Vorwort

Die Bibliothek der Neologie verfolgt das Ziel, zehn zentrale, in sich geschlossene Texte oder Textsammlungen der den Kernbestand deutscher Aufklärungstheologie markierenden Neologie in kritischer Hybrid-Edition und damit in einer für die interdisziplinäre Forschung und den akademischen Unterricht gleichermaßen geeigneten Darbietung bereitzustellen. Als Auswahlkriterien dienen dabei insbesondere die repräsentative Bedeutung der Verfasser, die fächerübergreifende Relevanz und gattungsspezifische Streuung der Texte, die in diesen Texten erfolgte exemplarische Bearbeitung einer für die Aufklärungsepoche zentralen Problemstellung sowie die diesen Werken zukommende geistesgeschichtliche und kulturwissenschaftliche Dignität.

Wilhelm Abraham Teller (1734–1804) zählt zu den profiliertesten Vertretern der Neologie. Nach seiner Lehrtätigkeit an der Universität Helmstedt wirkte er seit 1768 als preußischer Oberkonsistorialrat und Propst in Berlin-Cölln. Dort vermochte er, eingebettet in einen theologisch und menschlich harmonierenden Kollegenkreis (u.a. August Friedrich Wilhelm Sack, Johann Joachim Spalding, Anton Friedrich Büsching), sein aufklärerisches Denken vielfältig fruchtbar zu machen. So hat er sich an der neologischen Predigt-, Gesangbuch- und Liturgiereform tatkräftig beteiligt und mit der von ihm entworfenen Instruction für die Landschulmeister (1773) an der Modernisierung des kurmärkischen Volksschulwesens entscheidenden Anteil genommen. Im Kreis der Berliner Aufklärer genoss er hohes, ungeteiltes Ansehen: als langjähriger Mitarbeiter der Allgemeinen deutschen Bibliothek und Gründungsmitglied der Berliner Mittwochsgesellschaft, als gesuchter Prediger an St. Petri, kirchlicher Schriftsteller und Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.

Mit seinem in sechs Auflagen erschienenen Wörterbuch des Neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre (11772–61805) schuf Teller ein Hauptwerk der Neologie. Durch eine vernünftige Interpretation der neutestamentlichen Zentralbegriffe suchte er in den unterschiedlichen Lehrarten der neutestamentlichen Schriftsteller die „unveränderliche Lehre des Evangeliums“ freizulegen und sie aus ihren zeitbedingten Akkommodationsformen, aber auch aus späteren kirchlich-theologischen Überformungen, zumal aus der orthodoxen Versöhnungslehre zu lösen, um damit die Erkenntnisse der historisch-kritischen Bibelwissenschaft für eine aufgeklärte Christentumspraxis fruchtbar zu machen. Die heftigen Attacken, die Vertreter der Spätorthodoxie und des Spätpietismus, aber etwa auch Johann Gottfried Herder gegen Tellers Hauptwerk richteten, belegen im Umkehrschluss, dass auch sie das „Wörterbuch“ als ein Zentraldokument der Neologie erkannt hatten.

Federführend koordiniert wurde die Erstellung dieser kritischen Ausgabe von Lukas Wünsch. Er hat auch die profund informierende sachhaltige Einleitung sowie die Editorische[n] Hinweise verfasst, die zusammen mit den Erläuterungen und Registern der gefälligen Benutzung des Bandes entgegenkommen. An dieser Stelle gilt – auch im Namen des Herausgebers – ein besonderer Dank Larissa Figgen und Olga Söntgerath, die bei der textkritischen Erfassung der Originaltexte wichtige Vorarbeiten geleistet haben. Die unter meiner Leitung stehende Bibliothek der Neologie wird in ihrem editionswissenschaftlichen Teil an der Arbeitsstelle Münster, in ihrem informationswissenschaftlichen und -technologischen Teil an der von Jan Brase geleiteten Arbeitsstelle Göttingen erstellt. Die Namen aller wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auf unserer Homepage in der fortlaufend aktualisierten Projektvorstellung (www.bdn-edition.de) verzeichnet.

Ein Editionsprojekt dieser Größenordnung kann nur als ein Gemeinschaftsunternehmen realisiert werden. Mein herzlicher Dank gilt allen, die daran zielführend mitgewirkt haben. Desgleichen danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre großzügige Unterstützung sowie dem Tübinger Wissenschaftsverlag Mohr Siebeck für die vorzügliche Herstellung des Bandes.

Albrecht Beutel

Einleitung

von Lukas Wünsch

I.

Man sollte meinen, dass ein Theologe, den Karl Aner als „Führer der entschiedenen Neologie“ bezeichnete und der zweifelsohne zu den bekanntesten Köpfen seiner Zeit gehörte, auch nach seinem Tod noch lange in Erinnerung blieb. Doch wer Wilhelm Abraham Teller (1734–1804) war, dürfte heute den meisten unbekannt sein. Das mag zum einen daran liegen, dass die Aufklärungstheologie im Vergleich zu anderen kirchen- und theologiegeschichtlichen Phänomenen lange Zeit unterbelichtet war und – wenn sich die Lage in dieser Hinsicht auch zu wandeln begonnen hat – daher diesbezüglich noch verhältnimäßig viele Desiderate unbearbeitet sind. Zum anderen könnte dafür der Umstand verantwortlich sein, dass Teller im Laufe der Rezeptionsgeschichte weder als ausreichend genialisch, noch als sperrig genug wahrgenommen wurde, um bleibende Aufmerksamkeit zu erregen. Die rationalistischen Momente in seiner Theologie verschlechterten möglicherweise seine Chancen noch, über die Jahrhunderte positiv erinnert zu werden. Paul Gabriel statuierte in seiner Dissertation (bisher eine von zweien, die zum Werk des Berliner Aufklärungstheologen erschienen sind) sogar ein Exempel an Teller, um die Neologie insgesamt als organisch zum Rationalismus führend zu disqualifizieren.

Am Ende des letzten Jahrhunderts nahm Angela Nüsseler schließlich erneut einen Anlauf, die Teller-Forschung zu stimulieren. Sie würdigte sein Lebenswerk als erste systematisch, indem sie jedes Kapitel ihrer Dissertation einer Hauptschrift oder einem Haupttätigkeitsbereich des Berliner Neologen widmete. Dabei betonte sie schon eingangs, dass Teller für die Historiographie der Aufklärungstheologie ein „repräsentativ[er]“ Vertreter von besonderem Wert sei.

Dass Teller zuvor so an die Peripherie des theologischen Diskurses geraten ist, muss nicht nur ob der Voten Aners und Nüsselers verwundern, sondern vor allem, wenn man bedenkt, dass er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einer der berühmtesten Kirchenmänner seiner Generation und als Oberkonsistorialrat einer der ranghöchsten Lutheraner in Preußen war.

Am 9. Januar 1734 kam Teller in Leipzig zur Welt, wo sein Vater Romanus (1703–1750) gerade eine Stelle als Katechet und Prediger an der Peterskirche versah. Tellers Vater entwickelte sich im Laufe seines kurzen Lebens als Professor der Theologie, Kirchenmann und Kanoniker zu Zeitz zu einem der berühmtesten Lutheraner der Stadt und wurde als anerkannter Vertreter der Orthodoxie vor Ort erinnert. Sein Sohn Wilhelm Abraham, der theologisch bereits früh andere Wege einschlug, sollte von vielen Seiten immer wieder die Last eines Vergleichs mit dem Vater zu spüren bekommen.

Teller hatte elf Geschwister, von denen allerdings nicht alle das Erwachsenenalter erreichten. Neben Wilhelm Abraham selbst war der wohl berühmteste Sohn der Familie Johann Friedrich, der später Doktor der Theologie, Oberpfarrer in Zeitz und schließlich Hofprediger wurde.

Zunächst von Hauslehrern ausgebildet, immatrikulierte sich Wilhelm Abraham Teller 1749 – im Alter von nur 15 Jahren – unter dem Rektorat des berühmten Aufklärers Johann Christoph Gottsched (1700–1766), der ihn später selbst in Rhetorik unterrichtete, an der Universität Leipzig und studierte dort bis 1755 Philosophie und Theologie. Ein bedeutender theologischer Lehrer dürfte für ihn sein Onkel mütterlicherseits, Professor Johann Christian Hebenstreit (1686–1756), gewesen sein. Hebenstreit brachte ihn nicht nur akademisch voran – unter dessen Aufsicht erlangte er beispielsweise erste dogmatische Bildung und lernte Hebräisch, Chaldäisch und Syrisch –, sondern war ihm auch nach dem frühen Tod des Vaters eine wichtige persönliche Stütze. Während seines Studiums zeigte sich Tellers besonderes Interesse an der exegetischen Disziplin bereits früh darin, dass er sich mit Kommilitonen in einer Societas Philobiblicum organisierte. Mit dem in nahezu allen theologischen Strömungen hochgeschätzten Johann August Ernesti (1707–1781) fühlte sich auch Teller zeitlebens geistig verbunden, wenn er ihn wohl auch nie persönlich dozieren hörte.

