Das Christenthum will aus seinen Anhängern nicht Philosophen machen die Systeme ausspinnen; nicht Schwärmerc1 die Gesichter sehen;c2 sondern − Gute Menschen! welche die menschliche Gesellschaft, und hiemit auch sich selbst, auf alle Weise beglückenc3 − Freunde Gottes und Wohltäterbc4 des menschlichen Geschlechts! Darum beschäftiget es sich, nicht mit raren Fällen aus andern Welten, nicht mit glänzenden Disputationen; sondern mit Anordnung des häuslichen, alltäglichen Lebens: es leitet die Religion, Furcht und Liebe Gottesc5, in das Cabinetc6 des Fürsten, die Arbeits-Zimmer des Kaufmanns und Gelehrten, die Werkstäte des /cHandwerks-Manns,c\ ∥c7 die Hütte des Tagelöners.
|a30| Hier sehen wir Jesum in Gesellschaft, an der Tafel der Zolleinnehmer, welche für die Römer die Abgaben eintrieben; auch ofte Betrüger, Unterdrücker, ∥c8 Lasterhafte waren. Die Juden verachteten und haßten sie deswegen aufs äusserste; Zöllner, und Bösewichtc9 war bey ihnen einerlei. {versbc10 1} Diese Zolleinnehmer, und |b27| |c27| /bcSünder, (Bösewichter)bc\ ∥bc11 naheten sich /bcJesu,bc\ ∥bc12 (suchten seine Bekandschaft, seinen Umgang)bc13 daß sie ihn höreten.bc14 (seine Lehre, und Unterricht anzuhören). Und Jesus erfüllete ihr Gesuch, da es ihm Anlaß gab, sie durch Lehre und Beispiele zu bessern.c15 − {versbc16 2} Die Pharisäer (eine Sectec17, die den Ruhm der Heiligen durch allerlei Fasten, Waschenc18 und andere körperliche Handlungen zu erschleichen suchte,) und /cSchriftgelehrten,b19 (Leutec\ ∥c20 welche sich mit Auslegung des Gesezesb21 /cGottes beschäftigten)b22 c\ ∥c23 also die Gözen des Volks, die vermeinten grossen Kenner des göttlichen Gesezes, murreten und sprachen, dieser nimt die Sünder an und isset mit /cihnen.b24 (istc\ ∥c25 ein Freund der Bösewichter, und gehet beibc26 ihnen zu Gaste)bc27 − So ward die Weisheit von den Thoren verdamt! Freilich würde das Jesusc29 nicht gethan haben, wenn er Menschenc30 die durch allerlei glänzende Systeme und Prahlereien Aufsehen machen, wenn er Pharisäer und Gesezgelehrte hätte ziehen wollen! − Dies war die Veranlassung zu der {versbc31 3−Ende des Kapitelsbc32 } Rede Jesu,b33 welche eines der schönsten und wichtigsten Stücke der Bibel ist,c34 und die prächtigste erhabenste Beschreibung von der Gottheitc35 macht.
