In der Gegend der heidnischen Städte, Tyrus und Sidon hatte Jesus an der cananäischenc3 Frau ein sehr rürendes Exempel eines so demütigen als festen Vertrauens auf Gottesc4 Uneingeschränkte Macht und Allgemeine Güte, seinen Schülern und der Nachwelt zur Nachahmung aufgestellet. {/bcvers 24bc\ ∥bc5 f.} Es schickt sich nicht, sagte Jesus zu ihrbc6 als sie ihn um die Gesundmachung ihrer kranken Tochter bat, daß man den Kindern das Brodt nehme und es den Hunden gebe. – Ja! versezte sie, Aber ein mächtiger und gütiger Hausherr hat Reichthum und Güte genug, auch für seine Thiere zu sorgen. – – Christliche Leser! Solche Gemüter giebt es unter den Heiden! Und diese wolten wir verdammen?
{versbc8 31. 32.} Nun kehret Jesus, wie der Textbc9 erzälet, wiederum nach Galiläa zurück, in die Gegend der Zehn-Städte. Da bringt man zu ihm, einen Tauben der stumm war, mit Bitte daß er die Hand auf ihn lege. – Denn Jesus hatte in diesem volkreichen und blühenden Lande, schon so viele Wunder gethan, daß man von seinem blossen Macht-Wort alles erwartete.
|a166| |b158| |c158| {v. 33bc10 } Und Jesus nahm ihn aus der Menge heraus und stellete ihn allein dahin, damit ein jeder desto besser sehen könte was geschahe. Nun legte er ihm die Finger in die Ohren, und benezete seine Zunge mit Speichel. Diese Handlungen konten, wie jeder siehet, nicht das allergeringste dazu thun diesen Elenden zu seinem Gehör und Sprache zu verhelfen. Aber sie dieneten dazu; – die Zuschauer aufmerksam zu machen, und zu überfüren,c11 daß kein natürliches Mittel, keine Hülfe böser Geister, sondern lediglich das Macht-Wort Jesu den Unglücklichen gesund gemacht. – Zugleich ist hieraus klar, daß dieser Mensch nicht etwa bloß stotterte, oder sonst einen Fehler an der Sprache hatte; sondern gänzlich Stumm, oder wie es v. 37bc12 heißt, Sprachlos war. Denn Jesus leget ihm die Finger in die Ohren, zu zeigenbc13 daß er ihm das gänzlich fehlende Gehör geben wolle. Und gleicherweise benezet er auch seine Zunge, zu zeigenbc14 daß er ihm die gänzlich fehlende Sprache geben werde.
{v. 34. 35bc15 } Jezt sahe er gen Himmel hinauf; Seufzete; und – Sprach, Hephathabc16! (das heißt im hebräischenc17, Sey eröfnet!) – Und alsbald wurden seine Ohren geöfnet, und das Band seiner Zunge ward gelöset, und er sprach fertig und vollkommen verständlich wie andre Menschen. Bemerket hier den Wohlstand, die Würde womit Jesus dieses Wunder verrichtet! Keine geheimnisvolle Handlungen, räthselhafte Aussprüche, affectirtec18 Geberden, und änliche Gaukeleien sehen wir da. – Er Seufzetc19 |a167| zu Gottc20. Thut den Macht-|b159||c159|Spruch, Sey eröfnet! Und – augenblicklich höretc21 und sprichtc22 der Taubec23 und Stummec24!
{v. 36.} Jesus aber verboth diese Geschichte weiter zu erzälen: um Unnüzes Aufsehen, Fruchtloses Bewundern und Rümen, vornehmlich aber, um Aufrur zu verhüten. Denn dieses irdischbc25 gesinnte Volk war nur gar zu geneigt Partheien zu stiften, und unter allerlei eitlen Hofnungen sich gegen seine damahlige Obern, die Römer zu empören.
