|a596| Erster Abschnitt.
Homiletik und Katechetik.
515.
Nach dem Leichtsinn oder der Gleichgültigkeit zu urtheilen, mit der ein grosser Theil wirklicher oder künftiger Prediger den Vortrag der Religion behandelt, scheint es, daß man das sogenannte Predigen, und die Erreichung seiner Absicht, für etwas sehr leichtes, oder den Fleiß, der auf den guten Vortrag gewendet werden soll, für sehr entbehrlich halte. Liegt nicht dabey Verachtung der Religion selbst, Gleichgültigkeit gegen das wahre Wohl andrer Menschen, oder Mangel der Ueberzeugung von dem grossen Einfluß der Religion auf das Beste der Menschen, zum Grunde: so ist nicht abzusehen, wie es ohne jene Einbildung möglich wäre, daß man sich für reif zu einem solchen Vortrage oder für berechtigt halten könnte, – wenn man kaum mehr wie die ersten Schritte zur deutlichen Kenntniß und Ueberzeugung in der Religion gethan hat, noch eben so arm an Kenntniß des menschlichen Herzens als an mannichfaltigen Kenntnissen zu Befriedigung so vieler Bedürfnisse des Verstandes und Herzens andrer Menschen ist, noch so wenig |a597| sich selbst durch eigne Erfahrung und Uebung in der wahren Gottseligkeit gebildet hat – alsdenn schon auf den Lehrstuhl zu eilen, und sich zum Lehrer Andrer, gewiß oft an Kenntnissen und Erfahrungen reicherer Zuhörer, aufzuwerfen. Es wäre unbegreiflich, wie viele Prediger diese Beschäftigung als blosses Tagewerk, ohne wahrhaftige Theilnehmung oder gar mit Verdruß treiben, alles, was und wie sie es sagen, für gut genug für ihre Zuhörer halten, sich mit der Vorstellung einwiegen könnten, daß Gottes Wort schon an sich kräftig genug sey Gutes zu wirken, ohne daß es einer sorgfältigen Auswahl der Sachen, eines eignen Fleisses im Ausdrucke bedürfte, oder daß diese Wahl und dieser Fleiß Mißtrauen gegen die göttlichen Lehren selbst voraussetzte, und gar dem Eindruck derselben hinderlich wäre. Es bliebe, ohne dies, eben so unerklärlich, wie manche Andre unbekümmert um das, was sie lehren und einschärfen, fast den einzigen oder grössesten Werth auf Einkleidung und auf das Aeusserliche des Vortrags setzen, anstatt Verstand und Herz reden zu lassen, nach allerley Künsten, den Vortrag auszuschmücken, haschen, und sich einbilden könnten, mit einem, ihrer Meinung nach, schönen und lebhaften Vortrag alles gethan zu haben, was man von dem Prediger erwarten dürfe.Nach dem Leichtsinn oder der Gleichgültigkeit zu urtheilen, mit der ein grosser Theil wirklicher oder künftiger Prediger den Vortrag der Religion behandelt, scheint es, daß man das sogenannte Predigen, und die Erreichung seiner Absicht, für etwas sehr leichtes, oder den Fleiß, der auf den guten Vortrag gewendet werden soll, für sehr entbehrlich halte. Liegt nicht dabey Verachtung der Religion selbst, Gleichgültigkeit gegen das wahre Wohl andrer Menschen, oder Mangel der Ueberzeugung von dem grossen Einfluß der Religion auf das Beste der Menschen, zum Grunde: so ist nicht abzusehen, wie es ohne jene Einbildung möglich wäre, daß man sich für reif zu einem solchen Vortrage oder für berechtigt halten könnte, – wenn man kaum mehr wie die ersten Schritte zur deutlichen Kenntniß und Ueberzeugung in der Religion gethan hat, noch eben so arm an Kenntniß des menschlichen Herzens als an mannichfaltigen Kenntnissen zu Befriedigung so vieler Bedürfnisse des Verstandes und Herzens andrer Menschen ist, noch so wenig |a597| sich selbst durch eigne Erfahrung und Uebung in der wahren Gottseligkeit gebildet hat – alsdenn schon auf den Lehrstuhl zu eilen, und sich zum Lehrer Andrer, gewiß oft an Kenntnissen und Erfahrungen reicherer Zuhörer, aufzuwerfen. Es wäre unbegreiflich, wie viele Prediger diese Beschäftigung als blosses Tagewerk, ohne wahrhaftige Theilnehmung oder gar mit Verdruß treiben, alles, was und wie sie es sagen, für gut genug für ihre Zuhörer halten, sich mit der Vorstellung einwiegen könnten, daß Gottes Wort schon an sich kräftig genug sey Gutes zu wirken, ohne daß es einer sorgfältigen Auswahl der Sachen, eines eignen Fleisses im Ausdrucke bedürfte, oder daß diese Wahl und dieser Fleiß Mißtrauen gegen die göttlichen Lehren selbst voraussetzte, und gar dem Eindruck derselben hinderlich wäre. Es bliebe, ohne dies, eben so unerklärlich, wie manche Andre unbekümmert um das, was sie lehren und einschärfen, fast den einzigen oder grössesten Werth auf Einkleidung und auf das Aeusserliche des Vortrags setzen, anstatt Verstand und Herz reden zu lassen, nach allerley Künsten, den Vortrag auszuschmücken, haschen, und sich einbilden könnten, mit einem, ihrer Meinung nach, schönen und lebhaften Vortrag alles gethan zu haben, was man von dem Prediger erwarten dürfe.
516.
Sicherlich würde man nie auf diese Einbildungen und Ausschweifungen verfallen, oder sich |a598| leichter von ihnen loswinden können, wenn man sich von der Wahrheit folgender Betrachtungen recht lebhaft überzeugte, und sie stets gegenwärtig zu erhalten suchte, Betrachtungen, die der ernsthaftesten Untersuchung, zumahl eines jeden, der sich dem Beruf eines Lehrers der Religion weyhen will, höchst würdig sind. Zuvörderst 1) beruht alle wahre wesentliche Glückseligkeit, so fern sie in unsrer Gewalt ist, auf Tugend, und, so fern sie nicht in unsern Händen steht, auf Zufriedenheit. Diese Glückseligkeit kann nur alsdenn vollkommen seyn, wenigstens nähern wir uns dieser Vollkommenheit in dem Grade, je weiter Tugend und Zufriedenheit reichen, je mehr sie Ermunterung und Unterstützung haben, und je dauerhafter sie sind. Aber es läßt sich kein Mittel denken, das in dieser dreyfachen Absicht so weit reichte, als die Religion.Sicherlich würde man nie auf diese Einbildungen und Ausschweifungen verfallen, oder sich |a598| leichter von ihnen loswinden können, wenn man sich von der Wahrheit folgender Betrachtungen recht lebhaft überzeugte, und sie stets gegenwärtig zu erhalten suchte, Betrachtungen, die der ernsthaftesten Untersuchung, zumahl eines jeden, der sich dem Beruf eines Lehrers der Religion weyhen will, höchst würdig sind. Zuvörderst 1) beruht alle wahre wesentliche Glückseligkeit, so fern sie in unsrer Gewalt ist, auf Tugend, und, so fern sie nicht in unsern Händen steht, auf Zufriedenheit. Diese Glückseligkeit kann nur alsdenn vollkommen seyn, wenigstens nähern wir uns dieser Vollkommenheit in dem Grade, je weiter Tugend und Zufriedenheit reichen, je mehr sie Ermunterung und Unterstützung haben, und je dauerhafter sie sind. Aber es läßt sich kein Mittel denken, das in dieser dreyfachen Absicht so weit reichte, als die Religion.
517.
Sie giebt der Tugend und Zufriedenheit den weitesten Umfang. Wer an einen Gott glaubt, der der Vater aller Geschöpfe ist, wer alle Geschöpfe, und die Menschen insonderheit, als Glieder Eines grossen Körpers ansieht; wer eine allweise und gütige Regierung des Ganzen erkennt, wo Alles als Mittel zu Einen gemeinsamen Zweck, zur Glückseligkeit Aller, mitwirkte, wer also auch glaubt, daß kein Fleiß in dem Trachten nach dem, was wahr ist, ganz vergebens seyn könne, daß dies vielmehr die Ursach des |a599| weitern Fortrückens in jeder Vollkommenheit seyn müsse, daß endlich uns schlechterdings nichts begegnen könne ohne Gottes Willen, der immer das erfolgen läßt, was für uns das Beste ist: wie sollte dem, der dieses mit Ueberzeugung und von Herzen glaubt, der sich über das Sichtbare zum Unsichtbaren erheben kan, irgend etwas gleichgültig, von seiner Liebe und seinem Bestreben, Andrer Bestes zu befördern, ausgeschlossen, irgend etwas, das ihm begegnet, niederschlagend, und nicht vielmehr Ermunterung zur Dankbarkeit seyn? – Alsdenn sind ihm alle Gesetze, als so viele Anzeigen der Quellen seines Glücks, wahre Wohlthaten, an welchen er um so mehr Antheil hat, je mehr er Gutes thut. Ihm sind alle seine Kräfte so viele Mittel glücklich zu werden; alle Erkenntniß des Wahren und alle Ausübung des Guten so viele Belohnungen; und von der unerschöpflichen Macht, Weisheit und Liebe Gottes kan er, selbst bey gefühlter Ohnmacht, bey fehlgeschlagenen bestimmten Hoffnungen, sogar bey Vergehungen, Unterstützung, Ersatz, Nachsicht und Lenkung dessen, was versehen ist, oder vergeblich scheint, zum Besten, erwarten. Wie dieses stete Ermunterung ist, Gutes zu thun, und nie müde zu werden, weil der Gedanke, Gott ist Zeuge und Vergelter meiner Handlungen und Gesinnungen, überall und auch dahin reicht, wo es an andern Beweggründen fehlt, oder diese nicht wirksam genug sind: so ist es auch kräftiger Antrieb, seine Begierden zu mäßigen, und Verwahrungsmittel wider Eigennutz, Miß|a600|muth und Neid. – Und da weder die seligen Folgen der Tugend, ihrer Natur nach, ausbleiben können, die wenigstens nie, welche in dem Wohlgefallen Gottes daran besteht, noch Gott sich in seinen erwehnten Eigenschaften verleugnen kan: so steht Tugend und Zufriedenheit auf einem unerschütterlichem Grunde, so lange die Ueberzeugung von der Wahrheit und dem Werth der Religion bleibt, und wir uns immer an dieselbe halten. – Die Religion müßte also die wichtigste Angelegenheit des Menschen seyn.Sie giebt der Tugend und Zufriedenheit den weitesten Umfang. Wer an einen Gott glaubt, der der Vater aller Geschöpfe ist, wer alle Geschöpfe, und die Menschen insonderheit, als Glieder Eines grossen Körpers ansieht; wer eine allweise und gütige Regierung des Ganzen erkennt, wo Alles als Mittel zu Einen gemeinsamen Zweck, zur Glückseligkeit Aller, mitwirkte, wer also auch glaubt, daß kein Fleiß in dem Trachten nach dem, was wahr ist, ganz vergebens seyn könne, daß dies vielmehr die Ursach des |a599| weitern Fortrückens in jeder Vollkommenheit seyn müsse, daß endlich uns schlechterdings nichts begegnen könne ohne Gottes Willen, der immer das erfolgen läßt, was für uns das Beste ist: wie sollte dem, der dieses mit Ueberzeugung und von Herzen glaubt, der sich über das Sichtbare zum Unsichtbaren erheben kan, irgend etwas gleichgültig, von seiner Liebe und seinem Bestreben, Andrer Bestes zu befördern, ausgeschlossen, irgend etwas, das ihm begegnet, niederschlagend, und nicht vielmehr Ermunterung zur Dankbarkeit seyn? – Alsdenn sind ihm alle Gesetze, als so viele Anzeigen der Quellen seines Glücks, wahre Wohlthaten, an welchen er um so mehr Antheil hat, je mehr er Gutes thut. Ihm sind alle seine Kräfte so viele Mittel glücklich zu werden; alle Erkenntniß des Wahren und alle Ausübung des Guten so viele Belohnungen; und von der unerschöpflichen Macht, Weisheit und Liebe Gottes kan er, selbst bey gefühlter Ohnmacht, bey fehlgeschlagenen bestimmten Hoffnungen, sogar bey Vergehungen, Unterstützung, Ersatz, Nachsicht und Lenkung dessen, was versehen ist, oder vergeblich scheint, zum Besten, erwarten. Wie dieses stete Ermunterung ist, Gutes zu thun, und nie müde zu werden, weil der Gedanke, Gott ist Zeuge und Vergelter meiner Handlungen und Gesinnungen, überall und auch dahin reicht, wo es an andern Beweggründen fehlt, oder diese nicht wirksam genug sind: so ist es auch kräftiger Antrieb, seine Begierden zu mäßigen, und Verwahrungsmittel wider Eigennutz, Miß|a600|muth und Neid. – Und da weder die seligen Folgen der Tugend, ihrer Natur nach, ausbleiben können, die wenigstens nie, welche in dem Wohlgefallen Gottes daran besteht, noch Gott sich in seinen erwehnten Eigenschaften verleugnen kan: so steht Tugend und Zufriedenheit auf einem unerschütterlichem Grunde, so lange die Ueberzeugung von der Wahrheit und dem Werth der Religion bleibt, und wir uns immer an dieselbe halten. – Die Religion müßte also die wichtigste Angelegenheit des Menschen seyn.
518.
Diese grosse Angelegenheit für die Menschen zu der zu machen, die sie seyn soll, ist 2) der sogenannte geistliche Stand ganz eigentlich errichtet. Man erwartet von denen, die sich ihm widmen, daß sie für Andere, welche zur Untersuchung der Religion nicht Fähigkeit, oder Hülfsmittel, oder Musse genug haben, untersuchen, ihnen, nach ihren verschiedenen Fähigkeiten und Bedürfnissen, Ueberzeugung von den Lehren der Religion und deren grossen Werth beybringen, ihnen diese durch Vorstellungen und Beyspiele
eindringlich machen, Zweifel benehmen, in Gewissensangelegenheiten rathen, sie mit Trost unterstützen, kurz, sie durch Religion leiten und beruhigen sollen. Man hat ihnen, um diesen Pflichten besser und ungestörter obliegen zu können, in der bürgerlichen Gesellschaft gewisse kleine Gesellschaften oder Gemeinen angewiesen, auf die sie zu
|a601|nächst ihre Beschäftigungen einschränken sollen; man hat sie von manchen bürgerlichen Plichten und Lasten befreyet; man hat sogar deswegen für ihren bequemen Unterhalt gesorgt. Man erwartet um so mehr von ihrer Geschicklichkeit, Fleiß und Redlichkeit, da sie eigentlich den einzigen Stand ausmachen, dem die Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion selbst anvertraut ist. Wie verabscheuungswürdig muß derjenige seyn, der, in einer Sache von
der Wichtigkeit, einen Beruf übernimmt, von dem er nicht weiß ob er ihn würdig und nach den billigen Erwartungen der Gesellschaft erfüllen kan, oder, wenn er ihn übernommen hat, der nicht, alles dies erfüllen zu wollen, willig, oder fleißig, oder redlich genug ist.Diese grosse Angelegenheit für die Menschen zu der zu machen, die sie seyn soll, ist 2) der sogenannte geistliche Stand ganz eigentlich errichtet. Man erwartet von denen, die sich ihm widmen, daß sie für Andere, welche zur Untersuchung der Religion nicht Fähigkeit, oder Hülfsmittel, oder Musse genug haben, untersuchen, ihnen, nach ihren verschiedenen Fähigkeiten und Bedürfnissen, Ueberzeugung von den Lehren der Religion und deren grossen Werth beybringen, ihnen diese durch Vorstellungen und Beyspiele
eindringlich machen, Zweifel benehmen, in Gewissensangelegenheiten rathen, sie mit Trost unterstützen, kurz, sie durch Religion leiten und beruhigen sollen. Man hat ihnen, um diesen Pflichten besser und ungestörter obliegen zu können, in der bürgerlichen Gesellschaft gewisse kleine Gesellschaften oder Gemeinen angewiesen, auf die sie zu
|a601|nächst ihre Beschäftigungen einschränken sollen; man hat sie von manchen bürgerlichen Plichten und Lasten befreyet; man hat sogar deswegen für ihren bequemen Unterhalt gesorgt. Man erwartet um so mehr von ihrer Geschicklichkeit, Fleiß und Redlichkeit, da sie eigentlich den einzigen Stand ausmachen, dem die Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion selbst anvertraut ist. Wie verabscheuungswürdig muß derjenige seyn, der, in einer Sache von
der Wichtigkeit, einen Beruf übernimmt, von dem er nicht weiß ob er ihn würdig und nach den billigen Erwartungen der Gesellschaft erfüllen kan, oder, wenn er ihn übernommen hat, der nicht, alles dies erfüllen zu wollen, willig, oder fleißig, oder redlich genug ist.
519.
Nun hat zwar 3) der, wer den Unterricht und die Seelsorge für Andere übernimmt, in dem Privatumgang mit ihnen, Gelegenheit genug, sich mit ihnen über die Religion zu unterhalten, und nach jedesmaligem Befinden der Umstände ihre rechte Anwendung und ihren grossen Einfluß auf Besserung und Beruhigung der Menschen zu zeigen. Er kan selbst da recht eigentlich für jeden insbesondre mit Weisheit und mit dem glücklichsten Erfolg arbeiten, gerade auf die Art, wie dieser es am meisten braucht, und wie Religion am ersten bey ihm Eingang findet; und wird er sonderlich selbst dazu aufgefordert durch einen solchen, |a602| der in besondern Umständen, z. B. Krankheiten, fühlt, wie unentbehrlich ihm die Religion und die Aufklärung darüber und über seinen Gemüthszustand sey: so kan er sie mit desto mehrerer Wirksamkeit empfehlen. Aber es giebt derer nicht viel, die den Umgang des Predigers deswegen suchen, oder gern sehen, um sich mit ihm über dergleichen geistige Angelegenheiten zu unterhalten: selbst die, welchen Religion unter bedrängten Umständen Bedürfniß wird, oder werden sollte, werden durch Sicherheit, Dünkel, Schüchternheit oder abergläubische Furcht abgehalten, den Prediger zu Rathe zu ziehen, kennen sich selbst, ihre Verderbnisse und deren Quelle zu wenig, oder verheelen sie sich und ihm, oder sind, zumahl bey Krankheiten, so wenig zum Nachdenken fähig, aufgelegt und geneigt, als daß da die Unterredung des Predigers mit ihnen wirksam genug werden könnte. Und wäre dieses alles auch nicht: so ist selten viel auszurichten, wenn nicht schon vorher bey solchen der Grund zu einer rechten Erkenntniß der Religion und zum Geschmack daran gelegt worden ist; wenigstens kan der Prediger durch öffentlichen Vortrag weit Mehrern nutzbar werden, als durch den Privatumgang. Jener bleibt also doch immer die wichtigste Beschäftigung, von der bey den meisten der ihm Anvertrauten, die selten andre Quellen des Religionsunterrichts haben, und nutzen können, sowohl ihre ganze Bildung durch die Religion, als ihre Neigung abhängt, sich auch in besondern Angelegenheiten seiner Leitung zu bedienen.Nun hat zwar 3) der, wer den Unterricht und die Seelsorge für Andere übernimmt, in dem Privatumgang mit ihnen, Gelegenheit genug, sich mit ihnen über die Religion zu unterhalten, und nach jedesmaligem Befinden der Umstände ihre rechte Anwendung und ihren grossen Einfluß auf Besserung und Beruhigung der Menschen zu zeigen. Er kan selbst da recht eigentlich für jeden insbesondre mit Weisheit und mit dem glücklichsten Erfolg arbeiten, gerade auf die Art, wie dieser es am meisten braucht, und wie Religion am ersten bey ihm Eingang findet; und wird er sonderlich selbst dazu aufgefordert durch einen solchen, |a602| der in besondern Umständen, z. B. Krankheiten, fühlt, wie unentbehrlich ihm die Religion und die Aufklärung darüber und über seinen Gemüthszustand sey: so kan er sie mit desto mehrerer Wirksamkeit empfehlen. Aber es giebt derer nicht viel, die den Umgang des Predigers deswegen suchen, oder gern sehen, um sich mit ihm über dergleichen geistige Angelegenheiten zu unterhalten: selbst die, welchen Religion unter bedrängten Umständen Bedürfniß wird, oder werden sollte, werden durch Sicherheit, Dünkel, Schüchternheit oder abergläubische Furcht abgehalten, den Prediger zu Rathe zu ziehen, kennen sich selbst, ihre Verderbnisse und deren Quelle zu wenig, oder verheelen sie sich und ihm, oder sind, zumahl bey Krankheiten, so wenig zum Nachdenken fähig, aufgelegt und geneigt, als daß da die Unterredung des Predigers mit ihnen wirksam genug werden könnte. Und wäre dieses alles auch nicht: so ist selten viel auszurichten, wenn nicht schon vorher bey solchen der Grund zu einer rechten Erkenntniß der Religion und zum Geschmack daran gelegt worden ist; wenigstens kan der Prediger durch öffentlichen Vortrag weit Mehrern nutzbar werden, als durch den Privatumgang. Jener bleibt also doch immer die wichtigste Beschäftigung, von der bey den meisten der ihm Anvertrauten, die selten andre Quellen des Religionsunterrichts haben, und nutzen können, sowohl ihre ganze Bildung durch die Religion, als ihre Neigung abhängt, sich auch in besondern Angelegenheiten seiner Leitung zu bedienen.
|a603| 520.
Aber hier kommt 4) überaus viel auf die Art an, wie dieser Vortrag eingerichtet ist, und die gute Wirkung desselben, so weit sie von dem Prediger selbst abhängt, beruht immer entweder auf dem Vertrauen, das er bey den Zuhörern hat, oder auf der guten Einrichtung seines Vortrags. Jenes Vertrauen kan freylich auch aus seiner anerkannten Geschicklichkeit, aus seiner Liebe gegen die Zuhörer, und der thätigen Theilnehmung an ihrem Besten, aus seinem ganzen exemplarischen und anziehenden Betragen, entspringen. Aber, so lange man ihn nach diesen Eigenschaften noch nicht kennt, muß er sich doch dieses Vertrauen erst durch den guten Vortrag erwerben; seinen Werth als Lehrer kan und pflegt man doch erst nach diesen zu schätzen; und das Vertrauen selbst ist nichts anders, als nur Mittel, nur Vorbereitung, das ihm den Weg bahnt, um gern gehört, und so erst durch den Vortrag den Zuhörern nutzbar zu werden.Aber hier kommt 4) überaus viel auf die Art an, wie dieser Vortrag eingerichtet ist, und die gute Wirkung desselben, so weit sie von dem Prediger selbst abhängt, beruht immer entweder auf dem Vertrauen, das er bey den Zuhörern hat, oder auf der guten Einrichtung seines Vortrags. Jenes Vertrauen kan freylich auch aus seiner anerkannten Geschicklichkeit, aus seiner Liebe gegen die Zuhörer, und der thätigen Theilnehmung an ihrem Besten, aus seinem ganzen exemplarischen und anziehenden Betragen, entspringen. Aber, so lange man ihn nach diesen Eigenschaften noch nicht kennt, muß er sich doch dieses Vertrauen erst durch den guten Vortrag erwerben; seinen Werth als Lehrer kan und pflegt man doch erst nach diesen zu schätzen; und das Vertrauen selbst ist nichts anders, als nur Mittel, nur Vorbereitung, das ihm den Weg bahnt, um gern gehört, und so erst durch den Vortrag den Zuhörern nutzbar zu werden.
521.
Der Vortrag hat doch ganz andre Wirkungen, wenn er die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesselt, wenn er ihnen die vorgetragnen Sachen deutlich und einleuchtend macht, wenn er sie dafür einnimmt, und daher ihren Fähigkeiten und Neigungen, wenigstens ihren Bedürfnissen angemessen ist, als wenn es ihm an diesen oder einer |a[6]04| dieser Eigenschaften fehlt, oder wenn entweder gewisse Fehler desselben den Zuhörern die Sachen verleiden, oder der Vortrag, indem er ihren Leidenschaften oder ihrer Einbildungskraft schmeichelt, ganz sie von dem Zweck abführt, sie von der Religion zu überzeugen, und sie zur Befolgung derselben willig zu machen. – Selbst dieser Zweck und die Natur der Religion hat, wenigstens für die meisten Menschen, nichts Anziehendes. Es gehört schon manche Cultur der Seele, mindestens ein Gefühl, wie wenig uns sichtbare Dinge befriedigen, und eine gewisse Verlegenheit über unsern Gemüthszustand, dazu, wenn der Mensch nur erst Geschmack an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen finden soll; und die stete Beschäftigung mit sichtbaren Dingen, das Vergnügen, das aus ihrem Genuß entsteht, und die Gewöhntheit daran, nebst der Kunst, den Ueberdruß dieser Vergnügungen durch mannichfaltige Abwechselung zu verdrängen, läßt vollends jenen Geschmack selten aufkommen. Soll denn auch das, was zur Religion gehört, den Menschen nicht bloß unterhalten, sondern wirklich bessern: so muß er sich sehr bittre Wahrheiten gefallen lassen, ihnen gegen sich selbst und seine Eigenliebe recht geben, seinen Neigungen Gewalt anthun, gewohnte und fast unentbehrlich gewordne Vergnügungen aufopfern, beschwerliche Uebungen übernehmen; lauter Dinge, von welchen der Mensch nicht gern hören mag. Und wenn auch schon die Zuhörer, durch sonst erlangte Kenntniß der Religion, durch einigen Geschmack |a605| daran, durch manche Erfahrungen, wie übel sie bey dem Leichtsinn und Ausschweifungen gefahren sind, vorbereitet scheinen mögen, das, was ihnen die Religion vorhält, williger anzunehmen: wie ganz etwas anders ist es, etwas gern zu hören, und es willig zu thun? welch ein grosser Unterschied ist zwischen vorübergehenden Bewegungen und zwischen einem dauerhaften Eindruck, der in religiöse Gesinnung übergeht? also, wie unumgänglich nöthig, wenn die selige Absicht der Religion erreicht werden soll, sie nicht nur vorzutragen, sondern es so zu thun, daß wahrhaftige Willigkeit, sich nach ihr zu bilden, und bleibender Eindruck entstehe.Der Vortrag hat doch ganz andre Wirkungen, wenn er die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesselt, wenn er ihnen die vorgetragnen Sachen deutlich und einleuchtend macht, wenn er sie dafür einnimmt, und daher ihren Fähigkeiten und Neigungen, wenigstens ihren Bedürfnissen angemessen ist, als wenn es ihm an diesen oder einer |a[6]04| dieser Eigenschaften fehlt, oder wenn entweder gewisse Fehler desselben den Zuhörern die Sachen verleiden, oder der Vortrag, indem er ihren Leidenschaften oder ihrer Einbildungskraft schmeichelt, ganz sie von dem Zweck abführt, sie von der Religion zu überzeugen, und sie zur Befolgung derselben willig zu machen. – Selbst dieser Zweck und die Natur der Religion hat, wenigstens für die meisten Menschen, nichts Anziehendes. Es gehört schon manche Cultur der Seele, mindestens ein Gefühl, wie wenig uns sichtbare Dinge befriedigen, und eine gewisse Verlegenheit über unsern Gemüthszustand, dazu, wenn der Mensch nur erst Geschmack an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen finden soll; und die stete Beschäftigung mit sichtbaren Dingen, das Vergnügen, das aus ihrem Genuß entsteht, und die Gewöhntheit daran, nebst der Kunst, den Ueberdruß dieser Vergnügungen durch mannichfaltige Abwechselung zu verdrängen, läßt vollends jenen Geschmack selten aufkommen. Soll denn auch das, was zur Religion gehört, den Menschen nicht bloß unterhalten, sondern wirklich bessern: so muß er sich sehr bittre Wahrheiten gefallen lassen, ihnen gegen sich selbst und seine Eigenliebe recht geben, seinen Neigungen Gewalt anthun, gewohnte und fast unentbehrlich gewordne Vergnügungen aufopfern, beschwerliche Uebungen übernehmen; lauter Dinge, von welchen der Mensch nicht gern hören mag. Und wenn auch schon die Zuhörer, durch sonst erlangte Kenntniß der Religion, durch einigen Geschmack |a605| daran, durch manche Erfahrungen, wie übel sie bey dem Leichtsinn und Ausschweifungen gefahren sind, vorbereitet scheinen mögen, das, was ihnen die Religion vorhält, williger anzunehmen: wie ganz etwas anders ist es, etwas gern zu hören, und es willig zu thun? welch ein grosser Unterschied ist zwischen vorübergehenden Bewegungen und zwischen einem dauerhaften Eindruck, der in religiöse Gesinnung übergeht? also, wie unumgänglich nöthig, wenn die selige Absicht der Religion erreicht werden soll, sie nicht nur vorzutragen, sondern es so zu thun, daß wahrhaftige Willigkeit, sich nach ihr zu bilden, und bleibender Eindruck entstehe.
So unverantwortlich hienach der Prediger handelt, wenn er nicht den äussersten möglichen Fleiß auf den Vortrag zu dieser Absicht wendet: so sehr wird auch dadurch die Einbildung geschwächt: man müsse den Eindruck der Religion und des Christenthums insbesondre ihrer eignen Kraft zutrauen; Künste des Redners verhinderten ihn eher; und die heilige Schrift warne selbst dafür 1 Cor. 1 und 2. 2 Tim. 4, 3. 4. – Freylich macht der gute Vortrag jenen guten Eindruck, zumahl wenn er bleiben, und die ganze Gesinnung ändern soll, allein nicht; auch hängt dieser heilsame Eindruck eigentlich von der Wahrheit und ihrem Werth selbst, und von den Umständen der Zuhörer ab, welcher sich Gott bedient, ihnen Eingang bey diesen zu verschaffen. Aber zu diesen Umständen gehört der gute Vortrag mit; und die heilsamste Arzeney ist unnütz, wenn der Kranke nicht an ihre Kraft glaubt, nicht bewogen werden kan, sie zu nehmen. Eben |a606| auf diese Kraft der Religion die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu ziehen, Glauben an ihre Wahrheit und an ihren Werth hervorzubringen, sie zu ihrem Gebrauch zu bewegen, dies, dies soll die Absicht des guten Vortrags seyn. – Sonach kan er auch ihrer Kraft keinen Eintrag thun. Sogenannte Rednerkünste, wenn sie den heilsamen Endzweck haben, und dazu etwas beytragen können, sind nicht verwerflicher, als jedes andre in der Natur der Dinge liegende, und den menschlichen Bedürfnissen angemessene Mittel; sie sind nur alsdenn hier übel angebracht, und jener Absicht hinderlich, wenn sie bloß die Zuhörer angenehmer unterhalten sollen, ohne auf jenen wesentlichen Zweck zu arbeiten. – Und diese falschen Künste mißbilligt die heilige Schrift allein, wie auch schon Christi und seiner Apostel Beyspiel beweiset, die selbst jene bessern Künste nicht verschmähten, und Allen alles wurden, um doch überall Einige für die Religion zu gewinnen.
522.
Aber zu einen guten Vortrag der Religion gehört 5) überaus viel, gewiß mehr, als sich Mancher nur – vorzustellen vermögend ist. Gut nenne ich dergleichen Vortrag, wenn er durchaus der Absicht gemäß ist, die bey denenjenigen, bey welchen man ihn braucht, erreicht werden soll. Diese muß seyn, ihnen wahrhaftig die Religion und ihren Werth einleuchtend, und sie willig zu machen, ganz ihre Gesinnungen und Handlungen darnach einzurichten. Denn, daß der Vortrag, wo es der Prediger bloß darauf anlegt, daß Er |a607| selbst gefallen will, wo es ihm nur darum zu thun ist, seine Zuhörer zu unterhalten, und wo nicht das herzliche Verlangen zum Grunde liegt, die Zuhörer wirklich zu bessern, oder wo es ihm gar genügt, sein Tagewerk mechanisch gethan zu haben, daß der Vortrag jenen Namen nicht verdiene, und dem grossen Zweck, worauf der Prediger durch Religion arbeiten soll, bey weitem nicht entspreche, bedarf doch wohl keines Beweises. Aber eben jener des Namens wahrhaftig würdige Vortrag, daß der sehr schwer zu erreichen ist, davon kan man sich einigermassen überzeugen, wenn man folgende Schwierigkeiten wohl überlegt, die – in der Natur der Sache selbst und den daraus entstehenden grossen Erfordernissen auf Seiten des Predigers selbst in der Beschaffenheit der Zuhörer – und zum Theil in unsrer ganzen Erziehungsart und Verfassung liegen.Aber zu einen guten Vortrag der Religion gehört 5) überaus viel, gewiß mehr, als sich Mancher nur – vorzustellen vermögend ist. Gut nenne ich dergleichen Vortrag, wenn er durchaus der Absicht gemäß ist, die bey denenjenigen, bey welchen man ihn braucht, erreicht werden soll. Diese muß seyn, ihnen wahrhaftig die Religion und ihren Werth einleuchtend, und sie willig zu machen, ganz ihre Gesinnungen und Handlungen darnach einzurichten. Denn, daß der Vortrag, wo es der Prediger bloß darauf anlegt, daß Er |a607| selbst gefallen will, wo es ihm nur darum zu thun ist, seine Zuhörer zu unterhalten, und wo nicht das herzliche Verlangen zum Grunde liegt, die Zuhörer wirklich zu bessern, oder wo es ihm gar genügt, sein Tagewerk mechanisch gethan zu haben, daß der Vortrag jenen Namen nicht verdiene, und dem grossen Zweck, worauf der Prediger durch Religion arbeiten soll, bey weitem nicht entspreche, bedarf doch wohl keines Beweises. Aber eben jener des Namens wahrhaftig würdige Vortrag, daß der sehr schwer zu erreichen ist, davon kan man sich einigermassen überzeugen, wenn man folgende Schwierigkeiten wohl überlegt, die – in der Natur der Sache selbst und den daraus entstehenden grossen Erfordernissen auf Seiten des Predigers selbst in der Beschaffenheit der Zuhörer – und zum Theil in unsrer ganzen Erziehungsart und Verfassung liegen.
523.
