1. Die Vernunft sagt uns, daß ein Gott, ein ewiger, allmächtiger, /aallwissender, all|c10|weiser, |d10| allgütiger, gerechter, wahrhafter,a\ ∥a1 Gott ist; daß er die von ihm geschaffene Welt, auch |c11| |d11| die moralische, /aregiert, auf das gütigste, weiseste, gerechteste, zur Beförderung der Wahrheit, Tugend und Glückseligkeit unter seinen vernünftigen Geschöpfen, regiert; daß wir Menschen ihn/b, obschon unvollkommen,b\ erkennen können; daß |b7| wir verpflichtet sind, dieser Erkenntnißb2 zu Folge ihn zu verehren, d. h. unsre Gesinnungen und Handlungen unserm Verhältnißb3 gegen Gott und seinen erkennbaren Absichten gemäs einzurichten, oderd4 welches einerley ist, aus schuldiger /dEhrfurcht Liebed\ ∥d5 Dankbarkeit und Gehorsam gegen Gott zu Vermehrung der Vollkommenheit und wahren Glückseligkeit unsrer selbst und andrer stets gern thätig zu seyn; und endlich, daß wir ohne diesea\ ∥a6 pflichtmäsiged7 Verehrung ∥a8 |d12| Gottes, ∥a9 d. h. ohne |c12| subjectivea10 Religion, nicht möglichst glücklich seyn können.
|b8| 2. Da /aendliche Wesen so wenig der höchsten Glückseligkeit als der höchsten Vollkommenheit fähig sind, so ist man glücklich, wenn man, bey den unserm Zustandeb1 etwa anklebenden Unvollkommenheiten, empfindet, daß die Vollkommenheiten desselben überwiegend sind und noch immer zunehmen. Je wichtiger die Vollkommenheiten sind, je vollständiger die Kenntnißb2 und inniger die Empfindung derselben,b3 und je zuverläßiger ihr vorausgesehener Zuwachs ist, desto größer ist die Glückseligkeit. Da nuna\ die moralische Natur des Menschen /ab(§. 95.)ab\ seinen größtenab4 Vorzug vor den übrigen Bewohnern dieser Erde ausmacht, so besteht die höhere Glückseligkeit desselben nicht imd5 /abgrößten Maaßeab\ ∥ab6 angenehmer sinnlicher Empfindungen, ja nicht einmal allein im Genußea7 intellektueller Vergnügungen, sondern vornehmlich /agehöret dazu frohesa\ ∥a8 Bewustseyn des zunehmenden Uebergewichts /aderjenigen Vollkommenheiten, deren der Mensch durch seine moralische Natur fähig ist. Moralische Güte unsrer Gesinnungen und Handlungen ista\
|c13| |d13| 3. /aDieb1 moralische Güte /bder Menschenb\ ∥b2 wird /baberb\a\ ∥a3 immer höchst mangelhaft /aund unbeständig seyn,bd4 a\ ∥a5 ohne Religion, welche unsre großeab6 Bestimmung uns entdeckt, /ab(§. 89. ff.) uns überab\ unsre Pflichten aufklärt und uns mit mehrern bekannt macht, die edelsten /aallezeit wirksamena\ Motive zur /aAusübung der Tugend, sollte sie auch jedem menschlichen Auge un|b9|bemerkt bleiben, giebt, uns zur Erfüllung unsrer Pflicht geneigt macht, diejenige Ruhe und Heiterkeit des Gemüths, welche der Uebung der Tugend so vortheilhaft ist, mehr als alles befördert,a\ ∥a7 wenn die Beobachtung unsrer Pflichten uns nachtheilig zu werden scheint unsrer Tugend zu Hülfe /akommt, und uns Muth und Stärke zum Kampfe, ohne welchen die Tugend nicht die nöthige Festigkeit erlangt, verleihet etc. Ueberdießd8 a\ ∥a9 beschäftigt die Religion unsern Verstand mit den erhabensten /aund gemeinnützigstena\ Wahrheiten, schärft unsern Blick auf das viele Gute das wir immerd10 genießena11, lehrt uns in dem Allmächtigen den allgütigen Vater derb12 Menschen kennen, und unsrea13 Schicksale als Fügungen des Allweisen betrachten, tröstet uns in Widerwärtigkeiten, ∥a14 öfnet die frölichsten Aussichten in /adie Zukunft, knüpft die Bande der Gesellschaft festera\ ∥a15 etc. Ohne Religion ist der Mensch /aunendlich weniger glücklich, als er seyn kann, und der große minder aufgeklärte Haufe genießt ohne sie kaum |c14| /bein anderes, als das mit |d14| dem Viehe ihm gemeinschaftliche sinnliche Vergnügenb\ ∥b16a\ ∥a17.
4. Die reine Stimme der Vernunft, ist Gottes Stimme durch die Natur. Es entdeckt uns also Gott sein Daseyn, seine Eigenschaften, /aseine Werke, vieles von seinen Absichten und seinem Willen, unsre Abhängigkeit von ihm,a\ ∥a1 und die ∥d2 Art ihnd3 zu verehren, durch die Natur. Daher die natürliche /dReligion.a4 Der Inbegriff der Religionswahrheiten heißt die objektive Religion. Objektive natürliche Religion, wissenschaftlich behandelt, |b10| giebt die, von Predigern /aoft zu sehra\ ∥a5 vernachläßigte, natürliche Theologied\ ∥d6.
5. Die Vernunft hat nichts gegen die Möglichkeit einer auf einem andern Wegd1, als durch die Natur, ertheilten nähern Offenbarung /aGottes. Unmittelbar von Gott demd2 Menschen gegebene Belehrungen sind weder an sich unmöglich, noch auch läßt sich behaupten, daß sie /bdurchaus überflüßig oder wohl gar nachtheilig, und alsob\ der Weisheit Gottes entgegen seyn, oder Fehler in der anfänglichen Einrichtung der Natur voraussetzen.a\
6. Eine solche Offenbarung wäre /abvielmehrab\ sehr wünschenswerth. Denn wenn gleich Gott /aauch durch die Vernunftreligion, welche |c15| allerdings ein Beförderungsmittel der Tugend |d15| ist, Menschen zur Glückseligkeit in diesem und jenem Leben führet, unda\ von niemand etwas fordert, das ihm schlechterdings unmöglich ist, mithin die /anatürliche Religiona\ ∥a1 nach Gottes Urtheila2 für denjenigen hinreichend seyn muß, der keine anderweite Offenbarung empfangen hat; auch es gewiß ist, daß Gottes Vorsehung und Regierung auch über das Reich der Wahrheit, zumal der Religionswahrheiten, waltet, und die Erkenntnißab3 /dderselbend\ ∥d4 befördert: so lehret doch die Erfarungab5, daßd6 so lang /abey den Menschen, wie sie wirklich sind,a\ die Vernunft sich selbst überlassen bleibt, es den Religionswahrheiten an Vollständigkeit, Richtigkeit, Gewißheit, /aund besonders ana\ Wirksamkeit und allgemeiner Brauchbarkeit /afür alle Classend7 von Menschena\ zu mangeln pfleged8. Und überhaupt, /dje mehrd\ ∥d9 /awahrea\ Religiond10, desto mehr Glückseligkeit.
