|a385| Zweyter Abschnitt.
Historische Theologie.
365.
Es ist eine überaus lehrreiche Beschäftigung, dem verschiedenen Gang nachzuforschen, den die Religion in der Welt, bey so verschiedenen Fähigkeiten, Aufmerksamkeit, Hülfsmitteln, Neigungen, Sitten und Verbindungen der Menschen unter einander, genommen hat, man mag die Religion als Erkenntniß Gottes und des Verhältnisses zwischen ihm und den Menschen, oder als Dienst desselben, d. i. als Betragen ansehn, das auf Religion gegründet ist. Eine allgemeine Geschichte der Religion müßte – in jener Rücksicht lehren, was nach und nach, hie und da, unter den Menschen, in Absicht auf diesen Gegenstand, für Wahrheiten oder Irrthümer, Ueberzeugungen, Vorurtheile und Zweifel? aus was für Quellen, oder durch welche Veranlassung, sie entsprungen und befördert, oder vermindert? und was für merkwürdige Veränderungen dadurch in der Denkungsart, dem Charakter, den Sitten der Menschen und ganzer Völker, selbst in ihren äusserlichen Einrichtungen und Schicksalen, hervorgebracht worden |a386| sind? – in Rücksicht aber auf den Dienst und Verehrung Gottes, oder den Ausbruch dieser Begriffe von Gott und die daraus entstandnen Empfindungen: wie sich diese Begriffe und Empfindungen geäussert? durch was für Anstalten und Mittel das Wachsthum oder die Abnahme religiöser Gesinnungen und Handlungen, auch des äusserlichen Gottesdienstes, befördert worden? welche Begriffe und Empfindungen, und wie sie auf diesen Gottesdienst, umgekehrt auch, welche gottesdienstliche Handlungen auf die Verändrung der Erkenntniß Gottes, wie und auf welche Theile derselben, sie Einfluß gehabt haben?Es ist eine überaus lehrreiche Beschäftigung, dem verschiedenen Gang nachzuforschen, den die Religion in der Welt, bey so verschiedenen Fähigkeiten, Aufmerksamkeit, Hülfsmitteln, Neigungen, Sitten und Verbindungen der Menschen unter einander, genommen hat, man mag die Religion als Erkenntniß Gottes und des Verhältnisses zwischen ihm und den Menschen, oder als Dienst desselben, d. i. als Betragen ansehn, das auf Religion gegründet ist. Eine allgemeine Geschichte der Religion müßte – in jener Rücksicht lehren, was nach und nach, hie und da, unter den Menschen, in Absicht auf diesen Gegenstand, für Wahrheiten oder Irrthümer, Ueberzeugungen, Vorurtheile und Zweifel? aus was für Quellen, oder durch welche Veranlassung, sie entsprungen und befördert, oder vermindert? und was für merkwürdige Veränderungen dadurch in der Denkungsart, dem Charakter, den Sitten der Menschen und ganzer Völker, selbst in ihren äusserlichen Einrichtungen und Schicksalen, hervorgebracht worden |a386| sind? – in Rücksicht aber auf den Dienst und Verehrung Gottes, oder den Ausbruch dieser Begriffe von Gott und die daraus entstandnen Empfindungen: wie sich diese Begriffe und Empfindungen geäussert? durch was für Anstalten und Mittel das Wachsthum oder die Abnahme religiöser Gesinnungen und Handlungen, auch des äusserlichen Gottesdienstes, befördert worden? welche Begriffe und Empfindungen, und wie sie auf diesen Gottesdienst, umgekehrt auch, welche gottesdienstliche Handlungen auf die Verändrung der Erkenntniß Gottes, wie und auf welche Theile derselben, sie Einfluß gehabt haben?
366.
Alle Kenntnisse, welche diese Geschichte der Religion betreffen, rechnet man zur
historischen Theologie, nach dem weitern Begriff, den man dem Namen der Theologie untergelegt hat (§.
289. 290 ), und so würde dieser Theil der Theologie, als eine Wissenschaft betrachtet, nichts anders seyn, als
Geschichte der Religion in ihrem ganzen Umfange (§.
219 und
220 ), die alle merkwürdigere Veränderungen der Erkenntniß und des Dienstes Gottes aller Zeiten und Völker begreifen müßte. Weil aber diese Wissenschaft von einem unübersehlichen Umfang seyn würde, wenn sie nur einigermassen das leisten sollte, was der Name einer solchen allgemeinen Geschichte verspricht, und uns von den meisten,
|a387| wenigstens allen barbarischen, Völkern, Jahrtausende hindurch, die Nachrichten dieser Art entweder ganz fehlen, oder so mangelhaft und unsicher sind, daß sich keine eigentliche zusammenhängende Geschichte davon liefern läßt: so schränkt man sich gemeiniglich nur auf die Geschichte der in der Bibel enthaltenen Religion und der darauf gegründeten Gesellschaften, d. i. auf die Kirchengeschichte, ein; zumal da es gewöhnlich ist, das Wort Theologie vornehmlich und eigentlich von der biblischen zu verstehen.Alle Kenntnisse, welche diese Geschichte der Religion betreffen, rechnet man zur
historischen Theologie, nach dem weitern Begriff, den man dem Namen der Theologie untergelegt hat (§.
289. 290 ), und so würde dieser Theil der Theologie, als eine Wissenschaft betrachtet, nichts anders seyn, als
Geschichte der Religion in ihrem ganzen Umfange (§.
219 und
220 ), die alle merkwürdigere Veränderungen der Erkenntniß und des Dienstes Gottes aller Zeiten und Völker begreifen müßte. Weil aber diese Wissenschaft von einem unübersehlichen Umfang seyn würde, wenn sie nur einigermassen das leisten sollte, was der Name einer solchen allgemeinen Geschichte verspricht, und uns von den meisten,
|a387| wenigstens allen barbarischen, Völkern, Jahrtausende hindurch, die Nachrichten dieser Art entweder ganz fehlen, oder so mangelhaft und unsicher sind, daß sich keine eigentliche zusammenhängende Geschichte davon liefern läßt: so schränkt man sich gemeiniglich nur auf die Geschichte der in der Bibel enthaltenen Religion und der darauf gegründeten Gesellschaften, d. i. auf die Kirchengeschichte, ein; zumal da es gewöhnlich ist, das Wort Theologie vornehmlich und eigentlich von der biblischen zu verstehen.
Anm. 1. Diejenigen, welche eine Geschichte der Religionen, auch derer, die sich nicht auf die heilige Schrift gründen, zu entwerfen unternommen haben, geben doch eigentlich nur eine Religionsgeschichte einiger bekannten Völker, die noch dazu sehr dürftig und unzuverläßig ist, wie man sich leicht überzeugen kan, wenn man die in der Anweisung zur Kenntniß der theol. Bücher §. 293 und 94 angeführten Bücher vergleicht. Alle übrige (daselbst §. 296 f.) sind nur, zum Theil vortrefliche, Beyträge zur Religionsgeschichte besondrer Völker, und der mit so mühsamen Fleiß und philosophischen Blick entworfne Grundriß der Geschichte aller Religionen, von C. Meiners (Lemgo 1785. 8.), schränkt sich nur auf einige Religionsbegriffe und Gebräuche ein, die unter den Menschen am gangbarsten gewesen sind, betrift eigentlich nur den religiösen Aberglauben, und läßt sich auf gar keine Geschichte der Völker und Gesellschaften ein, so ferne sie sich über Religionsbegriffe und davon abhängende Uebungen getrennt und unterschieden haben.
|a388| Anm. 2. In einem engern Verstande wird historische Theologie nur von der Geschichte oder dem Fortgang und den Veränderungen der verschiedenen Begriffe der Menschen von besondern Religionslehren genommen, oder gar nur theils auf Vorstellungen selbst, theils nur auf die verschiedenen Begriffe von den in der Bibel geoffenbarten Lehren eingeschränkt. Am engsten wird dieses Wort von denenjenigen genommen, welche darunter die angeblich christlichen Lehren verstehen, sofern ihr Beweis, oder doch der Beweis ihres Alterthums in der christlichen Kirche, auf Nachrichten und Aussprüchen angesehener Kirchenlehrer, oder auf Decreten der sogenannten Kirche darüber, mit einem Wort, auf der Tradition beruht.
367.
Die Geschichte der verschiednen Religionen unter den Menschen verdient es sehr, daß man sie mit aller Sorgfalt studiere. Denn sie ist einer der wichtigsten Theile der Geschichte der Menschheit, und überall zeiget sich der mächtige Einfluß der Religion auf die übrigen Arten der menschlichen Cultur. Ueberall, wo man das Christenthum zuerst gepredigt hat, schmiegte man entweder diesen Unterricht den vorhandnen Religionen an, oder es ging natürlich vieles aus diesen in das Christenthum über, das sich nach diesen in solchen Gegenden bildete; in so fern kan selbst die christliche Kirchengeschichte dieser Kenntniß andrer Religionen nicht entbehren. – Ausser den Fragmenten von dieser allgemeinern Religionsgeschichte, die sich in der bekannten Völkergeschich|a389|te finden, sind zuverläßige Reisebeschreibungen, so fern sie sich auch auf Sitten und Verfassungen der Völker eingelassen haben, eine unentbehrliche Quelle solcher Kenntnisse.Die Geschichte der verschiednen Religionen unter den Menschen verdient es sehr, daß man sie mit aller Sorgfalt studiere. Denn sie ist einer der wichtigsten Theile der Geschichte der Menschheit, und überall zeiget sich der mächtige Einfluß der Religion auf die übrigen Arten der menschlichen Cultur. Ueberall, wo man das Christenthum zuerst gepredigt hat, schmiegte man entweder diesen Unterricht den vorhandnen Religionen an, oder es ging natürlich vieles aus diesen in das Christenthum über, das sich nach diesen in solchen Gegenden bildete; in so fern kan selbst die christliche Kirchengeschichte dieser Kenntniß andrer Religionen nicht entbehren. – Ausser den Fragmenten von dieser allgemeinern Religionsgeschichte, die sich in der bekannten Völkergeschich|a389|te finden, sind zuverläßige Reisebeschreibungen, so fern sie sich auch auf Sitten und Verfassungen der Völker eingelassen haben, eine unentbehrliche Quelle solcher Kenntnisse.
Ein Verzeichniß der wichtigsten steht hinter
Meiners Grundriß der Gesch. aller Rel. ( §.
366. Anm. 2.) und in der
Anweisung zur theol. Bücherk. §. 297 flgg.
368.
Aus diesen Quellen müßte man sich nach und nach einzle Nachrichten sammlen, und sie entweder nach den verschiednen Ländern und Völkern ordnen, oder nach den merkwürdigsten Lehren, Einrichtungen und Gewohnheiten, die nach den besondern Religionsbegriffen getroffen, oder angenommen worden[.] Bey der erstern Methode könnte man etwa die oben §.
238 erwehnte
Gattererische Weltgeschichte, oder die ohngefehr da gemachte Anlage, bey der andern den eben genannten Abriß von
Meiners zum Grunde legen. Man müßte hernach, sowohl nach der auffallenden Aehnlichkeit der Religionen verschiedner Völker mit einander, als nach den Nachrichten der Geschichte über den Ursprung eines Volks aus dem andern, oder den Einfluß des einen aus dem andern, zu entdecken suchen, welche Völker, auch in Absicht auf Religion originell sind, oder welche sich nach andern gebildet haben, und bey dem, was jedes Volk in seiner Religion Eignes hat, nach den natürlichen und sittlichen Ursa
|a390|chen, forschen, aus welchen sich dieses Eigene, der Geschichte gemäß, erklären läßt. Bey Befolgung dieser Regel würden auch einzle Untersuchungen gelehrter Männer über diese Religionsgeschichte mit Nutzen gebraucht werden können.Aus diesen Quellen müßte man sich nach und nach einzle Nachrichten sammlen, und sie entweder nach den verschiednen Ländern und Völkern ordnen, oder nach den merkwürdigsten Lehren, Einrichtungen und Gewohnheiten, die nach den besondern Religionsbegriffen getroffen, oder angenommen worden[.] Bey der erstern Methode könnte man etwa die oben §.
238 erwehnte
Gattererische Weltgeschichte, oder die ohngefehr da gemachte Anlage, bey der andern den eben genannten Abriß von
Meiners zum Grunde legen. Man müßte hernach, sowohl nach der auffallenden Aehnlichkeit der Religionen verschiedner Völker mit einander, als nach den Nachrichten der Geschichte über den Ursprung eines Volks aus dem andern, oder den Einfluß des einen aus dem andern, zu entdecken suchen, welche Völker, auch in Absicht auf Religion originell sind, oder welche sich nach andern gebildet haben, und bey dem, was jedes Volk in seiner Religion Eignes hat, nach den natürlichen und sittlichen Ursa
|a390|chen, forschen, aus welchen sich dieses Eigene, der Geschichte gemäß, erklären läßt. Bey Befolgung dieser Regel würden auch einzle Untersuchungen gelehrter Männer über diese Religionsgeschichte mit Nutzen gebraucht werden können.
Der Versuch über die Religionsgeschichte der ältesten Völker, besonders der Egyptier, von Chr. Meiners, Göttingen 1775, in 8. kan, wenigstens einen Theil des Gesagten, deutlicher, und auf die Vorsichtigkeit bey solchen Sammlungen und Untersuchungen aufmerksam machen.
369.
Unter allen Theilen der Religionsgeschichte ist die Geschichte der christlichen Kirche am bekanntesten, und am meisten bearbeitet. Das Wort Kirche (Ἐκκλησία), welches in der gewöhnlichen Bedeutung nur erst unter Christen aufgekommen ist, und bey diesen nur von solchen gesagt wird, die der in der heiligen Schrift liegenden, oder überhaupt von einer wahren nähern göttlichen Offenbarung abhängenden Lehre folgen, bezeichnet vornehmlich die Christen zusammengenommen, oder den ganzen Inbegrif dererjenigen, welche die von Christo und seinen Aposteln bekannt gemachte Religion für wahr annehmen, und, so fern man es von einer äusserlichen Gesellschaft nimmt, alle die zusammengenommen, welche sich zu dieser Religion, durch Theilnehmung an den darauf gegründeten äusserlichen Gottesdienst, bekennen. Kirchengeschichte, oder, be|a391|stimmter zu reden, christliche Kirchengeschichte, heißt daher die Erzählung der merkwürdigern Veränderungen dieser Gesellschaft, im Zusammenhang.Unter allen Theilen der Religionsgeschichte ist die Geschichte der christlichen Kirche am bekanntesten, und am meisten bearbeitet. Das Wort Kirche (Ἐκκλησία), welches in der gewöhnlichen Bedeutung nur erst unter Christen aufgekommen ist, und bey diesen nur von solchen gesagt wird, die der in der heiligen Schrift liegenden, oder überhaupt von einer wahren nähern göttlichen Offenbarung abhängenden Lehre folgen, bezeichnet vornehmlich die Christen zusammengenommen, oder den ganzen Inbegrif dererjenigen, welche die von Christo und seinen Aposteln bekannt gemachte Religion für wahr annehmen, und, so fern man es von einer äusserlichen Gesellschaft nimmt, alle die zusammengenommen, welche sich zu dieser Religion, durch Theilnehmung an den darauf gegründeten äusserlichen Gottesdienst, bekennen. Kirchengeschichte, oder, be|a391|stimmter zu reden, christliche Kirchengeschichte, heißt daher die Erzählung der merkwürdigern Veränderungen dieser Gesellschaft, im Zusammenhang.
370.
Es versteht sich von selbst, daß diese Geschichte nicht bloß auf die christliche
Gesellschaft und deren Schicksale eingeschränkt werden müsse. Denn, da sich diese Gesellschaft auf besondere Religionsbegriffe gründet, und dadurch sowohl als durch den Gottesdienst, von andern unterscheidet; da diese Begriffe und die darauf beruhenden Gesinnungen durch Sprachen und äusserliche Handlungen ausgedrückt, diese durch jene Begriffe und Gesinnungen gestimmt werden, und hinwiederum Sprachen und Gebräuche, bey ihrer besondern Modification, einen grossen Einfluß in die Bestimmung und Richtung der religiösen Vorstellungen und Gesinnungen äussern ( §.
60 –
67 ); da endlich einzle merkwürdigere Personen, und ihre Schriften, oder besondre Gesellschaften, durch ihr erlangtes Ansehen, Gelegenheit zu grossen Veränderungen in den Ton, in Lehren, in deren Ausdruck und in gemachten Einrichtungen unter den Christen angegeben haben: so muß die christliche Kirchengeschichte nicht bloß die Veränderungen der Kirche, als Gesellschaft betrachtet, sondern auch die Beschaffenheit und Geschichte der Lehre und des Gottesdienstes, der Ausdrücke, der Einrichtungen und Gebräuche, der
|a392| merkwürdigern Personen, Schriften und besondern Gesellschaften, erzählen, welche jene Veränderungen bewirkt haben.Es versteht sich von selbst, daß diese Geschichte nicht bloß auf die christliche
Gesellschaft und deren Schicksale eingeschränkt werden müsse. Denn, da sich diese Gesellschaft auf besondere Religionsbegriffe gründet, und dadurch sowohl als durch den Gottesdienst, von andern unterscheidet; da diese Begriffe und die darauf beruhenden Gesinnungen durch Sprachen und äusserliche Handlungen ausgedrückt, diese durch jene Begriffe und Gesinnungen gestimmt werden, und hinwiederum Sprachen und Gebräuche, bey ihrer besondern Modification, einen grossen Einfluß in die Bestimmung und Richtung der religiösen Vorstellungen und Gesinnungen äussern ( §.
60 –
67 ); da endlich einzle merkwürdigere Personen, und ihre Schriften, oder besondre Gesellschaften, durch ihr erlangtes Ansehen, Gelegenheit zu grossen Veränderungen in den Ton, in Lehren, in deren Ausdruck und in gemachten Einrichtungen unter den Christen angegeben haben: so muß die christliche Kirchengeschichte nicht bloß die Veränderungen der Kirche, als Gesellschaft betrachtet, sondern auch die Beschaffenheit und Geschichte der Lehre und des Gottesdienstes, der Ausdrücke, der Einrichtungen und Gebräuche, der
|a392| merkwürdigern Personen, Schriften und besondern Gesellschaften, erzählen, welche jene Veränderungen bewirkt haben.
Die Geschichte der Lehren von Dreyeinigkeit Gottes, Freyheit des menschlichen Willens, Erbsünde, Prädestination, Transsubstantiation u. d. gl. – der verschiednen Liturgien, besonders der römischen, die so eifrig als die Lehre selbst ausgebreitet worden, des Bilderdienstes, der Kindertaufe, der Kelchsverweigerung bey dem heiligen Abendmahl, – die Geschichte der lateinischen Sprache in der Kirche, und der Wörter ὁμοούσιος, ὑπόστασις, φύσις, fides, bona opera, satisfactio u. a. – der bischöflichen und übrigen hierarchischen Einrichtung, der Concilien und Synoden, der Bullen in Coena Domini und Unigenitus, der Kirchenbusse und des Beichtwesens – der Gebräuche, über die sich oft allein einzele Gesellschaften getrennt haben, als über gesäuertes Brodt bey dem heiligen Abendmahl, über Kindertaufe und Untertauchung oder Besprengung – die Geschichte des Athanasius, Hieronymus, Augustins, Hussens, Luthers, Melanchthons u. a. – der Schriften des Dionysius Areopag., der Vulgate, des falschen Isidorus, der Weissagungen des Abt Joachims, der Formulae Concordiae u. d. gl. – der verschiednen Orden u. s. f. kan hier zum Beweise dienen.
371.
Alles, was oben (§.
221 –
24 ) von dem grossen Nutzen der Geschichte überhaupt gesagt wurde, gilt auch von der Religions- und Kirchengeschichte insbesondre, und macht dem, der ein
|a393| würdiger Lehrer der Religion und des Christenthums seyn will, das Studium dieses Theils der Geschichte zur ganz besondern Pflicht (§.
231. ): man mag
entweder auf die Bildung seines Charakters, als eines solchen sehen, der die Religion lehren und empfehlen soll, auf welche Bildung dieses Studium einen so grossen Einfluß hat,
oder auf die einzlen Theile der Theologie, womit er sich, nach dem ganzen Umfang seines Berufs, beschäftigen muß.Alles, was oben (§.
221 –
24 ) von dem grossen Nutzen der Geschichte überhaupt gesagt wurde, gilt auch von der Religions- und Kirchengeschichte insbesondre, und macht dem, der ein
|a393| würdiger Lehrer der Religion und des Christenthums seyn will, das Studium dieses Theils der Geschichte zur ganz besondern Pflicht (§.
231. ): man mag
entweder auf die Bildung seines Charakters, als eines solchen sehen, der die Religion lehren und empfehlen soll, auf welche Bildung dieses Studium einen so grossen Einfluß hat,
oder auf die einzlen Theile der Theologie, womit er sich, nach dem ganzen Umfang seines Berufs, beschäftigen muß.
Der Nutzen der Kirchengeschichte reicht zwar viel weiter, als hier angegeben ist. Kein Christ, der wahre Aufklärung, der anschauende Ueberzeugung in der Religion sucht, und nach erleuchteter Frömmigkeit trachtet, sollte dieses Studium vernachläßigen, wenn er irgend Gelegenheit und Hülfsmittel dazu haben könnte. Noch weniger irgend jemand, der, als Obrigkeit, dereinst, auch durch sein Betragen in Absicht auf die Beförderung und Leitung der Religion, vieler Menschen Glück oder Elend befördern kan, weil beydes so sehr vom Einfluß wahrer oder falscher Religion, von Achtung oder Gleichgültigkeit dagegen, von den weisen und unweisen Mitteln, ihren Einfluß zu befördern oder zu hindern, abhängt. Und daß verschiedne Wissenschaften, Geschichte z. B., Staatskunst, Rechtsgelehrsamkeit, vornehmlich die geistliche, das Licht der Kirchengeschichte gar nicht entbehren können, bedarf keines Beweises. Aber, nach der Absicht dieses Buchs, kömmt hier nur die Nothwendigkeit dieses Studiums der Kirchengeschichte in Absicht auf den Lehrer der Religion in Anschlag.
|a394| 372.
Der grosse Einfluß einer rechten Kenntniß der Kirchengeschichte auf die
gründliche Erlernung der theologischen Wissenschaften, zeigt sich in allen Theilen der Theologie. In
der exegetischen 1) ganz eigentlich: bey Erklärung dererjenigen Stellen neues Testaments, welche historische Umstände zur Zeit der Apostel enthalten, um in dieselbe mehr Licht zu bringen, oder falsches Licht davon zu entfernen; zur Kenntniß der Geschichte der neutestamentlichen Bücher; und zur Kenntniß mancher merkwürdigen Bücher der ältesten Zeiten, die, wenn sie gleich apokryphisch genennt werden, doch, wegen der darin liegenden Vorstellungen vieler unter den ältesten Christen oder Juden, auch wegen mancher Fragmente der historischen Tradition, noch einen reichen Schatz von historischen Erläuterungen des neuen Testaments enthalten, und dazu gebraucht werden können, so bald erst durch Hülfe der genauern Kirchengeschichte die wahre Zeit, wohin sie gehören, und andere historische Umstände derselben bestimmt sind. 2) Bey der Kritik des neuen Testaments, wo ohne genaue Kenntniß der Kirchengeschichte nicht einmal die Geschichte des heiligen Textes klar ist, so wenig als das Alterthum und der Werth gewisser Lesearten, ohne diese Kenntniß beurtheilt werden kan.
*) 3) Um sich gegen manche sehr schädliche Vorurtheile in der eigentlichen Theologie zu verwahren, und ihren Ungrund aufzudecken. Denn viele Irrthü
|a395|mer in der Theologie, so wie viele Beweise auch richtiger Lehren, beruhen auf blossen Mißverstand der heiligen Schrift, oder gar ihrer Uebersetzungen, hinter den man ohne diese Kenntniß nicht wohl kommen kan,
**) oder sie gar für apostolische Tradition hält; so wie man sich oft nicht gegen gewisse richtigere Erklärungen der heiligen Schrift sträuben würde, wenn man ihr Alterthum und den neuern Ursprung falscher herrschenden Erklärungen kennete.
***) Ueberhaupt würde man bald hierin von Irrthümern zurückkommen, wenn man die Genealogie und Chronologie einiger berühmten Erklärungen, die von Hand in Hand gegangen sind, fleißiger aus der Kirchengeschichte aufsuchte, und sich aus dieser überzeugte, daß die angebliche exegetische Tradition und fortgepflanzte sogenannte Erklärung der
Kirche oft anders nichts ist, als Privaterklärung eines, oft ohne sein Verdienst, berühmt gewordnen alten Auslegers, die durch zufällige Umstände gangbar wurde, oder in häufig gelesene Commentarien überging, und hernach, ohne weitre Untersuchung, als ausgemachte Wahrheit, von Kirche zu Kirche, und Jahrhundert zu Jahrhundert, nachgesagt wurde, zumal wenn sie gewissen herrschenden Meinungen in der Theologie günstig war.
****) Der grosse Einfluß einer rechten Kenntniß der Kirchengeschichte auf die
gründliche Erlernung der theologischen Wissenschaften, zeigt sich in allen Theilen der Theologie. In
der exegetischen 1) ganz eigentlich: bey Erklärung dererjenigen Stellen neues Testaments, welche historische Umstände zur Zeit der Apostel enthalten, um in dieselbe mehr Licht zu bringen, oder falsches Licht davon zu entfernen; zur Kenntniß der Geschichte der neutestamentlichen Bücher; und zur Kenntniß mancher merkwürdigen Bücher der ältesten Zeiten, die, wenn sie gleich apokryphisch genennt werden, doch, wegen der darin liegenden Vorstellungen vieler unter den ältesten Christen oder Juden, auch wegen mancher Fragmente der historischen Tradition, noch einen reichen Schatz von historischen Erläuterungen des neuen Testaments enthalten, und dazu gebraucht werden können, so bald erst durch Hülfe der genauern Kirchengeschichte die wahre Zeit, wohin sie gehören, und andere historische Umstände derselben bestimmt sind. 2) Bey der Kritik des neuen Testaments, wo ohne genaue Kenntniß der Kirchengeschichte nicht einmal die Geschichte des heiligen Textes klar ist, so wenig als das Alterthum und der Werth gewisser Lesearten, ohne diese Kenntniß beurtheilt werden kan.