In der Natur der Sache selbst
oder
eines solchen Vortrags, der durch Nichts die abgezweckte Wirkung verhindern oder stören, sondern durchaus durch alle jedesmal mögliche Mittel sie befördern soll. Nothwendig muß der Prediger oder Katechet wissen, 1)
woher er
theils die vorgetragenen Sachen
nehmen,
theils wie er sie
empfehlen soll. Zu
jenem gehört ein gewisser Reichthum von recht praktischen Kenntnissen des ganzen Umfangs der
|a608| Religion; zu
diesem ein ansehnlicher Vorrath selbst von praktischen Kenntnissen aus der Philosophie, vornemlich der Psychologie und Logik, und aus den schönen Wissenschaften, hauptsächlich aus der Rhetorik. Beyderley Kenntnisse, jene, die den Stoff, diese, welche die Form dem Vortrage geben, muß
eigner Fleiß und Uebung erlangt und verarbeitet haben. Die Sache verdient eine etwas deutlichere Erläuterung.In der Natur der Sache selbst
oder
eines solchen Vortrags, der durch Nichts die abgezweckte Wirkung verhindern oder stören, sondern durchaus durch alle jedesmal mögliche Mittel sie befördern soll. Nothwendig muß der Prediger oder Katechet wissen, 1)
woher er
theils die vorgetragenen Sachen
nehmen,
theils wie er sie
empfehlen soll. Zu
jenem gehört ein gewisser Reichthum von recht praktischen Kenntnissen des ganzen Umfangs der
|a608| Religion; zu
diesem ein ansehnlicher Vorrath selbst von praktischen Kenntnissen aus der Philosophie, vornemlich der Psychologie und Logik, und aus den schönen Wissenschaften, hauptsächlich aus der Rhetorik. Beyderley Kenntnisse, jene, die den Stoff, diese, welche die Form dem Vortrage geben, muß
eigner Fleiß und Uebung erlangt und verarbeitet haben. Die Sache verdient eine etwas deutlichere Erläuterung.
524.
Erstlich sollte jede Erkenntniß, und vorzüglich unsre Kenntniß der Religion, in dem oben ( §.
456 ) angegebenem Verstande,
praktisch seyn, daß wir nie bloß auf ihre
Wahrheit sähen, sondern eben so sehr auf ihren
Werth , d. i. ihren Nutzen und Einfluß in die menschliche Glückseligkeit, es mag dieser Einfluß mittelbar oder unmittelbar seyn (ebendas. Anmerk.).
Wozu weiß oder lernt man sonst? vornemlich, wie kan der die Absicht der Religion und seines Berufs erfüllen, wer auch die richtigsten Sätze derselben nicht zu Andrer Besten anzuwenden weiß. – Aber es giebt ausserdem noch eine weit mehr verkannte praktische Erkenntniß, die darum so heissen könnte, weil die
Art, wie man sie erlangt hat und wieder anwendet,
praktisch ist. Wer als ein vernünftiger, wirklich freyer Mensch, gewissenhaft lernen, und so wieder mittheilen will, der muß nicht bloß von
Andern Sachen, Beweise und deren Anwendung lernen, oder dies ihnen
|a609| nachsagen; er muß nicht bloß wiedergeben was er empfangen hat, und es von Hand in Hand fortpflanzen. Er muß vielmehr – in Absicht auf
Erkenntniß –
eigenthümliche Begriffe und Ueberzeugung davon erlangt, d. i. sich es nach
seiner Art vorgestellt, und klar gemacht, mit
seinen übrigen Begriffen vereinigt haben, er muß, so viel er kan, durch
eigne Beobachtung und
eignes Nachdenken versuchen, sie deutlich und einleuchtend zu machen, und vornemlich, was er erkennt, in so vielen Beziehungen auf menschliche Glückseligkeit zu denken, und fleißig insbesondre auf den Einfluß Acht geben, den dies auf seine Gewißheit, auf seine Gesinnung und auf alle Handlungen hat, daß ihm einzle Lehren der Religion zu seiner und Anderer Besserung und Beruhigung immer brauchbarer werden. Und, in eben dem Maaß, wie diese seine Erkenntniß wächset, muß er – in Absicht auf
Anwendung derselben – immer mehr
eignen Antheil daran nehmen, sich wirklich dabey beruhigen, wirklich darnach handeln, sich immer mehr darüber freuen lernen, und den Trieb unterhalten, Andern auf eben die Spur zu helfen, bey ihnen die nemliche Ueberzeugung, Gesinnung, Freude und Art zu handeln, zu befördern. – Sonach muß er Anderer mündlichen oder schriftlichen Vortrag mehr als Veranlaßung zum eignen Denken, mehr als Winke, als Eröfnung weitrer Aussichten brauchen, die ihm aufmerksam machen, ihm zu eignen Gedanken helfen sollen, ihnen mehr die
Art, selbst Erfahrungen anzustellen, darüber nachzu
|a610|denken, und sie nutzbar zu machen, ablernen, als die
Kenntnisse selbst von ihnen annehmen. – Durch diesen
eignen Fleiß,
eigne Beobachtungen oder benutzte Erfahrungen,
eignes Nachdenken,
eigne Anwendung, wird seine Erkenntniß, Gesinnung und Handlungsart ihm eigenthümlich und wahrhaftig gewissenhaft.
Erstlich sollte jede Erkenntniß, und vorzüglich unsre Kenntniß der Religion, in dem oben ( §.
456 ) angegebenem Verstande,
praktisch seyn, daß wir nie bloß auf ihre
Wahrheit sähen, sondern eben so sehr auf ihren
Werth , d. i. ihren Nutzen und Einfluß in die menschliche Glückseligkeit, es mag dieser Einfluß mittelbar oder unmittelbar seyn (ebendas. Anmerk.).
Wozu weiß oder lernt man sonst? vornemlich, wie kan der die Absicht der Religion und seines Berufs erfüllen, wer auch die richtigsten Sätze derselben nicht zu Andrer Besten anzuwenden weiß. – Aber es giebt ausserdem noch eine weit mehr verkannte praktische Erkenntniß, die darum so heissen könnte, weil die
Art, wie man sie erlangt hat und wieder anwendet,
praktisch ist. Wer als ein vernünftiger, wirklich freyer Mensch, gewissenhaft lernen, und so wieder mittheilen will, der muß nicht bloß von
Andern Sachen, Beweise und deren Anwendung lernen, oder dies ihnen
|a609| nachsagen; er muß nicht bloß wiedergeben was er empfangen hat, und es von Hand in Hand fortpflanzen. Er muß vielmehr – in Absicht auf
Erkenntniß –
eigenthümliche Begriffe und Ueberzeugung davon erlangt, d. i. sich es nach
seiner Art vorgestellt, und klar gemacht, mit
seinen übrigen Begriffen vereinigt haben, er muß, so viel er kan, durch
eigne Beobachtung und
eignes Nachdenken versuchen, sie deutlich und einleuchtend zu machen, und vornemlich, was er erkennt, in so vielen Beziehungen auf menschliche Glückseligkeit zu denken, und fleißig insbesondre auf den Einfluß Acht geben, den dies auf seine Gewißheit, auf seine Gesinnung und auf alle Handlungen hat, daß ihm einzle Lehren der Religion zu seiner und Anderer Besserung und Beruhigung immer brauchbarer werden. Und, in eben dem Maaß, wie diese seine Erkenntniß wächset, muß er – in Absicht auf
Anwendung derselben – immer mehr
eignen Antheil daran nehmen, sich wirklich dabey beruhigen, wirklich darnach handeln, sich immer mehr darüber freuen lernen, und den Trieb unterhalten, Andern auf eben die Spur zu helfen, bey ihnen die nemliche Ueberzeugung, Gesinnung, Freude und Art zu handeln, zu befördern. – Sonach muß er Anderer mündlichen oder schriftlichen Vortrag mehr als Veranlaßung zum eignen Denken, mehr als Winke, als Eröfnung weitrer Aussichten brauchen, die ihm aufmerksam machen, ihm zu eignen Gedanken helfen sollen, ihnen mehr die
Art, selbst Erfahrungen anzustellen, darüber nachzu
|a610|denken, und sie nutzbar zu machen, ablernen, als die
Kenntnisse selbst von ihnen annehmen. – Durch diesen
eignen Fleiß,
eigne Beobachtungen oder benutzte Erfahrungen,
eignes Nachdenken,
eigne Anwendung, wird seine Erkenntniß, Gesinnung und Handlungsart ihm eigenthümlich und wahrhaftig gewissenhaft.
Um sich dieses deutlicher zu machen, erwege man nur, wie wir es bey Anhörung des Vortrags eines Andern oder der Lesung seiner Schriften machen, und welch ein grosser Unterschied es sey, bloß da dem Andern zu folgen, und im Gegentheil das Buch bey Seite zu legen, sich selbst zu fragen, ob man das nicht bloß verstehe, sondern Ueberzeugung fühle? was man sonst davon wisse? und wie man dies damit verbinden, dadurch bestätigen, eins durch das andre berichtigen, wie und wozu man es brauchen könne? wie es in der Anwendung zu Hebung von Zweifeln, Entdeckung neuer Vorstellungen, zu neuer Ermunterung im Guten diene u. s. f.
525.
Es ist kein Zweifel, daß, wer
so die Religion erkennt, daß der auch mehr dadurch selbst gebildet werde, sie klärer und anschauender erkenne, mehr von ihrer Wahrheit und Werth überzeugt, mehr dafür eingenommen sey; daß er weit kräftigern Antrieb habe, sie Andern mitzutheilen; mit mehr Deutlichkeit, und, so zu sagen, Herzlichkeit davon spreche; mehr aus eigner Erfahrung wisse, sie Andern wirksam beyzubringen; folglich
|a611| auch auf Andre weit kräftiger wirke; daß dies also, dieses
Praktische der Erkenntniß in der Religion, in beyderley Sinn (§.
524 ) genommen, die Hauptsache sey, wenn ein Lehrer der Religion wahrhaftig sie Andern recht nutzbar machen will. Sehr schwer ist es immer, zu dieser praktischen Erkenntiß zu gelangen, und angestellte Versuche werden es jeden lehren, der es im Ernst darauf anlegt. Beständige Aufmerksamkeit, viel, eben so ruhiger als geschäftiger Beobachtungsgeist, Gewohnheit, eine Sache auf mehrern Seiten anzusehen, und über den Einfluß eines Satzes auf andre sowohl als auf den Verstand und das Herz des Menschen nachzudenken, Kenntniß dessen, worauf man bey einer solchen Untersuchung Acht zu geben, woraus man die Kenntnisse zu schöpfen hat, gute Hülfsmittel, fleißige Uebung, selbst hinlängliche Zeit dazu – dieses alles erfordert viele Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack an solchen Betrachtungen, Fleiß und glückliche Umstände. – Gemeiniglich schöpft der angehende Prediger oder Katechet seine Kenntnisse aus dem Unterricht auf Schulen und Universitäten, und aus Büchern.
Daraus zu lernen, macht ihn, wie schon gesagt,
allein nicht zu seinen Beruf tüchtig. Gesetzt auch, daß er in der Wahl oder bey dem Zufall, der ihn auf diese Anweisung führte, nicht unglücklich gewesen, durch diesen genossenen Unterricht nicht verstimmt worden sey, also nicht erst noch zu lernen habe, wie viel er gar nicht, wie viel er vergebens gelernt habe, wie viel er also erst wieder verlernen müsse; gesetzt daß er auch
|a612| selbst den besten, zu seinem künftigen besondern Beruf, zweckmäßigsten Unterricht erhalten, daß er ihn mit der gehörigen Aufmerksamkeit benützt habe – Fälle, die äusserst selten sind –: so kan ihm zwar dieser Unterricht sehr nützlich, ja in so fern unentbehrlich seyn, daß er alles kürzer, bestimmter, zu einer allgemein zusammenhängenden Uebersicht der Religion brauchbarer, lernt, daß er auf das aufmerksam gemacht wird, was und wie er es lernen, untersuchen, anwenden, auch wohl wie er das Gelernte praktisch machen soll. Aber es ist doch alles dieses mehr ein Faden, woran er seine eignen erworbenen Kenntnisse anreihen, eine Grundlage, worauf er erst selbst weiter fortbauen, ein angewiesenes Fachwerk, worin er erst noch viel zusammentragen und ordnen soll. Und wenn er selbst dem Lehrer die gute Methode abgelernt hat, selbst von ihm in praktischer Behandlung des Gelernten geübt worden ist: so sind dieses doch nur Muster in wenigen Beyspielen, so wie der allgemeinere Unterricht nur Entwurf im Ganzen, den er selbst, nach den künftigen besondern Umständen und Bedürfnissen seiner eignen Zuhörer, erst ausführen muß. Kurz, er wird nur mit vorläufigen allgemeinen Kenntnissen, mit einer allgemeinen Instruction, wie er sich zu benehmen habe, mit einigen Handgriffen und Uebungen ausgerüstet, in die Welt geschickt, und es wird ihm nun, da er unmöglich auf Alles vorbereitet werden kan, was er für sich und Andre nöthig haben wird, ihm nun selbst überlassen, sich weiter zu bilden, seine Kenntnisse zu vermehren, und immer neue Anwendung zu machen.Es ist kein Zweifel, daß, wer
so die Religion erkennt, daß der auch mehr dadurch selbst gebildet werde, sie klärer und anschauender erkenne, mehr von ihrer Wahrheit und Werth überzeugt, mehr dafür eingenommen sey; daß er weit kräftigern Antrieb habe, sie Andern mitzutheilen; mit mehr Deutlichkeit, und, so zu sagen, Herzlichkeit davon spreche; mehr aus eigner Erfahrung wisse, sie Andern wirksam beyzubringen; folglich
|a611| auch auf Andre weit kräftiger wirke; daß dies also, dieses
Praktische der Erkenntniß in der Religion, in beyderley Sinn (§.
524 ) genommen, die Hauptsache sey, wenn ein Lehrer der Religion wahrhaftig sie Andern recht nutzbar machen will. Sehr schwer ist es immer, zu dieser praktischen Erkenntiß zu gelangen, und angestellte Versuche werden es jeden lehren, der es im Ernst darauf anlegt. Beständige Aufmerksamkeit, viel, eben so ruhiger als geschäftiger Beobachtungsgeist, Gewohnheit, eine Sache auf mehrern Seiten anzusehen, und über den Einfluß eines Satzes auf andre sowohl als auf den Verstand und das Herz des Menschen nachzudenken, Kenntniß dessen, worauf man bey einer solchen Untersuchung Acht zu geben, woraus man die Kenntnisse zu schöpfen hat, gute Hülfsmittel, fleißige Uebung, selbst hinlängliche Zeit dazu – dieses alles erfordert viele Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack an solchen Betrachtungen, Fleiß und glückliche Umstände. – Gemeiniglich schöpft der angehende Prediger oder Katechet seine Kenntnisse aus dem Unterricht auf Schulen und Universitäten, und aus Büchern.
Daraus zu lernen, macht ihn, wie schon gesagt,
allein nicht zu seinen Beruf tüchtig. Gesetzt auch, daß er in der Wahl oder bey dem Zufall, der ihn auf diese Anweisung führte, nicht unglücklich gewesen, durch diesen genossenen Unterricht nicht verstimmt worden sey, also nicht erst noch zu lernen habe, wie viel er gar nicht, wie viel er vergebens gelernt habe, wie viel er also erst wieder verlernen müsse; gesetzt daß er auch
|a612| selbst den besten, zu seinem künftigen besondern Beruf, zweckmäßigsten Unterricht erhalten, daß er ihn mit der gehörigen Aufmerksamkeit benützt habe – Fälle, die äusserst selten sind –: so kan ihm zwar dieser Unterricht sehr nützlich, ja in so fern unentbehrlich seyn, daß er alles kürzer, bestimmter, zu einer allgemein zusammenhängenden Uebersicht der Religion brauchbarer, lernt, daß er auf das aufmerksam gemacht wird, was und wie er es lernen, untersuchen, anwenden, auch wohl wie er das Gelernte praktisch machen soll. Aber es ist doch alles dieses mehr ein Faden, woran er seine eignen erworbenen Kenntnisse anreihen, eine Grundlage, worauf er erst selbst weiter fortbauen, ein angewiesenes Fachwerk, worin er erst noch viel zusammentragen und ordnen soll. Und wenn er selbst dem Lehrer die gute Methode abgelernt hat, selbst von ihm in praktischer Behandlung des Gelernten geübt worden ist: so sind dieses doch nur Muster in wenigen Beyspielen, so wie der allgemeinere Unterricht nur Entwurf im Ganzen, den er selbst, nach den künftigen besondern Umständen und Bedürfnissen seiner eignen Zuhörer, erst ausführen muß. Kurz, er wird nur mit vorläufigen allgemeinen Kenntnissen, mit einer allgemeinen Instruction, wie er sich zu benehmen habe, mit einigen Handgriffen und Uebungen ausgerüstet, in die Welt geschickt, und es wird ihm nun, da er unmöglich auf Alles vorbereitet werden kan, was er für sich und Andre nöthig haben wird, ihm nun selbst überlassen, sich weiter zu bilden, seine Kenntnisse zu vermehren, und immer neue Anwendung zu machen.
|a613| Anm. Demnach lerne er von seinem Lehrer oder dem guten Schriftsteller, den er lieset, nicht nur die Lehren der Religion, ihre genaue Bestimmung, ihre Gründe und ihre Anwendung. Er lerne ihm auch die Art ab, wie man untersuchen, sich überzeugen, Mißverstand und falsche Vorstellungen absondern, alles praktisch machen müsse. Er gewöhne sich aber, gleich zu der Zeit schon, wo er noch Verständigere befragen, seine Ideen durch sie berichtigen, sich in unternommenen eignen Uebungen leiten lassen kan, zu eignen Fleiß und Uebung, und arbeite eben so eifrig an der Besserung seines Herzens, an dem Geschmack an allem Guten, an der Erweiterung und Befestigung seiner guten Gesinnung, an der steten Anwendung alles Gelernten und Entdeckten zur wahren Gottseligkeit, als an Aufklärung seines Verstandes. Ohne diesen erworbnen Schatz, der sicherlich nicht leicht zu erwerben ist, wird er niemals selbst nur recht brauchbaren Stof erlangen, den er verarbeiten, und Andern wieder aufs nützlichste mittheilen kan.
526.
Was bisher eigentlich nur darüber gesagt worden ist,
woher man die vorzutragenden Sachen
nehmen soll, gilt auch in seiner Art von dem,
wodurch man sie Andern
empfehlen soll (§.
523 ). Man hat schon vieles gewonnen, wenn man seine
eigne Kenntniß der Religion praktisch gemacht hat. Sie
für Andere eben so zu machen, die gemeiniglich weniger Fähigkeiten, weniger Geschmack an Religion, weniger Kenntniß derselben, und weniger Uebung in praktischer Kenntniß der Religion haben, ist nicht
|a614| nur nöthig, aus den oben (§.
523. ) angegebenen Wissenschaften und aus eigner fleißigen Beobachtung und Nachdenken die beste Art zu lernen, wie man jemanden Sachen interessant, deutlich und eindrücklich machen könne, sondern auch fleißig mit Anderen, zumal Leuten von geringeren Fähigkeiten, in der Absicht umzugehen, um ihre Fähigkeiten, Kenntnisse, Gesinnungen und Bedürfnisse auszustudiren, und die wirksamste Art ausfündig zu machen, wie man ihnen am besten beykommen kan. Daß dieses keine leichte Sache sey, braucht kaum erinnert zu werden.Was bisher eigentlich nur darüber gesagt worden ist,
woher man die vorzutragenden Sachen
nehmen soll, gilt auch in seiner Art von dem,
wodurch man sie Andern
empfehlen soll (§.
523 ). Man hat schon vieles gewonnen, wenn man seine
eigne Kenntniß der Religion praktisch gemacht hat. Sie
für Andere eben so zu machen, die gemeiniglich weniger Fähigkeiten, weniger Geschmack an Religion, weniger Kenntniß derselben, und weniger Uebung in praktischer Kenntniß der Religion haben, ist nicht
|a614| nur nöthig, aus den oben (§.
523. ) angegebenen Wissenschaften und aus eigner fleißigen Beobachtung und Nachdenken die beste Art zu lernen, wie man jemanden Sachen interessant, deutlich und eindrücklich machen könne, sondern auch fleißig mit Anderen, zumal Leuten von geringeren Fähigkeiten, in der Absicht umzugehen, um ihre Fähigkeiten, Kenntnisse, Gesinnungen und Bedürfnisse auszustudiren, und die wirksamste Art ausfündig zu machen, wie man ihnen am besten beykommen kan. Daß dieses keine leichte Sache sey, braucht kaum erinnert zu werden.
527.
Ausser dem
Auffinden desjenigen, was und wie man es am wirksamsten in dem Vortrage der Religion vorstellen soll, trägt 2) (§.
523 ) die
Ordnung, in welcher die Gedanken gestellt werden, der
Ausdruck, worein man sie kleidet, und das
Aeusserliche bey Ablegung des Vortrags (die
Action) ungemein viel zur Wirksamkeit des Vortrags bey. – Wenn die Unordnung in Stellung der Gedanken auch nicht so groß ist, daß sie Undeutlichkeit der Begriffe und Verwirrung in Vorstellungen hervorbringt, den Vortrag widerlich, und das Gesagte zu behalten unmöglich macht, oder erschwert: so unterhält doch lichtvolle Ordnung und natürliche Folge der Gedanken die Aufmerksamkeit; jeder Gedanke giebt dem andern Licht und Stärke, bereitet den Zuhörer auf das Folgende; der natür
|a615|liche Zusammenhang giebt eine angenehmere Unterhaltung, eine zusammenhängendere Uebersicht des Ganzen, und macht die Eindrücke dauerhafter, weil der Vortrag behältlicher ist, indem eine Idee die andre, wegen ihres Zusammenhangs, leichter wieder ins Gemüth bringt. – 3) Wie viel der gute Ausdruck, der den Sachen und ihrer Würde angemessen ist, zur Empfehlung der Sache selbst thue, ist schon oben berührt worden (§.
274 f.). – Und daß 4) der den Sachen selbst entsprechende, und nach ihrer Verschiedenheit abgeänderte Ton der Stimme, die ganze natürliche Gebärdensprache, der ganze äusserliche Anstand, mit einem Wort, das ganze äusserliche Benehmen, in welchem sich die anschauliche Ueberzeugung von den vorgetragenen Sachen und ihrem Werth, die wahrhaftige Theilnehmung daran und an dem Wohl der Zuhörer, abdrückt, grossen Einfluß auf diese habe, weiß ein jeder, der einiges Gefühl hat. – Aber daß dieses alles, was den Vortrag so sehr empfiehlt, zu erlangen, die rechte Mittelstrasse zwischen der ungebildeten Natur und der Kunst dabey zu treffen, den Einfluß der oft unbemerkten Naturfehler und üblen Gewohnheiten auf einer, und der Ziererey oder der unnatürlichen Nachahmung auf der andern, abzuwehren, auch sehr schwer sey, lehren die seltenen Beyspiele genug, wenn man auch nicht wüßte, wie viel dabey natürliche Talente, ein
durch viele Uebung aufgeräumter Kopf, genaue Bekanntschaft mit den Sachen, ein für alles Gute warmes und wohlwollendes
|a616| Herz, Reichthum der Sprache und Gewalt über sie, ein feines Gefühl des Schicklichen, und ein sehr gebildeter Geschmack, vermögen.Ausser dem
Auffinden desjenigen, was und wie man es am wirksamsten in dem Vortrage der Religion vorstellen soll, trägt 2) (§.
523 ) die
Ordnung, in welcher die Gedanken gestellt werden, der
Ausdruck, worein man sie kleidet, und das
Aeusserliche bey Ablegung des Vortrags (die
Action) ungemein viel zur Wirksamkeit des Vortrags bey. – Wenn die Unordnung in Stellung der Gedanken auch nicht so groß ist, daß sie Undeutlichkeit der Begriffe und Verwirrung in Vorstellungen hervorbringt, den Vortrag widerlich, und das Gesagte zu behalten unmöglich macht, oder erschwert: so unterhält doch lichtvolle Ordnung und natürliche Folge der Gedanken die Aufmerksamkeit; jeder Gedanke giebt dem andern Licht und Stärke, bereitet den Zuhörer auf das Folgende; der natür
|a615|liche Zusammenhang giebt eine angenehmere Unterhaltung, eine zusammenhängendere Uebersicht des Ganzen, und macht die Eindrücke dauerhafter, weil der Vortrag behältlicher ist, indem eine Idee die andre, wegen ihres Zusammenhangs, leichter wieder ins Gemüth bringt. – 3) Wie viel der gute Ausdruck, der den Sachen und ihrer Würde angemessen ist, zur Empfehlung der Sache selbst thue, ist schon oben berührt worden (§.
274 f.). – Und daß 4) der den Sachen selbst entsprechende, und nach ihrer Verschiedenheit abgeänderte Ton der Stimme, die ganze natürliche Gebärdensprache, der ganze äusserliche Anstand, mit einem Wort, das ganze äusserliche Benehmen, in welchem sich die anschauliche Ueberzeugung von den vorgetragenen Sachen und ihrem Werth, die wahrhaftige Theilnehmung daran und an dem Wohl der Zuhörer, abdrückt, grossen Einfluß auf diese habe, weiß ein jeder, der einiges Gefühl hat. – Aber daß dieses alles, was den Vortrag so sehr empfiehlt, zu erlangen, die rechte Mittelstrasse zwischen der ungebildeten Natur und der Kunst dabey zu treffen, den Einfluß der oft unbemerkten Naturfehler und üblen Gewohnheiten auf einer, und der Ziererey oder der unnatürlichen Nachahmung auf der andern, abzuwehren, auch sehr schwer sey, lehren die seltenen Beyspiele genug, wenn man auch nicht wüßte, wie viel dabey natürliche Talente, ein
durch viele Uebung aufgeräumter Kopf, genaue Bekanntschaft mit den Sachen, ein für alles Gute warmes und wohlwollendes
|a616| Herz, Reichthum der Sprache und Gewalt über sie, ein feines Gefühl des Schicklichen, und ein sehr gebildeter Geschmack, vermögen.
528.
Zu diesen Schwierigkeiten, die in der
Natur des Vortrags und dessen Theilen liegen (§.
523 ),
kommen noch mehrere andere, die mehr von gewissen
Mängeln des Predigers selbst und den
Bedürfnissen der Zuhörer abhängen, denen er nicht gewachsen ist (§.
522 ). – Jeder hat nicht nur seine eigne Grundsätze, er hat auch seine eigne Art, Begriffe und Sätze zu verbinden, zu ordnen, zu bestätigen und auszudrücken; deswegen ist das, was
uns verständlich, deutlich, überzeugend und eindrücklich ist, nicht
Andern eben so. Es ist schon nichts Leichtes, zu empfinden, daß man sich oft selbst nicht recht verstehe, selbst nicht deutlich denke, sich mehr überedet als überzeuget habe; wie käm' es sonst, daß man seine Ausdrücke, zumal wenn man in Bildern und Tropen spricht, nicht in deutlichere einkleiden, seine Gedanken nicht weiter auseinander setzen oder zusammenziehen kan, seine Ueberzeugung oder Rührung oft zerstört sieht, wenn man die Ordnung oder Einkleidung der Gedanken geändert hat? Wie viel schwerer muß es seyn, sich in
Anderer Lage nur vorerst
hinein zu denken, um zu erkennen, was ihnen verständlich, überzeugend und anziehend seyn möchte, um deswegen den Grad ihrer Fas
|a617|sungskraft, ihre Vorurtheile und vermuthlichen Kenntnisse, ihre Neigungen, ihre Bedürfnisse, an welches alles man den weitern Unterricht und dessen Anordnung anschliessen soll, und die beste Art zu kennen, wie man ihrem Verstande und Herzen beykommen kan? Wie noch viel schwerer, sich in Anderer Lage
hinein zu versetzen, d. i. seine eigne Art zu denken, sich in Bewegung zu setzen, und sich auszudrücken, in die gleichsam umzuschmelzen, die ihnen eigen ist? Wie viel feine Menschenkenntniß gehört dazu? wie viel Beugsamkeit des Verstandes und Herzens? welche Mannichfaltigkeit und Reichthum von Gedanken, Worten und Wendungen?Zu diesen Schwierigkeiten, die in der
Natur des Vortrags und dessen Theilen liegen (§.
523 ),
kommen noch mehrere andere, die mehr von gewissen
Mängeln des Predigers selbst und den
Bedürfnissen der Zuhörer abhängen, denen er nicht gewachsen ist (§.
522 ). – Jeder hat nicht nur seine eigne Grundsätze, er hat auch seine eigne Art, Begriffe und Sätze zu verbinden, zu ordnen, zu bestätigen und auszudrücken; deswegen ist das, was
uns verständlich, deutlich, überzeugend und eindrücklich ist, nicht
Andern eben so. Es ist schon nichts Leichtes, zu empfinden, daß man sich oft selbst nicht recht verstehe, selbst nicht deutlich denke, sich mehr überedet als überzeuget habe; wie käm' es sonst, daß man seine Ausdrücke, zumal wenn man in Bildern und Tropen spricht, nicht in deutlichere einkleiden, seine Gedanken nicht weiter auseinander setzen oder zusammenziehen kan, seine Ueberzeugung oder Rührung oft zerstört sieht, wenn man die Ordnung oder Einkleidung der Gedanken geändert hat? Wie viel schwerer muß es seyn, sich in
Anderer Lage nur vorerst
hinein zu denken, um zu erkennen, was ihnen verständlich, überzeugend und anziehend seyn möchte, um deswegen den Grad ihrer Fas
|a617|sungskraft, ihre Vorurtheile und vermuthlichen Kenntnisse, ihre Neigungen, ihre Bedürfnisse, an welches alles man den weitern Unterricht und dessen Anordnung anschliessen soll, und die beste Art zu kennen, wie man ihrem Verstande und Herzen beykommen kan? Wie noch viel schwerer, sich in Anderer Lage
hinein zu versetzen, d. i. seine eigne Art zu denken, sich in Bewegung zu setzen, und sich auszudrücken, in die gleichsam umzuschmelzen, die ihnen eigen ist? Wie viel feine Menschenkenntniß gehört dazu? wie viel Beugsamkeit des Verstandes und Herzens? welche Mannichfaltigkeit und Reichthum von Gedanken, Worten und Wendungen?
Wahr ists, es giebt gewisse Begriffe, die alle Menschen für wahr halten, gewisse Neigungen, wodurch alle gelenkt werden können; jene sind das, was man unter dem gemeinen Wahrheitssinn, diese, was man, wenn sie auf freye Handlungen gehn, unter moralischem Gefühle, beydes zusammen vielleicht, was man unter Gemeinsinn (sensus communis) zu begreifen pflegt. Dem, sagt man, dürfe man nur alles anschliessen, so könne man mit dem Menschen machen was man wolle. – Aber 1) eben dieses Anschliessen und das so lange fortgesetzte Herumwenden aller Begriffe, bis sie sich jedes Begriffen und Neigungen anschliessen, das ist eben, was so schwer, ohne die am Ende unsers Textes erwehnte Eigenschaften, und ohne lange Uebung unerreichbar ist. 2) Vieles, dasjenige wenigstens, wobey irgend historische Kenntnisse, wie bey Erklärung der heil. Schrift und bey der in ihr vorkommenden Geschichte, oder eine genauere Kenntniß der Natur der Dinge, zum Grunde gelegt werden muß, wie bey |a618| manchen zwar oft gemeinen, aber sehr verwickelten Zweifeln und sehr gewöhnlichem Mißverstande, läßt sich durch diesen Gemeinsinn allein, nicht zur Ueberzeugung oder Entschliessung bringen. Und wenn vollends 3) vieles zu diesem Gemeinsinn gezogen würde, was dahin nicht gehörte, oder dieser durch Vorurtheile und Schwärmerey verdorben wäre; kostete es da nicht viel Mühe, den so Verdorbnen zu überzeugen, daß er sich täuschte, daß sein Sinn zerrüttet wäre? und könnte man ihn wohl eben durch diesen Sinn dahin bringen, daß er empfände, er habe keine Empfindung, oder empfände nicht recht? Wie diese Ueberzeugung durch ganz etwas Anders, als durch den blossen Gemeinsinn, bewirkt werden muß: so hat 4) jeder Mensch, ausser dem, worin seine Begriffe und Neigungen mit Andrer ihren übereinstimmen, noch viele besondre Vorstellungen, die bey ihm Ueberzeugung wirken, noch sein eignes Interesse, National- und Zeitvorurtheile z. B. die aus seinem besondern Temperament, seiner Lebensart, seiner besondern Art zu denken, zu schliessen, zu erklären u. s. f. entspringen; und gerade das wirkt auf ihn am meisten, was sich daran schließt. Ists denn also weniger nöthig, oder weniger schwer, daran sich zu halten, wenn man ihn wofür oder wowider einnehmen will? – Man hat Jesum zum Muster des populären und eindringlichen Vortrags dargestellt, und man hat es mit dem grössesten Recht gethan. Aber eben seine ganze so vollkommen weise Lehrart zeigt, daß er sich bey denen, die er bekehren oder bessern wollte, keineswegs bloß an den Gemeinsinn hielte, sondern gewiß auch das andere, was hier berührt worden ist, vornehmlich das zuletzt genannte Eigne seiner Zuhörer, zu Hülfe nahm.
|a619| 529.
