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|c[I]| D. Johann Jakob Griesbach's ,
Sachsen Weimar- und Eisenachischen Geheimen Kirchenraths
und ersten Lehrers der Theologie zu Jena,

Anleitung
zum Studium
der
populären Dogmatik,

besonders
für künftige Religionslehrer.


Dritte verbesserte Ausgabe.
Mit Churfürstl. Sächßis. gnädigsten Privilegien.
Jena,
im Verlag der Cunoischen Erben.
1787.
|c[II]|
a

|c[III]| Vorrede.
zur dritten Ausgabe.

Der schnelle Absatz der im vorigen Jahre erschienenen zweiten fast ganz umgearbeiteten Ausgabe dieser kleinen Schrift machte einen neuen Abdruck so bald nöthig, daß in diesem kurzen Zeitraume mein auf bedächtige und lange Ueberlegung sich gründendes Urtheil über das, was Wahrheit, und unsern Zeitgenossen nützliche Wahrheit sey, sich nicht merklich ändern konnte. Und da auch der Plan des Buchs und die von mir gewählte Behandlungsart von mehreren mir sehr schätzbaren Gelehrten im Ganzen genommen gutgeheisen worden ist, so blieb mir bey dieser neuen Auflage kaum etwas mehreres zu thun übrig, als |c[IV]| einigen Stellen durch kleine Aenderungen oder Einschaltungen einen grössern Grad von Deutlichkeit und Bestimmtheit zu verschaffen, und hie und da im Texte und noch öfter in den Anmerkungen einen Zusatz zu machen. Hierdurch unterscheidet sich diese Ausgabe von der vorigen, ohne daß jene ihren Besitzern durch diese unbrauchbar geworden wäre. Freilich bot sich zu noch mehreren Zusätzen, zumal zu den Anmerkungen, Stoff genug an. Allein die nächste Bestimmung des Buchs, zu einem Leitfaden bey halbjährigen akademischen Vorlesungen zu dienen, erlaubte nicht, ihm einen noch weiteren Umfang zu geben. Nach dem Urtheil verschiedener würdiger Männer hätte zwar zu allerley nützlichen Zusätzen durch Weglassung einiger ihnen entbehrlich scheinender theoretischer Lehrsätze Platz gewonnen werden können. Ich muß aber bekennen, daß ich hierin nicht ganz ihrer Meinung seyn kann. Etwas hierüber habe ich schon in der hier wieder abgedruckten Vorrede zur vorigen Ausgabe gesagt. Es sey mir aber erlaubt, noch einiges in der Absicht jetzt hinzuzufügen, um zu verhüten, daß man mich nicht mißverstehe, oder dergleichen Stellen meines Buchs anders brauche, als ich wünsche.
Ich gebe gern zu, daß ich über einige Lehrsätze Theorien in diese Anleitung zum Stu|c[V]|dium der populären Dogmatik aufgenommen habe, die aus dem Volksunterricht unter gewissen Umständen gar wohl wegbleiben könnten, weil man, ohne sie zu kennen, doch ein sehr guter, rechtschaffener und würdiger Christ seyn kann. Ich will auch nicht läugnen, daß dergleichen Theorien, deren praktischer Nutzen ohnehin gering ist, zuweilen mißverstanden und wohl gar mißbraucht worden sind, und daß es deswegen rathsam scheinen könne, sie in populären Vorträgen ganz mit Stillschweigen zu übergehen. Ich würde es daher auch nicht wagen, einen Lehrer zu tadeln, der bey dem Unterricht solcher Menschen, welche von Lehrsätzen dieser Art noch nichts wissen und auch nie etwas davon erfaren werden, sie gar nicht berührte. Aber sind wohl unsre Volkslehrer in diesem Fall? Haben sie nicht fast durchgängig mit Menschen zu thun, denen dergleichen Sätze als wichtige Religionswahrheiten von Kindheit an eingeschärft worden sind, und die durch ihre Gesangbücher, Gebetbücher, Erbauungsbücher u. d. gl. unaufhörlich an sie erinnert werden? Und kann man wohl einem solchen Religionslehrer rathen, ein geflissentliches Stillschweigen über Lehren zu beobachten, die seine Zuhörer für wesentlich zur Religion gehörig halten? Meiner Einsicht nach wird er viel besser thun und weit mehr Nutzen stiften, wenn er |c[VI]| die falschen, krassen und der Beförderung der praktischen Religion oft nachtheiligen Vorstellungen, die sich ein grosser Theil des Volks von dergleichen Lehren macht, mit Klugheit und Vorsicht nach und nach zu verbessern und zu berichtigen sucht, und die Aufmerksamkeit darauf lenkt, was und wie viel die Bibel wirklich und deutlich davon lehre, und was hingegen blosse Erklärungen oder Erläuterungen sind, die man über die Aussprüche der Bibel in guter Meinung zu geben gewagt hat. Diesen Unterschied habe ich nach Möglichkeit überall bemerklich zu machen mich bemühet, und nicht nur in den Anmerkungen häufig darauf hingewiesen, sondern auch in den Paragraphen selbst diese verschiedenen Dinge von einander abzusondern gesucht. Gleichwohl scheint man diese Winke manchmal übersehen zu haben. Ein Gelehrter zum Beispiel, welcher übrigens mein Buch sehr gütig beurtheilte, warf die Fragen auf: „Lehrt die Bibel in der That wirkliche Strafen um des Falls der ersten Menschen willen, oder wie es §. 121. vorsichtiger ausgedrückt ist, seit demselben, und eine Fortpflanzung der zerrütteten Natur, auf die Seele zumal? Und wenn dieses auch, ist es rathsam alles was und weil es in der Bibel stehet, auch in den populären Vortrag zu bringen? wenigstens alsdenn, wenn, wie in dem angegebenen Beispiel, die Lehre nicht |c[VII]| praktisch gemacht werden kann, der Mißbrauch aber, oder wichtige Zweifel beinahe unvermeidlich und schwehrlich ohne gelehrte Einschränkungen zu verhüten oder zu widerlegen sind, die nicht in den populären Vortrag kommen dürfen?“ Ich habe diese Zweifel dankbarlich benutzt, um in den Stellen, durch welche sie veranlaßt worden sind, meine Meinung in dieser Ausgabe deutlicher auszudrücken. Ich hätte aber doch geglaubt, daß die Antworten auf diese Fragen schon in der vorigen Ausgabe lägen. Wenn ich dies hier ganz kurz zeige, so geschiehet es nicht aus Rechthaberey, sondern bloß um meine Leser desto dringender bitten zu können, auf die im Buch gegebenen Winke über den biblischen Grund, die Wichtigkeit und die Brauchbarkeit einzelner Lehrsätze, und auf die in dieser Absicht von mir gebrauchten Ausdrücke aufmerksam zu seyn.
Daß die Menschen um des Falles der ersten Menschen willen wirklich gestraft würden, hatte ich nicht behauptet, sondern nur §. 121. geschrieben, die Schrift lehre, daß seit der Sünde der Stammeltern alle natürlich erzeugte Menschen Sünder, und daher Strafen unterworfen seyn; und dies reiche zum Unterricht des Christen hin; und §. 125. hieß es: die verkehrte Disposition, mit welcher izt |c[VIII]| alle gebohren werden, wo sie auch immer ihren eigentlichen Sitz haben und worinn sie bestehen möge, verursache, daß es keinen Menschen, welcher zum Gebrauche seiner Vernunft gelangt ist, gebe, der vor Gott nicht strafwürdig wäre; doch sey gewiß, daß allein um des angebohrnen Verderbens willen niemand verdammt werde. Was aber die Fortpflanzung der zerrütteten Natur anlangt, so hatte ich §. 121. d. bemerkt: die Bibel gebe keine ausführliche Belehrung, wie und auf was Art die moralische Verdorbenheit, welche allgemein bey den Menschen angetroffen wird, mit der Versündigung der Stammeltern zusammenhänge, und in dieser gegründet sey. Wolle man inzwischen im Nachdenken über die Folgen der Sünde Adams etwas weiter gehen, so könne es etwa auf folgende Weise mit Rücksicht auf die in der Bibel vorkommenden Winke geschehen. Und dann hieß es §. 123. es werde vermittelst der Zeugung eine zerrüttete Natur auf alle Menschen fortgepflanzt, und diese Zerrüttung bestehe in gewissen verkehrten Beschaffenheiten oder Dispositionen unsrer Natur, welche nicht da seyn würden, wenn unsre Voreltern nicht gesündigt hätten. Diese fehlerhafte Disposition möge wohl zunächst im Körper zu suchen seyn und vielleicht in etc. – bestehen; ob aber auch eine verkehrte Dispo|c[IX]|sition unmittelbar in die Seele der Kinder übergehe, sey nicht wohl zu entscheiden, und falls man eine solche annehme, so lasse sie sich doch anders nicht, als durch ihre Folgen beschreiben u. s. f. – Nimmt man zu dem allen noch den in der Anmerkung zu §. 112. gegebenen Rath, daß der Religionslehrer dem Beispiel der Bibel folgen möge, welche das angebohrne von dem nachher hinzugekommenen Verderben nicht mit ängstlicher Genauigkeit unterscheide: so scheint es mir, daß dem künftigen Volkslehrer, welchem ich zum Studium der populären Dogmatik eine Anleitung geben wollte, deutlich genug angegeben sey, was und wie viel in den allgemeinen populären Unterricht gehöre. Aber bey der unter unsern Christen sehr ausgebreiteten und durch viele häufig gelesene Bücher unterhaltenen Einbildung von einer solchen Erbsünde, von der die Bibel nichts weiß, hielt ich es und halte es noch für nöthig, dem künftigen Lehrer an die Hand zu geben, wie er unerweisliche und schädliche Meinungen berichtigen und am schicklichsten die Sache vorstellen könne, wenn er entweder von seinen Zuhörern darüber gefragt werden, oder nach angestellter Ueberlegung rathsam finden sollte, etwas ausführlicher darüber zu reden, als sonst, in der Regel, nöthig ist. |c[X]| Die Geschwindigkeit, mit welcher diese Ausgabe veranstaltet werden mußte, weil es sonst an Exemplaren zu meinen Vorlesungen wider Vermuthen gefehlt haben würde, gereicht der Verlags-Handlung zur Entschuldigung, daß sie in der Eile das erste beste Papier, das eben vorräthig war, gegen ihre Gewohnheit zu nehmen sich entschliessen mußte.
Jena
im September 1787.
D. J. J. Griesbach.