|a31| Er beschreibet Gottes väterliche Gesinnung, gegen alles was Mensch ist, unter den so schönen, als rürenden Bildern, /bceines Hirtenbc\ ∥bc36 der sein /cSchaaf, einerb37 c\ ∥c38 Frau, die ihren verlohrnen Groschen sucht,c39 und /bceines Vatersbc\ ∥bc40 der seinen sich bessernden Sohn mit Freuden aufnimt. {versbc41 3−7} Erc42 sagte aber zu ihnen dies Gleich|b28||c28|niß, und sprach.bc43 Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schaafe hat, und so er der Eines verleuret;c44 der nicht lasse die neun und neunzig in der Wüsten.b45 (dasc46 griechische Wort bedeutet nicht bloß Wüste, eine ganz unfruchtbahre, nur von wilden Thieren bewohnte Gegend; sondern auch Weide;c47 eine Gegend die nicht von Menschen bewohnet wird, weil sie bequem zur Viehweide ist. 1 Buch Mos. 21, 20. 21. 2 Buch Mos. 3, 1. 5. 6. Neun und neunzig Schaafe in der Wüste lassen; das hiesse, sie alle Preis gebenbc48 um Eines wiederzufindenbc49. Aber er ließ sie auf der Weide; also in völliger Sicherheit und Wohlstande.)bc50 Und wenn ers funden hat, so leget ers auf seine Achseln mit Freuden. Und wenn er heim kommt, rufet er seinen Freunden und Nachbarn, und spricht zu /cihnen: Freuetc\ ∥c51 euch mit mir, denn ich habe mein Schaaf funden, das verlorenbc52 war. Ich sage /ceuch: Alsoc\ ∥c53 wird auch Freude im Himmel seync54 über einen Sünder, der Busse thut, vor neun und neunzig Gerechten, die der Busse nicht bedürfen. v. 3−7. − Gerechte,bc55 (besser, Tugendhafte)bc56 sind hier eingebildete tugendhafte, Menschen die, wie die |a32| stolzen, heuchlerischen Pharisäer, von der unwissenden betrogenen Welt, für tugendhafte gehalten werden; auch sich selbst es einbilden. Denn, diese Rede Jesu ist eine Antwort an die Pharisäer, auf ihre Schmähung, versc57 1. 2. „Im Himmel, sagt also Jesus zu diesen Heuchlern, ist mehr Freude über einen solchen von euch verachteten, sich bessernden Zöll|b29||c29|ner; als über neun und neunzig /csolche stolze, heuchlerisch-tugendhaftec\ ∥c58, dergleichen ihr seyd.“
{versbc59 8−10} Oder welch Weib ist, die zehen Groschen hat, so sie der einen verleuret: die nicht ein Licht anzünde, und kehre das Haus, und suche mit Fleiß, bis daß sie ihn finde. Und wenn sie ihn funden hat, rufet sie ihren Freundinnen und Nachbarinnen, und spricht; freuet euch mit mir, denn ich habe meinen Groschen funden, den ich verloren hatte. Also auch sage ich euch, wird Freude seyn vor (bei) den Engeln Gottes, über einen Sünder der Busse thut (der sich bessert)bc60 − Bei den Engeln Gottesc61? und ∥c62 Seeligen im Himmel? versc63 7. Wissen denn diese, was auf der Erde vorgehet? − Warum nicht? Gott kan es ihnen ja kund machen; die Geister können in einer uns ganz unbekanten Verbindung stehen; und tausend andere Wege sind möglichbc64 dieses zu ihrer Wissenschaft zu bringen. − − Aber, so kan man sie ja anbeten! − Aber wissen sie denn alles, was unter uns vorgeht? Und wo hat uns Gottc65 an ihre Fürsprache gewiesen? Erc66 will ja vielmehr ausdrücklich, daß wir uns unmittelbahr an Ihnc67 wenden sollen. Matth. 4, 10.
|a33| {versbc68 11−Ende des Capitelsc69.} Und er sprach (Ferner sprach er)bc70 Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngste sprach zum /cVater.b71 Gibc\ ∥c72 mir, Vater, das Theil der Güter das mir gehöret. (vermuthlich wolltec73 er damit einen Handel anfangen)bc74 Und der Vater theiletebc75 − Und nicht lange darnach samlete der jüngste Sohn alles zusammen, und zog ferne über Land: daselbst brachte er sein Gut durch mit /c/bPrassen.b\ (durch Schwelgen und Unzuchtc\ ∥c76 v. 30.)bc77 Da er nun allec79 das seinec80 verzehret hatte: ward eine grosse Theurung durch dasselbige ganze Land, und er fing an zu darben. Und ging hin, und hengete sich an einen Bürger (genauer, er vermiethete sich, er gieng in Dienst) desselbigen Landes, der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten.b81 (dies zeigt, wie groß seine Noth war. Denn die Juden hatten, wie auch noch, einen Abscheu fürc82 den Schweinen)bc83 Und er begehrete seinen Bauch zu füllen mit Trebern,bc84 (genauer, Hülsen von Bohnen oder Erbsen);bc85 und niemand gab sie ihm. Da schlug er in /csich,b86 (dac\ ∥c87 kam er zum