Vorwort

Die „Bibliothek der Neologie“ verfolgt das Ziel, zehn zentrale, in sich geschlossene Texte oder Textsammlungen der den Kernbestand deutscher Aufklärungstheologie markierenden Neologie in kritischer Hybrid-Edition und damit in einer für die interdisziplinäre Forschung und den akademischen Unterricht gleichermaßen geeigneten Darbietung bereitzustellen. Als Auswahlkriterien dienen dabei insbesondere die repräsentative Bedeutung der Verfasser, die fächerübergreifende Relevanz und gattungsspezifische Streuung der Texte, die in diesen Texten erfolgte exemplarische Bearbeitung einer für die Aufklärungsepoche zentralen Problemstellung sowie die diesen Werken zukommende geistesgeschichtliche und kulturwissenschaftliche Dignität.

Der vorliegende Band präsentiert die „Anleitung zum Studium der populären Dogmatik“ aus der Feder des in Jena lehrenden Aufklärungstheologen Johann Jakob Griesbach (1745–1812). Mit dieser „Anleitung“ wurde erstmals ein gattungsbegründendes Lehrbuch der Neologie vorgelegt, an dessen kritisch dargestellter Werkgeschichte sich zentrale Umformungen des damaligen protestantischen Lehrbestandes erstmals tiefgreifend nachvollziehen und analysieren lassen. Die „Editorische[n] Hinweise“ halten die notwendigen technischen Informationen bereit. Die sachbezogene „Einleitung“ sowie die „Erläuterungen“ und Register werden ein Übriges tun, um diesem theologiegeschichtlichen Klassiker die wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuzuwenden, die er verdient.

Federführend koordiniert wurde die Erstellung dieser kritischen Werkausgabe von Marco Stallmann, der zugleich auch eine darauf bezogene monographische Bearbeitung vorgelegt hat (Johann Jakob Griesbach [1745–1812]. Protestantische Dogmatik im populartheologischen Diskurs des 18. Jahrhunderts [BHTh 190], 2019).

Die unter der Leitung von Albrecht Beutel stehende „Bibliothek der Neologie“ wird in ihrem editionswissenschaftlichen Teil an der durch Olga Söntgerath geleiteten Arbeitsstelle Münster, in ihrem informationswissenschaftlichen und -technologischen Teil an der zunächst von Heike Neuroth, dann von Mirjam Blümm, danach von Jan Brase geleiteten Arbeitsstelle Göttingen erstellt. Die Namen aller wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auf unserer Homepage in der fortlaufend aktualisierten Projektvorstellung (www.bdn-edition.de) verzeichnet.

Ein Editionsprojekt dieser Größenordnung kann nur als ein Gemeinschaftsunternehmen realisiert werden. Unser herzlicher Dank gilt allen, die daran zielführend mitgewirkt haben. Desgleichen danken wir der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre großzügige Unterstützung sowie dem Tübinger Wissenschaftsverlag Mohr Siebeck für die vorzügliche Herstellung des Bandes.

Albrecht Beutel / Olga Söntgerath

Einleitung

I.

Der Jenaer Theologieprofessor Johann Jakob Griesbach (1745–1812) gilt als „Bahnbrecher der neutestamentlichen Textkritik“. Über diese Bedeutung hinaus erweist ihn die Anleitung zugleich als einen repräsentativen Populartheologen der Neologie. Werkgeschichtlicher Entstehungskontext dieser Schrift ist die Universität Jena, an deren Theologischer Fakultät Griesbach seit 1775 nicht nur als Professor lehrte, sondern an deren Entwicklung zu einem Zentrum der Aufklärung er maßgeblich beteiligt war. Seine wegweisenden Forschungen zur Textkritik des Neuen Testaments und sein wissenschaftspolitisches Wirken rund um die Modernisierung der Universitätsstadt Jena brachten ihm den uneingeschränkten Respekt der zeitgenössischen Gelehrtenrepublik ein, wenngleich sein Leben und Werk – analog zu den meisten Repräsentanten der Aufklärungstheologie – in der Kirchengeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts vernachlässigt worden ist. Erst im Anschluss an das Johann Jakob Griesbach Bicentenary Colloquium (1976), zum 200-jährigen Jubiläum seiner berühmten Evangeliensynopse, ist der Exeget und Textkritiker Griesbach wiederentdeckt und sein wissenschaftlicher Nachlass zum kirchenhistorischen Forschungsgegenstand erhoben worden. Im Zuge der geschichtswissenschaftlichen Perspektiverweiterung wurde er schließlich auch der einzigartigen Personenkonstellation zugeordnet, die der interdisziplinäre Sonderforschungsbereich 482 Ereignis Weimar-Jena als ereignishafte Kommunikationsverdichtung in der Überlagerung von Aufklärung, Klassik, Idealismus und Romantik analysiert hat. Dass Griesbach auch den neologischen Diskurs um die Bedeutung von Theologie und Religion nicht nur rezipiert, sondern aktiv und wirkungsvoll mitbestimmt hat, wird erst im Zuge des deutlichen Interessenzuwachses der jüngeren theologiegeschichtlichen Forschung am Zeitalter der Aufklärung erkennbar.

