscheinende Ueberzeugung des Lehrers unsrec12 Meinung von der Wahrheit und Wichtigkeit des Gehörten bestätigt. Selbst die Wärme und noch vielmehr die ruhige Heiterkeit des Geistes, die den Verdacht des Gesuchten und Künstlichen ausschließt, |c83| fesselt die Aufmerksamkeit, und macht |a671| uns geneigt, den ersten angenehmen Eindruck zu wiederholen, und darüber weiter nachzudenken. Wer es dahin beyc13 dem Zuhörer bringen will, muß selbst von dem, was er sagt, und vornemlichc14 von dessen Werth, lebendig überzeugt seyn, die Sache wohl und praktisch durchdacht haben, und in dem Augenblick, wo er sie vorträgt, ganz dabeyc15, und von ihr eingenommen seyn. Diesc16 und ein wohlwollendes Herz sind die Haupterfordernisse dabeyc17; lebhafte Einbildungskraft und Reichthum der Sprache, den er in seinec18 Gewalt |b95| hat, unterstützen es. Das Aeusserec19 giebt sich alsdann von selbst. Etwas kanc20 auch dazu beytragenc21, wenn man das Gemüth vorher in die gehörige Ruhe setzt, und durch Lesung körnigera22 Stellen aus der heiligen Schrift, oder ähnlicher Schriften, seinem Geiste Nahrung giebt.

c23 Die hier beschriebnec24 Eigenschaft des Vortrages ist ohngefehrc25 das, was die Franzosen mit dem mystischen Namen der Salbung belegen. Die Kraft, welche dauerhafte Eindrücke hervorbringen soll, liegt in der vorgetragenen Sache selbst, und muß von dem Lehrer hervorgezogen oder entwickelt werden. Ist jenes /anichta\, und geschieht diesesa26 nicht; wirkt der Vortrag bloß auf die Sinne,c27 oder Einbildungskraft der Zuhörer: so mag er betäuben und hinreissen,c28 dauerhafte Eindrücke wird er nie machen.
c⌇⌇c {Der Ausdruck Salbung (χρισμα und χριειν) ist aus 1 Joh. 2, 20. 27. Apostelg. 10, 38. 2 Kor. 1, 21. entlehnt, wo er in der tropischen Bedeutung die Einweihung in eine Lehre oder ein Lehrgeschäft bezeichnet, folglich überhaupt den den Menschen gewordenen Unterricht in der Religion bezeichnet. Erst späterhin hat man in der homiletischen Sprache darunter eine besondere Eigenschaft des Vortrags verstanden. Wenn er nämlich nicht bloß den Verstand beschäftigt, sondern Geist und Gemüth zugleich ergreift, durch |c84| die Stimmung des Redenden seine sichtbare Theilnahme an der Sache unterstützt, und damit eine gewisse Feierlichkeit, wie sie dem hohen Gegenstande angemessen ist, verbindet, so pflegt man dem Redenden, Salbung zuzuschreiben. Die beiden Hauptzwecke des Begriffs scheinen demnach Herzlichkeit und Würde zu seyn. So gebrauchen auch besonders französische Schriftsteller das Wort onction. A. d. H.}c
a1: 557 c2: trägt a3: 556 a4: eingedrückten c5: 54.) bei, wenn der Zuhörer gewahr wird, wie innig der Lehrer c6: überzeugt sei c7: welches warme c8: Zuhörer ihn beseele c9: wirkt c10: eigenes ac11: verfolgen, c12: unsere c13: bei c14: vornehmlich c15: dabei c16: Dieß c17: dabei c18: seiner c19: Aeußere c20: kann c21: beitragen a22: körnigter c23: Anm. c24: beschriebene c25: ungefähr a26: dieses, c27: Sinne c28: hinreißen;

56a1.

Auch der lebhafteste Eindruck verliert inc2 die Länge seine Kraft, und wird durch andrec3 neue und lebhaftere Vorstellungen geschwächt oder ver|a672|drängt. Man kanc4 ihn nur dadurch befestigen, daß man ihn gleich, wenn das Gemüth noch ganz davon eingenommen ist, in Ausübung bringt;a5 daß man, wenn diesc6 nicht gleich geschehen kanac7, ihn mit seinen Gedanken verfolgt, ihn sich dadurch geläufig macht, und ihn in Empfindung verwandelt; daß man ihn endlich öfters,c8 durch allesc9, was die Andacht unterhält, wieder auffrischt. Alles dieses zu befördern, wäre also das 3tec10 (§. /a54. 55c11a\a12), was der Lehrer zur Erhal|b96|tung des guten Eindrucks thun müßte. Er bewege den Zuhörer, gute Vorsätze (z. B. sich mit seinen Feinden auszusöhnen, Almosen zu geben, seine Angelegenheiten Gott zu empfehlen),c13 ohne Aufschub zu vollziehen. Er suche durch a14 Gebet, durch wohlgewählten Gesang, durch den Genuß des heiligen /cAbendsmahlsa15 u. d. gl.c\c16 die guten Eindrücke beyc17 den Zuhörern zu befestigen. Er empfehle ihnen durch sein Beyspielc18 religiöse Uebungen, Lesung der heiligen und anderer, ihren Fähigkeiten angemeßnenc19, Schriften, Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes, frommen Umgang, Nachdenken über alles Gehörte oder Gelesene, in beständiger Beziehung auf sie |c85| und die Bedürfnisse ihres Geistes und Herzens; erbiete sich gegen sie zu weiterer Belehrung;ac20 und nehme Gelegenheit, beyc21 schicklichen Veranlaßungenac22 sich mit ihnen über das, was ihre besondrec23 geistliche Wohlfahrt betriftc24, näher zu unterhalten.

a1: 558 c2: auf c3: andere c4: kann a5: bringt, c6: dieß ac7: kann c8: öfters c9: Alles c10: Dritte c11: 55. a12: 556. 557 c13: empfehlen) a14: das a15: Abendmahls c16: Abendmahls u. dgl. c17: bei c18: Beispiel c19: angemessenen ac20: Belehrung, c21: bei ac22: Veranlassungen c23: besondere c24: betrifft

|a673| 57a1.

Wer die Pflichten eines guten christlichen Volkslehrers, nach dem bisher Gesagten,c2 erfüllen wollte, müßte – ein Mann von gesundem Verstande; – von /cgutem Geschmacke,a3 c\c4 oder /crichtigemc\ Gefühl des Schicklichen und Unschicklichen;a5 – selbst klarer Begriffe fähig, und gewohnt seyn, klar und ordentlich zu denken; – eine ausgebreitete, richtige, bestimmte, anschauende und praktische Erkenntniß der Religion;c6 – vornemlichc7 Interesse für Wahrheit, besonders |b97| in der Religion, und für alles Gute;c8 – die Gabec9 sich gut auszudruckenac10, und daher auch hinlänglichen Reichthum der Sprache,c11 besitzen; – selbst von Herzen fromm seyn, und die eigentliche Absicht haben, auch andrec12 Menschen dahin zu bringen; – endlich, so viel als möglich, die Fähigkeiten und Bedürfnisse seiner Zuhörer kennen, – und nach diesen seinen Vortrag einzurichten verstehen. /a– Alsdanna\a13 könnte er allenfalls eines besondern Unterrichts der Homiletik und Katechetik, so wie guter Beyspielec14 im Vortrage, entbehren, und eignec15 Uebung würde diesen Abgang ersetzen /ckönnen;a16 ohne welchea17 c\c18 und ohne jene /cEigenschaften,c\c19 /abloßea\ /cAnweisungc\c20 und /cBeyspiele ihnc\c21 nicht zum guten Lehrer des Volks /cmachen können. Aber,c\c22 – wenn auch jene Eigenschaften nicht so selten, und nicht noch seltner /cbeysammena23 wären:c\c24 – so bedürfen sie doch einer mehrern Ausbildung durch den Unterricht, Rath und Beyspielc25 |c86| Anderer, die mehr Geschicklichkeit, Kenntniß und Erfahrung haben; – und ein besondrerc26 |a674| Unterricht über die Einrichtung des guten Vortrags kanc27, wie beyc28 allen Wissenschaften, das Studium desjenigen, was dazu erfordert wird, sehr erleichtern. – Selbst, wenn ein junger Mann sich bloß nach guten Beyspielenc29 bilden wollte, müßte er,c30 – um nicht in seiner Wahl zu irren, /aunda\ gute Eigenschaften der Predigten, oder ihre Fehler,a31 zu übersehen, jene zu vernachläßigenc32 und diese anzunehmen,c33 /aa\ doch erst auf beydec34 überhaupt aufmerksam gemacht worden seyn. – Vornemlichc35 giebt es so viele Vorurtheile darüber, |b98| die auf Unwissenheit, verdorbnenac36 Geschmack, und der so allgewaltig wirkenden Mode beruhen, daß es schon deswegen nöthig ist, frühzeitig sich um gesunde und feste Grundsätzec38 von der wahren Vollkommenheit des Religionsvortrages zu bewerben.