Und gerade der natürlich
schöne Vortrag, der allen Arten von Zuhörern gefällt, weil er für Alle nicht nur verständlich, sondern auch unterhaltend ist, der eben so wenig
künstlich als
kunstlos ist, ob er gleich das Letztre zu seyn scheint; der so einnimmt, daß jeder sagen muß:
so stellen sich die Sachen in ihrer natürlichen Einfalt dar; von dem jeder glauben kan,
der koste die wenigste Anstrengung – gerade der ist am allerschweresten zu erreichen, weit schwerer als der, wobey man die Anstrengung des Verstandes oder der Einbildungskraft, oder gar das ängstliche Bestreben, etwas Schönes und Auffallendes zu sagen, wahrnimmt. Woher käm' es sonst, daß wir so äusserst wenige Muster desselben fänden? woher sonst so grosse Schwierigkeiten, wenn man, was man selbst gedacht, sich es selbst ganz deutlich gemacht, sich es ganz zu seiner eigenen Zufriedenheit ausgedrückt hat, in eine ganz andre Form für anders Denkende giessen soll? woher, bey einer nicht geringen Anzahl recht guter Prediger, so ungleich weniger recht gute Katecheten? Es ist wahr, ein solcher Vortrag gelingt nur in solchen Stunden, wo die Seele ruhig, d. i. von keinem andern Gegenstande gestört, wo sie ganz heiter, ganz von
dem Gegenstande eingenommen, voll von ihm, aber nicht überladen ist. Aber er wird da nur geboren, empfangen und lange gebildet ist er schon vorher; oder, um ohne Bilder zu reden,
|a620| er könnte da nicht gelingen, wenn nicht ein reicher Schatz von praktischen Kenntnissen in der Seele läge, die sich gerade zu rechter Zeit darstellten, um
dieser Sache Licht und Wärme zu geben; wenn sie nicht von vielen feinen Kenntnissen der Menschen und ihrer hier in Anschlag kommenden Umstände unterstützt würde; wenn sie nicht viele Regeln kennte, die man zur Gewinnung des menschlichen Verstandes und Herzens befolgen muß; wenn sie sich nicht durch viele Uebung die Fertigkeit erworben hätte, Sachen von vielen Seiten zu denken, mannichfaltig auszudrücken, und sich gleichsam in mancherley Formen zu giessen; nur daß zu der Zeit zwar die Vorstellung von den
Sachen lebhaft in der Seele ist, aber die
Art sie zu sagen, nicht ganz deutlich gedacht wird, sondern mehr im Verborgnen wirkt, und jene Kenntnisse von Menschen, jene Regeln und Fertigkeiten sich mehr unvermerkt in den Vortrag ergiessen. Es muß jedem einleuchten, wie viel mehr dazu der ehemalige Erwerb aller jener Kenntnisse und Fertigkeiten, als die Stimmung der Seele in einer solchen Stunde selbst, beytrage, und wie schwer es sey, sich erst jenes zu erwerben, wenn man sich Hoffnung machen solle, daß ein solcher Vortrag gelingen werde.Und gerade der natürlich
schöne Vortrag, der allen Arten von Zuhörern gefällt, weil er für Alle nicht nur verständlich, sondern auch unterhaltend ist, der eben so wenig
künstlich als
kunstlos ist, ob er gleich das Letztre zu seyn scheint; der so einnimmt, daß jeder sagen muß:
so stellen sich die Sachen in ihrer natürlichen Einfalt dar; von dem jeder glauben kan,
der koste die wenigste Anstrengung – gerade der ist am allerschweresten zu erreichen, weit schwerer als der, wobey man die Anstrengung des Verstandes oder der Einbildungskraft, oder gar das ängstliche Bestreben, etwas Schönes und Auffallendes zu sagen, wahrnimmt. Woher käm' es sonst, daß wir so äusserst wenige Muster desselben fänden? woher sonst so grosse Schwierigkeiten, wenn man, was man selbst gedacht, sich es selbst ganz deutlich gemacht, sich es ganz zu seiner eigenen Zufriedenheit ausgedrückt hat, in eine ganz andre Form für anders Denkende giessen soll? woher, bey einer nicht geringen Anzahl recht guter Prediger, so ungleich weniger recht gute Katecheten? Es ist wahr, ein solcher Vortrag gelingt nur in solchen Stunden, wo die Seele ruhig, d. i. von keinem andern Gegenstande gestört, wo sie ganz heiter, ganz von
dem Gegenstande eingenommen, voll von ihm, aber nicht überladen ist. Aber er wird da nur geboren, empfangen und lange gebildet ist er schon vorher; oder, um ohne Bilder zu reden,
|a620| er könnte da nicht gelingen, wenn nicht ein reicher Schatz von praktischen Kenntnissen in der Seele läge, die sich gerade zu rechter Zeit darstellten, um
dieser Sache Licht und Wärme zu geben; wenn sie nicht von vielen feinen Kenntnissen der Menschen und ihrer hier in Anschlag kommenden Umstände unterstützt würde; wenn sie nicht viele Regeln kennte, die man zur Gewinnung des menschlichen Verstandes und Herzens befolgen muß; wenn sie sich nicht durch viele Uebung die Fertigkeit erworben hätte, Sachen von vielen Seiten zu denken, mannichfaltig auszudrücken, und sich gleichsam in mancherley Formen zu giessen; nur daß zu der Zeit zwar die Vorstellung von den
Sachen lebhaft in der Seele ist, aber die
Art sie zu sagen, nicht ganz deutlich gedacht wird, sondern mehr im Verborgnen wirkt, und jene Kenntnisse von Menschen, jene Regeln und Fertigkeiten sich mehr unvermerkt in den Vortrag ergiessen. Es muß jedem einleuchten, wie viel mehr dazu der ehemalige Erwerb aller jener Kenntnisse und Fertigkeiten, als die Stimmung der Seele in einer solchen Stunde selbst, beytrage, und wie schwer es sey, sich erst jenes zu erwerben, wenn man sich Hoffnung machen solle, daß ein solcher Vortrag gelingen werde.
530.
Wenn der Prediger immer eine Versammlung von Zuhörern vor sich hätte, die wahres
|a621| Interesse für die Religion, und für ihre wahre geistige Wohlfahrt, einen reichen Vorrath von praktischen Kenntnissen der Religion, und heisse Lernbegierde mitbrächten, die zum Denken über ernsthafte und unsichtbare Dinge, zur gewissenhaften Anwendung des Erlernten gewöhnt wären; die sich nicht bloß führen liessen, sondern, an der Hand des Lehrers, über das Vorgetragene selbst dächten, und es auf ihren besondern Zustand anwendeten: so würde sich der Prediger bey seinen Vortrag sehr erleichtert, und dieser sicherlich mehr Eingang finden. So sind und handeln aber die wenigsten Zuhörer; selbst der aufgeklärtere und der frömmere Theil denkt gemeiniglich, jener zu wenig an die Anwendung, dieser zu wenig an die Läuterung und feste Gründung der Religionskenntniß. Noch dazu ist fast immer die Versammlung ein vermischter Haufe; wo, was dem Einen verständlich, dem Andern schaal und wässerig, und was diesem unterhält, jenem undeutlich und zu hoch ist; wo die Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack und Interesse so verschieden sind, daß es sehr schwer wird, sich ganz zu dem einen Theil herabzulassen, und ihn zu sich hinaufzuheben, dem andern hinlängliche Unterhaltung zu geben, durchaus aber Allen Alles zu werden. – Dies ist die
zweyte Hauptursach (§.
522 ) der grossen Schwierigkeiten bey einen guten Vortrag, die in der Beschaffenheit und Verschiedenheit der Zuhörer liegt.Wenn der Prediger immer eine Versammlung von Zuhörern vor sich hätte, die wahres
|a621| Interesse für die Religion, und für ihre wahre geistige Wohlfahrt, einen reichen Vorrath von praktischen Kenntnissen der Religion, und heisse Lernbegierde mitbrächten, die zum Denken über ernsthafte und unsichtbare Dinge, zur gewissenhaften Anwendung des Erlernten gewöhnt wären; die sich nicht bloß führen liessen, sondern, an der Hand des Lehrers, über das Vorgetragene selbst dächten, und es auf ihren besondern Zustand anwendeten: so würde sich der Prediger bey seinen Vortrag sehr erleichtert, und dieser sicherlich mehr Eingang finden. So sind und handeln aber die wenigsten Zuhörer; selbst der aufgeklärtere und der frömmere Theil denkt gemeiniglich, jener zu wenig an die Anwendung, dieser zu wenig an die Läuterung und feste Gründung der Religionskenntniß. Noch dazu ist fast immer die Versammlung ein vermischter Haufe; wo, was dem Einen verständlich, dem Andern schaal und wässerig, und was diesem unterhält, jenem undeutlich und zu hoch ist; wo die Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack und Interesse so verschieden sind, daß es sehr schwer wird, sich ganz zu dem einen Theil herabzulassen, und ihn zu sich hinaufzuheben, dem andern hinlängliche Unterhaltung zu geben, durchaus aber Allen Alles zu werden. – Dies ist die
zweyte Hauptursach (§.
522 ) der grossen Schwierigkeiten bey einen guten Vortrag, die in der Beschaffenheit und Verschiedenheit der Zuhörer liegt.
|a622| 531
Indessen würden sie sehr vermindert werden, und der Prediger oder Katechet würde sie weit leichter überwinden können, wenn ihm – welches das
dritte war (§.
530. und
522 ) – nicht manche
Einrichtungen unter uns im Wege stünden, und die
Anstalten dazu mehr angelegt wären, worin Christen und worin vornehmlich Lehrer der Religion sollen gebildet werden. – Es versteht sich von selbst
, und die Geschichte bestätigt es, daß, wenn Wißbegierde, Aufklärung in der Religion, Interesse für sie und für geistige Angelegenheiten, allgemeiner würde, ein grosser Theil der Schwierigkeiten wegfallen müßte, welcher von
Beschaffenheit der Zuhörer selbst herrührt, Und, wenn gleich alsdenn immer noch eine grosse Verschiedenheit der Zuhörer bliebe: so würde doch auch die den Vortrag weniger erschweren, wenn, wenigstens öfters, besondre Vorträge für die verschiednen Arten der Zuhörer, bloß für Kinder, für Landleute, für Gelehrtere u. s. w. gehalten würden, und wenn man in Besetzung der Lehrstellen mit mehr Weisheit und Gewissenhaftigkeit verführe, um jeden Lehrer an
den Ort, unter
die Art von Zuhörern zu versetzen, ihm
die Art des Vortrags anzuweisen, die seinen Fähigkeiten am angemessensten wäre.Indessen würden sie sehr vermindert werden, und der Prediger oder Katechet würde sie weit leichter überwinden können, wenn ihm – welches das
dritte war (§.
530. und
522 ) – nicht manche
Einrichtungen unter uns im Wege stünden, und die
Anstalten dazu mehr angelegt wären, worin Christen und worin vornehmlich Lehrer der Religion sollen gebildet werden. – Es versteht sich von selbst
, und die Geschichte bestätigt es, daß, wenn Wißbegierde, Aufklärung in der Religion, Interesse für sie und für geistige Angelegenheiten, allgemeiner würde, ein grosser Theil der Schwierigkeiten wegfallen müßte, welcher von
Beschaffenheit der Zuhörer selbst herrührt, Und, wenn gleich alsdenn immer noch eine grosse Verschiedenheit der Zuhörer bliebe: so würde doch auch die den Vortrag weniger erschweren, wenn, wenigstens öfters, besondre Vorträge für die verschiednen Arten der Zuhörer, bloß für Kinder, für Landleute, für Gelehrtere u. s. w. gehalten würden, und wenn man in Besetzung der Lehrstellen mit mehr Weisheit und Gewissenhaftigkeit verführe, um jeden Lehrer an
den Ort, unter
die Art von Zuhörern zu versetzen, ihm
die Art des Vortrags anzuweisen, die seinen Fähigkeiten am angemessensten wäre.
532.
Eigentlich aber ziele ich hier auf die Anstalten zur Bildung unsrer Christen und ihrer |a623| Lehrer. Diese sind entweder Schulen oder Universitäten, und, wenn man will, besondere Pflanzschulen für die Letztern. In Schulen wird gemeiniglich die Jugend fast bloß zu Gelehrten, oder bloß zum gemeinen Leben und den Nahrungsstand erzogen, bey jenen die Bildung zu recht praktischen Kenntnissen in den Wissenschaften, und besonders in der Religion, bey diesen die Kenntniß und das Nachdenken über unsichtbare Dinge, bey beyden moralische Bildung und Gewöhnung zu eignem Fleiß zu sehr vernachläßigt. Auf Universitäten, wo der künftige Lehrer nothwendig muß zu gelehrten Kenntnissen angeführet werden , führt die Natur der Wissenschaften, worin vorzüglich Bestimmtheit und Gründlichkeit herrschen muß, und der Vortrag, wodurch nicht das Volk, sondern Lehrer sollen gebildet werden , auf eine gewisse einförmige und gelehrte Art zu denken, worüber gemeiniglich die praktische Art, die Religion zu behandeln, versäumet wird, und der künftige Lehrer eine Art zu denken und sich auszudrücken annimmt, die es ihm hernach sehr schwer macht, sich zu Ungelehrten herabzulassen, und mit ihnen nach ihren Bedürfnissen zu reden. – Ueberhaupt aber werden in beyderley Anstalten zu sehr die Uebungen im guten, besonders praktischen und populären, Vortrag vernachlässigt und immer seltner, Uebungen, zu welchen man frühzeitig, vorzüglich auf Schulen, sollte angehalten werden. Denn da ist nicht nur die meiste Zeit dazu; da könnte auch die Leitung und Kritik eines |a624| verständigen Lehrers die Aufmerksamkeit des jungen Lehrlings gerade auf das richten, was eigentlich zum guten Vortrag gehört, ihm die Quellen, woraus er schöpfen sollte, anweisen, oder ihm selbst zu den nöthigen Gedanken helfen, und alles durch nöthige Erinnerungen verbessern; da kan man noch an Achtsamkeit auf klein scheinende Umstände, die auf den Vortrag so grossen Einfluß haben, gewöhnt werden, weil das Gemüth noch nicht durch die Aufmerksamkeit auf nöthigere Dinge abgelenkt, und der Geschmack noch nicht durch sogenannte reelle Kenntnisse verwöhnt ist; da läßt sich auch noch die Flüchtigkeit des jungen Kopfs durch stete Uebung und einen heilsamen Zwang einschränken. – Sind aber diese Uebungen versäumt worden, ist der Geschmack nicht frühzeitig zum Gefühl der wahren natürlichen Schönheit des Vortrags gebildet, kommt noch eine unvorsichtige Lectüre dazu, und der Trieb, mehr sein Vergnügen dadurch zu befriedigen, oder höchstens Kenntnisse einzusammlen, als den zweckmäßigen Vortrag der Religion zu bilden: so muß es, wie auch die Erfahrung lehret, unbeschreiblich schwer werden, hinterher erst einen solchen Vortrag, wie er bisher beschrieben ist, in seine Gewalt zu bekommen.Eigentlich aber ziele ich hier auf die Anstalten zur Bildung unsrer Christen und ihrer |a623| Lehrer. Diese sind entweder Schulen oder Universitäten, und, wenn man will, besondere Pflanzschulen für die Letztern. In Schulen wird gemeiniglich die Jugend fast bloß zu Gelehrten, oder bloß zum gemeinen Leben und den Nahrungsstand erzogen, bey jenen die Bildung zu recht praktischen Kenntnissen in den Wissenschaften, und besonders in der Religion, bey diesen die Kenntniß und das Nachdenken über unsichtbare Dinge, bey beyden moralische Bildung und Gewöhnung zu eignem Fleiß zu sehr vernachläßigt. Auf Universitäten, wo der künftige Lehrer nothwendig muß zu gelehrten Kenntnissen angeführet werden , führt die Natur der Wissenschaften, worin vorzüglich Bestimmtheit und Gründlichkeit herrschen muß, und der Vortrag, wodurch nicht das Volk, sondern Lehrer sollen gebildet werden , auf eine gewisse einförmige und gelehrte Art zu denken, worüber gemeiniglich die praktische Art, die Religion zu behandeln, versäumet wird, und der künftige Lehrer eine Art zu denken und sich auszudrücken annimmt, die es ihm hernach sehr schwer macht, sich zu Ungelehrten herabzulassen, und mit ihnen nach ihren Bedürfnissen zu reden. – Ueberhaupt aber werden in beyderley Anstalten zu sehr die Uebungen im guten, besonders praktischen und populären, Vortrag vernachlässigt und immer seltner, Uebungen, zu welchen man frühzeitig, vorzüglich auf Schulen, sollte angehalten werden. Denn da ist nicht nur die meiste Zeit dazu; da könnte auch die Leitung und Kritik eines |a624| verständigen Lehrers die Aufmerksamkeit des jungen Lehrlings gerade auf das richten, was eigentlich zum guten Vortrag gehört, ihm die Quellen, woraus er schöpfen sollte, anweisen, oder ihm selbst zu den nöthigen Gedanken helfen, und alles durch nöthige Erinnerungen verbessern; da kan man noch an Achtsamkeit auf klein scheinende Umstände, die auf den Vortrag so grossen Einfluß haben, gewöhnt werden, weil das Gemüth noch nicht durch die Aufmerksamkeit auf nöthigere Dinge abgelenkt, und der Geschmack noch nicht durch sogenannte reelle Kenntnisse verwöhnt ist; da läßt sich auch noch die Flüchtigkeit des jungen Kopfs durch stete Uebung und einen heilsamen Zwang einschränken. – Sind aber diese Uebungen versäumt worden, ist der Geschmack nicht frühzeitig zum Gefühl der wahren natürlichen Schönheit des Vortrags gebildet, kommt noch eine unvorsichtige Lectüre dazu, und der Trieb, mehr sein Vergnügen dadurch zu befriedigen, oder höchstens Kenntnisse einzusammlen, als den zweckmäßigen Vortrag der Religion zu bilden: so muß es, wie auch die Erfahrung lehret, unbeschreiblich schwer werden, hinterher erst einen solchen Vortrag, wie er bisher beschrieben ist, in seine Gewalt zu bekommen.
533.
Worauf käme es nun eigentlich an, wenn der Vortrag der Religion, – er sey aneinan
|a625|derhangend, oder mehr Unterredung mit Anderen, – so seyn sollte, daß die Absicht, Andere durch Religion glücklich zu machen, erreicht werden könnte? Willigkeit sie anzunehmen und zu befolgen, kan anders nicht, als durch erweckte Vorstellungen entstehen, die uns das, was zur Religion gehört, als wahr und als gut zeigen. Wenn also der Vortrag jene Absicht befördern soll: so muß er: – bey den Zuhörern Vorstellungen
erwecken – die von ihnen als
wahr, d. i. als der Sache selbst, oder dem Grunde, worauf sie beruhen, gemäß erkannt werden – und deren
Werth ihnen in Rücksicht auf ihr Bestes einleuchtet. In der ersten Absicht ist der Vortrag
belehrend (unterrichtend); in der zweyten
überzeugend; in der dritten
rührend (im weitern Verstande)
†) . Diese drey Eigenschaften kan man unter dem Namen der
Erbaulichkeit zusammenfassen, und der Vortrag ist
erbaulich, wenn er so eingerichtet ist, daß er – die Erkenntniß
– der göttlichen Wahrheit – zur Gottseligkeit – befördern kan; wiewohl er auch von Manchen schon so genannt wird, wenn er auch nur eine dieser Eigenschaften, vornehmlich wenn er die dritte, hat. Worauf käme es nun eigentlich an, wenn der Vortrag der Religion, – er sey aneinan
|a625|derhangend, oder mehr Unterredung mit Anderen, – so seyn sollte, daß die Absicht, Andere durch Religion glücklich zu machen, erreicht werden könnte? Willigkeit sie anzunehmen und zu befolgen, kan anders nicht, als durch erweckte Vorstellungen entstehen, die uns das, was zur Religion gehört, als wahr und als gut zeigen. Wenn also der Vortrag jene Absicht befördern soll: so muß er: – bey den Zuhörern Vorstellungen
erwecken – die von ihnen als
wahr, d. i. als der Sache selbst, oder dem Grunde, worauf sie beruhen, gemäß erkannt werden – und deren
Werth ihnen in Rücksicht auf ihr Bestes einleuchtet. In der ersten Absicht ist der Vortrag
belehrend (unterrichtend); in der zweyten
überzeugend; in der dritten
rührend (im weitern Verstande)
†) . Diese drey Eigenschaften kan man unter dem Namen der
Erbaulichkeit zusammenfassen, und der Vortrag ist
erbaulich, wenn er so eingerichtet ist, daß er – die Erkenntniß
– der göttlichen Wahrheit – zur Gottseligkeit – befördern kan; wiewohl er auch von Manchen schon so genannt wird, wenn er auch nur eine dieser Eigenschaften, vornehmlich wenn er die dritte, hat.
†) Anm. 1. In dem gedachten ersten Fall wirkt der Vortrag auf die blosse Vorstellungskraft, erweitert die Erkenntniß, und verbannt die Unwissenheit oder Unbedachtsamkeit; im zweyten wirkt er auf den Verstand, berichtigt die Erkenntniß, und vertreibt Vorurtheile und Irrthümer; im dritten wirkt er aufs Herz, oder auf |a626| den Willen, macht die Erkenntniß lebendig, und hebt die Gleichgültigkeit.
Anm. 2. Das Folgende soll weder eine Anweisung zum Predigen, noch zum Katechisiren seyn. Es soll nur auf die Hauptsache bey dem erbaulichen Vortrage aufmerksam machen, und zeigen, wie viel dazu gehöre, wenn ein solcher Vortrag seiner wahren Absicht entsprechen soll. Einzelne Regeln lassen sich hernach leicht daraus ableiten.
534.
Belehrung, wodurch die Kenntniß des Zuhörers immer mehr erweitert, und er zum Besinnen und Denken gebracht wird, ist die erste unentbehrliche Eigenschaft eines guten Vortrags, und in dem Grade kan dieser nützlich seyn, in welchem er diese Eigenschaft hat. – Denn wie kan man etwas für wahr oder gut halten, was man nicht kennt? woher anders, als daraus, können Gründe genommen werden, wodurch man sich überzeugt, und wonach man etwas begehrt oder verabscheut? oder wie kan der Beyfall, den man einem Satz giebt, und die Willigkeit, mit der man ihn befolgt, gewissenhaft seyn, d. i. wie kan man sich selbst Rechenschaft geben, daß man etwas für wahr annehmen und wollen müsse, ohne durch die Kenntniß, die man von einer solchen Sache hat? Immer rührt auch alle Gleichgültigkeit gegen das, was wahr und gut ist, und alle Verwerfung desselben daher, daß man es entweder nicht kennt, oder zu der Zeit nicht daran denkt, oder sichs nicht lebhaft genug vorstellt; und diesem allen kan |a627| nur rechte Belehrung abhelfen. – Das Bekannte verliert, weil man dessen gewohnt wird, nach und nach den Eindruck, und kan nur dadurch aufgefrischt werden, daß man immer Mehreres hinzu lernt, wodurch das Bekannte in uns in neuen Verbindungen erscheint, und uns neue Aussichten eröfnet werden, welche die Beschäftigung mit bekannten Sachen unterhaltender machen. – Was nicht wirklich belehrt, wobey man nichts Bestimmtes denkt, was bloß die Phantasie in Bewegung, und das Gemüth in Affekt setzt, das geht wie ein Rausch vorüber, und kan keine dauerhafte Eindrücke hinterlassen. Je mehreres man hingegen von einer Sache weiß; je mehr erzeugt Eines das Andere, weckt Eins das Andre wieder auf, wirkt Eins wenn das Andre unwirksam schläft, verstärkt das Eine die Wirkungen des Andern. – Wenn nun vollends der Religionsunterricht in den früheren Jahren, es sey aus Schuld des Lehrers oder der Unfähigkeit und Flüchtigkeit des Alters, bloß auf das Gedächtniß gewirkt hat; wenn aus der Denkungsart und aus anderweitigen angenommnen Vorurtheilen eines Menschen sich Vorstellungen in seine Religionskenntnisse eingeschlichen haben, die, so denkbar sie sonst seyn mögen, in der Religion undenkbar sind; wenn sein Gemüth durch aufgefangne Zweifel oder verführerische, zumal den Leidenschaften des Menschen schmeichelnde, Gedanken verwirrt, oder von der Achtung und Liebe zur Religion abgezogen worden ist; wenn ohnehin mit den Jah|a628|ren der Unmündigkeit der jugendliche Religionsunterricht aufhört; wenn die sich nun selbst Ueberlassenen keines aneinanderhängenden förmlichen Unterrichts in derselben mehr geniessen, und sich entweder gar nicht mehr um Unterricht in der Religion und dessen Erweiterung bekümmern, oder sich selbst nach mangelhaften und willkührlichen Begriffen eine Religion bilden: was bleibt dann, diesem Uebel abzuhelfen, noch übrig, als daß durch öffentliche Vorträge der Religion diese Belehrung entweder erst ertheilt, oder unbestimmten, halbwahren und unrecht angewendeten Vorstellungen eine andre Richtung gegeben werde.Belehrung, wodurch die Kenntniß des Zuhörers immer mehr erweitert, und er zum Besinnen und Denken gebracht wird, ist die erste unentbehrliche Eigenschaft eines guten Vortrags, und in dem Grade kan dieser nützlich seyn, in welchem er diese Eigenschaft hat. – Denn wie kan man etwas für wahr oder gut halten, was man nicht kennt? woher anders, als daraus, können Gründe genommen werden, wodurch man sich überzeugt, und wonach man etwas begehrt oder verabscheut? oder wie kan der Beyfall, den man einem Satz giebt, und die Willigkeit, mit der man ihn befolgt, gewissenhaft seyn, d. i. wie kan man sich selbst Rechenschaft geben, daß man etwas für wahr annehmen und wollen müsse, ohne durch die Kenntniß, die man von einer solchen Sache hat? Immer rührt auch alle Gleichgültigkeit gegen das, was wahr und gut ist, und alle Verwerfung desselben daher, daß man es entweder nicht kennt, oder zu der Zeit nicht daran denkt, oder sichs nicht lebhaft genug vorstellt; und diesem allen kan |a627| nur rechte Belehrung abhelfen. – Das Bekannte verliert, weil man dessen gewohnt wird, nach und nach den Eindruck, und kan nur dadurch aufgefrischt werden, daß man immer Mehreres hinzu lernt, wodurch das Bekannte in uns in neuen Verbindungen erscheint, und uns neue Aussichten eröfnet werden, welche die Beschäftigung mit bekannten Sachen unterhaltender machen. – Was nicht wirklich belehrt, wobey man nichts Bestimmtes denkt, was bloß die Phantasie in Bewegung, und das Gemüth in Affekt setzt, das geht wie ein Rausch vorüber, und kan keine dauerhafte Eindrücke hinterlassen. Je mehreres man hingegen von einer Sache weiß; je mehr erzeugt Eines das Andere, weckt Eins das Andre wieder auf, wirkt Eins wenn das Andre unwirksam schläft, verstärkt das Eine die Wirkungen des Andern. – Wenn nun vollends der Religionsunterricht in den früheren Jahren, es sey aus Schuld des Lehrers oder der Unfähigkeit und Flüchtigkeit des Alters, bloß auf das Gedächtniß gewirkt hat; wenn aus der Denkungsart und aus anderweitigen angenommnen Vorurtheilen eines Menschen sich Vorstellungen in seine Religionskenntnisse eingeschlichen haben, die, so denkbar sie sonst seyn mögen, in der Religion undenkbar sind; wenn sein Gemüth durch aufgefangne Zweifel oder verführerische, zumal den Leidenschaften des Menschen schmeichelnde, Gedanken verwirrt, oder von der Achtung und Liebe zur Religion abgezogen worden ist; wenn ohnehin mit den Jah|a628|ren der Unmündigkeit der jugendliche Religionsunterricht aufhört; wenn die sich nun selbst Ueberlassenen keines aneinanderhängenden förmlichen Unterrichts in derselben mehr geniessen, und sich entweder gar nicht mehr um Unterricht in der Religion und dessen Erweiterung bekümmern, oder sich selbst nach mangelhaften und willkührlichen Begriffen eine Religion bilden: was bleibt dann, diesem Uebel abzuhelfen, noch übrig, als daß durch öffentliche Vorträge der Religion diese Belehrung entweder erst ertheilt, oder unbestimmten, halbwahren und unrecht angewendeten Vorstellungen eine andre Richtung gegeben werde.
535.
Soll der Vortrag
belehrend seyn: so muß er nicht nur Dinge bekannt machen, die der Zuhörer vorhin nicht wußte, oder an die er nicht dachte; er muß auch bey ihm wirklich Begriffe, und zwar bestimmte Begriffe davon hervorbringen können. – Er muß ihm 1) etwas zu denken geben, sowohl in Absicht auf
Sachen als auf
Worte. – – Auf
Sachen. Und hier sollte aus dem Vortrage alles entfernt werden, was entweder an sich undenkbar ist, oder doch, so fern es von Gott und in der Religion gebraucht wird, sich nicht denken läßt, oder, weil die ganze Religion praktisch seyn muß ( §.
456 ), was überhaupt oder bey denenjenigen Zuhörern, mit welchen man zu thun hat, weder zu ihrer
|a629| Besserung, noch zu ihrer Beruhigung brauchbar vorgetragen werden kan.
†) Was sich hingegen denkbar und praktisch machen läßt, müßte man so sehr an die Begriffe, die man bey den Zuhörern voraussetzen kan, anknüpfen, durch Gegensätze, durch Erfahrungen, Beyspiele und Beschreibungen so erläutern, und, wenn man Stellen der heiligen Schrift braucht, diese durch faßlichere Gedanken und Umschreibungen so klar und anschauend machen, daß aller nachtheilige Mißverstand verhütet, und der Gedanke ihnen so anschaulich, als möglich gemacht würde. – In Absicht auf
Worte aber müßte man sich aller Ausdrücke enthalten, die den Zuhörern unverständlich sind, sie mögen übrigens sonst so gut, und durch den Gebrauch so gangbar gemacht und geheiligt seyn, als sie wollen; man müßte wenigstens nichts unerklärt lassen, wobey man weiß, daß sie nichts oder leicht etwas Falsches zu denken gewohnt sind; und alles müßte in so faßliche, darstellende und edle Ausdrücke eingekleidet werden, als man irgend, der Natur der Sachen angemessen, finden könnte.Soll der Vortrag
belehrend seyn: so muß er nicht nur Dinge bekannt machen, die der Zuhörer vorhin nicht wußte, oder an die er nicht dachte; er muß auch bey ihm wirklich Begriffe, und zwar bestimmte Begriffe davon hervorbringen können. – Er muß ihm 1) etwas zu denken geben, sowohl in Absicht auf
Sachen als auf
Worte. – – Auf
Sachen. Und hier sollte aus dem Vortrage alles entfernt werden, was entweder an sich undenkbar ist, oder doch, so fern es von Gott und in der Religion gebraucht wird, sich nicht denken läßt, oder, weil die ganze Religion praktisch seyn muß ( §.
456 ), was überhaupt oder bey denenjenigen Zuhörern, mit welchen man zu thun hat, weder zu ihrer
|a629| Besserung, noch zu ihrer Beruhigung brauchbar vorgetragen werden kan.
†) Was sich hingegen denkbar und praktisch machen läßt, müßte man so sehr an die Begriffe, die man bey den Zuhörern voraussetzen kan, anknüpfen, durch Gegensätze, durch Erfahrungen, Beyspiele und Beschreibungen so erläutern, und, wenn man Stellen der heiligen Schrift braucht, diese durch faßlichere Gedanken und Umschreibungen so klar und anschauend machen, daß aller nachtheilige Mißverstand verhütet, und der Gedanke ihnen so anschaulich, als möglich gemacht würde. – In Absicht auf
Worte aber müßte man sich aller Ausdrücke enthalten, die den Zuhörern unverständlich sind, sie mögen übrigens sonst so gut, und durch den Gebrauch so gangbar gemacht und geheiligt seyn, als sie wollen; man müßte wenigstens nichts unerklärt lassen, wobey man weiß, daß sie nichts oder leicht etwas Falsches zu denken gewohnt sind; und alles müßte in so faßliche, darstellende und edle Ausdrücke eingekleidet werden, als man irgend, der Natur der Sachen angemessen, finden könnte.
†) Undenkbar an sich ist z. B. die Lehre von Christi Allwissenheit, der er sich in besondern Fällen soll entäussert haben. Undenkbar in der Religion sind die gemeinen groben Begriffe von dem erzürnten und erst durch Christum besänftigten Gott, von Vergebung der Sünden, als einer Aufhebung aller nachtheiligen Folgen unsrer Vergehungen, von Strafen Gottes als blossen Uebeln u. d. gl. Undenkbar im praktischen Verstande, die Lehre von der Höllenfahrt Christi im eigentlichen Verstand, die von einer eigentlichen Zurech|a630|nung des Falls Adams u. a. – Beyspiele zu den übrigen Theilen des §., sonderlich von unverständlichen, gemißdeuteten, theils vieldeutigen, theils uneigentlichen Ausdrücken, als: wesentlicher Leib Christi, Glaube, Busse, Gnade, Wiedergeburt u. d. gl. werden jedem leicht beyfallen.
536.
Doch dieses allein würde zur rechten Belehrung nicht dienen, wenn der Vortrag nicht auch so eingerichtet wäre, daß er 2) bestimmte Begriffe erwecken könnte. Wer diese Eigenschaft seinen Vortrag mittheilen, und verhindern wollte, daß dieser nicht entweder Irrthümer erzeugte, welchen doch die Belehrung eben mit vorbeugen will, oder daß der Vortrag den Zweck nicht erreichte, den er doch haben soll, Belehrung zu geben: der müßte sich durchaus solcher Ausdrücke bedienen, wobey er voraussehen kan, der Zuhörer werde, nach dem ihm bekannten Sprachgebrauch, gerade das denken, was der Lehrer ihm dadurch sagen will; er müßte sich aller zweydeutigen und schwankenden Ausdrücke enthalten, die nach dem Sprachgebrauch entweder mehr oder weniger Vorstellungen, als der Lehrer wirklich mittheilen will, oder gar fremde Vorstellungen, erregen könnten; wäre dieses aber zu besorgen, und wären entweder keine Ausdrücke in der Sprache vorhanden, die diese Fehler nicht hätten, oder gäbe es zwar bestimmtere, aber den Zuhörern, vor denen man redete, nicht verständliche Ausdrü|a631|cke, so müßte durch deutliche und faßliche Erklärungen und Erläuterungen, auf die in vorigem §. erwehnte Art, diesem Mißverstande abgeholfen werden.Doch dieses allein würde zur rechten Belehrung nicht dienen, wenn der Vortrag nicht auch so eingerichtet wäre, daß er 2) bestimmte Begriffe erwecken könnte. Wer diese Eigenschaft seinen Vortrag mittheilen, und verhindern wollte, daß dieser nicht entweder Irrthümer erzeugte, welchen doch die Belehrung eben mit vorbeugen will, oder daß der Vortrag den Zweck nicht erreichte, den er doch haben soll, Belehrung zu geben: der müßte sich durchaus solcher Ausdrücke bedienen, wobey er voraussehen kan, der Zuhörer werde, nach dem ihm bekannten Sprachgebrauch, gerade das denken, was der Lehrer ihm dadurch sagen will; er müßte sich aller zweydeutigen und schwankenden Ausdrücke enthalten, die nach dem Sprachgebrauch entweder mehr oder weniger Vorstellungen, als der Lehrer wirklich mittheilen will, oder gar fremde Vorstellungen, erregen könnten; wäre dieses aber zu besorgen, und wären entweder keine Ausdrücke in der Sprache vorhanden, die diese Fehler nicht hätten, oder gäbe es zwar bestimmtere, aber den Zuhörern, vor denen man redete, nicht verständliche Ausdrü|a631|cke, so müßte durch deutliche und faßliche Erklärungen und Erläuterungen, auf die in vorigem §. erwehnte Art, diesem Mißverstande abgeholfen werden.
Man sieht aus diesen zwey §§.
- 1. Wie ausnehmend viel auf die Klugheit des Lehrers in der Wahl der vorzutragenden Sachen und Worte ankomme, und worauf er bey dieser Wahl zu sehen habe. Die wahren Bedürfnisse und Kenntnisse der Zuhörer, die er belehren will, müssen der Maaßstab seyn, wonach er sich in seiner Wahl, aufs gewissenhafteste und schonendste richten muß.
- 2. Wie höchst nöthig es sey, daß ein Lehrer seine Zuhörer, wenigstens überhaupt nach ihrer Fähigkeit, Kenntnissen, herrschender Denkungsart, Geschmack und Sitten kenne; mit den gewöhnlichen Begriffen, Vorurtheilen, moralischen Grundsätzen, und selbst der Sprache des Volks, alles besonders in Absicht auf Religion, bekannt sey; und nicht nur die Wahrheit, sondern auch den wahren praktischen Werth und Wichtigkeit der Lehren zu schätzen wisse; und
- 3. wie sehr ein wahrer Volkslehrer nach Menschenkenntniß, und nach ausgebreiteter, bestimmter und fruchtbarer Kenntniß der Religion, der Moral, des guten Vortrags und der Sprachen, wenigsten der Sprache, worin er seine Vorträge hält, und nach der gehörigen Fertigkeit darin, durch öftere und fleißige Uebung streben sollte.