|b11| 7. Wahrscheinlich kam Gott, der nach seiner unermeßlichen Güte will, daß die Menschen möglichst glücklich, und also durch Religion glücklich, (§. 2. 3.) seyn sollen, mit einer nähern Offenbarung gleich Anfangs dena1 ersten Menschen, zu welchena2 wir doch endlich hinauf steigen müssen, zu Hülfe. Und daß diesa3 auch in der Folge zu wiederhohltena4 malen geschehen seyn möge, läßt sich vermuthen, wenn man A) bedenkt, daß die erste |c16| |d16| Offenbarung den /abgeringenab\ Fähigkeiten der ersten Menschen angemessen seyn muste, und wahrscheinlich nicht lange rein und wirksam bleiben konnte:a5 B) überlegt, 1) worin die höhere Glückseligkeit des edelsten Geschöpfs auf des allgütigen Gottes Erdboden bestehet; (§. 2.) 2) daß der Mensch mit Anlagen zum wirklichen Genußea6 dieser höhern Glückseligkeit /ab(§. 95. 114.)ab\ von dem |a8| Schöpfer begabt ist; 3) daß diese Anlagen ohne Religion vergeblich seyn würden;a7 (§. 3.a8) 4) daß die natürliche Religion zwar an sich betrachtet allen Menschen möglich ist, /adaßa\ aber /anicht nur viele Zeit verstreichen würde, ehe eine Nation bloßbd9 durch den Gebrauch ihrer Vernunft sie einigermasen vollständig, richtig und zuverläßig kennen lernte, sondern daß auch Vernunftreligiona\, selbst unter kultivirten Völkern, von Hunderttausenden kaum bey Einem in einem solchen Grade von Klarheit, Richtigkeit und Wirksamkeita10 wirklich gefunden wird, /a(§. 6.)a\ der auf die Beglückung einzelner Menschen oder ganzer Gesellschaften einen Einfluß haben /akann; dahingegen ein unmittelbarer göttlicher Unterricht weit brauchbarer für jedermannd11 ist; seiner übrigen Vorzüge nicht zu gedenken; fernera\ ∥a12 |b12| 5) daß gewisse, dem sich selbst überlassenen Menschen schwera13 vermeidliche, Religionsirrthümer leicht schreckliche Wirkungen hervorbringen können; /aendlicha\ 6) daß das unter einer einzigen Na|c17||d17|tion durch eine unmittelbare Offenbarung aufgesteckte Licht, durch eine bis ins unendliche fortgehende Reperkussion seiner Stralen, auf alle Nationen/a, die mit jener in irgend einer noch so entfernten und mittelbaren Verbindung stehen,a\ eine wohlthätige Wirkung in gewissem Grade haben konnte; wodurch der Einwurf von der allerdings fast unmöglichen Allgemeinheit einer unmittelbaren Offenbarung, und daß doch der größtea14 Theil der Welt ohne alle Offenbarung geblieben sey, mithin Gottes Absicht mit den Menschen auch ohne sie müsse erreicht werden können, /a/bgroßentheilsd15 b\ wegfällt.a\
8. /dEine wahred\ ∥d1 göttliche Offenbarung /dmuß a) keinerd\ ∥d2 evidenten Wahrheit der natürlichen Religion und der Vernunft widersprechend3, b) der Würde Gottes /aund c) der Natur des Menschena\ ∥d4 angemessen /aseynd5; d) die Veredlung dera\ ∥a6 Menschen /a/bund ihreb\ wahre Glückseligkeit ∥b7, einzeln und in der Gesellschaft betrachtet, ∥d8 zum Zweck habend9, und e) da wo sie in ihrer Reinheit erkannt und ausgeübt wird, diese ∥d10 auch in der That bewirkend11; f) ∥d12 /bgegen diejenigenb\ ∥b13a\ ∥a14, welche sie zuerst bekannt gemacht haben, /ab/dmuß keind\ ∥d15 gegründeter Verdachtab\ ∥ab16 der Schwärmerey, des Betrugs u. d. gl. vorhandenab17 seynd18.
/a8. b. Taugliche Beweise für die Wahrheit einer /b/dsolchend\ ∥d1 Gott anständigen, durch ihre Wir|d18|kungen sich empfehlenden, und sonst unverdächtigenb\ göttlichen Offenbarung würden |c18| seyn, a) wenn der redliche und tugendhafte Mann, der sie erhal|b13|ten zu haben standhaft versichert, in einer solchen Lage sich befunden hat, daß sich nicht begreifen läßt, wie er natürlich zu solchen Kenntnissen gekommen seyn sollteb2; b) wenn die Offenbarung in den ganzen Plan der göttlichen Regierung der Welt, wie die Geschichte der vorhergegangenen und folgenden Zeiten ihn darlegt, genau einpasset, als ein Glied in der langen Kette göttlicher Veranstaltungen zur successiven moralischen Veredlung des Menschengeschlechts erscheint, zum voraus vorbereitet war, und bey ihrer ersten Bekanntmachung und Fortpflanzung merklich den Schutz der Vorsehung genossenb3 hat; und vornehmlich c) wenn Gott etwas außerordentlichesb4, das menschliche Kräfte zu bewirken nicht vermochten, zur Bestätigung derselben hat geschehen lassen.a\
9. /aDen Inhalt einer göttlichen Offenbarung zum voraus bestimmen wollen, wäre Kühnheit. Doch läßt sich im allgemeinen behaupten, daß sie in einem gewissen Verhältnißbd1 zu dem Grade der Kulturb3 der Zeitgenossen, denen sie zunächst nutzen soll, stehen, vielleicht aber doch Keime, die erst in der Folge sich entwickeln sollen, in sich schliessen werde; daß theoretische Sätze sowohl als praktische in ihr vorkommen |d19| können; und daß sie theils Wahr|c19|heiten, die durch natürliches Nachdenken sich erkennen lassen, noch ehe sie erfunden sind, bekannt machen, theils die von der Vernunft bereits erkannten wiederhohlen/d, theils andere, die sonst unbekannt bleiben würden, entdeckend\ könne. Und ist es gleich nicht nothwendig, daß siea\ ∥a4 Lücken |b14| der natürlichen /aReligion ergänze, oder /dGeheimnissed\ ∥d5 vortrage, soa\ ∥a6 /dläßt sichd\ ∥d7 /adoch jenes /bnicht unwahrscheinlichb\ ∥b8 /dvermuthend\, und dieses /distd\ wenigstens /dmöglichd\ ∥d9. Sie kann nämlichd10 a\ ∥a11 Sätze enthaltena12, die entweder unsrea13 Vernunft nicht für sich zu erfinden, oder deren Gründe sie nicht vollständig zu entwickeln vermag; ingleichena14 positive Gesetze Gottes,d15 /ab(§. 98.)ab\ deren Grund wir Blödsichtigen aus der Natur der Dinge nicht herzuleiten im Standea16 sind. Doch muß sich /abey diesena\ zeigen lassen, daß sie den göttlichen Eigenschaften nicht widersprechen; und über kurz oder lang wird sich auch die Schicklichkeit und Wohlthätigkeit derselben, und ihr Zusammenhang mit dem Ganzen, an den Tag legen.