Ernesti war es auch, der Teller nach ersten kirchlichen Ämtern in Leipzig – er war seit 1755 Katechet an der Peterskirche und später Samstagsprediger zu St. Nikolai (1760) – nach Helmstedt empfahl, wo er am 19. November 1761 eine Stelle als Generalsuperintendent und ordentlicher Theologieprofessor an der Academia Julia Carolina antrat. Teller war damit nach Johann Salomo Semler (1725–1791, seit 1753 Professor in Halle) und Johann Gottlieb Töllner (1724–1774, seit 1760 Ordinarius für Philosophie in Frankfurt/Oder) einer der ersten Neologen auf dem Katheder, und das im Alter von nur 27 Jahren. Am 21. Dezember desselben Jahres erlangte Teller seine theologische Doktorwürde. In seiner Dissertation Topice Scripturae ging er nach der Auffassung Johann Friedrich Bahrdts (1713–1775), Vater des bekannteren Carl Friedrich Bahrdt (1740–1792), zu weit. Tellers neue Wege in der Auswahl biblischer Belegstellen für die Dogmatik und die daran angeschlossene Diskussion hatten Bahrdt wohl sogar dazu bewegt, gegen Tellers Promotion Protest einzulegen. Diese schroffe Reaktion aus den Reihen der lutherischen Orthodoxie auf Tellers theologischen Weg sollte sich zum Omen für den Verlauf seiner akademische Karriere in Helmstedt entwickeln. 1764 ließ der junge Professor sein Lehrbuch des Christlichen Glaubens unter die Presse geben, das er als Vorlage für seine dogmatischen Vorlesungen konzipiert hatte. Zur Anwendung sollte es jedoch nie kommen, denn das Werk löste eine Welle der Entrüstung in der theologischen Öffentlichkeit aus. Das kursächsische Oberkonsistorium indizierte es zeitweilig, während nicht nur Tellers Fakultätskollege Johann Benedict Carpzov (V., 1720–1803), sondern auch sein eigener Bruder Johann Friedrich zu umfangreichen Widerlegungen ausholten. Teller nahm den öffentlich hingeworfenen Fehdehandschuh des letzteren nie auf. Da aber auch Ernesti, dem das Werk gewidmet war, sich wegen der großen negativen Aufmerksamkeit gegen die Inanspruchnahme wehren musste und der auf Kanzel und Papier kolportierte Vorwurf der gefährlichen Heterodoxie einen Rückgang der Immatrikulationen in Helmstedt zur Folge hatte, sah Teller sich gezwungen, der dogmatischen Disziplin vorerst bis auf Weiteres zu entsagen, freilich ohne sein Lehrbuch im Kern zu revozieren, wie man teilweise von ihm erwartet hatte. Teller zeigte sich für seine Verhältnisse ungewohnt aufgebracht über die Anfeindungen, die er wegen seiner ersten großen Schrift zu erdulden hatte. Er dürfte unter der Stimmung gegen ihn stark gelitten haben, weshalb er schließlich einen Ruf nach Berlin, zum „Sitz der Aufklärung“, dankend annahm.

An seiner neuen Wirkungsstätte beerbte er den verstorbenen Johann Peter Süßmilch (1707–1767) als Propst an der Petrikirche zu Cölln und nahm außerdem einen Platz als jüngster Rat im Berliner Oberkonsistorium ein. Eine führende Position in diesem Gremium hatte damals der Aufklärungstheologe Johann Joachim Spalding (1714–1804) inne, der Teller am 17. Juli 1768 feierlich ins Amt einführte. Beide unterhielten eine lebenslange Freundschaft. Innerhalb des Konsistoriums, zu dem neben Teller und Spalding über die Jahre geistliche Räte wie Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817), Anton Friedrich Büsching (1724–1793) oder Johann Samuel Diterich (1721–1797) gehörten, entwickelte sich ein produktives Miteinander, das Teller, der allen Seiten als eine zwischenmenschlich höchst integre Gestalt galt, maßgeblich mitgeprägt haben dürfte. Seine Strahlkraft reichte breit in die gelehrte Öffentlichkeit hinein. Er wirkte nicht nur lange Jahre als regelmäßiger Rezensent an Friedrich Nicolais (1733–1811) Allgemeine[r] deutsche[r] Bibliothek (1765–1805) mit, sondern schrieb als eines der Gründungsmitglieder der Berliner Mittwochsgesellschaft vereinzelt auch für deren literarischen Arm: die Berlinische Monatsschrift (1783–1796). Daneben genoss Teller vor allem als Prediger Ansehen. Seine Sammlungen von Kanzelreden wurden bereits seit den späten 1760er Jahren immer wieder erfolgreich verlegt. Gemeinsam mit Spalding und Diterich versuchte er sich 1780 an einer aufklärerischen Gesangbuchreform und betreute über ein Jahrzehnt lang als Herausgeber die Zeitschrift Neues Magazin für Prediger (1791/92–1801/02). Teller bekleidete zusätzliche Stellen als Kommissar des Armendirektoriums und Inspektor des vereinigten Berlinischen und Cöllnischen Gymnasiums. 1786 wurde er in die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.

Hatte Teller beinahe zwanzig Jahre lang einen fast unangefochtenen Rang in der Berliner Geistlichkeit innegehabt, so brachte ihn das Woellnerische Religionsedikt vom 9. Juli 1788 erstmals wieder ernsthaft in Bedrängnis. Das von ihm dazu verfasste Memorandum beginnt zwar mit einer ausführlichen und für Tellers Schriften typischen Mahnung zur maßvollen Kritik und Toleranz auf beiden Seiten, und doch versucht er auf ebenso demütige wie entschiedene Weise, die Gewissensfreiheit der Prediger und deren Gemeindemitglieder zu behaupten. Den Symbolzwang, den das Religionsedikt den Predigern auferlegte, indem es urkundlich und unter Strafandrohung festschrieb, dass man die Lehre der Bibel in Übereinstimmung mit den lutherischen Bekenntnisschriften vorzutragen habe, hinterfragte Teller in einer ausführlichen Argumentation. Dass es Teller bei seiner Kritik darum ging, die „gute Sache der Aufklärung“ in der politisch empfindlichen Lage um das Religionsedikt nicht durch scharfe Polemik oder kämpferisches Boykott-Gebaren zu gefährden, beweist nicht nur die kompromissbereite Anlage des Memorandums, sondern auch der Dispens, den er sich in einem privaten Brief bei Woellner erbat. Er müsse sich „leider!“ zu ebenjenen Geistlichen zählen, die „von den im 7ten § [des Edikts] gemeldeten Irrthümern“ betroffen seien und daher nach dem achten Paragraphen desselben Strafe bis hin zum Amtsverlust zu fürchten hatten. Wenige Sätze später besteht er jedoch entschieden darauf, dass er sich der benannten Irrtümer, „verschiedene wesentliche Stücke und Grundwahrheiten der Protestantischen Kirche und der Christlichen Religion überhaupt wegzuläugnen“, keineswegs schuldig bekenne. Dennoch wolle er bei sich nicht die „Treue eines Unterthanen […] mit der Treue gegen die Wahrheit […] einem beständigen innern Kampfe aussetzen“ und ersuche Woellner daher darum, ihn mit obrigkeitlicher Genehmigung von seiner sonn- und montäglichen Predigtpflicht zu entbinden. Seine restlichen Ämter würde er gerne weiter ausüben und sich außerdem vorbehalten, zu besonderen Anlässen auf die Kanzel zu steigen. Den Bitten wurde stattgegeben.