*) 3) Um sich gegen manche sehr schädliche Vorurtheile in der eigentlichen Theologie zu verwahren, und ihren Ungrund aufzudecken. Denn viele Irrthü
|a395|mer in der Theologie, so wie viele Beweise auch richtiger Lehren, beruhen auf blossen Mißverstand der heiligen Schrift, oder gar ihrer Uebersetzungen, hinter den man ohne diese Kenntniß nicht wohl kommen kan,
**) oder sie gar für apostolische Tradition hält; so wie man sich oft nicht gegen gewisse richtigere Erklärungen der heiligen Schrift sträuben würde, wenn man ihr Alterthum und den neuern Ursprung falscher herrschenden Erklärungen kennete.
***) Ueberhaupt würde man bald hierin von Irrthümern zurückkommen, wenn man die Genealogie und Chronologie einiger berühmten Erklärungen, die von Hand in Hand gegangen sind, fleißiger aus der Kirchengeschichte aufsuchte, und sich aus dieser überzeugte, daß die angebliche exegetische Tradition und fortgepflanzte sogenannte Erklärung der
Kirche oft anders nichts ist, als Privaterklärung eines, oft ohne sein Verdienst, berühmt gewordnen alten Auslegers, die durch zufällige Umstände gangbar wurde, oder in häufig gelesene Commentarien überging, und hernach, ohne weitre Untersuchung, als ausgemachte Wahrheit, von Kirche zu Kirche, und Jahrhundert zu Jahrhundert, nachgesagt wurde, zumal wenn sie gewissen herrschenden Meinungen in der Theologie günstig war.
****)
*) Wie bey 1 Timoth. 3, 16; 1 Joh. 5, 7; Röm. 8, 11 διὰ τοῦ ἐνοικοῦντος πνεύματος, statt διὰ τὸ ἐνοικοῦν πνεῦμα; Matth. 27, 49. der Zusatz aus Joh. 19, 34 in einigen Handschriften.
|a396| **) Wie die Vorstellungen in der lateinischen Kirche von praedestinatio, poenitentia, sacramentum; die alten Deutungen von Sprüchw. 8, 22. Psalm 110, 3. Matth. 16, 18. Joh. 16, 26, und eine neuere von Apostelgesch. 3, 21.
***) Als Röm. 12, 6. 1 Kor. 2, 14.
****) Wie viel ist z. B. aus dem Origenes in lateinische Ausleger, aus den africanischen Kirchenvätern, sonderlich dem Augustinus, in eben dieselbe, aus solchen lateinischen Auslegern hernach, vermittelst des Ambrosiasters, oder Hilarius Diaconus, und später durch die Glossam ordinariam, in alle Exegeten der lateinischen Kirche übergegangen? Eben so in der griechischen Kirche; s. Ernesti Opuscula philol. crit. p. 317 seq.
373.
Die Kirchengeschichte giebt 4) erst die recht anschauliche Ueberzeugung, wie sehr die ganze Theologie an ihrer Lauterkeit und wahrhaften praktischen Brauchbarkeit gewonnen oder gelitten habe, je nachdem man die wahren Hülfsmittel zur Einsicht des Sinnes der heiligen Schrift recht kannte, schätzte und brauchte, oder nicht (§
306 ); und, indem sie uns so deutlich zeigt, welchen unsäglichen Schaden die Herrschaft des menschlichen Ansehens in der Kirche gestiftet habe: so macht sie uns die göttlichen Schriften desto werther; und, weil auch über den Sinn dieser göttlichen Belehrungen wieder die Menschen so verschieden urtheilen, diese Verschiedenheit und Uneinigkeit aber immer grösser und unvereinbarer wird, wenn man nicht hierin mit Gewalt und offenbaren Ge
|a397|wissenszwang eine äusserliche Einigkeit befördern will: so lehrt sie uns sehr einleuchtend die Nothwendigkeit fester exegetischer Grundsätze, und des Fleißes, den man auf die deutliche eigne Ueberzeugung von dem wahren Sinn der heiligen Schrift und die klare Darlegung desselben wenden muß. Und wenn denn auch nur 5) die Kirchengeschichte, wie sie es wirklich thut, uns mit der sosehr verschiednen Denkungsart, Fähigkeiten, vorzüglichen Hülfsmitteln und Sitten, und den dadurch geleiteten mannichfaltigen Vorstellungen und Neigungen der Menschen in so verschiednen Zeiten und so besondern Lagen, bekannt machte: so könnte sie uns wenigstens mehr gewöhnen, uns in fremde Zeiten und Umstände hinein zu denken, welches so sehr viel zur Bildung des wahren Auslegers beyträgt.Die Kirchengeschichte giebt 4) erst die recht anschauliche Ueberzeugung, wie sehr die ganze Theologie an ihrer Lauterkeit und wahrhaften praktischen Brauchbarkeit gewonnen oder gelitten habe, je nachdem man die wahren Hülfsmittel zur Einsicht des Sinnes der heiligen Schrift recht kannte, schätzte und brauchte, oder nicht (§
306 ); und, indem sie uns so deutlich zeigt, welchen unsäglichen Schaden die Herrschaft des menschlichen Ansehens in der Kirche gestiftet habe: so macht sie uns die göttlichen Schriften desto werther; und, weil auch über den Sinn dieser göttlichen Belehrungen wieder die Menschen so verschieden urtheilen, diese Verschiedenheit und Uneinigkeit aber immer grösser und unvereinbarer wird, wenn man nicht hierin mit Gewalt und offenbaren Ge
|a397|wissenszwang eine äusserliche Einigkeit befördern will: so lehrt sie uns sehr einleuchtend die Nothwendigkeit fester exegetischer Grundsätze, und des Fleißes, den man auf die deutliche eigne Ueberzeugung von dem wahren Sinn der heiligen Schrift und die klare Darlegung desselben wenden muß. Und wenn denn auch nur 5) die Kirchengeschichte, wie sie es wirklich thut, uns mit der sosehr verschiednen Denkungsart, Fähigkeiten, vorzüglichen Hülfsmitteln und Sitten, und den dadurch geleiteten mannichfaltigen Vorstellungen und Neigungen der Menschen in so verschiednen Zeiten und so besondern Lagen, bekannt machte: so könnte sie uns wenigstens mehr gewöhnen, uns in fremde Zeiten und Umstände hinein zu denken, welches so sehr viel zur Bildung des wahren Auslegers beyträgt.
374.
Noch ausgebreiteter ist der Nutzen dieses Studiums in der eigentlichen sogenannten Theologie. – In der dogmatischen und elenchtischen, so fern 1) diese doppelte Wissenschaft nicht bloß die Religionslehren selbst, sondern auch die verschiednen Vorstellungen davon vorlegen soll, ist ja die Geschichte dieser Lehren und der verschiednen Begriffe davon, ein Haupttheil der Kirchengeschichte, der uns die Veranlassung der verschiednen Vorstellungen, das Interesse dabey, und den Zusammenhang mit andern Lehren und Vorstellungen, zum Theil die zu ihrer Unterstützung gebrauchten Gründe, und die eingetretenen Umstände lehret, welche gewissen Meinungen An|a398|sehen verschafft, oder Widerspruch gegen sie veranlaßt haben. 2) Indem sie dieses thut, unterrichtet sie uns von dem wahren Sinn dererjenigen, die über gewisse Lehren der Religion, über gewisse Vorstellungen davon, oder über gewisse davon gebrauchte Ausdrücke verschiedner Meinung waren. Dadurch wird vielfältiger Mißverstand gehoben, viel unnützer Streit und Untersuchung abgeschnitten, und unnöthige, partheyische, oder gar gehäßige Beurtheilung verhütet.Noch ausgebreiteter ist der Nutzen dieses Studiums in der eigentlichen sogenannten Theologie. – In der dogmatischen und elenchtischen, so fern 1) diese doppelte Wissenschaft nicht bloß die Religionslehren selbst, sondern auch die verschiednen Vorstellungen davon vorlegen soll, ist ja die Geschichte dieser Lehren und der verschiednen Begriffe davon, ein Haupttheil der Kirchengeschichte, der uns die Veranlassung der verschiednen Vorstellungen, das Interesse dabey, und den Zusammenhang mit andern Lehren und Vorstellungen, zum Theil die zu ihrer Unterstützung gebrauchten Gründe, und die eingetretenen Umstände lehret, welche gewissen Meinungen An|a398|sehen verschafft, oder Widerspruch gegen sie veranlaßt haben. 2) Indem sie dieses thut, unterrichtet sie uns von dem wahren Sinn dererjenigen, die über gewisse Lehren der Religion, über gewisse Vorstellungen davon, oder über gewisse davon gebrauchte Ausdrücke verschiedner Meinung waren. Dadurch wird vielfältiger Mißverstand gehoben, viel unnützer Streit und Untersuchung abgeschnitten, und unnöthige, partheyische, oder gar gehäßige Beurtheilung verhütet.
375.
Sie legt 3) zugleich den unsäglichen Schaden vor Augen, den die Vermischung dieser Meinungen über Religionslehren mit diesen letztern selbst, der gleiche Werth, den man auf jene, wie auf diese gelegt hat, das Bestreben, durch alle, auch unerlaubte Mittel, jene eben so wie diese geltend zu machen, gestiftet hat, und befördert dadurch nicht nur die Billigkeit in Beurtheilung verschiedner Vorstellungen, sondern auch die Vorsichtigkeit, um nicht durch Zweydeutigkeit, Unbestimmtheit, Vermengung der Hauptsache mit Nebensachen, und unzeitigen Eifer für unsre Meinungen, Gelegenheit zu Zwistigkeiten zu geben, und der Hauptsache selbst dadurch zu schaden. Sie allein zeigt 4) wie manche Lehren oder Meinungen davon eher gar nicht in Gang gekommen, oder Aufsehen und Widerspruch erregt, als bis gewisse äusserliche Umstände, z. B. Eifersucht oder Herrschsucht angesehener Kirchen und Bischöfe, |a399| ausserordentliche Achtung gegen einen berühmten Mann u. d. gl. dazu gekommen, und diese zufälligen Umstände erst die Sache wichtig, oder der weit um sich gegriffne Streit sie zu einer Quelle grosser Revolutionen gemacht habe, (wovon die Geschichte der pelagianischen, nestorianischen, monophysitischen und Sacramentstreitigkeiten u. d. gl. traurige Beyspiele liefert); wie daher die Wichtigkeit einer solchen Lehre, Meinung oder Ausdrucks gar nicht, oder lange nicht so sehr in der Natur der Sache selbst, und ihrem Zusammenhang mit den Lehren des eigentlichen Christenthums, und mit praktischen Folgen liege, als vielmehr in gewissen Zufällen, welche die Religion gar nicht angingen.Sie legt 3) zugleich den unsäglichen Schaden vor Augen, den die Vermischung dieser Meinungen über Religionslehren mit diesen letztern selbst, der gleiche Werth, den man auf jene, wie auf diese gelegt hat, das Bestreben, durch alle, auch unerlaubte Mittel, jene eben so wie diese geltend zu machen, gestiftet hat, und befördert dadurch nicht nur die Billigkeit in Beurtheilung verschiedner Vorstellungen, sondern auch die Vorsichtigkeit, um nicht durch Zweydeutigkeit, Unbestimmtheit, Vermengung der Hauptsache mit Nebensachen, und unzeitigen Eifer für unsre Meinungen, Gelegenheit zu Zwistigkeiten zu geben, und der Hauptsache selbst dadurch zu schaden. Sie allein zeigt 4) wie manche Lehren oder Meinungen davon eher gar nicht in Gang gekommen, oder Aufsehen und Widerspruch erregt, als bis gewisse äusserliche Umstände, z. B. Eifersucht oder Herrschsucht angesehener Kirchen und Bischöfe, |a399| ausserordentliche Achtung gegen einen berühmten Mann u. d. gl. dazu gekommen, und diese zufälligen Umstände erst die Sache wichtig, oder der weit um sich gegriffne Streit sie zu einer Quelle grosser Revolutionen gemacht habe, (wovon die Geschichte der pelagianischen, nestorianischen, monophysitischen und Sacramentstreitigkeiten u. d. gl. traurige Beyspiele liefert); wie daher die Wichtigkeit einer solchen Lehre, Meinung oder Ausdrucks gar nicht, oder lange nicht so sehr in der Natur der Sache selbst, und ihrem Zusammenhang mit den Lehren des eigentlichen Christenthums, und mit praktischen Folgen liege, als vielmehr in gewissen Zufällen, welche die Religion gar nicht angingen.
376.
Wenn denn die Kirchengeschichte einem jeden Unbefangnen so augenscheinlich zeigt, wie es so gar keine völlige Einigkeit jemals in Meinungen gegeben habe, und alle äusserliche völlige Einstimmung weder durch öffentliche Religionsgespräche, noch Friedens- oder Glaubensformeln, sondern nur durch Zwang oder durch blinden Glauben bewirkt worden; daß der Triumph gewisser Meinungen über andre, so selten durch Ueberzeugung, und gemeiniglich nur durch Anschmiegen an Vorurtheile des grossen Haufens, oder an eingeführte Gewohnheiten, und noch öfterer durch mehrere Macht und Kühnheit ihrer Vertheidiger, durch Ansehn grosser Männer, oder berühmterer |a400| Kirchen, durch geschlossene Verbindungen der Bischöfe, durch Beystand der Fürsten, erfochten worden; daß zu Einer Zeit und in Einem Lande das wieder verdammt worden, was zu einer andern Zeit und anderwärts als Lehre und Befehl der Kirche, aus angeblicher Eingebung des heiligen Geistes, festgesetzt worden war; daß Bischöfe, Päbste und Concilien einander selbst widersprochen, und ihre vorige Aussprüche wieder zerstört haben; daß die vorgegebne bessere Einsicht oft bloß durch Einfluß der Höfe und mächtigerer Partheyen gestimmt worden sey; daß die sogenannte Kirche sich oft herausgenommen habe, über das Gewissen und die Seligkeit, selbst über und wieder Christi und seiner Apostel eigne Lehren und Verordnungen, zu entscheiden; und daß , wenn sich die unterdrückte Parthey nur entschliessen können, um des Gewissens willen zu leiden, oder zu schweigen, und in der Stille zu wirken, keine Macht je im Stande gewesen sey, den Fortgang der Wahrheit zu verhindern: so wirkt sie 5) die innigste Ueberzeugung, daß überall kein menschliches Ansehen und kein Ansehen der sogenannten Kirche und Tradition eine den Verstand und das Gewissen verpflichtende Kraft habe, sondern höchstens ein Vorurtheil errege, das uns zur nähern Untersuchung der Sachen auffordert; daß schlechterdings eigne Untersuchung in der Religion nothwendig sey, und eigner Glaube frey bleibe; und daß man nur Glauben an Gott und Muth, die Wahrheit zu untersuchen, und mit Weisheit zu bekennen, erhalten dürfe, um gewiß |a401| zu seyn, bey veränderten Umständen, die in Gottes Hand sind, werde die Wahrheit doch durchdringen, und die Ehre des Gewissens gerettet werden. Eine Ueberzeugung, die auch bey gewissenhafter Untersuchung der Religionslehren und der verschiednen Meinungen darüber, unumgänglich nöthig ist, und die Auffindung der Wahrheit ungemein befördert.Wenn denn die Kirchengeschichte einem jeden Unbefangnen so augenscheinlich zeigt, wie es so gar keine völlige Einigkeit jemals in Meinungen gegeben habe, und alle äusserliche völlige Einstimmung weder durch öffentliche Religionsgespräche, noch Friedens- oder Glaubensformeln, sondern nur durch Zwang oder durch blinden Glauben bewirkt worden; daß der Triumph gewisser Meinungen über andre, so selten durch Ueberzeugung, und gemeiniglich nur durch Anschmiegen an Vorurtheile des grossen Haufens, oder an eingeführte Gewohnheiten, und noch öfterer durch mehrere Macht und Kühnheit ihrer Vertheidiger, durch Ansehn grosser Männer, oder berühmterer |a400| Kirchen, durch geschlossene Verbindungen der Bischöfe, durch Beystand der Fürsten, erfochten worden; daß zu Einer Zeit und in Einem Lande das wieder verdammt worden, was zu einer andern Zeit und anderwärts als Lehre und Befehl der Kirche, aus angeblicher Eingebung des heiligen Geistes, festgesetzt worden war; daß Bischöfe, Päbste und Concilien einander selbst widersprochen, und ihre vorige Aussprüche wieder zerstört haben; daß die vorgegebne bessere Einsicht oft bloß durch Einfluß der Höfe und mächtigerer Partheyen gestimmt worden sey; daß die sogenannte Kirche sich oft herausgenommen habe, über das Gewissen und die Seligkeit, selbst über und wieder Christi und seiner Apostel eigne Lehren und Verordnungen, zu entscheiden; und daß , wenn sich die unterdrückte Parthey nur entschliessen können, um des Gewissens willen zu leiden, oder zu schweigen, und in der Stille zu wirken, keine Macht je im Stande gewesen sey, den Fortgang der Wahrheit zu verhindern: so wirkt sie 5) die innigste Ueberzeugung, daß überall kein menschliches Ansehen und kein Ansehen der sogenannten Kirche und Tradition eine den Verstand und das Gewissen verpflichtende Kraft habe, sondern höchstens ein Vorurtheil errege, das uns zur nähern Untersuchung der Sachen auffordert; daß schlechterdings eigne Untersuchung in der Religion nothwendig sey, und eigner Glaube frey bleibe; und daß man nur Glauben an Gott und Muth, die Wahrheit zu untersuchen, und mit Weisheit zu bekennen, erhalten dürfe, um gewiß |a401| zu seyn, bey veränderten Umständen, die in Gottes Hand sind, werde die Wahrheit doch durchdringen, und die Ehre des Gewissens gerettet werden. Eine Ueberzeugung, die auch bey gewissenhafter Untersuchung der Religionslehren und der verschiednen Meinungen darüber, unumgänglich nöthig ist, und die Auffindung der Wahrheit ungemein befördert.
377.
Und wodurch lassen sich 6) Meinungen, die man fälschlich für christliche Lehren ausgiebt, und die keine andere Gründe vor sich haben, als Ansehn der Kirche, überzeugender widerlegen, als wenn man aus der Kirchengeschichte darthun kan, wie spät ihr Ursprung, und wie wenig die Kirche aller Zeiten darüber einig gewesen sey? Gegen solche Gemeinen, die ihre Unterscheidungslehren darauf gründen, giebts kein wirksameres Mittel zur Widerlegung, als die Kirchengeschichte; und die Casaubon's, Saumaisen, Blondel's, Daillés, Richer's und andre gründliche Kenner dieser Geschichte haben allezeit mehr ausgerichtet, als die ganze Polemik bloß scholastischer Theologen. Wem das Studium der Kirchengeschichte, selbst für den Volkslehrer, gleichgültig scheint, der muß entweder den immer regen, auch in Geheim wirkenden, Bekehrungsgeist der römisch-katholischen Kirche und die daher unserer Gewissensfreyheit drohende Gefahr, oder die wirksame Macht religiöser Vorurtheile |a402| und des menschlichen Ansehens auf die Gemüther nicht kennen. Eben von beyden giebt die Kirchengeschichte die überzeugendsten Beweise.Und wodurch lassen sich 6) Meinungen, die man fälschlich für christliche Lehren ausgiebt, und die keine andere Gründe vor sich haben, als Ansehn der Kirche, überzeugender widerlegen, als wenn man aus der Kirchengeschichte darthun kan, wie spät ihr Ursprung, und wie wenig die Kirche aller Zeiten darüber einig gewesen sey? Gegen solche Gemeinen, die ihre Unterscheidungslehren darauf gründen, giebts kein wirksameres Mittel zur Widerlegung, als die Kirchengeschichte; und die Casaubon's, Saumaisen, Blondel's, Daillés, Richer's und andre gründliche Kenner dieser Geschichte haben allezeit mehr ausgerichtet, als die ganze Polemik bloß scholastischer Theologen. Wem das Studium der Kirchengeschichte, selbst für den Volkslehrer, gleichgültig scheint, der muß entweder den immer regen, auch in Geheim wirkenden, Bekehrungsgeist der römisch-katholischen Kirche und die daher unserer Gewissensfreyheit drohende Gefahr, oder die wirksame Macht religiöser Vorurtheile |a402| und des menschlichen Ansehens auf die Gemüther nicht kennen. Eben von beyden giebt die Kirchengeschichte die überzeugendsten Beweise.
378.
Mitten in einer solchen Fluth menschlicher Meinungen, unter allen Verderbnissen des Christenthums, und den mannichfaltigen Versuchen, es nach menschlicher Willkühr abzuändern, oder gar zu verdrängen: hat sich denn doch 7) das eigentliche Christenthum selbst immer erhalten, und bewährt befunden. Alle, nicht bey Uebelunterrichteten, Leichtsinnigen und Leichtgläubigen, sondern bey wahrhaftig aufgeklärten und gründlich untersuchenden Köpfen, wirksame und siegende Angriffe auf das sogenannte Christenthum haben nie das Christenthum selbst, sondern nur die falschen Zusätze und Vorstellungen zernichtet. Selbst in den verderbtesten Zeiten und Kirchen hat sich das Ansehn der heil. Schrift und Jesu Christi, hat sich das wahrhaftig allgemein Trostreiche und wahrhaftig Bessernde im Christenthum überhaupt erhalten. Diese Ueberzeugung macht das Christenthum und seinen Werth sehr respectabel, und diese historische Ueberzeugung gewährt das fleißige Studium der christlichen Kirchengeschichte, welches auch 8) zur rechten eignen Ueberzeugung von der wahren Beschaffenheit, Aechtheit, Glaubwürdigkeit und wesentlichen Unverdorbenheit der biblischen Bücher , worauf die Ueberzeugung von der Wahrheit und |a403| Verbindlichkeit der daraus geschöpften Lehren mit beruht, sowohl erfordert wird, als zur Beschämung der Vorwürfe gegen das Christenthum und dessen wohlthätige Wirkungen. Denn alle Scheinbarkeit dieser Vorwürfe gründet sich lediglich darauf, daß man entweder nur das Gehäßige oder die nachtheilige Seite hervorzieht, auf der sich das sogenannte Christenthum leider oft genug gezeigt hat, und nicht mit eben dem ehrlichen Fleiß dem Guten nachspürt, welches das wahre Christenthum, selbst bey so mancherley Verderbnissen, gestiftet hat; oder daß man das Christenthum selbst nicht von den ihm aufgehängten Zusätzen und Vorstellungen darüber unterscheidet; oder daß man das auf die Rechnung des Christenthums setzt, was blosser Ausbruch der Leidenschaft war, die überall, nicht verbunden mit dem Christenthum allein, die menschliche Glückseligkeit zerstört. Eben diesen Unterschied, der so traurigen und ungerechten Mißverstand veranlaßt, und eben jene unleugbar heilsamen Einflüsse des Christenthums auf die Glückseligkeit der Welt, kan nur der rechte Fleiß in der Kirchengeschichte klar machen.Mitten in einer solchen Fluth menschlicher Meinungen, unter allen Verderbnissen des Christenthums, und den mannichfaltigen Versuchen, es nach menschlicher Willkühr abzuändern, oder gar zu verdrängen: hat sich denn doch 7) das eigentliche Christenthum selbst immer erhalten, und bewährt befunden. Alle, nicht bey Uebelunterrichteten, Leichtsinnigen und Leichtgläubigen, sondern bey wahrhaftig aufgeklärten und gründlich untersuchenden Köpfen, wirksame und siegende Angriffe auf das sogenannte Christenthum haben nie das Christenthum selbst, sondern nur die falschen Zusätze und Vorstellungen zernichtet. Selbst in den verderbtesten Zeiten und Kirchen hat sich das Ansehn der heil. Schrift und Jesu Christi, hat sich das wahrhaftig allgemein Trostreiche und wahrhaftig Bessernde im Christenthum überhaupt erhalten. Diese Ueberzeugung macht das Christenthum und seinen Werth sehr respectabel, und diese historische Ueberzeugung gewährt das fleißige Studium der christlichen Kirchengeschichte, welches auch 8) zur rechten eignen Ueberzeugung von der wahren Beschaffenheit, Aechtheit, Glaubwürdigkeit und wesentlichen Unverdorbenheit der biblischen Bücher , worauf die Ueberzeugung von der Wahrheit und |a403| Verbindlichkeit der daraus geschöpften Lehren mit beruht, sowohl erfordert wird, als zur Beschämung der Vorwürfe gegen das Christenthum und dessen wohlthätige Wirkungen. Denn alle Scheinbarkeit dieser Vorwürfe gründet sich lediglich darauf, daß man entweder nur das Gehäßige oder die nachtheilige Seite hervorzieht, auf der sich das sogenannte Christenthum leider oft genug gezeigt hat, und nicht mit eben dem ehrlichen Fleiß dem Guten nachspürt, welches das wahre Christenthum, selbst bey so mancherley Verderbnissen, gestiftet hat; oder daß man das Christenthum selbst nicht von den ihm aufgehängten Zusätzen und Vorstellungen darüber unterscheidet; oder daß man das auf die Rechnung des Christenthums setzt, was blosser Ausbruch der Leidenschaft war, die überall, nicht verbunden mit dem Christenthum allein, die menschliche Glückseligkeit zerstört. Eben diesen Unterschied, der so traurigen und ungerechten Mißverstand veranlaßt, und eben jene unleugbar heilsamen Einflüsse des Christenthums auf die Glückseligkeit der Welt, kan nur der rechte Fleiß in der Kirchengeschichte klar machen.
379.
