112. Als die ersten Menschen von Gott erschaffen waren, befanden sie sich anfäng|c147||d148|lich in einem Zustande, der bey keinem einzigen ihrer /dnatürlichend\ Nachkommen jemals |c148| wie|b111|der ange|d149|troffen /abwerden kannab\ ∥ab1. Sie traten ∥d2 mit |d150| dem ∥a3 Gebrauche aller ihrer Kräfte, und |c149| doch /dmit der vollkommensten Unschuldd\ ∥d4, in die Welt, und /aso wie sie aus der Hand des Schöpfers kamen und noch ganz unverderbt waren, stundena\ ∥d5 ihre sämmtlichena6 Kräfte ∥a7 in demjenigen Verhältnisseab8 gegen einander, welches ∥abd9 zur Erreichung ihrer /abdamaligen nächstenab\ /dBestimmungd\ ∥d11 erforderlich war.
113. Zwar waren /aa)a\ ihre Verstandeskräfte in dem ersten Momenta1 ihres Daseyns noch nicht /dgeübtd\ ∥d2; aber die Kräfte selbst waren doch in /adem ihnen vorerst nöthigenb3 a\ ∥a4 Maased5 da, nebst der Fähigkeit /dund dem Strebend\ sie |d151| sogleich anzuwenden; und Gott ließa6 es auch an Veranlassungena7 hierzu nicht fehlen. /ab)a\ Gleich /avom Anfanga\ ∥a8 ihres Daseyns /aana\ strömten |b112| von allen Seiten her Kenntnisseab9 in ihre offnenb10 Seelen/a, die noch nicht durch die Gewohnheit |c150| des Eindrucks, den die um sie her befindlichen Dinge auf sie machten, abgestumpft warena\. So /a/bsehrb\ eingeschränkt und unvollkommen diese Kenntnisseb11 a\ ∥a12 gewesen seyn mögen, in Vergleichung mit den Kenntnissenab13 /dspätererd\ ∥d14 Zeiten, so waren sie doch ∥a15 hinreichend für sie, und würden sich ∥a16 bey Abwesenheit /aso vieler /bHindernisse,b\ ∥b17 schnelld18 vermehrta\ ∥a19 haben; zumal da Gott selbst sie anfänglich einer ihren Bedürfnissenab20 angemessenen Unterweisung /awürdigte, und dasjenige, was sonst Erziehung bey dem Menschen thun muß, auf andre Weise /b*)b\ ersetzte. |c151| c)a\ ∥a21 Ihre Begriffe waren ∥a22 frei|d152|lich noch sehr sinnlich; aber anderer bedurften sie in ihrer /abanfänglichenab\ Lage |a71| nicht; |b113| und die Fähigkeit zu /aden /bwenigenb\ ihnen etwa brauchbarenb23 a\ allgemeinen Begriffen lag doch ∥d24 in ihnen, und wartete nur auf Veranlassungena25 zur Entwickelung. /ad)a\ Auch von Gott, der /dseind\ ∥d26 Daseyn, seined27 Güte und Macht, seined28 Fürsorge für sie, ihred29 Abhängigkeit von ihm, und ihred30 Bestimmung, ihnend31 auf eine solche Art, wie es ihrem Zustande gemäs war, entdecktad32 hatte, /ab(§. 7.)ab\ machten sie sich /dnochd\ sinnliche Vorstellungen; aber diese waren hinlänglich, sie in dem Gefühla34 ihrer Abhängigkeit von ihm zu erhalten, und ihr Herz mit /abreligiösenab\ ∥ab35 Empfindungen der Ehrfurcht, der Dankbarkeit, des Vertrauens, der Liebe und des Gehorsams zu erfüllen. /ae)a\ Ihre Begierden waren ihren Bedürfnissena36, und diese der Natur angemessen, und |d153| daher regelmäßiga37, ohne zu unerlaubten Gegenständen hingerißend38, oder von wilden Leidenschaften erhitzt zu werden, und schuldlos. /af)a\ Ihr Körper war ∥d39 kraftvoll, gesund, und ∥d40 von solcher Dauer, daß er, ob |c152| er gleich an sich zerstörbar war, dennochd41 ∥a42 bey /ddem Gebrauche gewisser Stärkungsmittel und beyd\ Abwendung äuserer Gefahren, /d/awürde haben fortdauern können,a\ ohned\ einem solchen Tode, wie der unsrige jetzt /aista\, ∥d43 nothwendig unterworfen /ab/dzu seynd\ ∥d44; wie sich aus Pauli Argumentationenab\ ∥ab45 Röm. 5, 12bd46 ff. /a/bschließen läßt ∥d47.b\ g)a\ Auch ihre äussernab48 Umstände waren höchst glücklichd49, indem sie unter dem mildesten Klima lebten, und bey leichter mäßiger Arbeit einen Ueberfluß an dema50, was ihnen Bedürfnißa51 war, hatten. – Dießd52 ist die Beschreibung ∥d53, welche /awir aus dem, was wir von ihnen bey Mose lesen, zusammensetzen können,a\ ∥a54 1 Mos. 1, 26. ff. 2, 2. ff. 3, 1. ff. /aund welche der unpartheiische Forscher wohl nicht unwahrscheinlich finden wirda\. Und hätten sie /adie|b114|sea\ ihre ursprüngliche Un|d154|schuld nicht verscherzt, so würden sie mit jedem Tage ∥a55 an /adihnen brauchbarer Lebens-Weisheit und an moralisch guten Gesinnungen und Fertigkeiten (Heiligkeit)ad\ ∥ad56 zugenommen ∥d58 haben.