Nach diesem im stillen Rahmen begangenen Rückzug, der beiden Seiten die Gesichtswahrung ermöglichte, sollte es in Hinblick auf das Religionsedikt allerdings doch noch einmal zu einer kurzen und intensiven Krise zwischen Teller und der Obrigkeit kommen. Zwei Predigten des schon mehrfach auffällig gewordenen Gielsdorfer Geistlichen Johann Heinrich Schulz (1739–1823) waren für Woellner und König Friedrich Wilhelm II. (1744–1797) Anlass, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Schulz sollte 1793 tatsächlich der einzige Geistliche werden, der auf Grundlage des Religionsediktes aus dem Pfarrdienst entfernt wurde. Zuvor aber kam es zu langwierigen Debatten mit dem Oberkonsistorium. Teller reichte ein Votum ein, worin er Schulz weiterhin als lutherischen Prediger bezeichnete, da er z.B. stets nach dem Schriftprinzip (sola scriptura) gehandelt habe. Dieser Einsatz brachte Teller eine öffentliche Demütigung in der Kabinettsorde vom 9. Juni 1792 und eine dreimonatige Suspendierung ein. Während dieser Zeit wandte man Tellers Gehalt vielsagend zugunsten eines Irrenhauses auf.

Als Teller im Sommer oder Frühherbst 1804 unter sichtlicher Rührung die Leichenpredigt auf seinen lebenslangen Kollegen, Mentor und Freund Spalding hielt, fühlte er sich selbst schon „alt und schwach“. Nur wenige Monate später, am 8. Dezember desselben Jahres, verstarb auch er dann schließlich, kurz vor seinem 71. Geburtstag. Das kirchliche Gedenken auf ihn hielt sein ehemaliger Amtsbruder an der Petrikirche, Jakob Elias Troschel (1735–1807). Das akademische Ehrendenkmal setzte ihm Friedrich Nicolai – selbst einer der bedeutendsten Vertreter und Netzwerker der Berliner Aufklärung –, der Teller darin als einen „wohltätigen“ Aufklärer der Theologie und „große[n] Gelehrte[n], im eigentlichsten Sinne des Wortes“ in Erinnerung rief.

Teller hinterließ seine „fromme Gehülfin des Lebens“, Rahel Sophia Teller (1731–1813). Mit ihr hatte er am 6. Juni 1763 die Tochter seines früheren Professors Christian Friedrich Börner (1683–1753) geheiratet. Die beiden blieben kinderlos.

II.

Wilhelm Abraham Teller hat ein umfangreiches Schrifttum hinterlassen. Insgesamt publizierte er 144 Monographien, Sammelbände, Aufsätze, Festreden, Vorträge und Vorreden. Von Tellers Predigten haben sich darunter über 160 Stück erhalten. Die überwiegende Mehrzahl seiner Schriften sind erwartungsgemäß theologischer Natur. Dabei veröffentlichte er nahezu in allen wichtigen Themenbereichen. In Hinblick auf Tellers gesamte Lebensspanne war seine professorale Tätigkeit eher eine kurze Episode. Die meiste Zeit über war er vor allem ein engagierter Kirchenmann. Passend dazu beziehen sich viele seiner Werke auf den Bereich der konkreten Gemeindearbeit oder richten sich an Prediger. Neben die bereits angesprochenen Predigtbände und das Gesangbuch von 1780 treten liturgische Abhandlungen, wie z.B. eine Gebetssammlung für den gottesdienstlichen Gebrauch oder systematische Homilien (1799/1800) für das Kirchenjahr. In praktisch-theologischer Perspektive veröffentlichte Teller außerdem zahlreiche Beiträge im Neue[n] Magazin für Prediger und bereits früh ein homiletisches Leitbild für den Prediger. Auch katechetisch äußerte er sich in seiner an Jugendliche gerichteten Anleitung zur Religion.

Außertheologischen Ruhm erwarb sich Teller vor allem in der Domäne der Sprachstudien. Er besorgte beispielsweise eine kritische Edition der Werke De coniuratione Catilinae und De bello Iugurthino des römischen Staatsmannes und Geschichtsschreibers Sallust (86–35/34 v. Chr.). Am bedeutsamsten war aber sicherlich seine zweiteilige Vollständige Darstellung und Beurtheilung der deutschen Sprache in Luthers Bibelübersetzung (1794/95). Darin bietet Teller ein ausführliches Verzeichnis der besonderen von Luther verwendeten oder gar gebildeten Wörter. In weiteren Abschnitten widmet Teller sich der systematischen Erschließung von Redeweisen oder Auffälligkeiten in Wort- und Satzbau und listet außerdem Synonyme sowie abweichende Lesarten zwischen der Lutherübersetzung letzter Hand (1545) und den Folgeausgaben auf. Teller, der seines Zeichens „Mitglied des engern Ausschusses für die deutsche Sprachkunde“ in der Akademie der Wissenschaften war, verstand sein Werk explizit als Würdigung des Lutherdeutsch, wenngleich er im Wörterbuch unsachgemäßen Übersetzungen an diversen Stellen mit eigenen Verbesserungsvorschlägen abhelfen wollte. Die Vollständige Darstellung wurde bereits bei Erscheinen mit Lob bedacht und sogar von Paul Wolff, der Tellers Person und Werk ansonsten abschlägig beurteilt, noch 120 Jahre später der Berücksichtigung wert erachtet.

Tellers sprachwissenschaftliches Talent schlug sich auch in seinen exegetischen Schriften nieder, die neben den Werken mit Bezug auf die kirchliche Praxis das Gros seines Œuvres ausmachen. Er brachte mehrere biblische Übersetzungsarbeiten auf den Markt. Zur wirkmächtigsten Veröffentlichung im Bereich der Bibelwissenschaft entwickelte sich freilich das Wörterbuch des Neuen Testaments (s. Abschnitt III.), dessen insgesamt sieben Textgestalten (sechs Auflagen und Zusätze) die vorliegende Ausgabe erstmals textkritisch abbildet. Nicht nur im Wörterbuch zeigte sich Teller als ein mit der englischen Schriftforschung seiner Zeit vertrauter Denker. Er setzte sich mit Gestalten wie Edward Harwood (1729–1794), Nicholas Fuller (ca. 1557–1626) oder John Lightfoot (1602–1675) auseinander. Er gab bereits früh in seiner akademischen Karriere eine lateinische Übersetzung von Benjamin Kennicotts (1718–1783) The state of the printed hebrew text of the Old Testament considered (1753) heraus. Seine Affinität zur englischen Exegese könnte durch das Werk seines Vaters Romanus angeregt worden sein, hatte der doch damit begonnen, das sogenannte Englische Bibelwerk herauszugeben, eine intensiv eingeleitete und anhand von englischen Exegeten kommentierte Bibelübersetzung.

Deutschlandweit berühmt machte Teller seine Dogmatik, das Lehrbuch des Christlichen Glaubens, das als Skandalbuch in die Kirchen- und Theologiegeschichte des 18. Jahrhunderts einging. Laut Emanuel Hirsch sei nie zuvor im lutherischen Protestantismus „ein auf seine kirchliche Stellung Wert legender Theolog […] als Dogmatiker so am altkirchlichen Dogma vorüberg[egangen].“ Aus heutiger Perspektive muss diese Beobachtung zunächst verwundern, da Teller viele klassische Theologumena in überkommener Form behandelte, die jedoch inzwischen schon längst an den Rand des theologischen Diskurses geraten sind. So ist Teller 1764 beispielsweise noch von der Realität eines personal gedachten Teufels überzeugt, der den Menschen zum Abfall von Gott gereizt habe und denselben auch in der Gegenwart noch gemeinsam mit seinen, ihm untertänigen bösen Engeln versuche. Teller wehrt sich sogar explizit dagegen, die berühmte Versuchungserzählung (Mt 4; Lk 4) als Einbildung zu verstehen; sie sei „wirklich geschehene Begebenheit“. Auch den Sündenfall und die Paradieserzählung versteht Teller auf diese Weise historisch. Teller setzt hier noch Grundvertrauen in die orthodoxe Demonstrationsmethode, wonach die dicta probantia unmittelbare Evidenz verdienen. Im Wörterbuch revidierte er beide Auffassungen grundlegend.