|b[III]| |c[XI]| Vorrede.
Zur zweiten Ausgabe.

Vor sieben Jahren wurde diese kleine Schrift zum erstenmal auf meine eigene Kosten gedruckt. Weil sie aber bloß zum Leitfaden bey meinen akademischen Vorlesungen bestimmt war, und nur die Stelle zeitverderblicher Diktaten bey meinen Zuhörern vertreten sollte, hielt ich es für unnöthig, sie in den Buchhandel und durch diesen unter das Publikum kommen zu lassen. Inzwischen ward sie doch manchen zufälligerweise bekannt; und dieß veranlaßte dann allerley Anfragen. Um diesen für die Zukunft auszuweichen, und den Schein zu vermeiden, als würde dieses kleine Lehrbuch wohl gar absichtlich geheim gehalten, ließ ich es, als die erste Auflage vergriffen war, geschehen, daß eine zweite auf die sonst gewöhnliche Weise veran|b[IV]|staltet wür|c[XII]|de. Damit ich aber dem Werkchen, ehe es in die Hände des Publikums käme, so viel Vollkommenheit geben könnte, als meine Kräfte und die nächste Absicht, die ich nicht aus den Augen verliehren durfte, erlauben wollten, gieng ich alles noch einmal aufmerksam durch, änderte und verbesserte, was es mir zu bedürfen schien, machte die nöthigen Zusätze, und schickte vor jedem Abschnitte einige Anmerkungen voraus, welche etliche Winke für den Volkslehrer enthalten, worauf es bey dem populären Vortrag der in jedem Abschnitte abgehandelten Lehren vornehmlich ankomme. Alle diese Veränderungen und Zusätze den Lesern hier aufzuzählen, würde ganz ohne allen Nutzen seyn. Es kann genug seyn, zu sagen, daß nicht leicht ein einziger Paragraph ganz so geblieben ist, wie er war, ob ich gleich im Wesentlichen und in den Sachen selbst fast nichts abzuändern nöthig fand.
Sollte sich jemand darüber wundern, daß eine Anleitung zur populären Dogmatik nicht in einem populärern Ton abgefaßt ist, oder daß sie so vieles enthält, was doch gewiß weder in Katechesationen noch auf der Kanzel von einem verständigen Lehrer abgehandelt werden wird, und mehr zur Theorie über die Glaubenslehren als zur simpeln Lehre der Bibel selbst zu gehören scheint; so muß ich |c[XIII]| bitten, |b[V]| dasjenige, was hierüber in der Vorerinnerung gesagt ist, wohl zu überlegen, und nicht zu vergessen, daß mein Augenmerk nicht unmittelbar auf gemeine Christen sondern zunächst auf Religionslehrer gerichtet war, und daß ich nicht eine Anweisung zum populären Vortrage der Glaubenslehren, welche die Katechetik und Homiletik ertheilt, sondern eine Anleitung zum Studium derjenigen Dogmen geben wollte, die der Lehrer der Religion, mit steter Rücksicht auf die sehr verschiedenen Bedürfnisse seiner Zuhörer und Schüler, in sehr mannigfalter Form populär vortragen muß, oder wenigstens nach Beschaffenheit der Umstände nicht ohne Nutzen vortragen kann. Es ist auch, der Anmerkungen nicht zu gedenken, durch die Stellung und Verbindung der Sätze und durch den geflissentlich gewählten Ausdruck, wie ich hoffe, hinlänglich angedeutet worden, was meiner Einsicht nach zur allgemeinen Christenthums-Lehre gehöre, und was hingegen für blosse Erläuterung, die nach Anleitung der Bibel den Wißbegierigen darüber gegeben werden könne, zu halten sey. Und überhaupt wäre es zu bedauern, wenn das Bestreben nach Popularität die Wirkung hervorbringen sollte, daß der den Nichttheologen ertheilte Religions-Unterricht immer oberflächlicher, unbestimmter und unvollständiger würde. Ein geschickter Lehrer weiß vie|c[XIV]|les nicht nur verständlich sondern auch nutzbar und interessant zu machen, |b[VI]| was in dem Munde eines andern, der es bloß als ein rohes, geradehin aus seinem gelehrten System oder gar Compendium herausgerissenes Stück hersagt, dem Nichttheologen eben so unverständlich als unbrauchbar ist.
Neue Entdeckungen wird kein Verständiger in einem Buche dieser Art suchen. Man wird aber doch finden, daß ich die schäzbaren Aufklärungen mancher Dogmen, die wir dem Scharfsinne und dem Fleiß neuerer Gelehrten verdanken, so weit ich sie für gegründet hielt, benutzt habe, und zuweilen wird selbst ein gerade in dieser Absicht beibehaltener von jenen Männern gebrauchter Ausdruck den kundigen Leser erinnern, was und wen ich dabey im Sinne hatte. Wären diese Bogen gleich damals, als sie entworfen wurden, in die Hände des Publikums gekommen, so hätte man vielleicht mehreres als izt daran gefunden, wodurch sie sich von den damals gewöhnlichsten Lehrbüchern unterscheiden. Welchen rechtschaffenen Lehrer wird es aber nicht freuen, wenn er siehet, daß Einsichten, welche er für richtig und nützlich erkennt, sich immer allgemeiner verbreiten? Es kommt auch hier gar nichts darauf an, was alt oder neu, diesem und jenem eigen oder mehrern gemein ist; son|c[XV]|dern allein darauf mußte gesehen werden, daß aus dem ganzen Umfange der Dogmen und der darüber ver|b[VII]|suchten Erklärungen und Erläuterungen, mit Absonderung bloß gelehrter Spekulationen, die so wenig mittelbar als unmittelbar dem Christen nützen können, diejenigen ausgehoben würden, welche einer auch Ungelehrten verständlichen und gemeinnützigen Behandlung fähig sind; daß diese so geordnet und von der Seite vornehmlich gezeiget würden, von welcher sie am leichtesten faßlich gemacht und zu praktischen Zwecken angewendet werden können; daß den gewöhnlichsten Zweifeln und Einwürfen so viel möglich gleich so vorgebeugt würde, daß es keiner Widerlegung derselben bedürfe; und daß endlich die Beweise so gewählt und so angelegt und gestellt würden, wie es zur Erleichterung einer gründlichen Ueberzeugung, selbst bey solchen, die mit Vorurtheilen gegen gewisse Lehrsätze oder Beweise schon eingenommen sind, am dienlichsten schien. Was insbesondere die Auswahl der biblischen Beweisstellen betrift, so bin ich dabey mit aller Sorgfalt zu Werk gegangen. Ich weiß zwar sehr wohl, daß manche angeführte Stellen von andern mir schäzbaren Gelehrten anders erklärt werden, und daß dagegen manche Beweissprüche hier fehlen, welche andere für tauglich halten. Allein ich bitte mir zuzu|c[XVI]|trauen, daß ich jedesmal hinlängliche Gründe, so zu handeln, zu haben glaubte. Und ausserdem muß ich noch erinnern, daß aus manchen Stellen nicht ein direkter sondern nur ein in|b[VIII]|direkter Beweis geführet werden soll; daß die Beweisstellen nicht in der Meinung gehäuft sind, als käme etwas auf die Menge derselben an, sondern weil es dem Volkslehrer nützlich seyn kann, mehrere gleichsam in Vorrath zu haben, um bald von der einen, bald von einer andern, Gelegenheit zum Vortrage der wichtigsten Wahrheiten nehmen zu können; und daß ich durchgängig denen Lesarten folge, welche im Text meiner Ausgabe des N. T. stehen.
Wer in unsern Zeiten eine Dogmatik schreibt, kann mit Gewißheit voraus sehen, daß ein Theil der Leser über die Anhänglichkeit des Verfassers an alte Orthodoxie mitleidig die Achseln zucken wird, während dem ein andrer Theil über vermeinte Heterodoxieen ( Neologie nennt mans izt) bedenklich den Kopf schüttelt. Dem ist nun einmal nicht abzuhelfen; und, die Wahrheit zu sagen, es wäre nicht gut, wenn es für izt anders wäre. Mag ich dann meinen gewissenhaften Ueberzeugungen von dem, was Wahrheit und nützliche Wahrheit ist, nicht eben so gut und ungestöhrt folgen, als andere den ihrigen? Oder |c[XVII]| was berechtigt euch, Ihr, die ihr Freunde der Wahrheit seyn wollet, und, wie ich glaube, seyd, etwas mehreres zu thun, als die Gründe eurer Ueberzeugungen mit möglichster Deutlichkeit uns übrigen darzulegen? Stre|b[IX]|ben wir alle aber wirklich nach Einem Ziele, so kann ich es ja geschehen lassen, daß ihr einen Weg wählet, der mit dem meinigen nicht durchgängig parallel läuft, und ihn vielleicht nur hie und da in einzelnen Punkten berührt . Wo wir aber einander uns nähern, da biete ich euch jedesmal brüderlich die Hand; und wenn ihr dann eure Bahn weiter verfolgt, wie ich die meinige, so begleiten euch meine herzlichen Wünsche, daß wir wenigstens am Ziele wieder zusammentreffen mögen. Nur verrenne keiner dem andern den Weg, oder suche ihn auf den seinigen mit fortzuschleppen. Oder ist etwa der Weg etwas mehr, als nur Weg?
Manchen Lesern wird vielleicht eine gewisse Einförmigkeit und Schwehrfälligkeit des Periodenbaues in diesen Blättern misfallen. Allein nach meiner Einsicht und Erfarung, ist ein Lehrbuch, welches durch Akademische Vorlesungen erläutert werden soll, am zweckmäßigsten eingerichtet, wann die zur Sache gehörigen Begriffe und Sätze in der gedrungensten Kürze vorgelegt und so unter ein|c[XVIII]|ander verkettet sind, daß auf der einen Seite der Zusammenhang unter ihnen und ihre wechselsweisen Verhältnisse gegen einander, auf der andern aber die einzelnen Theile, in welche das Ganze zerlegt werden soll, deutlich auf einen Blick in die Augen fallen. Hiebey aber werden einförmige, |b[X]| gedehnte und etwas zerstückelte Perioden kaum leicht ohne Affektation zu vermeiden seyn. Ein akademisches Lehrbuch ist aber auch nicht dazu bestimmt, flüchtig gelesen, sondern eigentlich studirt zu werden. Und daß ein solches zweckmäßiges Lehrbuch sich zugleich auch angenehm werde lesen lassen, oder daß ein Buch, das sich gut und leicht weglesen läßt, auch ein wirklich ganz zweckmäßiges Lehrbuch abgeben könne, daran zweifle ich immer noch sehr. Doch lasse ich gern jedem seine Weise. Geschrieben auf der Fürstlich Sächsischen Gesammt Akademie zu Jena, im März 1786. b
d

|a[I]| |b[XI]| |c[XIX]| |d[XV]| Inhalt.