114. /aa)a\ Sehr verschieden von diesem anfänglichen Zustande der ersten Menschen, ist der Zustand aller Menschen, die jetzt leben, oder die uns die Geschichte aller Zeiten kennen lehrt. Indessena1 ist es doch |a72| auch /anützlicha\ ∥a2 und nöthig, /ab)a\ die mannichfaltigen guten Anlagen ∥a3, welche noch jeztd4 in der Na|c153|tur des Menschen angetroffen werden/a, zu kennen, um nicht undankbar gegen den Schöpfer zu seyn, und um die Aufmerksamkeit darauf, wie diese Anlagen kultiviret werden können, zu lenkena\. Dahin gehöret die unsrer Natur unauslöschlich eingedruckte Selbstliebe, nebst den Trieben zur Selbsterhaltung und zur Vervollkommung unsrer selbst; die Sympathie, mit der Geselligkeit; das natürliche Wohlgefallen an Wahrheit, an Zweckmäßigkeita5 , und an Gesinnungen und Handlungen, die recht, gemeinnützig, und edel sind, nebst dem Misfallen an den entgegen gesetzten, auch ohne nähere Rücksicht auf die daraus für uns entspringende ∥d6 oder zu hoffende Vortheile /doder Nachtheiled\; die Schaam, wenn wir unrecht, niederträchtig, treulos, undankbara7 etc. gehandelt /dhaben, u. s. w. Selbstd\ ∥d8 der Trieb zur Thätigkeit, ∥d9 der Ehrtrieb, |d155| der Nachahmungstrieb etc. sind gute Anlagen, wenn sie in /agehörigera\ Verbindung mit den übrigen Trieben genommen /aund zweckmäsig gelenkta\ werden. /ac) Es kann daher auch der Mensch |b115| immer noch viele Ausbrüche der Sünden hindern, und mancherley gute und nützliche Handlungen nach vernünftigen Gründen vornehmen, Röm. 2, 14. 26. 27. und es ist kein Mensch, welcher den wirklichen Gebrauch seiner Vernunft hat, der nicht dergleichen, und zum Theil in /dziemlicherd\ ∥d10 Anzahl, verrichte. Auch kann der |c154| verderbte Mensch die Nothwendigkeit einer Besserung einsehen, Röm. 1, 32. 2.bd11 15. und die von Gott dazu veranstalteten und ihm dargebotenen Mittel gebrauchen. Röm. 1, 19. 20. Der Trieb zur Dankbarkeit und das natürliche Wohlgefallen an Vollkommenheit ∥b12 können sogar als entfernte Anlagen zur Liebe gegen Gottb13 angesehen werden, wenn ein zweckmäsiger Unterricht von ihmb14, als dem vollkommensten Wesen und dem gütigsten Wohlthäter, hinzukommt. Ja es kann durch solchen Unterricht ein Mensch, in welchem ∥d15 lasterhafte Gesinnungen herrschend sind, dahin gebracht werden, daß er zu manchen einzelnen guten Handlungen die Bewegungsgründe von Gott hernehme.a\
115. Dem allemd1 /aungeachtet a)a\ ∥a2 bestätigt selbst die Erfarungd3 dasjenige, was die Bibel von der unter den Menschen herrschenden moralischen |d156| Verdorbenheit sagt, sowohl in Absicht der Allgemeinheit, 1 Joh. 1, 8. 10. Röm.a4 3, 9.a5 ff. 23. 5, 12. 14. 19. 11, 32. Sprüchw. 20, 9. Pred. 7, 21. und des Anfangsa6 derselben mit der frühesten Jugend,a7 Ps. 51, 7. 1 Mos. 8, 21. als auch in Absicht der Größea8 derselben, Ps. 19, /a13. Röm.a\ ∥a9 7, 8. 11. 13. 8, 7. und der daher entstehenden großena10 Schwierigkeit der Besserung, Röm.a11 |b116| 7, 11. 13. 14. 15. 18. 21. 23. 24. ja der Unmög|c155|lichkeit,a12 in diesem Leben eine vollkommene Tugend zu erreichen. /ab) Nämlicha\ ∥a13 die Menschen wenden die besten von Gott gemachten Einrichtungen ihrer Natur unrecht an, und befriedigen einzelne Naturtriebed14 ohne gebührende Rücksicht auf die übrigen. Ihre Kräfte stehen /ain einer solchen Disproportiona\ ∥a15 gegen einander/a, daß die moralische Freiheit dadurch ungemein eingeschränkt wirda\. Diese Zerrüttung und Unordnung in ihren Kräften /ac) zeigt sicha\ ∥a16 insbesondere /adarin, daßa\ ∥a17 alles was den Sinnen angenehm ist, einen so |a73| mächtigen und schnellen Eindruck auf die Menschen macht, daß sie unzählich oft Scheingüter, oder kleinere und vergängliche, zumal wenn sie gegenwärtig sind, den /awahren, größerna\ ∥a18 und bleibenden Gütern, vornehmlich den unsichtbaren und zukünftigen, vorziehen, und also den Reizungen der sinnlichen Lust unterliegen; Jac. 1, 14. 15. daßa19 ganz zügellose Begierden und unbändige Leidenschaften /dentstehend\ ∥d20; Röm.a21 1, 26. daßa22 die Sinn|d157|lichkeit die Vernunft entweder gar nicht zur Rede kommen läßt, oder doch auf ihren Widerspruch nicht achtet, Röm.a23 7, 8. ff. und daßa24 der Wille ein Sklave sinnlicher Begierden /awird; Röm.a\ ∥a25 7, 19–23. Gal. 5, 17. Joh. 8, 34. daßa26 die Vernunft selbst ∥a27 schwehr zu einer lebendigen Erkenntnis solcher Wahrheiten zu bringen /aista\, welche die Sinnlichkeit, (diea28 noch überdießd29 |c156| durch gewisse habituelle Bewegungen und Beschaffenheiten des Körpers unterstützta30 wird, Röm[.]abd31 6, 11. 12. /a7, 23.a\ 8, /a13. 23.)a\ ∥a32 im Zaume zu halten im Stande wären; Röm. 1, 18. daßa33 sich ihr im Gegentheiled34 Irrthümer und |b117| Zweifel und Vorurtheile, die der Sinnlichkeit schmeicheln, eher und tiefer einprägen;a35 Eph. 4, 18. /aund daß daher bösea\ ∥a36 Fertigkeiten ∥a37 viel geschwinder und leichter erlangt, hingegen auch weit schwehrer abgelegt /awerdena\, als gutea38.