Die größten Besonderheiten des Lehrbuch[s] bringt Teller in der Widmung an Ernesti und in aufschlussreichen methodischen Vorüberlegungen selbst in Stellung. Als „ein biblischer Theolog“ betont er im Laufe der Darstellung nahezu bei jeder Einzelbetrachtung, dass man sich beim Aufriss der christlichen Lehre an die Formulierungen der Bibel halten müsse und das, was darüber hinausgeht, nicht für gleich wichtig oder gewiss ausgeben dürfe. Teller nimmt damit das biblizistische Moment der orthodoxen Lehre von der sufficientia der Schrift ernst. Im Übrigen macht Teller damit bereits mehr als ein halbes Jahrhundert vor Friedrich D. E. Schleiermacher (1768–1834) dessen Selbstbescheidungsformel (in Hinblick auf die Trinitätslehre) „Hiebei aber möchten wir auch stehenbleiben“ zur dogmenkritischen und -ordnenden Gesamtmethode. Freilich müsse nach Teller auch die Darbietung der einzelnen dogmatischen Topoi nun der Reihenfolge der Bibel entsprechen. Seine dahingehenden Veränderungen am klassischen Gebäude der Dogmatik, dass er beispielsweise die Vorsehungslehre in der Schöpfungslehre verortet, die Lehre vom Heiligen Geist in die Christologie einschaltet oder auch eine ausführliche Lehre von den Eigenschaften Gottes gänzlich der natürlichen Theologie zuweist und deswegen ausspart, stießen auf starke Kritik. Nicht nur wegen dieser Neuerungen, sondern auch weil Teller vor jedem Lehrstück teilweise ausführliche Mängelkataloge der bisherigen dogmatischen Disziplin bietet, warf man ihm Nestbeschmutzung vor. Weiteren Anstoß erregte Tellers Beschränkung seiner Überlegungen auf die sogenannten opera trinitatis ad extra. Die ökonomische Trinität (opera trinitatis ad intra) hingegen – also die Attribute der göttlichen Personen zueinander – marginalisiert Teller in ihrer Bedeutung für die christliche Glaubenslehre: „Alles was man hier weitläuftig von der ewigen Zeugung des Sohnes GOttes, von der Vereinigung beyder Naturen, disputiret, dinet so wenig zur Erhöhung menschlicher Einsichten, daß es vielmehr nur mehr verwirrt, und die Geschichte der Kirche beweiset, daß eine jede Erklärungs-Form nur neue Streitigkeiten gebohren hat.“ Ähnliche Zurückhaltung und Neubewertung im Hinblick auf die praktische Nutzbarkeit für die Religion des gemeinen Christen zeigt Teller in der Lehre vom Heiligen Geist an: Er hält die überkommenen Regeln, mithilfe derer man die göttliche Hypostase des Heiligen Geistes zu beweisen pflegte, für logisch inkonsistent. Teller ist zwar davon überzeugt, dass Gottes Geist bereits in den alttestamentlichen Propheten gewirkt habe, aber „daraus zu beweisen, daß der heilige Geist dieser Gott selbst sey, was heißt das anders als sein Haus auf Sand bauen?“ Dass diese Bewertung dessen, was notwendig zu glauben sei, keineswegs mit einer Negation ebenjener Dogmen gleichgesetzt werden darf, betont Teller in seinem Rechtfertigungsschreiben an Boysen.

Wegen seines Eintretens für eine ausgewogene Beurteilung von gemeinhin im Protestantismus als heterodox geltenden Gruppen und der Analogie im dogmatischen Aufbau zwischen Tellers Lehrbuch und einer Schrift Samuel Crells (1660–1747), bedachte man ihn mit einem der „am freigiebigsten verteilten Ketzerhüte“ seiner Zeit: dem des Sozinianismus.

Eine der originellsten Bearbeitungen leistet Teller in Hinblick auf die eschatologische Perspektive jener Menschen, denen die christliche Botschaft noch nicht gepredigt wurde und die man aufgrund dieser Unkenntnis keineswegs als Ungläubige verurteilen könne. Schließlich treffe das johanneische „wer aber nicht [an Jesus] glaubt, der ist schon gerichtet“ (Joh 3,18) gewiss nur jene, die überhaupt wissen, dass Jesus Gottes Sohn sei. Daher halte man es nicht „für seine Christenpflicht […], ein noch lange nicht erwiesenes Todesurtheil“ über andere zu fällen, sondern bleibe stattdessen bei dem Glauben, der einem selbst aufgegeben sei. Auch hier mahnt Teller wieder zur Selbstbescheidung des verallgemeinerbaren dogmatischen Urteils, wohingegen für das Gewissen der einzelnen Christen zweifellos gelte: Gott „bietet ihnen diese Aehnlichkeit mit Christo an in der Berufung; er macht ihnen ein Herz dazu in der Rechtfertigung; er giebt ihnen endlich Kraft und Stärke in der Heiligung.“ In Hinblick auf andere Menschen und Völker hält Teller fest: Gott „ist ein an Mitteln unendlich reicher Gott. Indem er mir aber das Mittel des Glaubens vorgeschrieben, so brauchte er mir nicht zu sagen, was er weiter für Mittel habe.“

Teller war in seiner Zeit an der öffentlichen Debatte zur Integration der jüdischen Minderheit beteiligt und unter ihr hoch angesehen. Er äußerte sich 1799 in seiner Beantwortung des Sendschreibens einiger Hausväter jüdischer Religion – eine Schrift, auf die u.a. auch der junge Schleiermacher reagierte – eingängig zur religiösen Toleranz und richtete sich darin direkt an konversionswillige Juden. Teller reagierte so auf eine Anfrage des jüdischen Seidenfabrikanten und Mendelssohn-Schülers David Friedländer (1750–1834), der von ihm die Bedingungen für einen Übertritt zum Christentum erfahren wollte. Friedländer selbst verstand sich als Aufklärer und hatte keineswegs vor, eine innere Konversion zu vollziehen. Er betrachtete allerdings das Streben auf volle gesellschaftliche Integration (im Sinne des Bürgerrechts), die den Juden in Preußen bisher verwehrt geblieben war, als Grund genug, einen äußeren Wechsel zum Christentum zu vollziehen. Teller hält dies für eine schlechte Option, auch deswegen, weil er die moralische Würde und das Potential der jüdischen Religion anerkannte. Viel lieber sehe er es, wenn aufklärerische Juden wie Friedländer sich weiter für die Vervollkommnung ihrer eigenen Religionsgemeinschaft einsetzten. Das beweise bereits, dass „Sie, Ehrwürdige, [...] schon in so weit Christus Sinn“ hätten. Eine Konversion würde er unter folgenden Bedingungen dennoch akzeptieren: Taufe, Abendmahl, Bekenntnis zu Christus als „der von Gott erkohrne und gesandte Stifter einer bessern Religion [...]; der Herr, das Haupt Aller, die sich ihn zum Vorgänger in der wahren Anbetung Gottes wählen und seiner Anweisung folgen“ und ein Glaubensbekenntnis im Sinne von Eph 4,5f.

Neben Lehrbuch und Wörterbuch verdient auch Tellers dritte Hauptschrift eine kurze Betrachtung: Die Religion der Vollkommnern. Dieses „Manifest der Aufklärung“ von 1792, das bereits im Folgejahr eine Zweitauflage erfuhr, verrät in Untertitel und Vorrede, dass es als eine Extension jener geschichtsphilosophischen Überlegungen konzipiert wurde, die Teller schon 1780 in den „Vorerinnerungen“ zur dritten Auflage seines Wörterbuch[s] angestellt hatte. Er beschreibt eine biblisch begründete Perfektibilitätsbewegung, wonach sich das Christentum von einer „[g]robsinnlichen Religion allmählich zu einer vernünftigen, „reinen Philosophie“ (s. Untertitel) nach paulinischem Ideal entwickeln werde. Auf dem Weg dahin durchlaufe die Christenheit einen Dreischritt. Die unterste Stufe bilde die Erziehung im „Glaubenschristenthum“, einer vor allem im Gedächtnis bestehenden „Bilderreligion“. Gottes erzieherische Ökonomie schreite sodann zum „Vernunftchristenthum“ fort, worin Erlerntes in Angebautes überführt werde. Aus den Anhängern einer an sie herangetragenen Religion entwickele sich eine, die nun beim Individuum in eigene Grundsätze und Überzeugungen gefasst werde. Auf dieser Stufe komme außerdem die praktische Auswirkung der Religion auf den Lebenswandel besonders in den Blick. Die letzte Vorstufe der Religion der Vollkommnern bilde das „reinere Christenthum“, wo Reduzierung und Intensivierung als Treiber des Fortschritts wirkten. Zum einen nehme „Ausdehnung und Umfang (Extension)“ des Wissens ab und gleichzeitig „Kraft und Wirksamkeit (Intension)“ in der Weisheit des Lebenswandels zu, sodass schließlich diese Religion in den praktischen „[e]inzigen höchsten Grundsatz“ aufgehe, Gott in Geist und Wahrheit anzubeten (vgl. Joh 4,23f.). Die daraus quellende Religion der Vollkommnern ist dementsprechend kein hauptsächlich intellektueller Status. Ganz im Gegenteil bestehe sie in einer einfältig-schlichten, harmonischen Lebensweise, bei der sich unter dem Einfluss frommer Gesinnungen die Religion ganz „[auf]löset [...] in Liebe Gottes und der Menschen“. Das Christentum sei das beste Werkzeug Gottes, um den Plan seiner allgemeinen Providenz durchzusetzen. In der Forschung wurde die immer wieder ventilierte Frage, ob die Religion der Vollkommnern als Zielpunkt der Offenbarungsgeschichte Gottes nach Tellers Entwurf überhaupt noch eine christliche Religion sei, unterschiedlich beantwortet. In jedem Fall ist für Teller Christus noch Teil dieser vollkommeneren Religion. Zwar entbehrt jene Religion bei ihm vieler klassisch-christologischer Lehrstücke, aber dennoch werde sie ganz und gar Religion Christi sein.