  • Vorerinnerung über populäre Dogmatik überhaupt, über das dem Lehrer des Volks nöthige Studium derselben, und über ihren Unterschied von der ihm gleichfalls unentbehrlichen Katheder- oder Schuldogmatik. S. 1–5.
  • I. Religion, Offenbarung und Bibel. §. 1 bis 34.
    • A. Religion überhaupt; Wichtigkeit derselben zur höhern Glückseligkeit des Menschen. §. 1 3. a
    • B. Natürliche und geoffenbarte Religion; der leztern Möglichkeit, Wünschenswürdigkeit, Wahrscheinlichkeit und Eigenschaften, und taugliche Beweisarten für sie. §. 4 9. b.
    • C. Die Bibel enthält eine wahre göttliche Offenbarung. §. 10 34.
      • 1) Die Bücher des Neuen Testaments §. 10 23.
        • a) sind ächt, und die darin erzählte Geschichte wahr. 10.
        • |b[XII]| b) Jesus ist der vollkommenste Lehrer der Weisheit und Tugend. 11. Seine Lehre kommt von Gott, 12. und beruht auf einer unmittelbaren göttlichen Offenbarung. 13. 14.
        • |a[II]| c) Die Apostel trugen die Lehre Jesu unter göttlicher Auktorität untrüglich vor, und die Menschen sind verbunden ihre Religionslehre als göttlich anzunehmen. 15. 16. Ihre Schriften |c[XX]| |d[XVI]| sind der alleinige Erkenntnisgrund der christlichen Religion, und was daraus erwiesen werden kann, ist wahr; 17. und das um so mehr, da ihre Verfasser einer göttlichen Eingebung genossen. 18.
        • d) Die Bücher des N. T. enthalten zwar viel Lokales und Temporelles, 19. bleiben aber doch immer die verbindliche Richtschnur des Glaubens und Lebens für alle Christen. 20.
        • e) Ihr Inhalt ist verschieden; 21. aber die in ihnen enthaltenen Religionslehren sind durchaus praktisch, 22. wenn gleich nicht alle in gleichem Grade wichtig. 23.
      • 2) Die Bücher des Alten Testaments; §. 24 28. dessen Glaubwürdigkeit, Beschaffenheit, Nutzen und Gebrauch. 24 26. Die darin enthaltene Religion ist wahr und göttlich; 27. doch sollen sich Christen vornehmlich an den Neutestamentlichen Unterricht halten: mit demselben aber das A. T. vergleichen. 28.
      • 3) Zweck und Hinlänglichkeit der Bibel. 29. 30. Vernunft und Glaube. 31. 32. Rechte des Christen in Absicht auf die Bibel. 33. Kirchliche Lehrvorschriften. 34.
  • II. Gott. §. 35 64.
    • A. Von Gott überhaupt. §. 35 53.
      • |a[III]| 1) Biblischer Grundbegriff von Gott. 35.
      • 2) Es ist ein Gott. 35.
      • 3) Quellen und Beschaffenheit unsrer Kenntniß von Gott, und von dessen Eigenschaften und Wesen. 36 38.
      • |b[XIII]| 4) Biblischer Unterricht von Gottes Eigenschaften. 39 53. Er besitzt alle wahre Vollkommenheiten, 39. ist ein Geist, 40. ewig, unveränderlich, unabhängig, sich selbst genug, 41. hat die vollkommenste Erkenntnis von allem, 42. und den vollkommensten Willen, und Freiheit 43 45. ist allweise, 46. heilig, 47. allgütig, 48. wahrhaft, 49. gerecht, 50. allmächtig, 51. allgegenwärtig, 52. und einzig. 53.
    • |c[XXI]| |d[XVII]| B. Der mit dem Menschen Jesu innigst verbundene Logos ist in gleichem Verstande Gott als der Vater Jesu Christi, und doch von diesem unterschieden. §. 54 58.
    • C. Der heilige Geist ist eine göttliche, vom Vater und Sohne unterschiedene, Person, §. 59 61.
    • D. In diesen Dreien, eben so innig unter einander Vereinigten als reell von einander Unterschiedenen, verehret der Christ, ohne von dem grossen Grundsatz der Einheit des göttlichen Wesens abzuweichen, den wahren Gott. 62. 63. Anmerkungen hierüber. 64.
  • III. Werke Gottes. §. 65 88.
    • A. Werke und Rathschlüsse Gottes überhaupt. 65 67. a
    • |a[IV]| B. Schöpfung. §. 68. 69. Absichten Gottes dabey. 70. Mosaische Beschreibung der Schöpfung. 71.
    • C. Vorsehung. §. 72 84.
      • 1) Gott erhält alle geschaffene Dinge. 72. 73. und ihre Kräfte, 74. und
      • 2) regiert alle Veränderungen in der Welt. 75. Seine Regierung erstreckt sich auf alle leblose, empfindende, und vernünftige Geschöpfe, und sowohl auf einzelne Menschen, als auf das ganze Menschengeschlecht und grössere Theile desselben. 76 78. Beschaffenheit der göttlichen Regierung. 79. Unter ihr stehet auch das Uebel in der |b[XIV]| Welt; sowohl das moralische als das physische, 80 82. ingleichem alles, was durch ein Wunder geschieht. 83. 84.
    • D. Unter den Geschöpfen verdienen, nächst dem Menschen, die Engel eine nähere Betrachtung, sowohl die guten Engel 85. als die bösen Geister. 86 88.
  • IV. Bestimmung und moralische Natur des Menschen. §. 89 111.
    • A. Bestimmung des Menschen, in diesem Leben und in der Ewigkeit. 89. 90. Leben nach dem Tode. 91. 92. Wiedererweckung der Leiber. 93. Allgemeines Weltgericht. 94.