Besinnen; zu sich selbst. Das Lasterleben hatte ihn ausser sich gesezt: die Noth fürte ihn in sich selbst zurück)bc88 und sprach: wie viel Taglöhner hat mein Vater, die Brodt die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger (sterbe Hungers.)bc89 Ich will mich aufmachen, und zu meinem Vater gehen, und zu ihm sagen:c90 Vater, ich habe gesündiget in den Himmel, und vor dir.bc91 (habe mich an Gottc92, und dir versündigt)bc93 Ich bin fort nicht werth, daß ich dein Sohn heisse; mache mich als |a34| einen deiner Taglöhnerc94. Und er machte sich auf, und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war:c95 sahe ihn sein Vater, und jammerte |b31| |c31| ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals, und küssete ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm:c96 Vater, ich habe gesündiget in den Himmel und vor dir; ich bin fortbc97 nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heisse. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten:c98 bringet das beste Kleid hervor, und thut ihn an,c99 und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand, und Schuh an seine Füsse; und bringet ein gemästet Kalb her, und schlachtets, lasset uns essen und frölich seyn; denn dieser mein Sohn war todt, und ist wieder lebendig worden; er war verloren, und ist funden worden. Und fingen an frölich zu seyn (genauer, und man gieng zur Tafel)[.]bc100 Aber der älteste Sohn war auf dem Felde; und als er nahe zum Hause kam, hörete er das Gesänge und den Reigen; und rief zu sich der Knechte einen, und fragte, was das wäre? Der aber sagte ihm:c101 dein Bruder ist kommen; und dein Vater hat ein gemästet Kalb geschlachtet, daß er ihn gesund wieder hat. Da ward er zornig, und wolte nicht hinein gehen. Da gingc102 sein Vater heraus, und bat ihn. Er antwortete aber, und sprach zum Vater:c103 siehe, so viel Jahrbc104 diene ich dir, und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden frölich wäre; Nun |a35| aber dieser dein Sohn kommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemästet Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm:c105 mein |b32| |c32| Sohn, du bist allezeit beyc106 mir; und alles, was mein ist, das ist dein; du soltest aber frölich und gutes Muthes seyn;bc107 (du hättest aber frölich zur Tafel kommen sollen)bc108 denn dieser dein Bruder war todt, und ist wieder lebendig worden; er war verloren,bc109 und ist wieder funden.
Kan etwas rürender seyn als dieses Bild von /cGott! diesec\ ∥c110 Beschreibung seinerbc111 Liebe zu den Menschen! Innigst wünschet er das Glück jedes Menschen. Mit unaussprechlicher Langmuth trägt er ihre Sünden, ihre Bosheiten. Mit unermüdeter Treue arbeitet er an ihrer Besserung; er braucht alle nur ersinliche Mittel, mit aller nur ersinlichen Geduld, um den Sünder zu bessern, und dadurch zu beglücken. Mit unermeslicher Gnade vergiebt er dem sich bessernden Sünder, alle seine vorigen, noch so grobec112 und noch so zahlreichec113 Sünden. Und mit einer Zärtlichkeitc114 die alle Vorstellung übersteiget, freuet er sichc115 wenn nun dem also gebesserten Menschen für Zeit und Ewigkeit wohl ist. − Gleich einem Hirten, welcher dem verirretenc116 Schaafe nachgehet, es allenthalben sucht, nicht eher aufhöret als bis er es gefunden; und wenn er es gefunden, es froh auf seine Achseln legt, und zur Heerde trägt, und nun seine Freunde herbeiruft sich mit ihm zu freuen! − Gleich einer Frauc117 die ein Geldstück verlohrenc118 woran ihr viel gelegen. Sie zündet ein Licht an, durchschauet jeden Winkel des Hauses, und sucht; |a36| und ruhet nicht eher als bis sie es gefunden. Nun rufet sie ihre Freundin|b33||c33|nen und Nachbarinnen sich mit ihr zu freuen! − − Gleich einem zärtlichen Vater, welcher seinem sich bessernden Sohn, entgegen eilet; − ihn in seine Arme schließt; ins Haußbc119 zurück füret, − und nun Freuden-Feste anstellet, weil dieser sein Sohn todt war und wieder lebendig geworden, verlohren war und wieder gefunden worden! − − − Ihr liebreichec120 Väter! Ihr Mütter die ihr lauter Zärtlichkeit gegen euer einziges, hofnungsvolles Kind seyd! Gestehet hier, daß das alles nichts ist gegen − die Liebe unsers Gottes!