/a9. b. Muthmaslich würde eine solche Offenbarung nur wenigbd1 Menschen unmittelbar wiederfahren, weil sie durch diese auf die übrigen mittelbar gebracht werden kann. In diesem Falleb2 würden authentische Nachrichten und Urkunden von jener unmittelbaren Mittheilung und dem Inhalt der Offenbarung die Erkennt|c20|niß|d20|quelleb3 der geoffenbarten Religion für später lebende Menschen seyn.a\
10. Bey dem Beweis, daß die /achristliche Religion, deren Ursprung und Inhalt wir aus der Sammlung von Nachrichten und Urkunden, welche man das neue Testament nennet, /bauthentischb\ kennen lernen, auf einer wahren göttlichen Offenbarung beruhea\ ∥a1, setzen wir folgende Punkteb2 vorausa3: a)
11. Jesus war der weiseste und tugendhafteste |a10| Mann der je gelebt hat, unendlich entfernt von Betrug und Schwärmerey. Ohne Gelehrsamkeit, und unbekannt mit der Weisheit der erleuchtetsten Völker, lehrte er /a– man überdenke den Geist seiner Religion –a\ wahre Weisheitd1 und ächte Tu|b16|gend vollkommner, als alle großea2 Männer vor ihm zusammengenommen. /aSein wohlthätiger Plan, durch diese |d22| Weisheit und Tugend Menschen aller Nationen und aller Zeiten und von allen Ständen zur höchsten Glückseligkeit zu führen, hat einen solchen Umfang, daß die edelsten Entwürfe der gröstend3 Wohlthäter des menschlichen Geschlechts vor ihm damit nicht verglichen werden können.a\ ∥a4
12. Die Lehre Jesu ist wahr, und kommt von Gott. (Ob mittelbar oder unmittelbar,ab1 bestimmen wir /amit Bedacht hier noch |c22| nicht, ob es schon nichts weniger als gleichgültig ist, welches von beyden man annehme).a\ ∥a2 Denn a) /adie Lehre Jesua\ ∥a3 enthält/a, richtig verstanden,a\ nichts, /aweder in ihrem theoretischen noch praktischen Theil, weswegena\ ∥a4 sie nicht göttlich seyn /akönnte; (§. 8.) vielmehr b) trägt sie die Vernunftreligion in einer bis dahin unbekannten Reinigkeit vor,a\ ∥a5 kömmt den Mängeln unsrer Erkenntnißab6 zu Hülfe, wo die natürliche Religion uns in ∥a7 Ungewißheit läßt, (§. 9.) lehrt die erhabenste vollständigste Tugend, bauet sie auf die vernünftigsten edelsten Gründe, und zielt ganz darauf ab, den Gott anständigsten und der Natur und den Bedürfnissen des Menschen angemessensten Weg zur höchsten Glückseligkeit in Zeit und Ewigkeit zu zeigen. Sie leistet alles, was Religion leisten soll; (§. 3.) und /akanna\ ∥a8, mit andern Religionen verglichen, /aihrer Natur nach esa\ vollkommner als jede andre /aleistena\. c) Jeder, dem es um Wahrheit und Tugend mehr als um |d23| alles anderea9 zu thun ist, erfärt bey redlicher Ausü|b17|bung dieser Religion, daß sie mit einer ihr eignen Macht sein Herz, das oft ein Sitz ungeheurer Laster war, zur edelsten Tugend bildet, und mit den seligsten Freuden erfüllet. /aDies kannb10 a\ ∥a11 nicht nur jeder an sich selbst erfaren, ∥d12 sondern /aauch an andern bemerken, ∥d13 unda\ die /aglaubwürdigea\ Geschichte sagt ∥a14, daß tausende eben das erfaren, und /abdaß viele der Schwärmerey nicht verdäch|c23|tige gute Menschenab\ diese Erfarung noch auf dem Todbette, ja auf dem Scheiterhaufend15 und unter dend16 ausgesuchtesten Martern, /abfreudigab\ bezeugt haben. d) /aAuch für die Menschheit im Großen war diese Religion, da wo sie angenommen ward, ungemein wohlthätig, und würde es, ihrer Natur und ganzen Tendenz nach, noch unendlich mehr gewesen seyn, wenn sie stets rein geblieben und von ihren Bekennern wirklich ausgeübt worden wäre, und wenn nicht menschliche Thorheit und Bosheit, Fanatismus und Hierarchengeist, politische und litterarische Barbarey etc. ihre Wirkungen bald geschwächt, bald gehindert, bald gar die Arzney in Gift verwandelt hätten, oder wenn es möglich wäre, daß Religion allein, sey sie noch so vortreflich, den Mangel so vieler anderer zum Wohlstand und Glück der Völker gleichfallsb17 nothwendigen Hülfsmittel ersetzen könnte. e)a\ Die Religion Jesu und ihre Einführunga18 in die Welt schliest sich genau an den |d24| Plan an, nach welchem, laut der biblischen und profan Geschichte, Gott die Schicksale des Jüdischen Volksa19 und andrer Nationen bis auf Jesu Geburt, regiert /dhatd\ ∥d20. f)a21 Die schnelle Ausbreitung dieser Religion geschah unter solchen Umständen, daß man eine Mitwirkung Gottes, wenn man den /abInhalt und die Forderungenab\ ∥ab22 des Christenthums überdenkt, kaum verkennen kannab23.