116. /aInsbesonderea\
|c157| 117. Die moralische Verderbtheit findet sich zwar bey allen Menschen; jedoch mit einigemd1 Unterschiede. Betrachtet man den Menschen überhaupt, so ist jenes moralische Uebel noch nicht näher bestimmt, sondern bestehet nur überhaupt in der unordentlichen Gewalt der Sinnlichkeit, und in dem Unvermögen der Vernunft, die Herrschaft über sie zu behaupten. Der Mensch liebt sich selbst auf eine so verkehrte Art, daß er das,ab2 was |b118| den Sinnen angenehm ist, für sein höchstes Gut /dhältd\ ∥d3, und daher die uneingeschränktea4 Befriedigung seiner sinnlichen Begierden zum Hauptzwecke seines Thuns und Lassens /dmachtd\ ∥d5, Eph. 2, 3. woraus ein Hang entstehet zum Sündigen überhaupt, d. i. zu Handlungen, welche dem göttlichen Willen und der Bestim|a75|mung des Menschen zuwider laufen. Bey einzelnen Menschen aber erhält dieses moralische Uebel seine besondere Bestimmung /aund Richtunga\, theils durch die individuelle Beschaffenheit ihrer Seelen und ihrer Körper, theils |d159| durch äusere Umstände; daher jeder Mensch zu gewissen Arten des Bösen geneigter ist, als zu den übrigen; Jac. 2, 11. so wie auch diese Neigung bey einem heftigera6 ist, als bey dem andern. ∥d7
118. Aus der beschriebenen verderbten Beschaffenheit des Menschen, (welche in der |c158| Bibel Fleisch, Röm.a1 8, 4. ff. Gal. 5, 16. ff. die in uns wohnende Sünde, Röm.a2 7, 8. 17. 20. 6, 12. der alteab3 Mensch, Eph. 4, 22. Col. 3, 9. und die böse Lust Jac. 1, 14. genennet wird,) und aus den in einzelnen Menschen herrschenden lasterhaften Gesinnungen, (die unter der Benennung des alten Menschen, und der bösen Lust 1 Petr. 1, 14. mit begriffen werden,) entspringen die einzelnen den göttlichen Gesetzen zuwider laufende Handlungen, 1 Joh. 3, 4. /awelched4 wenn sie von solchen, die das Gesetz kennen oder kennen könnten, mit Freiheit begangen werden, wirklichea\ ∥a5 Sünden /asinda\. Diese theilen sich /a*)a\ in Begehungs und Unterlassungs Sün|b119|den, Matth. 25, 42.a6 ff. Luc. 12, 47. Jac. 4,b7 17. in innere und äusere, Matth. 5, 22. 28. 2 Cor. 7, 1. in solche, bey welchen bloßab8 das formelle, und solche, bey denen auch das materielle der Hand|d160|lung sündlich ist, /aMatth. 6, 1. 2. 5. 16.a\ 1 Cor. ∥a9 13, 3. in /awissentliche,a\ vorsätzliche, /avielleicht gar Bosheitssünden,a\ welche gegen besser Wissen und Gewissen begangen werden, und in solche, die aus /anicht unverschuldetera\ Unwissenheit, 1 Tim. 1, /a13.a\ ∥a10 oder aus /aUeberei|c159|lung Gal. 6, 1. oder aus Schwachheita\ ∥a11 geschehen; /aMatth. 26, 41. in anerkannte und unerkannte, Ps. 19, 13. 90, 8. ingleichenb12 a\ ∥a13 in selbstbegangene und in fremde, /a1 Tim. 5, 22. da man zwar die strafbare That nicht selbst verübt, aber docha\ ∥a14 durch /aVeranlassung derselben, durcha\ ∥a15 verschafte Gelegenheit, dargebotene Bewegungsgründe, unterlassene Verhinderung etc. oder auch durch gegebenen Beifall Röm. 1, 32. ∥d16 /asündiget und ∥d17 an jener That strafbarena\ Antheil nimtd18. Auch in Absicht des Grades der Strafbarkeit sind die Sünden verschieden,a19 Joh. 19, 11. Luc. 12, 47. 48. /aund richtet sich dieser nach dem Grade der Moralität und Freiheit, womit man handelt.a\ Die Sünde aber wider den heiligen Geist, Matth. 12, 31. 32. findet gegenwärtig nicht mehr statt/a, wenn man darunter boshafte Lästerung selbsterfahrnerd20 göttlicher Wunder verstehet; in einem andern Sinne aber könnte diese Sünde nicht im eigentlichen Verstande unverzeihlich genennt werdena\.