    • |c[XXII]| |d[XVIII]| B. Moralische Natur des Menschen §. 95 111.
      • 1) Worin sie besteht? Von der Freiheit. 95. 96.
      • |a[V]| 2) Durch Gesetze Gottes, des unumschränkten Oberherrn der Menschen, wird ihr Wille moralisch zum Guten gelenkt. 97. Diese sind theils natürliche theils positive. 98.
      • 3) Motive zum Gehorsam gegen die göttlichen Gesetze; 99. insbesondere.
        • a) Belohnungen. 100 103. Zwecke derselben; 100. Natürliche und positive, in diesem und jenem Leben 101 103.
        • b) Strafen. 103. b. 111. Strafrecht Gottes 103. b. Zwecke der göttlichen Strafen. 104. 105. Natürliche, 106. Positive Strafen, in diesem und jenem Leben. 107 110. Dauer derselben 111.
  • V Zustand des Menschen vor und nach seinem Verfalle. §. 112 131.
    • A. Der Mensch §. 112 126.
      • a) in seinem ursprünglichen 112. 113. und
      • b) jetzigen Zustande. Gute Anlagen. 114. Moralische Verdorbenheit. 115 117. Sünden. 118.
      • c) Ursachen des Verderbens, überhaupt, 119. 120. und der ersten Verschlimmerung des Menschengeschlechts ins|b[XV]|besondere. 121. Betrachtungen über den Zusammenhang der jetzigen Verdorbenheit der Menschen mit der Versündigung Adams, und über die Folgen der letztern für Adam selbst 122. und für seine Nachkommen 123. 124.
      • |a[VI]| d) Die jetzige Beschaffenheit der Menschen macht, daß alle strafwürdig werden; 125. doch hatte Gott die Sünde Adams zuzulassen beschlossen. 126.
    • B. Anstalten Gottes zur Wiederherstellung des Menschengeschlechts. §. 127 131.
      • a) Was geschehen mußte, wenn dem Menschen geholfen werden sollte. 127.
      • b) Der Mittelpunkt aller, aus Liebe, von Gott nach seinem freien Rathschlusse angeordneten An|c[XXIII]||d[XIX]|stalten, ist die durch Christum geschehene Erlösung, 128. welche alle Menschen angehet, wenn sie gleich nicht allen bekannt gemacht worden ist. 129. Von denen, welchen die nähere Offenbarung mangelt. 130.
      • c) Die Schicksale aller einzelnen Menschen unmittelbar nach ihrem Tode, sind mit in dem ewigen unveränderlichen Rathschlusse Gottes über die Welt begriffen. 131.
  • VI Christus, der Wiederhersteller des Menschengeschlechts, §. 132 151.
    • A. Jesus
      • 1) ist der Meßias; 132. 133.
      • 2) wahrer Mensch und wahrer Gott 134.
      • 3) Bey seinem Leben auf Erden 135 146.
        • a) zeigte er sich nicht in seiner ganzen Hoheit und wählte sogar ein selbst unter Menschen für niedrig geachtetes Leben, 135. und war seinem Vater in allem gehorsam. a 136.
        • |a[VII]| b) Er führte ein öffentliches Lehramt, unterrichtete sowohl das Volk als seine vertrauteren Freunde, und bewies seine göttliche Sendung durch Wunder. 137 140.
        • c) Er litte und starb für die Menschen, zu Erreichung |b[XVI]| vieler und grosser Zwecke, besonders aber, um den strafwürdigen Sündern Begnadigung zu erwerben. 141 143. Wie der Tod Jesu die Begnadigung der Menschen bewirkt habe? 144. Die reine biblische Vorstellung dieser Lehre 145. enthält nichts Gott unwürdiges. 146.
      • 4) In seinem himmlischen Leben nach dem Tode, besorgt er das ganze Geschäft der wirklichen Seligmachung seiner Erlöseten bis ans Ende der Welt. 147. Zu dem Ende hat er seine Kirche gestiftet, und erhält und regieret sie. 148. a, b.
    • B. Von der Kirche und dem Lehramte. §. 149. 150.
    • C. Von der Taufe. §. 151.
  • |c[XXIV]| |d[XX]| VII Wie wird der Christ durch seine Religion zu seiner grossen Bestimmung geführet? §. 152 170.
    • A. Es geschiehet dies durch eine vollständige Sinnesänderung. §. 152 162. Denn
      • 1) den mehresten Getauften fehlt die zur Erlangung der Seligkeit erforderliche moralische Beschaffenheit. 152.
      • |a[VIII]| 2) Daher ist eine Sinnesänderung bey ihnen nöthig. 153.
      • 3) Was durch diese bewirkt werden solle, 154. und wie sie geschehe? sowohl überhaupt, 155. als in Absicht der einzelnen dazu gehörigen Stücke. 156. 157.
      • 4) Durch sie wird der Mensch geheiliget, 158. und zu christlichen guten Werken geschickt; 159 muß aber im Guten, durch den Gebrauch der in der Bibel empfohlnen Mittel, zu beharren und zuzunehmen suchen, 160. und sich für dem Rückfall hüten. 161.
      • 5) Ihr Urheber ist Gott. 162.
    • B. Auf dem Wege der Sinnesänderung gelangt der Mensch zur Vergebung der Sünden und zum Antheil an allen durch Christum erworbenen Gütern, 163. vermittelst des Glaubens. 164.
    • C. Vom heiligen Abendmahl. 165 170.
a: |a[1]| D. Johann Jakob Griesbach's
Anleitung
zur
gelehrten Kenntnis
der
populären Dogmatik