Besondere Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang noch Tellers Äußerungen zum Verhältnis von Kirche und Staat. Hatte er vorher bereits in Form seines Memorandums zum Woellnerischen Religionsedikt maßvoll die Gewissensfreiheit von Gemeinde und Prediger zu verteidigen versucht, so hatte er ein Jahr vor der Veröffentlichung der Betrachtung Die Religion der Vollkommnern eine Neuauflage seiner religionspolitischen Mahnschrift Valentinian der Erste oder geheime Unterredungen eines Monarchen mit seinem Thronfolger vorgelegt, in der er der Obrigkeit lediglich negative Rechte gegenüber der Kirche zugesteht. Der Staat dürfe nur dort maßregelnd eingreifen, wo die ansonsten autarken religiösen Gruppen das Staatswohl gefährden. Das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen christlichen Gemeinden bestimmt Teller in dem abschließenden Anhang der Schrift maximal: ihnen obliege sowohl die freie Pfarrerwahl als auch die Bestimmung der Lehrinhalte und der kirchlichen Zeremonien. Diese Gedanken entwickelt Teller in Die Religion der Vollkommnen nun weiter und potenziert sie apologetisch zum „Vorzug der christlichen Religion“. Nur dieselbe sei auf kein spezielles politisches System angewiesen, sei also betont keine Staatsreligion, und könne auch nur auf diese Weise ermöglichen, die „Menschen immer weiser, und sodenn auch heiliger und seliger [zu] machen“. Teller spricht sich in der Folge für die maximale Gewissens- und Lehrfreiheit aus und demaskiert währenddessen die – u.a. von Johann Salomo Semler, den er expliziert kritisiert, protegierte – Bereichsteilung von öffentlicher und privater Religion, wonach der Christ im Privaten alles glauben darf, aber die kirchlichen Gemeinden öffentlich dennoch unter der Lehrzucht der obrigkeitlich bestimmten Landesreligion stehen. Die Widersprüchlichkeit dieses Verhältnisses veranschaulicht Teller an der Person des Predigers, der die beiden Pole der Religion unter beständigem „Gewissensdruck“ zu vereinen gezwungen sei. Seiner Gemeinde im besten Sinne „nützlich und erbaulich in Lehre und Leben [...] werden“ könne der Prediger nur, wenn er nicht aufhöre, seine eigene Privatreligion „zu reinigen und zu verbessern“ – kurz: sie zu vervollkommnen – und auch genau diese Religion auf die Kanzel bringe. Dabei gerate er aber möglicherweise mit der bekenntnismäßig festgesetzten Landesreligion in Konflikt. Wenn er aber seiner Privatreligion nicht konform lehre, dann könne er auch keinen Einfluss auf seine Gemeinde entfalten und sie nicht zu eigener Vervollkommnung anleiten. So konstatiert Teller in Hinblick auf diesen Problemzusammenhang: Die Obrigkeit „will den Zweck, die möglichste Erbaulichkeit, und muß sie als ein gewissenhafter Vormund wollen; und verbietet das kräftigste Mittel sie zu bewirken“. Damit ist für Teller gleichzeitig ausgemacht, dass die Obrigkeit die christliche Lehr- und Gewissensfreiheit schon aus Eigeninteresse möglichst weitreichend zulassen sollte, da der dann ungehinderte christliche Vervollkommnungsprozess die Christinnen und Christen nur zu noch bessergesinnten Bürgerinnen und Bürgern machen würde.

III.

Das Wörterbuch des Neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre stellt unbestritten Tellers wirkmächtigstes Werk dar. Es ist mit sechs Auflagen und den separat erschienenen Zusätze[n] nicht nur seine erfolgreichste und am weitesten verbreitete Arbeit, sondern bildet mit den Fortschreibungen von der Erstauflage 1772 bis zur letzten Textgestalt, die er zwar noch selbst besorgte, die aber erst postum 1805 erschien, einen beträchtlichen Einblick in mehr als 30 Jahre schriftstellerische Tätigkeit.

Schon in der Vorrede zur ersten Auflage macht Teller deutlich, dass er sein Wörterbuch keineswegs als Konkordanz gedacht hat. Von ihm sei also keine Vollständigkeit in Hinblick auf die dargebotenen neutestamentlichen Begriffe zu erwarten. Das Ziel seiner Unternehmung sei vielmehr, dass – durch seine Erklärung der zentralen Wörter des Neuen Testaments – „ein jeder des Originals unkundige Leser geführt werde […], um es aus eigner deutlichen Einsicht zu erkennen, was er als ein Christ zu glauben und zu thun hat.“ Damit sieht Teller sich in bester reformatorischer Tradition. Er markiert mit seinem Bezug auf Martin Luthers Sendbrief vom Dolmetschen eine klare Ausrichtung seiner eigenen Arbeit. Zeitgenössische Schrifterklärung müsse immer „‚die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt‘“ im Blick haben. Mit der Schrifterklärung betraut sind freilich die Pfarrer und Lehrer der christlichen Religion, weshalb sie im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Luther-Zitat adressiert werden: „So sollten wir, die wir von Zeit zu Zeit das Lehramt verwalten, uns nur als berufene Dolmetscher der Reden Christi und der Vorträge seiner Apostel betrachten“. Tellers Anliegen ist damit dezidiert kein primär akademisches, sondern stattdessen ein praktisches. Er liefert mit seinem Wörterbuch ein Nachschlagewerk für „den Pfarrerstand[, den er] als den eigentlichen Motor der kirchlichen und religiösen Modernisierung“ versteht, und will so mittelbar den christlichen Erkenntnisfortschritt unter den „einfachen“ Gemeindemitgliedern vorantreiben. Tellers Unternehmen ist damit von einem Geist der Volksaufklärung bestimmt: Wissen sollte gebündelt zusammengetragen werden, um ein egalisierendes Potential zu entfalten. In speziellem Fall des Wörterbuch[s] hieß das, exegetisches Spezialwissen zu popularisieren, um – unter Betonung des reformatorischen und nicht zuletzt biblischen Impulses des Priestertums aller Gläubigen – den Leserinnen und Lesern einen Werkzeugkasten an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe sie zu selbstdenkenden und kritischen Experten ihrer Bibel und ihrer Religion heranreifen mögen.

Ein weiterer Schwerpunkt in Tellers Darbietung der neutestamentlichen Begriffe verdeutlicht sich schon bei genauer Betrachtung des Werktitels. Es geht ihm in seinem Wörterbuch darum, zur Erklärung der christlichen Lehre allein auf die Begriffe des Neuen Testaments zurückzugreifen. In der Folge radikalisiert Teller so einen Grundsatz seines Lehrbuch[s] und versucht „das reine Metall des Christenthums von den Schlacken einer sectirischen Philosophie oder abergläubischen Schwärmerey zu scheiden“. Dieser Stoßrichtung entsprechend unterscheidet Teller bereits in der Vorrede zur ersten Auflage, aber formvollendet schließlich in den ausführlichen, methodischen „Vorerinnerungen“ zur dritten Auflage, „zwischen der Lehre des Christenthums und der verschiedenen Art des Vortrags desselben“. Dahinter verbirgt sich die in der Aufklärungstheologie vor allem mit Johann Salomo Semler in Verbindung gebrachte Vorstellung der Akkommodation (lat. accommodatio – Anpassung). Demnach würden die ewigen Lehrwahrheiten der Religion stets in besondere Lehrarten eingekleidet, um sie den Menschen je nach ihren Umständen besser nahezubringen. Da Lehrarten also immer zeitgebundene Akkommodationen darstellten, müsse ein Lehrer der Religion zu unterscheiden wissen, was jeweils die reine Lehre darunter sei, damit er nicht dem Missverständnis anheimfalle, ihm obläge die Pflicht, bestimmte Lehrarten als ewige unveränderliche Wahrheiten einzuschärfen. Vielmehr komme ihm die Aufgabe zu, die Lehre von den überkommenen Lehrarten zu scheiden und nun wieder selbst einzukleiden in eine Lehrart für seine eigene Zeit und Welt. Dazu gibt Teller seiner Leserschaft nun auch eine erste Kriteriologie an die Hand. Man erkenne eine Lehrart im Neuen Testament beispielsweise daran, dass deren Lehrer „selbst nicht undeutliche Winke giebt, er richte sich nach den Umständen, oder daran, dass er sich „mit tropischen Ausdrücken und Vorstellungen so abwechsel[t], daß die Bedeutung von allen auf einen Einzigen Lehrsatz angewendet werden kann. Außerdem könne eine Lehrart im Unterschied zur Lehre aufgegeben werden, ohne dass damit in der Folge „eine oder mehrere von der Schrift selbst bestätigte Vernunftwahrheiten würden aufgehoben werden“. Bei alledem gelte ohnehin immer das „Auslegungsgesetz, Schrift aus Schrift zu erklären, was zugleich als Gütesiegel für eine christliche Exegese diene, im Gegensatz zu einer, die sich mehr an einem dogmatischen System als an der Bibel selbst orientiert.