|a11| |b18| |c24| 13. Jesus selbst behauptetea1 von sich, er sey von Gott gesandt, Joh. 5, 43. 7, 28. /a29.a\ 8, 42. /a13, 3. 17, 3. 23.a\ als ein Lehrer der Welt, Joh. 8, 12. 12, 46. /a17, 4. 6. 18, 37.a\ als der /agroße verheißeneb2 a\ ∥a3 längst erwartete göttliche Gesandte, der den vollkommensten Religionsunterricht geben solle, Joh. 4, 25. 26. und allein ihn geben könne, Matth. 11, 27. Joh. 3, 11.–13.ad4 und größera5 sey als die Propheten;a6 Matth. 12, 41. 42.d7 /a13, 16. 17. seineb8 a\ ∥a9 Lehre sey nicht seine eigenea10 Erfindung, sondern er habe sie von dem Gott, der ihn gesandt habe; Joh. 7,b11 /a15.a\ 16. /a17.a\ 8, /a26.a\ 28. 38. 12, 49. 50. er sey vom Himmel kommenad12, und von dorther sey seine Lehre;a13 Joh. 3, ∥a14 13. 6, /a33. 41. 42.a\ 46. 8, ∥a15 40. /a17, 8.a\ ∥a16 Gott bestätige seine Lehre;a17 Joh. 6, 27. 8, 18. wera18 ihn und seine Lehre annehme oder verwerfe, der verwerfe oder nehme den Unterricht Gottes an;ad19 Matth. 10, 40. Luc. 10, 16. /aJoh. 14, 9.a\ /ddiea21 Annahme und Befolgung seiner Lehre, sey der Weg zur ewigen Glückseligkeit.a22 Joh. 3, 16. 6, 40. 17, 3.d\ |d25| Hiezu nehme man noch die /abandernab\ Versicherungen, /abwelche Jesus von seiner erhabenen Würde und großen Bestimmung gegeben hat, z. B.ab\ er sey der geliebte, der eingebohrne Sohn Gottes;a23 Joh. 3, 16. Gott sey sein Vater; dieser sey in ihm, und er im /bVater, /ad. i. der Vater rede und wirke durch ihn, und er handle nie anders, als unter |c25| der Auktorität und nach dem Willen des Vaters;a\b\ ∥b24 Joh. 10, 30. 36. 38. 14, 10. 11. 17, 21. 23. mana25 solle ihn ehren wie den Vater;a26 Joh. 5, 23. erab27 werde einst alle Toden auferweckena28, Joh. 5, 28. 29. und der allgemeine Richter aller Menschen seyn. Matth. 25, 31. folgg. Diesa29 alles zusammengenommen kanna30 niemand von sich sagen, der nicht willa31, daß man ihn für den außerordentlichstenab32 unmittelbarsten Gesandten Gottes, und seine Aussprüche für eine un|b19|mittelbare göttliche Offenbarung halten soll.
14. Alle diese Behauptungen Jesu sind wahr, und die von Jesu gestiftete Religion /ab(welche ohnehin auf alle Fälle wahr, göttlich und mit den Absichten Gottes übereinstimmend bleibt, §. 12d1)ab\ beruht also auf einer unmittelbaren göttlichen Offenbarung. Denn a) Jesus verdient /abey diesen, sogar mit einem feierlichen Eide bekräftigtend2 Matth. 26, 63. 64. und mit seinem Tode versiegeltend3 Versicherungena\ nicht nur an sich schon allen Glau|d26|ben, (§. 11. /a12.a\) wie er ihn auch fordert, Joh. 3, 11. 13. 8, 14. folgg. sondern /abseine Aussagen werden auch durch die Zusammenstimmung einer Menge von Umständen und Ereignißen auf das vollkommenste bestätiget. Nämlichab\ ∥ab4 b) kein Mensch in Jesu Umständen/ab, wie die glaubwürdige Geschichte sie beschreibt,ab\ hätte eine solche Lehre erfinden können; c) seit |c26| bald zweytausenda5 Jahren konnten die Bemühun|a12|gen aller Philosophen in allen Theilen der Welt /abin Absicht auf Religion und Moralab\ nichts vortreflichers und ∥d6 vollkommeners ersinnen, des Fortschrittsa7 in den übrigen Wissenschaften ungeachteta8; d) die durch die Religion Jesu in der Welt bewirkte Veränderung war lange /a/dvorbereitet, und /bsogar e)b\d\ in den heiligen Büchern der Juden, welche in ihrer jetzigen Form schon lange vor Christi Geburt existirten,a\ ∥a9 vorhergesagt, /dPs. 110. Jes. 53. 60.d\ ∥d10 worauf sich auch Jesus berief.ab11 Luc. 24, 44–47.d12 Joh. 5, 39. /abUnd mit Recht konnte er sich auf den Geist, welchen die Propheten in ihren Aussprüchen von der Zukunft athmen, berufen, wenn es gleich schwehr ist, auf eine für unsre Zeitgenoßen überzeugende Art zu bestimmen, welche und wie viele prophetische Stellen hieher gehören, und wie viel in einer jeden liege. Derab\ ∥ab13 Weissagungen von besondern Lebensumständen Jesu /abwollen wir nicht einmal gedenken, ob es schon vernünftiger ist, die so häufige und auffallende Aenlichkeitd14 dieser Umstände mit Stellen der Propheten, zumal mit solchen, |d27| die damals schon von den Juden auf den Messias gedeutet zu werden pflegten, einer Veranstaltung der göttlichen Providenz, als dem bloßen Ungefähr, oder gar einer schwehr zu entschuldigenden Affektation Jesu zuzuschreiben. f)d15 ab\ ∥ab16 Gott bestätigte die Lehre und alle |c27| Versicherungen Jesu theilsab18 durch seine Auferweckungb19; Matth. 12, 38. 40. Joh. 8, 28. 14, 19. 20. /aAct. 17, 31. theilsb20 a\ ∥a21 durch eine Menge Gottanständiger wohlthätiger Wunder, /aJoh. 15, 24. (§. 10. bb22)a\ welche Jesus mit der ausdrücklichen Erklärung verrichtete, daß sie wahrhaftig göttliche Wunder seyen, ∥a23 Matth. 12, 28. Luc. 11, 20.b24 Joh. 5, 19. folgg. |b20| 14d25, 10. und daß sie zur Bestätigung der Wahrheit seiner göttlichen Sendung geschähen; Matth. 11, 3–5. Joh. 5, 36. 37. 10, 25. 37. 38. /a11, 41–45.a\ 14, 11. /avergl. Act. 2, 22. und solche Werke von einem solchen Manne unter solchen Erklärungen verrichtet, um dem Stifter einer solchen Religion göttliches Ansehen zu verschaffen, und durch solche Zeugnisse und solche Erfolge beglaubigt, sind sehr beweisend; /b§. 84.b\ vergl. Joh. 3, 2. 15, 24. theilsb26 a\ ∥a27 durch Erfüllung mehrerer von Christo ausgesprochnen Weissagungen Joh. 13, 19. 14, 29. 16, 4. – Joh. 6, 70. Matth. 26, 21. 23. 25.a28 – ∥a29 /dMarc. 9, 31.d\ Luc.a30 18, 32. 33. /dJoh. 12, 32. 33. ∥a31 – Matth. 24, 14.d\ ∥d32 Marc. 13, 9. 10. /dMatth. 23, 34.d\ – Joh. 21, 18. 19. – /aund vornehmlicha\ Matth. /a24;b33 anderer Bestätigungen nicht zu gedenken, als der Stimmen vom Himmel, Matth. |d28| 3, 17. 17, 5. Joh. 12, 28. der außerordentlichenb34 Umstände vor und bey seiner Geburt, Luc. 1. 2. der sonderbaren Phänomene bey seinem Tode, |c28| Matth. 27, 51–54. Luc. 23, 44–48. u. s. w.a\ ∥a35
