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|b[1]| Gotthilf Samuel Steinbarts Königl. Preußl. Konsistorialraths und öffentlichen Lehrers der Gottesgelehrsamkeit und Vernunftweisheit bey der Universität zu Frankfurth an der Oder
System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christenthums
für die Bedürfnisse seiner aufgeklärten Landesleute und andrer die nach Weisheit fragen eingerichtet.
Zweite sehr vermehrte Auflage. Züllichau,
in der Waysenhaus und Frommannischen Buchhandlung. 1780.|b[2]|d√
|a[3]||b[3]||c[3]||d[V]|
An Seine Hochfreyherrliche Excellenz den Hochgebornen Herrn Carl Abraham Freyherrn von Zedlitz Königl. würklichen Geheimen Etats- und Justitzminister, Erbherrn auf Capsdorf, Michelwitz etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
als Chef des geistlichen Departement und Oberkuratoren der Universitäten. |a[4]||b[4]||c[4]||d[VI]|
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenz mir vor vier Jahren das öffentliche Lehramt der Gottesgelehrsamkeit bey der hiesigen Universität, mit Genehmigung des Königes, übertrugen, hatte ich bereits einige Jahre vorher das Glück genossen, bey der Bearbeitung der Entwürfe zur weitern Aufklärung und Verbesserung der Sittlichkeit unsrer Nation Ewr.
Abkürzungsauflösung von "Ewr.": Euer, Eure
Excellenz nach meiner |a[6]||b[6]||c[6]| ganzen Denkungsart näher bekant geworden zu seyn. Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenzäusserten in dieser Rücksicht das Zutrauen zu mir, daß ich in meinem akademischen Amte solche Prediger bilden würde, wie sie die Einwohner der königl. Länder und besonders der Marken nach dem jetzigen Maaß ihrer Kultur bedürften. Ich habe meine ehrerbietigste Dankbegierde gegen dieses gnädige Zutrauen nur durch das Bestreben, mich vermittelst der emsigsten Erfüllung meiner Amtspflichten, desselben immer würdiger zu machen, in dem engen Bezirk meines Hörsals bis|d[VIII]|her geäussert: weil ich zuvörderst alle Disciplinen, welche Lehrer der Weisheit für ein gesittetes Volk auszubilden erforderlich sind, vollständig ausarbeiten wolte, bevor ich einzelne Theile meines Plans öffentlich bekant machte. Ich habe nun diese Arbeit vollendet; und überreiche hiermit Ewr.
Abkürzungsauflösung von "Ewr.": Euer, Eure
Hochfreiherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreiherrl.": Hochfreiherrlich
Excellenz, als hohem Chef der Kirchen in den Preußl.
Abkürzungsauflösung von "Preußl.": Preußisch
Staaten, welchem der König die Für|c[7]|sorge für |a[7]||b[7]| den Geist der Nation übertragen hat, mein System über die Glückseligkeitslehre des Christenthums, und über den grossen Einfluß desselben auf die Wohlfart der Völker. Da von der immer mehrern Berichtigung dieses Systems der ganze Nutzen des öffentlichen Lehramtes bey der Nation abhängt, so ist dieses ein Gegenstand der Ewr.
Abkürzungsauflösung von "Ewr.": Euer, Eure
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenz ganze Aufmerksamkeit verdient. Des Königes Maj. beschliessen das huldreiche Handschreiben, darin Sie mich der gnädigen Aufnahme der Ihnen zugeschriebenen Prüfung der Beweggründe zur Tugend aus dem Grundsatz der Selbstliebe, zu versichern geruhet haben, mit den merkwürdigen Worten:
Les Chretiens se font dans de certaines circonstances une morale bien oposée à celle, qu’ils envisagent comme divine. Il seroit utile de bien lever cette dif|d[IX]|ficulté
Editorische Korrektur von: dif|d[IX]|ficulte (d)
, et très important de rechercher la meilleure maniere de former les hommes, pour que l’amour propre |a[8]||b[8]||c[8]| soutenu, si vous le voulez, par votre principe, fasse sur eux, dans toutes les circonstances de leur vie, l’impression la plus promte, la plus sure, la plus generale et la plus constante. Diesen grossen Zweck, ein habituell wirksames Erkentniß von den Vortheilen einer durchaus tugendhaften Denkungsart unter allen Umständen des Lebens, in der Nation zu verbreiten, habe ich ganz eigentlich durch die gegenwärtige Schrift, vermittelst der Wiederherstellung der reinen Philosophie des Christenthums zu befördern gesucht. Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenz
Editorische Korrektur von: Excellenz. (d)
ersuche ich nun ehrerbietigst, und vor dem zuhorchenden Publikum feierlichst, mein System über die christliche Glückseligkeitslehre theils Selbst nach Deroerleuchteten und tiefdringenden Einsicht in wahre und gemeinnützige Weisheit einer eignen genauern Prüfung zu würdigen: theils dasselbe auch von den rechtschaffensten und gelehrtesten geistlichen Räthen des Königes, den Vätern der |a[9]||b[9]||c[9]| Kirchen von beiden Konfessionen, untersuchen zu lassen, und derselben Gutachten zu erfordern. Die höhere Genehmigung meines Systems von Seiten des hohen Departement der geist|d[X]|lichen Sachen im königlichen Etatsministerium, dem nur allein in den königlichen Staaten das oberrichterliche Amt, was zum Besten der gesamten Nation öffentlich gelehret werden darf, zukomt, wird mir zur besondern Aufmunterung gereichen, in meinem Standpunkt und so weit der Bezirk meiner Wirksamkeit reicht, nach allen meinen Kräften zur Beförderung der grossen und wohlthätigen Entwürfe Ewr.
Abkürzungsauflösung von "Ewr.": Euer, Eure
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenz in Absicht der Nationalkultur beyzutragen. Hierdurch hoffe ich zugleich am eigentlichsten mich der vorzüglichenProtektion und des besonders gnädigen Wohlwollens ferner empfänglich zu machen, wodurch Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenz mich bisher in so vieler Beziehung zu der ehrfurchtsvoll|b[10]||c[10]|sten |a[10]| Dankbarkeit Ihnen verpflichtet haben, mit welcher ich zeitlebens seyn werde
Ewr.
Abkürzungsauflösung von "Ewr.": Euer, Eure
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenz, Meines gnädigen Chef und Herrn Frankfurth den 11ten May 1778.
amtsunterthäniger und ganz eigner devotester Verehrer Gotthilf Samuel Steinbart.
|a[I]||b[I]||c[I]||d[XI]| Anrede an das lesende Publikum bey der ersten Ausgabe von 1778.
Es ist dieses die erste Schrift, in welcher ich unter meinem eignen Namen im Publikum erscheine. In meinen bisherigen kleinen Abhandlungen habe ich nur incognito einige denkende Leute unterhalten wollen. Nicht alle unbenamte Schriften, die man mir in öffentlichen Blättern zugeeignet hat, sind von mir; und auch nach denen, welche es sind, möchte ich nicht gern gerade zu beurtheilet werden. |bII| Die Reisekleider machen mich darin unkentlich; denn ich habe sie insgesamt in einigen Zwischenstunden auf meinen Geschäftsreisen, wenn ich irgendswo einige Tage müßig bleiben mußte, entworfen. Da ich mir nun künftig zum öftern eine förmliche Audienz beym Publikum zu erbitten |cIV[!]| gedenke, und mir sehr viel an einer gün|aII|stigen Aufnahme gelegen ist, so erkenne ich es für eine Pflicht des Wohlstandes und der guten Ordnung, mich zuvor wegen meiner schriftstellerischen Herkunft öffentlich zu legitimiren. Es wird dieses am leichtesten durch eine kurze Erzählung der Geschichte meiner Erkentnisse bewirkt werden können.
|dXII| Ich bin von einem Vater erzogen worden, der von der Seite seines natürlichen Verstandes, seiner Einsichten in die Geschäfte des Lebens, seiner Arbeitsamkeit, vorzüglich aber wegen seiner Rechtschaffenheit und Amtstreue ein wirklich grosser und recht vorzüglicher Mann war; allein die
Denkungsart desselben über Religionswahrheiten war zu der Zeit in Halle ausgebildet worden, da verschiedene würdige Männer sich rühmlichst bemüheten, den bisherigen ganz spekulativen und polemischen Vortrag des Christenthums mehr für das Herz der Menschen zur Erweckung guter Gesinnungen einzurichten; dabey aber, wie |bIII| es gewöhnlich geschieht, auf der andern Seite zu weit gingen, und auf eine mystische Sprache verfielen, die zwar gute Empfindungen erregte, aber nicht geschickt war, den Verstand gehörig zu erleuchten, und deutliche gründliche Einsichten in den Zusammenhang der Wahrheiten hervorzubringen. In dieser Sprache ward ich über die Religion unterichtet, und dabey zu überhäuften Andachtsübungen angehalten. Bisweilen durchliefen gewisse warme |cV[!]| angenehme Gefühle mein Herz, die ich für Seligkeit hielt: öfters aber befand ich mich in der größten Unruhe und Aengstlichkeit, weil ich mich überredete, es läge nur an mir selbst, daß ich den über|aIII|spannten Anforderungen der Religion nicht genügen könte. Nicht selten fiel mir dann bey, ich fehlte nur darin, daß ich zu viel mitwirken wolte, und dann gab ich mir nicht weiter Mühe, auf mich selbst aufmerksam zu seyn, sondern überließ mich allen jugendlichen Empfindungen in der Erwartung, daß die Gnade wol zu rechter Zeit mich wieder ergreifen würde.
Mit dieser Gemüthsfassung brachte mich mein Vater auf
die berühmte Schule des Klosters Bergencd√. Auch hier herrschte noch damals der mystische Lehrton in öffentlichen Religionsvorträgen und mein Vater |dXIII| ward sehr gerne gehört. In |bIV| den theologischen Klassen lernten wir dagegen
nach Baumgartens
Editorische Korrektur von: Baumgartens- (b)
Dogmatik und Polemik Begriffe kunstmässig spalten, und bis in solche kleine Theile zergliedern, die nicht mehr mit dem blossen Verstande, sondern nur vermittelst dazu ganz eigentlich zugespitzter technischer Redformeln annoch gefaßt werden können. Dis hatte ich auch schon selbst so ziemlich gelernt, daß ich nachkünsteln konte, aber das Geheimniß, aus allen Splittern wiederum ein richtig zusammenhangendes Ganze, einen vollständig deutlichen Sachbegrif, zusam|cVI[!]|menzusetzen, ward uns nicht beygebracht, und ist mir ein Geheimniß geblieben, daher ich auch in der Folge diese ganze Kunst als für mich unfruchtbar aufgegeben habe. Wer mir einen deutlichen Begrif von einer Taschenuhr machen will, der zerlege mir solche in ihre merklich verschiedene grössernTheile, und zeige mir diese einzeln von allen Seiten, und dann die Art der Zusammensetzung, so werde ich alles be|aIV|greifen; wer aber die Räder in ihre Zähne zerspaltet, und aus jedem Stift noch neue Theile macht, der wird meine Vorstellung von der Uhr mehr verwirren, als aufklären. Denn wie kan das, was in Staub zermalmet ist, als ein nach allen Theilen volkomnes zusammenhängendes Ganze übersehen werden. Möchten doch die scharfsinnigen Gelehrten sich der Grenzen, wie weit jede Zergliederung der Begriffe |bV|zweckmässig ist, allezeit deutlich bewußt bleiben! wie viel ängstliche Mühe würden sie ihren Schülern ersparen, wie viel reeller und praktischer würde das Erkentniß von vielen Wahrheiten seyn, worüber die Aufmerksamkeit durch so vielen Wortkram zerstreuet wird.
Die vortrefliche Anweisungen, welche ich dagegen in der Mathematik, Physik, Philosophie und den schönen Wissenschaften auf Bergen erhielt, brachten mir einen wahren Geschmack am Studiren und an der Lektüre bey. Ich |dXIV| ward in die Gesellschaft einiger der geschicktesten Pädagogisten |cV| aufgenommen, welche insgeheim eine auserlesene Bibliothek verbotener Bücher in einer Krankenstube, deren schwächlicher Bewohner der Haupteigenthümer derselben war, verborgen hielten. Hier laß ich unter andern auch die
Schriften des Philosophen von Ferney; anfänglich mit grosser Beunruhigung und Aengstlichkeit, indem ich gern meinen bisherigen Glauben wider den Spötter vertheidigen wolte, und doch zum öftern gezwungen ward, ihm beyzustimmen: nach und nach mit immer grösserer Begierde und Beyfall. Endlich kam es mit mir so weit, |aV| daß ich deutlich einsah, ich müßte entweder den bon sens verabschieden und auf den Gebrauch meiner eignen gesunden Vernunft auf immer Verzicht thun, |bVI| oder aber mein ganz Religionssystem umändern. Das erste war mir unmöglich, und also erfolgte nach vielem Kämpfen das letzte. Ich ward also ein theoretischer Freigeist, behielt aber dabey die mir durch meine Erziehung habituell gewordne Ehrfurcht gegen Gott und gegen die Stimme meines Gewissens bey.
Ich war bestimt, der Nachfolger meines Vaters in der Direktion des Züllichauischen Waysenhauses zu werden. Diese Stiftung meiner Vorältern hat in ihrer vom Könige ertheilten Fundation das Privilegium erhalten, daß der jedesmaligeDirektor seinen Nachfolger erkennen kan. Als der einzige Sohn meines Vaters hatte ich |cVI| also bereits von Kindheit
Editorische Korrektur von: Kindheit, (b)
an in den Posten desselben eine sichre Aussicht gehabt, und mich an dieselbe gewöhnt. Da der Direktor des Waysenhauses nicht nothwendig zugleich Prediger an demselben oder überhaupt ein Theologe seyn muß, obgleich mein Vater beide Aemter verwaltet hat, so machte ich meinen Entwurf dahin, daß ich blos auf die Erziehungskunst studiren, und mich äusserlich zur theologischen Fakul|dXV|tät bekennen wolte, ohne mich eigentlich dem Predigtamte zu widmen.
Der damalige Abt des Klosters Bergen,
der ehrwürdige Steinmetz , welchen ich nie ohne dank|bVII|bare Hochachtung nennen werde, hatte schon ehedem, als er noch in Teschen stund, eine sehr genaue Freund|aVI|schaft mit meinem Vater errichtet, welche durch die Aehnlichkeit ihrer theologischen Denkungsart veranlasset, und durch ihr gemeinschaftliches Interesse gegen die Herrnhüther, die sich beider Begünstigung gerühmt hatten, noch mehr befestiget worden war.
Der Abt hatte daher meinem Vater die Pension für mich zur Hälfte erlassen, und mich dagegen unter diejenigen aufgenommen, welche ihm in den Abendstunden wöchentlich einmal vorlesen mußten. Aber selten ließ er mich vorlesen; sondern er wandte die dazu ausgesetzte Stunden (weil ihm meine Bestimmung zum Vorsteher eines öffentlichen Erziehungshauses bekant war,) größ|cVII|tentheils dazu an, mich über das Schulwesen überhaupt, und insonderheit über die Pflichten und Klugheitsregeln bey der Direktion einer öffentlichen Anstalt zu unterrichten. Diesem bekantlich grossen und erfahrnen Schulmanne habe ich die ersten Erweckungen zu dem algemeinen Vorsatz, mich den Erziehungsgeschäften überhaupt und ins Grosse zu widmen, zu verdanken, weil ich frühzeitig einsehen lernte, wie viel hierin noch auszurichten möglich sey. Der größte Theil meiner |bVIII| Zeit und meines Nachdenkens ist diesem Studium seitdem gewidmet geblieben, und ich werde dem Publikum das Resultat meiner Untersuchungen und eignen Erfahrungen nächstens in meinem
Entwurf zu einer mit jedem Grade der Aufklärung einer Nation sich vervollkommenden allgemeinen Verbesserung der öffentlichen Erziehung und des Schulwesens vorlegen, so bald es nur die sich mir näher andringende und unmittelbarere Amtsarbeiten verstatten werden.
c√
|aVII| Nun bezog ich die Universität zu Halle. Hier war Baumgarten zu der Zeit das Orakel der Theologen. Ich bemerkte bald, daß die äussere Lage dieses in so verschiedenen Fächern helldenkenden und scharfsinnigen Mannes ihn in seinen öffentlichen Vorlesungen und Schriften nöthige,|cVIII||dXVI| dunkel zu bleiben und blos denen, die Fähigkeit hatten weiter zu forschen, die nöthigen Winke zu geben. Indes hofte ich ihn bey privat Unterredung offenherziger und freimüthiger zu finden. Ich setzte also meine wichtigsten Zweifel gegen das Christenthum auf, und übergab ihm solche mit dem Vorgeben, daß ein gewisser, damals in Halle studirender Kavalier, der als Freigeist bekant war, mir solche vorgelegt hätte, ihm dieselbe aufzulösen, und ersuchte den Herrn |bIX|Dokter darüber um einige Rathgebungcd√. Herr Baumgarten sahe mein Blat kaltblütig durch, und gab mir darauf zur Antwort: „sie müssen sich niemals mit einem Naturalisten über Religionsfragen einlassen, bevor er ihnen nicht seine Principien, was er für ausgemachte Wahrheit hält, schriftlich vorgelegt hat: denn die Herrn leugnen immer rückwärts, wenn sie in die Enge getrieben werden, und haben oft am Ende gar keine Principien. Suchen sie ihren Freund dahin zu bestimmen, daß er ihnen das, was er in Absicht der Religion glaubt und für erwiesen hält, schriftlich aufsetze und unterschreibe: alsdann haben wir Principien, wo wir anfangen und weiter fortbauen können, und wenn sie mir einen solchen schriftlichen Aufsatz bringen, so will ich ihnen eine Anleitung geben, wie sie weiter verfahren |aVIII| sollen.“ – Ich eilte mit Freuden nach meiner Studirstube, weil ich glaubte, nichts könte leichter für mich seyn, als ein kleines System der Wahrheiten, die ich für unbezweifelt hielt, aufzuführen. Allein kaum |cIX|fing ich zu arbeiten an, so ward ich gewahr, wie viel unbestimtes und unzusammenhangendes in meinen Begriffen und Meinungen war, und wie sehr es mir noch an der Fertigkeit fehlte, meine Gedanken für einen so scharfsinnigen methodischen Mann, wie Herr Baumgarten war, erträglich zu ordnen. Baumgarten starb etwa acht |bX|Monat nachher, ehe ich mit meinem System fertig geworden war. |dXVII| Aber unschätzbar ist mir demohngeachtet der Rath dieses grossen Mannes geblieben. Ich ward dadurch erweckt, zeitig auf ein eignes System zu denken, und so schwer es anfangs damit hielt, einige Grundlage zu demselbigen zu machen, so habe ich doch in der Folge in mein ganzes Studiren frühzeitig Licht und Zusammenhang gebracht. Alles, was ich hörte und laß, dachte ich in Beziehung auf mein System. Ich blieb mir immer bewußt, wie weit ich in der zuverlässigenErkentniß gekommen wäre, und wo es mir eigentlich an Klarheit, Bestimtheit, Gewißheit der Begriffe und Hauptwahrheiten noch fehlte: und so wuchs, wiewohl langsam, dennoch mein gelehrtes und scientivisches Erkentnißallmählig zu etwas Ganzem heran.
|aIX| Die
Annäherung der feindlichen Kriegesheere in die Gegend von Halle nöthigten mich, um von meinem Vater nicht allzu lange abgeschnitten zu werden, nach Frankfurth zugehen. Hier
fand ich an dem vortreflichen Töllner einen Freund und Va|cX|ter, der mir bald so viel Zutrauen einflößte, daß ich ihm meine ganze Gemüthslage entdeckte. Ich wohnte bey ihm, und speisete an seinem Tisch, und war sein beständiger Begleiter auf allen seinen Spatziergängen. |bXI| Er vertröstete mich wegen aller meiner Zweifel, daß wenn ich den ganzen Kursus der theologischen Disciplinen unter ihm machen würde, mir aus seinen Vorlesungen alles deutlich und gewiß werden solte, und erlaubte mir, ihm täglich gegen alles, was mir in seinem Unterricht zweifelhaft geblieben wäre, meine Bedenken zu eröfnen; wir disputirten demnach täglich. Ich lernte dabey ungemein viel, aber größtentheils war mein Nachgeben über so viele Hypothesen des Kirchensystems mehr die Wirkung der Ehrerbietung, die ein Schüler seinem Lehrer schuldig ist, als der gänzlichen Ueberzeugung; und Herr Töllner fühlte und bemerkte dis selbst nur allzuwohl, ohne jedoch darüber un|dXVIII|willig zu seyn. Bis an das Ende dieses würdigen Mannes haben unsre Dispüten, so wie unsre wärmste Freundschaft fortgedauert: aber meine ehrfurchtsvollste Dankbarkeit, wird nie, so lange ich lebe, gegen ihn verringert
Editorische Korrektur von: veringert (b)
werden.
|aX| Von Frankfurth ging ich nach Berlin, um
als Lehrer an der vom Oberkonsistorialrath Hecker , meinem nachmaligen Schwager, gestifteten Realschule, die für so viele andre ein Muster geworden ist, das Vorzüglichste
Editorische Korrektur von: Vozüglichste (c)
, wodurch sie sich unterschied, zu meiner weitern Bestimmung zu lernen.
Damals genoß |cXI| Berlin noch nicht das Glück, daß die einsichtsvollern Prediger ihre Aufschlüsse öffent|bXII|lich mitgetheilt hätten. Der freimüthige Sack war in Magdeburg, und die herrschende Denkart im Oberkonsistorium war unbestimt, oder doch vor den Augen der Kandidaten ein Räthsel.