537.
Durch die Belehrung lernt der Zuhörer die Sachen recht kennen; soll er aber dabey nicht
|a632| gleichgültig bleiben, sondern sie zu seinem Besten benutzen; so muß er einsehen lernen, daß dasjenige, was er gehört hat,
wahr sey, d. i. er muß es, so fern es seine Kenntniß angeht,
glauben, und, so fern es seinen Willen betrifft, für seine
Pflicht ansehen, und sich, es zu thun oder zu lassen, für verbunden achten. Ein Vortrag, der dies bewirken kan, ist
überzeugend; welches die zweyte Eigenschaft war (§.
533 ). Die Einsicht der Wahrheit beruht auf Gründen, die den Zuhörer nöthigen, eine Lehre für wahr zu halten; er wird aber diesen keine hinlängliche Aufmerksamkeit schenken, wenn er die Lehre nicht in Beziehung auf sein Bestes ansieht, d. i. wenn sie nichts Anziehendes für ihn hat, wenn sie ihm nicht
interessant ist; und dies kan sie für ihn, wenn sie praktisch ist, nicht seyn, falls er nicht einsieht, daß sie in der Anwendung möglich sey, daß er ihr gemäß handeln könne. Hieraus entstehen drey Eigenschaften des
überzeugenden Vortrags. Er muß darauf eingerichtet seyn, daß die Zuhörer, die Lehren – für
gegründet, – für
interessant und – für
ausführbar erkennen.Durch die Belehrung lernt der Zuhörer die Sachen recht kennen; soll er aber dabey nicht
|a632| gleichgültig bleiben, sondern sie zu seinem Besten benutzen; so muß er einsehen lernen, daß dasjenige, was er gehört hat,
wahr sey, d. i. er muß es, so fern es seine Kenntniß angeht,
glauben, und, so fern es seinen Willen betrifft, für seine
Pflicht ansehen, und sich, es zu thun oder zu lassen, für verbunden achten. Ein Vortrag, der dies bewirken kan, ist
überzeugend; welches die zweyte Eigenschaft war (§.
533 ). Die Einsicht der Wahrheit beruht auf Gründen, die den Zuhörer nöthigen, eine Lehre für wahr zu halten; er wird aber diesen keine hinlängliche Aufmerksamkeit schenken, wenn er die Lehre nicht in Beziehung auf sein Bestes ansieht, d. i. wenn sie nichts Anziehendes für ihn hat, wenn sie ihm nicht
interessant ist; und dies kan sie für ihn, wenn sie praktisch ist, nicht seyn, falls er nicht einsieht, daß sie in der Anwendung möglich sey, daß er ihr gemäß handeln könne. Hieraus entstehen drey Eigenschaften des
überzeugenden Vortrags. Er muß darauf eingerichtet seyn, daß die Zuhörer, die Lehren – für
gegründet, – für
interessant und – für
ausführbar erkennen.
538.
Um den
ersten Zweck zu erreichen, ist die blosse Wärme oder Eifer im Vortrag nicht hinlänglich; sie beweiset nur, daß der Lehrer für das, was er sagt, eingenommen sey. Der Affekt läßt sich nicht immer den Zuhörern mitthei
|a633|len; er wirkt nur da, wo der Zuhörer schon durch seine Denkungsart, durch seine Grundsätze, durch seine Neigungen, dazu gestimmt ist, aber nicht da, worauf er eben am meisten arbeiten sollte, wo gerade alles dieses nach den Lehren, und durch sie, sollte verbessert werden; er wird sogar da, wo die Zuhörer nicht blindlings zu folgen gewohnt sind – und dies sollte der Lehrer nicht einmal wünschen, wenn ihm Gewissenhaftigkeit der Zuhörer lieb ist – er wird bey nüchternen, selbstdenkenden, gewissenhaften, oder gegen eine Lehre eingenommnen Zuhörern vielmehr das Vorurtheil einer übeln Sache, oder doch wenigstens der Unfähigkeit des Lehrers, Andre zu überzeugen, hervorbringen. Scharfsinnige und gelehrte Beweise wirken eben so wenig, weil sie die Wenigsten fassen können, und die Meisten ohnehin gelehrte Angaben auf das bloße Wort des Lehrers annehmen müssen. – Man führe hingegen alles, wovon man überzeugen will, so viel man immer kan, auf den gemeinen Menschenverstand und auf das moralische Gefühl, auf Sätze, die man bey den Zuhörern, als wahr erkannt, gewiß voraussetzen kan, auf bekannte Erfahrungen, deutliche Gleichnisse
, einleuchtende Beyspiele, auf Vergleichung mit offenbar ähnlichen unbezweifelten Sätzen und Fällen, auf ganz klare oder leicht klar zu machende Stellen der heiligen Schrift zurück. Man nehme bey moralischen Sätzen die natürliche Billigkeit und die augenscheinlichen oder leicht abzusehenden Folgen der Handlungen zu Hülfe.
|a634| Man mache, zumal wenn uns die bisher erwähnten Mittel abgehen, die Lehren praktisch, und zeige, wie viel besser man, in Absicht auf Beförderung des Guten und unsrer Beruhigung, als bey dem Gegentheil, fahre. Man hüte sich insbesondere für unbestimmten Behauptungen, die man nicht ganz wahr machen, und wobey der Zuhörer leicht Ausflüchte finden kan, und für übertriebnen Sätzen und Forderungen, welchen er leicht gegenseitige Erfahrungen oder die Unmöglichkeit entgegensetzen könnte; man zeige vielmehr, wie weit jemand, der anders denken möchte, recht habe, und lasse selbst der Schwachheit und den Fehlern Gerechtigkeit wiederfahren. Man hüte sich endlich, keine Zweifel zu erwähnen, oder zu bestreiten, wenn sie nicht jedem von selbst aufzustoßen scheinen, oder als sehr gangbar bekannt sind; man richte vielmehr den Vortrag so behutsam, bestimmt und discret ein, daß dadurch selbst die Zweifel verhindert werden, oder der irgend nachdenkende Zuhörer schon in dem Vorgetragnen selbst hinlängliche Auflösung der etwa entstehenden Zweifel finde.Um den
ersten Zweck zu erreichen, ist die blosse Wärme oder Eifer im Vortrag nicht hinlänglich; sie beweiset nur, daß der Lehrer für das, was er sagt, eingenommen sey. Der Affekt läßt sich nicht immer den Zuhörern mitthei
|a633|len; er wirkt nur da, wo der Zuhörer schon durch seine Denkungsart, durch seine Grundsätze, durch seine Neigungen, dazu gestimmt ist, aber nicht da, worauf er eben am meisten arbeiten sollte, wo gerade alles dieses nach den Lehren, und durch sie, sollte verbessert werden; er wird sogar da, wo die Zuhörer nicht blindlings zu folgen gewohnt sind – und dies sollte der Lehrer nicht einmal wünschen, wenn ihm Gewissenhaftigkeit der Zuhörer lieb ist – er wird bey nüchternen, selbstdenkenden, gewissenhaften, oder gegen eine Lehre eingenommnen Zuhörern vielmehr das Vorurtheil einer übeln Sache, oder doch wenigstens der Unfähigkeit des Lehrers, Andre zu überzeugen, hervorbringen. Scharfsinnige und gelehrte Beweise wirken eben so wenig, weil sie die Wenigsten fassen können, und die Meisten ohnehin gelehrte Angaben auf das bloße Wort des Lehrers annehmen müssen. – Man führe hingegen alles, wovon man überzeugen will, so viel man immer kan, auf den gemeinen Menschenverstand und auf das moralische Gefühl, auf Sätze, die man bey den Zuhörern, als wahr erkannt, gewiß voraussetzen kan, auf bekannte Erfahrungen, deutliche Gleichnisse
, einleuchtende Beyspiele, auf Vergleichung mit offenbar ähnlichen unbezweifelten Sätzen und Fällen, auf ganz klare oder leicht klar zu machende Stellen der heiligen Schrift zurück. Man nehme bey moralischen Sätzen die natürliche Billigkeit und die augenscheinlichen oder leicht abzusehenden Folgen der Handlungen zu Hülfe.
|a634| Man mache, zumal wenn uns die bisher erwähnten Mittel abgehen, die Lehren praktisch, und zeige, wie viel besser man, in Absicht auf Beförderung des Guten und unsrer Beruhigung, als bey dem Gegentheil, fahre. Man hüte sich insbesondere für unbestimmten Behauptungen, die man nicht ganz wahr machen, und wobey der Zuhörer leicht Ausflüchte finden kan, und für übertriebnen Sätzen und Forderungen, welchen er leicht gegenseitige Erfahrungen oder die Unmöglichkeit entgegensetzen könnte; man zeige vielmehr, wie weit jemand, der anders denken möchte, recht habe, und lasse selbst der Schwachheit und den Fehlern Gerechtigkeit wiederfahren. Man hüte sich endlich, keine Zweifel zu erwähnen, oder zu bestreiten, wenn sie nicht jedem von selbst aufzustoßen scheinen, oder als sehr gangbar bekannt sind; man richte vielmehr den Vortrag so behutsam, bestimmt und discret ein, daß dadurch selbst die Zweifel verhindert werden, oder der irgend nachdenkende Zuhörer schon in dem Vorgetragnen selbst hinlängliche Auflösung der etwa entstehenden Zweifel finde.
539.
Wenn wir uns eine Sache – es sey ein allgemeiner Satz oder ein besondrer Fall – in Beziehung auf
uns vorstellen, und ihren
vortheilhaften Einfluß auf uns bemerken oder ahnden, so ist sie
anziehend für uns, oder
in|a635|teressant, (sie
nimmt uns ein, wir
nehmen daran Theil, bleiben dagegen
nicht gleichgültig)
†) ; und ein Vortrag ist
anziehend, wenn er diese Wirkung hervorbringt. Diese
zweyte Eigenschaft (§
537 ) kan
entweder in den Sachen selbst liegen, die man vorträgt,
oder in der Art, wie sie vorgetragen werden, wodurch das einen Reiz bekommen kan, was für uns sonst gar keinen, oder, weil es uns schon geläufig war, nicht mehr den starken Reiz, wie vorhin, hatte. – Ein solcher Vortrag erregt und fesselt unsre Aufmerksamkeit. Er überzeugt, d. i. er macht, daß wir etwas für wahr und gegründet erkennen, weil wir es, in solcher Beziehung, mit unsern Zustand, unserer Denkungsart oder sonstigen Kenntnissen und Neigungen, übereinstimmend finden; er verstärkt wenigstens unsre Ueberzeugung, oder vertritt doch ihre Stelle, wenn wir einsehen, daß wir, ohne dieses als wahr vorauszusetzen, uns gewisse für wahr erkannte Dinge nicht erklären, oder ein gefühltes Bedürfniß nicht befriedigen können. Und überhaupt kan ein Vortrag nicht den geringsten Eindruck auf uns machen, und also auch nicht erbauen (§.
533 ), wenn er für uns gar nichts Anziehendes hat.Wenn wir uns eine Sache – es sey ein allgemeiner Satz oder ein besondrer Fall – in Beziehung auf
uns vorstellen, und ihren
vortheilhaften Einfluß auf uns bemerken oder ahnden, so ist sie
anziehend für uns, oder
in|a635|teressant, (sie
nimmt uns ein, wir
nehmen daran Theil, bleiben dagegen
nicht gleichgültig)
†) ; und ein Vortrag ist
anziehend, wenn er diese Wirkung hervorbringt. Diese
zweyte Eigenschaft (§
537 ) kan
entweder in den Sachen selbst liegen, die man vorträgt,
oder in der Art, wie sie vorgetragen werden, wodurch das einen Reiz bekommen kan, was für uns sonst gar keinen, oder, weil es uns schon geläufig war, nicht mehr den starken Reiz, wie vorhin, hatte. – Ein solcher Vortrag erregt und fesselt unsre Aufmerksamkeit. Er überzeugt, d. i. er macht, daß wir etwas für wahr und gegründet erkennen, weil wir es, in solcher Beziehung, mit unsern Zustand, unserer Denkungsart oder sonstigen Kenntnissen und Neigungen, übereinstimmend finden; er verstärkt wenigstens unsre Ueberzeugung, oder vertritt doch ihre Stelle, wenn wir einsehen, daß wir, ohne dieses als wahr vorauszusetzen, uns gewisse für wahr erkannte Dinge nicht erklären, oder ein gefühltes Bedürfniß nicht befriedigen können. Und überhaupt kan ein Vortrag nicht den geringsten Eindruck auf uns machen, und also auch nicht erbauen (§.
533 ), wenn er für uns gar nichts Anziehendes hat.
†) Es scheint, daß das
Interessante nicht immer in einerley Sinn genommen werde. Wir nennen schon alles interessirend, was wir uns in Beziehung auf unsern Zustand denken, es mag ihm eine angenehme Veränderung versprechen, oder eine unangenehme drohen; wir bleiben bey diesem so wenig gleichgültig als bey jenem. Aber oft nennen wir nur das
|a636| anziehend oder interessant, was wir uns
gern vorstellen
; wir wenden uns vom Unangenehmen weg, und es hat nur einen Reiz für uns, so fern es mit etwas Angenehmen verbunden ist, z. B. mit der Vorstellung von moralischer Stärke der leidenden Menschheit, von Mitteln dem Unangenehmen abzuhelfen u. d. gl. Man könnte jenes
interessant im weitern, dieses,
im engern Verstande nennen. In dem letztern ist es hier genommen.
540.
Nach dem bisher erläuterten Begriff wird es überhaupt auf zwey Stücke ankommen, wenn der Vortrag
anziehend werden soll. –
Zuerst, weil die Zuhörer das, was gesagt wird, auf
sich ziehen, für ihre Angelegenheit erkennen sollen, daß man alles vermeide, was sie auf den Gedanken bringen könnte, als redete der Lehrer bloß Amts halben, hörte sich selbst gern, suchte seine Talente oder Kenntnisse zu zeigen, wollte über das Gewissen der Zuhörer herrschen, oder sie durch Vorwürfe kränken, kurz,
seinetwegen reden; hingegen den Vortrag so einrichte, daß die Zuhörer merken können, er sage alles bloß
ihretwegen, und mache ihre Angelegenheit zu der seinigen. –
Hernach, weil nur das interessirt, was einen Einfluß auf unser
Bestes hat, daß der Vortrag nichts enthalte, als was
praktisch ist ( §.
456 ), und
so dargestellt werden kan.Nach dem bisher erläuterten Begriff wird es überhaupt auf zwey Stücke ankommen, wenn der Vortrag
anziehend werden soll. –
Zuerst, weil die Zuhörer das, was gesagt wird, auf
sich ziehen, für ihre Angelegenheit erkennen sollen, daß man alles vermeide, was sie auf den Gedanken bringen könnte, als redete der Lehrer bloß Amts halben, hörte sich selbst gern, suchte seine Talente oder Kenntnisse zu zeigen, wollte über das Gewissen der Zuhörer herrschen, oder sie durch Vorwürfe kränken, kurz,
seinetwegen reden; hingegen den Vortrag so einrichte, daß die Zuhörer merken können, er sage alles bloß
ihretwegen, und mache ihre Angelegenheit zu der seinigen. –
Hernach, weil nur das interessirt, was einen Einfluß auf unser
Bestes hat, daß der Vortrag nichts enthalte, als was
praktisch ist ( §.
456 ), und
so dargestellt werden kan.
|a637| 541.
Dieses doppelte Interesse kan man dem Vortrag 1) durch die
Sachen selbst geben (§.
539 ). Es giebt gewisse Sachen, die jeden Menschen, der nicht ganz unempfindlich ist, andre, die gewisse Classen von Menschen, oder die sie unter gewissen Umständen vorzüglich interessiren, weil sie mit ihrer besondern Denkungsart, Beschäftigungen, Bedürfnissen und Wünschen zusammenhängen. Davon hören sie gern sprechen, darüber wünschen sie weitere Belehrung, an deren Gewißheit liegt ihnen, und dagegen sind ihnen Zweifel, oder Verlegenheit darüber, peinlich; was da hinein schlägt, ihnen darüber Licht, Gewißheit und Auskunft giebt, findet allezeit willig Gehör; und wer auch Sachen, die ihnen gleichgültig sind, daran zu knüpfen versteht, wird selbst, durch jener Hülfe, auch für diese einnehmen. Man mache ihnen also nur, was man sagt, durch ihre eignen erlangten oder leicht zu erlangenden Erfahrungen begreiflich, zeige ihnen überall, wozu und wie sie das Gesagte brauchen, wie sie Gottes nie entbehren, aber bey ihm immer Rath und Hülfe finden können, wie die Gottseligkeit zu allen Dingen und in allen und allerley Angelegenheiten nütze sey, und was alle Arten des Bösen für schädliche Folgen haben; man bleibe nie bloß bey dem Allgemeinen stehen, wovon sie die Beziehung auf sich nicht absehen, oder sich einbilden möchten, es gehe sie nicht an
†) , sondern gehe mehr ins Einzelne,
|a638| und lasse sich zu den besondern Angelegenheiten der Zuhörer herab: so wird man sie gewiß anziehen, so weit es durch die Natur der Sache selbst möglich ist.Dieses doppelte Interesse kan man dem Vortrag 1) durch die
Sachen selbst geben (§.
539 ). Es giebt gewisse Sachen, die jeden Menschen, der nicht ganz unempfindlich ist, andre, die gewisse Classen von Menschen, oder die sie unter gewissen Umständen vorzüglich interessiren, weil sie mit ihrer besondern Denkungsart, Beschäftigungen, Bedürfnissen und Wünschen zusammenhängen. Davon hören sie gern sprechen, darüber wünschen sie weitere Belehrung, an deren Gewißheit liegt ihnen, und dagegen sind ihnen Zweifel, oder Verlegenheit darüber, peinlich; was da hinein schlägt, ihnen darüber Licht, Gewißheit und Auskunft giebt, findet allezeit willig Gehör; und wer auch Sachen, die ihnen gleichgültig sind, daran zu knüpfen versteht, wird selbst, durch jener Hülfe, auch für diese einnehmen. Man mache ihnen also nur, was man sagt, durch ihre eignen erlangten oder leicht zu erlangenden Erfahrungen begreiflich, zeige ihnen überall, wozu und wie sie das Gesagte brauchen, wie sie Gottes nie entbehren, aber bey ihm immer Rath und Hülfe finden können, wie die Gottseligkeit zu allen Dingen und in allen und allerley Angelegenheiten nütze sey, und was alle Arten des Bösen für schädliche Folgen haben; man bleibe nie bloß bey dem Allgemeinen stehen, wovon sie die Beziehung auf sich nicht absehen, oder sich einbilden möchten, es gehe sie nicht an
†) , sondern gehe mehr ins Einzelne,
|a638| und lasse sich zu den besondern Angelegenheiten der Zuhörer herab: so wird man sie gewiß anziehen, so weit es durch die Natur der Sache selbst möglich ist.
†) Man dringe z. B. nicht bloß auf Besserung oder Glauben, sondern zeige zugleich, auf die §.
538. erwähnte Art, was und wie viel dazu gehöre, nebst den Hindernissen und den Mitteln sie zu überwinden; man bestreite vornehmlich praktische Vorurtheile und schädliche Mißverständnisse, und mache ihren Schaden klar. Man zeige, wenn von besondern Tugenden oder Lastern und Sünden die Rede ist, die Gränzen, wo Recht und Unrecht aufhört, ziehe die feinern unerkannten Vergehungen, (z. B. beym Diebstahl, die Verfertigung schlechter Arbeit, die Verwendung zu vieler Zeit darauf, das Beziehen eines unbilligen Preises, die Benutzung öffentlicher Bedürfnisse und deren Seltenheit zur Uebertheurung Anderer u. d. gl.) ans Licht, mache das darin liegende Unrecht, mit aller Billigkeit und Schonung, begreiflich. Eben so bey der Beurtheilung sogenannter unschuldigen Vergnügungen, des falschen Vertrauens auf Gott u. s. f.
542.
Denn es kan der Vortrag 2) auch durch die Art anziehend gemacht werden, wie man die Sachen darstellt. Je natürlich schöner und dem guten Geschmacke gemässer der Vortrag ist; je mehr er Erguß des von dem Werth der Sachen und von Liebe zu den Zuhörern vollen Herzens ist; je mehr er den Reiz des Neuen hat, |a639| d. i. nicht des Paradoxen oder überhaupt Auffallenden, sondern so, daß der Zuhörer auf das bisher Unbemerkte, oder, wenn es gefunden ist, sich durch seine Einfalt und Werth so leicht Empfehlende aufmerksam gemacht wird; je natürlicher Eines sich aus dem Andern ergiebt; je leichter man es dem Zuhörer macht, selbst Entdeckungen zu machen, und das Gesagte selbst anzuwenden; je vertraulicher und herablassender der Lehrer mit ihnen spricht; je natürlicher selbst der Ton seiner Stimme und der ganzen Aktion ist: je mehr Wirkung kan er thun. – Wie nöthig es zu allem bisher Erwähnten sey: seine Zuhörer, nach ihren Fähigkeiten, Beschäftigungen, allgemeinen und besondern Bedürfnissen, herrschenden Vorurtheilen, Meinungen und Sitten zu kennen; eine recht ausgebreitete praktische Kenntniß der Religion, besonders nach ihrem Werth und Einfluß aufs Herz und Glückseligkeit der Menschen; viele Uebung, diese Lehren darauf anzuwenden; viele vertraute Bekanntschaft mit dem menschlichen Herzen, denen darin liegenden Hindernissen des Guten, der mannichfaltigen besten Art ihm beyzukommen, der Geschichte und dem gemeinen Leben, endlich der schönen Wissenschaften, zu haben – das bedarf kaum einer Erinnerung.Denn es kan der Vortrag 2) auch durch die Art anziehend gemacht werden, wie man die Sachen darstellt. Je natürlich schöner und dem guten Geschmacke gemässer der Vortrag ist; je mehr er Erguß des von dem Werth der Sachen und von Liebe zu den Zuhörern vollen Herzens ist; je mehr er den Reiz des Neuen hat, |a639| d. i. nicht des Paradoxen oder überhaupt Auffallenden, sondern so, daß der Zuhörer auf das bisher Unbemerkte, oder, wenn es gefunden ist, sich durch seine Einfalt und Werth so leicht Empfehlende aufmerksam gemacht wird; je natürlicher Eines sich aus dem Andern ergiebt; je leichter man es dem Zuhörer macht, selbst Entdeckungen zu machen, und das Gesagte selbst anzuwenden; je vertraulicher und herablassender der Lehrer mit ihnen spricht; je natürlicher selbst der Ton seiner Stimme und der ganzen Aktion ist: je mehr Wirkung kan er thun. – Wie nöthig es zu allem bisher Erwähnten sey: seine Zuhörer, nach ihren Fähigkeiten, Beschäftigungen, allgemeinen und besondern Bedürfnissen, herrschenden Vorurtheilen, Meinungen und Sitten zu kennen; eine recht ausgebreitete praktische Kenntniß der Religion, besonders nach ihrem Werth und Einfluß aufs Herz und Glückseligkeit der Menschen; viele Uebung, diese Lehren darauf anzuwenden; viele vertraute Bekanntschaft mit dem menschlichen Herzen, denen darin liegenden Hindernissen des Guten, der mannichfaltigen besten Art ihm beyzukommen, der Geschichte und dem gemeinen Leben, endlich der schönen Wissenschaften, zu haben – das bedarf kaum einer Erinnerung.
543.
Und eben dieses ist nöthig, um das Gesagte
drittens (§.
537 )
ausführbar darzustellen. Denn,
|a640| wenn der Zuhörer in der Einbildung steht, daß das, was ihm empfohlen wird, unmöglich, oder über seine Kräfte sey, oder wenigstens nicht weiß, wie er es anfangen solle: so kan es bey ihm keine Frucht schaffen; und ihm jene Einbildung zu benehmen, zu zeigen wie er der werde, der er seyn soll, wie er das Empfohlne in Ausübung bringen, wie er die vorgeschlagnen Mittel wirklich anwenden könne, dies kan ohne jene eigne Kenntnisse des Lehrers nicht geschehen.
†) Blosse Vermahnungen und Gewissensrügen, oder blosse Verweisungen auf Gott, ohne Aufmunterung zu eignem Fleiß, helfen nicht. Der Lehrer gewinnt schon viel, wenn er den Zuhörern die Vorurtheile benehmen kan, worauf jene Einbildungen beruhen. Er verhindert oder schwächt die Ausflüchte, wenn er seine Forderungen nicht überspannt, wenn er nichts Unmögliches und das Schwere nicht auf einmahl fordert. Noch mehr, wen er an ähnlichen Fällen des menschlichen Lebens die Möglichkeit der Ausführung und die Art zeigt, wie es anzufangen sey. Je mehr er die Selbstliebe der Zuhörer in Bewegung zu setzen, und es ihnen einleuchtend zu machen weiß, was für selige Folgen der Fleiß habe, das Gute auszuüben, und wenigstens öftere Versuche zu machen, und wie unglücklich der Mensch werde oder bleibe, wenn er es nicht thue: je mehr wird er ihre Trägheit besiegen, welche die grösseste, oft die einzige, Ursache ist, warum sie den Lehren nicht folgen, und sich von ihrer Wahrheit oder Werth oft nicht einmahl überzeugen lassen.Und eben dieses ist nöthig, um das Gesagte
drittens (§.
537 )
ausführbar darzustellen. Denn,
|a640| wenn der Zuhörer in der Einbildung steht, daß das, was ihm empfohlen wird, unmöglich, oder über seine Kräfte sey, oder wenigstens nicht weiß, wie er es anfangen solle: so kan es bey ihm keine Frucht schaffen; und ihm jene Einbildung zu benehmen, zu zeigen wie er der werde, der er seyn soll, wie er das Empfohlne in Ausübung bringen, wie er die vorgeschlagnen Mittel wirklich anwenden könne, dies kan ohne jene eigne Kenntnisse des Lehrers nicht geschehen.
†) Blosse Vermahnungen und Gewissensrügen, oder blosse Verweisungen auf Gott, ohne Aufmunterung zu eignem Fleiß, helfen nicht. Der Lehrer gewinnt schon viel, wenn er den Zuhörern die Vorurtheile benehmen kan, worauf jene Einbildungen beruhen. Er verhindert oder schwächt die Ausflüchte, wenn er seine Forderungen nicht überspannt, wenn er nichts Unmögliches und das Schwere nicht auf einmahl fordert. Noch mehr, wen er an ähnlichen Fällen des menschlichen Lebens die Möglichkeit der Ausführung und die Art zeigt, wie es anzufangen sey. Je mehr er die Selbstliebe der Zuhörer in Bewegung zu setzen, und es ihnen einleuchtend zu machen weiß, was für selige Folgen der Fleiß habe, das Gute auszuüben, und wenigstens öftere Versuche zu machen, und wie unglücklich der Mensch werde oder bleibe, wenn er es nicht thue: je mehr wird er ihre Trägheit besiegen, welche die grösseste, oft die einzige, Ursache ist, warum sie den Lehren nicht folgen, und sich von ihrer Wahrheit oder Werth oft nicht einmahl überzeugen lassen.
|a641| †) Es ist z. B. eben so vergeblich, als leicht, gesagt: daß man Zweifel, Gram und Sorgen wegwerfen solle. Man lasse dagegen auch diesen Gerechtigkeit wiederfahren, mache sie nicht geradezu und durchaus zur Sünde, nehme wirklich mitleidigen Antheil, warne nur für dem bloß sinnlichen Nachhängen oder der Verfolgung trauriger Gedanken, für den süßen Gift, das sie mit sich führen, besonders dafür, daß die Leidenden sich nicht diese Verfolgung zur Gewissenspflicht machen, benehme, durch heilsame Aufklärung ihrer Religionsbegriffe, allem schädlichen Wahne die Nahrung, suche sie durch wahrhaftig tröstende Vorstellungen und heitre Aussichten, auch Verdeutlichung der, ohne unser Verdienst und Denken, überall, selbst bey Leiden, väterlich sorgenden Güte und Weisheit Gottes, auf angenehme Umstände zu lenken, ihnen wirklich ihre Zweifel aufzulösen, oder, wo sie, den Umständen nach, zu beyden noch nicht fähig sind, sie nützlich zu zerstreuen u. d. gl.
544.
Der
dritte Zweck des erbaulichen Vortrags (§.
533 u.
537 ) muß auf das Herz und die Neigungen der Zuhörer gerichtet seyn, und dahin gehen, die Erkenntniß lebendig zu machen, oder bey ihnen wirksame Entschliessungen hervorzubringen, dem zu folgen, was man als wahr und gut erkannt hat. Ein Vortrag, der so eingerichtet ist, daß er diese Wirkung hervorbringen kan, ist ein
rührender Vortrag (§.
533 ) – Ohne diese Eigenschaft desselben würde alle noch so verbesserte Kenntniß das Beste
|a642| des Menschen nicht wirklich befördern; ohne zugleich mit auf das Herz zu arbeiten, würde nicht einmahl die Aufmerksamkeit des Zuhörers an das, was zu seiner Belehrung gesagt wird, genug gefesselt, noch die Ueberzeugung vollendet werden, wenn sich Neigungen und Gewohnheiten gegen die Ueberzeugung streubten.Der
dritte Zweck des erbaulichen Vortrags (§.
533 u.
537 ) muß auf das Herz und die Neigungen der Zuhörer gerichtet seyn, und dahin gehen, die Erkenntniß lebendig zu machen, oder bey ihnen wirksame Entschliessungen hervorzubringen, dem zu folgen, was man als wahr und gut erkannt hat. Ein Vortrag, der so eingerichtet ist, daß er diese Wirkung hervorbringen kan, ist ein
rührender Vortrag (§.
533 ) – Ohne diese Eigenschaft desselben würde alle noch so verbesserte Kenntniß das Beste
|a642| des Menschen nicht wirklich befördern; ohne zugleich mit auf das Herz zu arbeiten, würde nicht einmahl die Aufmerksamkeit des Zuhörers an das, was zu seiner Belehrung gesagt wird, genug gefesselt, noch die Ueberzeugung vollendet werden, wenn sich Neigungen und Gewohnheiten gegen die Ueberzeugung streubten.
545.
Nun hängt alle wahre Glückseligkeit der Menschen davon ab, daß sie theils, in Absicht auf diejenige, die in ihrer Gewalt steht, und von ihrem Willen abhängt, immer recht handeln, und daher stets mit sich zufrieden seyn können; theils, in Absicht auf die, welche nicht in ihren Händen ist, aber ihnen von der stets weisesten und gütigsten Regierung Gottes zugetheilet wird, immer das für ihr wahres Beste halten, was diese über sie fügt, und sich dabey, zufrieden mit Gott, beruhigen. Folglich entspricht ein Vortrag der Religion nur alsdenn seinem wirklichen Zweck, die Menschen glücklich zu machen, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Menschen wirklich – bessern – und beruhigen kann. In jener Absicht, könnte man ihn rührend, oder bessernd, im engern Verstande, in dieser, ihn beruhigend nennen.Nun hängt alle wahre Glückseligkeit der Menschen davon ab, daß sie theils, in Absicht auf diejenige, die in ihrer Gewalt steht, und von ihrem Willen abhängt, immer recht handeln, und daher stets mit sich zufrieden seyn können; theils, in Absicht auf die, welche nicht in ihren Händen ist, aber ihnen von der stets weisesten und gütigsten Regierung Gottes zugetheilet wird, immer das für ihr wahres Beste halten, was diese über sie fügt, und sich dabey, zufrieden mit Gott, beruhigen. Folglich entspricht ein Vortrag der Religion nur alsdenn seinem wirklichen Zweck, die Menschen glücklich zu machen, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Menschen wirklich – bessern – und beruhigen kann. In jener Absicht, könnte man ihn rührend, oder bessernd, im engern Verstande, in dieser, ihn beruhigend nennen.
Anm. Es scheint wegen des Folgenden, und um allen Mißverstand zu verhüten, nöthig, zu bemerken, daß, was wir hier rührend nennen, keinesweges mit dem Interessanten einerley |a643| sey; alles Rührende muß interessant seyn, aber es kan etwas interessiren, ohne mich zu rühren. Schon alles, was ich denken kan, interessirt mich, weil es meine Vorstellungen bereichert, oder meine Thätigkeit beschäftigt: ich habe dann immer eine, wenn gleich oft nur dunkle, Vorstellung von einer Beziehung, in der das Erkannte auf mich steht. Je näher diese Beziehung ist, oder je stärker ich sie mir denke: je lebhafter kan das Vergnügen über die Betrachtung dieser Sache, und je stärker das Interesse werden. – Aber deswegen begehre ich die Sache noch nicht. Ich kan durch einen Satz oder durch eine Handlung in einer wahren oder erdichteten Geschichte sehr angezogen werden, und mit großem Vergnügen dabey verweilen, ohne jenem folgen, oder so werden zu wollen; wie dieses der Fall bey allen Sätzen und Handlungen ist, die Anstrengung und Aufopferung erfordern, z. B. bey dem Satz, daß ich durchaus auf Gott vertrauen, daß ich nicht Böses mit Bösen vergelten soll, u. d. gl. und bey dem erhabnen Beyspiel eines vernünftigen Märtyrers . Soll ich also nicht bloß bewundern, hochachten, lieben, mich woran vergnügen, es auch wohl zu besitzen wünschen, sondern wirklich, so zu werden und zu handeln, begehren: so muß ich die Sache ohne Zweifel in einer noch näheren Beziehung auf mich ansehen, theils in sofern sie mir möglich, und meine Anstrengung nicht vergeblich, theils in sofern sie werth ist, daß ich ein andres Gut darüber verleugne, und lieber ein Uebel übernehme, als diese erkannte Sache entbehre. Jenes, daß ichs als mir möglich ansehe, scheint noch zur Ueberzeugung zu gehören, zu der ich oben das Ausführbare gerechnet habe, denn ohne diese Einsicht ist für mich die Sache nicht wahr oder gut. Dieses aber, der erkannte |a644| so grosse Werth der Sache, der mir Aufopferung abdringt, dieses, sag' ich, scheint eigentlich das zu seyn, was mich nöthigt, es wirklich zu wollen, meine Gesinnungen und Handlungen danach abzuändern. Dies ist doch offenbar mehr, als wenn ich bloß sage, daß mich eine Sache interessire. Ein solches wirkliches Wollen und Begehren im eigentlichsten Verstande beruht ohne Zweifel auf der Vergleichung mehrerer Güter der Welt mit einander, und auf der lebhaften Vorstellung, daß, was ich begehre, weit mehr für mich gut und nothwendig ist, als das, was ich darüber verleugnen muß. Insofern nun der Vortrag dieses Wollen hervorbringt, nenne ich ihn rührend; und sollte es scheinen, daß ich mich hierin von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch entfernte: so wird man mir diese Abweichung in eine Sache zu gute halten, wo die Verschiedenheit der Begriffe bisher noch nicht genug mit angemeßnen Worten bestimmt zu seyn scheint.
546.