Jena,
mit Hellers Schriften
1779.
b: |b[I]| D. Johann Jakob Griesbach's ,
Sachsen Weimar- und Eisenachischen Geheimen Kirchenraths
und ersten Lehrers der Theologie zu Jena,
Anleitung
zum Studium
der
populären Dogmatik,

besonders
für künftige Religionslehrer.


Zweite stark vermehrte Ausgabe.
Mit Churfürstl. Sächßis. gnädigsten Privilegien.
Jena,
im Verlag der Cunoischen Erben
1786.
|b[II]|
d: |d[I]| D. Johann Jakob Griesbach's ,
Sachsen Weimar- und Eisenachischen Geheimen Kirchenraths
und ersten Lehrers der Theologie zu Jena,
Anleitung
zum Studium
der
populären Dogmatik,

besonders
für künftige Religionslehrer.


Vierte neu durchgesehene Ausgabe.
Mit Churfürstl. Sächßis. gnädigsten Privilegien
Jena,
bei Christ. Heinr. Cuno's Erben.
1789.
|d[II]|
a:
|a[2]| Da die wenigen Exemplare, welche ich von dieser Anleitung habe drucken lassen, einzig und allein für meine werthesten Zuhörer bestimmt sind, bey welchen diese Bogen die Stelle zeitfressender Diktaten vertreten sollen; so ersuche ich das lesende Publikum, falls ein Exemplar gegenwärtiger Schrift zufälliger Weise sich unter dasselbe verirren sollte, sie als nicht existirend anzusehen. Andere Bedürfnisse hat der engere Zirkel studirender Jünglinge, andere, der weite Kreis des theologischen oder untheologischen Publikums. Nur für den ersten, keinesweges zugleich für den andern, gehört ein Gerippe, das erst durch den mündlichen Vortrag den gehörigen Umriß und Leben und Geist bekommen soll.
abd: ø
b: ø
b: laßen
b: Werckchen
b: vergeßen
b: Vortrag
b: Bedürfniße
b: bloße
b: benuzt
b: auserdem
b: akademische
b: J. J. Griesbach.
ad: ø
d:

|d[III]| Vorrede.