Kan etwas majestätischer, anbetungswürdiger seyn, als dieseb121 Beschreibung der Liebe Gottesc122! Seine Liebe ist unermeslich, ganz unermeslich. Aber immer unzertrenlich gepaart mit Weisheit. Eine weise Liebe. „Er sucht den Sünder, um ihn zu bessern. Er freuet sich über sein Glück[“], aberbc123 nur alsdenn wenn er sich bessert. versc124 7. 10. versc125 17−21. 24. Wäre Gottc126 eben so gegen den Lasterhaften gesinnet als gegen den Tugendhaften; wäre ihmc127 jener eben so viel werth als dieser; beglückte erc128 jenen wie diesen: so würde das keine Liebe sondern blinder Trieb, thierischer Affectc129 seyn; wie die Zärtlichkeit eines Thieres gegen seine Jungen, welches keinen Unterschied zu machen weiß. So würde das keine Menschen-Liebe seyn, sondern Laster-Liebe; Härte und Grausamkeit! − So müste uns seine Liebe verächtlich seyn und abscheulich: wie die Zärtlichkeit einer unverständigen Mutterbc130 die blind |a37| ist gegen alle Thorheiten und Laster ihres Kindes,c131 oder ∥c132 die Zärtlichkeit eines Richters, der den Betrüger, Räuber und |b34| |c34| Mörder in Freiheit sezet, und dadurch hundert würdige Menschen seinen Betrügereien und Grausamkeiten Preis giebt! − − − Wenn denn nun, Menschen sich einbilden, /cGott strafe nichtc\ ∥c133 weil erc134 gütig ist,c135 es sey keine Hölle, weil Gottc136 die Liebe /cist, erc\ ∥c137 lasse sichc138 durch Seufzer und Thränen erweichen den Sünder bei allem fortwärenden /bcSünden Lebenbc\ ∥bc139 zu beglücken, oder nach einem schändlichen, Gemein-schädlichen Leben von zwanzig, funfzig Jahren in den Himmel zu nehmen; wenn sie seinec140 Straf-Gerechtigkeit durch seinec141 Liebe tödten: so heben sie in der That die Liebe, bei Gottc142 auf; so verwandeln sie seinec143 Liebe in blinden, thierischen Trieb, und Laster-Liebe; so machen sie Gottc144 − zu einem Unweisen, Ungerechten, zu einem Tyrannen und Grausahmen! − − Entsezliche Gotteslästerung! Entsezlicher als die Gottesverleugnung des gröbsten Atheisten!
Unser Heiland gieng mit den Zolleinnehmern um, sie zu bessern. Und sein Betragen zu rechtfertigen, stellet er Gottesc145 Verfahren gegen die Sünder vor. Gottc146 wünschet die Besserung und das Glück der Sünder. Unermüdet suchet erc147 sie. Und wenn sie sich bessern; so nimt erc148 sie zu seinerc149 Liebe auf; so ist Freude im Himmel, bei Gottc150 und seinenc151 Engeln. − Getrost denn, ihr reuvolle, die ihr eure Sünden betrauert, sie verabscheuet, und zur Besserung redlich zurücke /ckeh|a38|ret. Getrost, keinc\ ∥c152 Sünder, und wären seine Sünden noch so schwer und zahlreichbc153 darf verzagen. Immer stehet ihm der Weg zu Gottc154 und seinerc155 Vaterliebe offen, wenn er nur sich |b35| |c35| redlich bessert Johan. 3, 16. Römer 3, 24. 25.