|a76| |b120| 119. Die Ursachen dieses moralischen Verderbens sind mannichfaltig, und braucht man nicht bey dem entferntesten Grunde stehen |d161| zu bleiben, daß jedes eingeschränktesa1 Geschöpf fehlen könne. Es ist vielmehr dem Lehrer nützlich und nöthig, alle mitwirkende Ursachen kennen zu lernen. Die Ver|c160|nunft und das Nachdenken über unsre tägliche Erfarung geben uns folgende Dinge als Quellen derjenigen Zerrüttung an, welche wir bey allen Menschen imd2 natürlichen Zustande antreffen: a) Unsere Empfindungen haben eine viel größerea3 Stärke, als unsre übrige Vorstellungen, zumal als die Vorhersehungen der Folgen einer Sache oder Handlung.b4 b) Der Hang zu allem, was uns angenehme Empfindungen gewähret, wird um so viel stärker, da wir im Anfange unsers Lebens, ehe noch die Vernunft erwacht, keine andere Regel, was wir begehren oder verabscheuen sollen, haben, als die Empfindungen. Daher gewöhnen wir uns, immer das zu begehren, was uns angenehme Empfindungen gewähret, die uns schon bekannt sind, und die uns die Einbildungskraft lebhaft vormahlet; dagegen fassen wir einen allgemeinen Widerwillen gegen alles, was diese stöhreta5 oder einschränkt.a6 c) Am frühesten aber wird der Mensch mit /aderjenigen Art angenehmera\ ∥a7 Empfindungen bekannt, welche aus Befriedigung sinnlicher Begierden, und aus dem Genusse der kleineren und vergänglichen Güter dieses Lebens entspringen. Von diesen erlangt er natürlich und ungesucht eine anschauende Erkenntnis. Erst später lernt er diejenigen angenehmen Empfindungen |d162| kennen, deren Quelle die Tugend ist. Und daßd8 die Tugend allemal und ohne Ausnahme |c161| wahrhaftig glücklich mache, davon würden, ohne fremde |b121| Beihülfe, die mehresten Menschen nie, und die übrigen erst spät überzeugt werden; dahingegen jeder bald und ganz von selbst gewahr wird, daß die Gesetze der Tugend ihm nicht selten den Genuß mancher gewohnten angenehmen Empfindungen untersagen, oder ihn wenigstens, zusamtd9 dem natürlichen Freiheitstriebe, |a77| einschränkena10. d) /aDie unregelmäsigen Ausbrüche allerley Begierden und Neigungenbd11 die man schon an Kindern bemerkt, sind meistens im Grunde nichts, als Folgen wirklich guter Anlagen unserer Natur und Aeusserungen an sich unschuldiger Triebe und Kräfte, denen es aberb12, wegen Unerfahrenheitd13 des Kindes oder Nachläßigkeit seiner Erzieher, an der gehörigen Richtung und Mäßigung fehlt. e) Daß aber der Mensch, wenn nun auch seine Vernunft erwacht ist, dennoch einen Hang hat,a\ ∥a14 nach blosd15 sinnlicher Erkenntnis zu handeln, ohne die Vernunft zu fragen oder zu hören, wird begreiflich, wenn man bedenkt, theils, daß wir im Anfanga16 unsers Lebens weder eine andre als bloßa17 sinnliche Erkenntnis haben, noch die Folgen unsrer Handlungen zu übersehen vermögen, und uns daher frühzeitig gewöhnen, geradehin jener Erkenntnis und den ersten Eindrücken, welche die Dinge auf uns machen, zu folgen; theils, daß noch nach erlangtemd18 Gebrauche der Vernunft, |d163| stete Auf|c162|merksamkeit auf uns selbst und sehr viele Uebunga19 nöthig ist, um die Fertigkeit in uns hervorzubringen, jedesmal, ehe wir uns nach den schneller und von selbst entstehenden sinnlichen Begierden entschließen, vorher vernünftig zu überlegen, ob es auch gut und recht gethan seyn würde. f)a20 Daß der Unterricht von Gott, und die Bewegungsgründe ihn ∥a21 zu |b122| lieben, und aus Liebe gegen ihn gut zu handeln, so wenig über den Menschen vermögen, könnte man daraus erklären, theils, daß /aes dem Menschen schwehr wird, seine Gedanken und Neigungen mehr auf unsichtbare, als auf sichtbare Gegenstände zu richten, 1 Joh. 4, 20. theilsd22 daß er mit jenena\ ∥a23 erst zu einer Zeit bekannt gemacht werden kanna24, da er schon zu einer Fertigkeit gelangt ist, nach bloßa25 sinnlichen Trieben sich zu bestimmen; theils, daß die Reitzed26 der Sinnlichkeit und böse Gewohnheiten nicht ohne Anstrengung und Mühe, welche der Mensch, so wie überhaupt die Anstrengung der höhern Seelenkräfte, scheuet, besieget werden können; theils, daß dem Unterrichte, man müsse gleichwohl nach diesemd27 Siege ringen, allerley praktische Vorurtheile entgegen gesetzt werden.
120. Hierzu kommt noch g)a1 daß /anach Gottes Absicht der Mensch erst durch Unterricht und Erziehung zum Guten gebildet werden soll, daß abera\ der Unterricht von Gott bey |c163| den mehresten Menschen, zumal in ihrer Jugend, so be|d164|schaffen ist, daß Liebe zu Gott nicht leicht dadurch erweckt werden kanna2. Er ist den Fähigkeiten nicht genug angemessen, /abeschäftigt meist blosbd3 das Gedächtnisa\ ∥a4, wird oft zwangsweise mitgetheilet, zeigt zu wenig die Liebenswürdigkeit Gottes und der /aTugend auf eine faßliche und eindringliche Art, nimmta\ ∥a5 die |a78| den Kindern /abegreiflichen natürlichena\ ∥a6 guten Folgen der Frömmigkeit zu wenig zu Hülfe, giebt der Gottesfurcht wohl gar ein mürrisches Ansehen, kommt aus einem kalten Herzen, /awird zu früh abgebrochen,a\ u. s. w. h)a7 /dDaß died\ ∥d8 sittliche Erziehung ∥d9 fast durch|b123|gehends /dsod\ sehr mangelhaft /distd\. Ist sie nicht ganz verkehrt, /awie sie es bey vielen, zumal solchen, die zur feinern Welt gerechnet werden wollenb10, nur allzuoft ist,a\ so wird doch wenigstens nicht Sorgfalt genug auf sie gewendet; man glaubt es sey genug, Tugend und Frömmigkeit zu predigen, und vergißt die so nöthige Gewöhnung zur wirklichen Ausübung derselben; ja es scheinet unmöglich, die Sorgfalt so weit zu erstrecken, daß dem ersten Anfange des Verderbens hinlänglich vorgebeugt werde. i)a11 /dDaß bösed\ ∥d12 Exempel ∥d13 das Uebela14 unaussprechlich /dvermehrend\. Die meisten Menschen werden früher mit dem Laster als mit der Tugend bekannt, und saugen, durch den Umgang mit andern, schon in der frühesten Jugend verderbliche |c164| Grundsätze ein. k)a15 /dDaß durchd\ ∥d16 das gesellschaftliche Leben ∥d17 die Zahl der Bedürfniße unendlich vermehrt /dwirdd\, und diese ∥d18 grossentheilsa19 der Natur |d165| nicht mehr angemessen /dsindd\. Hierdurch werden die /aReizea\ ∥a20 der sinnlichen Begierden vervielfältiget, die Begierden /abekommen mehr Nahrungb21 und werdena\ immer mehr von unsichtbaren und künftigen Gegenständen abgezogen, und die Leidenschaften /awerdena\ heftiger erhitzt. Und dieses Uebela22 nimtd23 zu, und wird gefährlicher mit der steigenden Kultur und Verfeinerung der Lebensart und der Künste, wofern ihm nicht die kräftigsten Mittel entgegen /agesetzt werden, welche aber zum Theil die zunehmende Kultur selbst dem Menschen anbieteta\ ∥a24.