c39 Gut eingerichtete Vorlesungen über die Homiletikc40 von einem Lehrer, der ein eben so guter Theoretiker als Praktiker wäre, /adera\ nicht bloß zur Wohlredenheit, sondern zu wahrer nützlicher Beredtsamkeit, oder vielmehr zu rechter Einrichtung des erbaulichen, zusammenhängenden oder Gesprächsvortrags der Religion, Anweisung gäbe, /adera\ nicht sowohl Kunst als Befolgung der Natur, auch in diesem Stücke, /alehrte;a\a41 gute Grundsätze durch wohlgewählte Beyspielec42 deutlich und anschaulich machte;a43 auch, wenn es seyn könntea44, die nöthigen Uebungen der Zuhörer unter seiner Aufsicht, damit verbände – nebst dem Umgangc45 mit erfahrnen und in dieser Art bewährten Predigern – würden hier am diensamsten seyn. /cGute Anweisungen dazu findet man vorzüglich in den Grundsätzenc\
c⌇⌇c Unter den älteren Anweisungen enthalten auch für die jetzige Zeit noch sehr viel Brauchbares: Dr. Erasmi Ecclesiastes s. de ratione concionandi, L. IV. 1554., und And. Hyperius de formandis concionibus sacris, 1553. denuo edidit H. B. Wagnitus, Halae 1781.
|c87| Unter den neueren:
Grundsätzec
zur Bildung künftiger Volkslehrer, Prediger, Katecheten und Pädagogen, von Georg Frie|a675|drich Seiler, 2tea46 /cAuflage, Erlangen,c\c47 1786. gr. /c8.;a48 und inc\c49 c Aug. Herm. Niemeyersc50 /aHandbuch für christliche Religionslehrer, /czweyter Theil,c\c51 (auch unter dem Titel: Homiletik, Pastoralanweisung und /cLiturgik,)c\c52 Halle /c1790 inc\c53 8.a\a54
cc {J. W. Schmidt's Anleitung zum populären Kanzelvortrag, 1ster bis 3ter Theil. Jena 1787 f.
H. A. Schott Theorie der Beredtsamkeit, mit besonderer Anwendung auf die geistliche. Leipzig 1781.; und
Dessen kurzgefasster Entwurf der Theorie der Beredtsamkeit. 1815.
C. F. Ammon Handbuch, oder Anleitung zur Kanzelberedtsamkeit. Marburg 1812.c
⌇⌇c Unter den rhetorischen Vorlesungenc55, die wenigstens zur feinernc56 Bildung des Predigers dienen, verdienen Hugo Blair's Vorlesungen über Rhetorik und schöne Wissenschaften,c57 (aus dem Englischen übersetzt von |b99| K. G. Schreiter, Liegnitz,c58 1785 bis /c1788 inc\c59 3 Theilenc60, gr. 8.) /cvornemlich studieretc\c61 zu werden. c62
a1: 559 c2: Gesagten a3: Geschmacke c4: richtigem Geschmacke a5: Unschicklichen, c6: Religion, c7: vornehmlich c8: Gute, c9: Gabe, ac10: auszudrücken c11: Sprache c12: andere a13: Alsdenn c14: Beispiele c15: eigene a16: können, a17: die c18: können. Ohne diese c19: Eigenschaften können ihn c20: theoretische Anweisungen c21: Beispiele c22: machen. Aber a23: beysammen, c24: beisammen wären, c25: Beispiel c26: besonderer c27: kann c28: bei c29: Beispielen c30: er a31: Fehler c32: vernachlässigen c33: anzunehmen c34: beide c35: Vornehmlich ac36: verdorbenem (a); verdorbenen (c) c38: Grundsätze c39: Anm. c40: Homiletik, a41: lehrte, und c42: Beispiele a43: machte, a44: kan c45: Umgange a46: (2te c47: Ausgabe, Erlangen a48: 8.) c49: 8. c50: Niemeyer's c51: zweiter Theil c52: Liturgik), 5te Ausgabe, c53: 1807. a54: Entwurf der wesentlichen Pflichten christlicher Lehrer, (Halle, 1786. in gr. 8.) c55: Lehrbüchern c56: feineren c57: Wissenschaften c58: Liegnitz c59: 1788., c60: Theile c61: vornehmlich studiert c62: c A. d. H.}

58a1.

Eben so großena2 und vielleicht noch mehrernc3 Nutzen, als Anweisungen zum erbaulichen Vortrag, haben gute Muster von Predigten und Katechisationen;c4 weil es dem Anfänger schwerer fällt, gute Grundsätze und Regeln wohl anzuwenden, als sie zu verstehen,c5 oder überzeugend einzusehen; weil es den meistenc6 leichter wird, sich nach Beyspielenc7 als nach Grundsätzen zu bilden; und weil gute Beyspielec8 mehr Lust zur Nachahmung machen, und den Fleiß in ähnlichen Versuchen ermuntern. Manches, z. B. |c88| die Kunst, den Vortrag concret zu machen, d. i. allgemeine Sätze auf besondere Umstände und Bedürfnisse der Zuhörer zurück zu führen, läßt sich auch nicht durch Regeln, wohl aber aus Beyspielenc9 lernen. Man müßte nur beyc10 dem Gebrauch derselben 1) in der Wahl vorsichtig seyn. – Es giebt Predigten, die eher gelehrte oder scharfsinnige Untersuchungen, eher Meisterstücke der Kunst, als Predigten sind, die also, |a676| wenn es uns um eignec11 Belehrung, Ueberzeugung und Erbauung überhaupt, oder um Fortschritte in den schönen Wissenschaften,c12 zu thun wäre, für uns unterhaltender und nützlicher seyn mögen;c13 die es aber deswegen nicht sind, sofern wir unsern Vortrag zu Anderer Erbauung darnach bilden wollen. Oft täuscht auch der berühmte |b100| Name; denn selbst die musterhaftesten Prediger sind es nur in gewisser Absicht;a14 sie sind es auch nicht in allen ihren Arbeiten, und ihre früheren Versuche kommen selten ihren spätern und reifern Früchten beyc15. Und sehr oft verursacht die Mode und herrschende Gewohnheit, welche auf manche gute Eigenschaften einer Predigt einen zu großena16 Werth legt, nebst der Neigung zu dem, was uns leichter wird, oder mehr nach unserm Geschmack und c17 Fähigkeiten ist, daß man sich nur an Eine Art,c18 (populärer /aPredigtenc19 a\ z. B. die oft sehr arm an Sachen, richtigen und bestimmten Gedanken, und um so reicher an Worten sind),c20 hält, und andrec21, aus welchen man mehr lernen könnte und sollte, vernachläßigtc22. Man müßte also, wenn es uns wirklich Ernst wäre, in aller Absicht, c23 auch als Prediger,c24 vollkommena25 zu werden, mehrerea26 Arten von nachahmungswürdigen Predigten oder Katechisationen, nach den oben beschriebenen Eigenschaften, studieren, vornemlichc27 die, welche nach unserm besondern Beruf, und der Art der Zuhö|c89|rer, mit welchen wir zu thun haben, uns am nöthigsten sind, und die sich durch solche Eigenschaften auszeichnen, an welchen es uns noch mehr als a28 andern fehlt.

a1: 560 a2: grossen c3: größern c4: Katechisationen, c5: verstehen c6: Meisten c7: Beispielen c8: Beispiele c9: Beispielen c10: bei c11: eigene c12: Wissenschaften c13: mögen, a14: Absicht, c15: bei a16: grossen c17: unsern c18: Art c19: Predigten, c20: sind) c21: andere c22: vernachlässigt c23: und c24: Prediger a25: vollkommner a26: mehrere c27: vornehmlich a28: an

|a677| 59a1.