15. Die Apostel a) waren Männer von geprüfter Tugend, Rechtschaffenheit und Wahrheitsliebe; daher sie sich auch freimüthigd1 auf das Zeugnißab2 ihrer Schüler berufen konnten. /abJoh. 21, 24.ab\ Act. 20, 33–35. 2 Cor. 1, 12. 13. 4, 2. 2 Thess. /a3, 7–10. /b2 Joh. 12.b\a\ ∥a3 b) Jesus /aselbst, der grösted4 göttliche Gesandte, /b(§. 13. 14d5)b\a\ hatte sie zu Lehrernd6 seiner Religion verordnet, Matth. 10. 28, 19. 20. /dLuc. 24, 48.d\ Joh. 17, 18. Act. 26, 16. folg. mit unumschränktera7 Vollmacht. Matth. 16, 18. 19. 18, 18. Luc. 10, 16. Joh. 20, 21–23. c) Sie kannten die Lehre Jesu/ab, deren Göttlichkeit wir nach dem Vorhergehenden nun schon voraussetzen können,ab\ genau, Matth. |b21| 13, 11. Marc. 4, 34. Joh. 15, 27. Act. 1, 21. 22. 4, 20. 1 Joh. 1, 1–3. und pflanzten sie fort ohne Veränderung eines wesentlichen Stücks derselben, je|a13|doch mit einigen /a/bErweiterungen und genauerer Entwickelung mancher von Jesu nur kurz berührten Sätze. §.d8 139. c.d9 b\ ∥b10 Joh. 16, 12–15.a\ ∥a11 d) Diese /abweitere Aufklärungen der Lehre Jesuab\ sind nicht die Erfindung der galiläischen Fischer,a12 Act. 4, 13. /anoch des im Pharisaismus erzogenen und |d29| demselben eifrigst ergeben gewesenen Paulus. Act. 22, 3–5. 26, 5. Gal. 1, 14–16.a\ Jesus hatte /abvielmehrab\ es /dvorher gesagtd\ ∥d13, daß /dsied\ ∥d14 nach seinem |c29| Abschied noch tiefere Einsichten in die von ihm schon vorgetragene Wahrheiten der Religion von Gott sollten mitgetheilt bekommen, Joh. 16, 12. 13. 14. 15. /dundd\ daß sie eine durch Gottes Geist zu bewirkende großeab15 Veränderung an sich /derfaren,ab16 d\ ∥d17 Luc. 24, 49. /aAct. 1, 8.a\ /dundd\ ∥d18 bey ihrer /dAmtsfürung unter einer besondern Leitungd\ ∥d19 und ∥a20 /dAufsicht dieses Geistes stehend\ ∥d21, Matth. 10, 19.b22 20. Luc. 21, 15. Joh. 14, 16. 17. 26. und ∥d23 eines besondern Beistandes Gottes sich zu erfreuen haben würden.ab24 Joh. /a16, 23.a\ ∥a25 e) Diesa26 ist eingetroffen, Act. 2. wie sie selbst glaubwürdig versichern, Act. 2, 33. Röm. 15, 18. 19. und noch hinzusetzen, daß sie zuweilen unmittelbarer göttlicher Offenbarungen gewürdiget worden seyen. 1 Cor. 2, 6–10. 2 Cor. 12, 1–4. Eph. 3, 3. 5. Gal. 1, 11. 12. 2, 2. Act. 10, 10–20. f) Hierdurch, und durch die von ihnen verrichteten Wunder,a27 Joh. 14, 12. sind sie als Männer dargestellt worden, Hebr. 2, 4. Marc. 16, 20. welche mit göttlicher Auktoritätd28 versehen die göttliche Lehre Jesu vortrugenab29. Vergl. Eph. 2, 20.
16. Wegen dieses ihres Charakters, und /dwegen der Mitwirkung Gottes zurd\ ∥d1 Einsicht /dundd\ ∥d2 zum |b22| Vortragea3 /dder christlichen Lehre, warend\ ∥d4 die Apostel in ihren Belehrungen von allen /abzum Wesentlichen derab\ ∥ab5 christlichen Religion gehörigen Wahrheiten ∥d6 untrüglich, und /ddie |c30| Menschen sindd\ ∥d7 verbunden, /abdas was in ihren Vorträgen eigentliche, es sey nun theoretische oder praktische,ab\ ∥ab8 Religionslehre /abist,ab\ als wahr und göttlich anzunehmen, auch wann sied9 die innern Gründe /abdieses oder jenes Satzesab\ ∥ab10 nicht einzusehen vermögen /absolltenab\.
17. Die ächten Schriften der Apostel, so wohl die, worin sie von dem Leben und der Lehre Jesu historische Nachricht geben, als auch diejenigen, /abin welchenab\ ∥ab1 sie selbst Religionslehren vortragen, sind /adie einzigen authentischen Urkunden der christlichen Religiona\ ∥a3. Und da diese, so fern sie sich von der natürlichen unterscheidet, |a14| auf gewissen Thatsachena4 beruhet, deren Wahrheit nicht anders als durch Zeugnisse erkannt werden kannab5, so sind jene Schriften der alleinige Erkenntnißgrundab6 dieser Religion/ab, sofern sie positiv istab\. Jeder Religionssatz, /a(und nur von solchen ist hier ∥b7 die Rede,)a\ der ∥d8 aus solchen Stellen /din welchen Christus oder seined\ ∥d9 Apostel, /dals solche, und nach der Mittheilung des h. Geistes, redend\ ∥d10, kritischab11 hermeneu|d31|tisch und logisch richtig erwiesen werden kanna12, ist, ohne daß ein andrer Beweißab13 nöthig wäre, als wahr anzunehmen. – Dieß läßt sich zwar nicht mit eben dem Grade von Gewißheit, doch aber mit /agroßera\ ∥a14 Wahrscheinlichkeit auch von Marci und Lucä Schriften behaupten. Wenigstens kannab15 gegen die Glaubwürdigkeit ihrer |c31| Nachrichten/ab, worauf es auch eigentlich hier nur ankommt,ab\ keine gegründete Einwendung gemacht werden.