121. /aa)a\ Diese Ursachen ‒ die zu unsrer Natur gehörige Stärke der Empfindungen, die Artd1 wie sich die Seelenkräfte natürlich jetzt entwickeln, und die Umständed2 unter welchen dieses geschiehet ‒ |b124| könntena3 zur Erklärung des traurigen Phänomens, daß gegenwärtig das moralische Böse in allen Menschen von Kindheit an angetroffen wird, hinlänglich /ascheinen. Aber b) über die /bhistorischeb\ Frage: wann und wie dieses Verderben, welches sich bey Adam ursprünglich nicht fand, zuerst angefangen habe? blieben wir in Unwissenheita\ ∥a4, wenn uns nicht die Bibel über diese |c165| /aThatsache einigena\ ∥a5 Unterricht gäbe. /aSiea\ ∥a6 leitet nämlich den Anfang und ersten Ursprung /ajener Verdorbenheit schon von den ersten Stammeltern des menschlichen Geschlechts und von dem freiena\ ∥a7 Verhalten /aderselbena\ ∥a8 her. /aSie waren zwar unschuldig erschaf|d166|fen. (112. 113.) Aber da sie an moralischer Vollkommenheit wachsen sollten, gab ihnen Gott, um dieses Wachsthum durch Uebung so schnell als möglich zu befördern, ein positives Gesetz, (welches vermuthlich sie zugleich für einer ihnen schädlichen Sache warnte.) Alleina\ ∥a9 verführt durch Reize von ausen, /a(vergl. §. 87.)a\ welche der sinnlichen Lust das Uebergewicht gaben, /aübertraten sie dasa\ ∥a10 Gesetz; sie sündigten also, /averscherzten ihre ursprüngliche Unschuld, machten sich unglücklicha\ und wurden /astraffälliga\ ∥a11. Dießd12 lehret die 1 Mos. 3. vorkommende Erzälung deutlich, man mag sie übrigensa13 erklären wie man will/a: denn auch /dselbstd\ bey der /d(kaum wahrscheinlichen)d\ allegorischen /dErklärungsart bleibt fastd\ ∥d14 alles eben so, nur das positive Gesetz ausgenommena\. Und eben dasa15 bestätigen /aauch andre Schriftstellen,a\ ∥a16 Röm. 5, 12. ff. 1 Tim. 2, 14. /awelche uns überdießd17 belehren, daß seit jener Sünde der Stammeltern alle natürlich erzeugte Menschend18 /bwelche ein Alter, worin man sündigen kann, erreichen, wirklich sündigenb\ ∥b19, und daher /dnicht nur dem Tod, sondern auch andern Strafend\ ∥d20 Eph. |c166| 2, 3. /dunter|b125|worfen seyen.d\ ∥d21 c) Dieses zusammengenommen mit den in der Bibel so häufig vorkommenden nachdrücklichen Beschreibungen von der Beschaffenheit, Größe und Allgemeinheit der menschlichen Verderbtheit, (/d§.d\ 115‒117.) und mit den mannichfaltigen uns begreiflichen Ursachen dieses Uebels bey Kindern sowohl als solchen,b22 die |d167| zum Gebrauch ihrer Vernunft gekommen sind, (§. 119. 120.) reicht zum Unterricht des Christen hin. Denn er wird dadurch hinlänglich belehrt, theils, daß Gott nicht Urheber der Sünde sey,d23 (vergl. §. 95‒107. und §. 114. und 126.) theils,
|c167| |d168| 122. /aDie Folgen der ersten Versündigung trafen zunächst unsere Stammeltern selbst. Regellosea\ ∥a1 Begierden waren nun /aeinmal erweckta\ ∥a2 und hatten den Weg zu ihrer Befriedigung gefunden. Die sinnlichen Triebe wurden unordentlich heftig, und ∥ad3 von unregelmäsigen Bewegungen |b126| im Körper verstärkt, (welche vielleicht zum Theil aus den Wirkungen der Frucht, die nicht für sie zum Genusseb4 bestimmt war, /adherrührten),b5 erregten siead\ ∥ad6 einen Tumult der Leidenschaften. 1 Mos. 3, 7. Das ihrer Lage angemessene Gleichgewicht war aufgehoben. Heiterkeit des Gemüths und Ruhe des Gewissens waren verlohren, und dafür Bewußtseynab8 der Schuld gekommen. In die Stelle der kindlichen Liebe gegen Gott trat knechtische /aFurcht, mit ihrer Wirkung, dera\ ∥a9 Verstellung. V. 8–13.d10 /aUnd von diesem allenb11 mußten sich unausbleiblich die übeln Folgen durch den ganzen Rest des Lebens der Stammeltern zeigen.d12 a\ Auch der Körper fühltea13 die Folgen der /bVersündigung /aund der nun rege gewordenen unordentlichen Begierden und stürmenden Leidenschaften; era\ ∥a14 b\ ∥b15 ward zerrüttet und geschwächt, und ganz unvermeidlich dem Tode, so wie itzta16 jeder Mensch ihn erfahrenabd17 muß, unterworfen. V. 19. 22. Und aus weiser Güte Gottes gieng auch in den äussernab18 glücklichen Umständen der Menschen eine Veränderung vor, die ihnen nicht anders als |c168| höchstempfindlich seyn /akonnte, so wohlthätig sie auch war. V.a\ ∥a19 16. 17. 23. 24. So folgte |d169| /aschon bey den Stammeltern unsers Geschlechtsa\ physisches Uebel dem moralischen auf dem Fußeab20 nach.