Aber man müßte sie 2) nicht eigentlich c2 nachahmen, /acd[.] i.ac\ac3 seine Art zu denken, zu empfinden, und sich auszudruckenac4, nicht nach Andern stimmen, nicht Natur mit Kunst vertauschen wollen. Denn – /acausser demac\ac5, daß eine solche |b101| Begierde nachzuahmen, gemeiniglich auf das Eigenthümliche c7 eines Predigers fällt, welches sich ohne unnatürlichen Zwang nicht nachahmen läßt, und Vielesa8, was selbst fehlerhaft ist, den kleidet, dem es natürlich ist, beyc9 Andern aber lächerlich wird, wenn man ihnen die Mühe ansieht, die sie sich geben, unnatürlich zu handeln: – so hemmt es die Freyheitc10 des Geistes, und verhindert das Gute zu stiften, das jeder nach seiner Art gerade am meisten stiften könnte. Der Vortrag verliert das /cnatürlich Schönec\c11, und, wenn ich so reden darf, das Herzliche, welches eben daraus entsteht, daß, was man sagt, aus eignerc12 Ueberzeugung und Empfindung, aus wahrer Theilnehmung an der Sache, wie sie sich uns darstellt, fließt, daß es natürlicher Ausbruch des von ihr ganz eingenommnenc13, durch keine fremden Rücksichten zerstreuten, Verstandes und Herzens ist, und, weil es vom Herzen kommt, auch wieder zu Herzen geht. – Vielmehr müßte man 3) erst, nach eignerc14 Empfindung des Nützlichen und nach bewährten Grundsätzen einer vernünftigen Homiletik, wohl untersuchen, was an gewissen Mustern wirklich nachahmungswürdig seyc15? und, wenn |a678| man bemerkte, daß man es selbst noch nicht, oder nicht genug, in seiner Gewalt hätte, |c90| 4) alsdann, ob man danach trachten könnte? d. i. die Fähigkeit hätte, zwar durch Fleiß und Uebung, aber nicht mit Zwang, eben dieses zu erreichen; welches zu entdecken nicht gar schwer werden kanac16, wenn man nur aufrichtig sein Gefühl,a17 und, um weniger zu irren, die Urtheile |b102| anderer Verständigern befragt. Hernach 5) ob man es auch dürfe? /cd. i.c\c18 ob unser Beruf, nebst den Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen unsrerc19 Zuhörer, diese Eigenschaften des Vortrags ertragen, oder gar fordern. Wäre man von allem diesen überzeugt:c20 so müßte man 6) wahre Muster sorgfältig in ihre Theile zerlegen, um zu sehen, wie der Andere seine Hauptgedanken erklärt, ausgeführt, sie und ihre Erläuterungen geordnet und ausgedrucktac21, auch untersuchen, warum er es lieber so, als anders, dargestellt, und was er für Mittel dazu gebraucht hätte?

/cAnm.a22 1.c\c23 Gute Regeln und Grundsätze der Homiletik, nebst frühzeitigen Uebungen, einen Autor recht zu studieren und auszulegen, kommen uns hier sehr zu Stattenc24. Wird es uns im Anfange zu schwer, oder traut man seinem eignenc25 Urtheil nicht:c26 so nehme man, wo möglich, den Verfasser selbst, oder andrec27 gültige Richter,c28 zu Hülfe. Wenn man sein so durchstudiertes Muster auf eine geraume Zeit zurücklegt, um die Lebhaftigkeit der Eindrücke, die es beyc29 uns gemacht hat, sich setzen zu /alaßenc30, daraufa\a31 den Versuch macht, eben dasselbe nach unsrerac32 Art auszuführen, und alsdann |a679| mit dem Muster zu vergleichen: so wird man bald sehen, ob man im Stande seyc34, das Gute demselben wirklich abzulernen, und sich eigen zu machen. Doch diesc35 gehört mehr zu den eignenc36 Uebungen.
/cAnm.a37 2.c\c38 Vorzügliche hieherc39 gehörige Predigten und Katechisationen sind in der Anweisung zur Kennt|b103|niß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie, §. 561 f. genannt, deren Verzeichniß sich aus der neuesten Zeit noch vermehren läßt. /cAls Katechisationen verdienen zum Theil die Unterhaltungen für Kinder und Kinderfreunde (von C. G. Salzmann,) Leipzig, 1778 folgg. in 9a40 Bändchen in 8; das Handbuch für Kinder und Kinderlehrer über den Katechismus Lutheri, von J. R. G. Beyer, Leipzig, 1785−1787.a41 in 7 Bändchen in 8; Katechetisches Magazin, herausgegeben von G. H. Lang, Nördlingen, 1781–1784a42 in dreya43, und dessen Fortsetzunga44, oder Neues katechetisches Magazin, Erlangen, 1785−1789a45 bisher in dreya46 Bänden /aund einem Stück des 4tena\ in 8. vor andern studiert zu werden.c\
c|c91| ⌇⌇c {Unter den Lehrbüchern für Katechetik sind zu vergleichen vorzüglich:
  • G. F. Seiler's katechetisches Methodenbuch. Erlangen 1789.
  • J. F. C. Gräff's vollständiges Lehrbuch der allgemeinen Katechetik (ganz nach Kantischen Grundsätzen), 3 Bände, Göttingen 1795 f., nebst des Verfassers Grundriß der Katechetik.
  • F. W. Wolfarth's Versuch eines Lehrbuchs der religiös-moralischen Katechetik und Didaktik, Lemgo 1808.

Katechetische Magazine haben Lang und Gräff herausgegeben. Das Wahre, so wie die vorzüglichsten Proben von Katechisationen s. m. in Niemeyer's und Wagnitz Predigerbibliothek, 3ter und 4ter Theil. A. d. H.}c
a1: 561 c2: oder unbedingt ac3: d. i. ac4: auszudrücken ac5: ausserdem (a); außerdem (c) c7: (die Manier) a8: vieles c9: bei c10: Freiheit c11: natürlich-Schöne c12: eigener c13: eingenommenen c14: eigener c15: sei ac16: kann a17: Gefühl c18: d. i., c19: unserer c20: überzeugt, ac21: ausgedrückt a22: Anm. c23: Anm. 1) c24: statten c25: eigenen c26: nicht, c27: andere c28: Richter c29: bei c30: lassen a31: lassen, alsdann ac32: seiner (a); unserer (c) c34: sei c35: dieß c36: eigenen a37: Anm. c38: 2) c39: hierher a40: 8 a41: 1784−1787. a42: 1781−1784. a43: 3 a44: Fortsetzungen a45: 1785−1788. a46: 3

60a1.