Wenn die Geschichte überhaupt die beste Schule der Weisheit und Tugend werden kann, wo man die Menschen sieht, wie sie wirklich sind, und wie sie wirklich werden können, wo man sie unter und nach ihren jedesmaligen besondern Umständen
|a404| handeln sieht, wo man sich von dem Werth und Einfluß ihrer moralischen Grundsätze und Gesinnungen in das Verhalten
und in die Glückseligkeit der Gesellschaft überzeugen kan: so gewährt die Kirchengeschichte vorzüglich diesen Nutzen, theils, weil sie, ihrer Natur nach, mehr Auftritte enthält, wo sich die Menschen in ihrem eigentlich sittlichen Verhalten zeigen, theils, weil sich da die besondern Wirkungen wahrer und falscher Vorstellungen in der Religion und des rechten und unrechten Gebrauchs offenbaren, den man von ihr bey dem sittlichen Betragen macht. Sie stellt uns Beyspiele von religiöser Schwärmerey und Aberglauben, von Leidenschaften unter der Masque der Religion, von Irreligiosität und höchstem Sittenverderbniß auf einer, und von erleuchteter, reiner Frömmigkeit, von der Macht der Religion über die Schwäche des Herzens, und über die Stärke der Leidenschaften, in mancherley Lagen und Gestalten vor, und einem aufmerksamen Beobachter, der zugleich das von den wirklichen Handlungen und ihren durchschimmernden Triebfedern zu scheiden versteht, was Partheylichkeit Gutes oder Böses hinzugedichtet hat, einem solchen kan es selten schwer fallen, zu entdecken, woraus beyderley Arten von Handlungen entsprungen sind, wodurch sie Nahrung bekommen, was für wohlthätige oder schädliche Wirkungen sie hervorgebracht haben. Wie viel Gewinn kann also die
christliche Sittenlehre aus der Kirchengeschichte ziehn, da diese Geschichte so viele Belege enthält, die den Inhalt dieser Sittenlehre bewähren, an
|a405|schaulich darstellen, und eine so reiche Quelle feiner Beobachtungen über das menschliche Herz oder genauerer Bestimmungen der Sittenlehre eröffnen!Wenn die Geschichte überhaupt die beste Schule der Weisheit und Tugend werden kann, wo man die Menschen sieht, wie sie wirklich sind, und wie sie wirklich werden können, wo man sie unter und nach ihren jedesmaligen besondern Umständen
|a404| handeln sieht, wo man sich von dem Werth und Einfluß ihrer moralischen Grundsätze und Gesinnungen in das Verhalten
und in die Glückseligkeit der Gesellschaft überzeugen kan: so gewährt die Kirchengeschichte vorzüglich diesen Nutzen, theils, weil sie, ihrer Natur nach, mehr Auftritte enthält, wo sich die Menschen in ihrem eigentlich sittlichen Verhalten zeigen, theils, weil sich da die besondern Wirkungen wahrer und falscher Vorstellungen in der Religion und des rechten und unrechten Gebrauchs offenbaren, den man von ihr bey dem sittlichen Betragen macht. Sie stellt uns Beyspiele von religiöser Schwärmerey und Aberglauben, von Leidenschaften unter der Masque der Religion, von Irreligiosität und höchstem Sittenverderbniß auf einer, und von erleuchteter, reiner Frömmigkeit, von der Macht der Religion über die Schwäche des Herzens, und über die Stärke der Leidenschaften, in mancherley Lagen und Gestalten vor, und einem aufmerksamen Beobachter, der zugleich das von den wirklichen Handlungen und ihren durchschimmernden Triebfedern zu scheiden versteht, was Partheylichkeit Gutes oder Böses hinzugedichtet hat, einem solchen kan es selten schwer fallen, zu entdecken, woraus beyderley Arten von Handlungen entsprungen sind, wodurch sie Nahrung bekommen, was für wohlthätige oder schädliche Wirkungen sie hervorgebracht haben. Wie viel Gewinn kann also die
christliche Sittenlehre aus der Kirchengeschichte ziehn, da diese Geschichte so viele Belege enthält, die den Inhalt dieser Sittenlehre bewähren, an
|a405|schaulich darstellen, und eine so reiche Quelle feiner Beobachtungen über das menschliche Herz oder genauerer Bestimmungen der Sittenlehre eröffnen!
380.
Die sogenannte symbolische Theologie, wenn sie ihrem Namen treu bleibet, und nicht in das Gebiet der Dogmatik und Polemik schweift, ist selbst nichts anders als ein Theil der Kirchengeschichte, man mag auf die Geschichte der Symbolen und symbolischen Bücher, oder auf die Geschichte der darin vorkommenden Lehren und Vorstellungen darüber sehen, die sowohl selbst, als die Nothwendigkeit, sie zu behaupten, zu vertheidigen oder zu widerlegen, schlechterdings ohne christliche Kirchengeschichte nicht verstanden werden kan.Die sogenannte symbolische Theologie, wenn sie ihrem Namen treu bleibet, und nicht in das Gebiet der Dogmatik und Polemik schweift, ist selbst nichts anders als ein Theil der Kirchengeschichte, man mag auf die Geschichte der Symbolen und symbolischen Bücher, oder auf die Geschichte der darin vorkommenden Lehren und Vorstellungen darüber sehen, die sowohl selbst, als die Nothwendigkeit, sie zu behaupten, zu vertheidigen oder zu widerlegen, schlechterdings ohne christliche Kirchengeschichte nicht verstanden werden kan.
381.
Und diejenige Wissenschaften, die nun eigentlich die
Amtsführung des Predigers, und was dazu gehört, betreffen, scheinen zwar die Kenntniß der Kirchengeschichte in dem Grade, wie die bisher erwehnten Wissenschaften, nicht zu erfordern. Denn – die Kenntniß der geistlichen Rechte abgerechnet, wobey freylich diese Geschichte unentbehrlich bleibt, die aber zur Theologie eigentlich nicht gehört – so nützlich es seyn würde, auch in Predigten und Katechisationen den Vortrag durch wohlgewählte Beyspiele aus der christlichen Geschichte anschaulicher und eindrücklicher zu ma
|a406|chen, und so sehr auch zu wünschen wäre, daß selbst dem gemeinen Christen und den Kindern recht frühzeitig möchte ein Begrif von dem für sie lehrreichen Inhalt der Kirchen- sonderlich der Reformations- und übrigen Geschichte ihrer Kirche, beygebracht werden: so sind doch jene Beyspiele nur unzusammenhängende Bruchstücke, die man, auch ohne eigentliches Studieren der Kirchengeschichte, sich bekannt machen könnte, und es gehörte viel Vorsichtigkeit und weise Wahl dazu, um nicht den Vortrag, der für die Religion bestimmt ist, mit Nebensachen, oder gar solchen Dingen anzufüllen, die für solche Zuhörer unnütz, vielleicht selbst, wegen des zu leichten Mißverstandes, schädlich werden könnten; und das wirklich für sie Nützliche könnte ihnen anderwärts wohl bequemer und vollständiger, als bey dem Gottesdienst selbst, beygebracht werden. Allein der eigentlichste und wesentliche Nutzen, den der Prediger aus der Kirchengeschichte ziehen müßte, wäre die so unentbehrliche Klugheit bey Mittheilung der Religion und bey seinem ganzen Betragen, ja überhaupt die
Bildung seines ganzen Characters dadurch, die doch überall das Wichtigste ist, wornach er zu trachten hat, und die so sehr durch das rechte Studieren der Kirchengeschichte geschehen kann. – Dies führt uns auf den zweyten höchst wichtigen Vortheil, den der auf diese Wissenschaft gewendete Fleiß giebt. (§.
371. )Und diejenige Wissenschaften, die nun eigentlich die
Amtsführung des Predigers, und was dazu gehört, betreffen, scheinen zwar die Kenntniß der Kirchengeschichte in dem Grade, wie die bisher erwehnten Wissenschaften, nicht zu erfordern. Denn – die Kenntniß der geistlichen Rechte abgerechnet, wobey freylich diese Geschichte unentbehrlich bleibt, die aber zur Theologie eigentlich nicht gehört – so nützlich es seyn würde, auch in Predigten und Katechisationen den Vortrag durch wohlgewählte Beyspiele aus der christlichen Geschichte anschaulicher und eindrücklicher zu ma
|a406|chen, und so sehr auch zu wünschen wäre, daß selbst dem gemeinen Christen und den Kindern recht frühzeitig möchte ein Begrif von dem für sie lehrreichen Inhalt der Kirchen- sonderlich der Reformations- und übrigen Geschichte ihrer Kirche, beygebracht werden: so sind doch jene Beyspiele nur unzusammenhängende Bruchstücke, die man, auch ohne eigentliches Studieren der Kirchengeschichte, sich bekannt machen könnte, und es gehörte viel Vorsichtigkeit und weise Wahl dazu, um nicht den Vortrag, der für die Religion bestimmt ist, mit Nebensachen, oder gar solchen Dingen anzufüllen, die für solche Zuhörer unnütz, vielleicht selbst, wegen des zu leichten Mißverstandes, schädlich werden könnten; und das wirklich für sie Nützliche könnte ihnen anderwärts wohl bequemer und vollständiger, als bey dem Gottesdienst selbst, beygebracht werden. Allein der eigentlichste und wesentliche Nutzen, den der Prediger aus der Kirchengeschichte ziehen müßte, wäre die so unentbehrliche Klugheit bey Mittheilung der Religion und bey seinem ganzen Betragen, ja überhaupt die
Bildung seines ganzen Characters dadurch, die doch überall das Wichtigste ist, wornach er zu trachten hat, und die so sehr durch das rechte Studieren der Kirchengeschichte geschehen kann. – Dies führt uns auf den zweyten höchst wichtigen Vortheil, den der auf diese Wissenschaft gewendete Fleiß giebt. (§.
371. )
|a407| 382.
Man muß sich sehr wenig auf die rechte Schätzung des Werths der Dinge verstehen, wenn man sich einbilden kann, die Hauptsache, oder gar Alles, komme bey dem Lehrer der Religion auf das an, was er Andern wieder vortrage; dies müsse er eigentlich und vornehmlich, und nächstdem die Kunst lernen, es deutlich und lebhaft vorzutragen. Dieser Vortrag ist doch nur ein Theil seines Berufs; dazu bedürfte es nicht einmal gelernter Prediger; es bedürfte nur einiger äusserlichen Gaben, eines mittelmäßigen schlichten Menschenverstandes, eines guten Gedächtnisses, des fleißigen Lesens guter, der Classe der Zuhörer, vor welcher man reden soll, angemessener Predigten, oder einer kleinen Aufmerksamkeit auf die Manier beliebter Prediger im Vortrage, so wäre ein solcher Prediger fertig. Wenn aber das übrige schlechte, oder wenigstens gleichgültige oder unvorsichtige Betragen des Predigers das Gute, so etwa durch Predigten gestiftet werden könnte, verhindert, oder wieder zerstört, oder doch schwächt; wenn die Kraft des ganzen Beyspiels weit mehr wirkt als alles Predigen, und diesem erst den rechten Nachdruck giebt; wenn der Prediger durch sein ganzes Benehmen zum Guten wirksam, wahrer Vater und Seelsorger der ihm Anvertraueten seyn soll; wenn er so nicht reden und handeln kan, ohne eigne innige Ueberzeugung von dem, was er empfehlen, ohne eigne herzliche Gesinnung und Liebe, die er dagegen einflössen will, ohne |a408| wahrhaftige Weisheit in der Wahl und in der Art wie er redet und handelt: so möchte doch wohl auf seine eigne Bildung weit mehr ankommen, als auf seinen Vortrag, der ohnehin nach jener gestimmt werden wird.Man muß sich sehr wenig auf die rechte Schätzung des Werths der Dinge verstehen, wenn man sich einbilden kann, die Hauptsache, oder gar Alles, komme bey dem Lehrer der Religion auf das an, was er Andern wieder vortrage; dies müsse er eigentlich und vornehmlich, und nächstdem die Kunst lernen, es deutlich und lebhaft vorzutragen. Dieser Vortrag ist doch nur ein Theil seines Berufs; dazu bedürfte es nicht einmal gelernter Prediger; es bedürfte nur einiger äusserlichen Gaben, eines mittelmäßigen schlichten Menschenverstandes, eines guten Gedächtnisses, des fleißigen Lesens guter, der Classe der Zuhörer, vor welcher man reden soll, angemessener Predigten, oder einer kleinen Aufmerksamkeit auf die Manier beliebter Prediger im Vortrage, so wäre ein solcher Prediger fertig. Wenn aber das übrige schlechte, oder wenigstens gleichgültige oder unvorsichtige Betragen des Predigers das Gute, so etwa durch Predigten gestiftet werden könnte, verhindert, oder wieder zerstört, oder doch schwächt; wenn die Kraft des ganzen Beyspiels weit mehr wirkt als alles Predigen, und diesem erst den rechten Nachdruck giebt; wenn der Prediger durch sein ganzes Benehmen zum Guten wirksam, wahrer Vater und Seelsorger der ihm Anvertraueten seyn soll; wenn er so nicht reden und handeln kan, ohne eigne innige Ueberzeugung von dem, was er empfehlen, ohne eigne herzliche Gesinnung und Liebe, die er dagegen einflössen will, ohne |a408| wahrhaftige Weisheit in der Wahl und in der Art wie er redet und handelt: so möchte doch wohl auf seine eigne Bildung weit mehr ankommen, als auf seinen Vortrag, der ohnehin nach jener gestimmt werden wird.
383.
Eben diese eigne Bildung ists, die durch das rechte Studieren der Kirchengeschichte, mehr als durch irgend etwas Anderes, so sehr befördert werden kan. Denn sie zeigt eigentlich das Schicksal und die Wirkungen der Religion, nach den verschiednen Umständen der Menschen und dem verschiednen Gebrauch, den sie davon machten; und, wenn man gleich diese Wirkungen auch aus Beobachtungen seiner selbst und Anderer, mit denen wir leben, lernen kan: so zeigt uns doch die Kirchengeschichte eine viel grössere Verschiedenheit der Menschen, ein viel mannichfaltigeres moralisches Verhalten derselben, viel mehr verschiedne Umstände, in die sie, in Absicht auf die Religion, kommen können, und ersetzt das durch ihren Reichthum, was unserer sehr eingeschränkten Erfahrung abgeht. – Sie bildet und befestigt 1) unsre eigne Ueberzeugung vom Christenthum – durch die Vorstellung des Fortgangs, der wunderbaren Erhaltung und Entwickelung der wahren Religion unter so mancherley Hindernissen und Angriffen, und ihrer für einzle Menschen und die ganze Gesellschaft so heilsamen Wirkungen; durch die ausgezeichnetsten Spuren der göttlichen Fürsehung, |a409| die so sehr für seine Erkenntniß und wahre Gottseligkeit einnehmen, so sehr das Vertrauen auf ihn auch unter den mißlichsten Umständen, nebst dem Muth, Gutes zu thun, und nicht müde zu werden, stärken; durch die so deutlichen Anzeigen des Unterschieds zwischen dem ächten und daher unveränderlich bleibenden Christenthum, und zwischen den falschen Zusätzen oder nicht allgemeinen nothwendigen Vorstellungen davon; durch die ganz besondere Fürsorge Gottes für die besondere Lehre und die besondere Kirche, zu der wir uns bekennen, durch die, im Ganzen genommen, geringre Mängel derselben, oder durch mehrere Gewissensfreyheit, sichere Grundsätze und Glückseligkeit überhaupt, die sie uns gewährt.Eben diese eigne Bildung ists, die durch das rechte Studieren der Kirchengeschichte, mehr als durch irgend etwas Anderes, so sehr befördert werden kan. Denn sie zeigt eigentlich das Schicksal und die Wirkungen der Religion, nach den verschiednen Umständen der Menschen und dem verschiednen Gebrauch, den sie davon machten; und, wenn man gleich diese Wirkungen auch aus Beobachtungen seiner selbst und Anderer, mit denen wir leben, lernen kan: so zeigt uns doch die Kirchengeschichte eine viel grössere Verschiedenheit der Menschen, ein viel mannichfaltigeres moralisches Verhalten derselben, viel mehr verschiedne Umstände, in die sie, in Absicht auf die Religion, kommen können, und ersetzt das durch ihren Reichthum, was unserer sehr eingeschränkten Erfahrung abgeht. – Sie bildet und befestigt 1) unsre eigne Ueberzeugung vom Christenthum – durch die Vorstellung des Fortgangs, der wunderbaren Erhaltung und Entwickelung der wahren Religion unter so mancherley Hindernissen und Angriffen, und ihrer für einzle Menschen und die ganze Gesellschaft so heilsamen Wirkungen; durch die ausgezeichnetsten Spuren der göttlichen Fürsehung, |a409| die so sehr für seine Erkenntniß und wahre Gottseligkeit einnehmen, so sehr das Vertrauen auf ihn auch unter den mißlichsten Umständen, nebst dem Muth, Gutes zu thun, und nicht müde zu werden, stärken; durch die so deutlichen Anzeigen des Unterschieds zwischen dem ächten und daher unveränderlich bleibenden Christenthum, und zwischen den falschen Zusätzen oder nicht allgemeinen nothwendigen Vorstellungen davon; durch die ganz besondere Fürsorge Gottes für die besondere Lehre und die besondere Kirche, zu der wir uns bekennen, durch die, im Ganzen genommen, geringre Mängel derselben, oder durch mehrere Gewissensfreyheit, sichere Grundsätze und Glückseligkeit überhaupt, die sie uns gewährt.
384.
Durch diese einleuchtende Darstellung der wunderbaren und allezeit herrlichen Wege Gottes sowohl, als durch so viele guten und bösen Beyspiele, und des ganzen Ganges, den das verschiedne Betragen der Menschen genommen hat, kan sie 2) sehr die ganze gute Gesinnung des Religionslehrers bilden. Welche Achtung gegen Wahrheit und Gewissen, welche Zufriedenheit mit Gott bey so mannichfaltigen verschiednen Vorstellungen vom Christenthum, die auf so verschiednen Wegen doch alle zu einem Hauptzweck führen, und bey oft so sehr gegen einander laufenden Mitteln, die doch alle zu Beförderung der Absichten Gottes mitwirken müssen; welche Werthschätzung der |a410| Vernunft, der heiligen Schrift, der eignen Untersuchung, nützlicher Wissenschaften und guter Anstalten; welche Ueberzeugung von dem grossen Umfang von Kenntnissen und Eigenschaften und ihrer Nothwendigkeit, um ganz dem Beruf eines Lehrers der Religion, nach den Bedürfnissen seiner Zeit und seiner Zuhörer, ein Genüge zu thun, und welchen regen Trieb darnach; welche Standhaftigkeit gegen diejenigen, die dieses Gute stören wollen, und welche Geduld, Mitleiden, Billigkeit gegen Irrende, oder die so von uns verschieden denken; welche Achtung und Liebe gegen unsern eignen so weit und mannichfaltig zum Besten der Menschen wirkenden Beruf; wie viel Selbsterkenntniß und Ermunterung zu allen Tugenden kan dieses Studium wirken, wenn man, durch fleißige Beobachtung dieser Vorgänge in der Kirchengeschichte und ihrer Ursachen und Folgen, sie sich zu einer lehrreichen Schule der Bildung unsers eignen Herzens macht!Durch diese einleuchtende Darstellung der wunderbaren und allezeit herrlichen Wege Gottes sowohl, als durch so viele guten und bösen Beyspiele, und des ganzen Ganges, den das verschiedne Betragen der Menschen genommen hat, kan sie 2) sehr die ganze gute Gesinnung des Religionslehrers bilden. Welche Achtung gegen Wahrheit und Gewissen, welche Zufriedenheit mit Gott bey so mannichfaltigen verschiednen Vorstellungen vom Christenthum, die auf so verschiednen Wegen doch alle zu einem Hauptzweck führen, und bey oft so sehr gegen einander laufenden Mitteln, die doch alle zu Beförderung der Absichten Gottes mitwirken müssen; welche Werthschätzung der |a410| Vernunft, der heiligen Schrift, der eignen Untersuchung, nützlicher Wissenschaften und guter Anstalten; welche Ueberzeugung von dem grossen Umfang von Kenntnissen und Eigenschaften und ihrer Nothwendigkeit, um ganz dem Beruf eines Lehrers der Religion, nach den Bedürfnissen seiner Zeit und seiner Zuhörer, ein Genüge zu thun, und welchen regen Trieb darnach; welche Standhaftigkeit gegen diejenigen, die dieses Gute stören wollen, und welche Geduld, Mitleiden, Billigkeit gegen Irrende, oder die so von uns verschieden denken; welche Achtung und Liebe gegen unsern eignen so weit und mannichfaltig zum Besten der Menschen wirkenden Beruf; wie viel Selbsterkenntniß und Ermunterung zu allen Tugenden kan dieses Studium wirken, wenn man, durch fleißige Beobachtung dieser Vorgänge in der Kirchengeschichte und ihrer Ursachen und Folgen, sie sich zu einer lehrreichen Schule der Bildung unsers eignen Herzens macht!
385.
Wie viel dieses Studium 3) zur Beförderung der wahren Klugheit eines Lehrers der Religion beytrage, können z. B. folgende Bemerkungen lehren. – Der vernachläßigte Unterschied zwischen Christenthum und Theologie bey dem Unterricht des Volks thut unsäglichen Schaden; die einleuchtendsten Beweise davon stellt die Kirchengeschichte fast bey allen (arianischen, nestorianischen, monophysitischen und andern)
|a411| Streitigkeiten auf, an welchen selbst das Volk Theil nahm, und sie zeigt auch, welche Lehren von jeher unter den Christen und unbestritten gewesen, welche hingegen erst nach und nach entstanden, oder nie auf einstimmige Art von allen behauptet worden sind. – Nichts ist dem immer mehrern Wachsthum des Guten in der Kirche nachtheiliger, als die zu hohen Begriffe von gewissen Heiligen, angesehenen Lehrern, Anstalten, und der Untrüglichkeit der Kirche, so wie die Furcht vor der Gefahr, die aus allem, was neu scheint, entsteht; dies verhindert alle weitere und eigne Untersuchung, und giebt selbst Mängeln und Ausschweifungen ein unverletzliches Ansehn. Nichts ist der Erhaltung des wahrhaftig Guten, der Festigkeit der Grundsätze, und der gemeinschaftlichen Liebe gefährlicher, als das unzeitige und unvorsichtige Reformiren; nichts empört so sehr auch gegen gute neue Anstalten und Untersuchungen, als die unterlaßne Schonung, die man dem Gewissen, der Freyheit der Menschen, und nützlichen, wenigstens unschädlichen, Vorurtheilen oder Dingen schuldig ist, an welche ein Theil von Menschen einmal seine Ueberzeugung von wichtigen Wahrheiten, seine Gemüthsruhe, oder seine Andacht und die Ausübung seiner Pflichten geknüpft hat. – Die Einigkeit in Meinungen über Religionssachen, in wie fern, und durch welche Mittel und unter welchen Umständen sie könne hervorgebracht werden, oder nicht, und was aus solchen Versuchen für Folgen entstehn? was kan
|a412| alle diese Fragen besser beantworten, als die Geschichte der Conföderationen, der öffentlichen Religionsgespräche, der Glaubens- und Vereinigungsformeln?
*) was mehr die nöthige Vorsichtigkeit, auch in Einführung und Aendrung bloß äusserlicher Anstalten und der Nebendinge in der Religion, lehren?
**) was aufmerksamer auf Erhaltung der Freyheit, selbst in gleichgültigen Dingen?
***) was billiger in Beurtheilung hartnäckig- oder zu nachigiebig-scheinender Dissentienten?
†) was geneigter in Schätzung jedes Guten in seiner Art
††) machen u. d. gl. als die Geschichte solcher Personen oder Unternehmungen? – Kurz, es giebt keine lehrreichere Schule zur Bildung kluger und bescheidner Lehrer der Religion, als die Kirchengeschichte, und immer haben sich in dieser Absicht diejenigen durch wahre Klugheit, und in dem Maaß ausgezeichnet, welche und in welchem Maaß sie mit Fleiß und unbefangnem Gemüth diese Geschichte studiert hatten.Wie viel dieses Studium 3) zur Beförderung der wahren Klugheit eines Lehrers der Religion beytrage, können z. B. folgende Bemerkungen lehren. – Der vernachläßigte Unterschied zwischen Christenthum und Theologie bey dem Unterricht des Volks thut unsäglichen Schaden; die einleuchtendsten Beweise davon stellt die Kirchengeschichte fast bey allen (arianischen, nestorianischen, monophysitischen und andern)
|a411| Streitigkeiten auf, an welchen selbst das Volk Theil nahm, und sie zeigt auch, welche Lehren von jeher unter den Christen und unbestritten gewesen, welche hingegen erst nach und nach entstanden, oder nie auf einstimmige Art von allen behauptet worden sind. – Nichts ist dem immer mehrern Wachsthum des Guten in der Kirche nachtheiliger, als die zu hohen Begriffe von gewissen Heiligen, angesehenen Lehrern, Anstalten, und der Untrüglichkeit der Kirche, so wie die Furcht vor der Gefahr, die aus allem, was neu scheint, entsteht; dies verhindert alle weitere und eigne Untersuchung, und giebt selbst Mängeln und Ausschweifungen ein unverletzliches Ansehn. Nichts ist der Erhaltung des wahrhaftig Guten, der Festigkeit der Grundsätze, und der gemeinschaftlichen Liebe gefährlicher, als das unzeitige und unvorsichtige Reformiren; nichts empört so sehr auch gegen gute neue Anstalten und Untersuchungen, als die unterlaßne Schonung, die man dem Gewissen, der Freyheit der Menschen, und nützlichen, wenigstens unschädlichen, Vorurtheilen oder Dingen schuldig ist, an welche ein Theil von Menschen einmal seine Ueberzeugung von wichtigen Wahrheiten, seine Gemüthsruhe, oder seine Andacht und die Ausübung seiner Pflichten geknüpft hat. – Die Einigkeit in Meinungen über Religionssachen, in wie fern, und durch welche Mittel und unter welchen Umständen sie könne hervorgebracht werden, oder nicht, und was aus solchen Versuchen für Folgen entstehn? was kan
|a412| alle diese Fragen besser beantworten, als die Geschichte der Conföderationen, der öffentlichen Religionsgespräche, der Glaubens- und Vereinigungsformeln?