Von Berlin kehrete ich also nach Züllichau zurück, ohne in meiner theologischen Erkentniß einen merklichen Anwachs des Lichts erhalten zu haben, ausser demjenigen, welches mir
das Lesen besonders der Lockischen und Fosterschen Schriften verschaffet hatte. Diesen meinen zween Lieblingsautoren bin ich nicht nur viel materielle Aufschlüsse, sondern auch eine grosse Verbesserung meines formalen Denkens überhaupt, und in der Theologie insonderheit schuldig. So weit war ich indes im System meines Religionserkentnisses bereits gekommen, daß ich aus der Geschichte der Gottesdienstlichkeiten unter Juden und Heiden deutlich einsahe, Jesus sey ein ausserordentlicher Mann von seltenen Talenten und seltener Rechtschaffenheit gewesen. Ich hielt mich an die |aXI| ihm eigenthümliche und von seinem Liebling, dem Johannes , so oft relevirte Begriffe, daß Gott nur als Vater angesehen, nur geliebt nicht gefürchtet werden will, für alle Umstände und kleinste Veränderung uns|dXIX|res Lebens sorgt, und blos durch Redlichkeit und wohlwollende Gesinnungen gegen andere unter dem frölichsten und vernünftigsten Genuß alles Guten in |bXIII| der Welt |cXII| von uns dankbar verehret werden will. Die andern Apostel schienen mir alle etwas aus ihrem vorigen privat System übrig behalten und der Lehre Jesu beygemischt zu haben. Wenn ich im alten Testament gelesen hatte, fiel mir allemal der Ausspruch Christi Joh. 10, 8. aufs Herz: alle die vor mir gewesen sind, sind Diebe und Mörder gewesen: und dieser schien mir so durchaus in seiner ganzen Ausdehnung wahr, daß alles in der mosaischen Religion nur auf Ausplünderung der einfältigen Juden angesehen gewesen sey, und diese arme Leute überdis noch Todesangst und übertriebne Furcht vor dem Zorn Gottes, statt einiges Dankes, von den Priestern überkommen hätten. Nachdem ich aber nachher die Geschichte der Religionen sorgfältiger studiret, mich in die Lage Mosis , und in den ganzen Plan der theokratischen Regierungsform hineingedacht, und die Reden der Propheten, in Beziehung auf den Grad der Kultur der jüdischen Nation, nach ihrer nächsten begrenzten Absicht mir erkläret habe, so bin ich be|aXII|stimt worden, Christi Worten eine etwas gelindere Bedeutung zu geben, obgleich die Hauptbegriffe dieselben und völlig wahr bleiben, daß alle herrschende Religionsmeinungen unter den Juden den Menschen mehr Vortheile und Freuden des Lebens geraubt als gegeben, sie mehr geängstiget und in Schrecken gesetzt, als beruhiget und mit Hofnungen erfüllet haben.
|bXIV||cXIII| In meinem 32. Jahre bin ich mit meinem gesamten System über die Glückseligkeit und über die christliche Religion im Verhältniß gegen einander zu Stande gekommen, und habe mich auf eine feste Art überzeugt, daß der Geist der Anweisungen Christi ein göttlicher Geist ist, und der gesamte Plan des Christenthums genau mit dem ganzen |dXX|Plan Gottes in der Natur übereinstimt. Kein Trieb, mich durch Neuerungen in der Lehre nahmkundiger zu machen, hat mich verleitet, mit Bekantmachung dessen, was ich etwa besser als andre zu erkennen glaubte, zu eilen. Ich wünschte vielmehr, daß manches schon vor mir von vielen gesagt wäre, was ich in dieser Schrift sagen mußte, weil die ersteBehauptungen, welche herrschenden Lehrmeinungen entgegen gesetzt sind, selten eine günstige Aufnahme erwarten können, als etwa bey den Stillen im Lande. Mein Wunsch ist auch zum Theil erreicht, und sehr vieles ist seit 8 Jahren öffentlich gesagt worden, was nun nicht mehr unerhört |aXIII| und ganz fremd klingen wird. Ich hatte mir aus der Ueberzeugung, daß auch unsre vollständig berichtigt scheinende Einsichten durch Erfahrung, durch Besprechung mit andern Gelehrten und durch Nachlesen, noch in immer höherm Grade gereiniget und bestimter gemacht werden können, fest vorge|bXV|nommen, vor dem vierzigsten Jahre meines Alters nichts wichtiges über die allgemeine Verbesserung in der Religion oder öffentlichen |cXIV| Erziehung zu schreiben. Ich bin im verflossenen Herbst in mein 40tes Jahr getreten, und nun halte ich mich verpflichtet zu wirken, weil es Tag ist, und mit derjenigen Freimüthigkeit, welche meine innre Ueberzeugungen von mir fordern, und wozu mein akademisch theologisches Lehramt, und der ausdrückliche Auftrag meiner Obern mich berechtiget und verpflichtet, das ganze Resultat meiner mehrjährigen gewissenhaften Nachforschung nach Licht und Wahrheit dem Publikum vorzulegen. Ich habe in den letztern acht Jahren keinen Hauptbegrif meines Systems zu verändern nöthig gefunden, aber wohl hat mich
das unschätzbare Wörterbuch des Herrn Oberkonsistorialraths W. A. Teller in den Stand gesetzt, viele Stellen der apostolischen Schriften, die ich ihrer Dunkelheit wegen dahin ge|dXXI|stellet lassen seyn mußte, dem Geist der Religion Jesu anständig zu finden, und nach ihrer wahren Abzweckung besser zu erklären.
|aXIV| Ich habe ehedem niemals darauf gedacht, ein akademischer Lehrer zu werden. Meine Aussicht ging dahin, die Züllichauische Erziehungsanstalten zu einer allgemeinen Normalschule zu erwei|bXVI|tern, auf welcher Schulmänner zur wahren Aufklärung der Nationen, für alle Gattungen der Schulen, ausgebildet werden könten. Hierzu machte ich die Voranstalten
Editorische Korrektur von: Veranstalten (a)
unter der Hofnung einer sehr grossen Unterstützung. Meine Plans wurden von des
Herrn Etatsministers Freyherrn|cXV| von Münchhausen Excellenz, als meinem damaligen höchsten Chef, so wie nachher von meinem jetzigen Chef des Herrn Geheimen Etatsministers Freyherrn von Zedlitz Excellenz durchaus gebilliget und ihre Ausführung unterstützt: ja Se. Königl. Majestät ertheilten Höchstselbst mir die allgemeine Postfreiheit zur Korrespondenz über das allgemeine Schulverbesserungswesen in ihren sämtlichen Ländern. Allein mein Vermögen ward erschöpfet, ehe die bequeme Zeit zur Ausmittelung eines hinlänglichen Fonds eintrat; und man muß abwarten bis anderweitige Bedürfnisse des Staats solche verstatten werden. Um indes meinen Geschäftskreiß zu erweitern, ward mir das akademische Lehramt hieselbst mit Beybehaltung meiner bisherigen Aemter übertragen. Wegen des allgemeinen Schulverbesserungsplans werde ich die Erwartung des Publikums nächstens durch Vorlegung desselben befriedigen. Die Hauptidee dabey ist diese, |aXV| daß zwischen dem gelehrten Stande, als dem denkenden Kopf, und den ar|bXVII|beitsamen Ständen, als den Händen am Staatskörper, die jetzt fast gänzlich fehlende nähere Verknüpfung hervorgebracht werden muß.
Man wird schon vermuthen, daß ich mir auch bey dem Plan über meine akademische Arbeiten eine neue Bahn gebrochen haben werde. Da ich mehrere Jahre hindurch in allerley Geschäften des bürgerlichen Lebens und auf vielerley |cXVI| Feldern desselben geübt worden bin, so habe ich die Welt von viel mehreren Seiten kennen gelernt, als sie aus dem Fenster der Studirstube betrachtet werden kan; und hierdurch hat allerdings meine auf Schulen eingesamlete Gelehrsamkeit eine grosse und allgemeine Reform erleiden müssen. Wie vieles lernen wir noch, was uns im geschäftigen Leben ganz unnütz bleibt! wie vieles solten wir frühzeitig lernen und üben, wozu uns kein Lehrer eine Anweisung giebt!
Die Theologen studiren gewöhnlich gerade so, als ob sie nur um andrer Theologen willen in der Welt wären, und doch ist unleugbar, daß sie nur um derer willen da sind, die nicht Theologie studirt haben. Einem Prediger gehet in der Welt kein andrer Theologe etwas an, sondern er ist um seiner Gemeine willen da, und wenn er diese ruhi|bXVIII|ger, zufriedner, weiser macht, so erfüllet er seine Bestimmung. We|aXVI|der er noch seine Gemeine verliert oder gewinnet dabey etwas, daß die Wahrheiten, welche er vorträgt, von andern Theologen eben so oder anders gedacht werden; schon lange oder erst seit kurzem erkant worden sind. Doch ich breche hier ab, und behalte mir vor, in einigen Nachträgen zu dieser Schrift theils über meine bisherige anonymische Kleinigkeiten, theils über den Plan meines akademischen Unterrichts, theils über den Gebrauch dieser Schrift noch manches zu sagen, da |cXVII| die Messe mich übereilt hat, diese Schrift zu ihrer ganzen Bestimmung zu vollenden.
Nun noch eine vorläufige Bitte an meine Leser, die ich in drey Klassen eintheile:
1. an die, welche mich an Einsichten übertreffen und mich beurtheilen können: Sie, theureste Männer, ersuche ich in meiner Schrift auf zwey Punkte vorzüglich aufmerksam zu seyn, und mich, was sie darüber besseres erkennen, zu lehren:
a)
Editorische Korrektur von: a. (digital)
was menschliche Glückseligkeit sey? denn hiervon hängt doch unleugbar das Urtheil ab, ob ein Weg dazu führe oder nicht? |dXXIII|
b)
Editorische Korrektur von: b. (digital)
ob eine wahre göttliche Offenbarung, sofern sie allgemein seyn soll, etwas Positives|bXIX| enthalten könne; oder, ob in Gottes Gesinnungen, Vorschriften und Strafen etwas Willkührliches statt haben könne? wie viel hiervon abhängt, darf ich Ihnen nicht sagen. |aXVII|
2. an die, welche Unterricht und Licht suchen: Sie bitte ich, Freunde der Wahrheit, diese Schrift nicht blos zu lesen, sondern ganz eigentlich zu studiren. Ich habe vieles zusammengedrängt, und wünsche daher, daß sie oft mitten im Paragraphen absetzen, und erst das Gesagte umständlicher überdenken möchten, ehe sie weiter lesen, auch daß sie das Aufschlagen der Sprüche nirgends verabsäumen wolten. |cXVIII|
3. an diejenigen, welche glauben, daß jede Abweichung vom Kirchensystem ein Verbrechen sey: Sie, Freunde des Herkommens, habe ich zu bitten, daß sie Gott und denen obrigkeitlichen Personen, welchen es allein zukomt zu richten, nicht vorgreifen und sich erinnern, daß eigentlich der Protestantismus im Gegensatz des Pabstthums darin bestehet:
daß die heilige Schrift die einzige Erkentnißquelle und Schiedsrichterin in der christlichen Religion seyn solle, und daß keine menschliche Autorität die Auslegung derselben einzuschränken berechtiget sey. Ich kenne keinen andern Grundsatz, |bXX| der eigentlich symbolisch wäre, als diesen, und also muß ich als Protestant, als Theologe, als Professor, der mit Luthern schlechterdings gleiche Rechte hat, nothwendig so lehren, wie ich, beym gewissenhaften Gebrauch aller jetzt vorhandnenAuslegungsmittel, den Unterricht Christi und der Apostel verstehe. Eine |aXVIII| Wahrheit kan dadurch, daß dieser oder jener sie denkt oder nicht denkt, daß sie schon von vielen oder noch d√ wenigen erst gesagt ist, an sich keine Abänderung erleiden.
a√
z√
|b[XXI]||c[XIX]||d[XXIV]||z[I]| Fortsetzung der Anrede an das lesende Publikum bey der zweiten Auflage von 1780.
Bey der ersten Ausgabe dieser Schrift ward ich durch
die bereits eingetretene Buchhandlungsmesse genöthiget, in meiner Anrede ans Publikum da abzubrechen, wo man vielleicht noch eine bestimtere Erklärung über meinen eigentlichen Zweck bey dieser Schrift erwartet hatte. Ich glaubte indes, daß der deutliche Titel des Buches, nebst dem, was in der Einleitung und §. 80 , unmittelbar vor Aufführung des eigentlichen Systems, gesagt worden war, hinlänglich seyn würde, meine wahre Absicht und ihre Grenzen ins Licht zu setzen. Hierin habe ich mich geirret. Der Titel, den ich für sehr verständlich hielt, hat selbst einigen Predigern räthselhaft geschienen, und der Zweck des Ganzen ist von noch mehrerern gänzlich verkant worden. Ich muß mich also über beides erklären.
Ich nehme auf dem Titel alle Worte in ihrer eigentlichsten und gemeinsten Bedeutung. Unter Philosophie verstehe ich, der Abstammung |cXX| des |bXXII||zII| Wortes gemäß, Studium der Weisheit und als Gegenstand der Erkentniß betrachtet, wie sie ein Buch enthalten kan, Weisheitslehre. Da nun wahre Weisheit die Wissenschaft ist, sein Daseyn möglichst zu benutzen, so sind Philosophie und Glückseligkeitslehre gleichbedeutende Ausdrücke, in sofern man |dXXV| blos auf den Inhalt (oder das Materiale) siehet: und darum ist das letztre Wort dem erstern zur Erklärung beygefügt. Allein Philosophie bezeichnet noch überdisdie Art und Weise desErkennens. Ein jeder denkt sich, dem allgemeinen Sprachgebrauch nach, ein gelehrtesErkentniß aus innern Wahrheitsgründen darunter, und setzt ein philosophisch Erkentniß dem blos historischen entgegen. Eben so ist System in der gebräuchlichsten Bedeutung genommen worden; denn alle Gelehrten verstehen darunter einen zusammenhängenden Vortrag sich auf einander beziehender Wahrheiten, darin zuvörderst die Grundbegriffe entwickelt, und hernach die Sätze so zusammengeordnet werden, daß ihre Begründung in einander, und ihre Zusammenstimmung zu einem Ganzen deutlich übersehen werden kan.
Ein System der Christenthumsphilosophie ist also ein solcher bündiger Vortrag der von Christo ertheilten Anweisungen zu höherer menschlicher |bXXIII||zIII| Glückseligkeit, woraus derselben innre Wahrheit und hinlängliche Vollständigkeit, |cXXI|unabhängig vonGeschichte, deutlich erkant werden kan. Dieses verspricht also der Titel des Buches, und mich deucht, daß der Inhalt desselben das Versprechen erfüllet.
Die Personen, für welche ich eigentlich die Schrift aufgesetzt habe, bestimt der Titel ebenfals genau. Es sind überhaupt nur solche, die Bedürfnisse in Absicht der Religion haben, und die sich also durch den gemeinen Kirchenvortrag nicht befriediget fühlen; und unter diesen zunächst meine aufgeklärteLandesleute, die bey der Freiheit im denken, sprechen und schreiben, die in unsrem Vaterlande herrscht, von der Anhängigkeit an unverständliche Wortformeln und gelehrtklingenden Unsinn entwöhnt worden sind, und nicht Deklamation, sondern klare Sach|dXXVI|begriffe und gründliche Einsichten in Religionsvorträgen verlangen, durch welche sie in Stand gesetzt werden, ihr Gemüth gegen die herrschenden Zweifel und gemeinen Einwürfe wider das Christenthum zu bevestigen. Ferner habe ich auch andern, die nachWeisheit fragen, nützlich werden wollen.
Diese Redensart ist aus Luthers Bibelübersetzung 1 Cor. 1, 22. entlehnt, wo Paulus den abergläubigen Juden, die immer Zeichen und Wunder sehen wolten, die gelehrtern Grie|bXXIV||zIV|chen, die Vernunftgründe zum Beweise eines Religionsvortrages verlangten, entgegensetzt. Herr Sack hat auch in der Vorrede zur letztern Ausgabe |cXXII| seiner Schrift:
Vertheidigter Glaube der Christen; deutlich gezeigt, wie diese Verschiedenheit der doppelten Denkart noch unter unsren Zeitverwandten statt finde, und sich dabey der nemlichen Ausdrücke bedient. Endlich hatte ich mich zum Ueberfluß selbst§. 80. der ersten Auflage, ausführlich darüber erklärt, was für Leser ich unter denen verstehe, die nach Weisheit fragen. Ich bin daher nicht wenig erstaunt, daß selbst Prediger auch diese Ausdrücke für räthselhaft gehalten und mißgedeutet haben. Ich erkläre demnach hiermit aufs bestimteste, daß ich unter Leuten, die nach Weisheit fragen, nur solche verstehe, welche erstlich Weisheit suchen, das ist: die Religion nicht wie viele Theologen ihre Dogmatik, als eine spekulative Wissenschaft und Gedächtnißwerk studiren
Editorische Korrektur von: stndiren (z)
wollen, sondern nach einer praktischen Anweisung zu wahrer Gemüthsruhe und Heiterkeit der Seele und einer erhöheten Thätigkeit in Ausübung aller göttlichen Tugenden sich sehnen: und zweitens nicht durch Nachrichten von ehemals geschehenen Wundern, deren Glaubwürdigkeit sie in ihrer Lage hinlänglich zu prüfen weder Hülfsmittel noch Muse genug ha|bXXV||zV|ben, sondern durch immer fortdaurende innre Merkmale der Wahrheit überzeugt seyn wollen.
|dXXVII| Und so glaube ich denn nun den vollen Verstand von dem Titel meines Buches so vorbuchstabiret zu haben, daß wenigstens die meisten von de|cXXIII|nen, die ihn vorher nicht verstehen konten, nunmehro klar einsehen werden, wie sie selbst gar nicht unter die Klasse des lesenden Publikums gehören, für welche ich diese Schrift ausgearbeitet habe.
Ehe ich den Hauptzweck dieser Schrift, in Beziehung auf die besondern Bedürfnisse der jetzigen Zeit, völlig ins Licht setzen kan, muß ich zuvörderst die Veranlassung erzählen, wodurch ich bestimt worden bin, die Hauptwahrheiten des Christenthums in der Form und unter dem Namen eines Systems vorzutragen, und diese Schrift vor allen meinen übrigen Lehrbüchern, die ich nach und nach in Druck zu geben gedenke, zuerst bekant zu machen. Man hat
vom Melanchton an in unsrer Kirche, besonders auf Akademien, einen systematischen Vortrag der Theologie für den vorzüglichsten gehalten, und die mehresten haben sich dieser Lehrart bedient. Seit Wolfs Zeiten ist so gar eine der mathematischen sich möglichst nähernde Methode empfohlen worden, und mein
Editorische Korrektur von: meine (b)
Vorgänger im akademischen Lehramt, der verdiente Töllner , hat eigne Traktate darüber ge|bXXVI||zVI|schrieben, in welchen er zu beweisen suchte, daß die strenge scientivische Lehrart zum Vortrage sämtlicher theologischen Disciplinen die beste und die einzige wahre zur Beförderung gelehrter Einsichten sey. Andre neuere Theologen sind dagegen der Meinung, daß die systematische Methode die allerunschicklichste
Editorische Korrektur von: alle unschicklichste (d)
und schädlichste beym Vor|cXXIV|trage des christlichen Lehrbegrifs sey. Ihre Gründe sind:
1. weil die meisten Materialien, woraus man das Lehrgebäude künstlich zusammensetzt, noch einer genauern Bearbeitung bedürften;
Editorische Korrektur von: bedürsten; (b)
und aus dem rohen und zum Theil vermorschten
Stückwerk des überlieferten Erkentnisses|dXXVIII| kein festes Gebäude, welches den Bestürmungen der Freigeister Widerstand thun könte, aufzuführen möglich sey.
2. weil diejenigen, welche ein solches System des Christenthums, als einen Inbegrif erwiesener göttlicher Wahrheiten, von ihrem akademischen Lehrer angenommen hätten, sich nachher nicht wagten, etwas daran zu bessern; aus Beysorge, daß das Ganze die Haltung verlieren möchte, wenn man einen Begrif oder Satz herausnehmen und abändern wolte.
3. weil hieraus weiter bey den Verehrern eines Systems, so bald ihnen die Untauglichkeit oder Unzuverlässigkeit einer oder der andern menschli|bXXVII||zVII|chen Hypothese, die das Lehrgebäude zusammenhalten hilft, von einem gelehrten Gegner dargethan wird, in Aengstlichkeit wegen der gesamten Religion gerathen; und entweder auf
Köhlerglauben und blinden Eifer verfallen, und sich selbst alles weitere Nachdenken und Lesen versagen, um nur Zweifel zu vermeiden; oder aber in völligen Unglauben und Freigeisterey |cXXV| gerathen, weil ihr System alle Haltung verloren hat.