Zu allem diesen muß noch eignec2 Uebung in beyderleyc3 Vortrag kommen, ohne welche man sich weder das Andern abgelernte Gute zu eigen machen, noch jemals eine Fertigkeit im guten Vortrage erhalten kanc4. Sie dientc5 auch /czur eignen Demüthigung und Gründung der so nöthigen Bescheidenheitc\c6, wenn man, beyc7 angestellten eignenc8 Versuchen, sieht, – das Ideal vorausgesetzt, das wir oben entworfen haben, – wie so schwer es seyc9, ein recht guter Prediger oder |a680| Katechet zu werden. Mangel c10 dieser Tugend,c11 – der immer /cvoraussetztc\c12, daß man entweder für die Wichtigkeit der Sache kein Gefühl habe, oder nicht wisse, wie viel zum guten Vortragc13 gehöre, oder sich selbst nicht kenne,ac14 – macht blind gegen |b104| eignec15 Fehler, halsstarrig gegen Andrerc16 Erinnerungen, und verhindert, wie den Wachsthum in der Vollkommenheit, so besonders die Biegsamkeit der Seele, die so nöthig ist, um sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Zuhörer zu richten. |c92| Auf der andern Seite hilft die Uebung wieder der Blödigkeit auf, und macht guten Muth, weil man seine Kräfte und ihren Wachsthum fühlen lernt.

a1: 562 c2: eigene c3: beiderlei c4: kann c5: kann c6: am besten bescheiden machen c7: bei c8: eigenen c9: sei c10: an c11: Bescheidenheit c12: ein Zeichen ist c13: Vortrage ac14: kenne c15: eigene c16: Anderer

61a1.

Beyc2 diesen eignenc3 Uebungen kanc4 man 1) nicht oft und dringend genug demc5 Prediger an den Zweck erinnern, wozu er predigen soll. Du redest – in Gottes Namen; sollst, als sein Werkzeug, seinen Willen und seine Gesinnung verkündigen; bist eigentlich dazu da, die wichtigste Angelegenheit der Menschen zu besorgen, sie durch Religion zu wahren, ihre Würde fühlenden, und ihr gemäß handelnden, wahrhaftig glücklichen Menschen zu machen, ihr Lehrer, ihr Rathgeber, ihr Erinnerer, ihr Tröster, beyc6 allen Angelegenheiten zu seyn, die ihr Gewissen und ihre Gemüthsruhe betreffen. Aber du bist kein Orakel; und, wenn auch Gott unmittelbar durch dich redete, so kannst du ihnen doch weder Glauben, noch Gehorsam, noch Zufrie|a681|denheit abzwingen; sie dürfen nicht nur, sie müssen auch prüfen, ob Gott durch dich redet, und dann erst dir folgen. Du mußt also als Mensch mit vernünftigen Menschen reden, die anders nicht gewonnen werden können, als durch |b105| Vorstellungen, welche es ihnen, nach ihren Fähigkeiten, Begriffen und Bedürfnissen, klar machen, daß, was du sagest, wahr und gut, und ihnen nothwendig seyc7, und welchen der Zugang zu eben der Quelle, aus der du schöpfest, zur Vernunft, zur heiligen Schrift und zur Erfahrung, eben so wie dir, offen steht. – Wer diese Zwecke nicht stets vor Augen behält, und nicht alles Ernstes darauf arbeiten will, dessen Vortrag mag übri|c93|gens /cvortreflich seyn;c\c8 erbaulicher Vortrag, gute Predigt, gute Katechisation,c9 ist er nicht.

a1: 563 c2: Bei c3: eigenen c4: kann c5: den c6: bei c7: sei c8: vortrefflich seyn: c9: Katechisation

62a1.

Schon /cdies kanc\c2 a3 2) vora4 einer Menge höchst verderblicher Fehler bewahren, die sich hier nicht alle nennen laßenac5. – Wer immer bedächte, daß er in Gottes Namen die Menschen zur Seligkeit weisen sollte, wie könnte der sichs erlauben, fremdartige Dinge, die nicht Religion zum Gegenstande haben, oder sich nicht durch Religionsgründe unterstützen laßenac6, in den gottesdienstlichen Vortrag zu bringen? †)c7 wie /cderc\c8 predigen, c9 um sich /cbloßc\ hören zu laßenac10, und seiner Eitelkeit ein Opfer zu bringen? sich bloß im /cPredigen, oder gar in Declamation,c\c11 zu /cüben ††)?c\c12 glänzen, oder sich überhaupt empfehlen /azua\ wollen? oder auf der andern Seite, sei|a682|ner Würde vergessen, und sich unanständige Aeusserungenc13, niedrige oder pöbelhafte Ausdrücke, Action eines Comödianten, oder ähnliche Ausschweifungen,c14 zu gute halten, oder gar affectiren? wie /cderc\c15, die Zuhörer /cnurc\ angenehm c16 unterhalten, oder den gelehrten |b106| und tiefdenkenden Untersucher spielen, oder den Abgang kräftiger Gedanken, heilsamer Vermahnungen und guter Gesinnungena17 durch schöne Redensarten und Bilder ersetzen wollen? – Wie /cwirdc\c18 der, /cwer dac\c19 weiß, wie Menschen /cmüssenc\ vernünftig behandelt und gewissenhaft geleitet /cwerden, wie wird derc\c20 jeden Vortrag gut genug für seine Zuhörer /chalten?c\c21 anstatt die Bedürfnisse derselben zu studieren und zu befriedigen, das predigen, was ihm das Leichteste wird, oder ihm das Wichtigste scheint, oder zur Unzeit und ohne Schonung aufklären /cwollen? oder, statt der Gründe dreistea22 Versicherungen, Betheurungen oder Wehklagen brauchen?c\c23 oder c24 auf die Sinne und Ein|c94|bildungskraft arbeiten, und den Verstand der Zuhörer unbeschäftigt, ihr Herz leer und kalt /claßena25?c\c26 mehr die Kunstc27, als seine praktischen Einsichten und sein Herzc28 um Rath fragen?