123. /aVon ihnen verbreiteten sich nun die schlimmen Folgen jener Sünde weitera\ ∥a1 über ihre ganze /aNachkommenschaft. Denn es wird nunmehr a)a\ ∥a2 vermittelst der natürlichen /aZeugung eine nicht nur nothwendig dem Tod unterworfene, Röm.a\ ∥a3 5, 12. 15. 17. 1 Cor. 15, 22. Röm. 6,a4 23. /asondern aucha\ ∥a5 zerrüttete /aNatur auf alle Menschen fortgepflanzt. Diese Zerrüttung (welche von derjenigen Verderbtheit, die aus un|b127|srer oder andrer Menschen Nachläßigkeit und Schuld entstehet, eben so wohl als von den wesentlichen Schranken unsrer Natur und von der nothwendig zu derselben gehörigen Sinnlichkeit und deren ∥d6 Folgen unterschieden ist),b7 bestehet nun zwar b) nicht/b, wie einige gewähnt haben,b\ in einem angebohrnen Haß gegen alles Gute und Gott selbst; oder in angebohrnena\ ∥a8 sündlichen Fertigkeiten, /aoder darin, daß der Mensch unwissend und ohne Fertigkeit im Guten auf die Welt kommt. Es läßt sich auch nicht behaupten, daß, falls unsre /dElternd\ ∥d9 ihre Unschuld bewahret hätten, die Empfindungen schwächer als andre Vorstellungen auf uns gewirkt, oder die Seelen|c169|kräfte auf eine völlig andre Art, als itzt geschieht, sich entwickelt haben würden: obgleich c) gewiß ist,a\
124. /aDiese fehlerhafte angeerbte Disposition mag wohl a) zunächstb1 im |c170| Körper zu suchen seyn, und vielleichtb2 in einer Schwäche und allzugrossenb3 Reizbarkeit der Nerven und in der Leichtigkeit, mit welcher das Blut ∥d4 in allzuheftige |d171| Wallung geräth, bestehen, wodurch dann auch die sinnlichen Triebe mehr Schnelligkeit und Heftigkeit bekommen, als ∥d5 sie vermuthlich in einem fortdauernden Stande der Unschuld gehabt haben würden. Es läßt sich wenigstens begreifen,a\
125. Diese /averkehrtea\ ∥a1 Disposition, mit welcher itzta2 alle ∥d3 geborena4 werden, /awo sie auch immer ihren eigentlichen Sitz haben und worin sie bestehen mag, verursachet, daß es keinen ∥d5 Menschen, welcher zum Gebraucha\ ∥a6 seiner Vernunft gelangt ist, /agiebt,a\ welcher /abnicht Gottes Gesetz mannichfaltig überträte, und daherab\ vor Gott ∥ab7 strafwürdig wäre. Eph. 2, 3. Doch ist gewißa8, a) daß alleinab9 um des angebohrnen Verderbens willen /abniemand verdammtab\ ∥ab10 werde; vergl. Röm. 5, 15. 18. daher wir wegen des künftigen Schicksals der Kinder, welche vor erlangtem Gebrauche der Vernunft versterben,a11 (auch der ungetauften) unbekümmert seyn dürfen; b) daß die Zerrüttung der Natur des Menschen die Moralität seiner freien Handlungen keineswegsab12 aufhebe, noch deren Strafbarkeit, wenn sie böse sind, wegnehme, |c172| oder dem Menschen zur Entschuldigungab13 diene. Röm. 1, 20. Denn hat gleich der Mensch natürlich einen Hang /azum sündigena\ ∥a14, ∥d15 so muß er doch nicht sündigen, ∥d16 sondern er /akann durch seine Vernunfta\ ∥a17 Gott erkennen, Röm. |a82| 1, 20. hat ein Gesetz von Gott ins Herz geschrieben, Röm. 2, 15. ist mit sehr mannichfaltigen natürlichen Anlagen, das was dieses Gesetz fordert, zu thun, versehen, (§. |b130| 114.) kanna18 daher Gutes thun und Böses meiden, (/aEbendas.a\ ∥a19) und Gott verschafft jedem Menschen so viele Hülfen, als nöthig sind, die unordentliche Sinnlichkeit zu bändigen, und urtheilt über jeden nach dem Gebrauche, den er von den ihm dargebotenen Mitteln gemacht hat. Röm. 2, 12.