Aus diesen Gründen halten nun viele angesehene Gottesgelehrten
Editorische Korrektur von: Gottesgelelehrten (b)
eine historische Lehrart beym Vortrage der Theologie für nützlicher. Nach dieser werden bey jedem Lehrartikel und wichtigem Satze alle verschiedene Meinungen erzählt, die jemals in der Kirche darüber aufgekommen sind, und die Gründe, womit jede Parthey ihre Behauptungen unterstützt hat, vorgelegt. Man überläßt sodann den jungen Theologen, aus diesem Reichthum der Materialien sich selbst das Beste zu wählen, und daraus ein Lehrgebäude zu erbauen, wie es ihren übrigen Einsichten zusagt. Diese Methode hat offenbar den Vortheil, daß sie mehr zum eignen Nachdenken erweckt, und die Studi|dXXIX|renden auf den Weg des Weiterforschens führt, um nach und nach immer vollkomnere und
zuverlässigere Einsichten durchs Lesen der besten Schriften, durch cd√ Reflexion, und |bXXVIII||zVIII| durch Aufmerksamkeit auf Erfahrungen sich selbst zu erwerben. Auch bereitet diese historische Vortragsart zur Klugheit im Lehramt näher vor, daß es dem Prediger nachmals leichter wird,
allen allerley zu werden, wodurch unleugbar mehrere gewonnen werden, als durch systematische Unbiegsamkeit des Geistes. – Ueberdis ist auch der akademische Lehrer selbst gegen die unartigen Beschuldigungen der Irrgläubigkeit bey dieser |cXXVI| historischen Methode mehr gesichert, indem er blos Facta erzählt, daß nemlich diese und jene Meinung in der Kirche vorgetragen worden sey, ohne dogmatisch festzusetzen, ob die unterdrückte und herrschend gebliebene Parthey die Wahrheit auf ihrer Seite gehabt habe.
Allein so vorzüglich sich diese Lehrart von der bisher betrachteten Seite empfiehlt, so fehlt es doch nicht an sehr scheinbaren Gegengründen, woraus man sie von einer andern Seite für nachtheilig und fehlerhaft zu erklären sucht. Man wendet nemlich ein, daß diese Methode nur für diejenigen Studirenden von wahrem Nutzen seyn könne, welche einen guten Kopf, vielen Fleiß, und hinlängliche Hülfsmittel vereint besässen, und nach den Universitätsjahren noch eine geraume Zeit Muse zum eignen Studiren geniessen könten, ehe sie sich als Lehrer der Jugend oder des Volks dürften anstellen lassen. Diese würden allerdings |bXXIX||zIX| durch die Einleitung in den Weg der freimüthigen Untersuchung und des Weiterforschens vorzüglich brauchbare Männer werden. Allein der weit grössere Theil der mittelmässigen Köpfe unter den Studirenden sey schlechterdings unfähig, sich selbst ein System zu formiren, und werde durch die Menge der Gründe und Gegengründe für jeden Lehrsatz nur in Verwirrung ge|dXXX|setzt, so daß schwache Köpfe lebenslang in ihrem Lehrbegrif unbestimt und schwankend bleiben, wo nicht |cXXVII| gar allgemeine Zweifler werden würden. Ueberdis, sagt man, müssen ja die mehresten Theologen so gleich von der Universität das Amt der Jugendlehrer antreten, und wie können diese im Christenthum unterrichten, wenn sie selbst noch nicht mit sich eins worden sind, was sie glauben und lehren sollen.
Ausser diesen vernünftigen Gegnern der historischen Methode, die sie durch scheinbare Gründe zu bestreiten suchen, giebt es noch andere Eiferer, welche mit Ungestüm
einen verdienstvollen Semler und andre Aufklärer der historischen Theile der Gottesgelehrsamkeit beschuldigen, daß sie mehr niederreissen, als baueten, mehr Zweifel erregten, als Ueberzeugungen beförderten, und wol selbst, überall kein System haben möchten!
|bXXX||zX| Sehet da, meine Leser, die Veranlassung, welche mich bestimt hat, ein System der Christenthumsphilosophie meinen übrigen Schriften voraus zu schicken. Denn auch ich gehöre zu denen, welche die historische Lehrart überall, wo es auf Meinungen ankomt, wie bey dem kirchlichen Lehrbegriffe, für die allein zweckmässige halten, durch welche am sichersten die Berichtigung des Fehlerhaften befördert werden kan; und ich bediene mich daher auch derselben beym akademischen Vortrage der Glaubenslehren. Zugleich aber befinde ich mich in der glücklichen Lage der Unabhängigkeit nach allen meinen äussern |cXXVIII| Verhältnissen und Wünschen, daß ich mich nicht scheuen darf, mein eignes System der Welt vorzulegen.
Und nun kan ich den Hauptzweck und zwiefachen Nebenzweck dieser Schrift deutlicher angeben. Ich habe durch dieselbe zunächst meinen theologischen Zuhörern, und dann auch andern jungen Gottesgelehrten, die Grund|dXXXI|lagen zu einem förmlichen Lehrgebäude über das Christenthum liefern wollen, worauf sie sich nun theils selbst ein eignes System aufführen, theils mehrere nach den Bedürfnissen ihrer künftigen Kirchkinder formiren können. Sie finden die allgemeinsten und wesentlichsten Lehrwahrheiten von §. 81 –84. so vorgetragen, wie sie in der ganzen Christenheit angenommen werden, nur daß |bXXXI||zXI| jede Parthey von dem ihrigen etwas hinzusetzt, welches eben daher, weil es nicht allgemein ist, auch zufällig bleibt. Sie haben also zuvörderst doch etwas feststehendes, woran sich nun das andre, was sie durch Lesen, Nachdenken, und eigne Erfahrungen weiter erkennen, anschliessen kan. Und übrigens ist die ganze Schrift dazu eingerichtet, daß sie aus derselben auch erlernen können, wie sie die Materialien nach ihrer verschiedenen Brauchbarkeit sortiren, und nach Verschiedenheit der Gemüthslage und Vorerkentnisse ihrer Zuhörer zur Erbauung anwenden können.
Hiernächst habe ich noch zwey andre Zwecke mit dieser Schrift zu erreichen gewünscht. |cXXIX|
1. Ich habe mir ein bequemes Lehrbuch
Editorische Korrektur von: Lehrburch (d)
verschaffen wollen, über welches ich akademische Vorlesungen über das Christenthum für diejenigenStudirenden, die sich nicht der Theologie widmen, halten könte. Es ist doch gewiß, daß jeder Gelehrte durch die mehrere Uebung seiner Geisteskräfte, in welcher besondern Wissenschaft es auch immer sey, eine grössere Fähigkeit zu einem weit vollkomnern Religionserkentnisse, als für gemeine Christen hinlänglich ist, erlangt; und daß hiermit auch ein würkliches Bedürfniß für Studirende entsteht, sich um gelehrtere Einsichten und wissenschaftlichere Erkentnisse von der Glückseligkeitslehre zu bemühen, |bXXXII||zXII| indem sie sonst bey Entdeckung des Groben und Irrigen in der gemei|dXXXII|nen Volksreligion in Zweifel und Gemüthsunruhen, wegen ihrer Hofnungen und wegen der besten moralischen Grundsätze des Lebens gerathen. Nun haben die mehresten unter den angehenden Gelehrten keinen weitern zusammenhängenden Religionsunterricht vor den Universitätsjahren genossen, als welchen man ihnen im katechetischen Unterricht, und in den niedern Schulen, nach den eingeführten kirchlichen Lehrbüchern mit dem grossen Haufen der gemeinen Jugend zugleich ertheilet hat. Gesetzt nun auch, welches doch bey wenigen anzunehmen ist, daß dieser Unterricht so vollkommen gewesen wäre, als es nur immer ihre Fähigkeiten und Vor|cXXX|erkentnisse in frühern Jahren verstattet haben, so vergrössern sich doch diese beym Studiren der philosophischen Disciplinen und der Realwissenschaften auf der Universität
Editorische Korrektur von: Universiät (b)
in kurzem dergestalt, daß sie gegen das Ende der akademischen Jahre zu einem weit vollkomnern und mehr gelehrten Erkentniß der Religion nicht nur fähig werden, sondern dergleichen auch würklich schon zu bedürfen anfangen, wenn sie nicht in Scepticismus oder Leichsinn verfallen sollen. Hierzu komt noch die Betrachtung, daß unter den Studirenden, die sich der Rechtsgelehrsam|bXXXIII||zXIII|keit widmen, sich viele befinden, die nachher in obrigkeitlichen Aemtern die Aufsicht über Kirchen und Schulen erhalten, und an dem Berufungsrecht der Prediger Theil nehmen, folglich auch in dieser Aussicht weit deutlichere Einsichten in die Verhältnisse des kirchlichen Lehramts gegen das Wohl des Volks, und cd√ die erforderliche Hauptgeschicklichkeit eines öffentlichen Lehrers der Weisheit und Glückseligkeit sich zu erwerben nöthig haben. In dieser Beziehung habe ich im fünften Abschnitt den grossen Nutzen der christlichen Lehrvorträge bey einer zweckmäßigen Einrichtung derselben, |dXXXIII| mehr in Beziehung auf das gemeine Volk, als auf einzelne Personen, ins Licht gesetzt und entwickelt.
2. Endlich habe ich auch den edlern Theil des lesenden Publikums, welcher einsiehet, wie |cXXXI| unentbehrlich jedem denkenden Menschen deutliche und zuverlässige Erkentnisse von dem Regierungsplan der Weltbegebenheiten und von unsrer wahren Bestimmung sind, wenn man unter allen Abwechselungen des Lebens und bey dem Ausgange aus demselben, Heiterkeit und Standhaftigkeit des Geistes beybehalten will, durch diese Schrift aus den Verwirrungen heraushelfen wollen, welche durch so viele neuere Schriften über die Religion|bXXXIV||zXIV| und durch die widersprechenden Behauptungen der Theologen für alle diejenigen veranlasset werden, die das Wesentliche und das blos Zufällige in der Glückseligkeitslehre des Christenthums nicht von einander scheiden können. Freilich habe ich für diese höchstschätzbare Klasse meiner Leser nicht so viel, als ich wol zu thun gewünscht hätte, leisten können
Editorische Korrektur von: könnnen (b)
, als ich durch die zwey erstern Absichten, die ich, meinen eigentlichen Berufspflichten nach, vorzüglich zu erreichen suchen mußte, eingeschränkt ward. Ob ich aber nun gleich manches in dieser Schrift gesagt habe, was Leser, die mit der Schulgelehrsamkeit unbekant sind, nicht völlig verstehen können, und manches von mir nicht gesagt worden ist, was viele Wahrheitsforscher vielleicht darin noch zu lesen wünschen möchten, so wird doch dieses Buch vielen selbstdenkenden Freunden der Religion manche Zweifel gegen das Christenthum benehmen, und ihnen zur Formirung eines eig|cXXXII|nen Systems über die christliche Glückseligkeitslehre zu ihrem eignen Gebrauch nützliche Dienste leisten können. Ein akademischer Lehrer muß sich darauf einschränken, die Hauptbegriffe |dXXXIV| zu entwickeln und Grundrisse zu liefern; die weitere Ausführung, Anwendung und Belebung der Religionswahrheiten ist die Berufspflicht der Prediger. Solte mir |bXXXV||zXV| indes noch künftig, nach Vollendung der sich mir näher andringenden Arbeiten für die hier Studirende, Muse und Gesundheit übrig bleiben, für das allgemeinere lesende Publikum etwas auszuarbeiten, so werde ich es für die angenehmste und edelste Beschäftigung ansehen, eine Erbauungsschrift für meine denkende Zeitverwandten, zur Belebung der Wahrheiten zur Glückseligkeit in ihrem Gemüth, anzufertigen.
Nachdem ich nun den Hauptzweck und die doppelte Nebenabsicht, welche ich bey Ausarbeitung meines Systems vor Augen gehabt, selbst angegeben habe, so ist es unnöthig, die falsche Absichten, die man aus Mißverstand mir beygemessen hat, weitläuftig zu widerlegen. Ich habe gar nicht zur Absicht, das Kirchensystem der Lutheraner oder die symbolischen Bücher abzuändern. Ich lasse diese Policeygesetze, welche äussere Gerechtsame begrenzen, so wie Christus Mosis palästinische Landesgesetze, stehen, und wer |cXXXIII| von meinen theologischen Zuhörern darwider redet, und die Kirchengesetze dadurch übertritt, den erkläre ich für einen unächten und mißrathenen Zögling von mir. Meine Schrift enthält die Philosophie des Christenthums und nicht des Lutherthums. – Indes gestehe ich, daß einige Worte in meiner Dedikation an des Herrn Geheimen Etatsministers Freyherrn |bXXXVI||zXVI| von Zedlitz Excellenz eine Zweideutigkeit enthalten, die ich beym Niederschreiben nicht wahrgenommen hatte, und daß diese allerdings dahin gedeutet werden können, als ob ich auf eine äussere durch obrigkeitliche Befehle hervorzubringende Reform des kirchlichen Lehrbegrifs mein Absehen gerichtet gehabt hätte. Ich sage nemlich in der Zuschrift: Die höhere Genehmi|dXXXV|gung meines System von Seiten des hohen Departement der geistlichen Sachen im Königl. Etatsministerium, dem nur allein in den königlichen Staaten das oberrichterliche Amt, was zum Besten der Nation öffentlich gelehret werden darf, zukomt, würde mir zur weitern Aufmunterung gereichen. Man hat diese Worte dahin auslegen wollen, als ob ich behauptete, das geistliche Departement könne nach Willkühr den öffentlichen Lehrbegrif, so oft es ihm beliebte, abändern; den privilegirten symbolischen Glauben verbieten, und einen andern anbefehlen. Eine solche Erklärung meiner Worte konte mich nun wol nicht von Leuten befremden, die durch ähnliche Auslegungen der Bibel |cXXXIV| eine Fertigkeit erlangt haben, Worten ohne Rücksicht auf Zusammenhang und Zweck eine Deutung zu geben, wie sie zu ihren angenommenen Meinungen und Absichten paßt: denn sonst sagt schon der Titel, und der ganze Inhalt bestätiget es, daß ich nicht ein System fürsVolk, |bXXXVII||zXVII| sondern blos fürselbstdenkende Zeitverwandten geschrieben habe. Ueberhaupt aber wäre es doch wol die auslachenswürdigste Idee, welche ein Mann in cd√ Verhältnissen je haben könte, wenn ich mich überredete, daß in den preussischenStaaten, wo der Schwärmer, der Orthodoxe, der selbstdenkende Christ, und der Freigeist glauben, reden und schreiben können, was sie wollen, und gleiche Bürgerrechte behalten, eine allgemeine Lehrvorschrift zwangsweise eingeführt werden würde, wenn ich bey dem geheimen Etaatsministerium darauf anzutragen versuchte. So ungesund erscheint mein Verstand doch im ganzen Buch nicht!
Ich will indes nach dem unstreitigen Kanon, daß jeder der beste Ausleger seiner Worte ist, den Sinn und Zweck der gerügten Stelle paraphrasirt vorlegen. – Hier ist er:
|dXXXVI| „Gnädiger Chef, ich sehe vorher, daß gar viele Kleinmänner gegen mich aufstehen, und ein kleinpäbstlich Tribunal über mich errichten möchten. Allein ich erkenne blos Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenz für meinen Richter, ob der Inhalt meiner Schrift nicht öffentlich gelehret werden dürfe. Dieses schreibe ich hier indes nicht, |cXXXV| um Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
Excellenz willen, sondern die unberufne Fiskäle und Richterlein zu erinnern, daß sie es sich nicht etwa arrogiren sollen, ihrer
Editorische Korrektur von: hrer (z)
höhern Obrigkeit vorzugreifen.“
|bXXXVIII||zXVIII| Es war also mein Zweck, mir die Leutchen im voraus abzuwehren, die destomehr schreien, je weniger sie verstehen. Aus eben diesem Grunde mußte ich auch in dem ganzen Buch, einen determinirten Ton annehmen, weil die Miene und Sprache einer schüchternen Bescheidenheit des Untersuchers oft den Schwächsten keck macht, einen Angrif zu wagen.
Ich bin sehr weit davon entfernt, ältern Theologen oder Predigern, die eine lange Reihe von Jahren, nach einem früh angenommenen System, gedacht und gelehret haben, eine Umarbeitung desselben zuzumuthen. Dieses ist nach psychologischen Principien bey den mehresten unmöglich. Allein ich habe mit Vergnügen bemerkt, daß sehr viele von denen, welche für ihre Person den ältern Lehrbegrif, der dem Geist des Zeitalters in ihren Universitätsjahren angemessen war, beybehalten, doch zugleich einsehen, daß ihre jetzt studirende Söhne nicht für die verfloßne Zeit ihrer Väter, sondern für die nächstkommende Jahre vorbereitet werden müssen, um die Christenthumswahrheiten der Denkart des nächstkünftigen Zeitalters gemäß vortragen, und mit solchen Waffen, wie die neuern Angriffe sie erfordern, gehörig vertheidigen zu können.
|cXXXVI| Man hat mir die Ehre erwiesen, mich unter die neuern Reformatoren zu zählen. Was für Nebenbegriffe |dXXXVII| nun auch immer von einem oder dem andern mit |bXXXIX||zXIX| diesem Titel verknüpft werden mögen, so erkläre ich doch ohne Rückhalt, daß ich von ganzem Herzen wünsche, durch meine Schriften zu einer sehr wichtigen Reform, etwas mehr, als gute Wünsche, beyzutragen. Damit man aber nicht erst errathen dürfe, wohin ich mit meinem Reformationsentwurf abziele, so will ich dieses sogleich öffentlich bekant machen. Mein Wunsch gehet dahin, nicht blos in Absicht der Religion, des Schulwesens und der Erziehungskunst, sondern in Absicht aller Wissenschaften und des gesamten Studirens, der Denkart der jungen Gelehrten die Richtung zu geben, daß sie sich gewöhnen bey allem, was sie unternehmen, sich zuvörderst erst recht deutlich auseinander zu setzen, und genau zu bestimmen, wohin sie am Ende wollen, oder was der eigentliche Zweck und das Gute sey, welches sie durch jede Art der Bemühung darzustellen wünschen, und daß sie nach deutlich erkantem Zweck sich nun ferner entwickeln möchten, was zur Darstellung desselben wesentlich erforderlich sey, und welche Mittel dazu die kürzesten, sichersten und fruchtbarsten sind:
damit sie nicht mehr so viel Ueberflüssiges für die Schule, und destomehr für das Leben erlernen, und den höchsten und letzten Zweck alles Studirens und aller Arbeiten, nemlich Vergrösserung der gemeinsamen und eig|cXXXVII|nen Glückseligkeit in allen Fächern der Erkentnisse, und jeder in seinem besondern Standpunkt kräftiger |bXL||zXX| und zutreffender befördern möchten. – Dieses ist der Schlüssel zu allen meinen Schriften. –
Ich habe in meiner Anleitung des menschlichenVerstandes zumregelmässigenBestreben nach möglichstvollkomner Erkentniß §. 102. 103. etwas mehr hierüber im allgemeinen erklärt, und noch ausführlicher im 5ten Hauptstück dieses Buchs, worüber noch gedruckt wird, bey den Regeln über das Studiren davon gehandelt. Man vergleiche hiermit meine
An|dXXXVIII|weisung zur Amtsberedsamkeit christlicherLehrer, und selbst diese Schrift, so wird sich finden, daß ich überall nichts thue, als daß ich den Zweck jeder Wissenschaft deutlicher bestimme, und dann zeige, was zur Darstellung desselben wesentlich gehört, und was blos zufällig, unzweckmässig oder gar zweckwidrig ist, und doch aus Nachahmungssucht noch immer zu den richtigen, und pertinenten Mitteln und Hülfserkentnissen gerechnet wird. Niemand wird diese meine Reformationsabsicht, an und für sich betrachtet, tadeln können; aber die nothwendig daraus entstehende Simplificirung der Mittel, und Absonderung so vieles
Editorische Korrektur von: vjeles (d)
Unnützen in den Disciplinen und dem ganzen Lehrplan des Studirens wird denen nicht gefallen, welche das Unglück gehabt haben, gerade auf das, was das zweckloseste und überflüssigste ist, ihren vorzüglichsten Fleiß und den grössern Theil ihres Lebens verwandt zu haben.
|bXLI||cXXXVIII||zXXI| Wenn jemand eine sehr zusammengesetzte und überaus künstliche Maschine erfindet, um einen bestimten Effekt durch dieselbe hervorzubringen, so wird der grosse Haufe, nebst den Halbgelehrten und gemeinen Künstlern, die Erfindung desto höher schätzen und destomehr bewundern, je grösser die Menge der mannigfaltigen Theile, und je verwickelter die Art der Zusammensetzung ist. Aber der grosse Gelehrte und Künstler wird eben dieses, was die übrigen bewundern, für Unvollkommenheit erkennen, und die Erfindung eines weniger zusammengesetzten und weniger künstlichen Werkzeuges für ein grösseres Meisterstück halten. In der gelehrten Welt ist es ein Mittel sich bey der Menge in den Ruf eines grossen Mannes zu setzen, wenn man über jede Aufgabe ein starkes Buch schreiben, und
Editorische Korrektur von: uud (d)
nach Anführung einer Menge verschiedener Meinungen, und nach Citationen vieler Bücher, endlich eine Antwort herausbringen kan, welche nicht leicht zu begreifen ist, und |dXXXIX| worüber neue Kommentarien erfordert werden. Wenn aber jemand eben dieselbe Aufgabe durch unmittelbare Zusammenstellung der Hauptbegriffe, die verglichen werden müssen, und durch Entwickelung und Bestimmung derselben ohne einige Citaten so auflöst, daß auch ein mittelmässiger Kopf es sogleich verstehet und einsieht, ohne erst andre Bücher dabey nachschlagen zu dürfen, so wird er von den wenigen Gelehrten vom ersten Range |bXLII||zXXII| geschätzt, von den übrigen aber vielleicht kaum bemerkt werden, weil je|cXXXIX|der glaubt, die Auflösung sey so natürlich und leicht, daß er sie auch selbst erfunden haben würde, wenn er sich die Mühe hätte geben wollen, darüber nachzudenken. Dennoch ist eben das am allerschwersten
Editorische Korrektur von: alschwersten (b)
zu erfinden, was, sobald es erfunden ist, jedem natürlich und leicht scheint: die einfachste Verfahrungsart ist der höchste Gipfel der Kunst. Um ein hinlängliches Licht über Wahrheiten, die durch vielerley Streitigkeiten verdunkelt worden sind, mit wenigen Worten zu verbreiten, und viel Sachen auf einem Bogen zu liefern, muß man gar vieles vorher nicht blos gelesen, sondern auch durchgedacht, und halbe Bibliotheken durchstudirt haben. Aber diese vorhergehende Mühe sieht man einem leichtgeschriebenen Buche nicht an. Dagegen wird zu einem weitläuftigen Werke, worin man die Meinungen der Gelehrten samlet, und mit beyfälligen Anmerkungen durchwebt, oft nicht viel mehr als eine fertige Hand zum schreiben, und wenig Geistesanstrengung erfordert. Allein was haben die Käufer für ihr Geld, und für die Mühe des Durchlesens in ihrem praktischen und zuverlässigen Erkentniß am Ende gewonnen? Warlich mehrentheils weiter nichts, als das sie vielerley Gründe für und wider einen Satz aufgesamlet haben, und doch kein festes Resultat herausbringen können. – O was |bXLIII||zXXIII| würde für die Wahrheit, für die Glückseligkeit, und für die äussere Be|dXL|quemlichkeit des Lebens täglich gewonnen werden, wenn man aufhörte, |cXL| die Kentniß der mannigfaltigen Meinungen für würkliche Einsichten zu halten; wenn man Belesenheit nicht ferner für Gelehrsamkeit, sondern blos für das, was sie ist, für ein Hülfsmittel der Erweckung zum eignen Weiterdenken betrachtete, und wenn jeder das Resultat seines Lesens und Studirens zur Brauchbarkeit im Leben kurz und gut bekant machte, ohne uns erst durch alle die Krümmungen hindurch zu führen, durch welche er sich durchwinden müssen, ehe er seinen neuen Begrif und Satz, den er uns liefern will, hat entdecken können. – Freilich werden diejenigen, welche cd√ Finanzprincipien oder zur Parade schreiben, keinen Geschmack an dieser Methode finden; aber ich rede auch nur zu denen, welche als Patrioten d√ möglichst gemeinnützig zu werden wünschen.