/cAnm.a29 1. †)c\c30 Was diese Gewohnheit, die seit einiger Zeit Mode zu werden anfängt, für erhebliche Bedenklichkeiten gegen sich habe, würde hier aus einander zu setzen,c31 zu weitläufig fallen. Die Frage kanc32 nicht seyn:c33 ob nicht die Religion /cmüssec\ auch auf das gemeine Leben und auf die besondern Umstände der Zuhörer angewendet, die Zuhörer also,c34 auch durch Predigten,c35 gewöhnt werden c36, sie überall anzuwen|a683|den? (Diesc37 sollte ja ein Hauptzweck aller Predigten und Katechisationen seyn).c38 Es leidet auch keinen vernünftigen Zweifel:c39 ob nicht die sichtbare Schöpfung und deren weise Einrichtungen, falls sie den Zuhörern /ckönnenc\ deutlich gemacht,a40 und |b107| mit Anständigkeit gebraucht werden c41, und ob nicht die besondern Erfahrungen und irdische Beschäftigungen der Zuhörer mit zu Hülfe /cdürfenc\ genommen werden c42, um Lehren der Religion faßlich, einleuchtend und anschaulich zu machen? Sondern die Frage ist: ob Sachen, die entweder nicht zur Religion oder zur Erweckung und Unterhaltung rechtschaffnerc43 Gesinnungen gehören, oder wenigstens nicht durch Gründe aus der Religion dargethan und empfohlen werden können, ob z. B. Verbesserungen im bürgerlichen und häuslichen Leben, c44 zum Zweck der Predigten oder Katechisationen gemacht werden dürfen? Versteht sich der Prediger darauf, und findet er es zuträglich;c45 so breite er Belehrungen oder Empfehlungen solcher Sachen im Umgange oder in besondern dazu ausgesetzten Stunden, ausserc46 dem Gottesdienste, aus.
c⌇⌇c {Auch von dieser Meinung scheint man immer mehr zurückzukommen, die eine Folge der sogenannten Aufklärungsperiode war, wo man von manchen Kanzeln Alles eher als das Evangelium predigen hörte, und wo statt dessen die Zu|c95|hörer mit dem Neuesten aus der Landwirtschaft, Naturlehre, Heilkunde, Pädagogik unterhalten wurden. – Dieß ist in seiner Zweckwidrigkeit eingesehen. Nur in politische Gegenstände hat sich unser Zeitalter wieder zu sehr in Predigten eingelassen.}c
/cAnm.a47 2. ††)c\c48 Nur vom Halten der Predigten ist hier die Rede, und wenn es dabeyc49 zum vornehmsten oder gar einzigen Zweck gemacht wird, sich zu üben, anstatt Andere zu erbauen; nicht von Entwerfung oder Ausarbeitung einer Predigt. Wie am rechten Orte würde hier eine Bitte an Vorgesetzte stehen, nur mit der äusserstenc50 Vorsicht die Erlaubniß zu öffentlichen Vorträgen, zumal vor ansehnlichen christlichen Versammlungen, zu geben, und eine eben so dringende Bitte an Studierende, sie nicht, ohne vorhergehenden reiflich überlegten Rath und genaue Prüfung von verständigen und gewissenhaften Kennern, zu suchen!a51 – wenn mein Zweck siea52 hier auszu|a684|führen er|b108|laubte. Man ist sich zu üben schuldig; aber man ist noch Mehrc53 einer christlichen Gemeinec54 schuldig; und nichts verdirbt, oft auf immer, einen jungen Prädicanten mehr, als das frühzeitige Predigen – und, was noch schlimmer ist, unverständige Bewunderung,c55 Matth. 9, 36. 1 Tim. 4, 12. Röm. 2, 24!c56
a1: 564 c2: dieß kann a3: uns a4: für ac5: lassen ac6: lassen c7: 1) c8: könnte er c9: bloß ac10: lassen c11: Declamiren c12: üben? 2) bloß c13: Aeußerungen c14: Ausschweifungen c15: könnte es ihm Hauptzweck seyn c16: zu a17: Gesinnungen, c18: könnte dann c19: welcher es c20: werden müssen, c21: halten, und a22: dreuste c23: wollen, c24: nie a25: lassen c26: lassen, überhaupt c27: Kunst c28: Herz a29: Anm. c30: Anm. 1) c31: setzen c32: kann c33: seyn, c34: also c35: Predigten c36: müssen c37: (Dieß c38: seyn.) c39: Zweifel, a40: gemacht c41: kann c42: dürfen c43: rechtschaffener c44: ökonomische, medizinische, polizeiliche Rathschläge c45: zuträglich, c46: außer a47: Anm. c48: 2) c49: dabei c50: äußersten a51: suchen a52: sie, c53: mehr c54: Gemeinde c55: Bewunderung. c56: 24.

63a1.

Ueberhaupt sollte es 3) niemand wagen, predigen zu wollen, wer sich nicht nach der strengsten und gewissenhaftesten Selbstprüfung /cdiese zwey sichc\c2 vorgelegte Fragen befriedigend beantworten könnte: – Bist du mit der Sache wirklich bekannt, wovon du reden willst, so bekannt, wie es der Zweck erfordert, zu dem du reden sollst? und – wie steht es um dein Herz und deine Gesinnung gegen diese Sache? – Was kanc3 aus einer Predigt werden, die nicht aus diesen a4 Quellen fließt? Wer noch gar keinen nur etwas reichen Vorrath von Kenntnissen der Sache, der |c96| praktischen Kenntniß derselben, d. i. ihrer verschiedentlichen Beziehung auf Wohl und Weh des Menschen, auf Besserung und Gemüthsruhe, /ahat;a\ wer sie nicht wenigstens unmittelbar vorher wohl durchdacht, und auf mehreren Seiten angesehen,c5 wer, wenn er sie auch erst von Andern lernen muß, nicht wenigstens sie selbst gedacht, sie zu seinem wirklichen Eigenthum gemacht, sie sich nach seiner Art und von seinem Eignenc6 viel dazu gedacht hat: was kanc7 dessen Predigt anders seyn, als /abloßer Wiederhall,a\a8 oder |a685| schale, unfrucht|b109|bare Rede, die dem Zuhörer weder zu Verstand noch zu Herzen dringt? wofür Er sich selbst nicht interessirt, wobeyc9 es ihm gleichgültig ist, ob sich die Zuhörer dafür interessiren, wenn Er nur sein Tagewerk gethan hat, allenfalls Sie nur mit Ihm zufrieden sind, mag die Wirkung der Predigt so gering oder schlecht seyn als sie wolle. – Und wie kanc10 er daran Theil nehmen, wenn er selbst noch nie, oder nicht mit allem Ernst, daran gedacht hat, der zu werden, wozu er seine Zuhörer machen will, noch nie selbst die wohlthätigen dauerhaften Wirkungen dieser Lehren erfahren hat?

/cAch des großena11 Segens frühzeitiger Frömmigkeit,c\c12 auch in dieser /cAbsicht!c\c13 – Lieber junger Freund! Wenn dir das Interesse für das, was irgend in Absicht auf Religion und Tugend praktisch ist, nicht über allesa14 andrec15 Interesse geht; wenn du über das Wahre und Gute dieser Art noch nie verlegena16 und unruhig wordenc17 bist;a18 Religion noch nie an deinea19 Bedürfnisse geknüpft, sie nicht zu /adeinem täglichena\a20 Geschäfte gemacht hast; wenn du noch keinen Trieb fühlst, Andern in diesen Angelegenheiten nach deinem besten Vermögen zu rathen und zu helfen: so hast du noch keinen Beruf zum Predigen. Schone dann wenigstens Andrerc21, und entweyhec22 das Heiligthum Gottes nicht!
a1: 565 c2: folgende beide ihm c3: kann a4: zwey c5: angesehen; c6: Eigenen c7: kann a8: blosser Wiederhall c9: wobei c10: kann a11: grossen c12: Anm. Wie groß ist c13: Absicht der Segen frühzeitiger Frömmigkeit. a14: alles c15: andere a16: verlegen c17: geworden a18: bist, a19: deine a20: deinem täglichen c21: Anderer c22: entweihe

|c97| 64a1.