*) was mehr die nöthige Vorsichtigkeit, auch in Einführung und Aendrung bloß äusserlicher Anstalten und der Nebendinge in der Religion, lehren?
**) was aufmerksamer auf Erhaltung der Freyheit, selbst in gleichgültigen Dingen?
***) was billiger in Beurtheilung hartnäckig- oder zu nachigiebig-scheinender Dissentienten?
†) was geneigter in Schätzung jedes Guten in seiner Art
††) machen u. d. gl. als die Geschichte solcher Personen oder Unternehmungen? – Kurz, es giebt keine lehrreichere Schule zur Bildung kluger und bescheidner Lehrer der Religion, als die Kirchengeschichte, und immer haben sich in dieser Absicht diejenigen durch wahre Klugheit, und in dem Maaß ausgezeichnet, welche und in welchem Maaß sie mit Fleiß und unbefangnem Gemüth diese Geschichte studiert hatten.
*) Z. B. der Omousianer, Eusebianer und Anomöer; der Vertheidiger und Gegner der chalcedonischen Kirchenversammlung; der Streitigkeiten über den Origenes und über die drey Kapitel u. d. gl. – der Religionsgespräche zwischen Katholiken und Protestanten, und der letztern unter einander; der wittenbergischen Concordie, der kryptocalvinistischen Händel, des sendomirischen Vereins, der Concordienformel, der jansenistischen Streitigkeiten etc.
**) Geschichte der Feyer des Pascha unter den ersten Christen, des Τριςαγιον, der Streitigkeiten |a413| über Verehrung der Bilder, über den Gebrauch des gesäuerten und ungesäuerten Brodts im heiligen Abendmahl u. d. gl.
***) S. die Geschichte der päbstlichen Obergewalt, z. B. der eingeführten Krönung der römischen Kaiser von den Päbsten, der falschen Decretalien, der Eingriffe der Päbste in die bischöfliche Rechte, der Immunitäten und Privilegien der Bettelorden, des Benehmens der Päbste und der Concilien zu Costnitz und Basel gegen die Hußiten, wie des zu Trident gegen die Protestanten, der Künste der Jesuiten, diese zu überlisten oder zu unterdrücken, und evangelische Landesherren zu Proselyten zu machen, u. s. w.
†) Geschichte der pelagianischen Streitigkeiten und der aus dem Interim entstandenen Händel.
††) Geschichte der bey allen Mängeln, Fehlern, und Irrthümern sehr mächtig und heilsam auf Verbesserung der Kirche wirkenden Priscillianisten, Paulicianer, Henrichianer, Waldenser, böhmischen Brüder, und sogenannten Pietisten. Vergleichung zwischen Luther, Melanchthon und Erasmus. Vergleichung der sich einander balanzirenden Gewalt der Päbste und Geistlichkeit auf einer, und der Landesherren und des befehdenden Adels, auch zum Theil der Bischöfe, auf der andern Seite.
386.
Es ist vor sich klar, daß dieser so grosse Nutzen der christlichen Kirchengeschichte nur alsdenn erreicht werden könne, wenn sie die §.
225 |a414|–
228 erwehnten Eigenschaften hat, und wenn man sie so studiert, daß man beständig diese vor Augen hat, und mit möglichstem Fleisse sie zu erreichen sucht. Dadurch fällt der einfältige Vorwurf von selbst weg, daß sie ein blosses Gedächtnißwerk, mit unnützen und unfruchtbaren Kleinigkeiten (wie wohl jede andre Wissenschaft) überhäuft, und zur Zubereitung eines künftigen Lehrers der Religion sehr entbehrlich sey. Eine flüchtige und oberflächige Bekanntschaft mit derselben ist so viel wie gar keine, und schwerlich giebts irgend eine Art von akademischen Vorlesungen für einen künftigen Theologen, die er, wenn er Gelegenheit hätte, sie ausführlich und auf die angezeigte Art zu hören, weniger versäumen, und öftrer hören sollte, als solche historische. Denn
zuerst ist den meisten darin alles ganz neu und fremd; vieles unverständlich, weil so manche andre Kenntnisse dabey vorausgesetzt, oder mit beygebracht werden müssen, die schlechterdings sich in der Kürze nicht abfertigen lassen, sondern umständliche Auseinandersetzung erfordern; und Vieles muß, wenn dem Zuhörer fast alles noch unbekannt ist, seiner Aufmerksamkeit entwischen.
Hiernächst kan er kaum den Abgang dieser versäumten Gelegenheit durch eignen Fleiß ersetzen, weil es ein gar zu weitläufiges Studium ist, das sehr viele Hülfsmittel erfordert, die selten jemand haben kan, so wenig wie hernach Geduld und Musse genug, um in seinem künftigen Beruf dieses nachzuholen; zumahl da es so sehr an guten Handbüchern fehlt,
|a415| woraus man sich selbst helfen könnte. Denn alle diese sind
entweder viel zu unvollständig,
oder sehr unzuverläßig, selten aus den rechten Quellen geschöpft, und gar nicht so bearbeitet, daß sie sich durch die vorhin gedachten Eigenschaften empfählen;
oder sie enthalten trefliche Materialien, die aber nicht genug geordnet, nicht lehrreich und überzeugend genug zusammengestellet sind, und für den Anfänger noch zu viel Dunkles und Unerläutertes enthalten;
oder sie sind – und das trift selbst die besten Handbücher, – nicht vollendet, nicht auf die neuesten Zeiten fortgeführt. Ausführlichere Werke aber sind zu kostbar, und keines faßt den ganzen Umfang der Kirchengeschichte in sich.Es ist vor sich klar, daß dieser so grosse Nutzen der christlichen Kirchengeschichte nur alsdenn erreicht werden könne, wenn sie die §.
225 |a414|–
228 erwehnten Eigenschaften hat, und wenn man sie so studiert, daß man beständig diese vor Augen hat, und mit möglichstem Fleisse sie zu erreichen sucht. Dadurch fällt der einfältige Vorwurf von selbst weg, daß sie ein blosses Gedächtnißwerk, mit unnützen und unfruchtbaren Kleinigkeiten (wie wohl jede andre Wissenschaft) überhäuft, und zur Zubereitung eines künftigen Lehrers der Religion sehr entbehrlich sey. Eine flüchtige und oberflächige Bekanntschaft mit derselben ist so viel wie gar keine, und schwerlich giebts irgend eine Art von akademischen Vorlesungen für einen künftigen Theologen, die er, wenn er Gelegenheit hätte, sie ausführlich und auf die angezeigte Art zu hören, weniger versäumen, und öftrer hören sollte, als solche historische. Denn
zuerst ist den meisten darin alles ganz neu und fremd; vieles unverständlich, weil so manche andre Kenntnisse dabey vorausgesetzt, oder mit beygebracht werden müssen, die schlechterdings sich in der Kürze nicht abfertigen lassen, sondern umständliche Auseinandersetzung erfordern; und Vieles muß, wenn dem Zuhörer fast alles noch unbekannt ist, seiner Aufmerksamkeit entwischen.
Hiernächst kan er kaum den Abgang dieser versäumten Gelegenheit durch eignen Fleiß ersetzen, weil es ein gar zu weitläufiges Studium ist, das sehr viele Hülfsmittel erfordert, die selten jemand haben kan, so wenig wie hernach Geduld und Musse genug, um in seinem künftigen Beruf dieses nachzuholen; zumahl da es so sehr an guten Handbüchern fehlt,
|a415| woraus man sich selbst helfen könnte. Denn alle diese sind
entweder viel zu unvollständig,
oder sehr unzuverläßig, selten aus den rechten Quellen geschöpft, und gar nicht so bearbeitet, daß sie sich durch die vorhin gedachten Eigenschaften empfählen;
oder sie enthalten trefliche Materialien, die aber nicht genug geordnet, nicht lehrreich und überzeugend genug zusammengestellet sind, und für den Anfänger noch zu viel Dunkles und Unerläutertes enthalten;
oder sie sind – und das trift selbst die besten Handbücher, – nicht vollendet, nicht auf die neuesten Zeiten fortgeführt. Ausführlichere Werke aber sind zu kostbar, und keines faßt den ganzen Umfang der Kirchengeschichte in sich.
Wahr ists, der akademische Unterricht darüber bleibt immer noch kurz genug, und wer sich selbst mit eignem Fleiß auf dieses Studium legen, und aus den Quellen schöpfen will, kan es freylich darin weiter bringen, und diese Geschichte noch überzeugender lernen. Aber wer darum dergleichen Vorlesungen nicht auf Universitäten hören wollte, der würde nicht überlegen, daß, nach diesem Grundsatz, überall der akademische Unterricht auch in andern Wissenschaften entbehrlich wäre; daß es doch besser sey, wenigstens das Nothdürftigste von einer solchen nützlichen Wissenschaft, als gar nichts davon zu lernen; daß ein solcher Unterricht eine gute Grundlage für das künftige eigne Studieren sey; und daß man doch schon viel gewonnen habe, wenn man auch nur auf dasjenige aufmerksam gemacht wird, worauf man bey diesem Studium hauptsächlich sehen muß, und wenn man dem Lehrer die wahre |a416| Art ablernete, wie die Kirchengeschichte studieret werden müsse.
387.
Gemeiniglich stellt sich der Anfänger die Schwierigkeiten bey diesem Studium grösser und unüberwindlicher vor, als sie sind, nicht nur wegen der Menge und Mannichfaltigkeit der Sachen, sondern auch weil man sich in der Geschichte und in allen Wissenschaften, wo nicht der Verstand das Meiste thun muß, weniger selbst helfen kan, sondern von Andern lernen muß; weil fast alles in dieser Geschichte dem Anfänger ganz fremd ist, und weil wenige Arten von den einem Studierenden nöthigen Kenntnissen so sehr auf Schulen versäumt werden, als die Kenntniß der Geschichte. Indessen lassen sie sich durch die Beobachtung folgender Vorschläge gar wohl überwinden, die zugleich auch zeigen, wie man dergleichen Vorlesungen über die Kirchengeschichte mit den meisten Nutzen hören könne.Gemeiniglich stellt sich der Anfänger die Schwierigkeiten bey diesem Studium grösser und unüberwindlicher vor, als sie sind, nicht nur wegen der Menge und Mannichfaltigkeit der Sachen, sondern auch weil man sich in der Geschichte und in allen Wissenschaften, wo nicht der Verstand das Meiste thun muß, weniger selbst helfen kan, sondern von Andern lernen muß; weil fast alles in dieser Geschichte dem Anfänger ganz fremd ist, und weil wenige Arten von den einem Studierenden nöthigen Kenntnissen so sehr auf Schulen versäumt werden, als die Kenntniß der Geschichte. Indessen lassen sie sich durch die Beobachtung folgender Vorschläge gar wohl überwinden, die zugleich auch zeigen, wie man dergleichen Vorlesungen über die Kirchengeschichte mit den meisten Nutzen hören könne.
388.
Weil Wahrheit die Seele der Geschichte, Zuverläßigkeit der Erzählung der Grund aller andern aus der Geschichte zu ziehenden Vortheile ist, und der Anfänger sich hier vornehmlich muß auf die Kenntniß, Genauigkeit und Deutlichkeit des Docenten sowohl, als auf seine gute Wahl des Nützlichsten, und auf die lehrreichste Behandlung der Geschichte von ihm, verlassen können: so |a401[!]| müßte man 1) vor allen Dingen, wenn man die Wahl unter mehrern Docenten haben kan, in dieser Wahl sehr vorsichtig seyn, und sie nach dem beurtheilen, was unten darüber gesagt werden soll. Man müßte 2) nie Kirchengeschichte studieren wollen, ehe man sich nicht die Universalgeschichte seit Christi Geburt, und 3) die ältere und neuere Geographie wenigstens nothdürftig, und so weit bekannt gemacht hätte, daß man sich mit Hülfe guter Landcharten in vorkommenden Fällen helfen könnte; weil man sich ohne beyderley Vorerkenntnisse gar nicht zurecht finden kan.Weil Wahrheit die Seele der Geschichte, Zuverläßigkeit der Erzählung der Grund aller andern aus der Geschichte zu ziehenden Vortheile ist, und der Anfänger sich hier vornehmlich muß auf die Kenntniß, Genauigkeit und Deutlichkeit des Docenten sowohl, als auf seine gute Wahl des Nützlichsten, und auf die lehrreichste Behandlung der Geschichte von ihm, verlassen können: so |a401[!]| müßte man 1) vor allen Dingen, wenn man die Wahl unter mehrern Docenten haben kan, in dieser Wahl sehr vorsichtig seyn, und sie nach dem beurtheilen, was unten darüber gesagt werden soll. Man müßte 2) nie Kirchengeschichte studieren wollen, ehe man sich nicht die Universalgeschichte seit Christi Geburt, und 3) die ältere und neuere Geographie wenigstens nothdürftig, und so weit bekannt gemacht hätte, daß man sich mit Hülfe guter Landcharten in vorkommenden Fällen helfen könnte; weil man sich ohne beyderley Vorerkenntnisse gar nicht zurecht finden kan.
Es wäre sehr zu wünschen, daß man einige recht gute allgemeine Landcharten bekäme, die ganz eigentlich für die Kirchengeschichte wären, und die verschiednen Diöcesen in den christlichen Ländern zu verschiednen Zeiten vorstellten, ohngefähr so, wie die christlichen Patriarchate von
d'Anville in
le Quien Oriens Christianus, und die afrikanische Diöces von
de l'Isle vor
Du Pin Ausgabe des Optatus Milev. woran es jetzt noch eben so, wie an einem guten Handbuch der Kirchengeographie fehlt.
Friedrich Spanheims Geographia sacra et ecclesiastica ist fast das einzige Handbuch, das man ziemlich leicht haben kan, und doch sind nur erst in der Ausgabe im ersten Tomo seiner Werke Landcharten beygefügt, die nicht viel besser sind als die in
Caroli a S. Paulo Geographia S., auch gehen beyderley Werke und Charten nur die ältere Kirchengeographie an. Die oben (§.
234 Anm.) angezeigten d'anvillischen Charten und übrige Hülfsmittel bleiben doch überhaupt, auch bey der Kirchengeschichte, unentbehrlich.
|a402[!]| 389.
Dem Gedächtniß, wegen der vielen Namen und Jahrzahlen, zu Hülfe zu kommen, sich überall mehr zu orientiren, und immer einen Faden zu haben, woran man die Kenntnisse reihe, die man in der Kirchengeschichte erlangt , müßte man sich 4) an ein gutes Handbuch gewöhnen, worin, nebst einer verhältnißmäßigen allgemeinen Vollständigkeit, eine gleichförmige Ordnung herrscht
†) , 5) sich gewisse Epochen und Hauptbegebenheiten genau und fest mit ihren Umständen eindrücken
††) , und 6) sich entweder selbst synchronistische Tabellen machen, oder dergleichen immer vor Augen haben
†††) ; überall aber 7) nicht bloß das Gedächtniß beschäftigen, sondern stets auf eine solche Kenntniß der Kirchengeschichte bedacht seyn, welche die oben gedachten Eigenschaften hat. (§.
225 –
28. )Dem Gedächtniß, wegen der vielen Namen und Jahrzahlen, zu Hülfe zu kommen, sich überall mehr zu orientiren, und immer einen Faden zu haben, woran man die Kenntnisse reihe, die man in der Kirchengeschichte erlangt , müßte man sich 4) an ein gutes Handbuch gewöhnen, worin, nebst einer verhältnißmäßigen allgemeinen Vollständigkeit, eine gleichförmige Ordnung herrscht
†) , 5) sich gewisse Epochen und Hauptbegebenheiten genau und fest mit ihren Umständen eindrücken
††) , und 6) sich entweder selbst synchronistische Tabellen machen, oder dergleichen immer vor Augen haben
†††) ; überall aber 7) nicht bloß das Gedächtniß beschäftigen, sondern stets auf eine solche Kenntniß der Kirchengeschichte bedacht seyn, welche die oben gedachten Eigenschaften hat. (§.
225 –
28. )
†) In dieser Absicht scheint die Methode, die Kirchengeschichte nach den Jahrhunderten abzuhandeln, und bey jedem alles unter einerley Hauptrubriken zu bringen, so manche Unvollkommenheit sie auch sonst mit sich führt, für den Anfänger die zuträglichste zu seyn; zumahl da er sich bey längern Perioden zu leicht aus einer Zeit in die andre verirrt, und den Synchronismus aus den Augen verliert, auch einmal das Rechnen nach Jahrhunderten üblich ist, und die synchronistischen Tabellen darnach eingerichtet sind. Mosheims Institutiones Hist. Eccles. verdienen deswegen, bey allen etwanigen Mängeln, noch immer Empfehlung, selbst auch mit darum, weil der Anfänger an zwey |a403[!]| vermehrten Uebersetzungen einen kleinen Commentar über das Buch haben kan.
††) Hierin sowohl als in der pragmatischen Behandlung hat der
spittlerische Grundriß der Geschichte der christlichen Kirche (2te Aufl. Götting. 1785. 8.) entschiedene Vorzüge, zumahl wenn er etwas mehr mit Begebenheiten und Literatur bereichert, auch der Gesichtspunct, so wie bey der Geschichte der Hierarchie, eben so in andern merkwürdigen Rücksichten erweitert würde. Wer sich gewisse Hauptvorfälle mit ihren Umständen bemerkt, kan dadurch leicht, vermittelst der Association, auch andre Merkwürdigkeiten an ihren Ort stellen, wie z. B. wenn man einmal die Geschichte der 2ten ökumenischen Kirchenversammlung sich eingedrückt hat, den arianischen, macedonianischen
, apollinarischen Händeln, dem
Ursprung des constantinopolitanischen Patriarchats, der Regierung Theodosii des Grossen, dem Gregorius Nazianz. und somit mehrern Andern, ihr Platz angewiesen wird.
†††) Wenn man dergleichen nicht schon bey dem gewählten Handbuch hat, ist für den Anfänger der seilerische kurze Inbegrif der Kirchengeschichte des N. T. in Tabellen, nach der dritten Ausgabe (Erlangen 1777. 4.) sehr brauchbar.
390.
Wenn man sich auf die gedachte Art entweder durch gute Vorlesungen, oder durch den Gebrauch eines guten Handbuchs der Kirchengeschichte eine allgemeinere Kenntniß derselben erworben hätte, und man wollte dieses Studium, wegen seines grossen Nutzens, weiter fortsetzen
†) ,
|a404[!]| und sie selbst untersuchen: so würden, in Beziehung auf die oben §.
225 f. angegebnen nothwendigen Eigenschaften einer wahren und nützlichen Geschichtskunde, folgende Regeln nie müssen ausser Acht gelassen werden. 1) Weil bey Geschichte alles auf Nachrichten und Zeugnisse ankommt, und es, bey der ungeheuren Menge von Nachrichten, die oft in Denkmalen und Schriften, wo man sie gar nicht sucht, nur beyläufig vorkommen, unmöglich ist, daß auch der fleißigste Mann alles wissen kan, was hier einiges Licht ausbreiten möchte: so muß man sich vor allen Dingen sowohl um die Quellen aller Art, als um die, welche sie schon benutzt, und darnach irgend einen Theil der Kirchengeschichte untersucht haben, bekümmern.Wenn man sich auf die gedachte Art entweder durch gute Vorlesungen, oder durch den Gebrauch eines guten Handbuchs der Kirchengeschichte eine allgemeinere Kenntniß derselben erworben hätte, und man wollte dieses Studium, wegen seines grossen Nutzens, weiter fortsetzen
†) ,
|a404[!]| und sie selbst untersuchen: so würden, in Beziehung auf die oben §.
225 f. angegebnen nothwendigen Eigenschaften einer wahren und nützlichen Geschichtskunde, folgende Regeln nie müssen ausser Acht gelassen werden. 1) Weil bey Geschichte alles auf Nachrichten und Zeugnisse ankommt, und es, bey der ungeheuren Menge von Nachrichten, die oft in Denkmalen und Schriften, wo man sie gar nicht sucht, nur beyläufig vorkommen, unmöglich ist, daß auch der fleißigste Mann alles wissen kan, was hier einiges Licht ausbreiten möchte: so muß man sich vor allen Dingen sowohl um die Quellen aller Art, als um die, welche sie schon benutzt, und darnach irgend einen Theil der Kirchengeschichte untersucht haben, bekümmern.
Anm. 1. †) Es wäre allerdings sehr gut, vor der eignen Untersuchung, ein oder anderes grösseres Werk über diese Geschichte zu studieren[.] Man würde dadurch nicht nur jene erste Grundlage, sondern auch die verschiednen Gesichtspuncte erweitern, aus der man die zur Kirchengeschichte gehörigen Sachen ansehen kan. Denn die Verfasser der Handbücher schränken sich gemeiniglich nur auf gewisse Gesichtspuncte, und oft zu sehr, ein, z. B. auf Geschichte der Kirche, ohne eben so genau der Geschichte der Lehre nachzuforschen, auf Geschichte der Hierarchie, ohne die Geschichte der religiösen Cultur, und der sie befördernden Mittel u. d. gl. eben so fleißig darzustellen. Jeder läßt bey der nothwendigen Kürze und in Rücksicht auf seine Leser oder Zuhörer vieles Nützliche weg, der Theologe z. B. die Geschichte der Kirchengesetze, der Protestant Manches, was ihn weniger als den |a405[!]| Katholiken intereßirt, und das doch auch für ihn in mancher Absicht sehr nothwendig werden kan. – Aber noch kenne ich kein ausführlicheres und mit gehöriger Kenntniß der Quellen und Untersuchungsgeist geschriebenes Werk, das vollständig wäre, und die Kirchengeschichte aller Jahrhunderte umfaßte. Sonst würde ich, obgleich in verschiedner Rücksicht, für den, der weiter gehen will, die bossuet-cramerische Einleitung, die semlerischen selecta Capita, Versuch eines fruchtbaren Auszugs der Kirchengeschichte, und Versuch christlicher Jahrbücher (Halle 1785 und 86 in 2 Theilen in gr. 8.), nebst der schröckhischen christl. Kirchengeschichte, hernach die Hist. Ecclesiastique par Fleury, und Natalis Alexandri Hist. Ecclesiast. (S. die Anweisung zur Bücherk. §. 329. 330. und 333), vor allen andern empfehlen. Da sie inzwischen nicht bis auf die neueste Zeiten gehen, so müßte man diesen Abgang durch einige in der Anweisung §. 501, 336 und 337 genannte Bücher ersetzen.
Anm. 2. Nirgends ist Literargeschichte (§.
247 ) und die Sammlung brauchbarer Excerpte unentbehrlicher, als beym Studium der Geschichte. Die Bücher, welche ganz eigentlich für die Kirchengeschichte und zu deren Aufklärung sind, allgemeinere und besondre, kan man in der Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie Theil 1. Abschn. 3. und in den daselbst §. 289 angezeigten Werken finden. Andre, die kleine Theile der Kirchengeschichte oder einzle Umstände betreffen, muß man sich aus denenjenigen bekannt machen, welche diese mit Zeugnissen belegt, oder in ihren Schriften über besondre Gegenstände die gebrauchten Quellen angegeben haben. Es giebt auch Bücher, wo man die wichtigsten Quellen und Schriften über die besondersten Umstände angezeigt
|a406[!]| findet, z. B. in dem Catalog. Biblioth. Bunavianae Tom. I. Vol. 2. lib. VI. c. 1. die, welche von einzeln berühmten Schriftstellern Tom. III. Vol. I. p. 597 seq. die, so von einzeln Heiligen und Märtyrern geschrieben haben. Wenn man über die Kirchengeschichte dergleichen, aber ein noch viel mehr erweitertes Buch hätte, wie
Hambergers Directorium historicum - - post Marq. Freherum et iteratas Jo. Dav. Koeleri curas (Göttingen 1772. 4.) ist: so würde dem, der die Quellen der besondern Kirchengeschichte will kennen lernen, viele Mühe und Zeit, nebst dem Abgang vieler wichtiger Quellen, ersparet werden.
391.
Weil aber angebliche Quellen diesen Namen nicht immer verdienen, und nicht aus
der Zeit, noch von
den Verfassern sind, welchen sie zugeschrieben werden: so muß man 2), ehe man sie braucht, von ihrer Aechtheit überzeugt seyn, oder wissen, wie fern sie Quellen seyn können. Diese Kritik ist vielleicht nirgends nöthiger, als bey diesen Quellen der Kirchengeschichte, weil bey der früh entstandnen Einbildung von Rechtmäßigkeit des sogenannten frommen Betrugs, bey der so bald unter Christen eingerissenen Gewohnheit, nach menschlichem Ansehn und Tradition Wahrheit und Pflicht zu bestimmen, und dem daher entstandenen Interesse, die Aechtheit gewisser berühmten Denkmahle zu behaupten
, endlich bey dem bis gegen die Zeiten der
Reformation fast gänzlichen Mangel der hiebey gebrauchten Kritik und den blinden Glauben an, zumahl herrschende, Sagen, so viele un
|a407[!]|ächte Schriften und Denkmahle einen sehr unverdienten Credit erlangt haben.Weil aber angebliche Quellen diesen Namen nicht immer verdienen, und nicht aus
der Zeit, noch von
den Verfassern sind, welchen sie zugeschrieben werden: so muß man 2), ehe man sie braucht, von ihrer Aechtheit überzeugt seyn, oder wissen, wie fern sie Quellen seyn können. Diese Kritik ist vielleicht nirgends nöthiger, als bey diesen Quellen der Kirchengeschichte, weil bey der früh entstandnen Einbildung von Rechtmäßigkeit des sogenannten frommen Betrugs, bey der so bald unter Christen eingerissenen Gewohnheit, nach menschlichem Ansehn und Tradition Wahrheit und Pflicht zu bestimmen, und dem daher entstandenen Interesse, die Aechtheit gewisser berühmten Denkmahle zu behaupten
, endlich bey dem bis gegen die Zeiten der
Reformation fast gänzlichen Mangel der hiebey gebrauchten Kritik und den blinden Glauben an, zumahl herrschende, Sagen, so viele un
|a407[!]|ächte Schriften und Denkmahle einen sehr unverdienten Credit erlangt haben.