Und worin bestehet diese Besserung, worüber sich die Engelc156 und Gott,c157 der ganze Himmel freuet? − 1) Seine Sünden lebhaft erkennen; Vaterc158 ich habe mich an Gottc159, und dir versündiget vers 18.c160; 2) sie schaamvoll /cbereuen, ich bin nicht werth daß ich dein Kind heisse,c\ ∥c161 v. 19bc162; 3) sehnlich nach der verlohrnen Gunst Gottes verlangen; wiec163 viel Tagelöner hat mein Vaterc164 die Brodt die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger.c165 Ich will mich aufmachen, und zu meinem Vater gehen, und zu ihm sagen;bc166 Vater, ich habe mich an Gottc167 und dir versündiget; und bin fort nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heisse; mache mich als einen deiner Taglöhnerc168 vers 17−19;c169 4) seine Sünden mit gebeugtem Herzen Gott /cbekennen,b170 Vaterc\ ∥c171 ich habe mich an Gottc172 und dir versündiget, ich bin fort nicht werth daß ich dein Sohn heisse,c173 v. 21.; 5) und sich redlich entschliessenc174 und so gleich den Anfang machen, ein ganz neues Leben nach Gottes Gesezen zu /cfüren, undc\ ∥c175 er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war:bc176 sahe ihn sein Vater, und jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals, und küssete ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündiget in den Himmel und vor dir; ich bin fort nicht mehr werth, daß ich |a39| dein Sohn heisse. v. 20. 21.bc177 − − Dies, nur dies ist die Bekehrung, welche uns Gnade bei Gottc179 verschaffet, und Freude im Himmel macht!
|b36| |c36| Lasset uns hier diebc180 Art bewundern, wie das Christenthum den Menschen bessert. Es eröfnet ihm gleichsahmbc181 das Vaterherz Gottesc182; stellet ihm seinec183 unermesliche Liebe, besonders in der Erlösung, Begnadigungc184 und Beglückung durch Jesum, lebhaft vor Augen. Wohlthaten und Liebe wirken nothwendig Dankbahrkeit und Gegen-Liebe. Diese dankbahre Liebe zu Gottc185, machet dem Menschen alles angenehm und leicht, was demc186 Gott gefällt, den seine ganze Seele liebt. Und nun hasset der Mensch jede Sünde, da sie Gottc187 verhaßt ist; nun bestrebet er sich aus allen Kräften, Gottesc188 Geseze zu gehorchen, weil dieses Gottc189 gefällt. {1 Johannbc190 4, 19bc191 } Lasset uns unsern Nebenmenschen lieben, (dies ist das Hauptgesez Gottes Jacobc192 2, 10. Römer 13, 8bc193) denn Gott liebet uns. − {2 Petri /bc1, 3−11bc\ ∥bc194 } Da uns Gottes Allmacht alles was zum gottseligen Leben nötig ist, und so grosse Verheissungen schenket: so lasset uns allen Fleiß darauf wenden, Gott änlich zu werden; und darreichen (als Früchte unsers Glaubens, wie ein guter Baum seine Früchte darreichet) nebst unserm Glauben Heldenmuth,c195 nebst dem Heldenmuth Klugheit,c196 nebst der Klugheit Enthaltsamkeit,c197 nebst der Enthaltsamkeit Geduld,c198 nebst der Geduld Furcht Gottes, nebst der Furcht Gottes Bruderliebe,c199 nebst der Bruderliebe allgemeine Menschenliebe. |a40| − {Römerbc200 8, 38. 39bc201 } Ich bin gewiß daß weder Tod noch Leben, weder Mächtige noch Potentaten, weder das Gegenwärtige noch die Zukunft, weder das höchste Glück noch das tiefste |b37| |c37| Leiden, noch irgend eine Kreatur mich trennen kan von der Liebe zu Gott durch Jesum Christum unsern Herrn. − − Dankbahre Liebe zu Gott durch Jesum, gewirkt durch die unermesliche Liebebc202 welche Erc203 uns durch Christumc204 bewiesen: dies ist also das Mittel, wodurch das Christenthum den Menschen zur Tugend füret! − − Nie hat ein endlicher Verstand eine Besserungs-Art ersonnen, welche der menschlichen Natur so angemessen; so edel; Gottc205 so anständig; und so kräftig ist! Und wie hätten denn die Apostel und Propheten, welche ohne Wissenschaft und Gelehrsamkeit, bei den Heerden und /cFischerhandwerkc\ ∥c206 aufgewachsen waren, darauf kommen können, wenn es ihnen nicht von Gottc207 selbst eingegeben worden!