Diesc2 vorausgesetzt, wäre es /cbey eignenc\c3 Uebungen 4) immer rathsam, wenn man es |a686| /chabenc\c4 könnte, /ceherc\ sie nicht c5 zu unternehmen, als |b110| bis man die Grundsätze und Regeln des guten Vortrags sich wohl bekannt gemacht hätte, und den Anfang der Uebungen mit genauer Zergliederung musterhafter Predigten von Andern zu machen. Man lernt dadurch erst recht einsehen, was und wie viel zu einer guten Predigt und der Ausführung einer Lehre gehört; man gewöhnt sich an Ordnung, die Seele alles guten Vortrags, an Verdeutlichung der Sache, an gehörige Darstellung derselben, an bedächtigere Ueberlegung. †)c6 – 5) /cWegen des Ausdrucks – soc\c7 wird sich zwar /cderc\ meistens von selbst bilden, wenn nur das /cBeydec\ da ist, was nach dem vorigen §. voraus zu setzen war. Ausdruck und Vorstellungen hängen so innig zusammen, daß, wer sich ordentlich, deutlich und bestimmt zu denken gewöhnt, sich gewiß auch so ausdruckenac8, und selbst eindrücklich sprechen wird, wenn er nur spricht, wie es ihm ums Herz ist. Auch selbst Fehler im Ausdruck, falls sie nur nicht zu auffallend sind, mißfallen nicht, wenigstens nicht lange, wenn sie nur dem Redenden eigenthümlich sind; Fehler der Natur sind erträglicher als Schönheit und Kunst, der man den Zwang und die Mühe ansieht. Aber freylichc9 gehört auch Gewandtheit in der Sprache dazu, ohne welche man selbst nicht recht gut denken wird,c10 und deswegen ist fleißige frühzeitige Uebung im guten Ausdruck in derjenigen Sprache nöthig, worinnc11 der Prediger dereinst reden soll. Nun giebts in jeder gebildetern Sprache verschiednec12 Arten des Ausdrucks: eine gemeinere und a13 feinere, letztere mit mehr oder weniger Ge|a687|schmack gebildet, /cna|b111|türlich schönc\c14 oder geziert. Selbst der Sprachgebrauch hat ge|c98|wisse Ausdrücke nur gewissen Gegenständen gewidmet, nur in gewissen Arten des Vortrags gebilligt, so daß sie deswegen, anderswo gebraucht, für unnatürlich gehalten werden. Der Hauptcharakter der religiösen Sprache ist Würde. Diese Sprache leidet daher gewisse feyerlichec15 Ausdrücke, die in der gewöhnlichen, selbst feinern, Sprache nicht üblich, oder abgekommen sind; von gemeinen Ausdrücken verträgt sie nur die, welche nicht bloß der gemeinen Sprache eigen sind; und aus der feinern Sprache nur die, welche sich durch Würde empfehlen, und nicht bloß in der Büchersprache gewöhnlich sind. ††)c16 Doch leidet auch die religiöse Sprache von Zeit zu Zeit Veränderungen. Sie ist selbst in verschiednenc17 Gegenden und /cverschiednen Classenc\c18 von Lesern verschieden, die oft dergestalt ihre Vorstellungen und Empfindungen in der Religion an sie binden, daß durch andrec19 Arten des Ausdrucks ihre Andacht gestört, wenigstens nicht so, wie durch die ihnen geläufige Religionssprache, befördert und unterhalten, ja selbst die Sache ihnen verleidet, und der Lehrer, der sich nicht nach ihrer religiösen Sprache richtet, anstößig wird. †††)c20 Man sollte also mehr den Charakter der religiösen Sprache studieren, sich fürc21 aller Verderbung derselben /asowohla\ aus der /agemeinen, als aus dera\a22 feinern Sprache hüten, und sich die besonders bekannt machen, an welche die besondere Art der Zuhörer gewöhnt ist, mit der man zu thun hat, und auch darinnc23 sich nach ihren Bedürfnissen bequemen.

|a688| |b112| /c†) Anm.a24 1.c\c25 Es versteht sich, daß hier von keiner ängstlichen, steifen Methode die Rede seyc26. Im Vortrage kanc27 sehr viele natürliche Ordnung herrschen, die der Zuhörer wohl fühlt, ohne daß man sie ihm vorzuzeichnen braucht. Nur da, wo nicht einesc28 aus dem /candern, beymc\c29 ordentlichen Denken natürlich folgt, scheint es, wenigstens zur Beför|c99|derung der Aufmerksamkeit und zum bessern Behalten, nöthig zu seyn, daß der Prediger durch Worte oder durch Zahlen, angebe, wo eine neue Vorstellung anfange. Uebrigens tritt hier, nach angestellter Zergliederung fremder Arbeiten, noch die Uebung ein, die schon oben §. 59.a30 Anm. 1. erwähnta31 worden ist.
/c††) Anm.a32 2.c\c33 Hiernach, dünkt mich, müßte das bestimmt werden, was, in Absicht auf das Anständige des Ausdrucks, dem Religionsvortrage geziemt. Von je her hat man unter gebildetern Nationen, da, wo etwas mit einem gewissen Ansehen würkenc34 sollte, in der Poesie, /cbey feyerlichenc\c35 Urkunden und Gesetzen, in der Religion insbesondere, eine dergleichen Vorträgen eigenthümliche Sprache gebraucht. Man wird alsdann, selbst durch die Art der Wörter, an die Würde der Sachen erinnert,c36 und wo ist diesc37 nöthiger, als beyc38 der Religion? Man kanc39 nicht würdig genug von Gott und den höchsten Angelegenheiten des Menschen denken, und geweyhteac40 Ausdrücke halten dem Hange der Menschen, zu gering oder zu menschlich von Gott zu denken, einigermaßenac42 das Gleichgewicht. Ueberdiesc44 hängen den Ausdrücken, die |b113| man aus dem gemeinen Leben hernehmen,c45 und auf Gegenstände der Religion anwenden mußte, oft so viele Nebenbegriffe an, die selbst Irrthümer oder doch niedrige Vorstellungen in der Religion erwecken; /aund eben so sinda\ die Wörter der feinern Gesellschaftssprache a46 mehr zur angeneh|a689|mern und gefälligern, als zur ernsthaftern Unterhaltung erfunden, und arten daher leicht in leere und täuschende Wörter aus; sie sind mehr fein als stark, mehr witzig oder höflich als edel; und die gelehrtere Sprache neigt sich mehr zum Trocknen als Lebhaften, ist ganz für den Verstand, nicht fürs Herz gemacht, befördert mehr die deutliche und bestimmte als die anschauliche Erkenntniß: daß alle diese Spracharten nicht ganz dürfen im Vortragc47 der Religion nachgeahmt werden, wenn dieser nicht seine Würde und die so nöthige Wirkung aufs Herz verlieren soll.
|c100| /cAnm.a48 3.c\c49 Wenn die Bibelc50 auch nicht schon das unter Christen allgemein gebräuchlichste Religionsbuch wäre, woran sich also unsrec51 Religionsbegriffe und Empfindungen fast unzertrennlich knüpfen, und ihre Sprache zu der eigentlich geweyhtenc52 Religionssprache machen:c53 so verdiente sie das Muster zu seyn, nach der sich diese ganz bilden sollte. Auch der gereinigtste Geschmack, wenn er die Natur religiöser Empfindungen und Würde zu Rathe zieht, kanc54 keine edlere, kraftvollere, von Trockenheit und Schwulst gleich weit entferntere, eben so deutliche und einfältige als herzliche, der vernünftigen Andacht angemessnereac55 Sprache, erfinden, als /adiea\ in der Bibel da herrscht, wo sie |b114| Lehren darstellt, oder religiöse Empfindung ausdrucktac56 – und glücklicher Weise ist davon in keiner Uebersetzung weniger verloren gegangenc57 als in der Lutherschenc58. Auch in diesera59 Absicht sollte jeder Prediger die Bibel, und namentlich c60 Luthers Uebersetzung, zu seinem täglichen Handbuch machen, und nicht glauben, daß er irgend woher eine besserea61 Religionssprache leiten könnte. Es versteht sich, /cwoc\c62 sie verständlich, und /cwoc\ in Luthersc63 Uebersetzung der Sinn nicht verfehlt ist. Verliert die Sprache der Bibel |a690| nichts an Kraft des Ausdrucks, wenn man sie in deutlichere Worte umkleidet:c64 so wähle man letztere, um nicht für die meisten Zuhörer leere Worte einzuführen, oder Mißverstand zu veranlaßenac65. Und eben diesc66 mag erlaubt seyn, wo morgenländische Vorstellungen, Ort- und Zeitideena67 der Vorwelt, beyc68 der biblischen Sprache und Bildern zum Grunde liegen, wenn dieses, und daß sie unsern richtigern Begriffen nicht gemäß sind, erweislich ist. Ausserdemc69, und wenn man nur dem Volkc70, in Schulen zumal, die ebräischartigenc71 und ähnlichen Ausdrücke und Bilder recht erklärte, daß es dabeyc72 das denken lernte, was sie sagen sollen:c73 wäre es rathsamer, selbst die eigenthümliche Sprache der Bibel, wegen der vorhin angeführten Ursachen, überall beyzubehaltenc74.
c|c101| ⌇⌇c {Man irrt, wenn man glaubt, das viele Bildliche und oft Poetische sei durchaus einzig der Deutlichkeit hinderlich. Poesie ist älter als Prosa, und die wahre Volkssprache, und so alles mehr durch Versinnlichung veranschaulicht. Man hat unrecht gethan in neuern Zeiten, alles Bildliche der Bibelsprache in eine oft wortvolle Prosa übersetzen zu wollen, und sehr viele biblische Wörter ausgehoben, die unbedenklich auch in populären Unterricht beibehalten werden können. Man macht sich oft allzu geringe Vorstellungen von dem Fassungsvermögen des Volks. A. d. H.}c
/c†††) Anm.a75 4.c\c76 Die Religionssprache, und die besondrec77 an einem Ort oder beyc78 gewissen Zuhörern übliche Artc79 sich /adarin auszudruckenc80a\a81, richtet sich nach den Erbauungsbüchern und Gesängen, die von ihnen gewöhnlich gebraucht werden, und ist daher |b115| biblisch, mystisch, wissenschaftlich u. s. f., jea82 nachdem es jene sind. Je mehr sich der Ton der Bücher, die man lieset, von der Würde der Religion entfernt;c83 je mehr verdirbt man sich durch Lesung solcher Bücher zum guten Vortrag der Religion. Eine Hauptursache des immer mehr überhand nehmendenc84 schön oder philosophisch seyn sollenden, für jeden, der wahre Erbauung liebt, und auf Würde in der Religion sieht, unerträglichen Tons, der unzeitigen Aufklärungssuchtc85, und des Vortrags ganz andrerc86 Sachen als der Religion und des Christenthums, in Predigten, ist,c87 die beyc88 vielen beynahec89 ausschließliche und schwelgerische Lectüre der Zeitschriften und Lesebücher, die gemeiniglich eben so sehr den Geschmack vieler künftigen Prediger, als ihren Verstand und ihr /cHerz, verdirbt.c\
cHerz verdirbt, und wobei gar nicht bedacht wird, daß wenn auch manche neue Ausdrücke recht brauchbar wären, doch die Zuhörer nicht eben so wie etwa der an die Lectüre der neuesten Schriften gewöhnte Prediger, mit der Sprache fortgehen könne, folglich ihnen daher selbst der glücklichste neue Ausdruck doch sehr unverständlich seyn kann. –c
a1: 566 c2: Dieß c3: bei eigenen c4: möglich machen c5: eher c6: 1) c7: Der Ausdruck ac8: ausdrücken c9: freilich c10: wird; c11: worin c12: verschiedene a13: eine c14: natürlich-schön c15: feierliche c16: 2) c17: verschiedenen c18: verschiedenen Klassen c19: andere c20: 3) c21: vor a22: gemeinen oder c23: darin a24: Anm. c25: Anm. 1) c26: sei c27: kann c28: Eins c29: Andern, beim a30: 561. a31: erwehnt a32: Anm. c33: 2) c34: wirken c35: bei feierlichen c36: erinnert: c37: dieß c38: bei c39: kann ac40: geweyhete (a); geweihte (c) ac42: einigermassen (a); einigermaaßen (c) c44: Ueberdieß c45: hernehmen a46: sind c47: Vortrage a48: Anm. c49: 3) c50: Bibel c51: unsere c52: geweihten c53: machen, c54: kann ac55: angemeßnere ac56: ausdrückt c57: gegangen, c58: Lutherschen a59: der c60: auch a61: beßre c62: daß dieß nur in so weit gilt, als c63: der c64: umkleidet, ac65: veranlassen c66: dieß a67: Zeit-Ideen c68: bei c69: Außerdem c70: Volke c71: ebräisch-artigen c72: dabei c73: sollen, c74: beizubehalten a75: Anm. c76: 4) c77: besondere c78: bei c79: Art, c80: auszudrücken a81: darinn auszudrücken a82: je, c83: entfernt, c84: nehmenden, c85: Neuerungssucht c86: anderer c87: ist c88: bei c89: beinahe