Ich fühle es lebhaft, daß die gütige Aufnahme, welche diese kleine Schrift bey dem Publikum gefunden hat, meine Verpflichtung, ihr den größten mir möglichen Grad von Vollkommenheit zu geben, verdoppelt. Aber eben diese gute Aufnahme, welche in so kurzer Zeit mehrere neue Auflagen nöthig machte, kann und wird mich entschuldigen, wenn man bemerkt, daß gleichwohl diese vierte Ausgabe mit der dritten im wesentlichen ganz übereinstimmt. Der kurze Zeitraum von drey Jahren, welcher seit dem die zweyte ganz umgearbeitete Ausgabe erschien, verstrichen ist, hat in der Lage und den Bedürfnißen der nichttheologischen Christen keine solche Veränderung hervorgebracht, die mich glauben machen könnte, diejenige Anleitung zum Studium der populären Dogmatik, welche ich vor anderthalb und vor drey Jahren aus guten Gründen für die zweckmäsigste |d[IV]| hielt, sey ihrer Absicht jezt weniger als damals angemessen. Haben ja seitdem einige merkwürdige auf Religion und Kirche sich beziehende Begebenheiten sich zugetragen, so waren sie von der Art, daß sie mich nur mehr in meiner alten Ueberzeugung bestärkten, es sey für jeden Lehrer der Religion und Theologie Pflicht, mit möglichster Vorsicht zu Werke zu gehen, damit er nicht durch unbedachtsame und dreiste Aeußerungen seiner Privatmeinungen denenjenigen, welche von weiteren Aufklärungen in der Religionslehre keine Freunde zu seyn scheinen, einen erwünschten Vorwand verschaffe, die Lehr- und Druckfreiheit in engere Grenzen einzuschliessen, und wohl gar, wo möglich, diejenigen, die sich zu kirchlichen Lehrämtern bestimmen, von eigner unbefangener Untersuchung und immer tieferem Eindringen in die Wahrheit abzuschrecken. Billig sollte jeder Schriftsteller, der sein Buch durch den Druck unter das weite Publikum bringen will, und jeder akademische Lehrer, der Jünglinge aus nahen und entfernten Provinzen zum Lehramt vorbereiten soll, nicht vornehmlich darauf Rücksicht nehmen, was er, in seiner Lage, allenfalls zu schreiben oder zu lehren wagen dürfe? sondern, wenn es ihm mehr darum zu thun ist, wahren und bleibenden Nutzen zu stiften, als durch Neuheit zu glänzen, oder |d[V]| durch Dreistigkeit Aufsehen zu erregen, oder den Beifall irgend einer Partey zu erhaschen; wenn er der ihm gestatteten Lehr- und Preßfreiheit sich werth beweisen will; und wenn er diese unschätzbaren Wohlthaten seinen nahen und fernen Zeitgenossen und selbst den Nachkommen, so viel an ihm ist, unverkürzt erhalten und nach Möglichkeit sichern will: so muß die Hauptfrage diese seyn: was ist Wahrheit, und meinen Zeitgenoßen nützliche Wahrheit? Ist dies entschieden, so schreibe er zwar mit Vorsicht und Schonung der Schwachen oder Andersdenkenden, aber doch ohne Menschenfurcht und Menschengefälligkeit.
Da nun über die letzte Frage mein auf bedächtige und lange Ueberlegung sich gründendes Urtheil in so kurzer Zeit nicht so sich geändert hat, daß ich wesentliche Veränderungen in diesem Buch nöthig gefunden hätte; und da überdies auch der Plan deßelben und die von mir gewählte Behandlungsart der Materien von mehreren mir sehr schätzbaren Gelehrten im Ganzen genommen gutgeheisen worden ist: so blieb mir bey der neuen Durchsicht kaum etwas mehreres zu thun übrig, als etliche wenige Sätze, die mir izt dem populären Dogmatiker entbehrlich zu seyn schienen, wegzustreichen, ein paar andern einen bequemern Platz anzuwei|d[VI]|sen, einigen Stellen durch kleine Aenderungen oder Einschaltungen mehr Deutlichkeit und Bestimmtheit zu verschaffen, und hie und da im Texte oder in den Anmerkungen einen Zusatz zu machen. Hierdurch unterscheidet sich diese Ausgabe von der vorigen, ohne daß jene ihren Besitzern durch diese unbrauchbar geworden wäre. Hält es jemand der Mühe werth, eine Vergleichung zwischen beiden anzustellen, so wird er die Aenderungen und Zusätze, die etwa von den meisten Belange seyn möchten, in den §§. 10. 18. 20. 50. 51. 83. 91. 101. 103. b. 108. 112. 143. 144. 146. 150. 164. antreffen. Freilich bot sich zu noch mehreren Zusätzen, zumal zu den Anmerkungen, Stoff genug an. Allein die nächste Bestimmung des Buchs, zu einem Leitfaden bey halbjährigen akademischen Vorlesungen zu dienen, erlaubte nicht, ihm einen weitern Umfang zu geben. Nach dem Urtheil verschiedener würdiger Männer hätte zwar zu allerley nützlichen Zusätzen durch Weglassung einiger ihnen unnöthig scheinender theoretischer Lehrsätze Platz gewonnen werden können. Ich muß aber bekennen, daß ich hierin nicht ganz ihrer Meinung seyn kann, und um Erlaubniß bitten, hierüber noch einiges in der Absicht zu sagen, um zu verhüten, daß man mich nicht mißverstehe, oder dergleichen Stellen meines Buchs anders, als ich wünsche, brauche.