18. /dUnsred\ ∥d1 Ueberzeugung von der Untrüglichkeit der apostolischen Schriften in Religionssachen (§. /d16)d\ ∥d2 |b23| kannab3 ∥d4 einen neuen Zuwachs /abbekommenab\, wenn man dazu nimmtab5, daß /dihre /abohnehin mit den Gaben des Geistes Gottes ausgerüstete Verfasserab\ ∥ab6 bey dem Schreiben einer göttlichen Eingebung genossen, 2 Tim. 3, 16. d. h.d\
19. /abInzwischen sind fastab\ ∥ab1 alle Bücher des N. T. ∥ab2 aus besondern Veranlassungen geschrieben, zurab3 Erreichung eines damaligen, jetztab4 bey sehr veränderten Umständen nicht mehr eben so statt findenden, Zwecks. Sie sind von ihren Verfassern für damals lebende Menschen zunächst bestimmt, deren Sprache sie reden, und nach deren ∥d5 Denkungsart sie sich, der Wahrheit /abder Lehrsätze selbstab\ unbeschadet, ∥d6 bequemen. Sie handeln daher diejeniged7 Materienab8 am /aöftersten,a\ ∥a9 ausführlichsten /aund deutlichstena\ ab, welche für jene Menschen unter damaligen Umständen die wichtigsten waren, und tragen meh|c32|rentheils die Religionslehren nicht abstrakt, sondern auf jene Umstände angewendet, vor: welches |a15| gewiß eine weise Einrichtung ist. Daher rührt so manches lokaleabd10 und temporelled12 in dem N. T.
20. Weil aber doch a) die von den heil. Verfassern auf besondere Umstände angewandtenab1 Grundsätze, ihrer Natur nach, allgemeine Wahrheiten sind, welche bey veränderten Situatio|d33|nen der Menschen jedesmal analogisch sich anwenden lassen, wenn man nur den Geist des Christenthums und die Bedürfnisse /djederd\ ∥d2 Zeitperiode kennet, und sich ge|b24|wöhnet hat, die mancherley Veränderungen unterworfenenab3 Vorstellungsarten, Beweisarten, Arten sich auszudrücken etc. von der Sache selbst zu unterscheiden; auch b) die /abVerpflichtung, daß alle, die des Unterrichts der Apostel theilhaftig werden würden, denselben annehmen und befolgen sollen, Marc. 16, 15. 16. /dJoh. 17, 20. (vergl.d\ ∥d4 §. 15. b.d5) nie auf gewisse Zeiten und Menschen eingeschränkt, oder wieder aufgehoben worden ist; und c) dieab\ christliche Religion, deren einzige authentische Erkenntnißquelleab6 das /aN. T.a\ ∥a7 ist, /a(§. 17.) /bdie Merkmale ihrer Wahrheit und Göttlichkeit immerfort an sich trägt, undb\a\ ihre für alle Menschen wohlthätige Natur nicht verändert /abhat:ab\
21. Den Inhalt des N. T. kannab1 man abtheilen a) in die Geschichte Jesu und der Stiftung seiner Religion. Diese dient theils dem Beweißeabd2 von dem göttlichen Ansehen Jesu und seiner Gesandten und von der Wahrheit seiner Religion, theils solchen Dogmen, durch welche sich die christliche Religion von der natürlichen unter|b25|scheidet, (§. 17.) zur Grundlage. b) In Weisagungen, die unsre Ueberzeugung von der Göttlichkeit der Religion /abvermehren können. (§. 14. f.d4)ab\ ∥ab5 c) In Dogmen/a, wohin auch die Verheisungen gehörena\. Sie sind theils die Grundpfeiler unsrer Beruhigung und Hoffnung, theils dienen sie der Moral zur Stütze. d) In Moral.
|d36| 22. Die christliche Religion oder der christliche Glaube (objektiv genommen) d. h. der Inbegriff der im |a16| N. T. enthaltenen Dogmen und moralischen Wahrheiten, ist durchaus praktisch, theils unmittelbar, theils mittelbar. Dem steht nicht im Wege, daß einige bloßab1 mittelbar praktische (theoretische) Religionslehren (Glaubensartickeld2) von der Be|c35|schaffenheit sind, daß der menschliche Verstand den innern Grund derselben und das Wie? nicht vollständig begreifen /akannb3, (§. 9.)a\ ∥a4 mithin bloßab5 auf Auktoritätd6 sie annehmen muß. Denn auch solche Sätze können, wenn man nur wirklich etwas bey ihnen denkta7, (und denkbara8 müssen doch alle Religionslehren /aseyn),b9 in Verbindung mit andern praktischen Wahrheiten, die durch jene mehr Licht oder Festigkeitb10 bekommen,a\ ∥a11 zu unsrer Besserung oder Beruhigung sich wirksam erweisen.
23. Alle ∥d1 Wahrheiten der christlichen Religion, auch die theoretischen ∥d2, sind also wichtig, wenn gleich nicht in gleichem Grade. Die objektive Wichtigkeit ∥d3 ist nach dem Grade desd4 Zusammenhangs /djeder Glaubenslehred\ mit der durch die christliche Religion abgezielten Besserung und Glückseeligkeitabd5 der Menschen abzumessen. Man kannab6 sie in vier Klassen abtheilen: in solche α) ohne welche |b26| überhaupt keine Religion statt hat; β) solche, bey deren Leugnung man aufhört ein Christ zu seyn; |d37| γ) solche, die man ohne unmittelbaren Nachtheil der christlichen Tugend oder der Beruhigung weder leugnen noch ignoriren kanna7; δ) solchead8 wo dieser Nachtheil blosd9 mittelbarerweise entstehet. Bey dend10 lezten ist die subjektive Wichtigkeit so verschieden bey verschiedenen Menschen, daß es keinen allgemeinen Maasstab dafür giebt. /aJedem ist billig |c36| nur das eigentlich wichtig, was er als Mitteld11 zur Beförderung des großen Zwecks der Religion auch an sichd12 wirklich brauchen kann. /bNur hüte man sich, dasjenige übereilt als unbrauchbar überhaupt zu verachten und wohl gar zu verschreien, was man bisher nur aus Nachlässigkeit oder Vorurtheil zu benutzen noch nicht versucht hat. Auch muß man bey der Beurtheilung der Wichtigkeit und Brauchbarkeit aller Lehrsätze dasd13 b\ ∥b14 a\ ∥a15 ὁτι von dem διοτι, ∥a16 die biblisched17 Glaubenslehren selbst, von bloßenab18 theologischen Spekulationen darüber, /aund die Lehre von der /dLehrartd\ ∥d19 a\ unterscheiden.
24. Für das graue Alterthum der Bücher des Alten Testaments, /a(worunter wir allezeit nur die kanonischen, d. h. diejenigen verstehen, welche die Juden zur Zeit Christi für Schriften der Propheten erkannten),b1 a\ und für die Glaub|d38|würdigkeit der darind2 enthaltenen Geschichte, die aber freilich nach dem Geist jener Zeiten vorgetragen ist, und daher eine eigene Behandlung erfordert, spricht alles, und nichts ist entgegen. Auch sind sie in so weit unverfälscht, daß ihr wesentlicher Inhalt noch unverändert ist.
|a17| 25. Das A. T. ist eine Urkundensammlung über die Geschichte des Anfangs und Fortschrittsa1 der /abnähern Belehrungen, welche |c37| Gottab\ ∥ab2 den Stammvätern des menschlichen Geschlechts und dem Israelitischen /abVolk ertheilt hat,ab\ ∥ab3 über den Inhalt /abderselbenab\ ∥ab5, und über die /abzu ihrer Erhaltung und Fortpflanzung getroffenen Anstaltenab\ ∥ab7; von welchem allem es keine andre authentische Erkenntnißquelleab8 giebt. Hieraus ist der eigentliche Nutzen, die Unentbehrlichkeit ∥d9, und der rechte Gebrauch des A. T. zu bestimmen.