Ich will nun meinen Lesern auch kürzlich anzeigen, was gegen mein System nach der ersten Ausgabe eingewandt worden ist: nicht um hier irgends einen Gegner ausführlich zu widerlegen; dis soll in einer besondern Schrift unter dem Titel: Bestätigungen meines Systems etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
, welche stückweis herauskommen werden, geschehen: sondern blos eine allgemeine Idee von der Lage der Einwürfe ge|bXLIV||zXXIV|gen meine Behauptungen, und was solche eigentlich für Punkte betreffen, zu erwecken.
|cXLI| Gegen dasjenige, was eigentlich in meiner Schrift das System der Glückseligkeitslehre ausmacht, hat kein einziger Gelehrter etwas eingewandt. Man hat weder meinen Begrif von der Glückseligkeit, noch irgends einen Haupsatz der vier ersten Abschnitte zweifelhaft gemacht, sondern den Inhalt davon theils gelobt, theils ohne die geringste Gegenerinnerung
Editorische Korrektur von: Gegenerinnernng (b)
eingeräumt, und also die Vordersätze, worauf die übrigen daraus gefolgerten Wahrheiten beruhen, zugestanden. Selbst gegen den sechsten Abschnitt |dXLI| hat niemand behauptet, daß eine derer Wahrheiten, die ich ins allgemeine Christenthumssystem aufgenommen habe, ungegründet oder dahin nicht gehörig, oder auch nur ausserwesentlichsey. Alles, was man wider mich erinnert hat, läßt sich auf drey Punkte zurückführen:
1.
Daß ich den christlichenLehrbegrifgeliefert hätte, sondern noch mehrere Wahrheiten dahin gehörten. Dis hat Herr Lavater in seinem Etwas über Steinbarts System erinnert, und zwar nach seiner Art, mit mehr Inbrunst eines gutherzigen Enthusiasmus, als mit kaltblütiger Scharfsinnigkeit: daher auch von ihm nicht bestimt angegeben wird, welche Sätze |bXLV||zXXV| in mein System der Glückseligkeitslehre noch eingeschaltet werden sollen. Ich habe nicht nöthig, etwas weiteres hierüber für meine Leser zu sagen, als daß ich nicht das Lavatersche Christenthum, sondern |cXLII| die Glückseligkeitslehre des Christenthums überhaupt, und zwar zunächst für Leute, die nicht nach Gefühlen, sondern nach Weisheit fragen, habe liefern wollen.
Ein ungenanter Gelehrter, der durch H. D. L. bezeichnet wird, und der Herr Dokter Semler haben mich gegen des Herrn Lavaters Anschuldigungen gerechtfertiget. Beide Schriften sind mit dem Lavaterschen Etwas zusammengedruckt, und von dem Herrn D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Semler unter dem Titel: Herrn Caspar Lavaters und eines Ungenanten Urtheile über das Steinbartische System des reinen Christenthums, mit vielen Zusätzen von D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Joh. Sal. Semler , mir freundschaftlich zugeschrieben worden.
2.
Daß mein System zwar ein richtiger christlicher Lehrbegrif und für denkende Zeitverwandten gut und hinlänglich sey, daßaber die allgemeine Einführung desselben und der darin gebrauchten Lehrart in der Kirche nicht statt finden könne, und ein obrig|dXLII|keitlicher Zwang in dieser Absicht mehr schädlich als nützlich wer|bXLVI||zXXVI|den würde: weil immer mehrerley Lehrarten nach den sehr verschiedenen Gemüthsfähigkeiten der Menschen erforderlich bleiben würden. Dieses hat der Herr D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Semler in der Zuschrift und Vorrede des vorhin genanten Buchs, und in seinem eignen darin befindlichen Urtheile über meine Schrift, gründlich ausgeführet: nicht, als ob der Herr |cXLIII|Dokter würklich glaubten, daß ich dahin zielte, meine Lehrart als die einzige wahre allen Kirchenlehrern aufzudringen, sondern nur um diejenigen zu belehren, welche dergleichen ungegründete Besorgnisse gefaßt, und deswegen wider mein Buch deklamirt hatten. Die übrigen historischen Anmerkungen und Zusätze des Herrn Dokters dienen auch alle dazu, den Zweck meiner Schrift zu befördern und ihren Hauptinhalt zu bestätigen.
3.
Daß die im fünftenAbschnittvon mir widerlegten kirchlichenLehrsätze von der Zurechnung einer fremden Schuld und fremden Gerechtigkeit u. s. w.
Abkürzungsauflösung von "u. s. w.": und so weiter
sich wohl vertheidigen liessen, wenn man nur die Worte nicht in der eigentlichen Bedeutung nähme, sondern unter Zurechnung einer Handlung blos die Theilnehmung an den Folgen derselben verstünde. Hierauf antwortete ich überhaupt: über Worte werde ich niemals strei|bXLVII||zXXVII|ten. Theilnehmung an den Folgen der Handlungen Adams und Christi habe ich nie geleugnet. Wir nehmen Theil an den Folgen aller Handlungen aller unsrer Vorältern, sowol der guten als bösen. Wer diese Schrift liesset, nimt Theil an den Folgen der Erfindung des Papiers und der Buchdruckerkunst; aber es ist doch nicht gewöhnlich zu sagen, daß Gott den Lesern einer Schrift die Erfindung des Papiers und der Buchdruckerkunst zurechnet. Wenn also mir |cXLIV| zugestanden |dXLIII| wird, daß keine eigentliche und förmliche Zurechnung einer fremden Schuld und fremden Gerechtigkeit; keine eigentliche und förmliche Genungthuung und Besänftigung Gottes von denkenden Leuten angenommen und geglaubt werden dürfe, so will ich gegen alle tropische uneigentliche und unförmliche Zurechnungen, Satisfaktionen und Aussöhnungen einer zürnenden Strafgerechtigkeit meinerseits nie etwas einwenden, und wir sind also hierüber bald ausgeglichen.
Es erhellet nun aus dieser kurzen Anzeige der Gegenschriften, daß mein System noch auf keinerley Weise in seinem Innern zweifelhaft gemacht und noch weniger widerlegt worden sey. Man hat den fünften Abschnitt desselben vornemlich angegriffen, weil man ihn für eine Bestreitung der symbo|bXLVIII||zXXVIII|lischen Lehren der Kirche angesehen hat. Allein ich habe in meiner Schrift es gar nicht mit Policeygesetzen der Kirche zu thun; diese lasse ich in ihrem Werth und d√ Autorität, so lange es Gott will, daß sie nach obrigkeitlichen Verordnungen noch Lehrvorschriften seyn sollen. Ich habe eine Philosophie des Christenthums überhaupt, und nicht des Lutherthums geschrieben. Wer mich also widerlegen will, muß entweder einen ganz andern Begrif von menschlicher Glückseligkeit, als ich gegeben habe, erweislich machen; oder von |cXLV| den Sätzen, die ich im 5ten Abschnitt als Hindernisse wahrer Glückseligkeit für verwerflich erklärt habe, zeigen, daß sie beyjedem denkenden Manne zur Beruhigung des Gemüths, zur Vermehrung der Freudigkeit zu Gott, und zur stärkern Belebung der Thätigkeit im Guten unmittelbar hinwürken, und daher von jedem geglaubt werden müssen. Die Gegner meines Systems müssen daher die Lehren von der Zurechnung einer fremden Schuld und Gerechtigkeit, vom natürlichen Verderben und gänzlichen Unvermögen des Menschen zum Gu|dXLIV|ten, von der vertretenden Genungthuung und Besänftigung einer unendlichen Strafgerechtigkeit, nicht als spekulative Lehrmeinungen in abstracto, sondern als Theile einer Glückseligkeitslehre behandeln, und davon deutlich darthun: |bXLIX||zXXIX|
1. daß uns Gott in einem weit liebenswürdigerem und reinerem Licht erscheine, und unser Gemüth weit mehr beruhiget und getrost gemacht werde, wenn wir glauben, daß uns Gott Adams Sünde zur Verdamniß anrechne, daß wir nach Gottes Einrichtung durch die Herkunft von Adam durchaus verderbt in die Welt gesetzt worden; daß Gottes Gerechtigkeit uns daher verabscheuen und ewig strafen müsse, wenn nicht ein andrer ein unendlich Lösegeld für uns bezahlt, oder selbst unendlich für uns büßt: als wenn wir nach dem 5ten |cXLVI|Abschnitt meines Systems glauben, daß Gott uns als Unschuldige, mit hinlänglichen unverdorbenen Anlagen zu höherer Glückseligkeit, geboren werden läßt, daß wir aber nur als Fleisch oder Thiere zur Welt kommen, und uns nachher durch eigne Anwendung der Kräfte vom Thiere zum Menschen, und vom Menschen zu einer höhern Klasse vollkomner Geister stufenweis empor heben sollen, und daß Gott nie darüber zürnt, daß wir nicht mehr leisten, als wir nach den uns verliehenen Talenten und Einsichten zu leisten vermögen.
2. daß unser selbstthätiges Bestreben nach immer vollkomnern Erkentnissen und unser Fleiß und Eifer in der Gemüthsverbesserung und Uebung aller Tugenden weit mehr erweckt und belebet werde, wenn wir glauben, daß wir etwas Gutes selbst zu denken durch|bL||zXXX|aus ungeschickt sind, und unser eignes Wirken gar nichts taugt, sondern daß Gott alle gute Gedanken und Begierden unmittelbar in uns hervorbringen müsse: und daß es auch überall bey der Seligkeit nicht auf unsre eigne morali|dXLV|sche Güte des Herzens, sondern vielmehr auf Ergreifung und Zueignung einer fremden Gerechtigkeit ankomme: als wenn wir glauben, daß wir hinlängliche Kräfte des Gemüths von Gott natürlich überkommen haben, deren treue Anwendung uns täglich weiter bringen kan, |cXLVII| und daß wir nach dem Maaß Seligkeit erhalten, nach welchem wir selbst christlich und Gott ähnlich denken und handeln lernen.
Sehet, meine Leser, dieses sind die eigentlichen Streitfragen zwischen mir und meinen Gegnern, worauf sich keiner eingelassen hat. – Ohne Rücksicht auf Glückseligkeit mag man meinetwegen lehren und glauben, was man will, wenn man nur nicht Sätze zu Bedingungen und Hülfsmitteln des Seligwerdens macht, die ihrer natürlichen Wirkung nach Gemüthsunruhe, Furcht vor Gott, und Schläfrigkeit und Unthätigkeit im eignen Bestreben nach moralischer Vollkommenheit erzeugen.
In dieser zweiten Auflage des Systems der Glückseligkeitslehre des Christenthums habe ich in den fünf ersten Abschnitten nichts Hauptsächliches hinzugesetzt oder verändert, sondern nur einzelne Stellen, |bLI||zXXXI| die Mißverständnisse veranlasset hatten, deutlicher zu machen gesucht. Dargegen ist der sechste Abschnitt, den ich bey der ersten Ausgabe, wegen der nahen
Buchhändlermesse, nicht hatte vollenden können, jetzt sehr erweitert worden. Man findet darin nun völlig deutlich und ausführlich erklärt, was man bey der ersten Ausgabe vermißt hat, nemlich meinen Glauben und meine Lehren von Mosis Schriften; vom Gebrauch des alten Testaments unter Christen; |cXLVIII| von der richtigen Auslegung der neu testamentischen Bücher; vom Nutzen und Schaden der Lehrsysteme und symbolischen Lehrvorschriften; vom rechten Verhalten eines gewissenhaften christlichen Lehrers gegen kirchliche Gesetze; von Toleranz und deren Prin|dXLVI|cipien; und endlich von der rechten Beurtheilung der vielerley Religionen, Lehrgebäude und Streitigkeiten, die von je her in der Welt zur Beförderung der wahren Bestimmung der Menschen zu einer selbst erworbenen Glückseligkeit, nach dem Plan einer höhern Weisheit, geherrscht haben, und so lange Menschen und endliche Geister existiren, immer in Gottes Stadt fortdauren müssen.
NB.
Abkürzungsauflösung von "NB.": Notabene
Zum Vortheil der Besitzer der ersten Ausgabe habe ich sowol diese Fortsetzung der Anrede ans lesende Publikum, als auch die neuen Zusätze zum sechsten Abschnitt besonders abdrucken lassen, unter |bLII||zXXXII| dem Titel: Zusätze zum System der reinen Philosophie der Glückseligkeitslehre des Christenthums, und ich werde, wenn bey neuen Auflagen noch mehr hinzukommen solte, es jederzeit für eine Pflicht der Billigkeit ansehen, das Neue derselben auch besonders für die Käufer der erstern Editionen zu liefern.
Und nun bitte ich alle rechtschafne Freunde der Weisheit und Religion, welche sich für die Aufklärung und moralische Verbesserung ihrer Mitmenschen interessiren, an allen Orten, wo Theologen diese Schrift verlästern und zu verschreien suchen, sich dahin zu vereinigen, und darauf zu dringen, daß diese sichrechtgläubiger dünkende Männer ihr eigenes besseresSystemder Glückseligkeitslehre ungesäumtbekantmachen. Hierzu gehört nothwendig zweierley,
1. daß sie ihren Begrif von der Glückseligkeit uns deutlich angeben: und zwar von derjenigen Glückseligkeit, die hier durch das Christenthum sogleich im Menschen hervorgebracht werden soll. |cXLIX|
2. daß sie von jedem einzelnen Religionssatze, den sie zur Glückseligkeitslehre rechnen, uns entwickeln müssen, wie er die Menschen, die ihn glauben, seliger mache.
Ich werde mich von ganzen Herzen freuen, wenn andre Theologen einen kürzern, ebenern und sicherern |bLIII||zXXXIII| Weg zur Gemüthsruhe, Heiterkeit der Seele, Thätigkeit und Standhaftigkeit im Guten und den erhabensten Hofnungen zu gelangen, für denkende Zeitverwandten bekant machen werden. Ich will mich gern mit der Ehre begnügen, durch einen unvollkomnen Versuch dazu eine nähere Veranlassung gegeben zu haben, und werde der erste seyn, der den bessern Weg selbst betreten und öffentlich empfehlen wird. Kein Prediger kan sich mit seinem Alter oder vie|dXLVII|len Amtsverrichtungen entschuldigen, daß er den ihm bekanten bessern Weg nicht beschreiben könne, denn je länger jemand im Amte ist, und je öfter er über die Religionswahrheiten zu reden Veranlassung hat, je leichter muß es ihm werden, sein System der christlichen Glückseligkeit, kurz und deutlich zu entwerfen. Macht ihm dieses Schwierigkeiten, so hat er wahrscheinlich noch nie ein würkliches System gehabt. Ich bin gewiß, daß sobald Eiferer unter den Theologen den Versuch machen werden, sich ihren Begrif von menschlicher Glückseligkeit zu entwickeln, und ihre Lehrmeinungen aus dem Gesichtspunkt zu untersuchen, in wie fern sie Seligkeit bewürken, so werden wir in kurzem |cL| weit näher zusammentreffen, als es jetzt möglich ist, da man die Dogmatik als eine auf vielfache Autorität erbauete Wissenschaft, ohne Rücksicht auf Gemüthsruhe und moralische Verbesserung der |bLIV||zXXXIV| Gesinnungen erlernet. Kurz, es wird auf alle Fälle von grossem Nutzen seyn, wenn man anstatt mein System zu verlästern, sich an allen Orten bemühen wird, vollkomnere Anweisungen zu höherer Glückseligkeit zu schreiben. Nach dieser Erklärung haben nun alle, welche diese Schrift öffentlich tadeln, zu erwarten, daß das vernünftige Publikum, so lange bis sie selbst etwas Vollkomneres geliefert haben, sie für Leute halten wird, die selbst nicht wissen, was Glückseligkeit ist, und welche die Religion mehr als einen Wörterkram und Gewerbe, denn als eine Anweisung der Menschen zur Zufriedenheit und Gemüthsverbesserung ansehen und behandeln.
Frankfurth den 16ten Julii, 1780.
der Verfasser.
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in der Waysenhaus und Frommannischen Buchhandlung
Steinbarts theologische Publikationstätigkeit stand im Zusammenhang mit den Modernisierungsprozessen der Züllichauer Waisenhausbuchhandlung, die von seinem Großvater, dem Züllichauer Nadlermeister Siegmund Steinbart (1677–1739), im Jahr 1719 nach dem Vorbild der Franckeschen Stiftungen gegründet worden war. Das Waisenhaus wurde 1727 um eine Druckerei und eine Buchhandlung erweitert, deren Programm zunächst von pietistischer Erbauungsliteratur dominiert war. Die Leitung wurde von dem in die Familie eingeheirateten Verleger Gottlob Benjamin Frommann (1702–1741) und nach dessen Tod von seinem Sohn, den im Titelblatt der vierten Auflage der Glückseligkeitslehre genannten Förderer der Aufklärung und Vetter Steinbarts, Nathanael Sigismund Frommann (1736–1786), übernommen. In dieser Phase erweiterte sich das Programm u.a. um philologische Werke und firmierte ab jetzt unter dem Namen „Waysenhaus und Frommanische Buchhandlung“. Nach einer längeren Produktionspause während des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) bekam der Verlag das Privileg zur Errichtung einer Buchhandlung in Freystadt, und Nathanael Sigismund Frommanns Bruder, Johann Carl Frommann (1740–1797), übernahm die Leitung. Nun sollte sich der Verlagsschwerpunkt endgültig in Richtung aufklärungstheologischer und -philosophischer Schriften verlagern: Neben Steinbarts Glückseligkeitslehre wurden beispielsweise auch Johann Gottlieb Töllners Katechetischer Text oder Unterricht vom christlichen Lehrbegriff für Unstudirte (1765, 1772; erscheint als BdN X) und Carl Friedrich Bahrdts Kirchen- und Ketzer-Almanach für das Jahr 1781 (unter Angabe des fingierten Druckortes: „Häresiopel, im Verlag der Ekklesia pressa“) bei Frommann verlegt. Steinbart selbst hatte als Leiter des Waisenhauses Einfluss auf das Verlagsprogramm. Erst am 30. November 1785 ging der Verlag vertraglich in Frommanns Besitz über.
bei Nathanael Sigismund Frommanns sel. Erben
Carl Friedrich Ernst Frommann (1765–1837), der Sohn von Nathanael Sigismund Frommann und Neffe von Steinbart, übernahm 1786 zwanzigjährig die Leitung der Verlagsbuchhandlung und ehrte dabei das Andenken seines kürzlich verstorbenen Vaters, indem er die Schriften des Verlages unter der Firmierung „Nathanael Sigismund Frommanns Erben“ veröffentlichte. Er führte die Verlagstradition mit ihrer Hinwendung zu neologischen Schriften fort und orientierte sich darüber hinaus vermehrt am zeitgenössischen Bildungsstreben, indem er Lehrbücher für Schulen und Universitäten, Wörterbücher der alten und neuen Sprachen sowie pädagogische Schriften verlegte. Im Laufe der 1790er Jahre rückten Schriften zur Freimaurerei und zur Philosophie Immanuel Kants in den Mittelpunkt des Verlagsprogramms. Im Zuge dessen sollte die neologische Glückseligkeitslehre insgesamt an Einfluss verlieren, was sich in den Umsätzen des Frommann-Verlags wiederspiegelte. Vgl. Carl Friedrich Ernst Frommann, Aufzeichnungen über die Entwicklung des Frommann-Verlages, 1837: „Steinbarts [...] Glückseligkeitslehre, ein Buch welches zu jener Zeit Epoche machte und von der Gegen-Parthey gewaltig verkezzert ward, jezt aber sich ganz überlebt hat, wie alle Schriften dieses Verfassers. Die erste Auflage 1250. Die 2te 1779, 2000. Die 3te 1786, 2000. die sich auch in 8 Jahren bis 1794, wo die 4te und letzte auch mit 2000. Auflage folgte, vergriffen hatte. Aber indes hatte die Kantische Philosophie immer mehr Terrain gewonnen und stand so dieser consequentesten Praeconisation des Eudämonismus am feindlichsten entgegen. Daher mußte der im Buchhandel nicht seltne Fall eintreten, daß an späteren Auflagen ein Theil des aus den früheren Auflagen gezogenen Vortheils wieder verloren geht“ (GSA 21/16-1, Bl. 17v).