{v. 36. 37.} Je mehr er aber verboth, desto mehr breiteten sie es aus, und verwunderten sich über alle Maasse und sprachen, Er macht alles wohl; denn die Tauben macht er hören und die Sprachlosen reden. Nur das Wundervolle bei dieser That, zwang dem in Unwissenheit auferzogenen Volk ein solches rümliches Bekentniß ab. Bloß an diese Wohlthatbc26 die sie vor Augen sehenbc27 geheftet, und durch das Wundervolle dabei in Erstaunen geseztbc28 brechen sie in das feurige, aber auch sehr bald wiederum vergessene Bekentniß aus, – Er Macht alles Wohl!
Wir aber, christliche Leser! wir wissen es, belehrt durch unsre Religion, daß Gottesc29 Macht und Güte, eben so, ja noch mehr Groß ist in den alltäglichen Dingen, als in den Wundern. Eben so groß, ja noch grösser in dem Regelmässigenbc30 Lauf der Flüsse und Seen, als in jener |a168| {2 /bcBuch Mose 14bc\ ∥bc31 } wundertätigen Austrocknung des rothen Meers und {/bcJosua 3bc\ ∥bc32 } des Jordans. Eben so groß, ja noch grös|b160||c160|ser in dem täglichen Auf- und Untergange der Sonne, als in jener {Matth.bc33 27, 45. Lucä 23, 44.} wundervollen Verfinsterung derselben. In dem järlichen Wachsthum des Korns, der Feld- und Garten-Früchte; als in jener {/bcJohannis 6bc\ ∥bc34 } wundertätigen Speisung. Eben so groß, ja noch grösser in dem täglichen Gebrauch unsrer Ohren und Zunge, als in dieser wundervollen Gesundmachung des Tauben und Stummen. Denn, alles dieses was wir in der Natur, täglich an und um uns sehen, ist ein eben so grosser Beweiß der Allmacht Gottes; aber auch zugleich, ein weit grösserer Beweiß seiner Allweisheitbc35, als die erstaunlichsten Wunderthaten. {Psalm 19, 1–5bc36 } Die Himmel erzälen die Ehre Gottes, und das Himmel-Gewölbe seine Macht. Ein Tag sagt es dem andern; und eine Nacht thut es kund der andern. Ihre Sprache ist allen Völkern bekandt; und ihre Predigt verstehet die ganze Welt. (Dasc37 Daseyn und die Eigenschaften Gottesc38 zeigen sich so deutlich in den Werken der Natur, daß auch der Einfältige, auch der Wildec39 und das Kind sie bemerken muß.c40) – So dürfen wir denn nicht erst Wunder erwartenc41 um in die Lobpreisung unsers Gottesc42, Er macht alles wohl! mit einzustimmen. Alles was an und um uns ist, fordert uns dazu, fordert uns täglich, und stündlich dazu auf. {Epheserbc43 5, 20bc44 } „Saget Dank Allezeit, und Für alles, Gottc45 unserm Vaterc46, durch den Herrenc47 Jesum Christum!“
|a169| |b161| |c161| Mit unsern Umständen in der Welt, auch den mässigstenbc48, zufrieden seyn, ist eine wichtige Tugend. Bei herben schweren Leiden Geduld üben, ist schon viel wichtiger. Aber einen noch weit höheren Rang in dem Chor der Tugend hat die Gesinnung, die Fertigkeit die uns Paulus empfiehlet, Gottc49 Allezeit und Für alles zu danken. – Allezeit sollen wir Gottc50 danken: diese Dankbahrkeit gegen unsern Schöpferc51 uns zur herrschenden Neigung, zur andern Natur machen. Ihm Für alles was uns Freude bringt; auch für unsre Beschwerden und Leiden Ihm danken. Und ihm für das alles danken, durch Jesum Christum. Dies ist die Gesinnung, welche den höchsten Adel und die höchste Seligkeit der menschlichen Natur ausmachet.