Am 4. Januar 1745 kam Griesbach als Sohn eines pietistisch geprägten Pfarrers in Butzbach bei Gießen zur Welt. Nach dem Umzug nach Frankfurt am Main besuchte er ab 1751 das dortige Gymnasium und machte früh Bekanntschaft mit dem vier Jahre jüngeren Johann Wolfgang Goethe. Von 1762 bis 1767 studierte er in Tübingen, Halle und Leipzig Theologie, Philosophie und Philologie. In Halle wurde sein Talent früh von dem bedeutenden Aufklärungstheologen Johann Salomo Semler entdeckt, der ihn in seinen engeren Bekanntenkreis aufnahm und ihm den wissenschaftlichen Karriereweg eröffnete. Er betreute auch Griesbachs 1767 in Halle verteidigte Dissertation über Leben und Werk Leos des Großen. An der Universität Leipzig zählten Johann August Ernesti und Johann Matthias Schroeckh zu Griesbachs wichtigsten theologischen Lehrern. Im Oktober 1768 trat Griesbach eine einjährige Forschungsreise durch die Hauptstädte Europas mit ihren zentralen Bibliotheken an, während der er nicht nur mit Semler in freundschaftlichem und wissenschaftlichem Briefkontakt blieb, sondern auch Handschriftenmaterial für eine jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Text des Neuen Testaments sammelte. Insbesondere der Liberalismus Englands hinterließ bei ihm einen bleibenden Eindruck, der sich in den überlieferten Briefen und Schriften wiederfindet.

Mit seiner Abhandlung zu der an Origenes aufgezeigten Bedeutung der Kirchenväter für die neutestamentliche Textkritik erwarb Griesbach 1771 die venia legendi für das Fach Theologie. Nachdem er 1773 von der Universität Halle zum außerplanmäßigen Professor ernannt worden war, folgte Griesbach 1775 einem Ruf der Universität Jena, um hier in der Nachfolge Johann Georg Walchs in seine wissenschaftliche Glanzperiode einzutreten und bis an sein Lebensende ein Aushängeschild der „Salana“ zu bleiben. Zusammen mit seiner Frau Friederike Juliane Griesbach, einer Tochter des lutherischen Theologen Johann Jakob Rambach, entwickelte sich Griesbach zu einem Gastgeber der Weimar-Jenaer Gelehrtenprominenz. In der „Stapelstadt des Wissens“ stand er mit den Repräsentanten der Weimarer Klassik, Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland sowie mit Johann Heinrich Voß und nicht zuletzt Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach auf vertrautem bis freundschaftlichem Fuße. Schiller wohnte mit seiner Familie zwischen 1795 und 1799 in Griesbachs Haus und hielt seine bekannte Antrittsvorlesung in dessen stadtzentral gelegenem Auditorium. Eine lang anhaltende Krankheit sollte zu Beginn des Jahres 1812 schließlich Griesbachs über vierzigjährige Lehr- und Forschungstätigkeit beenden – am 24. März verstarb er in seinem Haus in Jena.

II.