Nach ebenjenen Regeln verfährt Teller selbst im Verlaufe des Wörterbuch[s]. So bleibt er beispielsweise bei seiner schon im Lehrbuch anvisierten Beschränkung auf die opera trinitatis ad extra. In Hinblick auf die Hypostase des Heiligen Geistes erteilt er einer letztgültigen Klärung auf Grundlage der Schrift eine Absage. Eine andere beispielhafte Anwendung seines eigenen Unterscheidungsprinzips findet sich bei seiner nun gegenüber dem Lehrbuch gänzlich veränderten Vorstellung des Teufels. Inzwischen gilt ihm dämonische Besessenheit schlicht als Beschreibung einer besonderen Krankheitsform – wie z.B. „Anfälle der Raserey“ –, der Engel des Satans beschreibe auf bildliche Weise eine „Migraine, Jesu Exorzismen müsse man vor allem als Austreibungen des „Böse[n] aus dem Herzen und Leben der Menschen, diese[s] Sittenteufel[s]“ verstehen. Teller sieht sich zu diesen allegorischen Interpretationen auch deswegen berechtigt, weil Jesus und die Apostel dem Satan und den Dämonen nur periphere Aufmerksamkeit in ihren Lehren geschenkt hätten. Im Neuen Testament könne man vielmehr beobachten, dass der besondere Fokus nicht auf der externen Gefährdung durch einen personalen Teufel liege, sondern stattdessen auf der inneren Gefährdung des Menschen durch sich selbst und der verändernden Kraft und Größe Gottes, die als Gegenstück dazu in den Blick komme.

Wer auf dem vorgezeichneten Weg der Unterscheidung zwischen Lehre und Lehrart das Neue Testament durchschreitet, der werde nach Tellers Überzeugung nicht nur feststellen, dass „die christliche Wahrheit und Weisheit […] simpel und sehr einfach“ sei, sondern auch, wie man diese als Kirchenlehrer seinen Gemeindemitgliedern vermittele, sodass sie denen als „Schatz im Leben und […] Trost im Tode“ zur Glückseligkeit diene.

Die beiden Hauptanliegen seines Wörterbuch[s] – die Unterscheidung zwischen Lehre und Lehrart der christlichen Religion und die Übersetzungsleistung ebenjener Lehre in die damalige Zeit – verbindet Teller beispielhaft in seinem Umgang mit der Lutherübersetzung. Er wolle zwar keineswegs, dass sie „jemals ihr kirchliches Ansehn […] verliere“, und doch müsse man sie regelmäßig im Kleinen revidieren und modernisieren, an anderer Stelle auch sachgerecht verbessern. Das sei im Übrigen in Luthers eigenem Sinne: der habe nämlich „seine Uebersetzung nie für unverbesserlich ausgegeben“, sondern sogar davor „gewarnet und gebeten, sie stets nach den Grundtexten zu prüfen“. Während Teller Luthers Übersetzungsleistung auch regelmäßig lobend würdigt, lassen sich seine Verbesserungsvorschläge in drei Kategorien aufteilen: Zum einen behandelt Teller diejenigen Vorkommnisse, wo Luther für unterschiedliche griechische Wörter nur ein deutsches „Containerwort“ nutzt. Hier will er nuancierter übersetzen. Zum anderen schlägt Teller leichte Verbesserungen der deutschen Übersetzung vor, z.B. um ein biblisches Bild besser wiederzugeben: So plädiert Teller dafür, Luthers Wendung „in jrdischen Gefessen“ in 2Kor 4,7 dem griechischen ὀστράκινος (das, was aus Lehm gemacht ist) gemäßer mit „irden wiederzugeben. Weitere Bedenken, die Teller gegenüber der Lutherübersetzung anmeldet, beziehen sich auf klare Übersetzungsfehler, so z.B. bei den Artikeln „Jünger“, „Vernunft“ oder „Creatur“. Eine besondere Form dieser Kritik übt Teller dort, wo Luthers Einfügungen gegenüber dem griechischen Text den Sinn des Originals eher verdunkeln als erhellen.

In den regelmäßig von Teller eingestreuten eigenen „freyen Uebersetzung[en]“ zeigt er exemplarisch, was seine Scheidung zwischen Lehre und Lehrart Christi und der Apostel praktisch austrägt. Joh 6,56 („Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm“) gibt Teller beispielsweise folgendermaßen wieder: „Wer meine Lehre annimmt, und sich recht zu eigen macht, der liebet mich und wird von mir geliebet werden.“ Man kann allerdings an Tellers Behandlung von Joh 6 auch paradigmatisch erkennen, welche Schwächen diese Vorgehensweise hat, da sie teilweise zur erheblichen Verflachung des Originals führen kann. Wenn Teller die gesamte Rede vom Fleischessen und Bluttrinken Christi in Joh 6,50–58 unter „sein Evangelium annehmen und durch Ueberlegungen, Urtheile, Entschliessungen sich ganz zu eigen machen“ subsummiert, so übergeht er damit nicht nur die klassische Verbindung der Passage zur Abendmahlslehre, sondern auch jede eschatologische Dimension des Textes („der wird leben in Ewigkeit“; „der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken“ etc.), ohne sie im Verlauf einer anderen Betrachtung nachzuliefern. An vielen anderen Stellen bieten Tellers freie Übersetzungen allerdings erhellende Interpretationen des Bibeltextes.

In Hinblick auf die christliche Dogmatik mussten Tellers Auslegungen bei der lutherischen Orthodoxie Aufsehen erregen. Gerade die oft als reformatorischer Hauptartikel bezeichnete Betrachtung von der Rechtfertigung des Sünders formt er empfindlich um: „So giebt es […] in einer schon christlichen Nation keine totale Rechtfertigung mehr, keine Ankündigung eines feyerlichen Generalpardons“. Damit meint Teller, dass Begriffe wie Glaube an Christus, Bekehrung oder Seligkeit inzwischen anders gefüllt werden müssten als zur Zeit Jesu, wo noch ganze Völkerschaften erstmalig zum Christentum übertraten und ihnen die vorherige Gottesferne vergeben wurde. Wenn Teller sich explizit daran stört, dass Christen noch dazu angehalten würden, sich „von einer Communion zur andern, auf eine fremde Gerechtigkeit zu berufen“, enthält diese spezielle Formulierung eine Spitze gegen eine lutherische Kernposition. Hatte doch der Reformator höchstselbst die iustitia dei als eine „[e]xterna et aliena Iustitia“ bezeichnet, weil sie dem Sünder im Glauben zwar zu seiner Gerechtigkeit angerechnet werde, wohl aber Gottes alleinwirksame Gerechtigkeit bleibe. Teller hingegen sieht „das immer zu höherer Vollkommenheit fortschreitende Christenthum“ gerade bei einer schon von Kindesbeinen an christlich aufwachsenden Nation dazu aufgerufen, weniger das Ablegen des Alten im Blick zu haben als die Fortschritte im praktischen, gottgefälligen Leben (praxis pietatis). In diesem Sinne tastet er auch die mit dem Rechtfertigungsartikel eng zusammenhängende Erbsündenlehre an. Es müsse keineswegs immerzu „nur zwey Hauptgattungen von Menschen geben, selbstgefällige, verlarvte Heilige, und dann inniger schaamvoller Reue bedürftige Sünder“, sondern stattdessen wolle man „hoffen, daß es eine solche [dritte Gattung] giebt, die wirklich guten Menschen, welche sagen können: Nun halte ich, o Gott, dein Wort; verzeihe mir nur die verborgnen Fehler!