Gott danken, dies muß bei uns, die regierende Neigung der Seele, die Neigung werden, woraus alle unsre Begierden fliessen. Dennc52 und wennc53, etwa alle Sontage, oder bei ganz ausserordentlichen Freuden die uns den Dank gleichsam abdringen, Gottc54 preisen, wer wird das schon ein dankbahres Gemüt nennen? Empfindungen des Danks, die auch wohl tief rürenc55 und Thränen auspressen, aber alsbald gleich einem Dampf verrauchen; feurige Lobgesänge und Gebete die gleich einem Strohm stark daher-rauschen, aber auch eben so geschwind vorbei-rauschen: das sind Aufwallungen des Temperaments, bloß natürliche Triebe; nicht aber Dankbahrkeit, und Tugend. In festgesezte, herrschende Gesinnungen, müssen die Empfindungen der Wohl|a170|tätigkeit Gottesc56 bei uns übergehen. Sie müssen uns so geläufig werdenbc57 daß sie täglich,c58 ja |b162| |c162| stündlich, daß sie ofte und leicht, und bei jeder Gelegenheit sich in uns regen. Und so kräftig müssen sie bei uns werden, daß sie sich in allen unsern Begierden und Handlungen zeigen, uns immer mehr nach Gottesc59 Muster und Gesezen bilden; und auf diese Art – unser ganzes Denken, Reden, und Thun, zu lauter Ruhm und Preiß der Güte unsers Gottes machen.
Täglich und immer also, auch nicht bloß mit dem Munde, sondern mit unserm ganzen Herzen und Leben müssen wir Gottc60 danken. Denn, nennet einen Tag, ja nur einen Augenblick, wo wir keine Wohlthaten von Gottc61 empfangen! Seinec62 Gunstbezeugungen umringenc63 uns gleichsam allenthalben. Beim Schlafengehen und Erwachen; beim Sizen und Aufstehen; in der Einsamkeit und Gesellschaft; an jedem Tage, zu jeder Stunde, mit jedem Athemzuge geniessen wir neue Beweise seinerc64 Wohltätigen, Uns und Alles Beglückenden Liebe.
Ihm müssen wir denn allenthalben, und darum auch ferner, {Epheser 5,}Für alles danken was uns Freude macht. Paulus redet in der angeführtenc65 Stelle, von dem christlichen Verhalten bei unsern frohen Gesellschaften, in dem angenehmen Umgange mit unsern Bekantenc66 und Freunden. Da nun giebt er uns diesen Befehl, {/bcvers 18–20bc\ ∥bc67 } Füllet euch nicht mit Wein. Füllet euch aber mit Andacht. Und ermuntert euch unter einander |a171| mit Lob-Gesängen und geistlichen Liedern. Singet und spielet dem Herrenc68 mit Inbrunst des Herzens, und danket allezeit für alles, Gott und dem Vater, durch unsern Herrn Jesum Christum.
|b163| |c163| Alles das, was uns Freude macht, von wem kömt es? von wem anders, als von Gott? Die Sicherheit vor so viel tausend Gefahren und Unglücks-Fällen, worin wir so einen Tag nach dem andern fortleben. Der Gebrauch unsrer Augen, Ohren, wie der übrigen Sinne, und der Sprache: die tausend, tausenfachenbc69 Annehmlichkeiten und Freuden, die durch einen jeden unsrer Sinne täglich in die Seele fliessen. Der Gebrauch unsrer Vernunft; alle die höheren, reinen, erquikkendenbc70 Freuden, welche sie uns durch jeden Zuwachs unsrer Kentnisse, jede Ausbesserung unsrer Seelen-kräftec71 verschaffet. Der Umgang mit unsern Ehegatten, Eltern, Kindern, Verwandten, Freunden. Die weise und gütige Obrigkeit unter der wir leben, welche unser Vermögen, Gemächlichkeit, Freiheit und Wohlstand sichert. Der tägliche freie Gebrauch der Bibel, und der tausendfache Trost, Aufheiterung, Freude, himmlische Freude die er uns verschaft. Die herzlabenden Hofnungen der seeligen Ewigkeit. Selbst unser Vermögen froh zu seyn. – Wem haben wir das alles zu verdanken, als Gottc72? Ihm {Jacobibc73 1, 17bc75 } dem Vater alles Glücks, von welchem jede Gutec76 und frohe Gabe herabkomt.