Was ich in Rücksicht auf neuere kirchliche Begebenheiten und auf die Einwürfe einiger Kantianer gegen die christliche Philosophie und deren Moralprincipien zu sagen habe, findet man im vierten Hefte meiner philosophischen Unterhaltungen.
Zu Steinbarts Philosophische[n] Unterhaltungen zur weitern Aufklärung der Glückseligkeitslehre (3 Hefte, 1782–1786) ist ein viertes Heft nicht mehr erschienen. Mit den „neuere[n] kirchliche Begebenheiten“ dürfte die kirchenpolitische Wende im Zuge des Regierungsantritts Friedrich Wilhelms II. (1786) und des Woellnerschen Religionsedikts (1788) gemeint sein, mit dem u.a. die Arbeit des Züllichauer Waisenhauses trotz mehrerer Hilfegesuche Steinbarts stark eingeschränkt bzw. gefährdet worden war. Steinbart wurde im März 1789 als Oberschulrat entlassen und wenige Wochen später durch ein Reskript daran gehindert, das von ihm angekündigte Kolleg über Tellers Wörterbuch des Neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre (vgl.
) zu halten. Eine Beschwerde der Geistlichen Immediat-Examinationskommission blieb für ihn letztlich folgenlos. Wenige Monate vor Erscheinen der vierten Auflage der Glückseligkeitslehre verlor allerdings – als einziger Pfarrer in Preußen – Johann Heinrich Schulz im September 1793 sein geistliches Amt. Erst nach dem Tod des Königs im Jahr 1797 endete auch die kirchenpolitische Reaktion: Steinbart schrieb sogleich über Johann Christoph von Woellner (1732–1800), dieser sei „ganz nach den Principien der römischen Kirche verfahren“ und habe selbst den protestantischen Grundsatz, dass „die heilige Schriften ohne Rücksicht auf kirchliche Autorität, aus sich selbst erkläret werden müßten, infringiret“ (vgl. den für Friedrich Wilhelm III. verfassten Bericht: Steinbart, Kurze Geschichte der wichtigsten Vorgänge in Kirchensachen [24. Dezember 1797], GStA PK, I. HA Rep. 96 A, Nr. 30 A, Bl. 2r–5r, hier 5r).
An Seine Hochfreyherrliche Excellenz den Hochgebornen Herrn Carl Abraham Freyherrn von Zedlitz
Karl Abraham Freiherr von Zedlitz (1731–1793) spielte als Staatsminister und Chef des geistlichen Departments in lutherischen Kirchen- und Schulsachen eine zentrale Rolle in der Regierung Friedrichs des Großen (1712/1740–1786). 1774 veranlasste er Steinbarts Berufung auf die Theologieprofessur an der Universität Frankfurt/Oder, auch um die finanziellen Engpässe, die die Züllichauer Anstalten seit ihrer Gründung belasteten, zu kompensieren. Im Geiste der Aufklärungspädagogik sorgte er an zahlreichen Bildungseinrichtungen für eine freie Geistesrichtung, u.a. bei den Franckeschen Stiftungen in Halle, bei dem vereinigten Berlinisch-Cöllnischen Gymnasium unter Anton Friedrich Büsching (1724–1793), dem Friedrich-Werderschen Gymnasium unter Friedrich Gedike (1754–1803) und dem Züllichauer Pädagogium unter Steinbart (vgl. auch Zedlitz, Vorschläge zur Verbesserung des Schulwesens in den Königlichen Landen, in: Berlinische Monatsschrift, Bd. 10, August 1787, 97–116). Steinbart sah in Zedlitz einen Mann „von vieler Belesenheit und einem lebhaften Eifer, alles was ihm gut und gemeinnützig schien, schnell ins Werk zu setzen“, der sich allerdings „durch die ruhige und bedachtsame Denkart“ der Oberkonsistorialräte „zu sehr genirt“ fand (Steinbart, Kurze Geschichte, 2v). 1788 verlor Zedlitz das geistliche Spezialdepartement an Woellner (s.o).
Les Chretiens se font dans de certaines circonstances une morale bien oposée à celle, qu’ils envisagent comme divine [...]
Zu diesem Zitat vgl. Friedrich II. (Preußen), Brief an Gotthilf Samuel Steinbart vom 16. März 1770, in: OEuvres de Frédéric le Grand, Bd. 20, hg. von Johann David Erdmann Preuß, 1852, 13–16. Die von Steinbart wiedergegebene Passage aus dem Brief von Friedrich lautet im Original (aaO 15f.): „Voyez votre administrateur. Il est chrétien, calviniste peut-être, ou luthérien, et il se fait dans de certaines circonstances une morale bien opposée à celle qu’il envisage comme divine. Il serait utile de bien lever cette difficulté, et très-important de rechercher la meilleure manière de former les hommes, pour que l’amour-propre, soutenu, si vous le voulez, de votre principe, fasse sur eux, dans toutes les circonstances de leur vie, l’impression la plus prompte, la plus sûre, la plus générale et la plus constante. Sur ce, je prie Dieu qu’il vous ait en sa sainte et digne garde“. Das Zitat steht im Kontext der am Prinzip der Selbstliebe orientierten Morallehre Friedrichs, der an der moralischen Wirksamkeit der Religion zweifelt, deren philosophische Ausarbeitung aber Steinbart überlässt. Zur Übersetzung vgl. Friedrich II. (Preußen), Hinterlassene Werke. Aus dem Französischen [...], Bd. 12, 1789, 149–150, hier 150: „Sehen Sie nur Ihren Seelsorger an. Er ist ein Kalvinistischer, vielleicht auch ein Lutherischer Christ, und macht sich in gewissen Umständen eine Moral, welche der, die er als göttlich ansieht, ganz entgegen gesetzt ist. / Es wäre nützlich und sehr wichtig, diese Schwierigkeit gut zu heben, und die beste Art aufzusuchen, die Menschen so zu bilden, daß die Selbstliebe (wenn Sie wollen, mit Unterstützung Ihres Prinzipiums) in allen Umständen ihres Lebens den schnellsten, sichersten, allgemeinsten und dauerhaftesten Eindruck auf sie machte. / Und hiermit bitte ich Gott u.s.w.“
Denkungsart [...] zu der Zeit in Halle [...] Vortrag des Christenthums mehr für das Herz der Menschen
Nach ihrer Gründung 1694 war die Universität Halle für eine Generation das akademische Zentrum des Pietismus, u.a. vertreten durch August Hermann Francke (1663–1727). Steinbarts Vater, Johann Christian Steinbart (1702–1767), studierte zu dieser Zeit in Halle Theologie, bevor er 1725 das Pfarramt antrat. Der zunehmende Konflikt zwischen Theologie und Aufklärungsphilosophie kulminierte in den Auseinandersetzungen um die Philosophie Christian Wolffs (1679–1754), die 1723 zu dessen Ausweisung aus der Universität führten. Mit dem Generationenwechsel um 1730 setzte ein nachhaltiger, v.a. von Siegmund Jacob Baumgarten (1706–1757) getragener Modernisierungsschub ein. Vor diesem Hintergrund konnte sich auch Steinbart später von der „mystischen Sprache“ des Halleschen Pietismus abgrenzen, der „zwar gute Empfindungen erregte, aber nicht geschickt war, den Verstand gehörig zu erleuchten“ (bIII).
die berühmte Schule des Klosters Bergen
Gemeint ist das ehemalige Benediktinerkloster Berge in der Nähe von Magdeburg, das nach dem Schmalkaldischen Krieg (1546–1547) in ein protestantisches Stift umgewandelt wurde und seitdem als Ausbildungsstätte evangelischer Theologen diente. 1577 war es Austragungsort eines Theologenkonvents zur Abfassung der Konkordienformel („Bergisches Buch“). Trotz großer Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) hatte das Kloster bis Anfang des 19. Jahrhunderts Bestand. Mitte des 18. Jahrhunderts erlebte die Klosterschule unter der Leitung von Johann Adam Steinmetz (vgl.
) eine Blüte als wichtiges, hochfrequentiertes Zentrum des Pietismus neben den Franckeschen Anstalten in Halle, zu denen eine enge Verbindung bestand. Mit dem Amtsantritt des Abtes Johann Friedrich Hähn (1710–1789) im Jahr 1762 begann allerdings der Niedergang der Institution. Seine übertriebene Sparsamkeit, Herrschsucht und pietistische Härte gegen die Bewohner des Klosters führten dazu, dass Friedrich II. im Juni 1770 die erfahrenen Oberkonsistorialräte Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817) und Johann Joachim Spalding (1714–1804) sowie den Philosophieprofessor Johann Georg Sulzer (1720–1779) nach Magdeburg entsandte, um das Kloster zu visitieren, eine neue Verfassung des Pädagogiums im Geist der Aufklärung zu erarbeiten und damit schließlich die Absetzung Hähns herbeizuführen. Diese Visitation beendete faktisch die pietistische Phase des bedeutenden Klosters und beförderte die Durchsetzung der Neologie im Herzogtum Magdeburg: Nach einer kurzen Zwischenzeit unter Erhard Andreas Frommann (1722–1774) trat 1774 der Neologe und Aufklärungspädagoge Friedrich Gabriel Resewitz (1729–1806) das Amt des Abts und Generalsuperintendenten an. Aus der geschichtlichten Distanz beklagt Steinbart den selbst erfahrenen „mystische[n] Lehrton“ (bIII), der noch in den 1750er Jahren im Kloster geherrscht habe.
nach Baumgartens Dogmatik und Polemik Begriffe kunstmässig spalten
Zu Steinbarts Studien im Kloster gehörten insbesondere die Schriften des halleschen Theologen Siegmund Jacob Baumgarten, der seine pietistischen und wolffianischen Einflüsse zu einer Übergangstheologie verband, indem er auf eine hermeneutisch und methodisch abgesicherte Weise das Lehrsystem der Dogmatik im Sinne der Leibniz-Wolffschen Harmonie als natürlich-vernünftig zu erweisen und auf die Geschichte des Christentums zu beziehen suchte (vgl. Baumgarten, Evangelische Glaubenslehre, 3 Bde., 1759–1760). Seine an Wolff geschulte Demonstrationsmethode konnte Baumgarten bisweilen überstrapazieren, weshalb es nicht verwundert, dass für Steinbart aufgrund der Kleinteiligkeit „zugespitzter technischer Redformeln“ die Fähigkeit, „aus allen Splittern wiederum ein richtig zusammenhangendes Ganze[s] [...] zusammenzusetzen“ (bIV), ein nahezu unergründliches Geheimnis bleiben musste (vgl. zur Dogmatik und Polemik auch: Baumgarten, Kurzer Begrif der theologischen Streitigkeiten. Zum academischen Gebrauch ausgefertiget, 1750).
Schriften des Philosophen von Ferney
Gemeint ist hier die Zentralfigur der französischen Aufklärung, der Schriftsteller François-Marie Arouet (1694–1778), genannt Voltaire, der seinen Einsatz für Rechtsreformen und Toleranz seit 1758 von dem auf französischem Gebiet liegenden Gut Ferney bei Genf aus bestritt, wo er als „Patriarch von Ferney“ residierte und Besucher aus ganz Europa empfing. Voltaire rezipierte und popularisierte die bibelkritischen Ideen des Deismus und distanzierte sich vom christlich-traditionellen Versöhnungsglauben, ohne jedoch einem religionsfeindlichen Atheismus das Wort zu reden. Seine bleibende Wertschätzung für den geschichtlichen Jesus als „Sokrates aus Galiläa“ verband er mit einem vernünftig-religiösen Toleranzpostulat, welches die europäische Aufklärung und insbesondere Steinbarts frühe Studien in hohem Maße prägen sollte (vgl. Voltaire, Traité sur la tolérance, 1763).
der ehrwürdige Steinmetz
Johann Adam Steinmetz (1689–1762) war ein protestantischer Geistlicher, bedeutender Pädagoge und ab 1732 Leiter der Klosterschule Berge (vgl.
). Unter ihm erlangte die nach dem Muster des Halleschen Waisenhauses eingerichtete und auf diese Weise zur zweiten Bildungsstätte des Pietismus avancierte Schulanstalt ihre Blütephase und hohes Ansehen. Während seiner 30jährigen Wirksamkeit nahm Steinmetz über 900 Schüler aus zum Teil sehr angesehenen Familien auf, u.a. Christoph Martin Wieland (1733–1813). Seit seiner Zeit als Oberprediger in Teschen (ab 1720) war er mit Steinbarts Vater befreundet und in pietistischem Geiste verbunden. Zwischen 1730 und 1761 veröffentlichte der Abt zahlreiche Erbauungszeitschriften. Sein enger Kontakt mit Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760) ließ ihn indirekt auf die Gründung der Herrnhuter Brüdergemeine Einfluss nehmen. Steinbart selbst wurde auf der Klosterschule Berge von Steinmetz, den er nach eigenen Angaben „nie ohne dankbare Hochachtung“ nannte, unterrichtet und zudem in die „Pflichten und Klugheitsregeln bey der Direktion einer öffentlichen Anstalt“ (bVIf.) eingeführt.
Entwurf zu einer [...] allgemeinen Verbesserung der öffentlichen Erziehung und des Schulwesens
Vgl. Gotthilf Samuel Steinbart, Vorschläge zu einer allgemeinen Schulverbesserung in so fern sie nicht Sache der Kirche sondern des Staats ist, 1789 sowie Anm. 26 in der Einleitung dieser Edition.
Im dritten Heft der philos. Unterhaltungen ist der Anfang gemacht dieses Versprechen zu erfüllen; zum Theil auch in der Nachricht von der jetzigen Verfassung der Züllichauischen Erziehungsanstalten im Jahr 1786
Im Vorbericht zum dritten Heft der Philosophische[n] Unterhaltungen zur weitern Aufklärung der Glückseligkeitslehre von 1786 weist Steinbart darauf hin, dass er die „versprochene[n] Betrachtungen über die Schulverbesserungen [...] in einer besondern Schrift vorlegen“ (aaO [VIII]) will. Vgl. daraufhin Steinbarts Nachricht von der jetzigen Verfassung der Erziehungsanstalten zu Züllichau, 1786 sowie die o.g. Vorschläge zu einer allgemeinen Schulverbesserung von 1789.
Annäherung der feindlichen Kriegesheere in die Gegend von Halle
Im Verlauf des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) ist die durch den Salzhandel wohlhabende preußische Grenzstadt Halle mehrfach von den kaiserlichen Truppen des Hauses Habsburg besetzt worden. Unter dem Eindruck der Kriegserfahrungen wechselte Steinbart nach Frankfurt/Oder.
fand ich an dem vortreflichen Töllner einen Freund und Vater
Der Neologe Johann Gottlieb Töllner (1724–1774), ehemaliger Stipendiat der Franckeschen Anstalten in Halle und Feldprediger in Frankfurt/Oder, war seit 1756 außerplanmäßiger (ab 1760 ordentlicher) Professor der Philosophie und Theologie an der dortigen Universität. Er gilt als der erste akademische Hauptvertreter der Neologie. Steinbarts Charakterisierung hebt den sehr persönlichen Kontakt Töllners zu seinen Studierenden (u.a. im Rahmen sonntäglicher „asketischer Stunden“) hervor. Den „ganzen Kursus der theologischen Disciplinen“ (bXI) konnte Steinbart in Töllners breit rezipierten Grundrissen der dogmatischen Theologie (1760), der Moraltheologie (1762), der biblischen Hermeneutik (1765) und der Pastoraltheologie (1767) studieren. 1774 trat Steinbart als Professor in Frankfurt/Oder die Nachfolge seines Mentors an, der sich nicht zuletzt in der aufklärungstheologischen Debatte um die christliche Versöhnungslehre einen Namen gemacht hatte (vgl. b129f.).
als Lehrer an der vom Oberkonsistorialrath Hecker [...] gestifteten Realschule
Der protestantische Theologe Johann Julius Hecker (1707–1768) gründete 1747 die erste („Ökonomisch-mathematische“) Realschule in Berlin und schuf damit einen neuen, praxisorientierten Schultypus. Mit seinem reformpädagogischen Ansatz, den Realschulunterricht mit einer an der späteren Berufspraxis orientierten Ausbildung zu verbinden, beeinflusste er die pädagogische Entwicklung in Preußen stark (zu den bekannten Schülern zählt u.a. der Aufklärungsschriftsteller und Verlagsbuchhändler Friedrich Nicolai [1733–1811]). – Steinbart spricht von Hecker als seinem „nachmaligen Schwager“ (aX), weil dieser 1750 Caroline Wilhelmine Bethmann geheiratet hatte, die Tochter des Kastellans Christian Wilhelm Bethmann, eines Hofbeamten am Markgräflich Karlschen Palais. Dessen zweite Tochter, Dorothea Christiane, wurde am 25. September 1763 Steinbarts Ehefrau. Lebensdaten sind nicht bekannt. – Steinbart dürfte um 1760 in Berlin unterrichtet haben, als die Aufklärungstheologie im dortigen Oberkonsistorium noch unterrepräsentiert war (vgl. bXII). Jedenfalls muss es vor 1762 gewesen sein, da er hier nach eigenen Angaben bereits Verantwortung bei der Einrichtung des Züllichauer Pädagogiums übernahm (vgl. Steinbart, Nachricht von der jetzigen Verfassung der Erziehungsanstalten zu Züllichau, 1786, [3]).
Damals genoß Berlin noch nicht das Glück, daß die einsichtsvollern Prediger ihre Aufschlüsse öffentlich mitgetheilt hätten. Der freimüthige Sack war in Magdeburg, und die herrschende Denkart im Oberkonsistorium war unbestimt, oder doch vor den Augen der Kandidaten ein Räthsel.
Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817) wurde 1769 dritter Prediger der deutsch-reformierten Gemeinde in Magdeburg und wechselte erst 1777 als fünfter Hof- und Domprediger nach Berlin, wo er 1786 in die erste Predigerstelle aufrückte und in der Nachfolge seines Vaters reformiertes Mitglied im lutherischen Oberkonsistorium wurde. Insofern dürfte Steinbart hier ihn meinen. Sein Vater, der bekannte Aufklärungstheologe August Friedrich Wilhelm Sack (1703–1786), arbeitete während Steinbarts Berliner Zeit schon lange nicht mehr in Magdeburg: Er hatte seit 1731 als Prediger sowie seit 1738 als Konsistorialrat und Inspektor der reformierten Kirchen mit außerordentlichem sozialen Engagement im Herzogtum Magdeburg gewirkt, war allerdings 1740 aufgrund seines ausgezeichneten Rufes nach Berlin berufen worden, wo er seitdem das Amt des dritten, ab 1744 des ersten Hof- und Dompredigers bekleidete. Mit seinem Einzug in das Berliner Oberkonsistorium 1750 veränderte sich dessen Profil allmählich. Weitere Aufklärer wie Johann Joachim Spalding (ab 1764) und Wilhelm Abraham Teller (ab 1768) verstärkten diese Entwicklung. Dennoch hatten sich die Neologen im Konsistorium gegen spätorthodoxe Stimmen wie beispielsweise Johann Esaias Silberschlag (1721–1791) zu behaupten, die im Berlin der 1760er Jahre noch großen Einfluss genossen. Er war es auch, der bei der Vorstellung von Steinbarts überkonfessionellem Schulbuchentwurf im Berliner Oberkonsistorium den größten Widerstand leistete.
das Lesen [...] der Lockischen und Fosterschen Schriften
Der berühmte Aufklärungsphilosoph John Locke (1632–1704) zählt zu den Hauptvertretern des englischen Empirismus und gilt als Vater des politischen Liberalismus. Steinbart beschäftigt sich mit Locke u.a. in seiner Anleitung des menschlichen Verstandes zum regelmäßigen Bestreben nach möglichst vollkommner Erkenntniß (2 Bde., 1780/81), deren Titel an die deutsche Übersetzung von John Lockes An Essay concerning Humane Understanding (1690) angelehnt ist. Seine Religionsphilosophie kam in The Reasonableness of Christianity, as delivered in the Scriptures (1695) einflussreich zur Entfaltung. – James Foster (1697–1753) war ein englischer Baptist und Prediger. Johann Joachim Spalding übersetzte Fosters zweibändiges Werk Discourses on all the principal branches of natural religion and social virtue (1749/1752) ins Deutsche. Diese Übersetzung ist unter dem Titel Betrachtungen über die vornehmsten Stücke der natürlichen Religion und der gesellschaftlichen Tugend in zwei Bänden (1751/1753) erschienen und dürfte neben anderen aufklärungsphilosophischen Werken das liberale Religionsverständnis des jungen Steinbart während seines Studiums im Kloster Berge maßgeblich geprägt haben.
das unschätzbare Wörterbuch des Herrn Oberkonsistorialraths W. A. Teller
Der Oberkonsistorialrat und Propst Wilhelm Abraham Teller (1734–1804) avancierte nach seinem Wechsel aus Helmstedt nach Berlin 1768 bald zu einem wichtigen Repräsentanten der Berliner Aufklärung – als neologischer Predigt-, Gesangbuch- und Liturgiereformer ebenso wie als Gründungsmitglied der „Mittwochsgesellschaft“ oder als aktiver Mitarbeiter der Allgemeine[n] Deutsche[n] Bibliothek. Mit seinem Wörterbuch des Neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre (1772–1805; hg. von Lukas Wünsch [BdN IX], 2022) verfolgte er die Absicht, die wesentlichen Religionslehren Jesu und der Apostel von ihren zeitbedingten Akkommodationen und kirchlich-dogmatischen Überformungen zu unterscheiden, um so das Christentum für eine aufgeklärte Religionspraxis anschlussfähig zu machen. Wenngleich das Wörterbuch für die Popularisierung neologischer Bibelwissenschaft von zentraler Bedeutung war, stieß es auf vehementen Widerspruch aus spätpietistischen Kreisen (vgl. [Friedrich Christoph Oetinger] Biblisches und Emblematisches Wörterbuch, dem Tellerischen Wörterbuch und Anderer falschen Schrifterklärungen entgegen gesezt, 1776). Hinsichtlich der neutestamentlichen Grundlegung der Glückseligkeitslehre zeigt sich Steinbart ausdrücklich durch Tellers Wörterbuch beeinflusst. Aber auch in Tellers späterer Religionstheorie, die dieser als „Weisheitslehre zu einer immer höher steigenden Glückseligkeit“ entfaltete, deuteten sich gewisse Wechselwirkungen nicht zuletzt im Untertitel an (vgl. Teller, Die Religion der Vollkommnern. [A]ls Beylage zu desselben Wörterbuch und Beytrag zur reinen Philosophie des Christenthums, 1792, 4).