Anm. 1. Da so viel darauf ankommt, den Werth der Quellen recht zu würdigen: so ist zur Kenntniß derselben und ihrer rechten Beurtheilung überhaupt, C. W. F. Walchs critische Nachricht von den Quellen der Kirchenhistorie, Leipz. 1770 in gr. 8. ein unentbehrliches Buch. Wie sehr wäre zu wünschen, daß man in Absicht auf die ganze Kirchengeschichte ein solch Werk hätte, wie der semlerische Versuch, den Gebrauch der Quellen in der Staats- und Kirchengeschichte zu erleichtern, Halle 1761. 8, in Absicht auf einen kleinen Theil der mitlern Geschichte ist. Mehrere in der Anweisung etc. §. 409 genennte Schriftsteller und ausser diesen, in Rücksicht auf einzle Schriften, manche Herausgeber der Schriften der Kirchenväter und alter Denkmahle, sonderlich die Benedictiner von der Congregation des heil. Maurus, Jac. Sirmond, Joh. Launoi, Joh. Daillé, Anton Pagi, Tillemont, J. S. Semler, C. T. Spittler, und einige wenige Andre, haben auch hierin um die Kirchengeschichte sehr grosse Verdienste.
Anm. 2. Wie man hiebey nicht auf die blossen Urtheile, sondern auf die Gründe sehen muß, womit man jene unterstützt hat, denn der Zweifel geht sehr oft, nicht minder wie der blinde Glaube, über die Gränzen: so ist deswegen ein Denkmahl nicht gleich unbrauchbar, wenn es gleich fälschlich in eine gewisse Zeit gesetzt oder einen Verfasser beygelegt worden ist; es kan, wie viele unächte Schriften, doch in der Zeit, wohin es wirklich gehört, und deren Spur es trägt, grosses Licht geben, und unter vielem Unächten, doch schätzbare historische |a408[!]| Fragmente enthalten, wie die sogenannten Apocrypha N. T., die ignatianischen Briefe, Canones und Constitut. Apostolicae, Recognitiones Clementis, viele unächte Schriften vom Chrysostomus, Ambrosius, Augustinus u. a. wenn man nur ihren Ursprung und ihr Alter ausfündig machen kan.
392.
Eben diese Kritik müßte 3) bey einzlen Stellen und deren Lesearten angewendet werden, wo, nach den Quellen, die zur richtigen Darstellung eines Textes dienen, oder nach andern wahrscheinlichen Spuren, Verdacht des Unächten entstehen kan, auch hernach 4) bey Bestimmung des richtigen Sinnes, wozu die Kenntniß des, besonders kirchlichen, Sprachgebrauchs, der in verschiedenen Gegenden und Zeiten sehr verschieden ist, unumgänglich erfordert wird, zumahl da er, durch Vernachläßigung dieses Unterschieds, durch Unwissenheit und Vorurtheile, die durch Interesse geleitet wurden, sehr verdunkelt worden ist.Eben diese Kritik müßte 3) bey einzlen Stellen und deren Lesearten angewendet werden, wo, nach den Quellen, die zur richtigen Darstellung eines Textes dienen, oder nach andern wahrscheinlichen Spuren, Verdacht des Unächten entstehen kan, auch hernach 4) bey Bestimmung des richtigen Sinnes, wozu die Kenntniß des, besonders kirchlichen, Sprachgebrauchs, der in verschiedenen Gegenden und Zeiten sehr verschieden ist, unumgänglich erfordert wird, zumahl da er, durch Vernachläßigung dieses Unterschieds, durch Unwissenheit und Vorurtheile, die durch Interesse geleitet wurden, sehr verdunkelt worden ist.
Bey der dritten Regel s. die §.
90. erwehnten Schriftsteller, und wegen der vierten die, welche in der
Anweisung zur Bücherkenntniß §. 410 genannt worden sind.
Casaubons, Salmasii, Blondels und einiger Andern Schriften, unter den Neuern
J. A. Ernesti Antimuratorius,
C. F. Rößlers Bibliothek der Kirchenväter etc. enthalten sehr schätzbare Aufklärungen über diesen Sprachgebrauch.
|a409[!]| 393.
Wenn man von dem wahren Sinn in einer ächten Stelle eines solchen Denkmahls oder Schriftstellers überzeugt ist, bleibt noch 5) die Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugnisses übrig. Es ist hier der Ort nicht, zu zeigen, wie diese Prüfung, und nach welchen Regeln, sie anzustellen sey
†) ; aber Vorsichtigkeit kan bey dieser Geschichte, die durch Unwissenheit, Partheygeist und Hang zum Ausserordentlichen so sehr verdorben ist, nicht genug empfohlen, der angehende Geschichtschreiber nicht oft genug erinnert werden, eher nicht zu urtheilen, als bis und so weit er sich das Zeugniß geben kan, eben die Eigenschaften bey dieser Prüfung mitzubringen, die bey dem Zeugen seyn müssen, den man prüfen soll, nehmlich in Absicht auf die Eigenschaften unsrer
Erkenntniß, hinlängliche Bekanntschaft mit der Geographie, Chronologie, der bürgerlichen und Völker- der Literar- auch der übrigen gleichzeitigen Kirchengeschichte, Philosophie, Kritik und genaue Sprachkenntniß, alles dieses verbunden mit gesundem Verstande, treuem Gedächtniß, feiner Menschen- und Weltkenntniß, scharfsinnigem Beobachtungsgeist und Fähigkeit, selbst kleine Umstände, nach den Spuren, die uns die Geschichte weiset, geschickt zu verbinden; und in Absicht auf den
guten Willen,
theils strenge Unpartheylichkeit, die sich weder durch Liebe gegen das, wofür wir eingenommen sind, es sey Religion, oder Parthey,
|a410[!]| oder eigne Entdeckung und Einfall, es sey Neues, das wir sagen, oder Altes, was wir vertheidigen wollen, noch durch Abneigung von Personen, Gesellschaften oder Sachen, verführen läßt,
theils unermüdeten Fleiß, dem selbst anscheinende Kleinigkeiten nicht zu gering sind, weil und wenn sie auf die Spur der so oft versteckten Wahrheit leiten können.
††) Wenn man von dem wahren Sinn in einer ächten Stelle eines solchen Denkmahls oder Schriftstellers überzeugt ist, bleibt noch 5) die Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugnisses übrig. Es ist hier der Ort nicht, zu zeigen, wie diese Prüfung, und nach welchen Regeln, sie anzustellen sey
†) ; aber Vorsichtigkeit kan bey dieser Geschichte, die durch Unwissenheit, Partheygeist und Hang zum Ausserordentlichen so sehr verdorben ist, nicht genug empfohlen, der angehende Geschichtschreiber nicht oft genug erinnert werden, eher nicht zu urtheilen, als bis und so weit er sich das Zeugniß geben kan, eben die Eigenschaften bey dieser Prüfung mitzubringen, die bey dem Zeugen seyn müssen, den man prüfen soll, nehmlich in Absicht auf die Eigenschaften unsrer
Erkenntniß, hinlängliche Bekanntschaft mit der Geographie, Chronologie, der bürgerlichen und Völker- der Literar- auch der übrigen gleichzeitigen Kirchengeschichte, Philosophie, Kritik und genaue Sprachkenntniß, alles dieses verbunden mit gesundem Verstande, treuem Gedächtniß, feiner Menschen- und Weltkenntniß, scharfsinnigem Beobachtungsgeist und Fähigkeit, selbst kleine Umstände, nach den Spuren, die uns die Geschichte weiset, geschickt zu verbinden; und in Absicht auf den
guten Willen,
theils strenge Unpartheylichkeit, die sich weder durch Liebe gegen das, wofür wir eingenommen sind, es sey Religion, oder Parthey,
|a410[!]| oder eigne Entdeckung und Einfall, es sey Neues, das wir sagen, oder Altes, was wir vertheidigen wollen, noch durch Abneigung von Personen, Gesellschaften oder Sachen, verführen läßt,
theils unermüdeten Fleiß, dem selbst anscheinende Kleinigkeiten nicht zu gering sind, weil und wenn sie auf die Spur der so oft versteckten Wahrheit leiten können.
††)
†) S. J. A. Ernesti vortrefliche Bemerkungen und Regeln in der Diss. de fide historica recte aestimanda in den Opuscul. phil. crit. p. 64 seqq.
††) Kein bescheidner Mann, und wer irgend die Menschen kennt, wird sich oder andre für ganz frey von allen Leidenschaften halten. Aber Beyspiele von einzlen hier erwehnten Eigenschaften, auch mehrere zusammen, wird man doch vorzüglich in Ant. Pagi Critica in Annal. Baronii, in einigen mosheimischen Werken über die Kirchengeschichte, in Beausobre Hist. crit. du Manicheisme, in den semlerischen hieher gehörigen Schriften, in C. W. F. Walchs Entwurf einer vollständigen Historie der Ketzereyen, in der plankischen Geschichte des protestantischen Lehrbegriffs und in einigen wenigen Andern finden.
394.
Der grosse Einfluß, den die einzlen Theile der Geschichte, und besonders der Kirchengeschichte, auf einander haben, macht es uns 6) besonders zur Pflicht, so sehr wir unsre Ursachen haben können, und so sehr uns der ungemein grosse |a411[!]| Umfang der Geschichte nöthigen kan, uns auf die Untersuchung gewisser Theile einzuschränken, – keinen gering zu achten, oder ganz zu vernachläßigen. Die geringfügigsten Umstände haben oft die grössesten Revolutionen hervorgebracht; oft ist nicht die Sache, aber die Art wichtig, wie man sich dabey benommen hat; und oft findet sich über die Ursachen merkwürdiger Veränderungen in gewissen Theilen der Geschichte allein oder mehr Aufschluß als in dem, welchen man bearbeitet.Der grosse Einfluß, den die einzlen Theile der Geschichte, und besonders der Kirchengeschichte, auf einander haben, macht es uns 6) besonders zur Pflicht, so sehr wir unsre Ursachen haben können, und so sehr uns der ungemein grosse |a411[!]| Umfang der Geschichte nöthigen kan, uns auf die Untersuchung gewisser Theile einzuschränken, – keinen gering zu achten, oder ganz zu vernachläßigen. Die geringfügigsten Umstände haben oft die grössesten Revolutionen hervorgebracht; oft ist nicht die Sache, aber die Art wichtig, wie man sich dabey benommen hat; und oft findet sich über die Ursachen merkwürdiger Veränderungen in gewissen Theilen der Geschichte allein oder mehr Aufschluß als in dem, welchen man bearbeitet.
Die Geschichte der sogenannten drey Capitel, der Zänkereyen der Patriarchen unter einander, der nestorianischen besonders, und der monophysitischen Händel, des Bilderstreits, des Einflusses der Höfe, und wiederum einzler Personen auf diese, bey solchen Streitigkeiten, auch verschiedner merkwürdigen sonderlich Bettelorden, kan das zur Genüge lehren.
395.
Die Wahrheit einer bezeugten Begebenheit ist nicht bloß nach Zeugnissen, sie ist auch nach der Natur der Sache und nach dem ganzen Umfang ihrer Umstände zu beurtheilen, und wenn die Nachrichten über diese von einander abweichen, oder einander widersprechen: so müssen sie mit einander verglichen, und in den wahrscheinlichsten Zusammenhang gebracht werden. Deswegen ists 7) nicht genug, viele Thatsachen zu sammlen, man muß alle Umstände derselben zusammennehmen, sie ordnen, sehen, was
|a412[!]| bey der Vergleichung übrig bleibt. Dies giebt der Geschichte und unsren Begriffen davon mehr Deutlichkeit, und verhütet zugleich, daß man die Thatsachen nicht gleich verwirft, weil man sie verschieden oder widersprechend angegeben findet, nicht einen Zusammenhang oder Vorfälle und Absichten erdichtet, die nie gewesen sind, und dadurch die Wahrheit der Geschichte verdirbt, indem man sie reinigen oder unterhaltend machen will. Wiefern man sich hier Vermuthungen erlauben dürfe, ist schon §.
225 gesagt worden.Die Wahrheit einer bezeugten Begebenheit ist nicht bloß nach Zeugnissen, sie ist auch nach der Natur der Sache und nach dem ganzen Umfang ihrer Umstände zu beurtheilen, und wenn die Nachrichten über diese von einander abweichen, oder einander widersprechen: so müssen sie mit einander verglichen, und in den wahrscheinlichsten Zusammenhang gebracht werden. Deswegen ists 7) nicht genug, viele Thatsachen zu sammlen, man muß alle Umstände derselben zusammennehmen, sie ordnen, sehen, was
|a412[!]| bey der Vergleichung übrig bleibt. Dies giebt der Geschichte und unsren Begriffen davon mehr Deutlichkeit, und verhütet zugleich, daß man die Thatsachen nicht gleich verwirft, weil man sie verschieden oder widersprechend angegeben findet, nicht einen Zusammenhang oder Vorfälle und Absichten erdichtet, die nie gewesen sind, und dadurch die Wahrheit der Geschichte verdirbt, indem man sie reinigen oder unterhaltend machen will. Wiefern man sich hier Vermuthungen erlauben dürfe, ist schon §.
225 gesagt worden.
396.
Dies giebt auch 8) den Stoff zum wahren Pragmatischen, ohne welches die Geschichte bloß ein Gegenstand der Neugier und ein Spiel der Einbildungskraft, wenigstens nicht nutzbar zur Bildung des Herzens, wird. Nur muß man wirklich aus der Geschichte durch fleißige Beobachtung lernen, nicht bloß unsre Meynungen oder Vorurtheile bestätigen wollen; man muß die gute und schlechte Seite der Dinge mit gleicher Sorgfalt beobachten. So wird sie uns ein lehrreicher Schauplatz der göttlichen Fürsehung, die auch das Schlecht- und Bösescheinende zu ihren Absichten braucht, eine Schule, wo man eben sowohl von Andrer Fehlern als ihrem guten Betragen lernen kan.Dies giebt auch 8) den Stoff zum wahren Pragmatischen, ohne welches die Geschichte bloß ein Gegenstand der Neugier und ein Spiel der Einbildungskraft, wenigstens nicht nutzbar zur Bildung des Herzens, wird. Nur muß man wirklich aus der Geschichte durch fleißige Beobachtung lernen, nicht bloß unsre Meynungen oder Vorurtheile bestätigen wollen; man muß die gute und schlechte Seite der Dinge mit gleicher Sorgfalt beobachten. So wird sie uns ein lehrreicher Schauplatz der göttlichen Fürsehung, die auch das Schlecht- und Bösescheinende zu ihren Absichten braucht, eine Schule, wo man eben sowohl von Andrer Fehlern als ihrem guten Betragen lernen kan.
|a413[!]| Sehr wenige haben die Kirchengeschichte eigentlich
pragmatisch erzählt.
Weismann in den Memorabilibus H. E. hat sie praktisch und zur Erbauung anwendbar machen wollen.
Fleury und
Racine haben auf eben dem Zweck mit gearbeitet. Eigentlich pragmatisch aber, in dem §.
228 angegebnen Sinn, sind nur die
spittlerischen und
krausischen Handbücher, und, unter den etwas grössern Werken, der
cramerische Bossuet und die
schröckhische christliche Kirchengeschichte, auch zum Theil die
semlerischen Anmerkungen, wie in Absicht auf einzle Theile der Kirchengeschichte die oben (§.
399 ††) genannten Werke. Schade ists, daß man gemeiniglich das Pragmatische nicht in seinem ganzen Umfang, sondern nur nach gewissen Rücksichten, z. B. in Absicht auf die Hierarchie, die freye Untersuchung unter den Christen u. d. gl. genommen hat.
397.
Wer sich mit recht eigentlichem Fleiß auf die Kirchengeschichte legen wollte, müßte sich nicht auf die Kirchengeschichte im Ganzen und deren allgemeine Uebersicht einschränken, sondern auch die einzlen Theile derselben besonders studieren. Denn die Kirchengeschichte ist von einem so gar weitläufigen Umfang, daß man überaus viel Wichtiges gar nicht kennen lernt, wenn man sich bloß an die Universalkirchengeschichte hält, ja daß man diese nicht einmal recht gründlich, deutlich und pragmatisch machen kan, ohne eine genauere Kenntniß jener einzlen Theile . Daher werden in der allgemeinen Kirchengeschichte viele sehr wichtige Sachen, (z. B. Geschichte der Leh
|a414[!]|ren und des mannichfaltigen Aberglaubens, Geschichte des sich nach und nach gebildeten Jesuitismus und seines geheimen Einflusses u. d. gl.) ganz und gar nicht, oder nur sehr wenig berührt, oder nicht richtig und vollständig genug aufgeklärt; ja von manchen wichtigen Umständen weiß man die Zeit nicht genau, oder man betrachtet gewisse Erscheinungen nur nach ihrem Ausbruch, nicht nach den lange versteckten Vorarbeiten dazu
†) ; oder die Geschichte merkwürdiger Veränderungen, wird bey der Abtheilung in gewisse Perioden so sehr zerstückelt, daß man sie wenigstens nicht so gut übersehen kan, als wenn man die Geschichte der einzlen Lehren oder Partheyen etc. besonders untersuchte.Wer sich mit recht eigentlichem Fleiß auf die Kirchengeschichte legen wollte, müßte sich nicht auf die Kirchengeschichte im Ganzen und deren allgemeine Uebersicht einschränken, sondern auch die einzlen Theile derselben besonders studieren. Denn die Kirchengeschichte ist von einem so gar weitläufigen Umfang, daß man überaus viel Wichtiges gar nicht kennen lernt, wenn man sich bloß an die Universalkirchengeschichte hält, ja daß man diese nicht einmal recht gründlich, deutlich und pragmatisch machen kan, ohne eine genauere Kenntniß jener einzlen Theile . Daher werden in der allgemeinen Kirchengeschichte viele sehr wichtige Sachen, (z. B. Geschichte der Leh
|a414[!]|ren und des mannichfaltigen Aberglaubens, Geschichte des sich nach und nach gebildeten Jesuitismus und seines geheimen Einflusses u. d. gl.) ganz und gar nicht, oder nur sehr wenig berührt, oder nicht richtig und vollständig genug aufgeklärt; ja von manchen wichtigen Umständen weiß man die Zeit nicht genau, oder man betrachtet gewisse Erscheinungen nur nach ihrem Ausbruch, nicht nach den lange versteckten Vorarbeiten dazu
†) ; oder die Geschichte merkwürdiger Veränderungen, wird bey der Abtheilung in gewisse Perioden so sehr zerstückelt, daß man sie wenigstens nicht so gut übersehen kan, als wenn man die Geschichte der einzlen Lehren oder Partheyen etc. besonders untersuchte.
†) So wird z. B. in den gewöhnlichen Abhandlungen der Kirchengeschichte die Lehre vom heil. Abendmahl und von der Versöhnung Christi, so verschiedne Vorstellungen es darüber immer gab, jene kaum vor dem Ursprung der radbertschen Streitigkeiten im 9ten, diese kaum vor dem Ursprung der antitrinitarischen Aeusserungen im 16ten Jahrhundert, berührt; seit dem 7ten Jahrhundert verschwinden die Antitrinitarier fast ganz aus der Geschichte, und kommen erst im 16ten wieder zum Vorschein, ohngeachtet nicht zu leugnen ist, daß der Saame davon in Spanien, dem südlichen Frankreich und Italien immer geblieben, und nur erst spät öffentlich ausgebrochen ist. Ueberhaupt, wenn die verschiednen Meinungen über eine Lehre keinen merklichen Einfluß in gewisse grosse Revolutionen in der Kirche geäussert haben: so herrscht in der allgemeinen Kirchengeschichte, indem man bloß diese verfolgt, das tiefeste Still|a415[!]|schweigen von jenen unmerklichern Veränderungen. Daher selbst die entsetzlichen Lücken in der Geschichte der Lehren, wenn man diese bloß aus der allgemeinen Kirchengeschichte zusammengetragen hat, wie man sich z. B. aus Priestley's Geschichte der Verfälschungen des Christenthums leicht durch den Augenschein überzeugen kan.
398.
Zu diesen besondern Haupttheilen der christlichen Kirchengeschichte gehört
zuerst die
Geschichte der Schicksale des (wahren oder vermeintlichen)
Christenthums, und, mit derselben,
der christlichen Kirche in der Welt, d. i. der Ausbreitung und Einschränkung, des Verfalls, oder gar des Aussterbens beyder in gewissen Ländern. Bey dieser Geschichte müßte wohl untersucht werden: von woher die Werkzeuge dieser Ausbreitung gekommen, unter welchem Einfluß sie gestanden, was für ein Christenthum sie ausgebreitet haben? was für eine Art der Religion sie in solchen Ländern vorgefunden, wie weit sie sie ausgerottet, oder geschwächt, oder mit ihrem Christenthum verschmelzt haben? wie weit sich in solchen Gegenden diese Fortpflanzung erstreckt, ob über eine ganze Nation oder nicht? und über welchen Theil derselben? ob sie das Christenthum mit Gewalt oder auf welchem gelindern Wege ausgebreitet, und von welchen Ursachen der grössere oder geringere Fortgang abgehangen? welche Wirkungen diese fortgepflanzte Erkenntniß auf die Cultur solcher Länder gehabt,
|a416[!]| oder wie weit sie sie gehemmt und vermindert habe? welche Veränderungen daraus in der ganzen Verfassung solcher Völker entstanden? besonders wie und wonach die Verfassung einer neuentstandenen Kirche gebildet worden sey, und in welchem Verhältnisse sie in der Folge gegen die Staats- und übrige Verfassung gestanden habe? Auf eben diese Fragen müßte ohngefähr auch bey dem äusserlichen Verfall und Untergang des Christenthums in gewissen Gegenden gesehen werden. – Hiezu gehört eine sehr genaue Kenntniß der Völker- und Ländergeschichte und Verfassung zu verschiedenen Zeiten; diese würde aber, wegen des grossen Einflusses der Religion, eben so sehr durch jene Untersuchungen aufgeklärt werden, als die Geschichte der innern Veränderungen der christlichen Kirche Licht aus diesen äusserlichen Umständen bekommen würde, in welchem unstreitig der Grund von vielen besondern Veränderungen und Einrichtungen gewisser Kirchen oder des Fortgangs und der Hindernisse derselben, gelegen hat
†) .Zu diesen besondern Haupttheilen der christlichen Kirchengeschichte gehört
zuerst die
Geschichte der Schicksale des (wahren oder vermeintlichen)
Christenthums, und, mit derselben,
der christlichen Kirche in der Welt, d. i. der Ausbreitung und Einschränkung, des Verfalls, oder gar des Aussterbens beyder in gewissen Ländern. Bey dieser Geschichte müßte wohl untersucht werden: von woher die Werkzeuge dieser Ausbreitung gekommen, unter welchem Einfluß sie gestanden, was für ein Christenthum sie ausgebreitet haben? was für eine Art der Religion sie in solchen Ländern vorgefunden, wie weit sie sie ausgerottet, oder geschwächt, oder mit ihrem Christenthum verschmelzt haben? wie weit sich in solchen Gegenden diese Fortpflanzung erstreckt, ob über eine ganze Nation oder nicht? und über welchen Theil derselben? ob sie das Christenthum mit Gewalt oder auf welchem gelindern Wege ausgebreitet, und von welchen Ursachen der grössere oder geringere Fortgang abgehangen? welche Wirkungen diese fortgepflanzte Erkenntniß auf die Cultur solcher Länder gehabt,
|a416[!]| oder wie weit sie sie gehemmt und vermindert habe? welche Veränderungen daraus in der ganzen Verfassung solcher Völker entstanden? besonders wie und wonach die Verfassung einer neuentstandenen Kirche gebildet worden sey, und in welchem Verhältnisse sie in der Folge gegen die Staats- und übrige Verfassung gestanden habe? Auf eben diese Fragen müßte ohngefähr auch bey dem äusserlichen Verfall und Untergang des Christenthums in gewissen Gegenden gesehen werden. – Hiezu gehört eine sehr genaue Kenntniß der Völker- und Ländergeschichte und Verfassung zu verschiedenen Zeiten; diese würde aber, wegen des grossen Einflusses der Religion, eben so sehr durch jene Untersuchungen aufgeklärt werden, als die Geschichte der innern Veränderungen der christlichen Kirche Licht aus diesen äusserlichen Umständen bekommen würde, in welchem unstreitig der Grund von vielen besondern Veränderungen und Einrichtungen gewisser Kirchen oder des Fortgangs und der Hindernisse derselben, gelegen hat
†) .
†) Z. B. des Wachsthums oder der Schwächung der kirchlichen, sonderlich päbstlichen Gewalt, bey schwachen oder bessern Einrichtungen der Staatsverfassung; der sogenannten Orthodoxie oder Heterodoxie, und ihrer Schicksale nach der politischen Verfassung, oder den Umständen und Absichten eines Staats oder Regenten u. d. gl. Die Geschichte des Arianismus und Pelagianismus unter verschiednen Herrschaften und in verschiednen Zeiten kan hier zum Beyspiel dienen.
|a417| 399.
Ein
andrer, auch wohl der wichtigste, aber auch schwerste, und am wenigsten mit rechter Genauigkeit bearbeitete Theil der Kirchengeschichte
†) ist die
Geschichte der christlichen Lehre, und überhaupt der Vorstellungen in der Religion. Diese Geschichte müßte 1) sich nicht bloß auf die in der heiligen Schrift bekannt gemachten Lehren, sondern auf alle Meinungen erstrecken, die wenigstens bey einem Theil der Christen geherrscht haben, sofern sie in die Religion schlagen, oder dahin gezogen worden sind, sie mögen zur natürlichen oder geoffenbarten Kenntniß der Religion gehören, es mögen davon vermeintliche Spuren in der Bibel aufgefunden, oder sie anderwärts her genommen seyn.
††) 2) Sie müßte nicht nur das Schicksal der Lehren der heiligen Schrift selbst, unter den Christen, sondern auch der verschiednen Vorstellungen enthalten, die man sich unter Christen davon gemacht hat, und die Schicksale dieser Vorstellungen.