|a631[!]| |c102| 65a1.

Vorzüglich sollte man sich 6) in Predigten über historische Texte und Parabeln der Bibel, und überhaupt in /cHomilien, üben. Dennc\c2 sie sind dem, der es versucht, schwerer, als eigentliche Lehrvorträge. Beyc3 diesen glaubt man sich, ohne viel gelernt zu haben, mit seinem Nachdenken und mit dem genossenen allgemeinern Unterricht in der Religion helfen zu können; beyc4 jenen wird mehr eigner Fleiß, mehr Bekanntschaft mit dem Sinn der heiligen Schrift, mit dem Herzen und Leben der Menschen, mehr praktischer Verstand, mehr Biegsamkeit und Gewandtheit der Seele,c5 erfordert; und gute Muster hat man in dieser |b116| Art weniger, als beyc6 dem Lehrvortrag. Sie sind auch für den Zuhörer faßlicher, anziehender und praktischer.

c7 S. oben §. 54ac8 in der 2ten Anmerkung, und einige schöne Erinnerungen darüber in (Herdersc10) Briefen, das Studium der Religion betreffend, 4ter Theil, im 40sten und c11 folgenden Briefen.
c⌇⌇c {Hülfsmittel und Muster sind von verschiedenen Seiten Chrysostomus, Luther, unter den Neuern Teller, Sontag, Lange, Nebe und Fischer. Die doppelte Seite der Homilien ist von Ammon, im Handbuch für Kanzelberedtsamkeit S. 101, sehr gut ins Licht gesetzt. A. d. H.}c
a1: 567 c2: Homilien, üben; denn c3: Bei c4: bei c5: Seele c6: bei c7: Anm. ac8: 556. (a); 54. (c) c10: (Herder's c11: den

66a1.

Anfänglich ist es 7) zu rathen, daß man seine Aufsätze /cganz ausarbeite,c\c2 und /cwörtlich niederschreibec\c3; denn da ist strenge Aufmerksamkeit auf den ganzen Vortrag,c4 und Genauigkeit /anöthig. Beyc5 a\a6 zugenommener Fertigkeit, und wenn erst die guten Eigenschaften des Vortrags uns geläufig wordenc7 sind, kanc8 man, ausserordentlichec9 |c103| Fälle ausgenommen, oder wenn man ausgesuch|a692|tere Zuhörer vor sich hat, sich mit einen guten Entwurf begnügen, wenn man ihn nur ganz durchdenkt. – Aber man hüte sich ja fürc10 dem Ablesen beyc11 dem Vortrag selbst. Gut ablesen,c12 können ohnehin nur Wenige.a13 Die Lebhaftigkeit des Vortrags leidet beyc14 dem Ablesen. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird weit mehr durch den eigentlichen Vortrag unterhalten. Beyc15 diesem fällt dem Prediger viel Gutes und Dringendes erst ein, und wird durch die Umstände oder durch den Eindruck, den man beyc16 den Zuhörern gemacht zu haben glaubt, veranlaßt. Und wer öfters und bisweilen ohne viele Vorbereitung predigen muß, würde oft in großea17, selbst dem Vor|b117|trage nachtheilige,c18 Verlegenheit kommen. Man gewöhne sich also frühzeitig, ganz aufgeschriebene Vorträge nicht wörtlich, sondern durch wiederholtes bedächtiges Durchlesen,c19 sich einzudruckenc20, immer aber, nach dem gemachten Entwurfe, das, was man darüber sagen will, ausführlich und deutlich durchzudenken. – 8) Eine besondrec21 Uebung im sogenannten Declamirenc22 ist meistens sehr entbehrlich, wenn man nicht Fehler der Natur und der Gewohnheit durch Uebung zu überwinden hat. Prediger sollen ja keine eigentlichec23 Redner, noch weniger Schauspieler seyn. Wer voll von der Sache ist, die er empfehlen will,c24 wer aus wahrer Ueberzeugung, und mit dem ernsten Willen, seine Zuhörer zu bessern, spricht,c25 wer gegenwärtiges Geistes ist, und wer sich nicht an wörtliches Auswendiglernen gewöhnt hat,c26 dem wird es nicht schwer werden, auch äus|a693|serlichc27 gut vorzutragen. Aber die frühzeitige Uebung, gut zu lesen oder auszusprechen, d. i. die Stimme so abzuändern, wie es die Natur der Sache erfordert, oder dem Ausdruck der Begriffe, auf die man am meisten aufmerksam machen |c104| will, dem Affect, der Verhütung des Mißverstandes /cu. d. gl.c\c28 angemessen ist – kanc29 man nie genug empfehlen /ac†)ac\.