Herrn Etatsministers Freyherrn von Münchhausen Excellenz
Nach seiner Übernahme der Züllichauer Waisenhausleitung gewann Steinbart für seine Schulreformpläne die Unterstützung des geheimen Etats- und Justizministers Ernst Friedemann Freiherr von Münchhausen (1724–1784), der im September 1763 von Friedrich II. mit dem Ministeramt und im Juni 1764 mit der Leitung des geistlichen Departements sowie des Lutherischen Oberkonsistoriums in Preußen versehen worden war. Steinbart hatte u.a. die Anfertigung neuer Schulbücher vorgeschlagen, nach denen Heranwachsende nur wesentliche Religionslehren und darüber hinaus v.a. praktische Realkenntnisse (z.B. im Bereich der Landwirtschaft) erlernen sollten, was Münchhausen und sein Nachfolger Zedlitz (vgl. b[3]) positiv aufnahmen und nicht zuletzt durch die Gewährung der allgemeinen Postfreiheit förderten. Allerdings schränkten finanzielle und zeitliche Engpässe sowie kritische Stimmen von Kirchen- und Schulräten seine Schulreformbemühungen erheblich ein. – Nach der kirchenpolitischen Reaktion empfahl Steinbart dem König Friedrich Wilhelm III., zu den „verständigen Grundsätzen“ des Ministers von Münchhausen zurückzukehren, der seine Geschäfte ganz im Gegensatz zu Woellner „in der zweckmäßigsten Ordnung“ ausgeführt und insbesondere das Oberkonsistorium bei geistlichen Angelegenheiten zu Rate gezogen habe (Steinbart, Kurze Geschichte, 2v).
daß die heilige Schrift die einzige Erkentnißquelle und Schiedsrichterin in der christlichen Religion seyn solle [...] mit Luthern schlechterdings gleiche Rechte
Gegen das Traditionsprinzip der römischen Kirche sah bekanntlich der Reformator Martin Luther (1483–1546) den christlichen Glauben in der Bibel vollständig begründet, wenngleich sein faktischer, argumentationsstrategischer Schriftgebrauch von einem eigenen, christozentrischen Bibelverständnis gekennzeichnet war (vgl. u.a. Luther, Assertio omnium articulorum M. Lutheri per bullam Leonis X. denuo repetita et innovata, 1520, WA 7, 94–151, insb. 97,21–23: „Scriptura [...] sui ipsius interpres“). Für die (durchaus selektive) Aneignung reformatorischer Individualisierungs- und Liberalisierungstendenzen im Rahmen der dogmenkritischen Schriftauslegung der Neologie ließen sich zahlreiche weitere Belege anführen. Der Rekurs auf das reformatorische Schriftprinzip bekam eine politische Bedeutung, als Steinbart sich gegenüber Woellner vom theologischen Rationalismus distanzierte (vgl. Anm. 117 in der Einleitung dieser Edition).
die bereits eingetretene Buchhandlungsmesse
Gemeint ist die Leipziger Buchmesse, die im 18. Jahrhundert ein wichtiges Zentrum des modernen deutschen Buchhandels darstellte und zwischenzeitlich Frankfurt/Main aus dieser Rolle verdrängte. Die mit dem Züllichauer Waisenhaus verbundene Frommannische Buchhandlung war seit ihren frühen Zeiten auf der Buchmesse vertreten. Zusammen mit Nathanael Sigismund Frommann und später mit dessen Sohn Carl Friedrich Ernst konnte Steinbart in Leipzig am geschäftlichen und kulturellen Leben der Stadt partizipieren und mit bedeutenden Persönlichkeiten des Verlagswesens, wie Johann Gottlieb Immanuel Breitkopf (1719–1794), Friedrich Nicolai (1733–1811), Johann Friedrich Hartknoch (1740–1789) und August Mylius (1731–1784), ins Gespräch kommen. Steinbart führt die unabgeschlossene „Anrede an das lesende Publikum“ (vgl. a[I]–aXVIII) auf seine terminliche Bindung durch die Buchmesse zurück und gibt an anderer Stelle an, dass er auch den in der zweiten Auflage stark erweiterten sechsten Abschnitt (§§ 80–90, später bis § 98) aufgrund der Messe zunächst nicht habe fertigstellen können (vgl. bLI).
Diese Redensart ist aus Luthers Bibelübersetzung 1 Cor. 1, 22. entlehnt, wo Paulus den abergläubigen Juden, die immer Zeichen und Wunder sehen wolten, die gelehrtern Griechen, die Vernunftgründe zum Beweise eines Religionsvortrages verlangten, entgegensetzt
Die Luther-Übersetzung (1545) zu 1Kor 1,22 lautet: „Sintemal die Jüden Zeichen foddern / vnd die Griechen nach Weisheit fragen“. Steinbart greift an mehreren Stellen explizit auf Luthers Bibelübersetzung zurück, um sie freilich in seinem Sinne zu interpretieren.
Vertheidigter Glaube der Christen
Mit seinem literarischen Hauptwerk Vertheidigter Glaube der Christen (8 Stücke, 1748–1751, 1773; erscheint als BdN VII) wurde der Berliner Hof- und Domprediger sowie Oberkonsistorialrat, August Friedrich Wilhelm Sack, zu einem Gründungsvater der Neologie. Wenngleich er an zentralen Lehrstücken der traditionellen Dogmatik festhielt, beauftragte er den „von allem Gewissens-Zwang befreyete[n] Protestanten“, sein „ganzes angenommenes Lehrgebäude nach der klaren Vorschrifft der Offenbarung Stück vor Stück [zu] prüfen und selber [zu] durchdenken“ (1773, 694). Damit überführte seine populartheologische Apologie die herkömmliche Alternative von Offenbarungsglauben und Vernunft in das aufklärerische Programm einer konsequenten Individualisierung christlicher Religion. Die wirkungsgeschichtliche Relevanz dieses neologischen Schlüsselwerks wird in Steinbarts Aneignung einmal mehr deutlich.
vom Melanchton an [...] Seit Wolfs Zeiten [...] der verdiente Töllner
Steinbart nennt verschiedene Repräsentanten einer systematischen Lehrmethode in der protestantischen Theologie: So formulierte der Reformator Philipp Melanchthon (1497–1560) abweichend von den spekulativen Summen und Sentenzenkommentaren der Scholastik allgemeine Grundbegriffe der Theologie, die die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens aus der Bibel zusammenfassen und im Zeitalter der Konfessionalisierung nicht zuletzt die lutherische Bekenntnisentwicklung prägen sollten (vgl. Melanchthon, Loci communes rerum theologicarum, 1521; dazu b108 und
). Die vom Universalgelehrten Christian Wolff und seinen Anhängern beförderte mathematisch-syllogistische Lehrart zielte auf strenge Systematik und begriffliche Präzision beim Verfassen theologischer Schriften und entfaltete mit ihrer Synthese von Offenbarungsglauben und Vernunfterkenntnis eine große, in die neologischen Vermittlungsleistungen vielfältig übergehende Wirkung (vgl. etwa Wolff, Vernünfftige Gedancken von der Menschen Thun und Lassen, zu Beförderung ihrer Glückseeligkeit, 1720). Anders als Steinbart hatte beispielsweise dessen Lehrer Johann Gottlieb Töllner aufzuzeigen versucht, „daß die strenge scientivische Lehrart zum Vortrage sämtlicher theologischer Disciplinen die beste und die einzige wahre zur Beförderung gelehrter Einsichten sey“ (bXXVI; vgl. Töllner, Gedanken von der wahren Lehrart in der dogmatischen Theologie, 1759, § 19).
Stückwerk
Vgl. 1Kor 13,9f. sowie b291.
Köhlerglauben
Der Begriff bezeichnet nach einer spätmittelalterlichen, von Luther überlieferten Volkserzählung zunächst die fides implicita, also den im kirchlich-dogmatischen Glauben von Priestern und Bischöfen aufgehobenen Laienglauben, der aus reformatorischer Sicht negativ besetzt war, weil er der individuell-rechtfertigenden fiducia widersprach (vgl. Luther, Sendschreiben an die zu Frankfurt am Main, WA 30 III, 562, 27–33). Im Zeitalter der Aufklärung kam es zu einer Verallgemeinerung des Begriffs in Richtung des kritiklosen Fürwahrhaltens beispielsweise der naturwissenschaftlichen Anmaßungen kirchlicher Schöpfungslehre. Immanuel Kant spricht von einem „Despotism über die Vernunft des Volks [...] durch Fesselung an einen blinden Glauben“, der „für die eigentliche ächte Philosophie ausgegeben“ wird (Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie [1796], in: AA VIII, 387–406, 394). Wirkungsgeschichtlich relevant ist Albrecht Ritschls (1822–1889) Glaubensbegriff, bei dem es „eben nicht auf Unterwerfung unter Wahrheitssätze an[kommt] [...] sondern auf die Anerkennung des Werthes Christi“ (vgl. Ritschl, Fides implicita. Eine Untersuchung über Köhlerglauben [!], Wissen und Glauben, Glauben und Kirche, 1890, 74).
Aus diesen Gründen halten nun viele angesehene Gottesgelehrten eine historische Lehrart beym Vortrage der Theologie für nützlicher
Nach der Durchsetzung einer pragmatischen, also nicht mehr dogmatisch-heilsgeschichtlich präjudizierten, sondern innerweltliche Kausalitätszusammenhänge rekonstruierenden Methode (vgl. etwa Johann Lorenz von Mosheim, Versuch einer unpartheiischen und gründlichen Ketzergeschichte, 2 Bde., 1746/48) festigte sich bei Johann Salomo Semler (1725–1791) – parallel zur Entstehung der historisch-kritischen Bibelwissenschaft – die Idee einer kritisch motivierten Dogmengeschichtsschreibung: Die symbolisch-normative Quellenbasis des älteren Protestantismus und den traditionsgebundenen Wahrheitsanspruch der Theologie konsequent historisierend, ließ er seine historische Theologie auf die Perfektibilität des Christentums hinauslaufen und beeinflusste mit diesen „verdienstvollen“ (bXXIX) Umformungen den neologischen Religionsdiskurs nachhaltig. Zu seinen bedeutendsten Untersuchungen gehören die umfangreichen historischen Einleitungen der Schriften seines Lehrers Baumgarten (Evangelische Glaubenslehre, 3 Bde., 1759/60 und Untersuchung theologischer Streitigkeiten, 3 Bde., 1762–64), die auch von Steinbart mehrfach herangezogen werden.
zuverlässigere Einsichten durchs Lesen der besten Schriften
Die Wendung verweist auf die im 18. Jahrhundert breit geführte Debatte um die Inhalte des theologischen Studiums: Zu den vielbeachteten Beiträgen gehörte die materiale Enzyklopädie Johann August Nösselts (1734–1807), der unter Einschluss von Hilfswissenschaften und bildungspraktischen Fragen die Gelehrsamkeit des neologischen Religionslehrers in den Mittelpunkt stellte: „so begreift man leicht, wie sehr es unsrer Achtung bey Andern schade, wenn man oft nicht einmal die bekanntesten Hülfsmittel der Gelehrsamkeit, oder die besten Schriften einer Art, kennt“ (vgl. Nösselt, Anweisung zur Bildung angehender Theologen [1786/89–1818/19], hg. von Albrecht Beutel / Bastian Lemitz / Olga Söntgerath [BdN IV], 242). – Steinbart teilt die enzyklopädische Ausrichtung der Theologie auf den praktischen Religionsunterricht, gibt allerdings schon 1778 an, dass seine „auf Schulen eingesamlete Gelehrsamkeit“ im Angesicht der unternehmerischen Lebenserfahrung „eine grosse und allgemeine Reform [hat] erleiden müssen“, weshalb Polymathie kaum als Selbstzweck angestrebt werden könne: „Wie vieles lernen wir noch, was uns im geschäftigen Leben ganz unnütz bleibt!“ (bXVII). Vor diesem Hintergrund sind auch Steinbarts Gründe für die gänzliche Abschaffung der Schulsprache des theologischen Systems (1772) zu verstehen, die nicht zuletzt von Nösselt scharf kritisiert wurden (vgl. die Einleitung dieser Edition bei Anm. 32).
allen allerley zu werden
Vgl. 1Kor 9,22 sowie b209.
einen verdienstvollen Semler und andre Aufklärer [...] beschuldigen
Vgl.
.
damit sie nicht mehr so viel Ueberflüssiges für die Schule, und destomehr für das Leben erlernen
Der Stoiker Lucius Annaeus Seneca (ca. 1–65) äußerte um 62 in einem Brief an seinen „Schüler“ Lucilius Kritik an den römischen Philosophenschulen seiner Zeit mit den bekannten Worten: „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir“ (vgl. Seneca, Epistulae morales ad Lucilium CVI, 12: „Non vitae sed scholae discimus“). Damit soll der Missstand einer zu wenig am praktischen Leben orientierten Philosophie problematisiert und eine entsprechende Entgegnung Lucilius’ hervorgerufen werden. Dementsprechend ist die Umkehrung („Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“; lat. „Non scholae sed vitae discimus“) bekannt geworden, die sich die Popularphilosophie der Aufklärung und insbesondere Steinbart zu eigen gemacht hat.
Ich habe in meiner Anleitung des menschlichen Verstandes zum regelmässigen Bestreben nach möglichst vollkomner Erkentniß §. 102. 103. etwas mehr hierüber im allgemeinen erklärt
Vgl. Gotthilf Samuel Steinbart, Anleitung des menschlichen Verstandes zum regelmäßigen Bestreben nach möglichst vollkommner Erkenntniß, Bd. 1, 1780 sowie den Text bei Anm. 40 in der Einleitung dieser Edition.
Anweisung zur Amtsberedsamkeit christlicher Lehrer
Vgl. Gotthilf Samuel Steinbart, Anweisung zur Amtsberedsamkeit christlicher Lehrer unter einem aufgeklärten und gesitteten Volke [1779], 1784 insgesamt sowie den Text bei Anm. 38 in der Einleitung dieser Edition.
Daß ich den christlichen Lehrbegrif nicht vollständig geliefert hätte [...] hat Herr Lavater in seinem Etwas über Steinbarts System erinnert
Der Züricher reformierte Pfarrer und Schriftsteller Johann Caspar Lavater (1741–1801) gehört zu den schärfsten Kritikern der Glückseligkeitslehre und als Wegbereiter der Physiognomik bzw. Vertreter eines religiösen Antirationalismus zu den streitbaren Theologen des 18. Jahrhunderts. Wenngleich Lavater vorgab, Steinbarts Werk zu den besten philosophischen Schriften der Gegenwart zu zählen, kritisierte er sie gleichzeitig als deistische Kapitulation gegenüber dem gesellschaftspolitischen Zeitgeist: Das eigentümliche Wesen des Christentums gehe nicht in Menschenliebe auf, sondern offenbare sich in der erschöpfenden Lektüre seiner Urkunde und im apostolischen Bekenntnis (vgl. insbesondere Lavater, Etwas über Herrn Consistorialrath Steinbarts System der reinen Philosophie und Glückseligkeits-Lehre des Christenthums, in: Christliches Magazin, hg. von Johann Konrad Pfenninger, Bd. 1, 2 St., 1779, 63–80; wiederabgedruckt bei Semler [Hg.], Urtheile über [...] Steinbarts System des reinen Christentums. Mit vielen Zusätzen, 1780, [2]–24. Vgl. auch den Text bei Anm. 76 in der Einleitung dieser Edition). Dennoch regte er beispielsweise Johann Gottfried Herder (1744–1803) zur Lektüre und Besprechung der Glückseligkeitslehre an (vgl. Lavater, Brief an Herder [1779/80], in: Aus Herders Nachlaß, Bd. 2, hg. von Heinrich Düntzer / Ferdinand Gottfried von Herder, 1857, 180–182). In den 1770er Jahren beklagte er mit Blick auf Lessing, Semler, Steinbart und Teller den rationalistischen Verfall des christlichen Glaubens (vgl. Lavater, Synodalrede gegen Deismus und kirchlichen Rationalismus, in: Ders., [A]usgewählte Werke, Bd. 3, 1779–1790, hg. von Ernst Staehelin, 1943, 1–27, 15), wobei er allerdings – Steinbart zufolge – „mit mehr Inbrunst eines gutherzigen Enthusiasmus, als mit kaltblütiger Scharfsinnigkeit“ (bXLIV) argumentierte.
Ein ungenanter Gelehrter, der durch H. D. L. bezeichnet wird
Semler druckte als zweiten Text den anonym verfassten, kritischen Kommentar zu Lavaters Kritik ab, um sich daraufhin in die Debatte einzuschalten und gegenüber den ihm selbst entgegengebrachten Vorwürfen zu verteidigen (vgl. Prüfung und Beantwortung des Aufsatzes, genant: Etwas über Hrn. Steinbarts System [...] von H. D. L., in: Semler [Hg.], Urtheile über [...] Steinbarts System, 25–69). Semler vermutet, dass der Autor, der den Deismusvorwurf an Steinbart konsequent ablehnt, einer seiner Schüler ist. Tatsächlich handelt es sich um den Semler-Schüler Heinrich Corrodi (1752–1793; vgl. den Text bei Anm. 81 in der Einleitung dieser Edition), der später am Zürcher Gymnasium als Professor für Naturrecht wirkte: Corrodi tadelte Lavaters „Intoleranz [...], den anders Denkenden als einen Unchristen und heimlichen Deisen verhaßt zu machen“, weil sie nicht nur „der christlichen Tugendlehre [...] entgegen lauf[e]“ (aaO 47), sondern v.a. wissenschaftliche Belege schuldig bleibe. Auf der Basis einer konsequenten Unterscheidung von Theologie und Religion sei das Christentum „eines Wachsthums seiner Vollkommenheit fähig“ (aaO 52; vgl. auch Corrodi, Versuch über Gott, die Welt und die menschliche Seele. Durch die gegenwärtigen Streitigkeiten veranlasst, 1788).
Daß mein System zwar ein richtiger christlicher Lehrbegrif [...] sey, daß aber die allgemeine Einführung desselben und der darin gebrauchten Lehrart in der Kirche nicht statt finden könne
Semler widersprach Lavaters Deismusvorwurf gegenüber Steinbart und empfahl, das Wesen des Christentums nicht in biblischen oder dogmatischen Lehren zu fassen, sondern „in der geistlichen Gemütsfassung, die Christus durch geist- und leben[s]reichen Unterricht uns empfohlen hat“ (Semler, Zusätze, in: Ders., Urtheile über [...] Steinbarts System, 70–174, hier 96). Stärker noch als Corrodi, der von einem zeitlosen Kern hinter den geschichtlichen Einkleidungen ausging, konnte Semler die Entwicklungsfähigkeit der christlichen Privatreligion unterstreichen und in diesem Sinne auch Steinbarts Glückseligkeitslehre für biblisch begründet halten. Kritik äußerte er, wo er den Eindruck hatte, Steinbart wolle – in Kooperation mit der friderizianischen Regierung – sein eigenes System an die Stelle des öffentlichen Bekenntnisses setzen. Mit seiner Unterscheidung stellte Semler die Gewissensfreiheit der Privatreligion gegenüber dogmatischer Normierung heraus, während er gleichzeitig an der territorialen Bekenntnisbindung der öffentlichen Religion entschieden festhielt (vgl. später Semler, Vertheidigung des Königl. Edikts vom 9ten Jul. 1788. wider die freimüthigen Betrachtungen eines Ungenannten, 1788).