†††) Ein
andrer, auch wohl der wichtigste, aber auch schwerste, und am wenigsten mit rechter Genauigkeit bearbeitete Theil der Kirchengeschichte
†) ist die
Geschichte der christlichen Lehre, und überhaupt der Vorstellungen in der Religion. Diese Geschichte müßte 1) sich nicht bloß auf die in der heiligen Schrift bekannt gemachten Lehren, sondern auf alle Meinungen erstrecken, die wenigstens bey einem Theil der Christen geherrscht haben, sofern sie in die Religion schlagen, oder dahin gezogen worden sind, sie mögen zur natürlichen oder geoffenbarten Kenntniß der Religion gehören, es mögen davon vermeintliche Spuren in der Bibel aufgefunden, oder sie anderwärts her genommen seyn.
††) 2) Sie müßte nicht nur das Schicksal der Lehren der heiligen Schrift selbst, unter den Christen, sondern auch der verschiednen Vorstellungen enthalten, die man sich unter Christen davon gemacht hat, und die Schicksale dieser Vorstellungen.
†††)
†) Mit so grossem Fleiß einige Stücke dieser Geschichte untersucht worden sind (s. die Anweisung zur theologisch. Bücherkenntniß §. 392–402): so ist es doch meistens nur aus polemischen Absichten und zur Beantwortung der Frage über das Alterthum gewisser Lehren und Vorstellungen geschehen. Dieser Umstand hat nicht nur die Unpartheylichkeit bey dieser Untersuchung oft verhindert, und das, was Geschichte seyn sollte, in eine polemische Abhandlung verwandelt; sie hat auch verursacht, daß fast nur die Geschichte solcher Lehren untersucht worden, |a418| über welche sich ganze Partheyen unter den Christen getrennt haben, (namentlich der zwischen der römischen Kirche und andern streitigen Lehren,) und daß die Geschichte der übrigen Lehren meistens unbearbeitet liegen geblieben ist. Daher ist auch die Geschichte einer Lehre in neuern Zeiten fast nie mitgenommen worden; so wie man auch noch gar keine auch nur einigermassen ganze Geschichte der christlichen Lehre hat.
††) Hieher gehört die ganze Geschichte philosophischer Hypothesen und des religiösen Aberglaubens unter den Christen, die aus dem Juden- oder Heidenthum in die Kirche übergingen; die ganze Emanationslehre, die von der Seelenwanderung, von den Schutzengeln, von den Wirkungen der bösen Geister, von Zauberern und Hexen, deren Gemeinschaft mit bösen Geistern, selbst dem Tanzen mit ihnen auf Bergen (wovon schon im vierten Jahrhundert Spuren in den Morgenländern sind) u. d. gl.
†††) So hat es nicht nur verschiedne Vorstellungen vom Verdienst Christi und guten Werken, vom Gesetz und Evangelium, gegeben, sondern es ist auch eine dieser Lehren durch übertriebnen Werth der andern, oft vernachläßigt, und durch ganz fremde und unbiblische Vorstellungen verdunkelt, zu gewissen Zeiten und in gewissen Partheyen darin gar nichts näher, oft wieder nur zu viel bestimmt worden.
400.
Und, da die verschiednen Vorstellungen von einer Lehre entweder aus verschiednen Erklärungen der heiligen Schrift, oder aus verschiednen Grundsätzen der Philosophie und deren ver|a419|schiednen Anwendung, oder aus verschieden angenommner Tradition, oder nach verschiednem innern Gefühl, entstanden sind: so würden 3) ferner die verschiednen Meinungen über die Gültigkeit, den Werth und die rechte Anwendung dieser Quellen, und die Schicksale, welche diese Meinungen gehabt haben, mit in Anschlag kommen müssen; auch 4) die verschiednen Vorstellungen von dem Werth gewisser Bestimmungen einer Lehre, ihren Einfluß in andre Lehren, und der Nothwendigkeit, sie von einem Christen zu fordern; mithin zugleich 5) der Ursprung und das Schicksal vorher unbekannter und ungewöhnlicher Meinungen, auf die man erst gefallen ist, um andre Lehren oder Vorstellungen zu vertheidigen; 6) die neuen Erklärungen gewisser Schriftstellen und neue versuchte Beweise für gewisse Meinungen, so wie umgekehrt der Verfall und die Verdächtigung andrer Erklärungen darüber; 7) die eingeführte Terminologie und der verschiedne oder veränderte Sprachgebrauch in der Theologie, und 8) alle Umstände, die zu solchen Vorstellungen, ihren Abwechselungen, behaupteten Nothwendigkeit, Beweisen u. d. gl. Gelegenheit gegeben haben.Und, da die verschiednen Vorstellungen von einer Lehre entweder aus verschiednen Erklärungen der heiligen Schrift, oder aus verschiednen Grundsätzen der Philosophie und deren ver|a419|schiednen Anwendung, oder aus verschieden angenommner Tradition, oder nach verschiednem innern Gefühl, entstanden sind: so würden 3) ferner die verschiednen Meinungen über die Gültigkeit, den Werth und die rechte Anwendung dieser Quellen, und die Schicksale, welche diese Meinungen gehabt haben, mit in Anschlag kommen müssen; auch 4) die verschiednen Vorstellungen von dem Werth gewisser Bestimmungen einer Lehre, ihren Einfluß in andre Lehren, und der Nothwendigkeit, sie von einem Christen zu fordern; mithin zugleich 5) der Ursprung und das Schicksal vorher unbekannter und ungewöhnlicher Meinungen, auf die man erst gefallen ist, um andre Lehren oder Vorstellungen zu vertheidigen; 6) die neuen Erklärungen gewisser Schriftstellen und neue versuchte Beweise für gewisse Meinungen, so wie umgekehrt der Verfall und die Verdächtigung andrer Erklärungen darüber; 7) die eingeführte Terminologie und der verschiedne oder veränderte Sprachgebrauch in der Theologie, und 8) alle Umstände, die zu solchen Vorstellungen, ihren Abwechselungen, behaupteten Nothwendigkeit, Beweisen u. d. gl. Gelegenheit gegeben haben.
Anm. 1. Eine merkwürdige Beylage zum 4ten und den übrigen Stücken dieses §. giebt z. B. die Lehre vom heil. Abendmahl. Unstreitig haben sowohl die Kirchenväter, als alte Liturgien, Stellen, die für die Vorstellung von einer reellen Gegenwart, oder gar einer Verwandlung des Brodts und Weins, zu seyn scheinen, als andere für blosse Zeichen und Bilder. Erst im 7ten Jahr|a420|hundert fing man in den Morgenländern an, die Ausdrücke, σημειον, συμβολον, τυπος etc. weniger, und dagegen jene gröbere Vorstellungen und Ausdrücke zu brauchen, um den wahren Körper Christi, gegen Manichäer und Aphtartodoketen, festzustellen, und, nachdem Karl der Grosse (im 2ten Buch de cultu imag. c. 27) den Ausdruck Bild Christi verworfen hatte, um den Beweis des 2ten nicäischen Concilii für den Bilderdienst zu widerlegen, den dieses daher genommen hatte, daß Brodt im heil. Abendmahl ein Bild Christi würde, auch der Mißverstand jener derbern Ausdrücke von Verwandlung u. s. f. dazu gekommen war, fing die Vorstellung von Zeichen an auch in der lateinischen Kirche zu sinken, und Radbert konnte schon im 9ten Jahrhundert mit seiner Meinung einiges Glück machen, die, alles damaligen Widerspruchs ohngeachtet, in der Mitte des 11ten Jahrhunderts schon so überhand genommen hatte, daß Berenger die gegenseitige Meinung als eine Ketzerey abschwören mußte. Und doch legte selbst Pabst Gregor 7. noch keinen so grossen Werth auf die herrschende Meinung, daß er anfänglich Berengers Beweis aus dem Alterthum für gültig erkannte, und hernach selbst mit seiner Erklärung zufrieden war. (S. Berengarii Stelle in Leßings Berengar. Turonens. S. 152 f. und Martene nov. thesaur. anecdot. Tom. IV. p. 103.) Erst der Widerspruch der Albigenser etc. etc. gegen die nun immer mehr um sich greifende Lehre von der Brodtverwandlung bewog den Pabst Innocenz 3. auf der lateranensisch. Kirchenversammlung im Jahr 1215 diese Lehre zur Lehre der Kirche zu machen, und die Verfolgung der anders denkenden, als Ketzerey, zu gebieten. – Wer Luthers Lehre über das heilige Abendmahl in seinen vom N. T. und von der babylonisch. Gefängniß 1520 herausgegebnen Schriften mit den folgenden, nach entstandnen Streit |a421| mit den Schweitzern, sein Benehmen beym Marpurger Religionsgespräch, wieder etwas anders bey der wittenbergischen Concordie, und wieder auf die erste Art seit Erscheinung der zwinglischen Werke im Jahr 1543, so wie das Betragen einiger seiner Schüler seit der Erscheinung des Zürcher Consensus im Jahr 1549 und noch mehr bey der Concordienformel, nach entstandnen kryptocalvinischen Händeln in Sachsen, vergleicht, der wird sich sehr leicht diese Abwechselungen in den Vorstellungen vom heil. Abendmahl, und den verschiedenen Werth, den man darauf gelegt hat, erklären können.
Anm. 2. Bey der 5ten Anmerkung des §. dienet die Lehre von der Concomitanz zum Beyspiel, welche durch die von der Transsubstantiation veranlaßt worden ist, und wieder die von der Entbehrlichkeit des Kelchs im heil. Abendmahl erzeugt hat, so wie man auf die Lehre von der Ubiquität der Menschheit Christi zuerst durch die Lehre von der wesentlichen Gegenwart des Leibes Christi im heil. Abendmahl geleitet wurde; – Bey der 6ten, die Erklärung der Stelle Joh. 14, 28. von der ἀγεννησια des Vaters, Röm. 9. und andrer gleichlautenden von der augustinianischen Prädestination, Ephes. 5, 32. von der Ehe als einem Sacrament, Ebr. 2, 16. von Vereinigung beyder Naturen in Christo; und die Bedenklichkeit, Apgesch. 3, 21. durch quem oportuit coelo capi zu übersetzen, aus Furcht der Ubiquität zu nahe zu treten; – Bey der 7ten die verschiednen Bedeutungen der ὁμοουσιας vor und nach dem ersten nicäischen Concilium, desgl. der Wörter ὑποστασις, φυσις, φυσικη ἑνωσις, συγκρασις, φθαρτον u. a. bey den arianischen, nestorianischen und monophysitischen Streitigkeiten.
|a422| 401.
Schon der grosse Umfang dieser Geschichte macht die Untersuchung derselben sehr schwer, und vielleicht ist bey keinem Theil der Kirchenhistorie, ausser den andern oben angegebnen Wissenschaften (§.
391 flg.) eine ausgebreitete Kenntniß der historischen Denkmahle und der Religionsschriften aller christlichen Völker und Zeiten, eine genaue Bekanntschaft mit dem mannichfaltigen kirchlichen Sprachgebrauch und der Geschichte der Philosophie, nöthiger, fast bey keinem ist auch strenge Unpartheylichkeit zu beobachten schwerer, als bey diesem. Aber es belohnt sich auch der darauf gewandte Fleiß genug durch grosse Vortheile, die schon oben bey dem Nutzen der Kirchengeschichte angegeben sind, und vorzüglich können aus dieser Lehrgeschichte gezogen werden. Unsre Einsichten in der Religion bleiben immer sehr eingeschränkt, wenn man die verschiednen Gestalten und Seiten nicht kennt, in und auf welchen sich eine Sache dem menschlichen Verstande darstellt. Man bleibt um so mehr auf seinen Meinungen ersessen, und taub gegen alle bessre Einsichten, je weniger Seiten einer Sache, und je weniger man die Gründe kennt, die Andre, anders zu urtheilen, oder sich auszudrücken, bewogen haben. Nur alsdann kan man dem Mißverstand und Wortstreitigkeiten vorbeugen, die so ganz alle richtige Entscheidung verhindern, Irrthümern und Zweydeutigkeiten auf den Grund kommen, richtiger und billiger
|a423| von Andrer Meinungen und ihrer Unschuld oder ihrem Werth urtheilen, und selbst bestimmter denken und sich ausdrücken lernen, wenn man hinlänglich mit der Geschichte dieser Lehren und der verschiednen Vorstellungen davon bekannt ist.Schon der grosse Umfang dieser Geschichte macht die Untersuchung derselben sehr schwer, und vielleicht ist bey keinem Theil der Kirchenhistorie, ausser den andern oben angegebnen Wissenschaften (§.
391 flg.) eine ausgebreitete Kenntniß der historischen Denkmahle und der Religionsschriften aller christlichen Völker und Zeiten, eine genaue Bekanntschaft mit dem mannichfaltigen kirchlichen Sprachgebrauch und der Geschichte der Philosophie, nöthiger, fast bey keinem ist auch strenge Unpartheylichkeit zu beobachten schwerer, als bey diesem. Aber es belohnt sich auch der darauf gewandte Fleiß genug durch grosse Vortheile, die schon oben bey dem Nutzen der Kirchengeschichte angegeben sind, und vorzüglich können aus dieser Lehrgeschichte gezogen werden. Unsre Einsichten in der Religion bleiben immer sehr eingeschränkt, wenn man die verschiednen Gestalten und Seiten nicht kennt, in und auf welchen sich eine Sache dem menschlichen Verstande darstellt. Man bleibt um so mehr auf seinen Meinungen ersessen, und taub gegen alle bessre Einsichten, je weniger Seiten einer Sache, und je weniger man die Gründe kennt, die Andre, anders zu urtheilen, oder sich auszudrücken, bewogen haben. Nur alsdann kan man dem Mißverstand und Wortstreitigkeiten vorbeugen, die so ganz alle richtige Entscheidung verhindern, Irrthümern und Zweydeutigkeiten auf den Grund kommen, richtiger und billiger
|a423| von Andrer Meinungen und ihrer Unschuld oder ihrem Werth urtheilen, und selbst bestimmter denken und sich ausdrücken lernen, wenn man hinlänglich mit der Geschichte dieser Lehren und der verschiednen Vorstellungen davon bekannt ist.
Der Eifer, mit dem Nestorius und die Morgenländer sich dem Ausdruck Mutter Gottes (Θεοτοκος) widersetzten, hingegen auf stete Unterscheidung der beyden Naturen in Christo drangen, und umgekehrt des Cyrillus Eifer für jenen und wider diese, gründete sich bey jenen auf die Furcht für den Apollinarismus, der in Syrien, und bey diesem auf den Eifer gegen den Arianismus, der in Aegypten mehr herrschte. Dieses Beyspiel, so wie Jovinians Satz: omnia peccata paria esse, der dem Johannes Philoponus Schuld gegebne Tritheismus, Joh. Agricola und der Antinomer Eifer wider das Gesetz, der Streit über den Satz: ob gute Werke zur Seligkeit nöthig sind? und tausend andre Beyspiele, erläutern das hier Gesagte.
Vergl. J. A. Ernesti Opuscula theologica, 13te Abhandl. und C. W. F. Walch Gedanken von der Geschichte der Glaubenslehre, zweyte Ausgabe, Göttingen 1764. 8.
402.
Unter den Quellen der christlichen Lehrgeschichte haben die Schriften dererjenigen den ausgebreitetsten Nutzen, welche über christliche Lehren geschrieben haben, es sey daß sie ihre eigne Gedanken darüber äusserten, oder verschiedne Meinungen darüber, oder wenigstens eine Erklärung und einen bestimmten Sinn einer christlichen Lehre erwehnten. Durch sie wird |a424| man nicht nur mit mehrern Vorstellungen über einen Lehrpunct, man wird auch zum Theil mit den Gründen bekannt, wodurch man jene unterstützt hat, oder mit den Meinungen, die auf jene geführt, oder ihr ein gewisses Ansehn verschafft haben; welchen Nutzen andre Denkmale, selbst öffentliche Bekenntnißschriften, nicht leisten, wenn sie nicht zugleich Schutz- und Vertheidigungsschriften sind. Diejenigen christlichen Schriftsteller, welche bey der in gewissen christlichen Ländern herrschenden Lehrparthey ein vorzügliches Ansehn erlangt haben, entweder als Zeugen und treue Fortpflanzer derjenigen Vorstellung von einer Lehre, die dergleichen Parthey für die richtigste hält, oder als solche, welche die richtige Vorstellung getroffen haben, sind in so fern die wichtigsten, als ihr Ansehen bey solchen Partheyen die Kraft eines Beweises erlangt hat, und man aus ihrer Geschichte sieht, wie und warum sie, wenigstens in gewisser Absicht, dieses Ansehen erhalten haben. In diesem Ansehen stehen die sogenannten Kirchenväter (Patres) bey allen den Partheyen, welche eine historische Lehrtradition als verbindlich zum Glauben ansehen, bey andern aber als Zeugen der Vorstellungen, die in den herrschenden Kirchen für die richtigsten gehalten worden sind, oder wenigstens jetzt gehalten werden.Unter den Quellen der christlichen Lehrgeschichte haben die Schriften dererjenigen den ausgebreitetsten Nutzen, welche über christliche Lehren geschrieben haben, es sey daß sie ihre eigne Gedanken darüber äusserten, oder verschiedne Meinungen darüber, oder wenigstens eine Erklärung und einen bestimmten Sinn einer christlichen Lehre erwehnten. Durch sie wird |a424| man nicht nur mit mehrern Vorstellungen über einen Lehrpunct, man wird auch zum Theil mit den Gründen bekannt, wodurch man jene unterstützt hat, oder mit den Meinungen, die auf jene geführt, oder ihr ein gewisses Ansehn verschafft haben; welchen Nutzen andre Denkmale, selbst öffentliche Bekenntnißschriften, nicht leisten, wenn sie nicht zugleich Schutz- und Vertheidigungsschriften sind. Diejenigen christlichen Schriftsteller, welche bey der in gewissen christlichen Ländern herrschenden Lehrparthey ein vorzügliches Ansehn erlangt haben, entweder als Zeugen und treue Fortpflanzer derjenigen Vorstellung von einer Lehre, die dergleichen Parthey für die richtigste hält, oder als solche, welche die richtige Vorstellung getroffen haben, sind in so fern die wichtigsten, als ihr Ansehen bey solchen Partheyen die Kraft eines Beweises erlangt hat, und man aus ihrer Geschichte sieht, wie und warum sie, wenigstens in gewisser Absicht, dieses Ansehen erhalten haben. In diesem Ansehen stehen die sogenannten Kirchenväter (Patres) bey allen den Partheyen, welche eine historische Lehrtradition als verbindlich zum Glauben ansehen, bey andern aber als Zeugen der Vorstellungen, die in den herrschenden Kirchen für die richtigsten gehalten worden sind, oder wenigstens jetzt gehalten werden.
Anm. 1. Bekanntlich ist der Begrif von Kirchenvätern sehr schwankend, und muß es, nach dem bisher Gesagten, seyn. Denn da es 1) mehrere herrschende Partheyen giebt, worunter sich |a425| jede für die rechtgläubigste hält, und jede in ihren Meinungen, zumahl in denen, worin sie sich von andern unterscheidet, von gewissen Schriftstellern gestimmt worden ist: so hat mancher in einer den ehrwürdigen Namen eines Vaters bekommen, der in der andern als Ketzer angesehen, oder nicht geachtet wird; wie Theodor von Mopsveste in der chaldäischen, Cyrill von Alexandrien in der jacobitischen, Ambrosius, Hieronymus, Augustin, Pabst Leo 3. und Gregor der Grosse in der lateinischen Kirche etc. 2) Manche, Tertullian z. B. und Origenes, haben, durch irgend eine Ursach, entweder kein entscheidendes dogmatisches Ansehn erlangt oder es verlohren, und werden nur als Zeugen oder Erhalter der Tradition geachtet. 3) In einer herrschenden Kirche ist nicht immer eine Vorstellung die herrschende, z. B. die augustinianische Vorstellung von Prädestination, den Kräften des Menschen und der Gnade, die Lehre von der Brodtverwandlung und der Kelchsverweigerung; daher (der sehr pelagianisirende) Hilarius von Poitiers und Caßian lange nicht das Ansehn erlangt oder erhalten haben, das sich Augustin erwarb. Ueberhaupt so, wie durch besondre Zufälle und Zeitumstände gewisse Vorstellungen herrschend, und durch Kirchengesetze bestätigt, folglich die Freyheit im Glauben gehemmt worden; so wie herrschende Kirchen sich von andern herrschenden Kirchen getrennt haben, jede sich auf Tradition berufen, und jede gesehen hat, mit welchen Schriftstellern ihr Lehrbegriff am meisten einstimmte, oder von ihnen am deutlichsten war vorgetragen worden: so hat sie diese erhoben, zumahl wenn sie von ihrer Kirche waren, und die andern sinken oder liegen lassen. So gelten, ausser den erwehnten, der heilige Bernhard und Thomas von Aquino in der lateinischen Kirche überhaupt mehr, als Clemens von Alexandrien und Johann von Da|a426|mascus, Hieronymus mehr als Origenes, Ambrosius mehr als Basilius, so sehr auch Hieronymus und Ambrosius die beyden andern ausgeschrieben haben.
Anm. 2. So wie das dogmatische Ansehn der Kirchenschriftsteller den Begrif der Kirchenväter sehr schwankend macht: so auch die Gewohnheit, diesen Namen nur auf Schriftsteller einer gewissen Zeit einzuschränken. Manche rechnen dahin nur Schriftsteller der sechs ersten Jahrhunderte; andre dehnen den Namen bis auf den Ursprung der Scholastiker, oder vielmehr bis auf die Zeit aus, wo im 12ten Jahrhundert Peter der Lombarde in der lateinischen Kirche angefangen hat, ein theologisches System aus den Aussprüchen der Kirchenväter zusammenzusetzen; noch andre geben diesen Namen auch andern bis gegen die Zeiten der Reformation. Vielleicht rührt der erste gewöhnlichste Lehrbegriff daher, daß seit dem 7ten Jahrhundert Isidorus von Seville und nach ihm mehrere in der lateinischen Kirche angefangen, die Sentenzen vorhergehender Schriftsteller unter gewisse Rubriken zusammenzutragen, so wie es Johann von Damascus im 8ten in der griechischen Kirche that, und daß seit dem Synodo Trullana im Jahr 692, noch mehr aber seit der Trennung der Päbste von der griechischen Herrschaft, und des griechischen und abendländischen Kaiserthums im 8ten Jahrhundert, und vollends der griechischen und lateinischen Kirche im 9ten, jede Kirche ihre Tradition und Kirchengesetze vor sich gehabt, also keine Schriftsteller mehr von da an ein dogmatisches Ansehen, ausser ihrer besondern Kirche, bekommen haben, zumahl da seitdem theils in beyden Kirchen fast alle Schriftsteller die vorhergehenden ausgeschrieben, und sich selbst dadurch das Ansehen der Orthodoxie zu geben gesucht, theils |a427| die römischen Bischöfe eine beynahe ausschliessende gesetzgebende Gewalt erlangt haben. Die zweyte Bedeutung, die der lateinischen Kirche eigen ist, rührt ohne Zweifel vom Ursprung der compilirten Sentenzen Peters des Lombarden her, die seitdem das allgemeine Lehrbuch wurden, und von der gedachten entscheidenden Gewalt der Päbste in allen Streitigkeiten über noch nicht bestimmte Lehrfragen. Die dritte ist die ungewöhnlichste, und hat einigen wenigen Schriftstellern, als dem heiligen Thomas, Gerson u. a. bloß wegen ihres grossen Ansehens diesen Namen zuwege gebracht.
403.
Nach dem Namen der Kirchenväter (Patrum) nennt man die Erklärungen derselben über die christlichen Lehren zusammengenommen, oder den Inbegrif ihrer Vorstellungen von dem, was zur christlichen Lehre gerechnet wird,
Patristik im engern Verstande, oder besser
patristische Theologie, auch wohl
historische Theologie im engsten Sinn. Im
weitern Verstande aber begreift man unter
Patristik nicht nur dieses, sondern auch zugleich mit alle Kenntnisse, die zur Verständlichkeit und zum Gebrauch ihrer Schriften nöthig sind. Nun ist der Begrif, der mit dem Namen der
Kirchenväter verbunden wird, vieldeutig (§.
402 Anm. ), und Protestanten erkennen kein dogmatisches, sondern bloß historisches Ansehen derselben, welches die Kirchenväter mit jedem christlichen Schriftsteller gemein haben. Daher könnte man Patristik, wie patri
|a428|stische Theologie, auch
in dem weitesten Verstande, von der Bekanntschaft mit den Umständen und dem Lehrbegrif christlicher Schriftsteller nehmen. Wenigstens gilt das, was im Folgenden davon gesagt wird, von allen Schriftstellern über christliche Lehre, obwohl insbesondre von denen, deren entscheidendes dogmatisches Ansehn in denenjenigen Kirchen anerkannt wird, welche sich an eine gewisse dogmatische Tradition, als Erkenntnißgrund der rechten christl. Lehre, halten.Nach dem Namen der Kirchenväter (Patrum) nennt man die Erklärungen derselben über die christlichen Lehren zusammengenommen, oder den Inbegrif ihrer Vorstellungen von dem, was zur christlichen Lehre gerechnet wird,
Patristik im engern Verstande, oder besser
patristische Theologie, auch wohl
historische Theologie im engsten Sinn. Im
weitern Verstande aber begreift man unter
Patristik nicht nur dieses, sondern auch zugleich mit alle Kenntnisse, die zur Verständlichkeit und zum Gebrauch ihrer Schriften nöthig sind. Nun ist der Begrif, der mit dem Namen der
Kirchenväter verbunden wird, vieldeutig (§.