26. Hiernächst sind dieab1 Bücher a) für alle Arten der Geschichte (der Völker, der Polizirung, der Kultur des menschlichen Verstandes, der Wissenschaften und Künste etc.) höchst wichtig. Besonders aber b) erzählen sie die, mit der Geschichte der ältern göttlichen Belehrungenab2 genau verwebten Schicksale und die Verfassung desjenigen Volksa3, welches überhaupt in der ältern Religionsgeschichte das merkwürdigste ist. c) Sie /dgeben über die gesammte Geschichte der Religion unter den Menschen so erhebliche Aufschlüsseab4, und d)d\ tragen die Grundwahrheiten der Religion /afür je|d39|ne Zeitena\ so rein und zum Theil so erhaben vor, daß man nichts gleichzeitiges findet, das damit in Vergleichung gesetzta5 werden könnte. e)d6 Sie halten uns eine Menge ∥a7 Exempel /atheils zur Nachahmung theils zur Warnung vor, welche, mit gehöriger Vorsicht |c38| gebraucht /b*)b\, auch /bizt noch |d40| für vieleb\ ∥b8 lehrreich /dseynd\ ∥d9 können, Röm. 4, 12. 1 Cor. 10, 6–|c39|11. Hebr. 2, 2. 3. 11, 4. folgg. Jac. 5, 10. 11. 17. und gebena\ ∥a10 |d41| f)d11 /ahie und da /beinzelneb\a\ trefliche Beispiele einer vernünftigen Andachtsübung. /aSie sinda\ g)d12 /azum genauern Verstandd13 des N. T. höchst nützlich,d14 und dem gelehrten Ausleger desselben unentbehrlich/d, und h) eine reiche Schatzgrube für den Philologend\a\ ∥a15. – Gründe genug, weswegen die|c40|se Bücher /anicht nur von jedem Theologen studirt werden müssen, sondern auch die Aufmerksamkeit und Achtung jedes |b28| nachdenkenden Mannes /bverdienenb\ ∥b16a\ ∥a17.
27. Von denjenigen Männern, welche in den Büchern des A. T. als Lehrer aufgestellt werden, wird ∥ab1 versichert, daß sie ihre Religionsbegriffe und /dSätzed\ ∥d2 aus einer nähern göttlichen /aBelehrung /btheils unmittelbar, theils mittelbar durch andere,b\a\ ∥a3 hergehabt haben. /abDies a)ab\ ∥ab4 bestätigt nicht nur Christus und seine Apostel, Röm. 1, 2. Hebr. 1, 1. sondern b)ab5 das N. T. setzt auch die im Alten enthaltenen allgemeinen Begriffe von Gott und dessen Eigenschaften und Werken voraus, |a18| bauet darauf, rechnet es 2 Tim. 3, 16. 17. zu den Erfordernissen eines christlichen Lehrers, das A. T. (obgleich freilich bey Juden vornehmlich) zur Belehrung sowohl als zur Widerlegung der Irrthümer anwenden zu können, und giebt selbst von dieser Anwendung häufige Beispiele. Es redet sogar c)ab6 von einer göttlichen Eingebung des A. T. 2 Tim. 3, /a16.b7 vergl. 2 Petr. 1, 21.a\ ∥a8 und d)ab9 versichert, (alle Akkommodationen abgerechnet) daß Weissagungen von der großena10 durch Jesum bewerkstelligten Religionsveränderung darinb11 |d42| enthalten seyen. Joh. 5, 39. Luc. 24, 27. 44. ∥a12 Röm. 1, 2. 1 Petr. 1, 10. 11. 12. ∥a13 Daher /ae)b14 kanna\ ∥a15 um so weniger zweifelhaft seyn, |c41| was das /dA. T.d\ ∥d16 selbst von /agöttlich begeistertena\ ∥a17 Propheten und Weisagungenad18, und f)ab19 von so mancherley auf Gottes unmittelbaren Befehl zur Erhaltung dieser Religion getroffenen Anstalten, wie auch g)ab20 von Wunderwerken zur Bestätigung derselbena21 meldet. – Aus diesem allemd22 ergiebt sich, daß die im A. T. enthaltene Religion wahr und göttlich sey. ∥a23
|b29| 28. Jedoch, da die alttestamentliche Religion a) für Menschen bestimmt war, die noch auf einer sehr niedrigen Stufe der Kultur stunden, fast ganz sinnlich waren, und kaum von dem unsinnigsten /abGötzendienste und von groben Ausbrüchen der Lasterhaftigkeit zurückgehalten, wenigstens noch nicht zu der erhabnend1 Tugend, welche Jesus lehreted2 und übte, gebildetab\ ∥ab3 werden konntena4, mithin b) /abdie Bücher des A. T. zumal die früheren,ab\ nur die ersten Anfangsgründe des theoretischen sowohl als praktischen Theils der Religionslehre enthalten konntenab5, und diese c) nur sinnlich vortragen, oder vielmehr in Bildern und Gebräuchen vormalen mustenab7, und daher d) /abdiese Religionab\ mit einer großenab8 Menge von Ceremonienab9 weislich belastet, auch e) bloßab10 für ein einzelnes Volka11 eingerichtet, und mit dessen ganz besonderer politischen Verfassung unzertrennlich |d43| verwebt war; /aEph. 2, 14. wonach die durchgängig sichtbare Nationalbestim|c42|mung der Bücher des A. T. zu beurtheilen ist; /bda fernerb\ ∥b12 a\ ∥a13 f) dieser Geist der Mosaischena14 Religion, im Ganzen genommen, derselbe blieb, als seit Davids Zeiten die Propheten einen etwas vollkommenern Unterricht von Gott und dessen /abgeistigerab\ Verehrung ertheilten; /abdaab\ endlich g) Christus und seine Apo|a19|stel mit ausdrücklichen Worten und mit der That bezeugen, die ganze mosaische Religionsverfassung sey aufgehobena15, Joh. 4, 20–24. und daher h) die Menschen zu einer neuen und allgemeinen Religion verpflichtend16 Matth. 28, 19.ab17 welche i) in allen Rücksichten vollkommner ist,a18 Matth. 11, 9. 11. Joh. 1, 17. 4, 22. 23. Röm. 8, 3. /a4.a\ 2 Cor. 3, 6–18.ab19 Gal. /a3, 23–26.a\ 4, 3. 4. 5. Hebr. 2, 2. 3. 7, 18. 19. 22. 8, 6.ab20 folgg. /a9, 9. 10.a\ 12, 25.a21 folgg. /aund k) ihre eigenthümliche Erkenntnisquelled22 hat: (§. 17.) sob23 a\ ∥a24 sollen Christen sich vornehmlich an den neutestamentlichen |b30| Religionsunterricht halten /aund daraus ihre Kenntnisse herleitena\. Weil aber doch das A. T. die unveränderlichen Grundsätze der natürlichen Religion /absoab\ rein /abals jene Menschen sie nur fassen konnten,ab\ (§. 26. d.d25) und unter göttlicher Auktoritätd26 (§. 27.) vorträgt, und das N. T. diese voraussetztd27: (§. 27. b.ab28) so verdienta29 das A. T. selbst bey dem Religionsunterricht der Christen/b, /avornehm|c43|lich solcher, welche von den |d44| Wahrheiten der natürlichen Religion nicht durch eignes Nachdenken sich überzeugen können, und überall einer Auktoritätd30 zur Stütze ihres Beyfalls bedürfen,a\b\ verglichen /azua\ werden. S. Röm. 15, 4. /a2 Tim. 3, 15. /b*)b\a\ ∥a31