Daß die im fünften Abschnitt von mir widerlegten kirchlichen Lehrsätze von der Zurechnung einer fremden Schuld und fremden Gerechtigkeit u. s. w. sich wohl vertheidigen liessen
Der Erlanger Theologe Georg Friedrich Seiler (1733–1807) verteidigte die augustinische Erbsündenlehre und die anselmische Satisfaktionstheorie gegen Steinbarts dogmenkritische Relativierungen als „reine Lehre der heiligen Schrift“ (Seiler, Ueber den Versöhnungstod Jesu Christi. Nebst der Lehre von der Erbsünde [= Bd. 2], 1779, 179). Allerdings trat auch bei Seiler die klassische Versöhnungslehre in gewisser Weise hinter die grotianische Strafexempeltheorie zurück, bei der nicht mehr die ausgleichende Gerechtigkeit und Ehre Gottes, sondern die ethische Bedeutung des göttlichen Gesetzes im Mittelpunkt stehen sollte (vgl. b152). Indem er darüber hinaus zwischen metaphysischer und moralischer Zurechnung unterschied und die Imputation auf die „Theilnehmung an den Folgen der Handlungen Adams und Christi“ (bXLVII) einschränkte, relativierte er auch die Lehrsätze von der Erbsünde und vom ethischen Unvermögen des Menschen indirekt, weshalb er der neologischen Sichtweise deutlich näher kam, als er wahrscheinlich beabsichtigt hatte. Neben Steinbarts Glückseligkeitslehre ist auch Johann August Eberhard, Neue Apologie des Sokrates oder Untersuchung der Lehre von der Seligkeit der Heiden, 2 Bde., 1772/1778 bei Seiler Gegenstand der kritischen Auseinandersetzung (vgl. Seiler, Ueber den Versöhnungstod Jesu Christi. Nebst einem Anhang der Schriftlehre von der Rechtfertigung des Sünders vor Gott [= Bd. 1], 1779).
Buchhändlermesse
Vgl.
.
Wolfenbüttelschen Fragmente [...] daß einige derselben [Theologen] nun selbst an einander geriethen
Als Beiträge der Veröffentlichungsreihe Zur Geschichte und Litteratur. Aus den Schätzen der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel publizierte der als Bibliotheksleiter tätige Gottholf Ephraim Lessing (1729–1781) zwischen 1774 und 1778 sieben anonyme „Fragmente“ der jahrzehntelang bearbeiteten, jedoch zurückgehaltenen (erst 1972 vollständig veröffentlichten) Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes aus der Feder des Hamburger Gymnasialprofessors Hermann Samuel Reimarus (1694–1768). Mit ihrer radikalen Zurückweisung des biblischen Offenbarungsglaubens zugunsten einer natürlichen Religion lösten die Wolfenbütteler Fragmente eine der größten literarischen Kontroversen des 18. Jahrhunderts aus, an der sich, wie Steinbart andeutet, auch protestantische Theologen beteiligten – allen voran der streitbare, spätorthodoxe Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze (1717–1786). Der Hallenser Neologe Semler schaltete sich in die Debatte ein, indem er Goezes unmittelbare Herleitung dogmatischer Lehrsätze als Offenbarungslehren der heiligen Schrift als nicht mehr zeitgemäß zurückwies und gleichzeitig gegen Reimarus für die bleibende Glaubwürdigkeit der neutestamentlichen Heilsbotschaft eintrat (vgl. Semler, Beantwortung der Fragmente eines Ungenanten insbesondere vom Zweck Jesu und seiner Jünger, 1779). – Steinbarts Hinweis, dass die Fragmente „[o]hngefehr zu gleicher Zeit“ (cLII) mit der Erstausgabe der Glückseligkeitslehre erschienen seien, stimmt für die letzte Fragmentpublikation (vgl.
). Die ersten beiden waren bereits erschienen (vgl. Von Duldung der Deisten. Fragment eines Ungenannten, in: Zur Geschichte und Litteratur [...], Dritter Beytrag, hg. von Gotthold Ephraim Lessing, 1774, 195–226 sowie: Ein Mehreres aus den Papieren des Ungenannten, die Offenbarung betreffend [fünf Fragmente und „Gegensätze des Herausgebers“], Vierter Beytrag, 1777).
Aufwerfung der Preißfrage: in wie fern eine Täuschung des Volkes erlaubt und nützlich seyn könnte
Die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin hatte für das Jahr 1780 ihre bislang spektakulärste Preisfrage ausgeschrieben: „Ist es dem Volk nützlich, betrogen zu werden, sei es, daß man es in neue Irrtümer führt oder in denen, die es unterhält, bestätigt?“ Die hochbrisante, auf Drängen Friedrichs II. gestellte Aufgabe hinterfragte zentrale Denkmuster und Wertvorstellungen der Aufklärung, indem sie der Verpflichtung auf Wahrheit und Aufrichtigkeit die Möglichkeit des legitimen Betrugs bei gesellschaftlichem Nutzen gegenüberstellte. In den 42 Bewerberschriften wurde sie, teils bejahend, teils verneinend, in methodischer und argumentativer Hinsicht sehr unterschiedlich beantwortet. Der Volksaufklärer und Pfarrer Sebastian Georg Friedrich Mund (1728–1809) versuchte sich in einer nicht ganz stichhaltigen Abhandlung an dem Beweiß, daß es dem Volcke nüzlich sei, betrogen zu werden, sowohl durch die Erhaltung der alten als durch die Beförderung neuer Irrthümer (in: Die Preisfrage der Preußischen Akademie für 1780, Bd. 2 [Forschungen und Materialien zur Universitätsgeschichte I, 2.2], hg. von Hans Adler, 2007, 819–865) und zitierte dabei sogar Steinbarts Glückseligkeitslehre (vgl. aaO 842). Dieser zeigte sich allgemein unzufrieden über die Beiträge (vgl. cLII) und ergänzte in der dritten Auflage an der betreffenden Stelle den Satz: „Gelehrte müssen in dem Felde der menschlichen Kentnisse, darin sie Führer der Layen seyn wollen, alles selbst erforscht haben, und sich nicht von ihren Vorgängern blindlings leiten lassen“ (c67).
Briefe über die Bibel in Volkston
Vgl. Carl Friedrich Bahrdt, Briefe über die Bibel, im Volkston. Eine Wochenschrift von einem Prediger auf dem Lande, 1782/83. Nach dem öffentlichkeitswirksamen Kirchen- und Ketzer-Almanach aufs Jahr 1781, in dem der Hallenser Aufklärer Carl Friedrich Bahrdt (1740–1792) namhafte deutsche Theologen verspottete, enthielten seine periodisch erscheinenden „Briefe“ nun den Versuch einer freimaurerisch grundierten, naturalistischen Erklärung der neutestamentlichen Wundergeschichten aus dem jüdischen „Aberglauben“, wobei u.a. die im Fragmentenstreit diskutierte Priesterbetrugstheorie zur Anwendung kam: Christus, der größte aller sterblichen Menschen, habe den Plan verfolgt, durch Stiftung einer Geheimgesellschaft die von den Priestern verdrängte ethische Wahrheit unter der Menschheit zu erhalten und fortzupflanzen. Die Wochenschrift ist das Ergebnis einer zunehmenden theologischen Radikalisierung bei dem ursprünglich orthodox geprägten Bahrdt und Zeugnis eines im deutschsprachigen Raum zum Ende des 18. Jahrhunderts insgesamt erstarkenden theologischen Rationalismus, von dem auch die Glückseligkeitslehre nicht unbeeinflusst geblieben ist.
Versuch über die Sittenlehre für alle Stände
Vgl. den von Johann Heinrich Schulz (1739–1823) anonym veröffentlichten Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre für alle Menschen, ohne Unterschied der Religionen. Nebst einem Anhange von den Todesstrafen, 4 Bde., 1783. Die anonym erschienene, religionskritische Schrift war u.a. mitverantwortlich für das Verfahren, aufgrund dessen der „Zopfschulz“ als einziger Pfarrer in Preußen im September 1793 sein geistliches Amt infolge des Woellnerschen Religionsedikts verlor. Öffentlichkeitswirkung erfuhr die „Sittenlehre“ auch mit der Besprechung durch Immanuel Kant, der die religionsunabhängige Begründung der Moral positiv rezipieren konnte, aber den Freiheitsgedanken der sittlichen Selbstbestimmung bei Schulz vermissen musste (vgl. Kant, Rez. Schulz, in: Raisonnirendes Bücherverzeichniß, Bd. 7, [April] 1783, 97–100). Es ist bemerkenswert, dass Steinbart keineswegs uneingeschränkt positiv auf den Freigeist von Schulz (und Bahrdt, s.o.) hinweist: Diese würden „durch ihre privat Philosophie und Dichtungsgaben die Aufklärung zu befördern hoffen“, damit aber „hier und da Besorgnisse, selbst bey manchen Freunden der Vernunft, [...] erregen“ (cLIII).
Aber wer sind die, welche die Fahne des Glaubens vortragen wollen?
Steinbart spielt in diesem Absatz auf antiaufklärerische Diskursbeiträge und kirchliche Reunionsbestrebungen der 1780er Jahre an: Die Rede von der „Gesellschaft, die sich zur Aufrechterhaltung des reinen Glaubens vereiniget haben will, [um] uns Protestanten das römische Meßopfer annehmlich [zu] machen“ (cLIII), verweist wahrscheinlich auf das von dem Katholiken Peter Böhm (1747–1822) und dem Protestanten Johann Rudolf Anton Piderit (1720–1791) geplante reunionistische Sozietätsprojekt, welches Maßnahmen zur konfessionellen Wiederannäherung ausarbeitete, die damit einhergehenden Konfliktpotenziale allerdings unterschätzte und mit seiner konsensualen Einheitsidee letztlich die Pluralitätsaffinität der Aufklärungstheologie unterminierte (vgl. Einleitung und Entwurf zum Versuche einer zwischen den streitigen Theilen im Römischen Reiche vorzunehmenden Religions-Vereinigung von verschiedenen katholischen und evangelischen Personen, welche sich zu dieser Absicht in eine Gesellschaft verabredet haben, 1781 und dazu kritisch: Semler, Freymüthige Briefe über die Religionsvereinigung der dreien streitigen Theile im römischen Reiche. Erste Sammlung, 1783). – Mit den „Fahnenträger[n] des Glaubens“, die „Geistererscheinungen u. Wunder von allerley Art [...] hervorzubringen hoffen“ (cLIII), dürften die im genannten Zeitraum hervortretenden Repräsentanten eines theologischen Supranaturalismus (z.B. Gottlob Christian Storr [1746–1805], Franz Volkmar Reinhard [1753–1812]) und religiösen Antirationalismus (z.B. Johann Georg Hamann [1730–1788], Johann Caspar Lavater [vgl.
]) gemeint sein. Reinhards Entwicklung vom Neologen zum Supranaturalisten verlief nachweislich in Abgrenzung von Steinbarts Glückseligkeitslehre (vgl. Reinhard, De notione felicitatis humanae ad iudicium de placitis christianae religionis parum idonea, 1782 sowie den Text bei Anm. 110 in der Einleitung dieser Edition).
In München ist von dem Buchführer Strobel ein Nachdruck des Systems schon im vorigen Jahre veranstaltet
Johann Baptist Strobl (1746–1805) war ein bayerischer Buchhändler, Verleger, Schriftsteller und Titularprofessor. Nach kurzer Lehrtätigkeit am Straubinger Gymnasium kaufte er 1777 die Ostensche Verlagsbuchhandlung. Zum Nachdruck vgl. die Editorische[n] Hinweise in dieser Edition.
a:
|a[1]| Gotthilf Samuel Steinbart’s Königl. Preußl. Consistorialraths und öffentlichen Lehrers der Gottesgelehrsamkeit und Vernunftweisheit bey der Universität zu Frankfurth an der Oder
System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christenthums
für die Bedürfnisse seiner aufgeklärten Landesleute und andrer die nach Weisheit fragen eingerichtet.
Züllichau, in der Waysenhaus und Frommannischen Buchhandlung. 1778.|a[2]|
c:
|c[1]| Gotthilf Samuel Steinbarts Königl. Preußl. Konsistorialraths und öffentlichen Lehrers der Gottesgelehrsamkeit und Vernunftweisheit bey der Universität zu Frankfurth an der Oder
System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christenthums
für die Bedürfnisse seiner aufgeklärten Landesleute und andrer die nach Weisheit fragen eingerichtet.
Dritte rechtmäßige und verbesserte Auflage. Züllichau,
bei Nathanael Sigismund Frommanns sel. Erben. 1786.|c[2]|
d:
|d[I]|D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Gotthilf Samuel Steinbarts Königl. Preußl. Oberschul- und Konsistorialraths, öffentlichen Lehrers der Gottesgelehrsamkeit und Vernunftweisheit bey der Univer- sität zu Frankfurth an der Oder
System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christenthums
für die Bedürfnisse seiner aufgeklärten Landsleute und anderer, die nach Weisheit fragen eingerichtet.
Vierte rechtmäßige und verbesserte Auflage. Züllichau, 1794. in der Frommannischen Buchhandlung. |d[II]|
z:
|z[1]| Gotth. Sam. Steinbarts
wichtige Zusätze zu seinem System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christenthums.
für die Besitzer der ersten Auflage aus der zweiten herausgezogen.
Züllichau, in der Waysenhaus- u.
Abkürzungsauflösung von "u.": und
Frommannischen Buchhandlung. 1780. |z[2]|
d:
|d[III]|Vorrede
zur vierten Auflage, von 1794.
Diese Schrift ist im Jahre 1778 ausgearbeitet und herausgegeben worden, und muß daher in Beziehung auf die damalige Lage der theologischen Litteratur von den Gelehrten beurtheilet werden. Die Dedication und die Vorreden zu den 3 ersten Ausgaben sind dazu gehörige |dIV| historische Denkmähler; daher ich sie unverändert wiederum abdrucken lasse.
Was ich in Rücksicht auf neuere kirchliche Begebenheiten und auf die Einwürfe einiger Kantianer gegen die christliche Philosophie und deren Moralprincipien zu sagen habe, findet man im vierten Hefte meiner philosophischen Unterhaltungen.
Der Verfasser.
a:
Justitz-Minister
a:
Obercuratoren
cd:
Oberkurator
a:
Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
ad:
bekannt
a:
äußerten
a:
Cultur
cd:
Amtspflichten
a:
geäußert
ad:
wollte
ad:
bekannt
acd:
Hochfreyherrl.
Abkürzungsauflösung von "Hochfreyherrl.": Hochfreyherrlich
a:
großen
ad:
Wohlfahrt
d:
Gegenstand,
acd:
beschließen
cd:
eux
a:
großen
d:
Erkenntniß
cd:
Lebens
cd:
Christenthums,
a:
feyerlichst
d:
erleuchtetem
d:
erleuchtetem
a:
beyden Confessionen
ad:
zukommt
a:
großen
a:
Nationalcultur
c:
vorzüglichsten
a:
Protection
a:
Herren
d:
Frankfurth,
a:
ø
a:
unbenahmte
ad:
unkenntlich
a:
irgends wo
a:
Ordnung
d:
Erkenntnisse
a:
aber,
a:
großer
a:
verschiedne
a:
speculativen
cd:
gingen
acd:
unterrichtet
cd:
überspanten
ad:
könnte
ad:
wollte
d:
wohl
cd:
bey Magdeburg
a:
Classen
d:
kunstmäßig
a:
kunstmäßig spalten
a:
bloßen
d:
Dies
a:
konnte,
d:
konnte:
a:
Geheimniß
cd:
Ganzes
d:
Sachbegriff
cd:
geblieben;
d:
Begriff
a:
größern
cd:
Theile
a:
zerspaltet
acd:
verwirren
d:
kann
a:
kann das
ad:
vollkommnes
cd:
Ganzes
a:
Gränzen
ad:
zweckmäßig
ad:
viele
d:
Erkenntniß
d:
Wörterkram
d:
vortreflichen
d:
las
a:
großer
ad:
wollte
a:
ward
cd:
beizustimmen
ad:
größerer
cd:
Beifall
ad:
einsahe
d:
eigenen
d:
ganzes
a:
aufgeben
a:
unmöglich
a:
Freygeist
cd:
dabei
cd:
bei
a:
bestimmt
d:
bestimmt,
a:
Direction
c:
iedesmalige
a:
Director
c:
ernennen
ad:
ernennen kann
a:
sichere
acd:
gehabt
a:
Director
d:
noch
a:
beyde
a:
hatte
a:
studiren
a:
äußerlich
a:
Facultät
ad:
wollte
a:
stund
d:
stand,
a:
beyder
d:
gerühmet
a:
erlassen
cd:
vorlesen,
d:
ausgesetzten
ad:
bekannt
a:
überhaupt
a:
Direction
ad:
bekanntlich großen
d:
allgemeinen
a:
allgemeinen Vorsatz
ad:
Große
d:
sey, und der
c:
iedem
c:
werden. *
a:
zu seiner Zeit, und wenn wir Friede bekommen, vielleicht im kurzen vorlegen.
d:
geblieben.
c:
* Anmerkung.
Im dritten Heft der philos. Unterhaltungen ist der Anfang gemacht dieses Versprechen zu erfüllen; zum Theil auch in der Nachricht von der jetzigen Verfassung der Züllichauischen Erziehungsanstalten im Jahr 1786.
ad:
äußere
a:
nöthigte
d:
Indessen
c:
bei
d:
Unterredungen
a:
freymüthiger
cd:
gewisser
a:
Cavalier
d:
bekannt
a:
Freygeist bekannt
a:
Doctor
cd:
Doktor
cd:
darüber
ad:
Blatt
a:
durch
ac:
Prinzipien
a:
hält
a:
Denn
a:
Herren
a:
Prinzipien
a:
hält
a:
Prinzipien
a:
– – Ich
a:
Studierstube
ad:
könnte
a:
fieng
a:
unbestimmtes
a:
fehlte
a:
Monath
ad:
großen
a:
Alles
d:
las
a:
zuverläßigen
d:
Erkenntniß
ad:
Bestimmtheit
a:
fehlete
a:
wiewol
d:
Erkenntniß
a:
allmälig
c:
Kriegsheere
a:
werden
acd:
zu gehen
a:
ø
a:
Tisch
d:
Tische,
a:
Cursus
ad:
sollte
a:
mir
d:
Unterrichte
a:
zu
Editorische Korrektur von: zu ihm (digital)
d:
dies
a:
allzuwol
a:
nie
a:
gieng
a:
Oberconsistorialrath
a:
vorzüglichste
a:
erlernen
a:
freymüthige
a:
Oberconsistorium
a:
unbestimmt
d:
unbestimmt,
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Candidaten
a:
kehrte
a:
zurück
cd:
Erkenntniß
a:
außer
d:
welchen
d:
viele
ad:
große
a:
überhaupt
d:
Religionserkenntnisses
a:
außerordentlicher
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relevirten
d:
wolle
a:
unsers
d:
sorge
d:
Genusse
d:
könne
d:
Systeme
cd:
beigemischt
a:
8,
a:
angesehn
c:
über dis
d:
über dies
a:
Gottes
a:
Dankes
a:
Propheten
a:
Cultur
a:
Nation
a:
begränzten
ad:
bestimmt
a:
Juden,
a:
gesetzt
c:
gesezt,
a:
Hoffnungen
d:
sey
d:
Plane
ad:
übereinstimmt
a:
Trieb
a:
machen
a:
verleitet
ad:
Bekanntmachung
cd:
ersten
a:
Behauptungen den
d:
gesetzet werden, beym größerm Theile des lesenden Publikums
c:
können beym größerm Theil des lesenden Publikums
d:
finden
d:
erreichet
d:
gesaget
d:
höherem
ad:
bestimmter
a:
vorgenommen
d:
40stes
a:
Freymüthigkeit
d:
innere
a:
theologisch Lehramt
a:
wol
a:
Oberconsistorialrath
ad:
Tellers
d:
Geiste
a:
finden
a:
gedacht
c:
Zillichauische
a:
Nationen
d:
Nation,
a:
Classen
a:
Schulen
ad:
könnten
a:
Hoffnung
a:
großen
d:
ø
d:
Königl[.]
acd:
Postfreyheit
a:
Correspondenz
d:
indessen
c:
Beibehaltung
a:
Staatskörper
d:
ø
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Plane
d:
ø
ad:
kann
d:
eingesamm|dXXII|lete
ad:
große
d:
unnütze
ad:
sollten
d:
erlernen
a:
so
d:
anderer
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studiret
d:
zufriedener
a:
gewinnt
a:
Wahrheiten
d:
werden,
d:
erkannt
a:
kurzen erkannt
a:
ab
a:
vor
cd:
Schrift,
d:
übereilet
a:
Classen
a:
Männer
a:
mich
a:
erkennen
d:
hänget
a:
ø
a:
positives
a:
könne:
a:
willkührliches
a:
abhängt
d:
abhänge,
a:
zusammengedrängt
c:
daher
a:
gesagte
a:
wollten
d:
wollen
c:
dieienigen
ad:
zukommt
d:
bestehe
d:
Erkenntnißquelle
a:
wäre
a:
ich
d:
Gebrauche
cd:
vorhandenen
a:
Auslegungsmittel
ad:
kann
c:
iener
d:
denket
d:
erst von
d:
ø
a:
4. an alle, daß sie vor Durchlesung des Buches die Druckfehler welche am Schlusse bemerkt werden sollen vorher verbessern, weil manche den Verstand einiger Stellen verderben. Da ich nur die ersten acht Bogen abgedruckt gesehen habe, so bitte ich sogleich darin folgende Hauptfehler zu verbessern:
Seite
Zeile
Anstatt
lese man
3,
19.
und Philologie
um Philologie
5,
23.
werd ich
ward ich
22,
10.
Stütze
Reitze
24,
22.
überwege
überwiege
27,
25.
intensirer
intensiver
29,
17.
das geringste
als das geringste
31,
1.
erhalten
überkomme
–
13.
und damals
uns damals
72
letzte Zeile.
durch Ueberzeugung
die Ueberzeugung
81,
2.
wird je
je könne
82,
8 von u.
Abkürzungsauflösung von "u.": unten
ein
einen
91,
4 von u.
Abkürzungsauflösung von "u.": unten
welcher
welche
94,
4 v.
Abkürzungsauflösung von "v.": von
oben
und also
und ihnen also
–
3 von u.
Abkürzungsauflösung von "u.": unten
Milere
Mileve
99,
9.
demnach
dennoch
–
7 v.