402 Anm. ), und Protestanten erkennen kein dogmatisches, sondern bloß historisches Ansehen derselben, welches die Kirchenväter mit jedem christlichen Schriftsteller gemein haben. Daher könnte man Patristik, wie patri
|a428|stische Theologie, auch
in dem weitesten Verstande, von der Bekanntschaft mit den Umständen und dem Lehrbegrif christlicher Schriftsteller nehmen. Wenigstens gilt das, was im Folgenden davon gesagt wird, von allen Schriftstellern über christliche Lehre, obwohl insbesondre von denen, deren entscheidendes dogmatisches Ansehn in denenjenigen Kirchen anerkannt wird, welche sich an eine gewisse dogmatische Tradition, als Erkenntnißgrund der rechten christl. Lehre, halten.
Diese Kenntnisse machen also einen Theil der Kirchengeschichte aus, und, wenn Patristik im engern Sinn genommen wird, einen Theil der Geschichte christlicher Lehre.
404.
Wer diese Kenntnisse besitzen will, der muß nicht nur die Schriftsteller selbst, wenigstens die merkwürdigern, kennen, die sich über die christliche Lehre entweder selbst erklärt, oder Erklärung Anderer darüber erwehnt haben; er muß auch wissen, was sie darüber für Schriften bekannt gemacht ? ob diese Schriften und die dahin gehörigen Stellen und Lesearten wirklich ihnen, oder wem sie sonst angehören? und welchen Werth oder wenigstens Ansehen sie und ihre Schriften erlangt, besonders was für Veränderungen sie dadurch in der Kirche hervorgebracht haben?Wer diese Kenntnisse besitzen will, der muß nicht nur die Schriftsteller selbst, wenigstens die merkwürdigern, kennen, die sich über die christliche Lehre entweder selbst erklärt, oder Erklärung Anderer darüber erwehnt haben; er muß auch wissen, was sie darüber für Schriften bekannt gemacht ? ob diese Schriften und die dahin gehörigen Stellen und Lesearten wirklich ihnen, oder wem sie sonst angehören? und welchen Werth oder wenigstens Ansehen sie und ihre Schriften erlangt, besonders was für Veränderungen sie dadurch in der Kirche hervorgebracht haben?
405.
Die Mühe, welche man auf das Studium der Schriften der eigentlichen Kirchenväter (im
|a429| gewöhnlichsten und engsten Verstande) wendet, belohnt sich zwar sehr wenig durch wirkliche Aufklärung der christlichen Erkenntniß oder durch wahre Erbauung, weil es den Meisten unter ihnen an gründlicher Kenntniß des Sprachgebrauchs der heiligen Schrift und an gesunder Philosophie fehlte, sie sich unglaublich viel willkührliche Einfälle zu gute hielten, und sie meistens, – die wenigstens, welche eben das meiste Ansehen der Rechtgläubigkeit erlangt haben, – die hergebrachten Lehrvorstellung fortpflanzten, oder derselben ihre Erklärungen anpaßten. Auch waren sie so wenig unfehlbar, als immer Kenner der ältern Vorstellungen von den christlichen Lehren unter Christen
und des wahren Sinnes derselben, oder uneingenommen genug für und wider die Wahrheit dieser Vorstellungen, als daß sie nicht hätten, mehr nach dem Herkommen, als nach reinen Gründen, Wahrheit und Aechtheit der Tradition entscheiden sollen. Sie können daher für uns, die wir diese Fehler an ihnen erkennen, und den Widerspruch sehen, in welchen sie theils oft mit sich selbst, theils mit andern eben so angesehenen, wenigstens eben so achtungswürdigen, Kirchenvätern stehn, keine Quelle der Erkenntniß wahrer christlichen Lehre seyn.Die Mühe, welche man auf das Studium der Schriften der eigentlichen Kirchenväter (im
|a429| gewöhnlichsten und engsten Verstande) wendet, belohnt sich zwar sehr wenig durch wirkliche Aufklärung der christlichen Erkenntniß oder durch wahre Erbauung, weil es den Meisten unter ihnen an gründlicher Kenntniß des Sprachgebrauchs der heiligen Schrift und an gesunder Philosophie fehlte, sie sich unglaublich viel willkührliche Einfälle zu gute hielten, und sie meistens, – die wenigstens, welche eben das meiste Ansehen der Rechtgläubigkeit erlangt haben, – die hergebrachten Lehrvorstellung fortpflanzten, oder derselben ihre Erklärungen anpaßten. Auch waren sie so wenig unfehlbar, als immer Kenner der ältern Vorstellungen von den christlichen Lehren unter Christen
und des wahren Sinnes derselben, oder uneingenommen genug für und wider die Wahrheit dieser Vorstellungen, als daß sie nicht hätten, mehr nach dem Herkommen, als nach reinen Gründen, Wahrheit und Aechtheit der Tradition entscheiden sollen. Sie können daher für uns, die wir diese Fehler an ihnen erkennen, und den Widerspruch sehen, in welchen sie theils oft mit sich selbst, theils mit andern eben so angesehenen, wenigstens eben so achtungswürdigen, Kirchenvätern stehn, keine Quelle der Erkenntniß wahrer christlichen Lehre seyn.
S. die in der Anweisung zur Kenntniß der Bücher in der Theologie §. 28 und 389 angeführten Schriften, nebst den daselbst §. 393 bis 402 erwehnten protestantischen Schriftstellern über die Geschichte der christlichen Lehre.
|a430| 406.
Deswegen hat auch dieses Studium, und überhaupt die Bekanntschaft mit denen, welche über die christliche Lehre geschrieben haben, sonderlich wenn sie im Ruf der vorzüglichen Richtigkeit christlicher Erkenntniß stehn, seinen grossen Nutzen. 1) Je weniger entfernt diese Kirchenväter von den Zeiten der Apostel waren, oder je mehr sie in ihrem Vortrag einzle Ausdrücke und Redensarten der heiligen Schrift in einem deutlichern Zusammenhang brauchen, oder statt derselben deutlichere setzen, oder je mehr sie Volksmeinungen erwehnen, auf welche auch in der heiligen Schrift angespielt wird: je brauchbarer sind sie zur Kenntniß des eigentlichen Sprachgebrauchs und Sinnes der Bibel; so wie sie 2) dadurch, daß sie uns so viele Stellen der heiligen Schrift aufbehalten haben, zur Kritik des Textes des neuen Testaments unentbehrlich bleiben. 3) Sind es wirklich selbst denkende, und wenigstens da, wo sie nicht durch hergebrachte kirchliche Vorstellungen oder Meinungen ihrer besondern Philosophie gehindert wurden, untersuchende Männer: so führen sie uns auf manche nützliche Aussichten und Entdeckungen, auf die wir selbst, bey einem gewissen gewohnten Gesichtskreis, nicht gerathen seyn würden, und tragen in so fern viel wenigstens zur Erweiterung unsrer Erkenntniß der christlichen Lehre bey, verhindern wenigstens, daß wir nicht so leicht in die gewöhnlichen Fehler dererjenigen, die nur vor sich untersuchen, d. i. auf ein|a431|seitige Vorstellungen und auf die Einbildung, daß unsre Zeiten allein aufgeklärt sind, verfallen. Hauptsächlich aber sind sie 4) die vornehmsten Quellen bey allen Theilen der Kirchengeschichte, vornehmlich bey Geschichte der christlichen Lehre, aus welchen wir nicht nur die Kenntniß der Veränderungen in der Kirche und Lehre, nebst deren Ursachen und Folgen, sondern auch die Kenntniß der kirchlichen Sprache schöpfen können; und so fern gewähren sie auch 5) den Nutzen, der oben der Kirchengeschichte in Absicht auf die systematische Theologie beygelegt wurde. Finden sich 6) in ihnen Aeusserungen, die von den jetzt herrschenden Vorstellungen in der Kirche abgehn, so dienen deren Kenntnisse uns alsdenn wenigstens zur Schutzwehr gegen unglimpfliche Beurtheilungen oder Verketzerungen, und machen doch eher harte Richter in Glaubenssachen geneigt, Meinungen, die von den hergebrachten abgehen, mit mehrerer Mäßigung anzusehn, oder erst zu untersuchen.Deswegen hat auch dieses Studium, und überhaupt die Bekanntschaft mit denen, welche über die christliche Lehre geschrieben haben, sonderlich wenn sie im Ruf der vorzüglichen Richtigkeit christlicher Erkenntniß stehn, seinen grossen Nutzen. 1) Je weniger entfernt diese Kirchenväter von den Zeiten der Apostel waren, oder je mehr sie in ihrem Vortrag einzle Ausdrücke und Redensarten der heiligen Schrift in einem deutlichern Zusammenhang brauchen, oder statt derselben deutlichere setzen, oder je mehr sie Volksmeinungen erwehnen, auf welche auch in der heiligen Schrift angespielt wird: je brauchbarer sind sie zur Kenntniß des eigentlichen Sprachgebrauchs und Sinnes der Bibel; so wie sie 2) dadurch, daß sie uns so viele Stellen der heiligen Schrift aufbehalten haben, zur Kritik des Textes des neuen Testaments unentbehrlich bleiben. 3) Sind es wirklich selbst denkende, und wenigstens da, wo sie nicht durch hergebrachte kirchliche Vorstellungen oder Meinungen ihrer besondern Philosophie gehindert wurden, untersuchende Männer: so führen sie uns auf manche nützliche Aussichten und Entdeckungen, auf die wir selbst, bey einem gewissen gewohnten Gesichtskreis, nicht gerathen seyn würden, und tragen in so fern viel wenigstens zur Erweiterung unsrer Erkenntniß der christlichen Lehre bey, verhindern wenigstens, daß wir nicht so leicht in die gewöhnlichen Fehler dererjenigen, die nur vor sich untersuchen, d. i. auf ein|a431|seitige Vorstellungen und auf die Einbildung, daß unsre Zeiten allein aufgeklärt sind, verfallen. Hauptsächlich aber sind sie 4) die vornehmsten Quellen bey allen Theilen der Kirchengeschichte, vornehmlich bey Geschichte der christlichen Lehre, aus welchen wir nicht nur die Kenntniß der Veränderungen in der Kirche und Lehre, nebst deren Ursachen und Folgen, sondern auch die Kenntniß der kirchlichen Sprache schöpfen können; und so fern gewähren sie auch 5) den Nutzen, der oben der Kirchengeschichte in Absicht auf die systematische Theologie beygelegt wurde. Finden sich 6) in ihnen Aeusserungen, die von den jetzt herrschenden Vorstellungen in der Kirche abgehn, so dienen deren Kenntnisse uns alsdenn wenigstens zur Schutzwehr gegen unglimpfliche Beurtheilungen oder Verketzerungen, und machen doch eher harte Richter in Glaubenssachen geneigt, Meinungen, die von den hergebrachten abgehen, mit mehrerer Mäßigung anzusehn, oder erst zu untersuchen.
407.
Wer Musse genug und Neigung hätte, die Kirchenväter und Kirchenschriftsteller zu studieren, würde doch 1) wegen ihrer grossen Menge, und weil so viele einander ausgeschrieben, oder doch wenig oder nichts Eignes haben, was man nicht in Andern schon besser fände, eine vorsichtige Wahl unter ihnen beobachten, und die vorzüglich ausheben müssen, welche
theils für Andre
|a432| den Ton angegeben, und durch ihr erlangtes Ansehn Andre nach sich gezogen,
theils gewisse Lehrpuncte oder Theile der Kirchengeschichte am deutlichsten und ausführlichsten abgehandelt haben; 2) eben daher, und um sie recht verstehen zu können, sich vorher wohl von ihren Umständen und Schriften vorläufig unterrichten, und sowohl alle oben (§.
391 ) angegebne Hülfsmittel mitbringen, als die daselbst bemerkten Regeln beobachten; und 3) um den Hauptnutzen zu erreichen, den man aus dieser Lectüre in Absicht auf die Kirchengeschichte und den Ursprung und Fortgang der verschiednen Vorstellungen von der christlichen Lehre ziehen kan, die Kirchenschriftsteller nach der Zeitordnung, ihre einzle Schriften aber nach ihren verschiednen Arten oder Classen, lesen, und dabey die correctesten und mit den zweckmäßigsten Erläuterungen versehenen Ausgaben zu gebrauchen suchen, unter welchen sich die, welche die Benedictiner von der Congregation des heiligen Maurus besorgt haben, besonders auszeichnen.
Wer sich aber diesem Studium nicht mit besondern Fleiß widmen könnte, thäte wenigstens wohl, die trefliche
rößlerische Bibliothek der Kirchenväter in Uebersetzungen und Auszügen (Leipzig 1776–86 in 10 Theilen in groß 8.) zu studieren, aus der auch die, welche weiter gehen wollen, das lernen können, worauf sie vornehmlich bey Lesung dieser Schriftsteller ihre Aufmerksamkeit zu richten haben.
Wer Musse genug und Neigung hätte, die Kirchenväter und Kirchenschriftsteller zu studieren, würde doch 1) wegen ihrer grossen Menge, und weil so viele einander ausgeschrieben, oder doch wenig oder nichts Eignes haben, was man nicht in Andern schon besser fände, eine vorsichtige Wahl unter ihnen beobachten, und die vorzüglich ausheben müssen, welche
theils für Andre
|a432| den Ton angegeben, und durch ihr erlangtes Ansehn Andre nach sich gezogen,
theils gewisse Lehrpuncte oder Theile der Kirchengeschichte am deutlichsten und ausführlichsten abgehandelt haben; 2) eben daher, und um sie recht verstehen zu können, sich vorher wohl von ihren Umständen und Schriften vorläufig unterrichten, und sowohl alle oben (§.
391 ) angegebne Hülfsmittel mitbringen, als die daselbst bemerkten Regeln beobachten; und 3) um den Hauptnutzen zu erreichen, den man aus dieser Lectüre in Absicht auf die Kirchengeschichte und den Ursprung und Fortgang der verschiednen Vorstellungen von der christlichen Lehre ziehen kan, die Kirchenschriftsteller nach der Zeitordnung, ihre einzle Schriften aber nach ihren verschiednen Arten oder Classen, lesen, und dabey die correctesten und mit den zweckmäßigsten Erläuterungen versehenen Ausgaben zu gebrauchen suchen, unter welchen sich die, welche die Benedictiner von der Congregation des heiligen Maurus besorgt haben, besonders auszeichnen.
Wer sich aber diesem Studium nicht mit besondern Fleiß widmen könnte, thäte wenigstens wohl, die trefliche
rößlerische Bibliothek der Kirchenväter in Uebersetzungen und Auszügen (Leipzig 1776–86 in 10 Theilen in groß 8.) zu studieren, aus der auch die, welche weiter gehen wollen, das lernen können, worauf sie vornehmlich bey Lesung dieser Schriftsteller ihre Aufmerksamkeit zu richten haben.
Die hier nöthigen Schriften s. in der Anweisung etc. §. 409 flgg.
|a433| 408.
Zunächst mit der Geschichte der Lehre ist die Geschichte der theologischen Wissenschaften verbunden, die man, auch wie jene, Historiam doctrinae (der Gelehrsamkeit) genannt hat; denn von der Versäumniß oder der Aufklärung gewisser Arten der Kenntnisse, der Sprachkunde, Kritik, Philosophie, Geschichte und der schönen Wissenschaften, mußte freylich die Gestalt der theologischen Wissenschaften und somit auch der Vorstellungen von christlichen Lehren abhängen. Doch kan diese Geschichte eben sowohl für einen Theil der Literar- als der Kirchengeschichte angesehen werden. Sie müßte zeigen: wie die theologischen und die dazu diensamen Wissenschaften, oder doch Kenntnisse, von Zeit zu Zeit und in verschiedenen Gegenden, unter den Christen beschaffen gewesen, und wodurch sie zu- oder abgenommen; wer, wie weit und wodurch, auf diesen Fortgang oder Verfall Einfluß gehabt habe. Dadurch würden alle Theile der Kirchengeschichte gewinnen, und man würde auf manche oft verkannte oder nicht genug erkannte Hindernisse und Hülfsmittel derselben aufmerksam gemacht werden.Zunächst mit der Geschichte der Lehre ist die Geschichte der theologischen Wissenschaften verbunden, die man, auch wie jene, Historiam doctrinae (der Gelehrsamkeit) genannt hat; denn von der Versäumniß oder der Aufklärung gewisser Arten der Kenntnisse, der Sprachkunde, Kritik, Philosophie, Geschichte und der schönen Wissenschaften, mußte freylich die Gestalt der theologischen Wissenschaften und somit auch der Vorstellungen von christlichen Lehren abhängen. Doch kan diese Geschichte eben sowohl für einen Theil der Literar- als der Kirchengeschichte angesehen werden. Sie müßte zeigen: wie die theologischen und die dazu diensamen Wissenschaften, oder doch Kenntnisse, von Zeit zu Zeit und in verschiedenen Gegenden, unter den Christen beschaffen gewesen, und wodurch sie zu- oder abgenommen; wer, wie weit und wodurch, auf diesen Fortgang oder Verfall Einfluß gehabt habe. Dadurch würden alle Theile der Kirchengeschichte gewinnen, und man würde auf manche oft verkannte oder nicht genug erkannte Hindernisse und Hülfsmittel derselben aufmerksam gemacht werden.
Man denke nur an die aus dem Judenthum und der Hieroglyphik andrer Völker ins Christenthum übergangne Allegoriesucht; an die aus der morgenländischen, griechischen und neuplatonischen Philosophie herübergeleitete Principien; an den Einfluß der theologischen Streitigkeiten seit dem 4ten Jahrhundert, und das dabey emporgekommene Ansehen menschlicher ge|a434|setzmäßig gemachten Entscheidungen; an die Wirkungen des ausgebreiteten Mönchsgeistes auf die Cultur; an den Einfluß des Origenes, Chrysostomus, Augustins, Gregorius des Grossen, der Scholastiker etc. der sogenannten Pietisten, auf Andre. – Einige Versuche in dieser Geschichte sind in der Anweisung etc. §. 389 angezeigt.
409.
Wenn die Verschiedenheit der Vorstellungen über gewisse Lehren oder der daher entstandenen Einrichtungen und Gebräuche für so wichtig angesehen wurde, daß man, wenigstens von der einen Seite
†) , glaubte, nicht mehr mit den hier anders Denkenden oder Handelnden äusserliche Kirchengemeinschaft unterhalten zu dürfen: so entstanden besondre Gesellschaften oder
Religionspartheyen, in welchen, durch eine entstandne eben so beurtheilte Verschiedenheit, wieder neue erzeugt wurden. Aller Nutzen, den die Geschichte der Lehre haben kan, findet auch bey der
Geschichte der Religionspartheyen statt, ja der Nutzen dieser letztern ist gewissermassen noch grösser, und diese Geschichte unterhaltender und lehrreicher, weil sie grosse Revolutionen, die in der Kirche durch solche Trennung entstanden sind, und keine blosse Gegenstände der Speculation, sondern Handlungen mit ihren Ursachen und Folgen, darstellt.Wenn die Verschiedenheit der Vorstellungen über gewisse Lehren oder der daher entstandenen Einrichtungen und Gebräuche für so wichtig angesehen wurde, daß man, wenigstens von der einen Seite
†) , glaubte, nicht mehr mit den hier anders Denkenden oder Handelnden äusserliche Kirchengemeinschaft unterhalten zu dürfen: so entstanden besondre Gesellschaften oder
Religionspartheyen, in welchen, durch eine entstandne eben so beurtheilte Verschiedenheit, wieder neue erzeugt wurden. Aller Nutzen, den die Geschichte der Lehre haben kan, findet auch bey der
Geschichte der Religionspartheyen statt, ja der Nutzen dieser letztern ist gewissermassen noch grösser, und diese Geschichte unterhaltender und lehrreicher, weil sie grosse Revolutionen, die in der Kirche durch solche Trennung entstanden sind, und keine blosse Gegenstände der Speculation, sondern Handlungen mit ihren Ursachen und Folgen, darstellt.
†) Denn meistens lag die Schuld der Trennung nicht an denen, die etwas Neues oder von den |a435| herrschenden Meinungen und Einrichtungen Abgehendes einzuführen schienen, sondern an der herrschenden Parthey, die nicht dulden wollte, und die Dissentirenden ausstieß. So wollten sich weder die Pelagianer noch Jansenisten von der Kirche trennen; selbst, ausgestossen durch Anathemen, haben sie keinen abgesonderten Gottesdienst oder andre Einrichtungen eingeführt, und, wo es gewissermassen, wie bey den holländischen Jansenisten, geschehen müssen, haben sie doch immer sich für Glieder der Kirche erklärt, die sie ausgestossen hatte. Blieb die Verschiedenheit nur in Meinungen: so entstand keine besondre äusserliche Parthey, wie man bey den Streitigkeiten in unsrer Kirche, den synkretistischen, pietistischen u. d. gl. sieht; wohl aber, wenn die Verschiedenheit äusserlicher Einrichtungen dazu kam, oder die Verschiedenheit in Meinungen keine äusserliche Gemeinschaft zuzulassen schien, wie bey den Trennungen der Taufgesinnten.
410.
In einer solchen Geschichte müßte der Ursprung und Fortgang einer solchen Parthey; ihr eigentlicher Unterschied von der Parthey, von der sie getrennt worden, und von Andern, sowohl in Lehren und Lehrvorstellungen, als auch in äusserlichen Einrichtungen; besonders müßten die genauern Bestimmungen in der Lehre, die sie entweder eingeführt, wenigstens mehr und als erheblicher hervorgezogen, oder nicht hätte zulassen, und jedermann aufgedrungen wissen wollen, sowohl nach den Erklärungen, die sie selbst, als die ihnen ihre Gegner gegeben, nebst der Wich|a436|tigkeit, die beyde auf den Unterschied gelegt hätten; desgleichen ihre Bekenntnißschriften und deren genau bestimmte Absicht, und weiter oder enger ausgedehnte Verbindlichkeit; die wieder in dieser Parthey entstandnen verschiednen Erklärungen eben derselben gemeinschaftlichen Lehre, die dadurch erzeugten Zwistigkeiten, oder gar Trennungen, und, auf eben die gedachte Art, die Geschichte, die Lehrvorstellungen und Einrichtungen dieser neuen Abtheilungen der Parthey; endlich die Annäherung an andre Partheyen, oder Zusammenschmelzung mit denselben, wenigstens die zu einer solchen Vereinigung gemachten Versuche, deutlich aus einander gesetzt, und alles so zusammenhängend vorgelegt werden, daß man die Mittel sich auszubreiten oder zu erhalten, die Ursachen und Folgen aller ihrer Meinungen, Unternehmungen und Einrichtungen einsähe.In einer solchen Geschichte müßte der Ursprung und Fortgang einer solchen Parthey; ihr eigentlicher Unterschied von der Parthey, von der sie getrennt worden, und von Andern, sowohl in Lehren und Lehrvorstellungen, als auch in äusserlichen Einrichtungen; besonders müßten die genauern Bestimmungen in der Lehre, die sie entweder eingeführt, wenigstens mehr und als erheblicher hervorgezogen, oder nicht hätte zulassen, und jedermann aufgedrungen wissen wollen, sowohl nach den Erklärungen, die sie selbst, als die ihnen ihre Gegner gegeben, nebst der Wich|a436|tigkeit, die beyde auf den Unterschied gelegt hätten; desgleichen ihre Bekenntnißschriften und deren genau bestimmte Absicht, und weiter oder enger ausgedehnte Verbindlichkeit; die wieder in dieser Parthey entstandnen verschiednen Erklärungen eben derselben gemeinschaftlichen Lehre, die dadurch erzeugten Zwistigkeiten, oder gar Trennungen, und, auf eben die gedachte Art, die Geschichte, die Lehrvorstellungen und Einrichtungen dieser neuen Abtheilungen der Parthey; endlich die Annäherung an andre Partheyen, oder Zusammenschmelzung mit denselben, wenigstens die zu einer solchen Vereinigung gemachten Versuche, deutlich aus einander gesetzt, und alles so zusammenhängend vorgelegt werden, daß man die Mittel sich auszubreiten oder zu erhalten, die Ursachen und Folgen aller ihrer Meinungen, Unternehmungen und Einrichtungen einsähe.
411.
Vorzüglich verdient diese Geschichte eine recht genaue Bearbeitung; sie ist aber auch vorzüglich schwer, weil sie eine ungemein ausgebreitete Kenntniß, selbst von der politischen und Literargeschichte, selbst von vielen kleinen, an Oertern, wo man sie nicht sucht, zerstreuten Nachrichten erfordert; weil, zumahl von unterdrückten oder ausgestorbnen Partheyen, entweder wenig Nachrichten bekannt, oder diese unterdrückt worden, oder diese Partheyen sich nicht deutlich erklärt, oder ihre Gegner die Vorstellungen sol|a437|cher Partheyen zu sehr nach ihren eignen Vorstellungen genommen haben; nirgends aber der Partheygeist mehr als hier die Sachen verstellt hat, entweder eigne Fehler zu bedecken, und unsichtbar zu machen, oder die Fehler der Andern in einem gehäßigem Lichte vorzustellen. Auf ein genaues und unpartheyisches Zeugenverhör, das den Werth und die Beschaffenheit der Nachrichten bis auf seine kleinsten Falten entwickelt, kommt hier das Meiste an; aber oft fehlt es an Zeugen, oder sie widersprechen einander, oder sind sonst verdächtig; und daher ist die Aufspürung und wahrscheinliche Zusammensetzung kleiner Spuren, verglichen mit der Denkungs- und Handlungsart der Menschen überhaupt, noch mehr aber der dabey Intereßirten, durch Spuren in ihren sonst bekannten Umständen, oder doch aus den Sitten der Zeit, des Landes und der Gesellschaft , eben so nothwendig.Vorzüglich verdient diese Geschichte eine recht genaue Bearbeitung; sie ist aber auch vorzüglich schwer, weil sie eine ungemein ausgebreitete Kenntniß, selbst von der politischen und Literargeschichte, selbst von vielen kleinen, an Oertern, wo man sie nicht sucht, zerstreuten Nachrichten erfordert; weil, zumahl von unterdrückten oder ausgestorbnen Partheyen, entweder wenig Nachrichten bekannt, oder diese unterdrückt worden, oder diese Partheyen sich nicht deutlich erklärt, oder ihre Gegner die Vorstellungen sol|a437|cher Partheyen zu sehr nach ihren eignen Vorstellungen genommen haben; nirgends aber der Partheygeist mehr als hier die Sachen verstellt hat, entweder eigne Fehler zu bedecken, und unsichtbar zu machen, oder die Fehler der Andern in einem gehäßigem Lichte vorzustellen. Auf ein genaues und unpartheyisches Zeugenverhör, das den Werth und die Beschaffenheit der Nachrichten bis auf seine kleinsten Falten entwickelt, kommt hier das Meiste an; aber oft fehlt es an Zeugen, oder sie widersprechen einander, oder sind sonst verdächtig; und daher ist die Aufspürung und wahrscheinliche Zusammensetzung kleiner Spuren, verglichen mit der Denkungs- und Handlungsart der Menschen überhaupt, noch mehr aber der dabey Intereßirten, durch Spuren in ihren sonst bekannten Umständen, oder doch aus den Sitten der Zeit, des Landes und der Gesellschaft , eben so nothwendig.