Nachdem Griesbach im Mai 1784 zum Geheimen Kirchenrat ernannt worden war, ließ ihn seine außerordentliche Vernetzung mit den wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Größen seiner Zeit schließlich zu einem führenden Hochschulpolitiker und Finanzspezialisten der Stadt Jena avancieren. Die engen Grenzen, in denen aufgrund dieser weitreichenden Tätigkeiten Griesbachs schriftliche Hinterlassenschaft verblieb, sind allenfalls quantitativ zu verstehen: Die durch zahlreiche kleinere Schriften und Editionen vorbereitete, 1775/77 erstmals in zwei Bänden veröffentlichte kritische Ausgabe des Novum Testamentum Graece bildet den Höhepunkt seiner in Halle erlernten und in Jena vollendeten neutestamentlichen Textforschung. An die textkritischen Vorarbeiten John Mills, Johann Albrecht Bengels, Johann Jakob Wettsteins und Semlers anknüpfend, entwickelte Griesbach in diesem Zusammenhang sein Rezensionensystem und ein wegweisendes, noch heute angewendetes textkritisches Regularium. Aber auch die Evangelienforschung ist in hohem Maße durch Griesbachs innovative synoptische Darstellung und ihre theoretische Fundierung durch die sog. „Griesbach-Hypothese“ stimuliert worden: Die Benutzungshypothese Augustins modifizierend, entwickelte Griesbach ein Modell der Matthäuspriorität, welches den Grundstein für die Erforschung der literarischen Abhängigkeiten im Neuen Testament legen sollte. Mit den führenden Exegeten und Textkritikern seiner Zeit, allen voran Semler und Ernesti, stand Griesbach in intensivem wissenschaftlichem Austausch.

Doch seine Lehr- und Forschungstätigkeit umfasste neben der neutestamentlichen Exegese auch die Kirchengeschichte, wovon seine Veröffentlichungen zeugen: So legte er in der Ankündigung seiner Antrittsvorlesung De historiae ecclesiasticae den vielfältigen Nutzen der Kirchengeschichte für die Sensibilisierung gegenwärtiger theologischer Arbeit dar. Im Anschluss an Johann Lorenz von Mosheim entwickelte er ein pragmatisches, auf die kritische Urteilskompetenz abzielendes Verständnis auf der Basis eines zunehmend soziologisch konnotierten Kirchenbegriffs, in dem sich ein „reflektiertes Modernitätsbewusstsein“ artikulierte. Zur Anwendung kamen seine Überlegungen einige Jahre später in der umfangreichen Veröffentlichung Stricturae in locum de theopneustia librorum sacrorum, die eine kritische Auseinandersetzung mit der Schriftlehre der altprotestantischen Orthodoxie beinhaltete: Die historiographisch entschärfte Vorstellung einer unmittelbaren göttlichen Eingebung der biblischen Schriften ersetzte Griesbach durch ein graduelles Verständnis der Theopneustie, das ihm die Möglichkeit offenhielt, die göttliche Autorität der Heiligen Schrift auch ohne die Annahme einer Verbalinspiration anzuerkennen. Mit seinem Pfingstprogramm Commentatio de imaginibus iudaicis lieferte Griesbach einen Beitrag zur zeitgenössischen Exegese des Hebräerbriefs, an dessen paulinischer Verfasserschaft er, im Unterschied etwa zu Semler, nicht mehr rigoros festhielt: Der Verfasser wende die alttestamentliche Verheißung eines besonderen jüdischen Hohepriesters auf Jesus Christus an, um die Judenchristen von dem Vorzug des Christentums zu überzeugen. Griesbachs eingehende Historisierung des Hebräerbriefs sollte nicht zuletzt die auf der Hohepriesterchristologie basierende orthodoxe Lehre vom dreifachen Amt Christi zunehmend in Frage stellen.

III.

Griesbachs Anleitung partizipierte an einer gattungsgeschichtlichen Entwicklung, in der die Lehrtradition protestantischer Dogmatik im Rahmen des populartheologischen Diskurses der Aufklärung zugleich traditionsbewusst fortgeschrieben und kritisch umgeformt worden ist. In ihr äußerte sich der frühaufklärerische Funktionswandel, der die in der Schuldogmatik unaufgelöste Spannung zwischen akroamatischer und katechetischer Theologie zunächst auf das Kriterium der intersubjektiven Erweislichkeit dogmatischer Lehren verschob, um schließlich mit der begrifflichen Unterscheidung von Theologie und Religion neue Maßstäbe zu setzen, aber auch das Konzept dogmatischer Theologie grundsätzlich zu hinterfragen. Gleichzeitig sahen sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Versuche einer zeitgemäßen Neuformulierung mit der Herausforderung des gesellschaftlichen Strukturwandels konfrontiert, die nicht zuletzt mit der durchgehenden Professionalisierung theologischer Berufspraxis einherging. Eine gattungsgeschichtliche Initialwirkung entfaltete diesbezüglich Johann Joachim Spaldings Abhandlung Ueber die Nutzbarkeit des Predigtamtes, indem sie die sich herausbildende Populardogmatik u.a. veranlasste, die Religion zum fundamentaltheologischen Leitbegriff und die gesellschaftliche Vermittlungstätigkeit des Pfarrers zur literarischen Kernfunktion zu erklären.