29. Der Zweck der /aBibel in Absicht auf unsa\ ∥a1 (welcher mit dem unmittelbaren oder /dnächstend\ ∥d2 Zweck der einzelnen Bücher /a(§. 19.)a\ nicht ganz einerley /aist,) a)a\ ∥a3 ist, durch einen mit göttlicher Auktoritätd4 versehenen Unterricht in |d45| der geoffenbarten Religion die Menschen |c44| wahrhaftig weise, tugendhaft und glücklich zu machen. /ab)a\ Zwar ist nicht die ganze Bibel geradehin Religionsunterricht, /a(Wort Gottes, Offenbarung,)a\ sondern sie faßt ihn nur neben andern Dingen in sich, und flicht ihn großentheilsa5 (sehr weislich!) in die Geschichte der geoffenbarten Religion ein. /ac)a\ Jedoch hat alles in der Bibel eine nähere oder entferntere Beziehung auf die Religion und ihre Geschichte, oder /abdoch aufab\ die Geschichte ihrer vornehmsten Lehrer und Verehrer.
30.b1 Die Bibel ist eine zu ihrer Absicht hinlängliche Erkenntnißquelleab2 der Religion für die Christen, und darf ihr keine menschliche Auktoritätd3 an die Seite gesetzt werden. Ueberlieferungen älterer Lehrer, wenn sie auch einstimmig wären, Aussprüche der Kirche u. d. |a20| gl. können /anicht als zur |b31| christlichen Religion gehörig den Christen aufgedrungen, sonderna\ nur in so fern /abfür richtig anerkanntab\ ∥ab4 werden, als ihre Uebereinstimmung mit der Bibel erweislich ist/ab, oder ihre Wahrheit aus innern Gründen dargethan werden kannab\.
31. Seinera1 Vernunft /aa) soll und darf der Christ keinesweges entsagen, vielmehr fordert die Bibel selbst die Menschen zum Gebrauch derselben auf, 1 Cor. 10, 15. Matth. 6, 26–30. und befördert ihn auf mannigfaltigebd2 Wei|c45||d46|se /b*)b\. b) Vernunfta\ muß ∥a3 bey der Prüfung der Wahrheit einer Offenbarung, bey der Auslegung der Bibel, /abey der Bildung, Entwickelung und Bestimmung der biblischen Begriffe,a\ ∥a4 bey der Gegeneinanderhaltung und systematischen Anordnung der biblischen Sätze/a, bey Führung und Prüfung der Beweise, Herleitung der Folgerungen, Vergleichungenb5 der Lehren des Christenthums mit den Wahrheiten der natürlichen Religion, Beurtheilung ihrer Zweckmäsigkeit u. s. w.a\ nothwendig gebraucht werden, damit der Glaube der Christen nicht Leichtgläubigkeit sey, noch auf Vorurtheil beruhe, /anoch von der List und dem Betruge herrschsüchtiger und eigennützigerd6 oder den Einfällen schwärmeri|c46|scher Menschen abhänge, noch in Aberglauben ausarte,a\ und damit nichts sich |d47| selbst oder andern unleugbaren Wahrheiten widersprechendes /abehauptet, vielmehr durch geschickte Verknüpfung mehrerer christlicher Begriffe und Sätze untereinander jeder derselben ∥d7 wirksamer und brauchbarer gemacht, kurz, das Christenthum bey seiner ursprünglichen Reinigkeit und Vortrefflichkeit erhalten werde. Allein c) bis dahina\
32. Die /aVernunftwahrheitena\ ∥a1 d. h. /adiejenigena\ ∥a2, welche wir durch richtige Anwendung dera3 Vernunft erkennen, /aa) dienen dem Christen zur ∥d4 Bestätigung der geoffenbarten Wahrheiten /dund zur Beförderung der Vollständigkeit, Reinigkeit und Genauigkeit seiner Reli|c47|gionskenntnissed\. Sie b) harmonirenb5 a\ ∥a6 auf das schönste mit der Bi|d48|bel, obgleich letzterea7 mehrere Religionssätze enthält als die erstena8, und nicht alle biblische Sätze aus /ajenena\ ∥a9 hergeleitet werden können. Wo zwischen beiden ein Streit zu seyn scheint, da wird entweder die Bibel unrichtig verstanden /aund angewendeta\, oder ein Irrthum für eine Vernunftwahrheit ausgegeben, oder es ist kein wahrer Streit.
33. /aJeder Christ a) hat das höchstschäzbarebd1 Rechta\ ∥a2 die Bibel selbst zu lesen /aund sie, so weit das gewissenhafte Bewustseyn der darzu nöthigen Geschicklichkeit es ihm erlaubt, für sich selbst, ohne auf menschliche Auktoritätend3 zu sehen, auszulegen. Dem stehet b) die /bohne mancherley gelehrte Hülfsmittel nicht zu hebendeb\a\ ∥a4 Dunkelheit vieler Stellen /afür heutige Leser,b5 a\ nicht im /aWege. Denn c) billig wählt sich ein jeder vorzüglich solche Bücher und Stücke der Bibel, wel|b33|che er verstehen und nutzen kann, zu seinem Gebrauch, unda\ ∥a6 das, was zum |a21| nothwendigen Unterricht in den wesentlichen Stücken der Religion gehört, /aist docha\ an einem oder dem andern Ort dem gemeinen Menschenverstandea7 faßlich genug in ihr vorgetragen ∥a8, so daß jeder, so viel ihm zu wissen unentbehrlich ist, bey gehörigem Nachdenken und fleißigem Gebrauchd9 der Bibel, verstehen kanna10; zumal da die /aLehrer unda\ Prediger verbunden sind, dem gemeinen Christen das Bi|c48|bellesen zu erleichtern,a11 welches auf mannigfaltigead12 Art geschehen kanna14.
|d49| 34.