126. Man muß sich nichtab1 einbilden, daß durch Adams Sünde /abder von Gott gemachte Plan zernichtetab\ ∥ab2 worden sey. Vielmehr hat der Allwissende jene Sünde mit allen ihren Folgen vorhergesehen, (§. 42.) und der Allweise und Allgütige Vater der Menschen hat /a/bvon Ewigkeit herb\ ∥b3 beschlossen diesb4 alles zuzulassena\ ∥a5. (§. /a66. 44. cd6a\ ∥a7) Es muß also der unendliche Verstand des Allerheiligsten erkannt haben, daß durch diese wirklich gewordene Reihe von Veränderungen, am Ende und im Ganzen genommen, die größtea8 mögliche Summe des Guten für das menschliche Geschlecht und das Geisterreich erhalten |c173| werden würde, daß hingegen dießd9 nicht zu erreichen gewesen wäre, wenn Gott dend10 ersten Menschen noch vollkommener erschaf|d174|fen, oder alle Gelegenheit zu fehlen von ihmd11 entfernt, oder ein anderes menschliches Individuum an Adams Stelle gesetzt, oder diesen in jenem kritischen Zeitpunkte durch /abdüber natürlicheabd\ ∥abd12 Einwirkungen vor dem Sündigenab13 gesichert, oder die Folgen seines Falles auf seine Nachkommen übernatürlicher Weise gehindert hätte. Ja, es ist so schwehr nicht einzusehen, wie es zugehe, daß selbst /abdie Sünde zur Vermehrung des Gutenab\ ∥ab14 und zur Veredlung des Menschen mitwirkenab15 müsse, und daß der Mensch ohne Fehlbarkeit unfähig seyn würde, alle ihm mögliche Stufen |b131| der Vollkommenheit durchzulaufen, und eben hierdurch von einer Stufe der Glückseligkeit zur andern, auf eine moralische Art, sich hinaufzuschwingen. Und so ist bey |a83| dem Menschen, so wie in der ganzen Welt, alles in steter successiver Entwickelung, und stetem Emporstreben nach höherer Vollkommenheit. Und Gott weiß das Böse (das ihm immer misfällig, und das an sich immer strafbar bleibt),ab16 zu grösseremab17 Guten anzuwenden. – So kannte dann auch Gott schon von Ewigkeit her die Mittel, wodurch die Wiederherstellung des Menschengeschlechts bewirkt werden würde, übersahe den ganzen Erfolg derselben, und |c174| beschloß, mit der Zulassung des Falles, zugleich auch ihre wirkliche Anwendung.
|d175| 127. Sollte dem so sehr in Verfall gerathenen Menschengeschlecht geholfen werden, so mußtena1 Mittel geschaftd2 werden, die hinreichten a) den Verstand der Menschen über ihre Bestimmung und Pflichten aufzuklären; b) sie von der Liebe Gottes, und /avona\ dessen Fürsorge für sie und ihre ewige Wohlfarth, zu /dversichern; c)d\ ∥d3 einen festen Grund zu legen, auf welchen sich ihre Zuversicht stützen könnte, daß die verdienten Strafen ihnen erlassen werden, und sie des göttlichen Wohlgefallens wieder fähig seyna4; d)d5 zur Liebe und Vertrauen zu Gott sie kräftig zu reizen; e)d6 die unregelmäßigea7 Gewalt der unordentlichen Begierden so zu vermindern, daß die Vernunft wieder die Herrschaft über sie führen könnte; f)d8 sie dahin zu bringen, daß eine Fertigkeit in einem aus Liebe und Gehor|b132|sam gegen Gott entspringenden Bestreben nach allgemeiner moralischer Vollkommenheit in ihnen entstünde.
128. /aa)a\ Die hiezu dienlichen Mittel hat der allweise Gott nach einem ganz freien Rathschlusse /a(§. 67.)a\ festgesetzt, 1 Cor. 1, 21. 23. Col. 1, 19. 20. ∥a1 Act. 4, 27. 28. und |c175| aus unendlicher Liebe und Erbarmung gegen das gefallene Menschengeschlecht veranstaltet. Joh. 3, 16. Röm. 5, 8. Eph. 1,d2 7. 2, 4. Tit. 3, 4–7. 1 Joh. 4, 9. 10. 19. /ab)a\ Der |a84| Mittelpunkt aber /adera\ ∥a3 auf die Wiederherstellung der Menschen abzielenden Anstalten, ist die durch |d176| Christum geschehene Erlösung derselben.d4 1 Cor. 1, 17. 18. 23. 24. 2, 2. ∥a5 1 Tim. 1, 15. /aHebr. 5, 9.a\ ∥a6 Durch sie wird alles vollständig bewirkt, was nur (nach §. 127.) dazu gehört, die in Verfall gerathenena7 Menschen zu Erreichung ihrer grossenab8 Bestimmung wieder geschickt zu machen, 1 Cor. 1, 23. 24. 30. indem durch sie die Menschen /atheilsa\ von ∥ab10 Strafübeln /abund der Furcht dafürab\ befreiet, theilsa11 der höchsten Beweise der Gnade Gottes empfänglich gemacht werden. Joh. 3, 16. Eph. 1, 7. /a/d2 Cor. 5d\ ∥d12, 14. 15. 19 – 6, 1. Röm. 8, 3. 4.a\ ∥a13 Tit. 2, 14. /ac)a\ ∥a14 Und auf diese Erlösung hatten schon die frühern Anstalten Gottes ihre Beziehung; vornemlichabd15 die in der Familie und unter den Nachkommen Abrahams gemachten, jedoch zum Theil auch die unter andern Völkern getroffenen. Sie waren Vorbereitungen, welche die Weisheit Gottes für nöthig fand, Gal. 3, 19. 23d16 – 4, 5. auf die /ad)a\ von Gott bestimmte Zeit, /aGal. 4, 4. Eph. 1, 10.a\ in wel|b133|cher der ewige Rathschluß Gottes /aEph. 1, 4. 1 Petr. 1, 20.a\ ausgeführt werden /asollenb17.a\ ∥a18