|d[VII]| Ich weiß sehr wohl, daß diese Anleitung zur populären Dogmatik nicht in einem populären Ton abgefaßt ist, und daß sie ziemlich vieles enthält, was ein verständiger Lehrer weder in Katechesationen noch auf der Kanzel abhandeln wird, und was mehr zur Theorie über die Glaubenslehren, als zur simpeln Lehre der Bibel selbst gehöret. Ehe man mich aber deswegen verurtheilt, wäre doch billig dasjenige, was hierüber in der Vorerinnerung gesagt ist, wohl zu überlegen, und nicht zu vergessen, daß mein Augenmerk nicht unmittelbar auf gemeine Christen, sondern zunächst und eigentlich auf künftige oder angehende Religionslehrer gerichtet war, und daß ich diesen nicht eine Anweisung zum populären Vortrage der Glaubenslehren, welche die Katechetik und Homiletik ertheilt, sondern eine Anleitung zum Studium derjenigen Dogmen geben wollte, die der Lehrer der Religion, mit steter Rücksicht auf die sehr verschiedenen Bedürfnisse seiner Zuhörer und Schüler, in sehr mannichfaltiger Form populär vortragen muß, oder wenigstens nach Beschaffenheit der Umstände nicht ohne Nutzen vortragen kann. Und überhaupt wäre es zu bedauern, wenn das Bestreben nach Popularität die Wirkung hervorbringen sollte, daß der den Nichttheologen von ihren Lehrern ertheilte Religions-Unterricht immer |d[VIII]| oberflächlicher, unbestimmter und unvollständiger würde. Ein geschickter Lehrer weiß vieles nicht nur verständlich sondern auch nutzbar und interessant zu machen, was in dem Munde eines andern, der es bloß als ein rohes, geradehin aus seinem gelehrten System oder gar Compendium herausgerissenes Stück hersagt, dem Nichttheologen eben so unverständlich als unbrauchbar ist.
Ich gebe ferner gern zu, daß ich über einige Lehrsätze Theorieen in diese Anleitung zum Studium der populären Dogmatik aufgenommen habe, die aus dem Volksunterricht unter gewissen Umständen gar wohl wegbleiben könnten, weil man, ohne sie zu kennen, doch ein sehr guter, rechtschaffener und würdiger Christ seyn kann. Ich will auch nicht läugnen, daß dergleichen Theorieen, deren praktischer Nutzen ohnehin gering ist, zuweilen mißverstanden und wohl gar mißbraucht worden sind, und daß es deswegen rathsam scheinen könne, sie in populären Vorträgen ganz mit Stillschweigen zu übergehen. Ich würde es daher auch nicht wagen, einen Lehrer zu tadeln, der bey dem Unterricht solcher Menschen, welche von Lehrsätzen dieser Art noch nichts wissen und auch nie etwas davon erfaren werden, sie gar nicht berührte. Aber sind wohl unsre Volkslehrer in diesem |d[IX]| Fall? Haben sie nicht fast durchgängig mit Menschen zu thun, denen dergleichen Sätze als wichtige Religionswahrheiten von Kindheit an eingeschärft worden sind, und die durch ihre Gesangbücher, Gebetbücher, Erbauungsbücher u. d. gl. unaufhörlich an sie erinnert werden? Und kann man wohl einem solchen Religionslehrer rathen, ein geflissentliches Stillschweigen über Lehren zu beobachten, die seine Zuhörer für wesentlich zur Religion gehörig halten? Meiner Einsicht nach wird er viel besser thun und weit mehr Nutzen stiften, wenn er die falschen, krassen und der Beförderung der praktischen Religion oft nachtheiligen Vorstellungen, die sich ein grosser Theil des Volks von dergleichen Lehren macht, mit Klugheit und Vorsicht nach und nach zu verbessern und zu berichtigen sucht, und die Aufmerksamkeit darauf lenkt, was und wie viel die Bibel wirklich und deutlich davon lehre, und was hingegen blosse Erklärungen oder Erläuterungen sind, die man über die Aussprüche der Bibel in guter Meinung zu geben gewagt hat. Diesen Unterschied habe ich nach Möglichkeit überall bemerklich zu machen mich bemühet, und nicht nur in den Anmerkungen häufig darauf hingewiesen, sondern auch in den Paragraphen selbst durch die Stellung und Verbindung der Sätze und durch den geflissentlich |d[X]| gewählten Ausdruck anzudeuten gesucht, was meiner Einsicht nach zur allgemeinen Christenthums-Lehre gehöre, und was hingegen für bloße Erläuterung, die nach Anleitung der Bibel den Wißbegierigen darüber gegeben werden könne, zu halten sey. Da man aber gleichwohl diese Fingerzeige übersehen zu haben scheint, so bitte ich meine Leser angelegentlich, auf dergleichen gegebene Winke über den biblischen Grund, die Wichtigkeit und die Brauchbarkeit einzelner Lehrsätze, und auf die in dieser Absicht von mir gebrauchten Ausdrücke, aufmerksam zu seyn.
Neue Entdeckungen wird kein Verständiger in einem Buche dieser Art suchen. Man wird aber doch finden, daß ich die schäzbaren Aufklärungen mancher Dogmen, die wir dem Scharfsinne und dem Fleiß neuerer Gelehrten verdanken, so weit ich sie für gegründet hielt, benutzt habe, und zuweilen wird selbst ein gerade in dieser Absicht beibehaltener von jenen Männern gebrauchter Ausdruck den kundigen Leser erinnern, was und wen ich dabey im Sinne hatte. Es kommt inzwischen hier gar nichts darauf an, was alt oder neu, diesem und jenem eigen oder mehrern gemein ist; sondern allein darauf mußte gesehen werden, daß aus dem ganzen Umfange der Dogmen und der darüber versuchten Erklärungen und Er|d[XI]|läuterungen, mit Absonderung bloß gelehrter Spekulationen, die so wenig mittelbar als unmittelbar dem Christen nützen können, diejenigen ausgehoben würden, welche einer auch Ungelehrten verständlichen und gemeinnützigen Behandlung fähig sind; daß diese so geordnet und von der Seite vornehmlich gezeiget würden, von welcher sie am leichtesten faßlich gemacht und zu praktischen Zwecken angewendet werden können; daß den gewöhnlichsten Zweifeln und Einwürfen so viel möglich gleich so vorgebeugt würde, daß es keiner Widerlegung derselben bedürfe; und daß endlich die Beweise so gewählt und so angelegt und gestellt würden, wie es zur Erleichterung einer gründlichen Ueberzeugung, selbst bey solchen, die mit Vorurtheilen gegen gewisse Lehrsätze oder Beweise schon eingenommen sind, am dienlichsten schien. Was insbesondere die Auswahl der biblischen Beweisstellen betrift, so bin ich dabey mit aller Sorgfalt zu Werk gegangen. Ich weiß zwar sehr wohl, daß manche angeführte Stellen von andern mir schäzbaren Gelehrten anders erklärt werden, und daß dagegen manche Beweissprüche hier fehlen, welche andere für tauglich halten. Allein ich bitte mir zuzutrauen, daß ich jedesmal hinlängliche Gründe, so zu handeln, zu haben glaubte. Und ausserdem muß ich noch erinnern, daß aus |d[XII]| manchen Stellen nicht ein direkter sondern nur ein indirekter Beweis geführet, oder nur eine Erläuterung hergenommen werden soll; daß die biblischen Stellen nicht in der Meinung gehäuft sind, als käme etwas auf die Menge der Beweise an, sondern weil es dem Volkslehrer nützlich seyn kann, mehrere gleichsam in Vorrath zu haben, um bald von der einen, bald von einer andern, Gelegenheit zum Vortrage der wichtigsten Wahrheiten nehmen zu können; und daß ich durchgängig denen Lesarten folge, welche im Text meiner Ausgabe des N. T. stehen.