Das Wörterbuch markiert laut Wilhelm Gaß einen notwendigen Schritt in der Geschichte der historisch-kritischen Bibelwissenschaft, indem es die traditionelle dogmatische Bindung der neutestamentlicher Begriffe hinterfragt und sie stattdessen primär in ihrer Entstehungszeit zu verstehen sucht. In dieser Linie begriff Teller Jesus und die Apostel betont als Menschen ihrer eigenen Zeit auch im Abstand zur Jetztzeit, mit ihren je eigenen historisch bedingten Einschränkungen. Viele Zeilen widmen sich den Anleihen aus oder Parallelen zu der antiken Kulturgeschichte. Die von Hermann Gunkel (1862–1932) und anderen Vertretern der Religionsgeschichtlichen Schule geprägte Suche nach dem „Sitz im Leben“ eines Textes oder Logions hat schon Teller zu seinem Anliegen gemacht, wenngleich er noch keine moderne Bibelkritik betreibt und Jesusworte stets unhinterfragt als ipsissima verba auffasst. Vereinzelt erläutert Teller – mitunter im Rückgriff auf die modernste exegetische Literatur seiner Zeit – Lokalkolorit der südlichen Levante oder der antiken Umwelt. Außerdem bindet er seine Ausführungen zumeist an die altkirchliche Rezeptionsgeschichte der biblischen Texte zurück (besonders frequentiert z.B. bei der Betrachtung „Engel des Satans) oder belegt seine Entscheidung für einen besonderen Sprachgebrauch mit Parallelen aus der antiken Umwelt, wobei hierbei vor allem Philo von Alexandrien (ca. 20/10 v. Chr.–45 n. Chr.) und Flavius Josephus (ca. 37–100) Pate stehen.

IV.

Dass Tellers Wörterbuch zu seinen Lebzeiten ein überwiegend positives Echo auslöste, belegen die zeitgenössischen Rezensionen in der gelehrten Öffentlichkeit sowie die fünf Neuauflagen des Werkes, die ihrerseits wohlwollend rezensiert wurden. Die Besprechung der Erstauflage in den Göttingische[n] Anzeigen von gelehrten Sachen vereint exemplarisch die Motive der übrigen Evaluationen. Das Wörterbuch wird durchweg als „ein sehr wichtiges Unternehmen“ bewertet, das der Rezensent noch zusätzlich deswegen lobt, weil Teller – bei all der Mühe und Zeit, die er stellvertretend für die Theologenwelt auf sich genommen habe – nicht der Versuchung erlegen sei, sich selbst ein schriftstellerisches Denkmal setzen zu wollen und damit die Sachdienlichkeit seiner Schrift zu überdecken. Stattdessen durchziehe das Werk eine nützliche Geradlinigkeit in der Erklärung des Neuen Testaments. Wegen Tellers „Gründlichkeit, Ordnung, [und] Kürze“ dürfe man die Mängel, die einzelne Betrachtungen durchaus enthielten, keineswegs zu hart schelten. Selbst die Artikel, in denen der Rezensent bisweilen dogmatische Fehler erkennt, böten für die Leserschaft dennoch „viel Gutes“.

Unter den neologischen Denkern reagierten zwei Vertreter prominent auf Tellers opus magnum. Gotthilf Samuel Steinbart (1738–1809) schreibt in der Vorrede zu seinem System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christenthums (11778–41794) Tellers „unschätzbare[s] Wörterbuch“ habe ihn „in den Stand gesetzt, viele Stellen der apostolischen Schriften, die ich ihrer Dunkelheit wegen dahin gestellet lassen seyn mußte, dem Geist der Religion Jesu anständig zu finden und nach ihrer wahren Abzweckung besser zu erklären.“ Auch Carl Friedrich Bahrdt (1740–1792) lobte Tellers Person und dessen Unternehmen in seinem anonym publizierten Kirchen- und Ketzer-Almanach aufs Jahr 1781. Das Wörterbuch sei unter Tellers „vornehmste“ Schriften zu zählen, die Vorerinnerungen der damals frischgedruckten dritten Auflage schlicht „ein Meisterstück“.

Das restliche Echo war analog zu diesen Reaktionen überwiegend wohlwollend, wenn auch in Hinblick auf Einzelbetrachtungen zur eingehenden Prüfung aufgefordert wurde. Einige Aufmerksamkeit verdient noch der Wunsch eines Rezensenten der dritten Auflage nach einem Bibelstellenregister, dem Teller prompt mit der vierten Auflage entsprach. Außerdem bemerken andere Rezensenten treffsicher, dass wichtige neutestamentliche Begriffe eines Eintrages ermangeln. Frappierend ist vor allem das Fehlen der Lemmata „Herz“ und „Liebe“. Beide Begriffe sind nicht nur absolute Zentralbegriffe des Neuen Testaments, sondern bilden außerdem entscheidende Momente der Tellerschen Religionstheorie ab (s. Abschnitt III.). Auch der Eintrag „Gott“ wird überhaupt erst ab der dritten Auflage geboten und besteht bloß aus kurzen Querverweisen auf andere Lemmata.

In Tellers Vorrede auf die Zusätze findet sich möglichweise ein Hinweis darauf, welche Kritik dem Wörterbuch entgegengebracht wurde. Man dürfe eine „Erklärung [nicht] bloß deswegen sogleich […] verwerfen, weil sie […] neu, oder unerwiesen, oder ungewöhnlich, oder gekünstelt, oder endlich fremdgläubig anmute. Stattdessen habe man in demütiger Selbstbeschränkung zunächst einmal davon auszugehen, dass einem vieles nur aus Mangel an Wissen als neu etc. erscheinen könnte. Einige seiner Betrachtungen im Wörterbuch seien, wenn sie auch neu wirkten, tatsächlich ganz alt.

Johann Gottfried Herder (1744–1803) dürfte auf Tellers Werk pointiert kritisch anspielen, wenn er in seinen berüchtigten Provinzialblättern (1774) ein „Neues Wörterbuch eines Neuen Testaments erwähnt. Ursprünglich hatte er scheinbar detailliert gegen Tellers Schrift ausgeholt, eine viereinhalb Seiten lange Besprechung aber schließlich gestrichen. Herder unterdrückte ebenfalls den ursprünglich geplanten Passus in seinen Erläuterungen zum Neuen Testament (1775) , wonach „Tellers Wörterbuch […] ein ewig hingehender Pleonasmus“ sei. Schließlich sollte Herder den Berliner Neologen nach 1774 überhaupt nicht mehr positiv rezipieren, was nicht zuletzt daran gelegen haben könnte, dass Teller zugunsten Spaldings in den Streit um die Provinzialblätter eingegriffen hatte, indem er Herder brieflich (unterzeichnet am 21. September 1774) seine Abneigung gegen dessen Spalding-Polemik bekundete und seinen Freund dabei verteidigte. Herder zeigte sich gegenüber Spalding ob dieser – für Teller vermutlich singulären – Grenzüberschreitung zutiefst entrüstet, dürfte Teller selbst allerdings nie einer Antwort gewürdigt haben. Vor allem ärgerte Herder, dass Teller den Begleitbrief zu Gesicht bekam, den Herder privat an Spalding verfasst und in dem er sich als Autor der anonym erschienen Provinzialblätter zu erkennen gegeben hatte. Bernhard Suphans Vermutung, Tellers Verhalten habe den „Riß zwischen ihm [Herder] und Spalding […] vergrößert“, ist daher naheliegend.

Neben dem Umstand, dass auch Johann Friedrich Teller 1775 ein Wörterbuch des Neuen Testaments herausgab, das der orthodoxen Dogmatik verpflichtet war und worin er außerdem den berühmten Berliner Bruder und dessen Werk einer damnatio memoriae preisgab, verdienen zwei explizite Gegenreaktionen auf Wilhelm Abraham Tellers Hauptschrift hier noch eine eingehendere Erwähnung.