Die bisherigen Versuche in diesem Fache s. in der Anweisung etc. §. 472 flgg. Noch ist C. W. F. Walchs Entwurf einer vollständigen Historie der Ketzereyen etc. Leipz. 1762–1785. in 11 Theilen in gr. 8. das musterhafteste Werk dieser Art, wenigstens in Absicht auf das Zeugenverhör, hauptsächlich vom 5ten Theil an. Aber wer giebt uns eine eben so gute Fortsetzung über die folgende größtentheils noch dürftigere oder verwirrtere Geschichte solcher Partheyen? In Absicht auf einen Theil der Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirche wird es die (plankische) Geschichte der Entstehung, der Veränderungen und der Bildung des protestantischen Lehrbegriffs werden, wovon bisher erst 2 Bände, Leipz. 1781 und 83 in gr. 8. erschienen sind.
|a438| 412.
Man kan nicht sagen, daß man eine Gesellschaft kenne, wenn man nicht die Absicht kennt wozu sie zusammengetreten ist, oder vereinigt bleibt, und wenn man der Einrichtungen unkundig ist, die zur Beförderung und Erhaltung dieser Absicht gemacht worden sind; ja selbst darum ist die Kenntniß ihrer Geschichte nothwendig, um solche Absichten und die deswegen eingeführten Anstalten nebst deren Abänderungen zu begreifen. Diese Anstalten und Einrichtungen zusammengenommen nennt man die Verfassung einer solchen Gesellschaft, dergleichen auch bey der christlichen Kirche, als einer Gesellschaft betrachtet, statt finden muß; und so fällt in die Augen, daß ihre Kenntniß eben so nothwendig sey als die Kenntniß der christlichen Kirchengeschichte, wiewohl sie auf einander ein wohlthätiges Licht werfen. Billig sollte man also diese Kenntniß der christlichen Kirchenverfassung von der christlichen Kirchengeschichte selbst absondern, ohngefehr so, wie man die Statistik von der Staatengeschichte getrennt hat. Weil aber dieses noch nicht, wenigstens nicht nach dem ganzen Umfang dieser Verfassung, geschehen ist, und doch die Kenntniß der einen von der andern abhängt: so nehmen wir sie hier als einen Theil der christlichen Kirchengeschichte.Man kan nicht sagen, daß man eine Gesellschaft kenne, wenn man nicht die Absicht kennt wozu sie zusammengetreten ist, oder vereinigt bleibt, und wenn man der Einrichtungen unkundig ist, die zur Beförderung und Erhaltung dieser Absicht gemacht worden sind; ja selbst darum ist die Kenntniß ihrer Geschichte nothwendig, um solche Absichten und die deswegen eingeführten Anstalten nebst deren Abänderungen zu begreifen. Diese Anstalten und Einrichtungen zusammengenommen nennt man die Verfassung einer solchen Gesellschaft, dergleichen auch bey der christlichen Kirche, als einer Gesellschaft betrachtet, statt finden muß; und so fällt in die Augen, daß ihre Kenntniß eben so nothwendig sey als die Kenntniß der christlichen Kirchengeschichte, wiewohl sie auf einander ein wohlthätiges Licht werfen. Billig sollte man also diese Kenntniß der christlichen Kirchenverfassung von der christlichen Kirchengeschichte selbst absondern, ohngefehr so, wie man die Statistik von der Staatengeschichte getrennt hat. Weil aber dieses noch nicht, wenigstens nicht nach dem ganzen Umfang dieser Verfassung, geschehen ist, und doch die Kenntniß der einen von der andern abhängt: so nehmen wir sie hier als einen Theil der christlichen Kirchengeschichte.
|a439| 413.
In ihrem ganzen Umfang müßte diese Geschichte vorstellen: 1) den äusserlichen Unterschied der Christen, d. i. anfänglich nur zwischen Unterrichtenden und Zuhörern, mit gleichen Rechten bey öffentlichen Angelegenheiten, hernach in schon geordneten Gemeinen, bey zunehmenden Vorzügen der an eine Gemeine gebundenen Lehrer, zwischen Klerikern und Laikern, so wie unter jenen, zwischen Bischöfen, Aeltesten, Diakonen und den niedrigern Kirchendienern, nebst allen erst nach und nach entstandnen Abtheilungen dieser Arten, unter diesen aber zwischen Katechumenen, Gläubigen und Gefallnen, mit Einschluß der Mönche und Orden, als einer Mittelgattung, seit dem 4ten Jahrhundert – den Unterschied zwischen einzlen Gemeinen und nach und nach entstandnen engern und weitern Diökesen – die eingeführte Kirchenzucht und nachwärts aufgekommene, sehr mannichfaltig abgeänderte, Gerichtsbarkeit – die verschiednen Arten von blossen Lehranstalten, Synoden oder Concilien von sehr verschiednen Umfang und Ansehn, Kirchengesetze und Kirchenordnungen, als Mittel, den Wohlstand der Gemeinen, und nachher die Gerichtsbarkeit, zu erhalten – die bey dem Gottesdienst und kirchlichen Handlungen eingeführten Gebräuche, und darüber gemachte Ordnungen in Liturgien, Pönitentialbüchern u. d. gl. 2) Alles dieses in seiner ganzen Verschiedenheit in verschiednen Kirchen und Ländern sowohl als Zeiten, |a440| und 3) bey entstandnen verschiednen, keine Kirchengemeinschaft mehr mit den andern unterhaltenden, Kirchenpartheyen; 4) das hienach sehr verschiedne Verhältniß der Kirchen gegen nicht christliche und hernach gegen christliche Obrigkeiten, der Gemeinen und Diökesen gegen einander, und eben so der verschiednen Kirchenpartheyen gegen einander (z. B. in Absicht auf Wiedertaufe der Uebergetretnen); endlich 5) die jedesmaligen Ursachen und Folgen des Aufkommens oder der verschiednen Einrichtungen aller solcher Anstalten, besonders in Absicht auf die mannichfaltige Gestalt und den dadurch sehr verschieden gebildeten Charakter der Christen.In ihrem ganzen Umfang müßte diese Geschichte vorstellen: 1) den äusserlichen Unterschied der Christen, d. i. anfänglich nur zwischen Unterrichtenden und Zuhörern, mit gleichen Rechten bey öffentlichen Angelegenheiten, hernach in schon geordneten Gemeinen, bey zunehmenden Vorzügen der an eine Gemeine gebundenen Lehrer, zwischen Klerikern und Laikern, so wie unter jenen, zwischen Bischöfen, Aeltesten, Diakonen und den niedrigern Kirchendienern, nebst allen erst nach und nach entstandnen Abtheilungen dieser Arten, unter diesen aber zwischen Katechumenen, Gläubigen und Gefallnen, mit Einschluß der Mönche und Orden, als einer Mittelgattung, seit dem 4ten Jahrhundert – den Unterschied zwischen einzlen Gemeinen und nach und nach entstandnen engern und weitern Diökesen – die eingeführte Kirchenzucht und nachwärts aufgekommene, sehr mannichfaltig abgeänderte, Gerichtsbarkeit – die verschiednen Arten von blossen Lehranstalten, Synoden oder Concilien von sehr verschiednen Umfang und Ansehn, Kirchengesetze und Kirchenordnungen, als Mittel, den Wohlstand der Gemeinen, und nachher die Gerichtsbarkeit, zu erhalten – die bey dem Gottesdienst und kirchlichen Handlungen eingeführten Gebräuche, und darüber gemachte Ordnungen in Liturgien, Pönitentialbüchern u. d. gl. 2) Alles dieses in seiner ganzen Verschiedenheit in verschiednen Kirchen und Ländern sowohl als Zeiten, |a440| und 3) bey entstandnen verschiednen, keine Kirchengemeinschaft mehr mit den andern unterhaltenden, Kirchenpartheyen; 4) das hienach sehr verschiedne Verhältniß der Kirchen gegen nicht christliche und hernach gegen christliche Obrigkeiten, der Gemeinen und Diökesen gegen einander, und eben so der verschiednen Kirchenpartheyen gegen einander (z. B. in Absicht auf Wiedertaufe der Uebergetretnen); endlich 5) die jedesmaligen Ursachen und Folgen des Aufkommens oder der verschiednen Einrichtungen aller solcher Anstalten, besonders in Absicht auf die mannichfaltige Gestalt und den dadurch sehr verschieden gebildeten Charakter der Christen.
414.
Hier ist ein in der That noch sehr unbebautes Feld, das wenige ausgenommen, was hierüber in den Kirchengeschichten sehr im Allgemeinen gesagt wird, oder in Absicht auf besondre Theile dieser Verfassung in einigen gelehrten Werken geschehen ist. Zwar hat man daraus unter dem Namen der christlichen Alterthümer eine besondere Wissenschaft zu machen gesucht, (s. die Anweisung zur theol. Bücherkenntniß §. 435 f.) aber in den meisten allgemeinern Werken dieser Art, dem Bingham z. B. und seinen Ausschreibern, wird man fast durchaus die so sehr verschiednen Zeiten und Kirchen in verschiednen Gegenden unter einander geworfen, und Einrichtungen der ältern christlichen Kirche beygelegt finden, |a441| die nur hie und da oder dann und wann üblich waren; sie gehen bey weitem nicht über die ganze Kirche, zumahl der neuern Zeiten, ja gemeiniglich nicht über das 4te oder 6ste Jahrhundert hinaus; zeigen meistens nur gewisse vorhandne Einrichtungen an, ohne ihren Ursprung, Absicht und Fortgang zu untersuchen; und erstrecken sich nur auf Einrichtungen der herrschenden Kirche, unbekümmert um die Einrichtung der verschiedenen Partheyen.Hier ist ein in der That noch sehr unbebautes Feld, das wenige ausgenommen, was hierüber in den Kirchengeschichten sehr im Allgemeinen gesagt wird, oder in Absicht auf besondre Theile dieser Verfassung in einigen gelehrten Werken geschehen ist. Zwar hat man daraus unter dem Namen der christlichen Alterthümer eine besondere Wissenschaft zu machen gesucht, (s. die Anweisung zur theol. Bücherkenntniß §. 435 f.) aber in den meisten allgemeinern Werken dieser Art, dem Bingham z. B. und seinen Ausschreibern, wird man fast durchaus die so sehr verschiednen Zeiten und Kirchen in verschiednen Gegenden unter einander geworfen, und Einrichtungen der ältern christlichen Kirche beygelegt finden, |a441| die nur hie und da oder dann und wann üblich waren; sie gehen bey weitem nicht über die ganze Kirche, zumahl der neuern Zeiten, ja gemeiniglich nicht über das 4te oder 6ste Jahrhundert hinaus; zeigen meistens nur gewisse vorhandne Einrichtungen an, ohne ihren Ursprung, Absicht und Fortgang zu untersuchen; und erstrecken sich nur auf Einrichtungen der herrschenden Kirche, unbekümmert um die Einrichtung der verschiedenen Partheyen.
415.
Gleichwohl ist die Kenntniß dieser Verfassung theils unentbehrlich, theils wenigstens sehr nützlich, 1) weil weder die Denkmähler, noch die Schriften, worauf sich die Kenntniß der Kirchengeschichte gründet, noch irgend ein Theil der Kirchengeschichte selbst, ohne diese Kenntniß verstanden werden kan. – Denn, so wie falsche Meinungen oder Mißverstand richtiger Lehren Gelegenheit zu gewissen Kircheneinrichtungen gegeben hat: so, umgekehrt, wurden diese wieder eine Veranlassung zu Irrthümern
†) . Aeusserliche Einrichtungen gaben eben sowohl Gelegenheit zu Spaltungen und besondern Partheyen, als der Unterschied in Lehren und Vorstellungen.
*) – Ausbreitung des Christenthums wurde immer mehr Ausbreitung der Kirche, und der kirchlichen als der christlichen Lehren
††) . – Und überhaupt läßt sich schlechterdings nicht erklären, wie gewisse Lehren, Vorstellungen oder Ge
|a442|wohnheit herrschend worden sind, und mit den wesentlichen Lehren des Christenthums einerley Rang oder gar Vorrang bekommen haben; wie das sanfte und leichte Joch Christi in das eiserne Joch der Kirche verwandelt, das innere Christenthum durch das äusserliche verdrängt worden, der Geist des Christenthums, der nur durch Ueberzeugung und Liebe wirken soll, in Zwang und Unterdrückung ausgeartet, aus einer Gesellschaft, wo wir alle Brüder, und nur Einer, Christus, unser Herr seyn soll, ein geistlicher Staat entstanden sey, als aus der nach und nach entsprungenen und umgebildeten Verfassung der Kirche.
†††) .Gleichwohl ist die Kenntniß dieser Verfassung theils unentbehrlich, theils wenigstens sehr nützlich, 1) weil weder die Denkmähler, noch die Schriften, worauf sich die Kenntniß der Kirchengeschichte gründet, noch irgend ein Theil der Kirchengeschichte selbst, ohne diese Kenntniß verstanden werden kan. – Denn, so wie falsche Meinungen oder Mißverstand richtiger Lehren Gelegenheit zu gewissen Kircheneinrichtungen gegeben hat: so, umgekehrt, wurden diese wieder eine Veranlassung zu Irrthümern
†) . Aeusserliche Einrichtungen gaben eben sowohl Gelegenheit zu Spaltungen und besondern Partheyen, als der Unterschied in Lehren und Vorstellungen.
*) – Ausbreitung des Christenthums wurde immer mehr Ausbreitung der Kirche, und der kirchlichen als der christlichen Lehren
††) . – Und überhaupt läßt sich schlechterdings nicht erklären, wie gewisse Lehren, Vorstellungen oder Ge
|a442|wohnheit herrschend worden sind, und mit den wesentlichen Lehren des Christenthums einerley Rang oder gar Vorrang bekommen haben; wie das sanfte und leichte Joch Christi in das eiserne Joch der Kirche verwandelt, das innere Christenthum durch das äusserliche verdrängt worden, der Geist des Christenthums, der nur durch Ueberzeugung und Liebe wirken soll, in Zwang und Unterdrückung ausgeartet, aus einer Gesellschaft, wo wir alle Brüder, und nur Einer, Christus, unser Herr seyn soll, ein geistlicher Staat entstanden sey, als aus der nach und nach entsprungenen und umgebildeten Verfassung der Kirche.
†††) .
†) So gab die Einbildung vom Fegfeuer oder Reinigung nach dem Tode und die übertriebne Achtung gegen Heilige und Märtyrer, Gelegenheit zu Einführung der Seelmessen, zur Kanonisation und Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien, den Wallfahrten nach heiligen Oertern u. d. gl. und umgekehrt, veranlaßten Kircheneinrichtungen, als die ungebührliche Erhebung der Geistlichen über die Laien, daß der Gebrauch des Brodts im heiligen Abendmahl allein Dogma der Kirche wurde; die Einführung der Beichte und der von Priestern geweyhten Dinge, daß die Lehre von den sieben Sacramenten, und von der Kraft aufkam, die sie erst von dem Priester bekommen; unbestimmte und grob verstandne Kirchenformeln, z. B. Meßkanon, daß die Lehre vom Meßopfer, der Brodtverwandlung u. s. f. entstand.
*) Wie die Geschichte der Montanisten, Novatianer, Meletianer, Quartodecimaner, Luciferianer, der Gegner der chalcedonischen Kirchenversammlung, der Trennung der griechischen |a443| von der lateinischen Kirche seit dem 9ten Jahrhundert, der Bogomilen, der Hußiten u. a. von der römischen Kirche, lehrt.
††) Geschichte der Bekehrung der Angelsachsen im 6sten, der Deutschen und Sachsen durch Bonifacius u. a. im 8ten, der Bulgarn im 9ten Jahrhundert.
†††) Die ganze Geschichte der Concilien, der Patriarchen, Metropolitanen und Bischöfe, und ihrer Streitigkeiten unter einander, sonderlich der Päbste und des Pabstthums, ist ein Commentar hierüber.
416.
Und sonach kan ohne diese Kenntniß 2) kein Lehrsatz, der, ausser den klaren Sätzen der Vernunft und den ausdrücklichen Aussprüchen der heiligen Schrift, in die Theologie aufgenommen worden, gründlich, und für die, welche kirchliche Tradition als Quelle der christlichen Wahrheit annehmen, überzeugend beurtheilt, noch die Unverbindlichkeit besondrer Vorstellungen von einer christlichen Lehre für jeden Christen, deutlich dargethan, noch 3), zur Aufrechterhaltung der christlichen Freyheit, hinlänglich gezeigt werden, daß gewisse positive Kirchenrechte uns gar nicht verbinden
†) . Sehr nützlich ist endlich diese Kenntniß 4) um den Ursprung und die Absichten solcher Einrichtungen kennen zu lernen, die wir noch in unsern Kirchen haben, wohin sie aus dem frühern oder spätern Alterthum ge
|a444|kommen sind, und danach ihren wahren Werth oder Verbindlichkeit zu beurtheilen
††) .Und sonach kan ohne diese Kenntniß 2) kein Lehrsatz, der, ausser den klaren Sätzen der Vernunft und den ausdrücklichen Aussprüchen der heiligen Schrift, in die Theologie aufgenommen worden, gründlich, und für die, welche kirchliche Tradition als Quelle der christlichen Wahrheit annehmen, überzeugend beurtheilt, noch die Unverbindlichkeit besondrer Vorstellungen von einer christlichen Lehre für jeden Christen, deutlich dargethan, noch 3), zur Aufrechterhaltung der christlichen Freyheit, hinlänglich gezeigt werden, daß gewisse positive Kirchenrechte uns gar nicht verbinden
†) . Sehr nützlich ist endlich diese Kenntniß 4) um den Ursprung und die Absichten solcher Einrichtungen kennen zu lernen, die wir noch in unsern Kirchen haben, wohin sie aus dem frühern oder spätern Alterthum ge
|a444|kommen sind, und danach ihren wahren Werth oder Verbindlichkeit zu beurtheilen
††) .
†) Z. B. alles das, was auf der angeblich göttlichen Einführung der bischöflichen Würde und dem sogenannten
Primat des römischen Bischofs beruht. S. das unschätzbare Werk de la Primauté en l'Eglise, par D.
Blondel und andre in der
Anweisung etc. §. 453 genannte Werke.
††) So hat der Exorcismus in der Taufe, wenn er ja schon zu
Cyprians Zeit im dritten Jahrhundert in Africa üblich war, (wie man aus dessen 76sten Brief S. 157 nach Baluze Ausgabe, geschlossen hat,) sicherlich aus der Einbildung, (die
Tertullian de anima c. 39 und 57 erwehnt,) daß der Satan in den Heiden-Kindern wohnte, und durch die Anrufung der Götzen bey der Niederkunft der Weiber eingeladen würde, solche Kinder zu bewohnen, oder aus einer ähnlichen Grille, seinen Ursprung. – Der unter uns noch herrschende unbiblische, und gewiß aus der spätern römischen Kirche herübergeleitete Begrif von
Consecration des heiligen Abendmahls, wodurch Brodt und Wein der Leib und das Blut Christi werden, und die Kraft desselben bekommen sollen, ist ganz gegen den Sprachgebrauch der ältesten christlichen Kirche (s.
Pfaffs Disp. de consecr. Euch. vet. in s. Syntagm. Diss. p. 407 sq.
und
Ernesti Antimur. p. 24 sq.), die das Wort nicht anders als 1 Tim. 4, 5. nahm. – So ist der Gebrauch unsrer evangelischen und epistolischen Texte (Pericopen), die man billig mit meistens weit lehrreichern Stellen der Bibel vertauschen sollte, lange nicht so alt als man sich gemeiniglich einbildet, wie man sich aus dem alten römischen Calen
|a445|dario in
Martene und
Durand thesauro novo anecdot. Tom. V. p. 65 seq. leicht überzeugen kan. – Und der in unsern Formeln bey der Taufe der
Kinder übliche (selbst gegen die Apolog. Aug. Confess. p. 51 laufende) Ausdruck: „was ihm von Adam angebohren ist, und
er selbst dazu gethan hat,“ war in alten Agenden nur auf dem Rande gesetzt, als ein Ausdruck, der bey der Taufe
erwachsener Personen sollte hinzugefügt werden, und ist aus Unverstand oder Irrthum hernach in den Text gezogen, und allgemein gemacht worden. (S.
Hartknochs preußische Kirchenhist. S. 637.)
417.
Die Ursachen sowohl der Einführung als der Veränderungen solcher besondern Einrichtungen in gewissen Kirchen zu entdecken, ist, ausser den andern allgemeinern Hülfsmitteln und Kenntnissen bey der Kirchengeschichte, vorzüglich nöthig, die bürgerlichen Verfassungen zu der Zeit und an dem Ort, wo sie entstanden, die Beschaffenheit des Klima, die Volksmeinungen sowohl, als die unter den Gelehrtern herrschende philosophischen Hypothesen, auch Kirchentheologie, und überhaupt die Meinungen, Gebräuche und andre Einrichtungen, die unter Juden und Heiden, da, wo Kirchen gepflanzt worden, üblich gewesen, und wonach man sich bey den Einrichtungen der Kirchen sehr gerichtet hat, nebst den Verbindungen zu kennen, in welchen solche Kirchen mit andern gestanden, und was in diesen für Einrichtungen getroffen worden.Die Ursachen sowohl der Einführung als der Veränderungen solcher besondern Einrichtungen in gewissen Kirchen zu entdecken, ist, ausser den andern allgemeinern Hülfsmitteln und Kenntnissen bey der Kirchengeschichte, vorzüglich nöthig, die bürgerlichen Verfassungen zu der Zeit und an dem Ort, wo sie entstanden, die Beschaffenheit des Klima, die Volksmeinungen sowohl, als die unter den Gelehrtern herrschende philosophischen Hypothesen, auch Kirchentheologie, und überhaupt die Meinungen, Gebräuche und andre Einrichtungen, die unter Juden und Heiden, da, wo Kirchen gepflanzt worden, üblich gewesen, und wonach man sich bey den Einrichtungen der Kirchen sehr gerichtet hat, nebst den Verbindungen zu kennen, in welchen solche Kirchen mit andern gestanden, und was in diesen für Einrichtungen getroffen worden.
|a446| 418.
Einige Theile dieser Verfassung, oder die Geschichte besondrer Arten von kirchlichen Einrichtungen, sind schon einzeln bearbeitet worden, als: die
Hierarchie, die
religiösen Orden, die
Kirchengesetze allerley Art, die
Kirchenversammlungen, und was zur
Liturgie gehört, wenigstens fehlt es nicht an Hülfsmitteln dazu
†) , in welchen noch grosse Schätze unbearbeitet liegen. Es wäre, nach dem, was bisher schon gesagt worden, überflüßig, den Nutzen des Studiums dieser besondern Theile, oder die Art, wie sie studiert werden müßten, anzugeben. Ob jemand diese Theile? welche? und in welcher Rücksicht? er sie besonders zu treiben habe, muß jeden sein eignes Bedürfniß lehren. Für den künftigen Lehrer der Religion unter uns möchte das besondre Studium der Geschichte der Hierarchie überhaupt, und besonders der Päbste und des Pabstthums
††) , so wie unsrer evangelisch-lutherischen Kircheneinrichtungen, sie mögen erst durch die Reformation eingeführt, oder aus der Kirche vor der Reformation genommen seyn, die meiste Wichtigkeit haben.Einige Theile dieser Verfassung, oder die Geschichte besondrer Arten von kirchlichen Einrichtungen, sind schon einzeln bearbeitet worden, als: die
Hierarchie, die
religiösen Orden, die
Kirchengesetze allerley Art, die
Kirchenversammlungen, und was zur
Liturgie gehört, wenigstens fehlt es nicht an Hülfsmitteln dazu
†) , in welchen noch grosse Schätze unbearbeitet liegen. Es wäre, nach dem, was bisher schon gesagt worden, überflüßig, den Nutzen des Studiums dieser besondern Theile, oder die Art, wie sie studiert werden müßten, anzugeben. Ob jemand diese Theile? welche? und in welcher Rücksicht? er sie besonders zu treiben habe, muß jeden sein eignes Bedürfniß lehren. Für den künftigen Lehrer der Religion unter uns möchte das besondre Studium der Geschichte der Hierarchie überhaupt, und besonders der Päbste und des Pabstthums
††) , so wie unsrer evangelisch-lutherischen Kircheneinrichtungen, sie mögen erst durch die Reformation eingeführt, oder aus der Kirche vor der Reformation genommen seyn, die meiste Wichtigkeit haben.
†) S. Anweisung zur Kenntniß der Bücher etc. §. 423–447 und 451–469.
††) Pabstthum heißt manchmal der Inbegrif derjenigen Lehren, die durch das Ansehen der römischen Bischöfe eingeführt worden sind; und so wäre dessen Geschichte ein Theil der Geschichte christlicher Lehre. Bisweilen aber begreift man |a447| darunter den ganzen Umfang der päbstlichen Macht, oder der angeblichen Rechte der römischen Bischöfe, und ihren Einfluß auf die Veränderungen der Lehre und der Kirche; und die Geschichte desselben würde den Ursprung, Fortgang und Abfall dieser Macht, nebst den Ursachen derselben, oder den dazu gebrauchten Mitteln, und die dadurch entstandnen Wirkungen, in sich fassen müssen.