Wer in unsern Zeiten eine Dogmatik schreibt, kann mit Gewißheit voraus sehen, daß ein Theil der Leser über die Anhänglichkeit des Verfassers an alte Orthodoxie mitleidig die Achseln zucken wird, während dem ein andrer Theil über vermeinte Heterodoxien (Neologie nennt mans izt) bedenklich den Kopf schüttelt. Dem ist nun einmal nicht abzuhelfen, und, die Wahrheit zu sagen, es wäre nicht gut, wenn es für izt anders wäre. Mag ich dann meinen gewissenhaften Ueberzeugungen von dem, was Wahrheit und nützliche Wahrheit ist, nicht eben so gut und ungestöhrt folgen, als andere den ihrigen? Oder was berechtigt euch, Ihr, die ihr Freunde der Wahrheit seyn wollet, und, wie ich glau|d[XIII]|be, seyd, etwas mehreres zu thun, als die Gründe eurer Ueberzeugungen mit möglichster Deutlichkeit uns übrigen darzulegen? Streben wir alle aber wirklich nach Einem Ziele, so kann ich es ja geschehen lassen, daß ihr einen Weg wählet, der mit dem meinigen nicht durchgängig parallel läuft, und ihn vielleicht nur hie und da in einzelnen Punkten berührt. Wo wir aber einander uns nähern, da biete ich euch jedesmal brüderlich die Hand; und wenn ihr dann eure Bahn weiter verfolgt, wie ich die meinige, so begleiten euch meine herzlichen Wünsche, daß wir wenigstens am Ziele wieder zusammentreffen mögen. Nur verrenne keiner dem andern den Weg, oder suche ihn auf den seinigen mit fortzuschleppen. Oder ist etwa der Weg etwas mehr, als nur Weg?
Manchen Lesern wird vielleicht eine gewisse Einförmigkeit und Schwehrfälligkeit des Periodenbaues in diesen Blättern mißfallen. Allein nach meiner Einsicht und Erfarung, ist ein Lehrbuch, welches durch akademische Vorlesungen erläutert werden soll, am zweckmässigsten eingerichtet, wann die zur Sache gehörigen Begriffe und Sätze in der gedrungensten Kürze vorgelegt und so unter einander verkettet sind, daß auf der einen Seite der Zusammenhang unter ihnen und ihre wech|d[XIV]|selsweisen Verhältnisse gegen einander, auf der andern aber die einzelnen Theile, in welche das Ganze bey dem mündlichen Vortrage zerlegt werden soll, deutlich auf einen Blick in die Augen fallen. Hiebey aber werden einförmige, gedehnte und etwas zerstückelte Perioden kaum leicht ohne Affektation zu vermeiden seyn. Ein akademisches Lehrbuch ist aber auch nicht dazu bestimmt, flüchtig gelesen, sondern eigentlich studirt zu werden. Und daß ein solches zweckmäßiges Lehrbuch sich zugleich auch angenehm werde lesen lassen, oder daß ein Buch, das sich gut und leicht weglesen läßt, auch ein wirklich ganz zweckmäßiges Lehrbuch abgeben könne, daran zweifle ich immer noch sehr. Doch lasse ich gern jedem seine Weise. Geschrieben auf der Fürstlich Sächsischen Gesammt Akademie zu Jena, im März 1789.
a: Inhalt
ab: die
a: gelehrte Kenntnis
b: Kenntnis
ab: Katheder
a: 3–5.
a: I
ab: und
d: Religion, Offenbarung und Bibel.
ad: 1 34.
a: Menschen;
a: natürliche Religion. §. 4.
a: Geoffenbarte
a: ihre
a: ø
a: 5 9.
a: 10.
a: Tugend,
d: Autorität
a: kan
d: wenn
ab: enthaltene
a: ø
a: ø
a: halten;
d: Bibel
ab: II
d: Gott.
d: Gott
a: Vernunftwahrheiten von dessen Dasein, Eigenschaften, und Wesen. 35 38.
a: ø
a: 3)
a: ø
a: Freiheit,
a: einig.
d: einzig
a: ø
b: Person.
a: Person.
b: großen Grundsaz
a: Diesen Dreien kommt die wahre wesentliche Gottheit zu. Und da sie wirklich von einander unterschieden sind, und doch nur ein einziger Gott ist, so muß das göttliche Wesen, zwar nur ein einzigmal, aber doch in diesen Dreyen ungetheilt vorhanden seyn.
ab: III
d: Werke Gottes.
ab: Rathschlüße
ab: überhaupt,
a: b.
a: ø
a: ø
ab: erstrekt
a: grösere
b: größere
d: desselben
a: Böse
b: Uebel
a: Welt,
a: Wunder
a: ø
a: ø
ab: IV
d: Bestimmung und moralische Natur des Menschen.
a: Ewigkeit.
a: Tode.
b: Wiedererwekung
a: 95.
a: ø
a: gelenckt
a: Motive
b: insbesondere
a: insbesondere Belohnungen und Strafen. 99.
a: Belohnungen
d: derselben
a: Zweck derselben
a: 101 . 102.
b: 101. 103.
d: Strafen
d: Unterschied zwischen den göttlichen und menschlichen.
a: Strafen 104 111.
d: ø
a: derselben. 104.
a: Natürliche
a: ø
a: Leben
b: derselben.
d: V. Zustand des Menschen vor und nach seinem Verfalle.
b: 112. 131.
a: ø
a: anfänglichen
a: Sünden
a: ø
a: Sünde Adams, für ihn
a: Gott ist die jezige
a: misfällig
a: hat er
b: beschloßen
a: zuzulassen beschloßen
a: ø
b: 127. 131.
ab: Rathschluße
b: Rathschluße
a: Rathschluße
d: VI. Christus, der Wiederhersteller des Menschengeschlechts
b: 132. 151.
ab: Mensch,
a: Gott.
a: enthielt er sich des Gebrauchs seiner unendlichen Kraft, wählte ein niedriges
a: ø
a: 135.
a: Wunder
b: 137. 140.
ab: lidte
a: groser
b: großer
b: 141. 143.
a: 145.
a: ø
ab: himlischen
abd: a.
a: ø
a: ø
a: grosen
b: großen
d: VII. Wie wird der Christ durch seine Religion zu seiner grossen Bestimmung geführet?
b: 152. 170.
ab: dieß
a: ø
a: denn
d: Beschaffenheit
d: soll
a: dazu gehörigen Stücke
a: ø
a: guten Werken
a: 158. 159.
bd: 159.
a: zuzunehmen
a: 160
a: Urheber
a: Glaubens
b: 165. 170.