Selbstverständlich hat die deutsche protestantische Aufklärungstheologie die Umformung und Elementarisierung dogmatisch-theologischer Lehrgehalte nicht einheitlich, sondern in der ganzen Bandbreite, die sie auszeichnete, realisiert. Als Vorläufer der Gattung kann das von dem Helmstedter Theologen und späteren Berliner Oberkonsistorialrat Wilhelm Abraham Teller in deutscher Sprache verfasste Lehrbuch des christlichen Glaubens gelten, welches bereits die herkömmliche Lokalmethode zugunsten eines an der Adam-Christus-Typologie orientierten Gliederungsschemas aufgab und das theologische Interesse ausschließlich auf das in der Heiligen Schrift vermittelte praktische Christentum verlagerte. War das Lehrbuch kurz nach seiner Veröffentlichung sogar teilweise noch der Zensur zum Opfer gefallen, so sollte sich das Grundkonzept spätestens in den 1770er-Jahren endgültig etablieren. Die in Gotthilf Samuel Steinbarts System der reinen Philosophie enthaltene Glückseligkeitslehre des Christenthums erweiterte nicht nur das Adressatenfeld auf ein allgemeines, philosophisch interessiertes Publikum, sondern positionierte sich auch deutlich traditionskritischer: Seine Verabschiedung der orthodoxen Satisfaktionstheorie und des alttestamentlichen Gottesbegriffes aus dem dogmatischen Lehrbestand verband Steinbart mit der Forderung einer „gänzliche[n] Abschaffung der Schulsprache des theologischen Systems“. Dagegen bot die Christliche Religionstheorie des Göttinger Neologen Gottfried Leß eine deutlich moderatere Umformung des protestantischen Lehrgebäudes, wobei die religionstheologische und historisch-apologetische Akzentuierung schon im Titel deutlich wurde.

Vom schultheologischen Systembegriff distanzierten sich die repräsentativen Schriften ebenso wie von der verengten Perspektive einer katechetischen oder biblischen Theologie. Die kritische Vermittlung von theologisch-theoretischem Wissen und religiöser Lebenswelt wurde zur Aufgabe eines zunehmend in seiner gesellschaftlichen Verantwortung begründeten Pfarrerstandes und zur Kernintention aufklärerischer Dogmatik. In diese Entwicklung lässt sich Griesbachs Anleitung einordnen.

IV.

Im Wintersemester 1779/80 erweiterte Griesbach sein bisher vorwiegend auf Exegese und Kirchengeschichte ausgerichtetes Vorlesungsangebot um eine Veranstaltung über die „Glaubenslehren“, die er „zum Nutzen besonders für den künftigen Prediger“ einrichtete und alle drei Semester anbot. Auf eigene Kosten ließ er einen 128 Seiten umfassenden Leitfaden mit dem Titel Anleitung zur gelehrten Kenntniß der populären Dogmatik (1779) drucken, der zunächst nur an die Hörer der Vorlesung adressiert war. Allerdings veranlassten die hohe Nachfrage und der zunehmende Bekanntheitsgrad des populartheologischen Konzepts in der Fachwelt Griesbach bald darauf zu einer Neuauflage. Zudem entzündete sich an der Infragestellung der metaphysischen Gottesbeweise sowie der von der englischen Moralphilosophie beeinflussten Glückseligkeitslehre durch die kritische Philosophie Immanuel Kants ein intensiver Richtungsstreit an der Universität Jena, der die Aufklärungstheologie herausforderte, ihr Verhältnis zur überkommenen Dogmatik neu zu bestimmen. Unter dem Titel Anleitung zum Studium der populären Dogmatik wurde die zweite Auflage (1786) nun auch der breiten, literarischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Untertitel deutet die primäre Adressatengruppe ebenso an wie Griesbachs Entscheidung, die Lehrsätze der populären Dogmatik nun verstärkt mit praktisch-theologischen Anmerkungen zu versehen. Dadurch erklärt sich auch der beachtliche Textzuwachs ab der 195 Seiten starken zweiten Auflage.