Desto schändlicher und strafbahrer ist nun aber, bei uns Christen die Sünde. Auch bei Juden, Heiden und NichtChristenbc208 ist die Sünde immer schändlich und strafbahr. Aber bei uns Christen, die wir Gottc209 und seinec210 unermesliche Liebe kennen, wird sie nun der /cniederträchtigste, allerschwärzestec\ ∥c211 und folglich auch der /callerstrafbahrste Undankc\ ∥c212! − Gleichgültig gegen einen Wohltäterbc213 seyn, seine Wohlthaten gar mit Beleidigungen erwiedern: das erklären wir alle für sehr niederträchtig, schimpflichc214 und strafbahr. Und was sind alle irrdische Wohltäterc215 und alle ihre Wohlthaten |a41| zusammgenommenbc216, gegen unsern /callmächtigen Wohlthäterb217c\ ∥c218! − O /cmeine Mitchristen, nichtsc\ ∥c219 für /cden Gottc\ ∥c220 thun der so unermeslich viel ∥bc221 uns gethan, immerfort thut, |c38| und |b38| ewig thun will; uns entschliessen böse zu seynbc222 darum weil Gottc223 Gut ist, desto sicherer zu sündigenbc224 weil Erc225 so viel Geduld hat, Ihnc226 immer mehr zu beleidigenbc227 darum weil Erc228 uns so viel Gutes thut: nie, nie müsse ein solches Betragen eine christliche Seele schänden.c229 {Hebräerbc230 2, 1−4. vergl. mit Kap. 10, 26−29.} Lasset uns Seine Lehre gehorsahm befolgen. Denn, wenn wir jezo noch vorsäzlich sündigen; (durch Verleugnung der Religion, es sey mit dem Munde, oder mit dem Wandel) so haben wir nichts als Sein strenges Gericht zu erwarten. Als Menschen, die den Sohn Gottes mit Füssen treten, sein Blut des Bundes für unrein erklären, und den Geistbc231 den Seine Gnade gesandtbc232 schmähen. − {2 Cor.c233 6, 16 − 7, 1bc234 } Da wir solche Verheissungen haben: so lasset uns von aller Befleckung des Leibes und der Seele uns säubern, und Gott mit kindlicher Furcht durch Heiligkeit dienen.
Nimmermehr dachte der verlohrne Sohn, als er seinen Vater verließ, daß er nach kurzer Zeit im Abgrund des Lasters stecken, darben, und die Säue hüten werde. Was schien ihm geringer zu seyn, wo er es anders gar für Sünde hielt, als sich der beschwerlichen Aufsicht und den steten Erinnerungen des Vaters entziehen? Und gleichwol fürete ihn dieser Leichtsin, zur ausschweifenden Pracht; diese in böse Gesellschaft; diese zur Schwelgerei; und diese endlich zu einem ganz |a42| zügellosen, schändlichen, unzüchtigen Leben. Erbc235 der anfangsbc236 nur glaubte, in der Entfernung von der lästigen Aufsicht des Vaters,bc237 gemächlich von dem Seinigen zu leben; brachte nun sein Gut mit den Huren durch.bc238 − − So füret eine Sünde alsbald zur andern; diese zur dritten; und ehe wir uns besinnen, sind wir in Laster versunken, deren wir uns nie fähig geglaubt. Der Weg zur Tugend gehet Berg-aufc239 und ist noch dazu steil. Nur mit Mühe klimmen wir zu ihrem Tempel hinauf: nur mit Mühe gehen wir von der Sünde zur Tugend über, und auf dem Wege derselben fort. Aber der Weg zum Laster gehet Berg-hinab, und ist noch darzuc240 schlüpfrig. Haben wir erst Einen Schritt darauf gethan: so können wir uns nicht mehr erhalten, wir gleiten auch wider unsern Willen, und stürzen in Abgründe hinab. Gleich einem reissenden Strohm, der Felsen wegwälzt, und keine Brücken leidet, und sich neue Ufer macht, reißt uns die Sünde voll-strömend, auch wider unsern Willen hinweg, und zwinget uns zu gehen wohin sie will. − So zittere denn ein jeder, zittert besonders Jünglinge, fürbc241 der ersten Sünde!