/a/c†) S. Gesammlete Schulschriften von Friedrich Gedike S. 368 f.c\a\
c{Anm. Gewisse Uebungen in dem, was man Declamiren nennt, so fern man nur nicht unrichtige Begriffe damit verbindet, dürften auch nicht zu verwerfen seyn. Aber eigentlich gehören sie unter die frühern Vorbereitungsstudien des Theologen, und die Homiletik, die allerdings auch auf mündlichen und feierlichen Vortrag Rücksicht nimmt, muß ja das, was in der Predigt schicklich und würdig ist, gehörig bestimmen. A. d. H.}c
a1: 568 c2: ganz ausarbeite c3: wörtlich niederschreibe c4: Vortrag c5: Bei a6: nöthig; bey c7: geworden c8: kann c9: außerordentliche c10: vor c11: bei c12: ablesen a13: Wenige[.] c14: bei c15: Bei c16: bei a17: grosse c18: nachtheilige c19: Durchlesen c20: einzudrücken c21: besondere c22: Declamiren c23: eigentlichen c24: will; c25: spricht; c26: hat: c27: äußerlich c28: u. dgl. c29: kann

67a1.

Hierbeyc2 und beyc3 aller dieser /ceignen Uebung,c\c4 muß man sich aber 9) nie auf sein Urtheil allein |b118| verlaßenac5, sondern das Urtheil der Verständigeren zu Rathe ziehen;c6 weil oft Gewohnheit unsrec7 Fehler schön macht; ein Anfänger, wenn er auch die guten Eigenschaften und Fehler des erbaulichen Vortrags kennte, doch noch nicht schon auf alles dieses aufmerksam ist; und es beyc8 dem Vortrage nicht in Anschlag kommt, was uns, sondern was Andern gut oder fehlerhaft scheint, /cbey Ihnenc\c9, nicht beyc10 uns, gewisse Wirkungen hervorbringt. – Am besten arbeitet man unter der Aufsicht, wenigstens unter der Kritik, eines Kenners. Kanc11 man diese nicht haben:c12 so gebe man auf die Urtheile achtc13, die man etwa /avon den Zuhörerna\a14 über den abgelegten Vortrag fällen hört, oder auf die Wirkungen, die unser Vortrag beyc15 den Zuhörern, in Absicht auf Erkenntniß und Besserung, gethan hat; vorausgesetzt, daß man versichert seyn kanc16, die Ursache, warum und wie fern er gefallen oder mißgefallen hat, liege nicht in gewis|a694|sen zufälligen Umständen, die, anstatt des Vortrags selbst, die Urtheile gestimmt, oder die und die Wirkungen verursacht haben, – |c105| und arbeite danach immer mehr an der Besserung des Vortragsc17.

c18 Unbestimmte Urtheile ohne Anzeige desjenigen, was eigentlich den Zuhörern gefiel oder mißfiel, und – wenn dieses Urtheil nicht von selbst klar ist – ohne Anzeige des Grundes, warum? können hier gar nichts helfen;c19 und dem muß es wenig um eignec20 Verbesserung zu thun seyn, dem ein solches Lob gefallen, und ihmc21 blenden kanc22. /aa\ |b119| Unter den Urtheilen derer, die nicht eigentliche Kenner der Erfordernisse eines guten erbaulichen Vortrags sind, verdienen die Urtheile oder Anzeigen /cdererjenigenc\c23 den Vorzug, beyc24 welchen sich Wirkungen auf ihre Erkenntniß der vorgetragnenc25 Sachen oder auf ihre Besserung /cäussern. Beyc\c26 Katechisationen z. B. und Wiederholungen der Predigten, zeigt schon die Verlegenheit solcher Kinder oder Zuhörer, die sonst wegen ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse, und Gabe sich auszudruckenc27, bekannt sind, oder Mißverstand, den sie in ihren Antworten äussernc28, daß ein Fehler in dem Vortrage des Lehrers liegen müsse; und die Aeusserungc29 guter, zumal nicht durch Wissenschaften gebildetera30 Christen, daß sie dieses und jenes beniemtec31 nicht recht verstanden, oder daß sie es zur Befestigung in der und der Ueberzeugung und c32 Vorsatz dienlich, in der und der Absicht sich gedemüthigt oder ermuntert befunden haben, – ist mehr werth und lehrreicher, als alle andrec33 Urtheile.
a1: 569 c2: Hierbei c3: bei c4: eigenen Uebung ac5: verlassen c6: ziehen: c7: unsere c8: bei c9: bei ihnen c10: bei c11: Kann c12: haben, c13: Acht a14: die Zuhörer c15: bei c16: kann c17: Vortrages c18: Anm. c19: helfen: c20: eigene c21: ihn c22: kann c23: derer immer c24: bei c25: vorgetragenen c26: äußern. Bei c27: auszudrücken c28: äußern c29: Aeußerung a30: gebildeten c31: Beniemte c32: in dem und dem c33: andere

cZusatz des Herausgebers.

Je länger ich unser kirchliches und namentlich unser Predigtwesen beobachte, desto mehr will sich meiner die Besorgniß bemächtigen, daß die Wirkungen davon geringer sind, als sich viele selbst von denen, die es mit ganzem Ernst treiben, vorstellen mögen. Es würde sehr ungerecht seyn, den Grund davon in den Lehrenden oder in der Be|c106|schaffenheit der Vorträge allein zu suchen. Er liegt eben sowohl in der Beschaffenheit der Zuhörer und in dem Geiste der Zeit – der, wenn er nicht schlimmer als vordem, doch auf keinen Fall von dieser Seite besser geworden ist.

Indeß erfordert es doch wohl eine recht ernstliche Prüfung, ob, wenn man viele christliche Gemeinden nimmt wie sie sind, und die Stufe der Bildung, auf der sie stehen, in Anschlag bringt, nicht in der Art und Weise, wie von den meisten Predigern gepredigt wird, auch ein Grund der geringen Wirkung zu suchen sei. Die Predigt, als Kunstwerk nach rhetorischen Gesetzen und homiletischen Formen zugerichtet, überhaupt jeder lange zusammenhängende Vortrag, geht für die meisten Ungelehrten verloren, und es ist psychologisch unmöglich, daß er ihre Aufmerksamkeit zusammenhalte und ihre Theilnahme erwecke. Die Länge selbst schadet auch dem populärsten Vortrage; und regt sich erst der Wunsch und die Sehnsucht nach dem Ende, so rechnet man vergebens auf einen bleibenden Eindruck.

Man sollte daher auf die größte Mannichfaltigkeit in der Form der Mittheilung sinnen; Alles mehr abkürzen, aber desto kräftiger zum Herzen sprechen; viel mehr wenigstens in Gegenwart der Erwachsenen katechesiren; oder einer rührenden und würdigen Abendmahlsfeier nicht lange Vorträge vorhergehen lassen, und wo möglich öfter, Alter, Stände und Berufsarten (wie schon oben bemerkt ist) von einander sondern.

In den Schriften, welche neuerlich über die Mittel, die gesunkene Religiösität wieder zu heben, erschienen sind, findet man auch hierüber viele beachtungswerthe Ideen und Vorschläge. Ich darf auch wohl an meine Briefe an christliche Religionslehrer, besonders die 3te Sammlung, errinnern.c