Das Werk ist in sieben materiale Hauptkapitel und eine fundamentaltheologische Vorerinnerung gegliedert. Letztere rekurriert auf die neologische Unterscheidung von Theologie und Religion und richtet die Populardogmatik funktional auf die durch die Religion Jesu bewirkte und durch den christlichen Religionslehrer vermittelte moralische Besserung aus. Zugleich reflektiert sie die Notwendigkeit einer praktisch-theologischen Übersetzung des überkommenen Lehrsystems im Rahmen des theologischen Studiums. Im Anschluss daran verhandelt Griesbach die theologischen Erkenntnisbedingungen seines Konzepts mit besonderem Fokus auf den aus seiner offenbarungstheologischen Engführung befreiten Religionsbegriff. Gleichzeitig ist der historisch-apologetische Erweis der Wahrheit christlicher Offenbarungsreligion jederzeit als Kernintention erkennbar (§§ 1–34). Nach der Behandlung der Gotteslehre (§§ 35–64), die besonderes Gewicht auf die weltbezogene Schöpfung und Vorsehung legt (§§ 65–88), handelt der Mittelteil vom Subjekt der Theologie, wobei Griesbach seine Überlegungen zur Bestimmung und moralischen Natur des Menschen (§§ 89–111) von der reinterpretierten Urstandslehre abgrenzt (§§ 112–131). Das Lehrstück von den Heilsprinzipien und -mitteln ist auf Christus als den „Wiederhersteller des Menschengeschlechts“ (§§ 132–151) ausgerichtet und läuft klimaktisch auf die Beantwortung der entscheidenden Frage zu: „Wie wird der Christ durch seine Religion zu seiner grossen Bestimmung geführet?“ (§§ 152–170).

Die Anleitung ist sowohl in unterrichtlichen Kontexten als auch im zeitgenössischen fachwissenschaftlichen Diskurs breit rezipiert und weitgehend positiv aufgenommen worden. Der Popularisator der deutschen Aufklärung, Friedrich Nicolai, nahm die erweiterte zweite Auflage in sein Verzeichnis der nützlichsten deutschen Schriften auf. Die Rezension der Anleitung in der von Nicolai herausgegebenen Allgemeinen Deutschen Bibliothek hob die sachgemäße Elementarisierung theologischer Lehrgehalte vor dem Hintergrund deutlich feststellbarer Defizite bei angehenden Berufstheologen hervor: Griesbach, der „über jeden Lehrsatz der Dogmatik bedachtsam nachgedacht“ habe, fülle somit eine neuerdings offengelegte Lücke aus, indem er „das Gewicht eines jeden [Lehrsatzes] für die subjective Religion und Praxis sorgfältig bestimmt“. Auch die Jenaer Allgemeine Literatur-Zeitung lobte die in der Anleitung vorgefundene „vollständige und deutliche Belehrung, nicht nur von der christlichen Religion, sondern auch von der Dogmatik der lutherischen Kirche“, sofern sie „populär vorgetragen werden kann“. Indem die Populardogmatik mit ihrem Vermittlungskonzept nicht nur zum Vorbild religionspädagogischer Entwürfe (August Hermann Niemeyer) wurde, sondern auch den Prozess theologisch-enzyklopädischer Selbstvergewisserung vorantrieb (Johann August Nösselt), lieferte sie schließlich dem theologischen Neuaufbruch des 19. Jahrhunderts (Friedrich Schleiermacher) wesentliche Impulse.

Anhand der vorliegenden kritischen Edition der Anleitung wird sich die Textentwicklung, deren universitäts- und mentalitätsgeschichtliche Rahmenbedingungen sich hier nur andeuten ließen, erstmals in ihrer ganzen Tiefe erschließen lassen. Erst auf dieser Basis kann die gattungs- und theologiegeschichtliche Bedeutung der Schrift in gleichem Maße gewürdigt werden wie die wissenschaftliche Biographie Johann Jakob Griesbachs, der nicht nur den Modernisierungsprozess der Universität Jena, sondern auch die protestantische Aufklärung in Deutschland in der ganzen Breite seines theologischen Wirkens vorangetrieben hat.