|c176| 129. /aa)a\ Gleichwie die Liebe Gottes über alle Menschen sich erstreckt, Joh. 3, 16. Röm. 2, 11. /a10, 12.a\ 11, 32. 1 Tim. 2, 4. /a5. Tit. 3, 4.a\ so verordnete er auch Christum zum Erlöser aller Menschen. Joh. 3, 16. Röm. 5, 15. 18. 2 Cor. 5, 14. 15. |d177| 1 Tim. 2, 6. Tit.d1 2, 11. /ab)a\ Weil aber die Natur der Sache mit sich bringet, daß zur wirklichen Theilnehmung an den Früchten der Erlösung die freie Einwilligung der Menschen und die Befolgung einer ihnen vorgeschriebenen Ordnung erfordert werde; Marc. 16, 16. Joh. 3, 15–18. Röm. 1, 16. 1 Cor. 1, 18. welches ohne Kenntnis von derselben nicht möglich war; Joh. 17, 3. so war nöthig, daß Gott die geschehene Erlösung, und die Bedingungen, unter welchen man an ihr Antheil bekommt, /abekannt machtea\ ∥a2. Röm. 10, 13–17. /ac)a\ Allein Geschichte |a85| und Erfahrungab3 bezeugen, daß diese Bekanntmachung nicht unter allen Völkern aller Zeiten und bey allen Menschen geschehen sey; (§. 7. nr. 6.) und die Bibel lehret, daß dieser Unterschied auf einem freien Rathschlusse /abGottesab\, welcher sich auf das untrüglich eingesehene Beste des Ganzen gründet, Röm. 11d4, 12–32.a5 eben so beruhe in Absicht der Personen und der Zeit, Röm. 8, 30. 9, 6–31.a6 11, 5. 6. Eph. 1, 4–6. 9. 11. /a2, 8. 9.a\ Col. 1, 26. 27. 2 Tim. 1, 9. 1 Cor. 1, 30. ∥a7 Röm. 16, |c177| 25. 26. /a1 Cor. 2, 7.a\ Eph. 3, 10. 11. wie ehemals die den Nachkommen Abrahams vor andern Völkern verliehenen Vorzüge Röm. 3, 1. 2. 9, 4. |b134| 5. 11, 1. 2. 28. Eph. 2, 11. 12. ∥d8 einen freien Rathschluß Gottes, nicht aber ein vorhergegangenes vorzügliches Verdienst, zum Grunde hatten. Röm. 9, 11. 12.
|d178| 130. /aa)a\ Durch was für Mittel nun Gott diejenigenab1 Menschen zu ihrer grossenab2 Bestimmung führe, welchen die Kenntnis der geschehenen Erlösung, und der Ordnungd4 in welcher man an ihr theilnimmt, mangelt, darüber können wir unbekümmert /aseyn, ob wir uns gleich bey einigem Nachdenken von der Wahrheit überzeugen können, daß Gott auch an ihnen sich nicht unbezeugt gelassen habe. Act. 14, 16. 17. b)a\ ∥a5 Genug, daß es der unendlichen Weisheit nicht an Mitteln hiezu fehlen kanna6; daß auch sie vernünftige, und mit Fähigkeiten und Anlagen zu höherer Glückseligkeit begabteab7 Geschöpfe Gottes sind; daß er der allgütige Vater aller Menschen ohne Unterschied ist, /a(§. 129. a.)a\ ∥a8 der aller Menschen wahres Wohl ernstlich will,ab9 Röm. 11, 32. 1 Tim. 2, 4. 2 Petr. 3, 9. Ezech. 33, 11. Matth. 23, 37. /aund von niemand mehr fordert, als ihm zu leisten möglich ist;a\ und daß Christus zum Besten aller Menschen /a(§. 129. a.)a\ gestorben /aist[.]bd10 c)a\ ∥a11 Uns kommt nur zu, die|c178|jenige Anweisung zur Seligkeit zu wissen und zu befolgen, welche uns Christen in der Bibel gegeben ist; nicht aber andere zu richten und zu verdammen.
131. /a*) a)a\ Von Ewigkeit her ist es der /aunveränderlichea\ Wille Gottes, daß alle Menschen |d179| so |b135| vieler Glückseligkeit theilhaftig werden sollen, als nur ihre Empfänglichkeit verstattet; (§. 48. 43.) folglich ist es auch sein Wille, daß alle |a86| Menschen zur Seeligkeitab1 des künftigen Lebens gelangen sollen, die nicht durch unterlassenen Gebrauch der ihnen möglichen Mittel, und durch Widerspenstigkeit gegen die von Gott festgesetzte und ihnen bekannt gemachte Ordnung, sich selbst von derselben ausschliessenab2. Marc. 16, 16. /abd3)a\ Da nun Gott das freie Verhalten eines jeden einzelnen Menschen in Absicht auf die Ordnung, welche era4 befolgen muß um selig werden zu können, von Ewigkeit vorhergesehen hat; so weiß er auch von jedem einzelnen Menschen untrüglich voraus, ob auch er werde selig werden, oder |c179| nicht. /ac)a\ Und da der Rathschluß Gottes über die Welt, alle Dinge und alle Veränderungen derselben, die jemals wirklich werden, umfasset; (§. 67. ∥a5) so sind auch die Schicksale jedes Menschen unmittelbar nach seinem Tode, in diesem ewigen Rathschlusseab6 Gottes mit begriffen. /ad)a\ Es wird daher auch dieser Theil des /agöttlichen Rathschlussesa\ ∥a7 eben so gewißa8 vollzogen, und ist eben so unveränderlich, |d180| als alle andere Theile desselben, weil er auf einer untrüglichen Vorhersehung beruhet, und die einem jeden Menschen vorgeschriebene Ordnung eben so unveränderlich ist, als es der Wille Gottes ist, jedend9 der sie befolgt, aber auch nur diesen, selig zu machen.