Wenn nun durch den rührenden Vortrag nicht bloß Wohlgefallen am Guten und Mißfallen am Bösen soll hervorgebracht werden, sondern auch Willigkeit, jenes zu thun, und dieses zu lassen, oder eigentlich Gewohnheit, immer so zu handeln: so muß ein solcher Vortrag so eingerichtet seyn, daß 1) der Zuhörer durch die gemachten Vorstellungen genöthigt werde, das Erkannte, welches für ihn anziehend ist (ihn interessirt), auf sich ziehe, zu seiner Angelegenheit mache, d. i. einsehe, so |a645| müsse er werden, und das Gegentheil ablegen, jenes sich an- und dieses sich abgewöhnen, jenes thun und befördern, dieses lassen und verhüten. Dies würde sogleich, nach der Natur der menschlichen Seele, von selbst erfolgen, so bald nur der Vortrag ihn, auf die oben beschriebene Art, überzeugte, interessirte, und ihm die Möglichkeit es auszuführen einleuchtend machte, wenn nicht in dem Menschen selbst Hindernisse lägen, welche diese Entschliessung zurückhielten. Diese liegen unstreitig in der Gewohnheit, Böses, und in der Ungewohnheit, Gutes zu thun, d. i. weil ihm die Vorstellungen von dem mit dem Bösen vermischten Nutzen oder Vergnügen, und von den mit Ausübung des Guten verknüpften Uebeln oder Mißvergnügen geläufig, hingegen die Vorstellungen des aus dem Bösen für ihn entspringenden Schadens, und der mit Ausübung des Guten verbundenen Seligkeit, ihm nicht geläufig sind, folglich die dadurch geleiteten Neigungen ihn vom Guten ab- und zum Bösen hinziehen; kurz, es liegt die Schuld an dem Geschmack und Hang zum Bösen, und an dem Mangel des Geschmacks und Hanges zum Guten. Soll also der Vortrag rühren, d. i. wirklich Besserung hervorbringen: so müssen 2) bey den Zuhörern a) die reitzenden Einbildungen von dem Bösen und die davon abhängende Lust dazu geschwächt; hingegen die Vorstellungen von dessen traurigen Folgen mit der daraus entstehenden Unlust gestärkt; und eben so b) in Absicht auf das Gute, die bessern Vorstellungen von dessen seli|a646|gen Folgen, nebst der dadurch gewirkten Neigung dazu, immer mehr erweckt und vermehrt, im Gegentheil die Einbildungen oder übertriebenen Vorstellungen von dem mit dem Guten, verknüpften Uebeln und Schwierigkeiten, nebst der daher entstehenden Abneigung vom Guten, geschwächt werden.Wenn nun durch den rührenden Vortrag nicht bloß Wohlgefallen am Guten und Mißfallen am Bösen soll hervorgebracht werden, sondern auch Willigkeit, jenes zu thun, und dieses zu lassen, oder eigentlich Gewohnheit, immer so zu handeln: so muß ein solcher Vortrag so eingerichtet seyn, daß 1) der Zuhörer durch die gemachten Vorstellungen genöthigt werde, das Erkannte, welches für ihn anziehend ist (ihn interessirt), auf sich ziehe, zu seiner Angelegenheit mache, d. i. einsehe, so |a645| müsse er werden, und das Gegentheil ablegen, jenes sich an- und dieses sich abgewöhnen, jenes thun und befördern, dieses lassen und verhüten. Dies würde sogleich, nach der Natur der menschlichen Seele, von selbst erfolgen, so bald nur der Vortrag ihn, auf die oben beschriebene Art, überzeugte, interessirte, und ihm die Möglichkeit es auszuführen einleuchtend machte, wenn nicht in dem Menschen selbst Hindernisse lägen, welche diese Entschliessung zurückhielten. Diese liegen unstreitig in der Gewohnheit, Böses, und in der Ungewohnheit, Gutes zu thun, d. i. weil ihm die Vorstellungen von dem mit dem Bösen vermischten Nutzen oder Vergnügen, und von den mit Ausübung des Guten verknüpften Uebeln oder Mißvergnügen geläufig, hingegen die Vorstellungen des aus dem Bösen für ihn entspringenden Schadens, und der mit Ausübung des Guten verbundenen Seligkeit, ihm nicht geläufig sind, folglich die dadurch geleiteten Neigungen ihn vom Guten ab- und zum Bösen hinziehen; kurz, es liegt die Schuld an dem Geschmack und Hang zum Bösen, und an dem Mangel des Geschmacks und Hanges zum Guten. Soll also der Vortrag rühren, d. i. wirklich Besserung hervorbringen: so müssen 2) bey den Zuhörern a) die reitzenden Einbildungen von dem Bösen und die davon abhängende Lust dazu geschwächt; hingegen die Vorstellungen von dessen traurigen Folgen mit der daraus entstehenden Unlust gestärkt; und eben so b) in Absicht auf das Gute, die bessern Vorstellungen von dessen seli|a646|gen Folgen, nebst der dadurch gewirkten Neigung dazu, immer mehr erweckt und vermehrt, im Gegentheil die Einbildungen oder übertriebenen Vorstellungen von dem mit dem Guten, verknüpften Uebeln und Schwierigkeiten, nebst der daher entstehenden Abneigung vom Guten, geschwächt werden.
Anm. 1. S. mehreres der hier geäusserten Grundsätze in dem Buch über den Werth der Moral etc. 2te Auflage S. 76 f.
Anm. 2. Aus dem ersten Stück des §. erhellt, warum es, ausserdem was oben über die Besserung der Erkenntniß gesagt ist, keiner besondern Bemühung bedürfe, den Zuhörer zu bewegen, daß er das so Erkannte auch wirklich wolle, und daß alles nur darauf ankomme, die Hindernisse des Wollens zu heben. Gleichergestalt werden die Neigungen somit schon gebessert, als die falschen Vorstellungen vom Werth des Guten und Bösen verbessert, und die bessern Vorstellungen lebhafter als jene gemacht werden.
547.
Erstlich in Absicht auf das Böse, woran der Mensch hängt, und wobey er seine Rechnung zu finden glaubt, würde ihm zu zeigen seyn 1) wie falsch die Vorstellungen seyen, die er sich theils von seinem Glücke dabey, theils von seiner vermeinten guten Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten macht; – wie nichtig also, wie unbefriedigend und verbittert, wie vergänglich das sey, was er für sein Glück halte; – und wenn es auch wahre Güter sind, wonach er trachtet, |a647| wie wenig gleichwohl es immer von ihm abhänge, dieses Glück zu erlangen, wie viel unverantwortliche Handlungen er sich dieserwegen erlauben müsse; wie und wodurch er sich selbst den Zugang zu solchem Glück verschliesse, oder sich wieder darum bringe; wie sehr er sich durch seine Gesinnung und Betragen ausser Stand setze, es recht zu geniessen, und damit zufrieden zu seyn; wie gar keine, oder armselige, oder unbeständige Tugenden das seyn, worauf er sich verläßt, oder wie so ohne Grund er sich wirkliche Tugenden einbilde. – 2) Wie traurig die Folgen seyen, die er sich durch seine Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten zugezogen habe, oder zuziehen müsse, d. i. – wie und wodurch er sich, es sey aus Unachtsamkeit, oder falschen Vorstellungen, oder Trägheit, oder Leidenschaften, oder üblen Gewohnheiten, selbst unglücklich mache, und wie groß das daraus entstehende Elend sey; – wie er eben dadurch, auch wenn sein Unglück unverschuldet sey, es vermehre, oder sich ausser Stand setze es zu ertragen, oder zu seinem Besten anzuwenden; und, wenn er auch auf einer Seite einsehe, in welches Unglück er sich stürze, und er das Böse gerne lassen möchte, um diesem zu entgehen, auf der andern aber, wie wohl ihm seyn würde, wenn er besser wäre und handelte, und wenn er es deswegen auch gern möchte, wie ohnmächtig er gleichwohl und wie stark sein Hang zum Bösen und die Macht der Gewohnheit sey.Erstlich in Absicht auf das Böse, woran der Mensch hängt, und wobey er seine Rechnung zu finden glaubt, würde ihm zu zeigen seyn 1) wie falsch die Vorstellungen seyen, die er sich theils von seinem Glücke dabey, theils von seiner vermeinten guten Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten macht; – wie nichtig also, wie unbefriedigend und verbittert, wie vergänglich das sey, was er für sein Glück halte; – und wenn es auch wahre Güter sind, wonach er trachtet, |a647| wie wenig gleichwohl es immer von ihm abhänge, dieses Glück zu erlangen, wie viel unverantwortliche Handlungen er sich dieserwegen erlauben müsse; wie und wodurch er sich selbst den Zugang zu solchem Glück verschliesse, oder sich wieder darum bringe; wie sehr er sich durch seine Gesinnung und Betragen ausser Stand setze, es recht zu geniessen, und damit zufrieden zu seyn; wie gar keine, oder armselige, oder unbeständige Tugenden das seyn, worauf er sich verläßt, oder wie so ohne Grund er sich wirkliche Tugenden einbilde. – 2) Wie traurig die Folgen seyen, die er sich durch seine Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten zugezogen habe, oder zuziehen müsse, d. i. – wie und wodurch er sich, es sey aus Unachtsamkeit, oder falschen Vorstellungen, oder Trägheit, oder Leidenschaften, oder üblen Gewohnheiten, selbst unglücklich mache, und wie groß das daraus entstehende Elend sey; – wie er eben dadurch, auch wenn sein Unglück unverschuldet sey, es vermehre, oder sich ausser Stand setze es zu ertragen, oder zu seinem Besten anzuwenden; und, wenn er auch auf einer Seite einsehe, in welches Unglück er sich stürze, und er das Böse gerne lassen möchte, um diesem zu entgehen, auf der andern aber, wie wohl ihm seyn würde, wenn er besser wäre und handelte, und wenn er es deswegen auch gern möchte, wie ohnmächtig er gleichwohl und wie stark sein Hang zum Bösen und die Macht der Gewohnheit sey.
|a648| 548.
Eben so müßten ihm, in Absicht auf das Gute, 1) die seligen und weitreichenden Folgen deutlich gemacht werden, welche aus wahrer Tugend und Gottseligkeit entspringen; – wie recht man alsdann erst alles Gute, was uns begegnet, schätzen und geniessen, es weit herzlicher und dankbarer empfinden, und zu seinem wahren Besten anwenden lerne; – wie sehr selbst unverschuldete Leiden uns dadurch erträglich, die beste Schule, im Guten zu wachsen, eine Quelle von vielem erst hinterher sich zeigenden Glück, eine nähere Vorbereitung auf die Glückseligkeit einer bessern Welt, werden; – wie sehr wir uns dadurch die Herrschaft über unsre Neigungen, wie viele Verdienste um Andere, wie viel Vertrauen und Liebe von andern Menschen erwerben, wie zufrieden und dankbar gegen Gott, und ihm immer ähnlicher werden. 2) Und, – weil die meisten Menschen so sehr falsche Begriffe von Besserung und Tugend haben, daß sie sich entweder dieselbe sehr leicht machen, und sie sehr ins Kleine zusammenziehn, in blosse fromme Empfindung oder äusserliche, zumal gottesdienstliche, Handlungen, oder blosse Ehrbarkeit, Gerechtigkeit, Menschenliebe, bürgerliche und gesellschaftliche Tugenden setzen, oder sie sich als einen unnatürlichen Zwang und lästige Einschränkung vorstellen, die den Geist seiner Heiterkeit, das Leben seiner Freuden beraube, und den Menschen zur menschlichen Gesellschaft, und Beobachtug seiner natürlichen und |a649| bürgerlichen Pflichten unfähig mache, oder aus überspannten Begriffen, Gefühl ihrer Ohnmacht, und Erinnerung oft mißlungener Versuche der Besserung, muthlos sind: – so muß zwar jenen falschen Begriffen, die nur auf eine oberflächige Besserung zielen, beständig entgegen gearbeitet, ihnen keine Schwierigkeit verheelt oder verkleinert, und der grosse Umfang wahrer Tugend, die durchaus auf alles Gute gehen, und in wahrhaftiger Besserung der Gesinnung bestehen müsse, einleuchtend dargestellt werden; aber man muß ihnen auch eben so sehr die trübseligen Begriffe von Frömmigkeit benehmen, und ihnen den grossen Werth der Gottseligkeit in aller Absicht, und des Zeugnisses eines guten Gewissens, immer fühlbarer, andern Theils ihnen, durch Vorstellung, wie Vieles thätiger, ausharrender Fleiß, fortgesetzte Uebung und gewissenhafte Treue, unter Gottes uns nie entstehendem Beystande, vermöge, immer guten Muth machen.Eben so müßten ihm, in Absicht auf das Gute, 1) die seligen und weitreichenden Folgen deutlich gemacht werden, welche aus wahrer Tugend und Gottseligkeit entspringen; – wie recht man alsdann erst alles Gute, was uns begegnet, schätzen und geniessen, es weit herzlicher und dankbarer empfinden, und zu seinem wahren Besten anwenden lerne; – wie sehr selbst unverschuldete Leiden uns dadurch erträglich, die beste Schule, im Guten zu wachsen, eine Quelle von vielem erst hinterher sich zeigenden Glück, eine nähere Vorbereitung auf die Glückseligkeit einer bessern Welt, werden; – wie sehr wir uns dadurch die Herrschaft über unsre Neigungen, wie viele Verdienste um Andere, wie viel Vertrauen und Liebe von andern Menschen erwerben, wie zufrieden und dankbar gegen Gott, und ihm immer ähnlicher werden. 2) Und, – weil die meisten Menschen so sehr falsche Begriffe von Besserung und Tugend haben, daß sie sich entweder dieselbe sehr leicht machen, und sie sehr ins Kleine zusammenziehn, in blosse fromme Empfindung oder äusserliche, zumal gottesdienstliche, Handlungen, oder blosse Ehrbarkeit, Gerechtigkeit, Menschenliebe, bürgerliche und gesellschaftliche Tugenden setzen, oder sie sich als einen unnatürlichen Zwang und lästige Einschränkung vorstellen, die den Geist seiner Heiterkeit, das Leben seiner Freuden beraube, und den Menschen zur menschlichen Gesellschaft, und Beobachtug seiner natürlichen und |a649| bürgerlichen Pflichten unfähig mache, oder aus überspannten Begriffen, Gefühl ihrer Ohnmacht, und Erinnerung oft mißlungener Versuche der Besserung, muthlos sind: – so muß zwar jenen falschen Begriffen, die nur auf eine oberflächige Besserung zielen, beständig entgegen gearbeitet, ihnen keine Schwierigkeit verheelt oder verkleinert, und der grosse Umfang wahrer Tugend, die durchaus auf alles Gute gehen, und in wahrhaftiger Besserung der Gesinnung bestehen müsse, einleuchtend dargestellt werden; aber man muß ihnen auch eben so sehr die trübseligen Begriffe von Frömmigkeit benehmen, und ihnen den grossen Werth der Gottseligkeit in aller Absicht, und des Zeugnisses eines guten Gewissens, immer fühlbarer, andern Theils ihnen, durch Vorstellung, wie Vieles thätiger, ausharrender Fleiß, fortgesetzte Uebung und gewissenhafte Treue, unter Gottes uns nie entstehendem Beystande, vermöge, immer guten Muth machen.
549.
Bey dem Vortrag dieser Sachen, wenn er wirklich für die Zuhörer rührend werden soll, kommt es hauptsächlich darauf an: 1) sie auf ihren Gemüthszustand, besonders auf ihre eigenthümlichen und am meisten eingewurzelten oder durch ihr Temperament und ihre besondern Umstände am meisten begünstigten Fehler aufmerksam zu machen; weil, ohne dieses zu erkennen, keine Reue und wahre Besserung mög|a650|lich ist, und gerade diese von einem jeden am meisten übersehen, oder am wenigsten als Fehler erkannt werden; 2) nicht nur das daraus entstehende Elend, sondern auch das ihnen begreiflich zu machen, daß und wie sie selbst daran Schuld sind, und wie viel auf sie selbst ankomme, um besser und glücklicher zu werden; und 3) daß und wie ihnen nur durch Besserung und durch die Religion könne geholfen werden. – Es giebt keinen Menschen, der nicht die Eitelkeit und das Leere sündlicher Vergnügungen, die üblen Folgen der Ausschweifungen, und selbst die wohlthätigen Wirkungen der Tugend, sollte erfahren haben. Auch der schlechteste Mensch hat doch manchmal etwas Gutes gethan, und weiß, wie wohl ihm dabey gewesen ist, wenn er nach seinem Gewissen gehandelt, zumal sich selbst überwunden hat; er sieht doch, wie heiter und zufrieden rechtschaffne Menschen, auch bey traurigen Umständen, sind, und wie bald sie sich zu finden wissen, wenn sie nur recht und mit Ueberlegung verfahren wollen; er weiß, wie gut es ihm thut, wenn jemand sich gegen ihn rechtschaffen beträgt, und ist leicht zu überzeugen, welche Hölle aus der menschlichen Gesellschaft werden würde, wenn sich alle Menschen erlaubten, schlecht, oder, ohne sich einzuschränken, nur nach ihren Lüsten zu handeln. Er fühlt dies am meisten, wenn er die Folgen seines Leichtsinns und seiner Ausschweifungen erlebt; fühlt, was er ohne gutes Gewissen und Religion ist, wenn er in Gefahr oder Verlegenheit kommt; wird doch durch besondere Wohlthaten, die ihm |a651| wiederfahren, manchmal gerührt, und zu der Zeit geschmeidiger gemacht. Zu solchen Zeiten ihn anfassen, ihn an seinen erwähnten Erfahrungen festhalten, und dann ihm den grossen Werth der Tugend und Religion lebhaft vorstellen, dies kann doch schwerlich ohne alle gute Eindrücke bleiben, die ihn zu rechter Zeit verfolgen werden. – Nur arbeite man nicht bloß auf seine Sinnlichkeit, und wenn man es thut, welches sehr nützlich werden kan, und oft unentbehrlich ist, so geschehe es mehr, um gute Eindrücke zu verstärken, als hervorzubringen.Bey dem Vortrag dieser Sachen, wenn er wirklich für die Zuhörer rührend werden soll, kommt es hauptsächlich darauf an: 1) sie auf ihren Gemüthszustand, besonders auf ihre eigenthümlichen und am meisten eingewurzelten oder durch ihr Temperament und ihre besondern Umstände am meisten begünstigten Fehler aufmerksam zu machen; weil, ohne dieses zu erkennen, keine Reue und wahre Besserung mög|a650|lich ist, und gerade diese von einem jeden am meisten übersehen, oder am wenigsten als Fehler erkannt werden; 2) nicht nur das daraus entstehende Elend, sondern auch das ihnen begreiflich zu machen, daß und wie sie selbst daran Schuld sind, und wie viel auf sie selbst ankomme, um besser und glücklicher zu werden; und 3) daß und wie ihnen nur durch Besserung und durch die Religion könne geholfen werden. – Es giebt keinen Menschen, der nicht die Eitelkeit und das Leere sündlicher Vergnügungen, die üblen Folgen der Ausschweifungen, und selbst die wohlthätigen Wirkungen der Tugend, sollte erfahren haben. Auch der schlechteste Mensch hat doch manchmal etwas Gutes gethan, und weiß, wie wohl ihm dabey gewesen ist, wenn er nach seinem Gewissen gehandelt, zumal sich selbst überwunden hat; er sieht doch, wie heiter und zufrieden rechtschaffne Menschen, auch bey traurigen Umständen, sind, und wie bald sie sich zu finden wissen, wenn sie nur recht und mit Ueberlegung verfahren wollen; er weiß, wie gut es ihm thut, wenn jemand sich gegen ihn rechtschaffen beträgt, und ist leicht zu überzeugen, welche Hölle aus der menschlichen Gesellschaft werden würde, wenn sich alle Menschen erlaubten, schlecht, oder, ohne sich einzuschränken, nur nach ihren Lüsten zu handeln. Er fühlt dies am meisten, wenn er die Folgen seines Leichtsinns und seiner Ausschweifungen erlebt; fühlt, was er ohne gutes Gewissen und Religion ist, wenn er in Gefahr oder Verlegenheit kommt; wird doch durch besondere Wohlthaten, die ihm |a651| wiederfahren, manchmal gerührt, und zu der Zeit geschmeidiger gemacht. Zu solchen Zeiten ihn anfassen, ihn an seinen erwähnten Erfahrungen festhalten, und dann ihm den grossen Werth der Tugend und Religion lebhaft vorstellen, dies kann doch schwerlich ohne alle gute Eindrücke bleiben, die ihn zu rechter Zeit verfolgen werden. – Nur arbeite man nicht bloß auf seine Sinnlichkeit, und wenn man es thut, welches sehr nützlich werden kan, und oft unentbehrlich ist, so geschehe es mehr, um gute Eindrücke zu verstärken, als hervorzubringen.
Es versteht sich von selbst: daß man von Ausschweifungen nie so reden müsse, daß der Mensch erst solche dadurch lerne, die er vorher nicht kannte, und also auch nicht beging; daß alle Erbitterung der Zuhörer verhütet, und eben so sehr alle Veranlassung vermieden werde, sie muthlos zu machen, oder sie zu verleiten, daß sie denken, es treffe sie etwas nicht; wohin alle übertriebne Vorstellung vom moralischen Verderben und alle zu allgemeine Behauptungen gehören. Unerkannte Sünden und feinere, unschuldig scheinende, oder unschuldige, aber zu leicht dem Mißbrauch unterworfne Ausschweifungen, sollten am meisten hervorgezogen werden. – Im Privatumgange und bey besondern Vorfällen, Krankheiten u. d. gl. kan der Lehrer mehr Gutes stiften als bey öffentlichen Vorträgen. – Bey letztern wird die Geschichte noch viel zu wenig benutzt. Wie viel recht eigentlich Rührendes liesse sich über die Geschichte vom verlohrnen Sohn, vom Falle Petri, von der Versuchung Christi, über dessen Leidensgeschichte, selbst über die Geschichte des alten Testaments – mit discreter Anwen|a652|dung auf die Umstände und Bedürfnisse unsrer Zuhörer – sagen, wie sehr dadurch der Vortrag unterhaltender, anschauender, individueller machen!
550.
Bey allen solchen Veränderungen des menschlichen Lebens, die wir nicht nach Belieben und Ueberlegung hervorbringen, oder verhindern oder lenken können, und bey dem Gefühl alles desjenigen, was wir ohne unser Zuthun sind, bleibt uns nichts weiter übrig, als uns zu unterwerfen, und – da das Gefühl der Leiden sich mit den Vorstellungen unsrer doch möglichen Glückseligkeit nicht verträgt, und wir in so ferne unglücklich sind, auch der Mensch zu selbstthätig ist, als daß er selbst dann, wenn er sich nur leidentlich verhalten zu können scheint, nicht wenigstens Etwas sollte zu seinem Besten thun können – unsre Vorstellungen von unserm Zustand zu berichtigen, oder unangenehmere durch andre angenehmere zu verdrängen, oder das unangenehme Gefühl dieses Zustandes zu mildern, mit einem Wort: uns vernünftig zu
beruhigen (§.
545. ). Alle Unruhe, Gram und Sorgen scheinen nur in den drey Fällen zu entstehen: 1) wenn wir zu bemerken glauben, daß wir glücklicher seyn würden, wenn wir frey von einem Uebel oder dessen Gefühle, oder im Besitz und Genusse eines gewissen Gutes wären. 2) wenn wir uns gewisser Vergehungen bewußt sind, deren Andenken wir nicht vertilgen können, und deren Folgen
|a653| wir nicht abwenden zu können glauben; und 3) wenn wir, bey allem Wunsch und Vorsatz uns zu bessern, unsre Ohnmacht und die unüberwindliche Gewalt der bösen Gewohnheit fühlen. Uns vernünftig zu
beruhigen ist daher zu unsrer Glückseligkeit eben so unentbehrlich nothwendig, als, uns zu
bessern.
Darauf in dem Vortrage der Religion zu arbeiten, ist also eine unumgängliche Pflicht, und wer das wollte, müßte suchen, jenen drey Ursachen der Gemüthsunruhe entgegen zu arbeiten.Bey allen solchen Veränderungen des menschlichen Lebens, die wir nicht nach Belieben und Ueberlegung hervorbringen, oder verhindern oder lenken können, und bey dem Gefühl alles desjenigen, was wir ohne unser Zuthun sind, bleibt uns nichts weiter übrig, als uns zu unterwerfen, und – da das Gefühl der Leiden sich mit den Vorstellungen unsrer doch möglichen Glückseligkeit nicht verträgt, und wir in so ferne unglücklich sind, auch der Mensch zu selbstthätig ist, als daß er selbst dann, wenn er sich nur leidentlich verhalten zu können scheint, nicht wenigstens Etwas sollte zu seinem Besten thun können – unsre Vorstellungen von unserm Zustand zu berichtigen, oder unangenehmere durch andre angenehmere zu verdrängen, oder das unangenehme Gefühl dieses Zustandes zu mildern, mit einem Wort: uns vernünftig zu
beruhigen (§.
545. ). Alle Unruhe, Gram und Sorgen scheinen nur in den drey Fällen zu entstehen: 1) wenn wir zu bemerken glauben, daß wir glücklicher seyn würden, wenn wir frey von einem Uebel oder dessen Gefühle, oder im Besitz und Genusse eines gewissen Gutes wären. 2) wenn wir uns gewisser Vergehungen bewußt sind, deren Andenken wir nicht vertilgen können, und deren Folgen
|a653| wir nicht abwenden zu können glauben; und 3) wenn wir, bey allem Wunsch und Vorsatz uns zu bessern, unsre Ohnmacht und die unüberwindliche Gewalt der bösen Gewohnheit fühlen. Uns vernünftig zu
beruhigen ist daher zu unsrer Glückseligkeit eben so unentbehrlich nothwendig, als, uns zu
bessern.
Darauf in dem Vortrage der Religion zu arbeiten, ist also eine unumgängliche Pflicht, und wer das wollte, müßte suchen, jenen drey Ursachen der Gemüthsunruhe entgegen zu arbeiten.
551.
Der
ersten Ursach. – Wenn wir unglücklich, oder nicht glücklich genug zu seyn glauben, und der Grund beyder Uebel liegt
in unserm eignen freyen Verhalten, das wir abändern können: so ist uns ohne wahrhafte Besserung unsers Herzens und Lebens schlechterdings nicht zu helfen. Was der Lehrer in Absicht auf die Beruhigung
solcher Zuhörer thun müsse, und um
diese Ursach ihres Mißvergnügens zu heben, das zeigen die obigen Regeln, wonach an der Besserung der Menschen zu arbeiten ist (§.
546 bis
549 ). – Rührt aber das Elend, das wir empfinden, und das versagte Glück, das wir mit Schmerzen entbehren, gar nicht, so viel wir wenigstens zu sehen vermögen,
gar nicht von unsrer Schuld her; läßt sich wenigstens auch durch unsre Besserung jenes nicht verhüten oder wegschaffen, und dieses nicht erwerben: so steht
|a654| es doch unter der höchst weisen und gütigen Aufsicht der Regierung Gottes, der es über uns nie anders, als wie ein höchst wohlthätiges und unentbehrliches Mittel zu unserm Besten, verhängt hat; und dies wird es in der Hand seiner Vorsehung gewiß, wenn wir uns unter diese demüthigen, und Ihn allein walten lassen, ohne diese wohlthätige Wirkungen durch unsre Beschwerden und ängstliche Sorgen zu stören, und uns dadurch um unser von ihm dabey bezieltes Glück, wenigstens um die ruhige Heiterkeit der Seele zu bringen, die aus dem stillen Zusehen, wie sich nach und nach alles so schön, so zu unsrer Beruhigung, entwickelt und aufklärt, und aus der schon vorläufig dankbaren Erwartung des besten Ausgangs, entspringen würde.Der
ersten Ursach. – Wenn wir unglücklich, oder nicht glücklich genug zu seyn glauben, und der Grund beyder Uebel liegt
in unserm eignen freyen Verhalten, das wir abändern können: so ist uns ohne wahrhafte Besserung unsers Herzens und Lebens schlechterdings nicht zu helfen. Was der Lehrer in Absicht auf die Beruhigung
solcher Zuhörer thun müsse, und um
diese Ursach ihres Mißvergnügens zu heben, das zeigen die obigen Regeln, wonach an der Besserung der Menschen zu arbeiten ist (§.
546 bis
549 ). – Rührt aber das Elend, das wir empfinden, und das versagte Glück, das wir mit Schmerzen entbehren, gar nicht, so viel wir wenigstens zu sehen vermögen,
gar nicht von unsrer Schuld her; läßt sich wenigstens auch durch unsre Besserung jenes nicht verhüten oder wegschaffen, und dieses nicht erwerben: so steht
|a654| es doch unter der höchst weisen und gütigen Aufsicht der Regierung Gottes, der es über uns nie anders, als wie ein höchst wohlthätiges und unentbehrliches Mittel zu unserm Besten, verhängt hat; und dies wird es in der Hand seiner Vorsehung gewiß, wenn wir uns unter diese demüthigen, und Ihn allein walten lassen, ohne diese wohlthätige Wirkungen durch unsre Beschwerden und ängstliche Sorgen zu stören, und uns dadurch um unser von ihm dabey bezieltes Glück, wenigstens um die ruhige Heiterkeit der Seele zu bringen, die aus dem stillen Zusehen, wie sich nach und nach alles so schön, so zu unsrer Beruhigung, entwickelt und aufklärt, und aus der schon vorläufig dankbaren Erwartung des besten Ausgangs, entspringen würde.
552.
Ein Lehrer, der diese Gesinnung und deswegen richtigere und eindrücklichere Vorstellungen von der wahren Beschaffenheit der Uebel und ihrem Verhältniß gegen unser Bestes, unter der väterlichen Regierung Gottes, befördern wollte, müßte folgende und ähnliche Betrachtungen, durch öftere, mannichfaltige und einleuchtende Darstellung aus der ähnlichen, eigenen, wirklichen, oder leicht zu erhaltenden Erfahrung der Zuhörer, mit steter Rücksicht auf ihre besondre Umstände und Bedürfnisse, anschaulich zu machen suchen. – Wie sehr sorgt Gott überall, sowohl durch die Mannichfaltigkeit der Dinge und ihrer
|a655| Eigenschaften, als durch das in uns gelegte Gefühl für ihre Reitze, nicht bloß für unsre Nothdurft, sondern auch für unsre Bequemlichkeit, Vergnügen und Ueberfluß? Wie viel hat jeder Mensch insbesondre vor unzählichen Andern voraus, und, wo ihm Etwas abgeht, durch wie viel andres, gerade für
ihn zuträglicheres, Gute wird dies ersetzt? Wie viele ganz unerwartete, uns ohne unser Zuthun wiederfahrne, oder, wenn auch dieses mitwirken muß, durch die schon zum voraus gemachte Anlagen unsers Geistes und unsrer Umstände, in welchen der Keim unsrer künftigen Glückseligkeit und der Grund seiner Entwicklung liegt, veranstaltete und erleichterte, oder ganz
wider den sichtbaren Gang der Dinge ausgefallne, so sehr unverdiente Wohlthaten, erzeigt er uns? hilft uns aus so vieler Gefahr und Verlegenheit? Wie unendlich viele unerkannte Wohlthaten wiederfahren uns durch Abwendung unsers möglichen Unglücks, oder solcher Umstände, die es uns unvermeidlich bereiten würden, an welche zu denken und sie bey Würdigung unsrer Glückseligkeit mit in Anschlag zu bringen, uns, wegen Gottes verborgner Wirkungen, nicht einmal in den Sinn kommt, und deren dereinstige Entdeckung uns überaus angenehm unterhalten, das Gefühl der wirklich genossenen Wohlthaten unendlich erheben, uns bis zur innigsten Rührung beschämen, und unsre Dankbarkeit gegen Ihn erhöhen wird? Wie viele und grosse Uebel sind mit vorzüglichen Fähigkeiten, Glücksumständen, Ansehen, weitläuftigen Verhältnissen u. s. f. verbunden, deren wir
|a656| überhoben sind, wenn uns nur ein eingeschränktes Glück zu Theil worden ist? Und überhaupt leiden wir wirklich Mangel oder Verlust, wenn uns Etwas versagt ist oder entrissen wird? hatt' es den Werth, den wir darauf legten? würd' es den Werth für uns behalten haben? würd' es uns nicht an einem andern grössern Glück hinderlich worden seyn?Ein Lehrer, der diese Gesinnung und deswegen richtigere und eindrücklichere Vorstellungen von der wahren Beschaffenheit der Uebel und ihrem Verhältniß gegen unser Bestes, unter der väterlichen Regierung Gottes, befördern wollte, müßte folgende und ähnliche Betrachtungen, durch öftere, mannichfaltige und einleuchtende Darstellung aus der ähnlichen, eigenen, wirklichen, oder leicht zu erhaltenden Erfahrung der Zuhörer, mit steter Rücksicht auf ihre besondre Umstände und Bedürfnisse, anschaulich zu machen suchen. – Wie sehr sorgt Gott überall, sowohl durch die Mannichfaltigkeit der Dinge und ihrer
|a655| Eigenschaften, als durch das in uns gelegte Gefühl für ihre Reitze, nicht bloß für unsre Nothdurft, sondern auch für unsre Bequemlichkeit, Vergnügen und Ueberfluß? Wie viel hat jeder Mensch insbesondre vor unzählichen Andern voraus, und, wo ihm Etwas abgeht, durch wie viel andres, gerade für
ihn zuträglicheres, Gute wird dies ersetzt? Wie viele ganz unerwartete, uns ohne unser Zuthun wiederfahrne, oder, wenn auch dieses mitwirken muß, durch die schon zum voraus gemachte Anlagen unsers Geistes und unsrer Umstände, in welchen der Keim unsrer künftigen Glückseligkeit und der Grund seiner Entwicklung liegt, veranstaltete und erleichterte, oder ganz
wider den sichtbaren Gang der Dinge ausgefallne, so sehr unverdiente Wohlthaten, erzeigt er uns? hilft uns aus so vieler Gefahr und Verlegenheit? Wie unendlich viele unerkannte Wohlthaten wiederfahren uns durch Abwendung unsers möglichen Unglücks, oder solcher Umstände, die es uns unvermeidlich bereiten würden, an welche zu denken und sie bey Würdigung unsrer Glückseligkeit mit in Anschlag zu bringen, uns, wegen Gottes verborgner Wirkungen, nicht einmal in den Sinn kommt, und deren dereinstige Entdeckung uns überaus angenehm unterhalten, das Gefühl der wirklich genossenen Wohlthaten unendlich erheben, uns bis zur innigsten Rührung beschämen, und unsre Dankbarkeit gegen Ihn erhöhen wird? Wie viele und grosse Uebel sind mit vorzüglichen Fähigkeiten, Glücksumständen, Ansehen, weitläuftigen Verhältnissen u. s. f. verbunden, deren wir
|a656| überhoben sind, wenn uns nur ein eingeschränktes Glück zu Theil worden ist? Und überhaupt leiden wir wirklich Mangel oder Verlust, wenn uns Etwas versagt ist oder entrissen wird? hatt' es den Werth, den wir darauf legten? würd' es den Werth für uns behalten haben? würd' es uns nicht an einem andern grössern Glück hinderlich worden seyn?