|a172| Doch! hier wird selbst unser Herz, und die in unsre Seele tief gelegtec77 Triebe der Dankbahrkeit sprechen. Aberc78 – auch für unsre Beschwerden und Leiden Gott danken, solte das nicht übertrieben seyn? – Bibel und Erfahrung lehren uns, daß unsre Leiden immer mit vielen andern Wohlthaten verbunden; ja, wenn wir es nur nicht hindern, selbst diese Leiden, für uns Wohlthat sind. Auch die Leiden des Aller|b164||c164|geplagtesten werden auf so mancherlei Art erleichtert. Daß sie nicht früher angefangen,c79 daß sie nicht noch öfter uns befallen,c80 daß sie nicht noch weit schwerer sind: das ∥c81 ist ja kein Ohngefär, sondern Anordnung der gütigen Vorsicht Gottesc82. Auf so mancherlei Art werden sie uns versüsset. Die Pflege bei unsrer Krankheit:bc83 die Gesundheit bei unsrer Armuth; die häusliche Ruhe, der glückliche Fortgang, der süsse Schlaf bei unsern sauren Arbeiten; und das so mannigfaltige frohe Gute, womit immer, auch das schwereste Leiden vergesellschaftet ist, sind ja Gaben der Vaterhandc84 die unsre Leiden regieret. Ja! selbst unsre Leiden, wenn wir es nur nicht hindern, sind für uns wahre Wohlthat. Denn, nicht selten ziehen sie uns von thörigten Unternehmungen zurück, die uns auch im Zeitlichen, ins Unglück würden gestürzet haben. Ofte entreissen sie uns fürchterlichen und unüberwindlichen Versuchungen zur Schwelgerei, Lieblosigkeit, Stolz, Unzucht und andern Sünden, die uns das lachende Glück bereitete. Immer aber üben sie uns in der Tugend; sie befestigen und vermehren unsre /ctugendhafte Gesinnungen,c\ ∥c85 geben uns Gelegenheit und Antrieb vorzügliche edle Tu|a173|gend-Thaten auszurichten. – Der Sünde entreissen sie uns, die unsre einzige und äusserste Schande und Unglück; zur Tugend füren sie uns, die unsre einzige und höchste Ehre und Glückseligkeit ist.
Es verrät immer eine geringe Kentniß oder Stärke im Christenthum, dieser göttlichen Weisheit, wenn wir für das Irrdische so ängstlich besorgt sind, und über die Beschwerden und Leiden in solche mürrische, peinliche Klagen ausbrechen. |b165| |c165| Die Theurung z. E. welche vor kurzer Zeit viele Länder bedrückte, wie viel Gutes hat sie uns nicht gestiftet? Und wie viel mehr hätte sie, wenn wir sie recht gebraucht, stiften können? So manche Händebc86 die sonst für die menschliche Gesellschaft todt waren, sind nun geschäftig geworden. So mancher ist dadurch von der Unordnung, Schwelgerei, Verschwendung zurücke gezogen, und zur Sparsamkeit gewönet, die vielleicht noch seinen Kindeskindern zu gute kommen wird. Verträglichkeit, Gefälligkeit, Dienstfertigkeit, Ehrfurcht gegen Gottc87, Begierde nach seinerc88 Gnade, Liebe zu /cseinem Wortc\ ∥c89, wohnen nun in mancher Seele der sie sonst ganz Fremde waren. Wolten wir wohl behaupten, daß alle Güter der ganzen Welt, auch nur so viel werth seyn als diese Wohlthaten?