Das Beispiel Jesu lehre uns, ferner, das rechte Betragen gegen Gottlose und offenbahr Lasterhafte! Sie zu unsern Vertrauten machen, mit ihnen beständigen und genauen Umgang pflegen: dies würde Verdacht gegen uns erregen, andern anstößig seyn, und selbst unsre Tugend ohne Noth in Gefahren stürzen. Unser Heiland gieng zu den Zöllnern, nur als sie ihn such|a43|ten, und aaß mit ihnen um an ihrer Besserung zu arbeiten. So müssen auch wir unsre |b40| |c40| lasterhafte Nebenmenschen nicht verachten, nicht hassen. Lieben müssen wir sie; ihr Elend tief zu Herzen nehmen; und wenn uns die göttliche Vorsehung mit ihnen in genauere Verbindung füret, oder sie selbst ein Verlangen nach unserm Umgange und Unterricht äussern; da keine Mühe, keine üble Nachrede scheuen, sondern nach unsers Herren Muster mit ihnen umgehen und an ihrer Besserung arbeiten. Denn, welch ein Glück − {Jacobibc243 5, 19. 20bc245 } einec246 Seele vom Tode retten, und eine Menge von Sünden hindern!
Und wenn sie sich denn gebessert, da müssen wir ihnen nie ihre vorigec247 Sünden vorrücken,c248 noch weniger diese unbedachtsam und liebloß in Gesellschaften ausbreiten. Sondern sie bedecken, verbergen, wie Gottc249 es thut,c250 ihrer nicht mehr gedenken und sie auf ewig in die Tiefe des Meeres werfen. Wie unschicklich, verwegen, wie gottloß ist es, denc251 kränken und der Verachtung aussezen, welcher − {versbc252 7. 10bc253 } dem ganzen Himmel, Gottc254 und seinenc255 Engeln Freude macht!
Endlich, welch ein Segen für die Welt ist unsre christliche Religion! Durch ihre unendlich trostvolle Lehre von der unermeslichen Liebe Gottesc256, und seinerc257 Geneigtheit jeden sich bessernden Sünder aufzunehmen, ermuntert sie den Sünder zur Besserung,c258 machet ihm Muth dazu, und flößet ihm Kraft ein den Weg der Tugend zu betreten, und darauf standhaft von Vollkommenheit zu Voll|a44|kommenheit fortzugehen. So viele hundert und tausend Ungerechte, Unzüchtige, |b41| |c41| Rachbegierige, grausahme Menschen werden dadurch zu Gerechten, Keuschen, Versönlichen, zu Menschen-Freunden, und aus Geisseln, zu Wohltäternc259 der menschlichen Gesellschaft umgebildet! So viele tausend Tugendhafte werden dadurch erhalten, und zu immer höherer Tugend fortgefüret! So viele tausend Trostlose aufgerichtet und erfreuet! Eine solche Ruhe;bc260 Heiterkeit und Freude in die Seele jedes ihrer redlichen Anhänger geleitet! − Ist nun der Mordbrennerbc261 welcher Dörfer und Städte anzündet, wohl ein solcher Menschen-Feind;b262 als der Ungläubige, welcher mit der Fackel des Unglaubens, Christenthum, und damit alle Tugend, Ruhe, Trostc263 und Glück in der Weltc264 gleichsam zur Lust zernichtet! − − {Colosserc265 1, 10−11.bc266 } Wir aber, liebe /bcMit Christenbc\ ∥bc267, wollen Gott dem Vater danksagen, welcher uns von der Macht der Finsterniß errettet und in das Reich seines geliebten Sohnes versezet; und nun würdig unsrer Religion, und unserm Gott zum höchsten Wohlgefallen leben, indem wir immer mehr und mehr in allen Tugendthaten fruchtbahr werden!z\