553.
Und das Unglück, ist es nicht eine Quelle eines sonst nicht erhaltenen Glücks? Diente es nicht, unserm Glück beygemischt, die angenehme Empfindung dieses letztern zu erhöhen? Ists, bey aller seiner Bitterkeit, nicht herzstärkende Arzeney, wahre Schule der Genügsamkeit, der Vorsichtigkeit, der Klugheit, des gänzlichen Anschliessens an Gott, ohne und ausser dem doch alles eitel ist, und aller Tugenden, wozu es uns sonst an Veranlassung und Uebung fehlt; ohne welches wir nie eifrig genug vorwärts zur wahren Vollkommenheit streben würden? Bey mißlungener Ausführung unsrer guten Absichten, mißrathenen Mitteln, unerwarteter Richtung, die unsre gutgemeinten Anstalten nehmen und selbst Uebel erzeugen, die wir nicht vorhersehen, oder denen wir entgegenarbeiten, von welchen wir gerade das Gegentheil befördern wollten, – ist da durchaus Alles verloren? haben wir, wenn gleich nicht alles, doch etwas, wenn gleich nicht dieses, doch etwas andres Gute, wenn gleich nicht vor der Hand, doch auf die Zu|a657|kunft, wenn gleich nicht bey Andern, doch bey uns und durch eigne Uebung im Guten, gestiftet? Was kan dieser ausgestreute, verlohren scheinende, Saame, unter Gottes Pflege und Segen, hie und da, früh oder spät, für eine reiche und selige Aerndte geben, von der uns jetzt noch gar nichts träumet. Und, bey dem, ausser jenem mißlungnen Guten, für jeden guten Menschen, gerade schmerzhaftesten Unglück, das wir empfinden, wenn unsre guten Absichten verkannt, nachtheilig gedeutet, oder wir durch ungerechte Bedrückungen gemißhandelt werden: sind wir denn Gott nicht auch Opfer, aus Dankbarkeit auch grosse Aufopferungen, ihm auch darin Nachahmung schuldig, daß wir Versündigungen Anderer gegen uns dulden? Ist es nicht gegen Gott Dankes werth, wenn er uns dadurch von der Eitelkeit, Selbstsucht und Abhängen von Meinungen und Willen der Menschen, abzieht, und uns aus Pflicht, um Seinetwillen, zu handeln gewöhnt? Erhebt nicht eben diese Gesinnung und Art zu handeln, wobey es uns nur darum zu thun ist, recht zu handeln, und unser höchster Wunsch, Ihm werth zu seyn, unsre Seele recht eigentlich zu der höchsten Würde des Menschen? Können wir nicht eben darum auf desto größre Vergeltung und darauf desto gewisser rechnen, je weniger wir durch irgend etwas Vergängliches belohnt waren; und muß sie uns nicht desto angenehmer fallen, da sie nicht blosser Zufall, sondern Belohnung, Belohnung von dem ist, der allein höchst gerecht richtet?Und das Unglück, ist es nicht eine Quelle eines sonst nicht erhaltenen Glücks? Diente es nicht, unserm Glück beygemischt, die angenehme Empfindung dieses letztern zu erhöhen? Ists, bey aller seiner Bitterkeit, nicht herzstärkende Arzeney, wahre Schule der Genügsamkeit, der Vorsichtigkeit, der Klugheit, des gänzlichen Anschliessens an Gott, ohne und ausser dem doch alles eitel ist, und aller Tugenden, wozu es uns sonst an Veranlassung und Uebung fehlt; ohne welches wir nie eifrig genug vorwärts zur wahren Vollkommenheit streben würden? Bey mißlungener Ausführung unsrer guten Absichten, mißrathenen Mitteln, unerwarteter Richtung, die unsre gutgemeinten Anstalten nehmen und selbst Uebel erzeugen, die wir nicht vorhersehen, oder denen wir entgegenarbeiten, von welchen wir gerade das Gegentheil befördern wollten, – ist da durchaus Alles verloren? haben wir, wenn gleich nicht alles, doch etwas, wenn gleich nicht dieses, doch etwas andres Gute, wenn gleich nicht vor der Hand, doch auf die Zu|a657|kunft, wenn gleich nicht bey Andern, doch bey uns und durch eigne Uebung im Guten, gestiftet? Was kan dieser ausgestreute, verlohren scheinende, Saame, unter Gottes Pflege und Segen, hie und da, früh oder spät, für eine reiche und selige Aerndte geben, von der uns jetzt noch gar nichts träumet. Und, bey dem, ausser jenem mißlungnen Guten, für jeden guten Menschen, gerade schmerzhaftesten Unglück, das wir empfinden, wenn unsre guten Absichten verkannt, nachtheilig gedeutet, oder wir durch ungerechte Bedrückungen gemißhandelt werden: sind wir denn Gott nicht auch Opfer, aus Dankbarkeit auch grosse Aufopferungen, ihm auch darin Nachahmung schuldig, daß wir Versündigungen Anderer gegen uns dulden? Ist es nicht gegen Gott Dankes werth, wenn er uns dadurch von der Eitelkeit, Selbstsucht und Abhängen von Meinungen und Willen der Menschen, abzieht, und uns aus Pflicht, um Seinetwillen, zu handeln gewöhnt? Erhebt nicht eben diese Gesinnung und Art zu handeln, wobey es uns nur darum zu thun ist, recht zu handeln, und unser höchster Wunsch, Ihm werth zu seyn, unsre Seele recht eigentlich zu der höchsten Würde des Menschen? Können wir nicht eben darum auf desto größre Vergeltung und darauf desto gewisser rechnen, je weniger wir durch irgend etwas Vergängliches belohnt waren; und muß sie uns nicht desto angenehmer fallen, da sie nicht blosser Zufall, sondern Belohnung, Belohnung von dem ist, der allein höchst gerecht richtet?
|a658| Es versteht sich, daß alles in diesen beyden §§. Gesagte nur Hinweisung sey auf gewisse Gesichtspunkte, woraus man die Leiden vorstellen müsse; die jedesmalige Gelegenheit muß es einem verständigen Lehrer zeigen, aus welchem am wirksamsten könne Beruhigung geschöpft werden. Diese Punkte recht anschaulich und eindrücklich zu machen, ist freylich sehr schwer, es scheint selbst – aus mehrern Gründen, die sich hier nicht erklären lassen – weit schwerer jemanden wahrhaftig durch Vorstellungen zu beruhigen, als zu bessern. Erregte Aufmerksamkeit auf den Lauf der Dinge in der Welt thut bey Leidenden sehr viel, aber ohne feste innige Ueberzeugung von Gottes Vorsehung und von der Ewigkeit, wird sie immer wenig zur Beruhigung wirken, oder Leidende nur gleichgültig und leichtsinnig machen. Kurze, fruchtbare Sentenzen, zumal wenn sie den Zuhörern geläufig und von ihnen oft zu ihren Trost gebraucht sind, zu rechter Zeit angebracht (z. B. Jonä 4, 10. 11. Matth. 18, 11 f. 1 Tim. 1, 15. 16. u. d. gl.) – nebst dem Ansehen und Vertrauen, das der Lehrer, zumal bey fleißiger Hausbesuchung der Elenden, sich als ein gesetzter, erfahrner und mitleidender Mann erworben hat, wirken in solchen Fällen mehr als die bündigsten Predigten. Man kan daher junge Lehrer nicht genug auf Vorsichtigkeit und Mäßigung im Umgang mit Leidenden aufmerksam machen, und sie warnen, nicht zu viel von der schönen Welt, von der Freude, wozu der Mensch geschaffen ist, von milzsüchtigen Klagen u. s. f. zu reden; sie haben ohnehin schon das Vorurtheil einer noch nicht genug reifen Erfahrung, jugendlicher Flüchtigkeit, und, weil sie noch in wenigen entweder die zarte Empfindung nährenden oder sehr drückenden Verbindungen stehen, nicht genugsamer |a659| Theilnehmung gegen sich, – Röm. 12, 15. 1 Tim. 5, 1. 2.
554.
Wird jemand durch das Andenken seiner Vergehungen, auch wohl wissentlicher und gröberer Verbrechen, oder der selbst unvertilgbar scheinenden Folgen derselben bey sich oder Andern, beunruhigt – welches das
zweyte war (§.
550 ): – so müßte ihm der Lehrer 1)
den eigentlichen Inhalt des Evangeliums, das ganz eigentlich zur Absicht hat, diese Bekümmernisse zu heben, fleißig und einleuchtend vorstellen; vorzüglich, wie Gott seine Gnade auch dem Unwürdigsten (dem, der es so gar nicht verdient) zugedacht, wie unser Heiland sich nicht für einen Arzt der Gesunden, sondern der Kranken erklärt habe, nicht nur keinen hinausstossen wolle
wer zu ihm kommt, sondern auch gekommen sey,
aufzusuchen, was sich verlohren habe, u. d. gl. 2) Und wenn ein solcher zweifelte, ob jene göttliche Verheissungen
ihm zukämen: so müßte er ihm diese Besorgniß dadurch benehmen, daß er ihm darauf führte: – schon dies sey ein Zeichen, wie ihn Gott nicht verlassen habe, daß er nicht fühllos sey gegen das Andenken seiner Vergehungen, noch gleichgültig gegen Gottes Gesinnungen gegen ihn – er würde bis zu dieser Unruhe des Gewissens nicht einmal gekommen seyn, ohne besondre Umstände, die dieses Gewissen aufweckten, und die ja alle unter der väterlichen Regierung Gottes
|a660| standen; und Gott veranstalte keine Mittel wozu, wenn er nicht auch die Absicht wolle, worauf diese abzielen. Er müßte ihm 3) zeigen, wie sehr Gott bey allen solchen Hülflosen auf den
Glauben dringe, und wie dies – gerade wie bey dem Verhältniß des Arztes und des Kranken, des Vaters und des Kindes, – das Billigste sey, was Gott fordern, und das Leichteste was ein Hülfloser leisten könne, sich an
den Gott zu halten, und
dem ganz zu überlassen, der unerschöpflich, wie an Güte, so an Mitteln ist, dem Menschen zu helfen, und von dem er ja ohnedem in aller möglichen Rücksicht abhänge; daß es auch 4) der erste Schritt zur wahren Besserung sey, dadurch
gerecht zu seyn gegen Gott und gegen sich selbst, daß man geduldig die natürlichen Folgen trage, die man sich selbst zugezogen habe, und es Gott zutraue, daß er uns auch dadurch wolle zur Besserung leiten. Er müßte endlich 5), so viel es immer die Fähigkeiten und Kenntnisse des Bekümmerten erlauben, ihnen, besonders durch ihre eigne Erfahrungen, begreiflich machen, wie sehr es Gott in seiner Gewalt habe, auch schädliche Folgen böser Handlungen durch die unter seiner Regierung stehenden dazwischenkommenden Umstände abzuwenden; auch das, was auf unsrer Seite unrecht ist, zu Mitteln zu machen, die viel Gutes stiften, welches ohne jenes nicht würde erfolgt seyn; auch dadurch, daß er uns diese Wendung, die unsre Vergehungen nehmen, dereinst wird erkennen lassen, und durch unsere auf unsre wahre Besserung und an
|a661|gestrengtern Fleiß zum Guten erfolgte grössere Glückseligkeit und deren lebhafte Empfindung, – das schmerzhafte Andenken an unsre Vergehungen und deren Folgen zu schwächen, oder ganz auszulöschen, oder dadurch die Empfindung unsrer Seligkeit zu erhöhen, so daß wir begreifen, wie wir
dahin nicht würden gekommen seyn, wenn Gott nicht, indem er uns tief fallen ließ, unsern Fleiß und Eifer im Guten erhoben hätte.Wird jemand durch das Andenken seiner Vergehungen, auch wohl wissentlicher und gröberer Verbrechen, oder der selbst unvertilgbar scheinenden Folgen derselben bey sich oder Andern, beunruhigt – welches das
zweyte war (§.
550 ): – so müßte ihm der Lehrer 1)
den eigentlichen Inhalt des Evangeliums, das ganz eigentlich zur Absicht hat, diese Bekümmernisse zu heben, fleißig und einleuchtend vorstellen; vorzüglich, wie Gott seine Gnade auch dem Unwürdigsten (dem, der es so gar nicht verdient) zugedacht, wie unser Heiland sich nicht für einen Arzt der Gesunden, sondern der Kranken erklärt habe, nicht nur keinen hinausstossen wolle
wer zu ihm kommt, sondern auch gekommen sey,
aufzusuchen, was sich verlohren habe, u. d. gl. 2) Und wenn ein solcher zweifelte, ob jene göttliche Verheissungen
ihm zukämen: so müßte er ihm diese Besorgniß dadurch benehmen, daß er ihm darauf führte: – schon dies sey ein Zeichen, wie ihn Gott nicht verlassen habe, daß er nicht fühllos sey gegen das Andenken seiner Vergehungen, noch gleichgültig gegen Gottes Gesinnungen gegen ihn – er würde bis zu dieser Unruhe des Gewissens nicht einmal gekommen seyn, ohne besondre Umstände, die dieses Gewissen aufweckten, und die ja alle unter der väterlichen Regierung Gottes
|a660| standen; und Gott veranstalte keine Mittel wozu, wenn er nicht auch die Absicht wolle, worauf diese abzielen. Er müßte ihm 3) zeigen, wie sehr Gott bey allen solchen Hülflosen auf den
Glauben dringe, und wie dies – gerade wie bey dem Verhältniß des Arztes und des Kranken, des Vaters und des Kindes, – das Billigste sey, was Gott fordern, und das Leichteste was ein Hülfloser leisten könne, sich an
den Gott zu halten, und
dem ganz zu überlassen, der unerschöpflich, wie an Güte, so an Mitteln ist, dem Menschen zu helfen, und von dem er ja ohnedem in aller möglichen Rücksicht abhänge; daß es auch 4) der erste Schritt zur wahren Besserung sey, dadurch
gerecht zu seyn gegen Gott und gegen sich selbst, daß man geduldig die natürlichen Folgen trage, die man sich selbst zugezogen habe, und es Gott zutraue, daß er uns auch dadurch wolle zur Besserung leiten. Er müßte endlich 5), so viel es immer die Fähigkeiten und Kenntnisse des Bekümmerten erlauben, ihnen, besonders durch ihre eigne Erfahrungen, begreiflich machen, wie sehr es Gott in seiner Gewalt habe, auch schädliche Folgen böser Handlungen durch die unter seiner Regierung stehenden dazwischenkommenden Umstände abzuwenden; auch das, was auf unsrer Seite unrecht ist, zu Mitteln zu machen, die viel Gutes stiften, welches ohne jenes nicht würde erfolgt seyn; auch dadurch, daß er uns diese Wendung, die unsre Vergehungen nehmen, dereinst wird erkennen lassen, und durch unsere auf unsre wahre Besserung und an
|a661|gestrengtern Fleiß zum Guten erfolgte grössere Glückseligkeit und deren lebhafte Empfindung, – das schmerzhafte Andenken an unsre Vergehungen und deren Folgen zu schwächen, oder ganz auszulöschen, oder dadurch die Empfindung unsrer Seligkeit zu erhöhen, so daß wir begreifen, wie wir
dahin nicht würden gekommen seyn, wenn Gott nicht, indem er uns tief fallen ließ, unsern Fleiß und Eifer im Guten erhoben hätte.
555.
Endlich in dem
dritten Fall (§.
550 ), wenn jemand durch das Gefühl seiner Ohnmacht, der Macht böser Gewohnheiten, nicht merklicher Fortschritte im Guten, oder durch Wahrnehmung so oft gescheiterter und nicht ausgeführter guten Vorsätze, niedergeschlagen würde: müßte der Lehrer 1) allen Fleiß anwenden, um, mit der möglichsten Sanftmuth, Theilnehmung und Schonung seiner Schwachheit, ihm die Vorurtheile zu benehmen, die vorzüglich dergleichen Muthlosigkeit hervorbringen oder unterhalten unterhalten:
†) und – wenn er weiß oder merkt, daß diese zu tief eingewurzelt, und so mit den guten Kenntnissen und Gesinnungen desselben verschlungen sind, daß zu besorgen ist, diese möchten darunter leiden, wenn man jene angriffe, oder der Versuch, jene auszurotten, möchte ihn gegen den Lehrer einnehmen: – so mache er ihn aufmerksam darauf, wie oft die besten Gedanken und Grundsätze uns zu weit führen können, und wie nöthig er habe,
|a662| auf seiner Hut zu seyn, um nicht durch gänzliche Unthätigkeit sicher, durch unterlassenen Gebrauch auch geringer Kräfte, die ihm Gott giebt, und ermunternder Umstände, untreu und undankbar gegen ihn zu werden, oder Gott durch zu weit getriebene Forderungen und Erwartungen zu versuchen. Er suche ihn wenigstens dahin zu bringen, die Gelegenheit, immer mehr sich selbst und Gottes Willen erkennen zu lernen, jede Aufmunterung zum Guten, besonders zum Fleiß und zum Vertrauen auf Gott, und den Umgang mit redlichen, heitern und solchen Christen zu benutzen, die sich aus ihren Erfahrungen einen Schatz von wahrer Klugheit gesammlet haben, und die Fähigkeit besitzen, sich theils zu Anderer Bedürfnissen und Schwächen herabzulassen, theils vernünftige Rechenschaft von ihrem Rath und Belehrung zu geben. 2) Er suche ihm besonders durch sehr klare Grundsätze, vornemlich aus der Bibel, durch Beyspiele Andrer, die mit ihm in gleichen Umständen waren, und durch die nemliche Erfahrungen, die er selbst müsse gehabt haben, einleuchtend zu machen: wie herablassend und billig Gott sey, der mehr nicht fordert als der Mensch vermag, nicht ärndten will wo er nicht gesäet, oder den Saamen dazu gegeben hat; wie Gott so oft durch Umwege und anhaltende Prüfungen den Menschen zum Ziel führe, und recht reif zum Guten mache; wie die wahre Besserung nie anders als allmählig, nach vielem Fallen und Wiederaufstehen erfolge, und in dem Grade fortrücke, gründlicher und merkbarer wer
|a663|de, in welchem der Mensch auch mit wenigen Kräften treu umgeht; und wie durch jedes auch geringe Fortrücken in der Besserung, was uns schwer oder unmöglich schien, immer leichter werde. 3) Er stelle das, was der Mensch an seinem Theile thun muß, immer mehr auf der angenehmen Seite und nach den grossen Vortheilen vor, die jeden redlichen Fleiß gewiß belohnen, je nachdem er weiß, daß die Vorstellung dieses oder jenen Vortheils bey dem Bekümmerten den meisten Eindruck mache. 4) Er begnüge sich endlich nicht mit blossen Vermahnungen und Aufmunterungen, sondern zeige dem Unentschloßnen und Muthlosen, wie er seine Pflichten ausüben, oder sich deren Ausübung erleichtern könne.Endlich in dem
dritten Fall (§.
550 ), wenn jemand durch das Gefühl seiner Ohnmacht, der Macht böser Gewohnheiten, nicht merklicher Fortschritte im Guten, oder durch Wahrnehmung so oft gescheiterter und nicht ausgeführter guten Vorsätze, niedergeschlagen würde: müßte der Lehrer 1) allen Fleiß anwenden, um, mit der möglichsten Sanftmuth, Theilnehmung und Schonung seiner Schwachheit, ihm die Vorurtheile zu benehmen, die vorzüglich dergleichen Muthlosigkeit hervorbringen oder unterhalten unterhalten:
†) und – wenn er weiß oder merkt, daß diese zu tief eingewurzelt, und so mit den guten Kenntnissen und Gesinnungen desselben verschlungen sind, daß zu besorgen ist, diese möchten darunter leiden, wenn man jene angriffe, oder der Versuch, jene auszurotten, möchte ihn gegen den Lehrer einnehmen: – so mache er ihn aufmerksam darauf, wie oft die besten Gedanken und Grundsätze uns zu weit führen können, und wie nöthig er habe,
|a662| auf seiner Hut zu seyn, um nicht durch gänzliche Unthätigkeit sicher, durch unterlassenen Gebrauch auch geringer Kräfte, die ihm Gott giebt, und ermunternder Umstände, untreu und undankbar gegen ihn zu werden, oder Gott durch zu weit getriebene Forderungen und Erwartungen zu versuchen. Er suche ihn wenigstens dahin zu bringen, die Gelegenheit, immer mehr sich selbst und Gottes Willen erkennen zu lernen, jede Aufmunterung zum Guten, besonders zum Fleiß und zum Vertrauen auf Gott, und den Umgang mit redlichen, heitern und solchen Christen zu benutzen, die sich aus ihren Erfahrungen einen Schatz von wahrer Klugheit gesammlet haben, und die Fähigkeit besitzen, sich theils zu Anderer Bedürfnissen und Schwächen herabzulassen, theils vernünftige Rechenschaft von ihrem Rath und Belehrung zu geben. 2) Er suche ihm besonders durch sehr klare Grundsätze, vornemlich aus der Bibel, durch Beyspiele Andrer, die mit ihm in gleichen Umständen waren, und durch die nemliche Erfahrungen, die er selbst müsse gehabt haben, einleuchtend zu machen: wie herablassend und billig Gott sey, der mehr nicht fordert als der Mensch vermag, nicht ärndten will wo er nicht gesäet, oder den Saamen dazu gegeben hat; wie Gott so oft durch Umwege und anhaltende Prüfungen den Menschen zum Ziel führe, und recht reif zum Guten mache; wie die wahre Besserung nie anders als allmählig, nach vielem Fallen und Wiederaufstehen erfolge, und in dem Grade fortrücke, gründlicher und merkbarer wer
|a663|de, in welchem der Mensch auch mit wenigen Kräften treu umgeht; und wie durch jedes auch geringe Fortrücken in der Besserung, was uns schwer oder unmöglich schien, immer leichter werde. 3) Er stelle das, was der Mensch an seinem Theile thun muß, immer mehr auf der angenehmen Seite und nach den grossen Vortheilen vor, die jeden redlichen Fleiß gewiß belohnen, je nachdem er weiß, daß die Vorstellung dieses oder jenen Vortheils bey dem Bekümmerten den meisten Eindruck mache. 4) Er begnüge sich endlich nicht mit blossen Vermahnungen und Aufmunterungen, sondern zeige dem Unentschloßnen und Muthlosen, wie er seine Pflichten ausüben, oder sich deren Ausübung erleichtern könne.
†) Dergleichen sind: daß Gott die Seligkeit oder Verdammniß der Menschen und die Mittheilung wirksamer Kräfte, nach blossem Willkühr bestimme; daß die Besserung des Menschen allein von Gott abhänge, und man durch eigne Thätigkeit sein Werk störe und hindre; daß die Tugenden und guten Handlungen der Menschen (nicht etwa nur immer unvollkommen seyn, sondern) gar keinen Werth vor Gott haben; daß der gute und schlechte Zustand des Menschen nach sinnlichen, freudigen oder traurigen Gefühlen müsse entschieden werden; daß alle Theilnehmung an sinnlichen Vergnügungen, die sehr leichten Mißbrauch unterworfen sind, sündlich sey; nebst so manchen Mißverständnissen vom allein seligmachenden Glauben. Sehr oft, vornemlich bey dem Unterricht der Kinder, kan der Lehrer schon viele dieser falschen Vorstellungen verhüten, zumal wenn er vorsichtig genug bey dem Vortrage der Lehre |a664| vom natürlichen Verderben des Menschen ist; und hiebey, so wie bey Wegräumung solcher schädlichen Vorurtheile überhaupt, wird ihm eine gehörig bestimmte Kenntniß der Religion, ein vorsichtiger Gebrauch gemachter Erfahrungen, behutsame Entfernung mystischer und ähnlichen Schriften aus den Händen seiner Zuhörer, und Empfehlung solcher Schriften, die nicht sowohl jene Vorurtheile bestreiten, als vielmehr gleich reinere Begriffe vom praktischen Christenthum geben, sehr zu Statten kommen.
556.
Alle auf die bisher beschriebene Art gemachten guten Eindrücke würden doch dem grossen Zweck des erbaulichen Vortrags nicht völlig entsprechen, wenn sie nicht
dauerhaft würden, und in feste
Grundsätze und
Gesinnungen übergingen. Dieses zu bewirken, möchten folgende Mittel am dienlichsten seyn.
Zuerst, daß aller Vortrag so eingerichtet werde, damit ihn die Zuhörer leicht übersehen, und sich dessen wieder erinnern können. Hiezu würde 1) schon vieles thun, wenn der Vortrag nicht zu lang, nicht verwirrt wäre, nicht zu viele Abtheilungen, und nicht zu vielerley Sachen enthielte, hingegen wohl zusammenhinge, so daß ein Gedanke leicht und natürlich auf den andern führte, auch die Hauptsachen
umständlich aus einandergesetzt, und auf
mannichfaltige Art erläutert und eindringlich gemacht würden
†) . 2) wenn der Prediger die Kunst verstünde, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch eine gewisse wirklich nutzbare Neuig
|a665|keit der Sachen und des Vortrags zu fesseln; weil eben das Neue besonders die Aufmerksamkeit reitzt, und man es gern wiederholt, es sich einzudrücken, geläufig zu machen und anzuwenden sucht. ††) 3) wenn er sich vornemlich an einige kurze Kernsprüche hielte, die den Zuhörern bekannt oder leicht zu behalten wären, und sie, nicht bloß durch öftere Wiederholung, sondern vornemlich durch die möglichste Verdeutlichung, und Zurückführung oder Anwendung auf besondere Fälle, anschaulich und interessant zu machen suchte; und 4) auch darin dem Beyspiel des grössesten Musters, Jesu, nachahmte, daß er alles, was er den Zuhörern nützlich oder nöthig findet, mehr gelegentlich, d. i. bey einzlen vorkommenden Fällen, wo die Umstände des z. B. kranken, niedergeschlagenen etc. Zuhörers es
veranlassen, und was oder wie es den Zeitumständen und Bedürfnissen des Zuhörers am gemässesten ist, vortrüge.Alle auf die bisher beschriebene Art gemachten guten Eindrücke würden doch dem grossen Zweck des erbaulichen Vortrags nicht völlig entsprechen, wenn sie nicht
dauerhaft würden, und in feste
Grundsätze und
Gesinnungen übergingen. Dieses zu bewirken, möchten folgende Mittel am dienlichsten seyn.
Zuerst, daß aller Vortrag so eingerichtet werde, damit ihn die Zuhörer leicht übersehen, und sich dessen wieder erinnern können. Hiezu würde 1) schon vieles thun, wenn der Vortrag nicht zu lang, nicht verwirrt wäre, nicht zu viele Abtheilungen, und nicht zu vielerley Sachen enthielte, hingegen wohl zusammenhinge, so daß ein Gedanke leicht und natürlich auf den andern führte, auch die Hauptsachen
umständlich aus einandergesetzt, und auf
mannichfaltige Art erläutert und eindringlich gemacht würden
†) . 2) wenn der Prediger die Kunst verstünde, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch eine gewisse wirklich nutzbare Neuig
|a665|keit der Sachen und des Vortrags zu fesseln; weil eben das Neue besonders die Aufmerksamkeit reitzt, und man es gern wiederholt, es sich einzudrücken, geläufig zu machen und anzuwenden sucht. ††) 3) wenn er sich vornemlich an einige kurze Kernsprüche hielte, die den Zuhörern bekannt oder leicht zu behalten wären, und sie, nicht bloß durch öftere Wiederholung, sondern vornemlich durch die möglichste Verdeutlichung, und Zurückführung oder Anwendung auf besondere Fälle, anschaulich und interessant zu machen suchte; und 4) auch darin dem Beyspiel des grössesten Musters, Jesu, nachahmte, daß er alles, was er den Zuhörern nützlich oder nöthig findet, mehr gelegentlich, d. i. bey einzlen vorkommenden Fällen, wo die Umstände des z. B. kranken, niedergeschlagenen etc. Zuhörers es
veranlassen, und was oder wie es den Zeitumständen und Bedürfnissen des Zuhörers am gemässesten ist, vortrüge.
†) Anm. 1. Je mehr sich der Lehrer gewöhnt, alles, was er sagen will, vorher wohl durchzudenken, und je mehr er Achtung gegen die Sachen, wie gegen seine Zuhörer und deren Bestes hat: je mehr wird er diese erste Regel beobachten. – Hätten die vor Haltung des Vortrags gedruckten Predigtentwürfe nicht manche andre Unbequemlichkeiten, und wären sie gut – mit Rücksicht auf das in dem §. selbst erwehnte, – eingerichtet: so könnten sie die vorläufige Aufmerksamkeit auf die Predigten und die Wiederholung des Gepredigten sehr befördern. Selbst die Gewohnheit, bey dem Unterricht in der Religion, ein besonderes gut zusammenhängen|a666|des und mit bestimmter Kürze geschriebnes Buch, und bey Predigten einen Text, zum Grunde zu legen, erleichtert das Behalten desjenigen, was gesagt ist.
Anm. 2. Die sogenannte synthetische Methode bey dem Vortrag der Religion hat freylich auch ihre Vortheile. Vollständiger und zum Theil bestimmter lassen sich dabey die Sachen ausführen, und, hätte man lauter oder meistens solche Zuhörer, die hauptsächlich weiter aufgeklärt zu werden wünschten, und gewohnt wären, immer im Zusammenhange zu denken: so wäre sie denn die schicklichste, wenigstens die zwangloseste . Aber die analytische, die einen biblischen Text zum Grunde legt, und sich überall an diesen hält, – befördert doch das bessere Behalten, und giebt dem Zuhörer ein gutes Mittel, durch dessen Hülfe er sich an das Gesagte besser wieder erinnern kan; – sie gewöhnt ihn mehr an die Bibel, deren kurze, edel und anschaulich ausgedruckte Kernsprüche mehr wirken als allgemeine Sätze, und Ausführung derselben, die im Allgemeinen stehen bleibt; (man weiß ja, was Sprüchwörter, Verse, Fabeln, Geschichten thun, wie leicht sie sich dem Gedächtniß und der Einbildungskraft wieder darstellen, wie sie sich an alle Vorfälle des Lebens anschlingen, wie leicht in Grundsätze und Gesinnungen übergehn); – und, was das Vornehmste ist, sie lehrt und gewöhnt ihn, seine Bibel nun selbst fleißig zu lesen, sie besser zu verstehen, und, wie er es nach und nach seinen Lehrer abgelernt hat, sie in beständiger Anwendung auf sich zu brauchen, wodurch er die Erbauung fortsetzen, und sich selbst erbauen lernt, ohne welche Uebung selbst der beste Vortrag wenig dauerhafte Eindrücke machen, und die Andacht des Zuhörers nur an Gelegenheiten binden, nie aus ihr etwas |a667| Ganzes machen wird. Je seltner die Bekanntschaft mit der Bibel, ihrem wahren Verstande und ihrem so weit greifenden höchst fruchtbaren Inhalte wird; je mehr die Gewohnheit abnimmt, über sie und ihren unerschöpflichen Reichthum wahrhaftig praktischer Ideen nachzudenken, und sie auf alle Angelegenheiten des Herzens anzuwenden; je mehr die Einbildung überhand nimmt, daß man alles am besten aus sich selbst herauswickeln könne, und der Wahn, daß es ein Zeichen eines grössern und gründlichern Kopfes sey, alles von vorne her und aus der Natur der Sache zu erkennen, und im Zusammenhange zu denken; je herrschender der Geschmack an blosser Aufklärung wird, und je mehr die Anwendung der bessern Kenntnisse auf wirkliche Besserung des Herzens vernachläßigt wird: je weniger ists zu verwundern, daß analytische Predigten immer seltner werden. Wiewohl die synthetischen auch leichter sind. Man braucht dazu (wie sie wenigstens gemeiniglich sind) nur wenige, allgemeine Sätze, bedarf wenig oder gar keiner exegetischen Kenntnisse, keines mühsamen Studiums der Erfahrung, keines feinern Studiums des, nach den individuellen Umständen, so äusserst verschiednen menschlichen Herzens, und der besondersten Bedürfnisse desselben, keiner vielfältigen Uebungen, den Vortrag diesen anzuschmiegen, und, je dürftiger man an Kenntnissen und unreifer zu einem wahren Religionslehrer ist, je besser kommen dem Geistesarmen die allgemeinen und unter gewisse Hauptpunkte geschichteten Belehrungen von Universitäten her, zu Statten. Aber ob es für den Zuhörer mehr frommt? –
Anm. 3. Es ist hier nicht die Rede von Befriedigung blosser Wißbegierde oder Neugier über ausserordentliche und unbegreifliche Sachen,
|a668| oder über Fragen, die eben jedesmal zu einer gewissen Zeit die Aufmerksamkeit des Publikums beschäftigen, und dessen Meinungen theilen, noch von parodoxen Behauptungen oder raschen und auffallenden Aeusserungen, die der Zuhörer wenigstens in
dem Zusammenhang nicht erwartet. Denn alles dies ist dem Zweck des Religionsvortrags, der Erbauung, so wenig, als eigentliche Gelehrsamkeit, gemäß; oder zerstreut die Zuhörer mehr, zieht
wenigstens ihre Aufmerksamkeit von wichtigern Hauptsachen ab; und schadet oft, weil es fremdartig und vielen anstößig ist, dem Vertrauen auf die Weisheit und Andacht des Lehrers. – Ich meine nicht einmal Predigten über die sichtbare Natur, über Aberglauben und andre besondre Ausschweifungen des gemeinen Lebens, über bürgerliche Pflichten und Gegenstände, oder irgend etwas Nützliches, das doch nicht eigentlich zur Religion gehört. Hängt es irgend mit der Religion zusammen: so verdient es sowohl als Religion selbst, gepredigt, wenigstens zur Beförderung der wahren Religion und Erbauung benutzt zu werden, sofern es den Kenntnissen und Bedürfnissen der Zuhörer gemäß ist, oder gemacht werden kan, und sofern es mit Mäßigung und Würde geschieht, nicht den Vortrag der Religion selbst verdrängt, der doch die öffentlichen Vorträge eigentlich gewidmet sind, und nur so selten geschieht, daß der Geschmack der Zuhörer nicht verwöhnt, und von den eigentlichen Religionsvorträgen abgezogen wird. –
Neuigkeit verstehe ich hier wirklich im eigentlichen
erbaulichen Vortrage der
Religion. 1) Schon von den dahin gehörigen
Sachen selbst kan vieles neu seyn. Der gewöhnliche Religionsunterricht in Schulen und Lehrbüchern ist noch sehr eingeschränkt, ist eigentlich nur Grundlage des weitern Unterrichts, durch den ein Christ immer mehr auch
|a669| in der Erkenntniß wachsen soll. Von vielen wichtigen Sachen ( dem richtigen
praktischen Begrif des Glaubens, und was
wir thun können ihn hervorzubringen und zu nähren, von Genügsamkeit, von wahrer Ehrliebe, von Standhaftigkeit gegen herrschende unschuldig scheinende Gewohnheiten, und dem weisen Kampf dagegen, von der Pflicht, alles was man, auch in seinem Beruf, thut, gut zu machen, von vielen unerkannten Sünden und Wohlthaten Gottes, und tausend andern ) wird auf den Kanzeln und bey Katechisationen wenig oder gar nicht geredet. Auch bey bekannten und oft zu wiederholen nöthigen Lehren und Anstalten Gottes, liesse sich viel Lehrreiches über Gottes Absichten dabey sagen, viele unerkannte Pflichten und Tröstungen daraus herleiten u. d. gl. Und kan wenigstens der Lehrer nicht, gleich durch die Anwendung der Lehren und durch die Situationen, in die er die Zuhörer dagegen bringt, viel Neues sagen, das immer den Zuhörer unterhält, woran dieser schwerlich selbst gedacht hätte, und sich doch immer getroffen, immer das auf diese Art Gesagte, für sich brauchbar findet. Eben so kan 2) in den
Vortrag Neues gebracht, es können bekannte Sachen durch neue Beweise, durch neue Anwendung der biblischen Texte, durch neue Motive unterstützt, durch dazu gewählte Geschichten und Beyspiele aus der Bibel, durch besondre Fälle aus dem gemeinen Leben u. d. gl. anschauender und lehrreicher gemacht werden. (Wie wenig mag z. B. Marc. 9, 38 f. auf die Duldung und billige Beurtheilung derer, die anders, als wir, in der Religion denken, 1 Kor. 7, 23. auf die Pflicht des Kampfs gegen Mode und Beyspiele, Kap. 8, 1 f. auf den Mißbrauch der Aufklärung etc. angewendet worden seyn? und wie viel Lehrreiches liegt noch in der Geschichte der Apostel und in andern biblischen ? nicht nur
|a670| in den Sätzen, sondern auch in der ganzen Stellung und Verbindung derselben in der Bibel?) – Wer sich gewöhnt über alles, und besonders über den Inhalt der Bibel und des menschlichen Lebens, nachzudenken, und beydes täglich zu studieren, fleißig selbst an seiner eignen Erbauung zu arbeiten, die Religion überall anzuwenden, und allenfalls sich, nicht gemeine Bemerkungen, die irgend etwas Neues lehren, oder ein neues Licht worauf werfen, aufzuzeichnen, um sie gelegentlich bey seinen Zuhörern zu brauchen: dem wird, viel Neues zweckmäßig zu sagen, so schwer nicht seyn können.