Abkürzungsauflösung von "v.": vor
Ende
Stude
feu de
101,
20.
beträgt
beyträgt
104,
25.
ein Gegensatz
im Gegensatz
113,
2 von u.
Abkürzungsauflösung von "u.": unten
Dispotion
Disposition
120,
4–5 von u.
Abkürzungsauflösung von "u.": unten
ge-samen
gehorsamen
126,
3.
ηθενει
ησθενει
–
letzte Zeile
aufgehoben
aufgeschoben
127,
letzte Zeile
steige
steigt
z:
|z[3]| Vorbericht.
Ich habe bey der zweiten Auflage meines Systems der christlichen Glückseligkeitslehre in der Zueignungsschrift, der Anrede ans Publikum, der Einleitung und den fünf ersten Abschnitten keine erhebliche Veränderungen vorgenommen; ausser daß ich einige mißverstandne Ausdrücke verbessert, und hin und wieder etwas weniges eingeschaltet habe, was den Sinn des Inhalts der ersten Ausgabe klärer und bestimter darzustellen erforderlich schien. Neue Materien sind in diese Theile nicht eingeschaltet worden. Aber der sechste Abschnitt enthält in der zweiten Ausgabe sehr vieles mehr, als in der ersten; und dis ist bis auf § 81 bis 86 ganz umgearbeitet und sehr erweitert worden. Um nun den Besitzern der ersten Ausgabe, welche das |z[4]| neu Hinzugekomne auch zu lesen wünschen, eine Bequemlichkeit und Ersparniß zu verschaffen, sind hier die wichtigsten Zusätze besonders abgedruckt worden; nemlich die Fortsetzung der Anrede ans Publikum und die wichtige Verbesserungen des sechsten Abschnittes, jedoch mit Weglassung der unverändert gebliebenen sechs Paragraphen
Editorische Korrektur von: Parargaphen (digital)
: und solte ich je eine noch ausführlichere Ausgabe besorgen, so werde ichs allezeit für eine Pflicht der Billigkeit halten, die Verbesserungen und Vermehrungen zugleich besonders bekant zu machen.
Frankfurth den 16ten Julii, 1780.
der Verfasser.
cd:
zweyten
d:
bestimmtere
d:
indessen
d:
Tittel
z:
Einleitung,
d:
verkannt
cd:
beydes
d:
Erkenntniß
d:
kann
d:
letztere
cd:
beigefügt
d:
überdies
d:
Sprachgebrauche
d:
Erkenntniß
d:
Erkenntniß
z:
entwikelt
z:
einander
d:
ganzen
d:
kann
cd:
erkannt
d:
kann
d:
bestimmt
d:
ebenfalls
cd:
allgemeinen
d:
Landsleute
c:
bei
d:
Denken, Sprechen
d:
Schreiben
d:
entwöhnet
cd:
wollten
c:
entgegensezt
c:
dabei
cd:
selbst,
d:
erkläret
d:
bestimmteste
cd:
Leuten
cd:
nicht,
d:
zweytens
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Muße
c:
sein
d:
konnten
d:
diejenige
d:
kann
d:
bestimmt
d:
bekannt
d:
Melanchthon
d:
sogar
d:
Lehramte
cd:
beim
d:
Stückwerke
cd:
Erkenntnisses
d:
könnte
cd:
Christenthums
cd:
Wahrheiten
cd:
Beisorge
d:
wollte
cd:
sobald
cd:
ø
cd:
über die gesamte
cd:
entstehe, so daß sie
cd:
verfallen
cd:
historische
c:
bei
d:
Reichthume
d:
führet
d:
vollkommnere
c:
eigne
d:
eigene
d:
Lehramte
d:
Ueberdies
d:
fehlet
d:
besäßen
d:
Muße
d:
genießen könnten
d:
größere
d:
mittelmäßigen
d:
unbestimmt
d:
Ueberdies
cd:
nach Verlassung
d:
Christenthume
cd:
geworden
d:
andere
cd:
niederrissen
d:
Ueberzeugung
c:
selbst
d:
wohl selbst
d:
bestimmt
d:
ankommt
d:
zweckmäßige
d:
kann
d:
glücklichsten
d:
kann
d:
kann
d:
Vorerkenntnisse
d:
diejenige
c:
Studirende
cd:
könnte
d:
größere
c:
Religionserkenntnisse
d:
vollkommnern Religionserkenntnisse
d:
erlanget
cd:
wirkliches
d:
Erkenntnisse
cd:
Gemüthsunruhen
d:
Hoffnungen
c:
Unterricht
d:
Unterrichte
d:
großen
d:
Vorerkenntnisse
d:
vergrößern
d:
vollkommneren
d:
Erkenntniß
d:
Skepticismus
cd:
Leichtsinn
d:
kommt
cd:
Obrigkeitlichen
d:
Lehramtes
cd:
über
d:
Abschnitte
d:
großen
c:
zweckmässigen
cd:
Volk
c:
gesezt
c:
iedem
d:
zuverläßige Erkenntnisse
d:
Regierungsplane
c:
demselben
cd:
beibehalten
d:
Religion,
cd:
wohl
cd:
weil
cd:
zwei ersten
cd:
ø
d:
gesaget
d:
unbekannt
d:
Gebrauche
d:
Sollte
d:
Studirenden, Muße
d:
Gemüthe
c:
bei
d:
falschen
c:
beigemessen
d:
Dedication
d:
Zweydeutigkeit
c:
beim
c:
könten
d:
könnten
d:
äußere
cd:
Systems
d:
Departements
d:
zukommt
cd:
abändern,
d:
konnte
c:
wohl
d:
erlanget
cd:
fürs
cd:
für
cd:
verlachenswürdigste
cd:
meinen
d:
könnte
d:
preußischen
cd:
Orthodox
cd:
Etatsministerium
d:
Buche
d:
paraphrasiret
d:
Ewr.
Abkürzungsauflösung von "Ewr.": Euer, Eure
d:
unberufene
c:
Zweck
d:
desto mehr
cd:
Buche
cd:
Mine
cd:
Jahren
cd:
System
d:
Geiste
cd:
beibehalten
d:
verflossene
cd:
nächstkommenden
d:
verknüpfet
d:
Reform
cd:
beizutragen
d:
ø
d:
bekannt
cd:
bloß
d:
ø
cd:
aus einander
d:
wünschen;
d:
erkanntem Zwecke
d:
Ueberflüßiges
c:
lezten
d:
Vergrößerung
d:
Erkenntnisse
d:
regelmäßigen
d:
vollkommner Erkenntniß
d:
Hauptstücke
cd:
Buchs bei
c:
ieder
d:
unzweckmäßig
d:
Hülfserkenntnissen
cd:
unnützen
d:
Lehrplane
d:
überflüßigste
d:
größern
d:
bestimmten
d:
große
cd:
desto mehr
d:
größer
c:
ie
d:
große
d:
größeres
c:
bei
d:
großen
d:
kann
c:
begreiffen
d:
mittelmäßiger
c:
vielerlei
d:
durchstudiret
d:
siehet
cd:
beifälligen
d:
Schreiben
d:
zuverläßigen Erkenntniß
d:
daß
cd:
vielerlei
d:
aufgesammlet
c:
Glückseligkeit
d:
Kenntniß
d:
eigenen
d:
bekannt
cd:
nach
d:
wünschen,
d:
ø
d:
dies
cd:
Philosophische Unterhaltungen zur weitern Bestätigung des
c:
heftweis
d:
heftweise
cd:
Hauptsatz
d:
außerwesentlich
c:
sei
d:
lässet
cd:
nicht vollständig
d:
Dieses
d:
bestimmt
cd:
ø
d:
ungenannter
d:
Doktor
d:
Ungenannten
cd:
sei, daß
cd:
mehrerlei
d:
genannten
d:
Doktor
d:
glaubte
d:
gefasset
d:
deklamiret
d:
Doktors
d:
Abschnitte
c:
antworte
c:
lieset
d:
lieset, nimmt
d:
zurechne
cd:
tropische,
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keinerlei
d:
widerleget
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sei
d:
Werthe
d:
ihrer
c:
sein
d:
Begriff
c:
Sätzen
d:
Abschnitte
cd:
bei
c:
iedem
d:
liebenswürdigeren
d:
reineren Lichte
d:
Verdammniß
d:
gesetzet werden
d:
anderer
d:
büßet
d:
Abschnitte
d:
lässet
d:
eigene
c:
Thier
d:
vollkommnerer
d:
zürnet
c:
immervollkomnern
d:
immervollkommnern Erkenntnissen
d:
seyn
d:
eigenes
d:
tauge
cd:
müsse,
cd:
bei
d:
eigene
d:
ankomme;
d:
kann
d:
Maaße
d:
nach,
d:
eigenen
d:
neuen
cd:
Dagegen
cd:
bei
cd:
bei
d:
Gebrauche
cd:
vielerlei
d:
Plane
d:
fortdauern
cd:
ø
d:
bekannt
c:
zweierlei,
d:
zweierlei:
cd:
ganzem
d:
bekannt
d:
unvollkommnen
c:
sein
d:
kann
d:
bekannten
c:
ie
cd:
Gesichtspunkte
d:
großem
d:
vollkommnere
d:
Vollkommneres
d:
Frankfurth,
d:
16. Julii
d:
Der Verfasser
a:
ø
cd:
|c[LI]||d[XLVIII]| Fortsetzung der Anrede an den Leser bey der dritten Auflage 1786.
Seit der ersten Herausgabe dieser Schrift sind nun bereits acht volle Jahre verflossen. In diesem Zeitraum haben mich zwischen vielen angenehmen Begebenheiten auch verschiedene sehr harte und tief verwundende Schickungen betroffen, durch welche meine hier vorgetragene Grundsätze zur Erhaltung einer fortdaurenden Seelenruhe, bey mir selbst auf die schärfste Erfahrungsprobe gestellet worden sind. Aber Gott sey Dank, daß ich es mit Freudigkeit zu ihm, sagen kann, sie sind mir aufs neue erprobet und als Quellen einer höhern Kraft unter allen Fällen bewähret worden. Ich habe daher bey dieser abermaligen Auflage des Systems nicht nöthig befunden, etwas im Wesentlichen desselben zu verändern, und dieses um so weniger, da auch von Seiten der Gelehrten in den letztern
c:
leztern
drey Jahren nichts wichtiges oder neues gegen dasselbe öffentlich eingewandt worden ist, was nicht bereits in den zwey ersten Heften der philosophischen Unterhaltungen zur Gnüge beantwortet worden wäre.
|cLII| Aber die Bedürfnisse derer, die nach Weisheit forschen, und alle ernsthafte Schriften, welche neue Aufschlüsse darzubieten versprechen, mit Begierde lesen, haben sich im Laufe
c:
Lauf
der jüngst verflossenen Jahre mannigfaltig abgeändert.
Ohngefehr zu gleicher Zeit mit der ersten Herausgabe meines Systems erschienen die
Wolfenbüttelschen Fragmente. Auf diese nahm ich bey den Zusätzen zur zweyten Auflage dieser Schrift, ohne sie zu nennen, bey vielen Punkten Rücksicht, und zeigte besonders gegen dieselben, daß Christus und Paulus über die Gränzen der Autorität des mosaischen Gesetzes völlig harmonisch gedacht und gelehret hätten. Allein die protestantischen Theologen nahmen bey der Vertheidigung des Christenthums gegen den Fragmentisten so verschiedene Wendungen, daß einige derselben nun selbst an einander geriethen, und hierdurch bey |dXLIX| einem Theile
c:
Theil
des lesenden Publikums manchen Argwohn gegen ihre persönliche Denkungsart und gegen die gute Sache, die sie vertheidigen wollten, erregten.
Zwar sollte den obwaltenden Mißverständnissen durch
Aufwerfung der Preißfrage: in wie fern eine Täuschung des Volkes erlaubt und nützlich seyn könnte? abgeholfen werden, allein auch hierüber fielen die Antworten nicht so allgemein befriedigend aus, daß das erregte Mißtrauen völlig gehoben worden wäre.
Nun erschienen auch die
Briefe über die Bibel in Volkston, der
Versuch über die Sittenlehre
Editorische Korrektur von: Sittenehre (c)
für alle Stände, und mehrere ähnliche Schrif|cLIII|ten solcher Männer, die durch ihre privat Philosophie und Dichtungsgaben die Aufklärung zu befördern hoffen, und alles dieses vereinte sich, hier und da Besorgnisse, selbst bey manchen Freunden der Vernunft, zu erregen, daß bey dem weitern Philosophiren
c:
philosophiren
und Dichten
c:
dichten
wol zuletzt
c:
zulezt
alle bisherige Grundlagen der praktischen
c:
practischen
Religion auseinander geworfen und tausendfältige Hypothesen an deren Stelle dargeboten werden würden.
Hierzu kamen nun zuletzt noch die bis in die dunkelsten Tiefen hinabführenden
c:
hinabführende
Schriften des scharfsinnigen Kants , in welchen die gemeinen ontologischen Begriffe, worauf die Philosophie unsres Jahrhunderts sicher zu stehen schien, so zerlegt und zersplittert worden, daß viele den Muth verlieren, den Weg der philosophischen Nachforschung weiter zu verfolgen, und geneigt werden, dem Aufruf Gehör zu geben: sich unter die Fahne des Glaubens zurückzuziehen.
Aber wer sind die, welche die Fahne des Glaubens vortragen wollen? wissen wir, wohin
Editorische Korrektur von: wohn (b)
sie uns leiten möchten? und sind wir sicher, daß wir unter ihrer Anführung zu mehrerer Seelenruhe und zuverläßigerer
c:
zuverläßiger
Ueberzeugung gelangen werden? Diese Frage ist wahrlich vorher auszumachen, ehe man es wagen kann, zu ihren Fahnen zu schwören. Wenn die ansehnlichsten |cLIV| Mitglieder einer Gesellschaft, die sich zur Aufrechterhaltung des reinen Glaubens vereiniget
c:
vereinigt
haben will, uns Protestanten das römische Meßopfer annehmlich machen; wenn andre die baldige Errichtung eines neuen sichtbaren Reichs Jesu erwarten lassen; oder Geistererscheinungen u.
Abkürzungsauflösung von "u.": und
c:
und
Wunder von |dL| allerley Art durch Glauben und mystische Gebräuche hervorzubringen hoffen; und wenn endlich die gutherzigen Fahnenträger des Glaubens so wenig als die, welche ihnen folgen, selbst nicht wissen, wer die sind, welche ihnen die Marschruthen vorzeichnen, die sie zum Ziel der Vollendung nehmen sollen: ja dann ist es besorglich, daß man zuletzt in noch dunklere Glaubens-Labyrinthe
c:
Glaubens-Labirynthe
gerathen möchte, als Kants unterste philosophische Tiefen nur irgends
c:
nicht
sind.
Unter diesen Umständen scheinet jetzt
c:
jezt
das wichtigste Bedürfniß für den noch unbefangenen Theil des lesenden Publikums zu seyn, einen schlichten graden Mittelweg zwischen metaphysischer Spekulation u.
Abkürzungsauflösung von "u.": und
dunklem
c:
und dunkeln
Glauben zu wissen, auf welchem jeder im Hellen
c:
hellen
und unabhängig von unbekannten Führern fortwandeln könne: und diesem Bedürfniß wollte ich bei
c:
bey
der diesmaligen dritten Aufl.
Abkürzungsauflösung von "Aufl.": Auflage
c:
Auflage
meines Systems abzuhelfen suchen. Allein da die hierüber anzustellenden Untersuchungen mehr logisch als theol.
Abkürzungsauflösung von "theol.": theologisch
c:
theologisch
sind, auch nicht für alle Leser meines Systems gehören, so habe |cLV| ich sie in das dritte Heft meiner philosophischen Unterhaltungen aufgenommen, damit der Preiß des Systems nicht erhöhet werden dürfe.
In dieser Auflage sind nur wenige Stellen, und zwar mehr im Ausdrucke
c:
Ausdruck
als in Absicht der Gedanken verbessert, u.
Abkürzungsauflösung von "u.": und
c:
und
vornehmlich der biblische Beweis vollständiger und correcter gemacht worden, indem viele Druckfehler bey den citirten Schriftstellen in den vorigen Ausgaben übersehen worden waren.
In München ist von dem Buchführer Strobel ein Nachdruck des Systems schon im vorigen Jahre veranstaltet worden
Editorische Korrektur von: werden (b)
, wobey die Gewissenlosigkeit in Täuschung des Publikums von ihm so weit getrieben worden, daß er auf den Titel gesetzet
c:
gesetzt
hat: Dritte sehr vermehrte Auflage, Züllichau im Waysenh. u.
Abkürzungsauflösung von "u.": und
c:
und
Frommannischen Buchhandl.
Abkürzungsauflösung von "Buchhandl.": Buchhandlung
c:
Buchhandlung
1785, als ob es eine vom Autor und rechtmäßigen Verleger besorgte bessere Ausgabe wäre. Allein es fehlet bey derselben die ganze Anrede ans Publikum, welche doch bey dieser Schrift nicht zufällig, sondern zur richtigen Beurtheilung des Ganzen allerdings vorher zu lesen nöthig ist: und außerdem
c:
ausserdem
sind alle Fehler der zweyten
c:
zweiten
Auflage darin wieder abgedruckt worden.
c√
c:
Das dritte Heft meiner Unterhaltungen ist zur Messe nicht abgedruckt worden, indem der |cLVI| Tod des Verlegers, des Herrn Buchhändlers Frommanns darzwischen gekommen ist; es wird aber, da die Wittwe und der ältere Sohn die Buchhandlung nun fortsetzen, baldigst abgedruckt, und zu Johannis geliefert werden.
Der Verfasser.
c:
leztern
c:
Lauf
c:
Theil
c:
philosophiren
c:
dichten
c:
zulezt
c:
practischen
c:
hinabführende
c:
zuverläßiger
c:
vereinigt
c:
und
c:
Glaubens-Labirynthe
c:
nicht
c:
jezt
c:
und dunkeln
c:
hellen
c:
bey
c:
Auflage
c:
theologisch
c:
Ausdruck
c:
und
c:
gesetzt
c:
und
c:
Buchhandlung
c:
ausserdem
c:
zweiten
c:
Das dritte Heft meiner Unterhaltungen ist zur Messe nicht abgedruckt worden, indem der |cLVI| Tod des Verlegers, des Herrn Buchhändlers Frommanns darzwischen gekommen ist; es wird aber, da die Wittwe und der ältere Sohn die Buchhandlung nun fortsetzen, baldigst abgedruckt, und zu Johannis geliefert werden.
cd:
|c[LVII]||d[LI]| Verzeichniß der übrigen Schriften des Autors.
c:
Autors
1. De Pentateucho codice hebraeorum divino; eine akademische Streitschrift, Frankfurth
c:
Franckfurth
1760.
2. Ist es rathsam Missethäter durch Geistliche zum Tode vorbereiten und zur Hinrichtung begleiten zu lassen? Berlin 1769.
c:
1769
3. Was für einen Werth kann
c:
kan
man nach Schrift und Vernunft den schnellen Bekehrungen, besonders auf Sterbebetten, zueignen? etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
1770.
c:
1770
4. Prüfung der Beweggründe zur Tugend nach dem Grundsatz der Selbstliebe. 1770.
c:
1770
und dieselbe Abhandlung französisch unter dem
c:
den
Titel Considerations sur les motifs à la Vertu etc. 1770.
c:
1770
5. Gründe für die gänzliche Abschaffung der Schulsprache des Theologischen Systems. 1772.
c:
1772
6. Anweisung zur Amtsberedsamkeit christlicher Lehrer etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
1779. Zweite Auflage 1784.
c:
1784
7. Wichtige Zusätze zur ersten Auflage des Systems 1780.
c:
1780
8. Anleitung des menschlichen Verstandes zum regelmäßigen Bestreben nach vollkommner Erkenntniß.
c:
vollkomner Erkentniß.
1780 und
c:
u.
Abkürzungsauflösung von "u.": und
1781. Zweite Auflage 1787. Dritte Auflage 1793.
c:
ø
9.Philosophische Unterhaltung zur weitern Aufklärung der Glücksseligkeitslehre 1tes Heft 1782. 2tes Heft 1783. 3tes Heft 1786.
10.Grundbegriffe zur Philosophie über den Geschmack. Erster Theil 1785. |c[LVIII]|
11. Nachricht von der jetzigen Verfassung der Erziehungsanstalten in Züllichau 1786.
*) Alle vorstehende Schriften sind in der Waysenhaus und Frommannischen Buchhandlung zu Züllichau verlegt.
|d[LII]| 12. Vorschläge zu einer allgemeinen Schulverbesserung. Züllichau 1789.
c:
ø
13.
c:
12.
Ein Beförderungsmittel
c:
Befördrungsmittel
der ehelichen Glücksseligkeit in einer Traurede empfohlen. Frankfurth 1780.
c:
Frankfurth. 1780
bey Strauß.
14.
c:
13.
Pädagogisches Sendschreiben über die Verbesserung der Gelehrten Schulen, an Hrn.
Abkürzungsauflösung von "Hrn.": Herrn
c:
Hn.
Abkürzungsauflösung von "Hn.": Herrn
Frdr. Gedike bey der Jubelfeyer des Friedrichswerderschen Gymnasiums zu Berlin 1781. Bey Ungern in Berlin.
15.
c:
14.
Ueber den Werth einer guten Hausfrau bey der Verbindung der Tochter des Verfassers mit dem Herrn Feldpr. Krüger. Frankf. 1784 bey Strauß.
16. Kurze Nachricht von der jetzigen Verfassung des Pädagogiums zu Züllichau, und der damit verbundenen Institute des Waysenhauses und des Königl. Schullehrer-Seminariums. Frankfurth 1793.