Im Erscheinungsjahr der Erstauflage erreichte Teller nach eigener Aussage am 4. Dezember ein anonymes Schreiben, dessen „Feder […] in Wermuth und Galle getaucht“ gewesen sei und das ihm eine Frist bis Ostern 1773 zum revocum seines Wörterbuch[s] setzte, unter Androhung andernfalls „mit einer unter Gottes Beystande auszustudirenden öffentlichen Demüthigung“ Tellers zu Werke zu schreiten. Vor Verstreichen dieser Frist erschien – wohl im März 1773 – ein öffentlicher Verriss desselben Anonymus, worin letzterer kolportierte, Teller habe ihn im Privaten „keiner Antwort gewürdiget“, weshalb er sich nun gezwungen sehe, zum Schutze der Kirche und Studentenschaft öffentlich aufzuzeigen, welche Gefahr von Tellers Wörterbuch ausgehe. Auf über 30 Seiten kritisiert der Pamphletist insgesamt 38 Artikel oder Unterabschnitte en détail, wobei einer der gravierendsten Vorwürfe wohl lautet: „Allein so, wie Sie erklären, könnten Sie wohl Christum selbst aus der Schrift heraus schaffen, wenn Sie wollten.“ Teller, der Verfemungen seiner Person und Lehre ansonsten fast vollständig unkommentiert ließ, sah sich genötigt zu replizieren, vor allem deswegen, weil sein Gegner in Bezug auf die schuldig gebliebene Antwort Falschinformationen verbreite. Zunächst einmal sei Teller nie explizit zur Antwort aufgefordert worden, wenngleich er sie dennoch zu geben willig gewesen sei und im Februar 1773 bereits ausgefertigt habe. Mit dem Druck habe er allerdings berechtigter Weise noch innegehalten, da der geforderte Widerruf ja erst für Ostern terminiert war. Gewartet habe Teller außerdem, weil er zunächst die Identität des Gegners herauszufinden gedachte, was ihm nach eigener Aussage nun gelungen sei. Obwohl er den Namen nicht direkt nennt, sind seine Äußerungen doch unzweideutig: Es sei „keiner von den vier ordentlichen Herren Professoren der theologischen Facultät in Leipzig“. Johann Friedrich Burscher (1732–1805), ein früherer Kommilitone Tellers, bekleidete seit 1768 das Amt als Leipziger ordinarius quintus. Wie bereits zu Beginn seiner Entgegnung angedeutet, wolle Teller sich gar nicht erst auf eine inhaltliche Verteidigung gegen die Vorwürfe einlassen. Stattdessen versucht er zu erweisen, warum das saure Drohgebaren Burschers mit der christlichen Religion unvereinbar sei: „mit einem: ‚wiederrufe, oder es ist um dich geschehen!‘ einen bey der Gurgel kriegen: Das reine Evangelium Jesu, wie ichs ohne alle Wörterbücher lese, erhält auch gewis keine solche Verhaltungsbefehle.“ In dieser Kontroverse betont Teller ein Motiv, das sich durch sein gesamtes Wirken zieht und er hier einmal nicht stellvertretend für andere, sondern für sich selbst reklamiert: die evangelische Gewissensfreiheit. Wie er schon im Wörterbuch selbst vermerkte, sei „Gott allein“ der „Gewissensrichter“ der Menschen, sodass jede Spekulation über die innerliche religiöse Einstellung einer anderen Person nicht zulässig sei.

Es ist – wie bereits erwähnt – nicht ungewöhnlich, dass Teller auf die ausführlichste Gegenschrift, die ihm je zugedacht war, wiederum wohl nie reagiert haben dürfte. Im Falle des Biblische[n] und Emblematische[n] Wörterbuch[s], dem Tellerischen Wörterbuch und Anderer falschen Schrifterklärungen entgegen gesezt, das der schwäbische Pietist und Theosoph Friedrich Christoph Oetinger (1702–1782) im Jahr 1776 zunächst anonym und ohne Druckort herausbrachte, kommt außerdem die Besonderheit hinzu, dass dieses Werk – entgegen seines Untertitels – keine klassische Widerlegung darstellt. Vielmehr präsentiert Oetinger auf 855 Seiten sein eigenständiges, keineswegs auf das Neue Testament beschränktes Wörterbuch, das auf Teller zwar regelmäßig kritisch Bezug nimmt, aber beim genauen Hinsehen dessen Werk für kaum mehr als eine pauschale Abgrenzungsfolie nutzt. Eine eingehende Auseinandersetzung mit Tellers Auslegungsvorschlägen sucht man vergeblich, Zitate daraus sind die seltene Ausnahme. Oetingers Kritik ist vielmehr eine globale, gegen Teller, andere Neologen wie Semler oder aber Leibnizianer und Wolffianer gerichtete. Treffsicher ist gewiss die Beobachtung, dass Teller die Johannesoffenbarung in ihrer Bedeutung für die christliche Lehre stark herabsetze, und an manchen Stellen einer Entsupranaturalisierung der biblischen Traditionsbestände – wie der Personalität des Teufels (s.o.) – Vorschub leiste: „[D]enn Hr. TELLER [will] nichts vom Geist, nichts vom Teufel, nicht viel von Engeln, nichts von den geheimen Eröfnungen der 7 Geister wissen“. Oetinger fasst seine Kritikpunkte unter dem Verdikt zusammen, Tellers Exegese sei – der Leiblichkeit zahlreicher biblisch bezeugter Realitäten entgegen – viel zu allegorisch: „Die heilige Schrift redt sehr sinnlich, und das verabscheut Herr TELLER.“ An manchen Stellen zeigt sich deutlich, dass Oetinger damit nur einen Strohmann bekämpft, wenn er beispielsweise behauptet, Teller würde einer neu-kerinthischen Irrlehre Christian Wolffs (1679–1754) aufsitzen, wonach die Phänomene der Welt nur Scheinleiber seien. Weder lässt Teller in seinem Œuvre einen relevanten Einfluss der Wolffischen Philosophie erkennen, noch findet man irgendwo im Wörterbuch eine Parallele zu ebenjenem Vorwurf.

Kritik an Tellers Werk kam nicht ausschließlich aus gegnerischen Lagern. Sogar sein ihm zum Lebensfreund gewordener Kollege Spalding äußerte sich in einem Brief an Johann Caspar Lavater (1741–1801) im Juni 1773 zurückhaltend. Das Wörterbuch enthalte „viele Auslegungen[, die] durchaus gezwungen“ seien und bisweilen den Aussagesinn der biblischen Autoren verkehrten. Dennoch verfolge Teller die besten Absichten, und daher könne auch Spalding nicht anders, als „ihn Gott und seinem Gewißen“ anempfehlen.

Neben vereinzelten Unzulänglichkeiten oder aber inzwischen überholten exegetischen Einschätzungen bleibt Tellers Hauptwerk ein bedeutendes Anschauungsobjekt dafür, wie die Aufklärungstheologie ihre Vorstellung einer christlich-moralischen Perfektibilität des Individuums auf originelle Weise an die Bibel zurückzubinden versuchte. Außerdem gibt das Wörterbuch ganz allgemein hilfreiche Einblicke in die Historiographie der Bibelwissenschaft und der protestantischen Exegese.

Insgesamt greift daher Paul Wolffs Einschätzung, Teller habe im Wörterbuch versucht, „die biblische Grundlage des Christentums zu entwurzeln“, zu kurz. Vielmehr kann man an diesem repräsentativen Exemplar neologischer Bibelauslegung zweierlei beobachten: Zum einen, wie die kritische Rückbindung an die Bibel zur Reinigung einer an Plausibilität und Gegenwartsrelevanz einbüßenden kirchliche Lehre verwendet wurde. Die damit verknüpfte Forderung nach einer zeitgemäßen Aktualisierung der christlichen Religionsinhalte muss nicht als bloße Lust zur Neuerung oder gar zeitgenössische Mode-Theologie verstanden werden, sondern dürfte schlicht aus der christlichen Fundamentalüberzeugung erwachsen sein, dass die biblisch bezeugte Wahrheit alle Menschen zu allen Zeiten angehe. Zum anderen zeigt Tellers Wörterbuch aber auch, dass die Unterscheidung zwischen zeitbedingter Lehrart und vermeintlich zeitloser Lehre (in der Dialektik zwischen biblischer Rückbesinnung und Dogmenkritik) selbst wieder die eigenen Motive mitbringt und in den Prozess der Exegese einträgt. Diese Beobachtung wiederum vermag doch eindrucksvoll zu zeigen, worauf dieses Programm im Wechselspiel zwischen Dogmen- respektive Systemkritik und eigener Systematisierung hinauslaufen muss, wenn es ihm mit dem selbst aufgerufenen kritischen Potential ernst ist. Es muss auch sich selbst der fortlaufenden Revision anempfehlen.

Die vorliegende Werkedition soll dabei helfen, die theologische Innovationskraft Wilhelm Abraham Tellers neu in den Blick zu nehmen und kritisch zu würdigen.