557.
Sehr viel tragen zur Befestigung guter Eindrücke
auch 2) (§.
556 ) die dem Vortrag eingedrückten Spuren der eignen Ueberzeugung des Lehrers von der vorgetragenenen Wahrheit und ihrem Werthe , und seines Interesse für das Wohl der Zuhörer, bey. Theilnehmung wirket wieder Theilnehmung, und wenn wir merken, daß jemand angelegentlich zu unserm Besten arbeitet, so giebt unser eignes Interesse, und die Vorstellung von dem Lehrer, als unserm
Freunde, einen mächtigen Reitz, seine Gedanken weiter zu verfolgen, zumal, wenn uns die Sache ohnehin schon anzieht, und die durch den Vortrag durchscheinende Ueberzeugung des Lehrers unsre Meinung von der Wahrheit und Wichtigkeit des Gehörten bestätigt. Selbst die Wärme und noch vielmehr die ruhige Heiterkeit des Geistes, die den Verdacht des Gesuchten und Künstlichen ausschließt, fesselt die Aufmerksamkeit, und macht
|a671| uns geneigt, den ersten angenehmen Eindruck zu wiederholen, und darüber weiter nachzudenken. Wer es dahin bey dem Zuhörer bringen will, muß selbst von dem, was er sagt, und vornemlich von dessen Werth, lebendig überzeugt seyn, die Sache wohl und praktisch durchdacht haben, und in dem Augenblick, wo er sie vorträgt, ganz dabey, und von ihr eingenommen seyn. Dies und ein wohlwollendes Herz sind die Haupterfordernisse dabey; lebhafte Einbildungskraft und Reichthum der Sprache, den er in seine Gewalt hat, unterstützen es. Das Aeussere giebt sich alsdann von selbst. Etwas kan auch dazu beytragen, wenn man das Gemüth vorher in die gehörige Ruhe setzt, und durch Lesung körnigter Stellen aus der heiligen Schrift, oder ähnlicher Schriften, seinem Geiste Nahrung giebt.Sehr viel tragen zur Befestigung guter Eindrücke
auch 2) (§.
556 ) die dem Vortrag eingedrückten Spuren der eignen Ueberzeugung des Lehrers von der vorgetragenenen Wahrheit und ihrem Werthe , und seines Interesse für das Wohl der Zuhörer, bey. Theilnehmung wirket wieder Theilnehmung, und wenn wir merken, daß jemand angelegentlich zu unserm Besten arbeitet, so giebt unser eignes Interesse, und die Vorstellung von dem Lehrer, als unserm
Freunde, einen mächtigen Reitz, seine Gedanken weiter zu verfolgen, zumal, wenn uns die Sache ohnehin schon anzieht, und die durch den Vortrag durchscheinende Ueberzeugung des Lehrers unsre Meinung von der Wahrheit und Wichtigkeit des Gehörten bestätigt. Selbst die Wärme und noch vielmehr die ruhige Heiterkeit des Geistes, die den Verdacht des Gesuchten und Künstlichen ausschließt, fesselt die Aufmerksamkeit, und macht
|a671| uns geneigt, den ersten angenehmen Eindruck zu wiederholen, und darüber weiter nachzudenken. Wer es dahin bey dem Zuhörer bringen will, muß selbst von dem, was er sagt, und vornemlich von dessen Werth, lebendig überzeugt seyn, die Sache wohl und praktisch durchdacht haben, und in dem Augenblick, wo er sie vorträgt, ganz dabey, und von ihr eingenommen seyn. Dies und ein wohlwollendes Herz sind die Haupterfordernisse dabey; lebhafte Einbildungskraft und Reichthum der Sprache, den er in seine Gewalt hat, unterstützen es. Das Aeussere giebt sich alsdann von selbst. Etwas kan auch dazu beytragen, wenn man das Gemüth vorher in die gehörige Ruhe setzt, und durch Lesung körnigter Stellen aus der heiligen Schrift, oder ähnlicher Schriften, seinem Geiste Nahrung giebt.
Die hier beschriebne Eigenschaft des Vortrages ist ohngefehr das, was die Franzosen mit dem mystischen Namen der Salbung belegen. Die Kraft, welche dauerhafte Eindrücke hervorbringen soll, liegt in der vorgetragenen Sache selbst, und muß von dem Lehrer hervorgezogen oder entwickelt werden. Ist jenes , und geschieht dieses, nicht; wirkt der Vortrag bloß auf die Sinne, oder Einbildungskraft der Zuhörer: so mag er betäuben und hinreissen, dauerhafte Eindrücke wird er nie machen.
558.
Auch der lebhafteste Eindruck verliert in die Länge seine Kraft, und wird durch andre neue und lebhaftere Vorstellungen geschwächt oder ver
|a672|drängt. Man kan ihn nur dadurch befestigen, daß man ihn gleich, wenn das Gemüth noch ganz davon eingenommen ist, in Ausübung bringt, daß man, wenn dies nicht gleich geschehen kann, ihn mit seinen Gedanken verfolgt, ihn sich dadurch geläufig macht, und ihn in Empfindung verwandelt; daß man ihn endlich öfters, durch alles, was die Andacht unterhält, wieder auffrischt. Alles dieses zu befördern, wäre also das 3te (§.
556. 557 ), was der Lehrer zur Erhaltung des guten Eindrucks thun müßte. Er bewege den Zuhörer, gute Vorsätze (z. B. sich mit seinen Feinden auszusöhnen, Almosen zu geben, seine Angelegenheiten Gott zu empfehlen), ohne Aufschub zu vollziehen. Er suche durch das Gebet, durch wohlgewählten Gesang, durch den Genuß des heiligen Abendmahls u. d. gl. die guten Eindrücke bey den Zuhörern zu befestigen. Er empfehle ihnen durch sein Beyspiel religiöse Uebungen, Lesung der heiligen und anderer, ihren Fähigkeiten angemeßnen, Schriften, Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes, frommen Umgang, Nachdenken über alles Gehörte oder Gelesene, in beständiger Beziehung auf sie und die Bedürfnisse ihres Geistes und Herzens; erbiete sich gegen sie zu weiterer Belehrung, und nehme Gelegenheit, bey schicklichen Veranlassungen sich mit ihnen über das, was ihre besondre geistliche Wohlfahrt betrift, näher zu unterhalten.Auch der lebhafteste Eindruck verliert in die Länge seine Kraft, und wird durch andre neue und lebhaftere Vorstellungen geschwächt oder ver
|a672|drängt. Man kan ihn nur dadurch befestigen, daß man ihn gleich, wenn das Gemüth noch ganz davon eingenommen ist, in Ausübung bringt, daß man, wenn dies nicht gleich geschehen kann, ihn mit seinen Gedanken verfolgt, ihn sich dadurch geläufig macht, und ihn in Empfindung verwandelt; daß man ihn endlich öfters, durch alles, was die Andacht unterhält, wieder auffrischt. Alles dieses zu befördern, wäre also das 3te (§.
556. 557 ), was der Lehrer zur Erhaltung des guten Eindrucks thun müßte. Er bewege den Zuhörer, gute Vorsätze (z. B. sich mit seinen Feinden auszusöhnen, Almosen zu geben, seine Angelegenheiten Gott zu empfehlen), ohne Aufschub zu vollziehen. Er suche durch das Gebet, durch wohlgewählten Gesang, durch den Genuß des heiligen Abendmahls u. d. gl. die guten Eindrücke bey den Zuhörern zu befestigen. Er empfehle ihnen durch sein Beyspiel religiöse Uebungen, Lesung der heiligen und anderer, ihren Fähigkeiten angemeßnen, Schriften, Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes, frommen Umgang, Nachdenken über alles Gehörte oder Gelesene, in beständiger Beziehung auf sie und die Bedürfnisse ihres Geistes und Herzens; erbiete sich gegen sie zu weiterer Belehrung, und nehme Gelegenheit, bey schicklichen Veranlassungen sich mit ihnen über das, was ihre besondre geistliche Wohlfahrt betrift, näher zu unterhalten.
|a673| 559.
Wer die Pflichten eines guten christlichen Volkslehrers, nach dem bisher Gesagten, erfüllen wollte, müßte – ein Mann von gesundem Verstande; – von gutem Geschmacke oder richtigem Gefühl des Schicklichen und Unschicklichen, – selbst klarer Begriffe fähig, und gewohnt seyn, klar und ordentlich zu denken; – eine ausgebreitete, richtige, bestimmte, anschauende und praktische Erkenntniß der Religion; – vornemlich Interesse für Wahrheit, besonders in der Religion, und für alles Gute; – die Gabe sich gut auszudrücken, und daher auch hinlänglichen Reichthum der Sprache, besitzen; – selbst von Herzen fromm seyn, und die eigentliche Absicht haben, auch andre Menschen dahin zu bringen; – endlich, so viel als möglich, die Fähigkeiten und Bedürfnisse seiner Zuhörer kennen, – und nach diesen seinen Vortrag einzurichten verstehen. Alsdenn könnte er allenfalls eines besondern Unterrichts der Homiletik und Katechetik, so wie guter Beyspiele im Vortrage, entbehren, und eigne Uebung würde diesen Abgang ersetzen können, ohne die und ohne jene Eigenschaften, Anweisung und Beyspiele ihn nicht zum guten Lehrer des Volks machen können. Aber, – wenn auch jene Eigenschaften nicht so selten, und nicht noch seltner beysammen, wären: – so bedürfen sie doch einer mehrern Ausbildung durch den Unterricht, Rath und Beyspiel Anderer, die mehr Geschicklichkeit, Kenntniß und Erfahrung haben; – und ein besondrer |a674| Unterricht über die Einrichtung des guten Vortrags kan, wie bey allen Wissenschaften, das Studium desjenigen, was dazu erfordert wird, sehr erleichtern. – Selbst, wenn ein junger Mann sich bloß nach guten Beyspielen bilden wollte, müßte er, – um nicht in seiner Wahl zu irren, gute Eigenschaften der Predigten, oder ihre Fehler zu übersehen, jene zu vernachläßigen und diese anzunehmen, doch erst auf beyde überhaupt aufmerksam gemacht worden seyn. – Vornemlich giebt es so viele Vorurtheile darüber, die auf Unwissenheit, verdorbenem Geschmack, und der so allgewaltig wirkenden Mode beruhen, daß es schon deswegen nöthig ist, frühzeitig sich um gesunde und feste Grundsätze von der wahren Vollkommenheit des Religionsvortrages zu bewerben.Wer die Pflichten eines guten christlichen Volkslehrers, nach dem bisher Gesagten, erfüllen wollte, müßte – ein Mann von gesundem Verstande; – von gutem Geschmacke oder richtigem Gefühl des Schicklichen und Unschicklichen, – selbst klarer Begriffe fähig, und gewohnt seyn, klar und ordentlich zu denken; – eine ausgebreitete, richtige, bestimmte, anschauende und praktische Erkenntniß der Religion; – vornemlich Interesse für Wahrheit, besonders in der Religion, und für alles Gute; – die Gabe sich gut auszudrücken, und daher auch hinlänglichen Reichthum der Sprache, besitzen; – selbst von Herzen fromm seyn, und die eigentliche Absicht haben, auch andre Menschen dahin zu bringen; – endlich, so viel als möglich, die Fähigkeiten und Bedürfnisse seiner Zuhörer kennen, – und nach diesen seinen Vortrag einzurichten verstehen. Alsdenn könnte er allenfalls eines besondern Unterrichts der Homiletik und Katechetik, so wie guter Beyspiele im Vortrage, entbehren, und eigne Uebung würde diesen Abgang ersetzen können, ohne die und ohne jene Eigenschaften, Anweisung und Beyspiele ihn nicht zum guten Lehrer des Volks machen können. Aber, – wenn auch jene Eigenschaften nicht so selten, und nicht noch seltner beysammen, wären: – so bedürfen sie doch einer mehrern Ausbildung durch den Unterricht, Rath und Beyspiel Anderer, die mehr Geschicklichkeit, Kenntniß und Erfahrung haben; – und ein besondrer |a674| Unterricht über die Einrichtung des guten Vortrags kan, wie bey allen Wissenschaften, das Studium desjenigen, was dazu erfordert wird, sehr erleichtern. – Selbst, wenn ein junger Mann sich bloß nach guten Beyspielen bilden wollte, müßte er, – um nicht in seiner Wahl zu irren, gute Eigenschaften der Predigten, oder ihre Fehler zu übersehen, jene zu vernachläßigen und diese anzunehmen, doch erst auf beyde überhaupt aufmerksam gemacht worden seyn. – Vornemlich giebt es so viele Vorurtheile darüber, die auf Unwissenheit, verdorbenem Geschmack, und der so allgewaltig wirkenden Mode beruhen, daß es schon deswegen nöthig ist, frühzeitig sich um gesunde und feste Grundsätze von der wahren Vollkommenheit des Religionsvortrages zu bewerben.
Gut eingerichtete Vorlesungen über die Homiletik von einem Lehrer, der ein eben so guter Theoretiker als Praktiker wäre, nicht bloß zur Wohlredenheit, sondern zu wahrer nützlicher Beredtsamkeit, oder vielmehr zu rechter Einrichtung des erbaulichen, zusammenhängenden oder Gesprächsvortrags der Religion, Anweisung gäbe, nicht sowohl Kunst als Befolgung der Natur, auch in diesem Stücke, lehrte, und gute Grundsätze durch wohlgewählte Beyspiele deutlich und anschaulich machte, auch, wenn es seyn kan, die nöthigen Uebungen der Zuhörer unter seiner Aufsicht, damit verbände – nebst dem Umgang mit erfahrnen und in dieser Art bewährten Predigern – würden hier am diensamsten seyn. Gute Anweisungen dazu findet man vorzüglich in den Grundsätzen zur Bildung künftiger Volkslehrer, Prediger, Katecheten und Pädagogen, von Georg Frie|a675|drich Seiler, (2te Auflage, Erlangen, 1786. gr. 8.) und in Aug. Herm. Niemeyers Entwurf der wesentlichen Pflichten christlicher Lehrer, (Halle, 1786. in gr. 8.) Unter den rhetorischen Vorlesungen, die wenigstens zur feinern Bildung des Predigers dienen, verdienen Hugo Blair's Vorlesungen über Rhetorik und schöne Wissenschaften, (aus dem Englischen übersetzt von K. G. Schreiter, Liegnitz, 1785 bis 1788 in 3 Theilen, gr. 8.) vornemlich studieret zu werden.
560.
Eben so grossen und vielleicht noch mehrern Nutzen, als Anweisungen zum erbaulichen Vortrag, haben gute Muster von Predigten und Katechisationen; weil es dem Anfänger schwerer fällt, gute Grundsätze und Regeln wohl anzuwenden, als sie zu verstehen, oder überzeugend einzusehen; weil es den meisten leichter wird, sich nach Beyspielen als nach Grundsätzen zu bilden; und weil gute Beyspiele mehr Lust zur Nachahmung machen, und den Fleiß in ähnlichen Versuchen ermuntern. Manches, z. B. die Kunst, den Vortrag concret zu machen, d. i. allgemeine Sätze auf besondere Umstände und Bedürfnisse der Zuhörer zurück zu führen, läßt sich auch nicht durch Regeln, wohl aber aus Beyspielen lernen. Man müßte nur bey dem Gebrauch derselben 1) in der Wahl vorsichtig seyn. – Es giebt Predigten, die eher gelehrte oder scharfsinnige Untersuchungen, eher Meisterstücke der Kunst, als Predigten sind, die also, |a676| wenn es uns um eigne Belehrung, Ueberzeugung und Erbauung überhaupt, oder um Fortschritte in den schönen Wissenschaften, zu thun wäre, für uns unterhaltender und nützlicher seyn mögen; die es aber deswegen nicht sind, sofern wir unsern Vortrag zu Anderer Erbauung darnach bilden wollen. Oft täuscht auch der berühmte Name; denn selbst die musterhaftesten Prediger sind es nur in gewisser Absicht, sie sind es auch nicht in allen ihren Arbeiten, und ihre früheren Versuche kommen selten ihren spätern und reifern Früchten bey. Und sehr oft verursacht die Mode und herrschende Gewohnheit, welche auf manche gute Eigenschaften einer Predigt einen zu grossen Werth legt, nebst der Neigung zu dem, was uns leichter wird, oder mehr nach unserm Geschmack und Fähigkeiten ist, daß man sich nur an Eine Art, (populärer z. B. die oft sehr arm an Sachen, richtigen und bestimmten Gedanken, und um so reicher an Worten sind), hält, und andre, aus welchen man mehr lernen könnte und sollte, vernachläßigt. Man müßte also, wenn es uns wirklich Ernst wäre, in aller Absicht, auch als Prediger, vollkommner zu werden, mehrere Arten von nachahmungswürdigen Predigten oder Katechisationen, nach den oben beschriebenen Eigenschaften, studieren, vornemlich die, welche nach unserm besondern Beruf, und der Art der Zuhörer, mit welchen wir zu thun haben, uns am nöthigsten sind, und die sich durch solche Eigenschaften auszeichnen, an welchen es uns noch mehr als an andern fehlt.Eben so grossen und vielleicht noch mehrern Nutzen, als Anweisungen zum erbaulichen Vortrag, haben gute Muster von Predigten und Katechisationen; weil es dem Anfänger schwerer fällt, gute Grundsätze und Regeln wohl anzuwenden, als sie zu verstehen, oder überzeugend einzusehen; weil es den meisten leichter wird, sich nach Beyspielen als nach Grundsätzen zu bilden; und weil gute Beyspiele mehr Lust zur Nachahmung machen, und den Fleiß in ähnlichen Versuchen ermuntern. Manches, z. B. die Kunst, den Vortrag concret zu machen, d. i. allgemeine Sätze auf besondere Umstände und Bedürfnisse der Zuhörer zurück zu führen, läßt sich auch nicht durch Regeln, wohl aber aus Beyspielen lernen. Man müßte nur bey dem Gebrauch derselben 1) in der Wahl vorsichtig seyn. – Es giebt Predigten, die eher gelehrte oder scharfsinnige Untersuchungen, eher Meisterstücke der Kunst, als Predigten sind, die also, |a676| wenn es uns um eigne Belehrung, Ueberzeugung und Erbauung überhaupt, oder um Fortschritte in den schönen Wissenschaften, zu thun wäre, für uns unterhaltender und nützlicher seyn mögen; die es aber deswegen nicht sind, sofern wir unsern Vortrag zu Anderer Erbauung darnach bilden wollen. Oft täuscht auch der berühmte Name; denn selbst die musterhaftesten Prediger sind es nur in gewisser Absicht, sie sind es auch nicht in allen ihren Arbeiten, und ihre früheren Versuche kommen selten ihren spätern und reifern Früchten bey. Und sehr oft verursacht die Mode und herrschende Gewohnheit, welche auf manche gute Eigenschaften einer Predigt einen zu grossen Werth legt, nebst der Neigung zu dem, was uns leichter wird, oder mehr nach unserm Geschmack und Fähigkeiten ist, daß man sich nur an Eine Art, (populärer z. B. die oft sehr arm an Sachen, richtigen und bestimmten Gedanken, und um so reicher an Worten sind), hält, und andre, aus welchen man mehr lernen könnte und sollte, vernachläßigt. Man müßte also, wenn es uns wirklich Ernst wäre, in aller Absicht, auch als Prediger, vollkommner zu werden, mehrere Arten von nachahmungswürdigen Predigten oder Katechisationen, nach den oben beschriebenen Eigenschaften, studieren, vornemlich die, welche nach unserm besondern Beruf, und der Art der Zuhörer, mit welchen wir zu thun haben, uns am nöthigsten sind, und die sich durch solche Eigenschaften auszeichnen, an welchen es uns noch mehr als an andern fehlt.
|a677| 561.
Aber man müßte sie 2) nicht eigentlich nachahmen, d. i. seine Art zu denken, zu empfinden, und sich auszudrücken, nicht nach Andern stimmen, nicht Natur mit Kunst vertauschen wollen. Denn – ausserdem, daß eine solche Begierde nachzuahmen, gemeiniglich auf das Eigenthümliche eines Predigers fällt, welches sich ohne unnatürlichen Zwang nicht nachahmen läßt, und vieles, was selbst fehlerhaft ist, den kleidet, dem es natürlich ist, bey Andern aber lächerlich wird, wenn man ihnen die Mühe ansieht, die sie sich geben, unnatürlich zu handeln: – so hemmt es die Freyheit des Geistes, und verhindert das Gute zu stiften, das jeder nach seiner Art gerade am meisten stiften könnte. Der Vortrag verliert das natürlich Schöne, und, wenn ich so reden darf, das Herzliche, welches eben daraus entsteht, daß, was man sagt, aus eigner Ueberzeugung und Empfindung, aus wahrer Theilnehmung an der Sache, wie sie sich uns darstellt, fließt, daß es natürlicher Ausbruch des von ihr ganz eingenommnen, durch keine fremden Rücksichten zerstreuten, Verstandes und Herzens ist, und, weil es vom Herzen kommt, auch wieder zu Herzen geht. – Vielmehr müßte man 3) erst, nach eigner Empfindung des Nützlichen und nach bewährten Grundsätzen einer vernünftigen Homiletik, wohl untersuchen, was an gewissen Mustern wirklich nachahmungswürdig sey? und, wenn |a678| man bemerkte, daß man es selbst noch nicht, oder nicht genug, in seiner Gewalt hätte, 4) alsdann, ob man danach trachten könnte? d. i. die Fähigkeit hätte, zwar durch Fleiß und Uebung, aber nicht mit Zwang, eben dieses zu erreichen; welches zu entdecken nicht gar schwer werden kann, wenn man nur aufrichtig sein Gefühl und, um weniger zu irren, die Urtheile anderer Verständigern befragt. Hernach 5) ob man es auch dürfe? d. i. ob unser Beruf, nebst den Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen unsrer Zuhörer, diese Eigenschaften des Vortrags ertragen, oder gar fordern. Wäre man von allem diesen überzeugt: so müßte man 6) wahre Muster sorgfältig in ihre Theile zerlegen, um zu sehen, wie der Andere seine Hauptgedanken erklärt, ausgeführt, sie und ihre Erläuterungen geordnet und ausgedrückt, auch untersuchen, warum er es lieber so, als anders, dargestellt, und was er für Mittel dazu gebraucht hätte?Aber man müßte sie 2) nicht eigentlich nachahmen, d. i. seine Art zu denken, zu empfinden, und sich auszudrücken, nicht nach Andern stimmen, nicht Natur mit Kunst vertauschen wollen. Denn – ausserdem, daß eine solche Begierde nachzuahmen, gemeiniglich auf das Eigenthümliche eines Predigers fällt, welches sich ohne unnatürlichen Zwang nicht nachahmen läßt, und vieles, was selbst fehlerhaft ist, den kleidet, dem es natürlich ist, bey Andern aber lächerlich wird, wenn man ihnen die Mühe ansieht, die sie sich geben, unnatürlich zu handeln: – so hemmt es die Freyheit des Geistes, und verhindert das Gute zu stiften, das jeder nach seiner Art gerade am meisten stiften könnte. Der Vortrag verliert das natürlich Schöne, und, wenn ich so reden darf, das Herzliche, welches eben daraus entsteht, daß, was man sagt, aus eigner Ueberzeugung und Empfindung, aus wahrer Theilnehmung an der Sache, wie sie sich uns darstellt, fließt, daß es natürlicher Ausbruch des von ihr ganz eingenommnen, durch keine fremden Rücksichten zerstreuten, Verstandes und Herzens ist, und, weil es vom Herzen kommt, auch wieder zu Herzen geht. – Vielmehr müßte man 3) erst, nach eigner Empfindung des Nützlichen und nach bewährten Grundsätzen einer vernünftigen Homiletik, wohl untersuchen, was an gewissen Mustern wirklich nachahmungswürdig sey? und, wenn |a678| man bemerkte, daß man es selbst noch nicht, oder nicht genug, in seiner Gewalt hätte, 4) alsdann, ob man danach trachten könnte? d. i. die Fähigkeit hätte, zwar durch Fleiß und Uebung, aber nicht mit Zwang, eben dieses zu erreichen; welches zu entdecken nicht gar schwer werden kann, wenn man nur aufrichtig sein Gefühl und, um weniger zu irren, die Urtheile anderer Verständigern befragt. Hernach 5) ob man es auch dürfe? d. i. ob unser Beruf, nebst den Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen unsrer Zuhörer, diese Eigenschaften des Vortrags ertragen, oder gar fordern. Wäre man von allem diesen überzeugt: so müßte man 6) wahre Muster sorgfältig in ihre Theile zerlegen, um zu sehen, wie der Andere seine Hauptgedanken erklärt, ausgeführt, sie und ihre Erläuterungen geordnet und ausgedrückt, auch untersuchen, warum er es lieber so, als anders, dargestellt, und was er für Mittel dazu gebraucht hätte?
Anm. 1. Gute Regeln und Grundsätze der Homiletik, nebst frühzeitigen Uebungen, einen Autor recht zu studieren und auszulegen, kommen uns hier sehr zu Statten. Wird es uns im Anfange zu schwer, oder traut man seinem eignen Urtheil nicht: so nehme man, wo möglich, den Verfasser selbst, oder andre gültige Richter, zu Hülfe. Wenn man sein so durchstudiertes Muster auf eine geraume Zeit zurücklegt, um die Lebhaftigkeit der Eindrücke, die es bey uns gemacht hat, sich setzen zu lassen, alsdann den Versuch macht, eben dasselbe nach seiner Art auszuführen, und alsdann |a679| mit dem Muster zu vergleichen: so wird man bald sehen, ob man im Stande sey, das Gute demselben wirklich abzulernen, und sich eigen zu machen. Doch dies gehört mehr zu den eignen Uebungen.
Anm. 2. Vorzügliche hieher gehörige Predigten und Katechisationen sind in der Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie, §. 561 f. genannt, deren Verzeichniß sich aus der neuesten Zeit noch vermehren läßt. Als Katechisationen verdienen zum Theil die Unterhaltungen für Kinder und Kinderfreunde (von C. G. Salzmann,) Leipzig, 1778 folgg. in 8 Bändchen in 8; das Handbuch für Kinder und Kinderlehrer über den Katechismus Lutheri, von J. R. G. Beyer, Leipzig, 1784−1787. in 7 Bändchen in 8; Katechetisches Magazin, herausgegeben von G. H. Lang, Nördlingen, 1781−1784. in 3, und dessen Fortsetzungen, oder Neues katechetisches Magazin, Erlangen, 1785−1788. bisher in 3 Bänden in 8. vor andern studiert zu werden.
562.
Zu allem diesen muß noch eigne Uebung in beyderley Vortrag kommen, ohne welche man sich weder das Andern abgelernte Gute zu eigen machen, noch jemals eine Fertigkeit im guten Vortrage erhalten kan. Sie dient auch zur eignen Demüthigung und Gründung der so nöthigen Bescheidenheit, wenn man, bey angestellten eignen Versuchen, sieht, – das Ideal vorausgesetzt, das wir oben entworfen haben, – wie so schwer es sey, ein recht guter Prediger oder |a680| Katechet zu werden. Mangel dieser Tugend, – der immer voraussetzt, daß man entweder für die Wichtigkeit der Sache kein Gefühl habe, oder nicht wisse, wie viel zum guten Vortrag gehöre, oder sich selbst nicht kenne – macht blind gegen eigne Fehler, halsstarrig gegen Andrer Erinnerungen, und verhindert, wie den Wachsthum in der Vollkommenheit, so besonders die Biegsamkeit der Seele, die so nöthig ist, um sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Zuhörer zu richten. Auf der andern Seite hilft die Uebung wieder der Blödigkeit auf, und macht guten Muth, weil man seine Kräfte und ihren Wachsthum fühlen lernt.Zu allem diesen muß noch eigne Uebung in beyderley Vortrag kommen, ohne welche man sich weder das Andern abgelernte Gute zu eigen machen, noch jemals eine Fertigkeit im guten Vortrage erhalten kan. Sie dient auch zur eignen Demüthigung und Gründung der so nöthigen Bescheidenheit, wenn man, bey angestellten eignen Versuchen, sieht, – das Ideal vorausgesetzt, das wir oben entworfen haben, – wie so schwer es sey, ein recht guter Prediger oder |a680| Katechet zu werden. Mangel dieser Tugend, – der immer voraussetzt, daß man entweder für die Wichtigkeit der Sache kein Gefühl habe, oder nicht wisse, wie viel zum guten Vortrag gehöre, oder sich selbst nicht kenne – macht blind gegen eigne Fehler, halsstarrig gegen Andrer Erinnerungen, und verhindert, wie den Wachsthum in der Vollkommenheit, so besonders die Biegsamkeit der Seele, die so nöthig ist, um sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Zuhörer zu richten. Auf der andern Seite hilft die Uebung wieder der Blödigkeit auf, und macht guten Muth, weil man seine Kräfte und ihren Wachsthum fühlen lernt.
563.
Bey diesen eignen Uebungen kan man 1) nicht oft und dringend genug dem Prediger an den Zweck erinnern, wozu er predigen soll. Du redest – in Gottes Namen; sollst, als sein Werkzeug, seinen Willen und seine Gesinnung verkündigen; bist eigentlich dazu da, die wichtigste Angelegenheit der Menschen zu besorgen, sie durch Religion zu wahren, ihre Würde fühlenden, und ihr gemäß handelnden, wahrhaftig glücklichen Menschen zu machen, ihr Lehrer, ihr Rathgeber, ihr Erinnerer, ihr Tröster, bey allen Angelegenheiten zu seyn, die ihr Gewissen und ihre Gemüthsruhe betreffen. Aber du bist kein Orakel; und, wenn auch Gott unmittelbar durch dich redete, so kannst du ihnen doch weder Glauben, noch Gehorsam, noch Zufrie|a681|denheit abzwingen; sie dürfen nicht nur, sie müssen auch prüfen, ob Gott durch dich redet, und dann erst dir folgen. Du mußt also als Mensch mit vernünftigen Menschen reden, die anders nicht gewonnen werden können, als durch Vorstellungen, welche es ihnen, nach ihren Fähigkeiten, Begriffen und Bedürfnissen, klar machen, daß, was du sagest, wahr und gut, und ihnen nothwendig sey, und welchen der Zugang zu eben der Quelle, aus der du schöpfest, zur Vernunft, zur heiligen Schrift und zur Erfahrung, eben so wie dir, offen steht. – Wer diese Zwecke nicht stets vor Augen behält, und nicht alles Ernstes darauf arbeiten will, dessen Vortrag mag übrigens vortreflich seyn; erbaulicher Vortrag, gute Predigt, gute Katechisation, ist er nicht.Bey diesen eignen Uebungen kan man 1) nicht oft und dringend genug dem Prediger an den Zweck erinnern, wozu er predigen soll. Du redest – in Gottes Namen; sollst, als sein Werkzeug, seinen Willen und seine Gesinnung verkündigen; bist eigentlich dazu da, die wichtigste Angelegenheit der Menschen zu besorgen, sie durch Religion zu wahren, ihre Würde fühlenden, und ihr gemäß handelnden, wahrhaftig glücklichen Menschen zu machen, ihr Lehrer, ihr Rathgeber, ihr Erinnerer, ihr Tröster, bey allen Angelegenheiten zu seyn, die ihr Gewissen und ihre Gemüthsruhe betreffen. Aber du bist kein Orakel; und, wenn auch Gott unmittelbar durch dich redete, so kannst du ihnen doch weder Glauben, noch Gehorsam, noch Zufrie|a681|denheit abzwingen; sie dürfen nicht nur, sie müssen auch prüfen, ob Gott durch dich redet, und dann erst dir folgen. Du mußt also als Mensch mit vernünftigen Menschen reden, die anders nicht gewonnen werden können, als durch Vorstellungen, welche es ihnen, nach ihren Fähigkeiten, Begriffen und Bedürfnissen, klar machen, daß, was du sagest, wahr und gut, und ihnen nothwendig sey, und welchen der Zugang zu eben der Quelle, aus der du schöpfest, zur Vernunft, zur heiligen Schrift und zur Erfahrung, eben so wie dir, offen steht. – Wer diese Zwecke nicht stets vor Augen behält, und nicht alles Ernstes darauf arbeiten will, dessen Vortrag mag übrigens vortreflich seyn; erbaulicher Vortrag, gute Predigt, gute Katechisation, ist er nicht.
564.
Schon dies kan uns 2) für einer Menge höchst verderblicher Fehler bewahren, die sich hier nicht alle nennen lassen. – Wer immer bedächte, daß er in Gottes Namen die Menschen zur Seligkeit weisen sollte, wie könnte der sichs erlauben, fremdartige Dinge, die nicht Religion zum Gegenstande haben, oder sich nicht durch Religionsgründe unterstützen lassen, in den gottesdienstlichen Vortrag zu bringen?
†) wie
der predigen, um sich bloß hören zu lassen, und seiner Eitelkeit ein Opfer zu bringen? sich bloß im Predigen, oder gar in Declamation, zu
üben ††) ? glänzen, oder sich überhaupt empfehlen wollen? oder auf der andern Seite, sei
|a682|ner Würde vergessen, und sich unanständige Aeusserungen, niedrige oder pöbelhafte Ausdrücke, Action eines Comödianten, oder ähnliche Ausschweifungen, zu gute halten, oder gar affectiren? wie
der, die Zuhörer nur angenehm unterhalten, oder den gelehrten und tiefdenkenden Untersucher spielen, oder den Abgang kräftiger Gedanken, heilsamer Vermahnungen und guter Gesinnungen, durch schöne Redensarten und Bilder ersetzen wollen? – Wie wird
der, wer da weiß, wie Menschen müssen vernünftig behandelt und gewissenhaft geleitet werden, wie wird
der jeden Vortrag gut genug für seine Zuhörer halten? anstatt die
Bedürfnisse derselben zu studieren und zu befriedigen, das predigen, was
ihm das Leichteste wird, oder
ihm das Wichtigste scheint, oder zur Unzeit und ohne Schonung aufklären wollen? oder, statt der Gründe dreuste Versicherungen, Betheurungen oder Wehklagen brauchen? oder auf die Sinne und Einbildungskraft arbeiten, und den Verstand der Zuhörer unbeschäftigt, ihr Herz leer und kalt lassen? mehr die Kunst, als seine praktischen Einsichten und sein Herz um Rath fragen?Schon dies kan uns 2) für einer Menge höchst verderblicher Fehler bewahren, die sich hier nicht alle nennen lassen. – Wer immer bedächte, daß er in Gottes Namen die Menschen zur Seligkeit weisen sollte, wie könnte der sichs erlauben, fremdartige Dinge, die nicht Religion zum Gegenstande haben, oder sich nicht durch Religionsgründe unterstützen lassen, in den gottesdienstlichen Vortrag zu bringen?
†) wie
der predigen, um sich bloß hören zu lassen, und seiner Eitelkeit ein Opfer zu bringen? sich bloß im Predigen, oder gar in Declamation, zu
üben ††) ? glänzen, oder sich überhaupt empfehlen wollen? oder auf der andern Seite, sei
|a682|ner Würde vergessen, und sich unanständige Aeusserungen, niedrige oder pöbelhafte Ausdrücke, Action eines Comödianten, oder ähnliche Ausschweifungen, zu gute halten, oder gar affectiren? wie
der, die Zuhörer nur angenehm unterhalten, oder den gelehrten und tiefdenkenden Untersucher spielen, oder den Abgang kräftiger Gedanken, heilsamer Vermahnungen und guter Gesinnungen, durch schöne Redensarten und Bilder ersetzen wollen? – Wie wird
der, wer da weiß, wie Menschen müssen vernünftig behandelt und gewissenhaft geleitet werden, wie wird
der jeden Vortrag gut genug für seine Zuhörer halten? anstatt die
Bedürfnisse derselben zu studieren und zu befriedigen, das predigen, was
ihm das Leichteste wird, oder
ihm das Wichtigste scheint, oder zur Unzeit und ohne Schonung aufklären wollen? oder, statt der Gründe dreuste Versicherungen, Betheurungen oder Wehklagen brauchen? oder auf die Sinne und Einbildungskraft arbeiten, und den Verstand der Zuhörer unbeschäftigt, ihr Herz leer und kalt lassen? mehr die Kunst, als seine praktischen Einsichten und sein Herz um Rath fragen?
Anm. 1. †) Was diese Gewohnheit, die seit einiger Zeit Mode zu werden anfängt, für erhebliche Bedenklichkeiten gegen sich habe, würde hier aus einander zu setzen, zu weitläufig fallen. Die Frage kan nicht seyn: ob nicht die Religion müsse auch auf das gemeine Leben und auf die besondern Umstände der Zuhörer angewendet, die Zuhörer also, auch durch Predigten, gewöhnt werden , sie überall anzuwen|a683|den? (Dies sollte ja ein Hauptzweck aller Predigten und Katechisationen seyn). Es leidet auch keinen vernünftigen Zweifel: ob nicht die sichtbare Schöpfung und deren weise Einrichtungen, falls sie den Zuhörern können deutlich gemacht und mit Anständigkeit gebraucht werden , und ob nicht die besondern Erfahrungen und irdische Beschäftigungen der Zuhörer mit zu Hülfe dürfen genommen werden , um Lehren der Religion faßlich, einleuchtend und anschaulich zu machen? Sondern die Frage ist: ob Sachen, die entweder nicht zur Religion oder zur Erweckung und Unterhaltung rechtschaffner Gesinnungen gehören, oder wenigstens nicht durch Gründe aus der Religion dargethan und empfohlen werden können, ob z. B. Verbesserungen im bürgerlichen und häuslichen Leben, zum Zweck der Predigten oder Katechisationen gemacht werden dürfen? Versteht sich der Prediger darauf, und findet er es zuträglich; so breite er Belehrungen oder Empfehlungen solcher Sachen im Umgange oder in besondern dazu ausgesetzten Stunden, ausser dem Gottesdienste, aus.
Anm. 2. ††) Nur vom Halten der Predigten ist hier die Rede, und wenn es dabey zum vornehmsten oder gar einzigen Zweck gemacht wird, sich zu üben, anstatt Andere zu erbauen; nicht von Entwerfung oder Ausarbeitung einer Predigt. Wie am rechten Orte würde hier eine Bitte an Vorgesetzte stehen, nur mit der äussersten Vorsicht die Erlaubniß zu öffentlichen Vorträgen, zumal vor ansehnlichen christlichen Versammlungen, zu geben, und eine eben so dringende Bitte an Studierende, sie nicht, ohne vorhergehenden reiflich überlegten Rath und genaue Prüfung von verständigen und gewissenhaften Kennern, zu suchen – wenn mein Zweck sie, hier auszu|a684|führen erlaubte. Man ist sich zu üben schuldig; aber man ist noch Mehr einer christlichen Gemeine schuldig; und nichts verdirbt, oft auf immer, einen jungen Prädicanten mehr, als das frühzeitige Predigen – und, was noch schlimmer ist, unverständige Bewunderung, – Matth. 9, 36. 1 Tim. 4, 12. Röm. 2, 24!
565.
Ueberhaupt sollte es 3) niemand wagen, predigen zu wollen, wer sich nicht nach der strengsten und gewissenhaftesten Selbstprüfung diese zwey sich vorgelegte Fragen befriedigend beantworten könnte: – Bist du mit der Sache wirklich bekannt, wovon du reden willst, so bekannt, wie es der Zweck erfordert, zu dem du reden sollst? und – wie steht es um dein Herz und deine Gesinnung gegen diese Sache? – Was kan aus einer Predigt werden, die nicht aus diesen zwey Quellen fließt? Wer noch gar keinen nur etwas reichen Vorrath von Kenntnissen der Sache, der praktischen Kenntniß derselben, d. i. ihrer verschiedentlichen Beziehung auf Wohl und Weh des Menschen, auf Besserung und Gemüthsruhe, wer sie nicht wenigstens unmittelbar vorher wohl durchdacht, und auf mehreren Seiten angesehen, wer, wenn er sie auch erst von Andern lernen muß, nicht wenigstens sie selbst gedacht, sie zu seinem wirklichen Eigenthum gemacht, sie sich nach seiner Art und von seinem Eignen viel dazu gedacht hat: was kan dessen Predigt anders seyn, als blosser Wiederhall oder |a685| schale, unfruchtbare Rede, die dem Zuhörer weder zu Verstand noch zu Herzen dringt? wofür Er sich selbst nicht interessirt, wobey es ihm gleichgültig ist, ob sich die Zuhörer dafür interessiren, wenn Er nur sein Tagewerk gethan hat, allenfalls Sie nur mit Ihm zufrieden sind, mag die Wirkung der Predigt so gering oder schlecht seyn als sie wolle. – Und wie kan er daran Theil nehmen, wenn er selbst noch nie, oder nicht mit allem Ernst, daran gedacht hat, der zu werden, wozu er seine Zuhörer machen will, noch nie selbst die wohlthätigen dauerhaften Wirkungen dieser Lehren erfahren hat?Ueberhaupt sollte es 3) niemand wagen, predigen zu wollen, wer sich nicht nach der strengsten und gewissenhaftesten Selbstprüfung diese zwey sich vorgelegte Fragen befriedigend beantworten könnte: – Bist du mit der Sache wirklich bekannt, wovon du reden willst, so bekannt, wie es der Zweck erfordert, zu dem du reden sollst? und – wie steht es um dein Herz und deine Gesinnung gegen diese Sache? – Was kan aus einer Predigt werden, die nicht aus diesen zwey Quellen fließt? Wer noch gar keinen nur etwas reichen Vorrath von Kenntnissen der Sache, der praktischen Kenntniß derselben, d. i. ihrer verschiedentlichen Beziehung auf Wohl und Weh des Menschen, auf Besserung und Gemüthsruhe, wer sie nicht wenigstens unmittelbar vorher wohl durchdacht, und auf mehreren Seiten angesehen, wer, wenn er sie auch erst von Andern lernen muß, nicht wenigstens sie selbst gedacht, sie zu seinem wirklichen Eigenthum gemacht, sie sich nach seiner Art und von seinem Eignen viel dazu gedacht hat: was kan dessen Predigt anders seyn, als blosser Wiederhall oder |a685| schale, unfruchtbare Rede, die dem Zuhörer weder zu Verstand noch zu Herzen dringt? wofür Er sich selbst nicht interessirt, wobey es ihm gleichgültig ist, ob sich die Zuhörer dafür interessiren, wenn Er nur sein Tagewerk gethan hat, allenfalls Sie nur mit Ihm zufrieden sind, mag die Wirkung der Predigt so gering oder schlecht seyn als sie wolle. – Und wie kan er daran Theil nehmen, wenn er selbst noch nie, oder nicht mit allem Ernst, daran gedacht hat, der zu werden, wozu er seine Zuhörer machen will, noch nie selbst die wohlthätigen dauerhaften Wirkungen dieser Lehren erfahren hat?
Ach des grossen Segens frühzeitiger Frömmigkeit, auch in dieser Absicht! – Lieber junger Freund! Wenn dir das Interesse für das, was irgend in Absicht auf Religion und Tugend praktisch ist, nicht über alles andre Interesse geht; wenn du über das Wahre und Gute dieser Art noch nie verlegen und unruhig worden bist, Religion noch nie an deine Bedürfnisse geknüpft, sie nicht zu deinem täglichen Geschäfte gemacht hast; wenn du noch keinen Trieb fühlst, Andern in diesen Angelegenheiten nach deinem besten Vermögen zu rathen und zu helfen: so hast du noch keinen Beruf zum Predigen. Schone dann wenigstens Andrer, und entweyhe das Heiligthum Gottes nicht!
566.
Dies vorausgesetzt, wäre es bey eignen Uebungen 4) immer rathsam, wenn man es
|a686| haben könnte, eher sie nicht zu unternehmen, als bis man die Grundsätze und Regeln des guten Vortrags sich wohl bekannt gemacht hätte, und den Anfang der Uebungen mit genauer Zergliederung musterhafter Predigten von Andern zu machen. Man lernt dadurch erst recht einsehen, was und wie viel zu einer guten Predigt und der
Ausführung einer Lehre gehört; man gewöhnt sich an Ordnung, die Seele alles guten Vortrags, an Verdeutlichung der Sache, an gehörige Darstellung derselben, an bedächtigere Ueberlegung.
†) – 5) Wegen des
Ausdrucks – so wird sich zwar der meistens von selbst bilden, wenn nur das Beyde da ist, was nach dem vorigen §. voraus zu setzen war. Ausdruck und Vorstellungen hängen so innig zusammen, daß, wer sich ordentlich, deutlich und bestimmt zu denken gewöhnt, sich gewiß auch so ausdrücken, und selbst eindrücklich sprechen wird, wenn er nur spricht, wie es ihm ums Herz ist. Auch selbst Fehler im Ausdruck, falls sie nur nicht
zu auffallend sind, mißfallen nicht, wenigstens nicht lange, wenn sie nur dem Redenden
eigenthümlich sind; Fehler der Natur sind erträglicher als Schönheit und Kunst, der man den Zwang und die Mühe ansieht. Aber freylich gehört auch Gewandtheit in der Sprache dazu, ohne welche man selbst nicht recht gut denken wird, und deswegen ist fleißige frühzeitige Uebung im guten Ausdruck in derjenigen Sprache nöthig, worinn der Prediger dereinst reden soll. Nun giebts in jeder gebildetern Sprache verschiedne
Arten des Ausdrucks: eine gemeinere und eine feinere, letztere mit mehr oder weniger Ge
|a687|schmack gebildet, natürlich schön oder geziert. Selbst der Sprachgebrauch hat gewisse Ausdrücke nur gewissen Gegenständen gewidmet, nur in gewissen Arten des Vortrags gebilligt, so daß sie deswegen,
anderswo gebraucht, für unnatürlich gehalten werden. Der Hauptcharakter der religiösen Sprache ist
Würde. Diese Sprache leidet daher gewisse
feyerliche Ausdrücke, die in der gewöhnlichen, selbst feinern, Sprache nicht üblich, oder abgekommen sind; von
gemeinen Ausdrücken verträgt sie nur die, welche nicht bloß der gemeinen Sprache eigen sind; und aus der
feinern Sprache nur die, welche sich durch Würde empfehlen, und nicht bloß in der Büchersprache gewöhnlich sind.
††) Doch leidet auch die religiöse Sprache von Zeit zu Zeit Veränderungen. Sie ist selbst in verschiednen Gegenden und verschiednen Classen von Lesern verschieden, die oft dergestalt ihre Vorstellungen und Empfindungen in der Religion an sie binden, daß durch andre Arten des Ausdrucks ihre Andacht gestört, wenigstens nicht so, wie durch die ihnen geläufige Religionssprache, befördert und unterhalten, ja selbst die Sache ihnen verleidet, und der Lehrer, der sich nicht nach ihrer religiösen Sprache richtet, anstößig wird.
†††) Man sollte also mehr den Charakter der religiösen Sprache studieren, sich für aller Verderbung derselben aus der gemeinen oder feinern Sprache hüten, und sich die besonders bekannt machen, an welche die besondere Art der Zuhörer gewöhnt ist, mit der man zu thun hat, und auch darinn sich nach ihren Bedürfnissen bequemen.Dies vorausgesetzt, wäre es bey eignen Uebungen 4) immer rathsam, wenn man es
|a686| haben könnte, eher sie nicht zu unternehmen, als bis man die Grundsätze und Regeln des guten Vortrags sich wohl bekannt gemacht hätte, und den Anfang der Uebungen mit genauer Zergliederung musterhafter Predigten von Andern zu machen. Man lernt dadurch erst recht einsehen, was und wie viel zu einer guten Predigt und der
Ausführung einer Lehre gehört; man gewöhnt sich an Ordnung, die Seele alles guten Vortrags, an Verdeutlichung der Sache, an gehörige Darstellung derselben, an bedächtigere Ueberlegung.
†) – 5) Wegen des
Ausdrucks – so wird sich zwar der meistens von selbst bilden, wenn nur das Beyde da ist, was nach dem vorigen §. voraus zu setzen war. Ausdruck und Vorstellungen hängen so innig zusammen, daß, wer sich ordentlich, deutlich und bestimmt zu denken gewöhnt, sich gewiß auch so ausdrücken, und selbst eindrücklich sprechen wird, wenn er nur spricht, wie es ihm ums Herz ist. Auch selbst Fehler im Ausdruck, falls sie nur nicht
zu auffallend sind, mißfallen nicht, wenigstens nicht lange, wenn sie nur dem Redenden
eigenthümlich sind; Fehler der Natur sind erträglicher als Schönheit und Kunst, der man den Zwang und die Mühe ansieht. Aber freylich gehört auch Gewandtheit in der Sprache dazu, ohne welche man selbst nicht recht gut denken wird, und deswegen ist fleißige frühzeitige Uebung im guten Ausdruck in derjenigen Sprache nöthig, worinn der Prediger dereinst reden soll. Nun giebts in jeder gebildetern Sprache verschiedne
Arten des Ausdrucks: eine gemeinere und eine feinere, letztere mit mehr oder weniger Ge
|a687|schmack gebildet, natürlich schön oder geziert. Selbst der Sprachgebrauch hat gewisse Ausdrücke nur gewissen Gegenständen gewidmet, nur in gewissen Arten des Vortrags gebilligt, so daß sie deswegen,
anderswo gebraucht, für unnatürlich gehalten werden. Der Hauptcharakter der religiösen Sprache ist
Würde. Diese Sprache leidet daher gewisse
feyerliche Ausdrücke, die in der gewöhnlichen, selbst feinern, Sprache nicht üblich, oder abgekommen sind; von
gemeinen Ausdrücken verträgt sie nur die, welche nicht bloß der gemeinen Sprache eigen sind; und aus der
feinern Sprache nur die, welche sich durch Würde empfehlen, und nicht bloß in der Büchersprache gewöhnlich sind.
††) Doch leidet auch die religiöse Sprache von Zeit zu Zeit Veränderungen. Sie ist selbst in verschiednen Gegenden und verschiednen Classen von Lesern verschieden, die oft dergestalt ihre Vorstellungen und Empfindungen in der Religion an sie binden, daß durch andre Arten des Ausdrucks ihre Andacht gestört, wenigstens nicht so, wie durch die ihnen geläufige Religionssprache, befördert und unterhalten, ja selbst die Sache ihnen verleidet, und der Lehrer, der sich nicht nach ihrer religiösen Sprache richtet, anstößig wird.
†††) Man sollte also mehr den Charakter der religiösen Sprache studieren, sich für aller Verderbung derselben aus der gemeinen oder feinern Sprache hüten, und sich die besonders bekannt machen, an welche die besondere Art der Zuhörer gewöhnt ist, mit der man zu thun hat, und auch darinn sich nach ihren Bedürfnissen bequemen.
|a688| †)
Anm. 1. Es versteht sich, daß hier von keiner ängstlichen, steifen Methode die Rede sey. Im Vortrage kan sehr viele natürliche Ordnung herrschen, die der Zuhörer wohl fühlt, ohne daß man sie ihm vorzuzeichnen braucht. Nur da, wo nicht eines aus dem andern, beym ordentlichen Denken natürlich folgt, scheint es, wenigstens zur Beförderung der Aufmerksamkeit und zum bessern Behalten, nöthig zu seyn, daß der Prediger durch Worte oder durch Zahlen, angebe, wo eine neue Vorstellung anfange. Uebrigens tritt hier, nach angestellter Zergliederung fremder Arbeiten, noch die Uebung ein, die schon oben §.
561. Anm. 1. erwehnt worden ist.
††) Anm. 2. Hiernach, dünkt mich, müßte das bestimmt werden, was, in Absicht auf das Anständige des Ausdrucks, dem Religionsvortrage geziemt. Von je her hat man unter gebildetern Nationen, da, wo etwas mit einem gewissen Ansehen würken sollte, in der Poesie, bey feyerlichen Urkunden und Gesetzen, in der Religion insbesondere, eine dergleichen Vorträgen eigenthümliche Sprache gebraucht. Man wird alsdann, selbst durch die Art der Wörter, an die Würde der Sachen erinnert, und wo ist dies nöthiger, als bey der Religion? Man kan nicht würdig genug von Gott und den höchsten Angelegenheiten des Menschen denken, und geweyhete Ausdrücke halten dem Hange der Menschen, zu gering oder zu menschlich von Gott zu denken, einigermassen das Gleichgewicht. Ueberdies hängen den Ausdrücken, die man aus dem gemeinen Leben hernehmen, und auf Gegenstände der Religion anwenden mußte, oft so viele Nebenbegriffe an, die selbst Irrthümer oder doch niedrige Vorstellungen in der Religion erwecken; die Wörter der feinern Gesellschaftssprache sind mehr zur angeneh|a689|mern und gefälligern, als zur ernsthaftern Unterhaltung erfunden, und arten daher leicht in leere und täuschende Wörter aus; sie sind mehr fein als stark, mehr witzig oder höflich als edel; und die gelehrtere Sprache neigt sich mehr zum Trocknen als Lebhaften, ist ganz für den Verstand, nicht fürs Herz gemacht, befördert mehr die deutliche und bestimmte als die anschauliche Erkenntniß: daß alle diese Spracharten nicht ganz dürfen im Vortrag der Religion nachgeahmt werden, wenn dieser nicht seine Würde und die so nöthige Wirkung aufs Herz verlieren soll.
Anm. 3. Wenn die Bibel auch nicht schon das unter Christen allgemein gebräuchlichste Religionsbuch wäre, woran sich also unsre Religionsbegriffe und Empfindungen fast unzertrennlich knüpfen, und ihre Sprache zu der eigentlich geweyhten Religionssprache machen: so verdiente sie das Muster zu seyn, nach der sich diese ganz bilden sollte. Auch der gereinigtste Geschmack, wenn er die Natur religiöser Empfindungen und Würde zu Rathe zieht, kan keine edlere, kraftvollere, von Trockenheit und Schwulst gleich weit entferntere, eben so deutliche und einfältige als herzliche, der vernünftigen Andacht angemeßnere Sprache, erfinden, als in der Bibel da herrscht, wo sie Lehren darstellt, oder religiöse Empfindung ausdrückt – und glücklicher Weise ist davon in keiner Uebersetzung weniger verloren gegangen als in der Lutherschen. Auch in der Absicht sollte jeder Prediger die Bibel, und namentlich Luthers Uebersetzung, zu seinem täglichen Handbuch machen, und nicht glauben, daß er irgend woher eine beßre Religionssprache leiten könnte. Es versteht sich, wo sie verständlich, und wo in Luthers Uebersetzung der Sinn nicht verfehlt ist. Verliert die Sprache der Bibel |a690| nichts an Kraft des Ausdrucks, wenn man sie in deutlichere Worte umkleidet: so wähle man letztere, um nicht für die meisten Zuhörer leere Worte einzuführen, oder Mißverstand zu veranlassen. Und eben dies mag erlaubt seyn, wo morgenländische Vorstellungen, Ort- und Zeit-Ideen der Vorwelt, bey der biblischen Sprache und Bildern zum Grunde liegen, wenn dieses, und daß sie unsern richtigern Begriffen nicht gemäß sind, erweislich ist. Ausserdem, und wenn man nur dem Volk, in Schulen zumal, die ebräischartigen und ähnlichen Ausdrücke und Bilder recht erklärte, daß es dabey das denken lernte, was sie sagen sollen: wäre es rathsamer, selbst die eigenthümliche Sprache der Bibel, wegen der vorhin angeführten Ursachen, überall beyzubehalten.
†††) Anm. 4. Die Religionssprache, und die besondre an einem Ort oder bey gewissen Zuhörern übliche Art sich darinn auszudrücken, richtet sich nach den Erbauungsbüchern und Gesängen, die von ihnen gewöhnlich gebraucht werden, und ist daher biblisch, mystisch, wissenschaftlich u. s. f., je, nachdem es jene sind. Je mehr sich der Ton der Bücher, die man lieset, von der Würde der Religion entfernt; je mehr verdirbt man sich durch Lesung solcher Bücher zum guten Vortrag der Religion. Eine Hauptursache des immer mehr überhand nehmenden schön oder philosophisch seyn sollenden, für jeden, der wahre Erbauung liebt, und auf Würde in der Religion sieht, unerträglichen Tons, der unzeitigen Aufklärungssucht, und des Vortrags ganz andrer Sachen als der Religion und des Christenthums, in Predigten, ist, die bey vielen beynahe ausschließliche und schwelgerische Lectüre der Zeitschriften und Lesebücher, die gemeiniglich eben so sehr den Geschmack vieler künftigen Prediger, als ihren Verstand und ihr Herz, verdirbt.
|a631[!]| 567.
Vorzüglich sollte man sich 6) in Predigten über historische Texte und Parabeln der Bibel, und überhaupt in Homilien, üben. Denn sie sind dem, der es versucht, schwerer, als eigentliche Lehrvorträge. Bey diesen glaubt man sich, ohne viel gelernt zu haben, mit seinem Nachdenken und mit dem genossenen allgemeinern Unterricht in der Religion helfen zu können; bey jenen wird mehr eigner Fleiß, mehr Bekanntschaft mit dem Sinn der heiligen Schrift, mit dem Herzen und Leben der Menschen, mehr praktischer Verstand, mehr Biegsamkeit und Gewandtheit der Seele, erfordert; und gute Muster hat man in dieser Art weniger, als bey dem Lehrvortrag. Sie sind auch für den Zuhörer faßlicher, anziehender und praktischer.Vorzüglich sollte man sich 6) in Predigten über historische Texte und Parabeln der Bibel, und überhaupt in Homilien, üben. Denn sie sind dem, der es versucht, schwerer, als eigentliche Lehrvorträge. Bey diesen glaubt man sich, ohne viel gelernt zu haben, mit seinem Nachdenken und mit dem genossenen allgemeinern Unterricht in der Religion helfen zu können; bey jenen wird mehr eigner Fleiß, mehr Bekanntschaft mit dem Sinn der heiligen Schrift, mit dem Herzen und Leben der Menschen, mehr praktischer Verstand, mehr Biegsamkeit und Gewandtheit der Seele, erfordert; und gute Muster hat man in dieser Art weniger, als bey dem Lehrvortrag. Sie sind auch für den Zuhörer faßlicher, anziehender und praktischer.
S. oben §.
556. in der 2ten Anmerkung, und einige schöne Erinnerungen darüber in (
Herders)
Briefen, das
Studium der Religion betreffend, 4ter Theil, im 40sten und folgenden Briefen.
568.
Anfänglich ist es 7) zu rathen, daß man seine Aufsätze ganz ausarbeite, und wörtlich niederschreibe; denn da ist strenge Aufmerksamkeit auf den ganzen Vortrag, und Genauigkeit nöthig; bey zugenommener Fertigkeit, und wenn erst die guten Eigenschaften des Vortrags uns geläufig worden sind, kan man, ausserordentliche Fälle ausgenommen, oder wenn man ausgesuch|a692|tere Zuhörer vor sich hat, sich mit einen guten Entwurf begnügen, wenn man ihn nur ganz durchdenkt. – Aber man hüte sich ja für dem Ablesen bey dem Vortrag selbst. Gut ablesen, können ohnehin nur Wenige[.] Die Lebhaftigkeit des Vortrags leidet bey dem Ablesen. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird weit mehr durch den eigentlichen Vortrag unterhalten. Bey diesem fällt dem Prediger viel Gutes und Dringendes erst ein, und wird durch die Umstände oder durch den Eindruck, den man bey den Zuhörern gemacht zu haben glaubt, veranlaßt. Und wer öfters und bisweilen ohne viele Vorbereitung predigen muß, würde oft in grosse, selbst dem Vortrage nachtheilige, Verlegenheit kommen. Man gewöhne sich also frühzeitig, ganz aufgeschriebene Vorträge nicht wörtlich, sondern durch wiederholtes bedächtiges Durchlesen, sich einzudrucken, immer aber, nach dem gemachten Entwurfe, das, was man darüber sagen will, ausführlich und deutlich durchzudenken. – 8) Eine besondre Uebung im sogenannten Declamiren ist meistens sehr entbehrlich, wenn man nicht Fehler der Natur und der Gewohnheit durch Uebung zu überwinden hat. Prediger sollen ja keine eigentliche Redner, noch weniger Schauspieler seyn. Wer voll von der Sache ist, die er empfehlen will, wer aus wahrer Ueberzeugung, und mit dem ernsten Willen, seine Zuhörer zu bessern, spricht, wer gegenwärtiges Geistes ist, und wer sich nicht an wörtliches Auswendiglernen gewöhnt hat, dem wird es nicht schwer werden, auch äus|a693|serlich gut vorzutragen. Aber die frühzeitige Uebung, gut zu lesen oder auszusprechen, d. i. die Stimme so abzuändern, wie es die Natur der Sache erfordert, oder dem Ausdruck der Begriffe, auf die man am meisten aufmerksam machen will, dem Affect, der Verhütung des Mißverstandes u. d. gl. angemessen ist – kan man nie genug empfehlen .Anfänglich ist es 7) zu rathen, daß man seine Aufsätze ganz ausarbeite, und wörtlich niederschreibe; denn da ist strenge Aufmerksamkeit auf den ganzen Vortrag, und Genauigkeit nöthig; bey zugenommener Fertigkeit, und wenn erst die guten Eigenschaften des Vortrags uns geläufig worden sind, kan man, ausserordentliche Fälle ausgenommen, oder wenn man ausgesuch|a692|tere Zuhörer vor sich hat, sich mit einen guten Entwurf begnügen, wenn man ihn nur ganz durchdenkt. – Aber man hüte sich ja für dem Ablesen bey dem Vortrag selbst. Gut ablesen, können ohnehin nur Wenige[.] Die Lebhaftigkeit des Vortrags leidet bey dem Ablesen. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird weit mehr durch den eigentlichen Vortrag unterhalten. Bey diesem fällt dem Prediger viel Gutes und Dringendes erst ein, und wird durch die Umstände oder durch den Eindruck, den man bey den Zuhörern gemacht zu haben glaubt, veranlaßt. Und wer öfters und bisweilen ohne viele Vorbereitung predigen muß, würde oft in grosse, selbst dem Vortrage nachtheilige, Verlegenheit kommen. Man gewöhne sich also frühzeitig, ganz aufgeschriebene Vorträge nicht wörtlich, sondern durch wiederholtes bedächtiges Durchlesen, sich einzudrucken, immer aber, nach dem gemachten Entwurfe, das, was man darüber sagen will, ausführlich und deutlich durchzudenken. – 8) Eine besondre Uebung im sogenannten Declamiren ist meistens sehr entbehrlich, wenn man nicht Fehler der Natur und der Gewohnheit durch Uebung zu überwinden hat. Prediger sollen ja keine eigentliche Redner, noch weniger Schauspieler seyn. Wer voll von der Sache ist, die er empfehlen will, wer aus wahrer Ueberzeugung, und mit dem ernsten Willen, seine Zuhörer zu bessern, spricht, wer gegenwärtiges Geistes ist, und wer sich nicht an wörtliches Auswendiglernen gewöhnt hat, dem wird es nicht schwer werden, auch äus|a693|serlich gut vorzutragen. Aber die frühzeitige Uebung, gut zu lesen oder auszusprechen, d. i. die Stimme so abzuändern, wie es die Natur der Sache erfordert, oder dem Ausdruck der Begriffe, auf die man am meisten aufmerksam machen will, dem Affect, der Verhütung des Mißverstandes u. d. gl. angemessen ist – kan man nie genug empfehlen .
569.
Hierbey und bey aller dieser eignen Uebung, muß man sich aber 9) nie auf sein Urtheil allein verlassen, sondern das Urtheil der Verständigeren zu Rathe ziehen; weil oft Gewohnheit unsre Fehler schön macht; ein Anfänger, wenn er auch die guten Eigenschaften und Fehler des erbaulichen Vortrags kennte, doch noch nicht schon auf alles dieses aufmerksam ist; und es bey dem Vortrage nicht in Anschlag kommt, was uns, sondern was Andern gut oder fehlerhaft scheint, bey Ihnen, nicht bey uns, gewisse Wirkungen hervorbringt. – Am besten arbeitet man unter der Aufsicht, wenigstens unter der Kritik, eines Kenners. Kan man diese nicht haben: so gebe man auf die Urtheile acht, die man etwa die Zuhörer über den abgelegten Vortrag fällen hört, oder auf die Wirkungen, die unser Vortrag bey den Zuhörern, in Absicht auf Erkenntniß und Besserung, gethan hat; vorausgesetzt, daß man versichert seyn kan, die Ursache, warum und wie fern er gefallen oder mißgefallen hat, liege nicht in gewis|a694|sen zufälligen Umständen, die, anstatt des Vortrags selbst, die Urtheile gestimmt, oder die und die Wirkungen verursacht haben, – und arbeite danach immer mehr an der Besserung des Vortrags.Hierbey und bey aller dieser eignen Uebung, muß man sich aber 9) nie auf sein Urtheil allein verlassen, sondern das Urtheil der Verständigeren zu Rathe ziehen; weil oft Gewohnheit unsre Fehler schön macht; ein Anfänger, wenn er auch die guten Eigenschaften und Fehler des erbaulichen Vortrags kennte, doch noch nicht schon auf alles dieses aufmerksam ist; und es bey dem Vortrage nicht in Anschlag kommt, was uns, sondern was Andern gut oder fehlerhaft scheint, bey Ihnen, nicht bey uns, gewisse Wirkungen hervorbringt. – Am besten arbeitet man unter der Aufsicht, wenigstens unter der Kritik, eines Kenners. Kan man diese nicht haben: so gebe man auf die Urtheile acht, die man etwa die Zuhörer über den abgelegten Vortrag fällen hört, oder auf die Wirkungen, die unser Vortrag bey den Zuhörern, in Absicht auf Erkenntniß und Besserung, gethan hat; vorausgesetzt, daß man versichert seyn kan, die Ursache, warum und wie fern er gefallen oder mißgefallen hat, liege nicht in gewis|a694|sen zufälligen Umständen, die, anstatt des Vortrags selbst, die Urtheile gestimmt, oder die und die Wirkungen verursacht haben, – und arbeite danach immer mehr an der Besserung des Vortrags.
Unbestimmte Urtheile ohne Anzeige desjenigen, was eigentlich den Zuhörern gefiel oder mißfiel, und – wenn dieses Urtheil nicht von selbst klar ist – ohne Anzeige des Grundes, warum? können hier gar nichts helfen; und dem muß es wenig um eigne Verbesserung zu thun seyn, dem ein solches Lob gefallen, und ihm blenden kan. Unter den Urtheilen derer, die nicht eigentliche Kenner der Erfordernisse eines guten erbaulichen Vortrags sind, verdienen die Urtheile oder Anzeigen dererjenigen den Vorzug, bey welchen sich Wirkungen auf ihre Erkenntniß der vorgetragnen Sachen oder auf ihre Besserung äussern. Bey Katechisationen z. B. und Wiederholungen der Predigten, zeigt schon die Verlegenheit solcher Kinder oder Zuhörer, die sonst wegen ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse, und Gabe sich auszudrucken, bekannt sind, oder Mißverstand, den sie in ihren Antworten äussern, daß ein Fehler in dem Vortrage des Lehrers liegen müsse; und die Aeusserung guter, zumal nicht durch Wissenschaften gebildeten Christen, daß sie dieses und jenes beniemte nicht recht verstanden, oder daß sie es zur Befestigung in der und der Ueberzeugung und Vorsatz dienlich, in der und der Absicht sich gedemüthigt oder ermuntert befunden haben, – ist mehr werth und lehrreicher, als alle andre Urtheile.