So fordern denn auch die /cLeiden unsernc\ ∥c90 Dank, ∥c91 den herzlichsten Dank! Wir verdanken es ja unsern Eltern, daß sie uns gezüchtiget. Wir lieben den Arzt und danken ihm, der uns bittre und schmerzliche aber heilsame Arzeneien und Curenc92 |a174| verordnet. Ferne sey es denn von uns, daß wir die bittren, aber ewig heilsamen Arzeneien, welche uns die Hand des Allweisen Arztes reicht, ungerürt, oder gar mit Murren übernehmen solten! Auch hier wollen wir uns versichert halten, daß Gott Alles wohl macht, indem diese Trübsahl,bc93 {Hebräerbc94 12, 5. 6.} ob sie gleich jezo traurig ist, uns am Ende die Seeligstenbc95 Früchte der Tugend schaffet. Auch hier wollen wir zum Preise unsers Allweisenc96 und /cAllgütigen Vatersc\ ∥c97 mit dankvollem Herzen sagen, {Psalm 119, 67. 72.b98 } Ich danke dir, o Gott, daß du mich züchtigest, denn nun lerne ich deine Gebothe halten.
|b166| |c166| Aber danken müssen wir Gott auch endlich, durch Jesum Christum. „Saget Dank - - durch unsern Herrn Jesum Christum.“ – Durch Jesum Christum, das heißt, aus Glauben an sein Verdienst, und Gehorsam gegen seine Lehre und Exempel. Ihm allein sind wir es schuldig, daß wir zu dem Allerheiligstenc99 und Gerechtestenc100 mit kindlichem Vertrauen hinaufsehen; von Ihmc101, bei redlicher Besserung, die Vergebung aller unsrer vorigen Sünden, und die väterliche Nachsicht bei allen noch fortwärenden Schwachheiten erwarten; Ihnc102 den Allmächtigenc103, unsern Freund und Vater nennen dürfen. Ohne das Verdienst Jesu müste die Furcht vor der strafenden Gerechtigkeit Gottesc104, oder doch wenigstens die Verlegenheit, die Ungewisheit in Absicht seinesc105 Beifalls, alle unsre Freuden auch im zeitlichen vergällen. Nun aber, durch Jesum Christum versönt und belehrt, dürfen wir bei einem tugendreichen Glauben an sein Verdienst, alles |a175| was uns Freude macht, so wie jedes Leiden, als Unterpfänder der Vaterliebe des Allmächtigenc106 betrachten. Durch diese Ueberzeugung und Empfindung, durch diesen Glauben gerürt und belebt Gottc107 für alles danken, das heißt, Ihm durch /cJesum Christumc\ ∥c108 danken.
Unser Erlöser hat uns auch Vorschriften und Exempel gegeben, wie, auf welche Art wir Gottc109 für alles dankenbc110 sollen? Nicht in blossen flüchtigen Regungen des Herzens und Lobpreisungen des Mundes soll unser Dank bestehen. Danken sollen wir Gottc111, mit unserm Herzen, Munde und ganzem Wandel. Da muß unsre Seelec112 durch die Erinnerung der unaussprechlichen Liebe |b167| |c167| Gottesc113, immer mehr mit der allertiefsten Ehrfurcht und Anbetung seinerc114 Majestät, und der innigsten Gegen-Liebe angefüllet werden. Unser Mundc115 muß in der Einsamkeit, tägliche Lob-Gebete Gottc116 darbringen; und in dem Umgange mit andern, bei jeder schicklichen Gelegenheit Gottesc117 Güte erheben, und gleiche dankvolle Gesinnungen andern einzuflössen suchen. Unser ganze Wandelc118 muß immermehrc119 ein Abdruck des Musters und Gesezes unsers Wohlthätersbc120, vornehmlich Seiner Allgemeinen und Grosmütigen Menschen-Liebe werden. Eine solche Menschen-Liebe hat Gottc121, zu einem neuen Beweise der unaussprechlichen Grösse Seinerc122 Güte, so ofte für den ihmc123 wohlgefälligsten Dank, ja gar für eine Erwiederung seinerc124 Wohlthaten erkläret. In {1 Johannisbc125 4, 20. 21. Matth.bc126 5, 45.} jedem der ein Mensch ist, Gott Selbst lieben; So wie Gott, nur im Vergnügen und Wohlthun |a176| unsre Ehre und Freude suchen: Dies, Christen! ist der /cbeste Gottc\ ∥c127 gefälligste Dank; – der rechte Dank durch Jesum Christum!
Diese edle, erfreuliche, seelige /bcGemüts Artbc\ ∥bc128 wird uns immer leichter und gewohnter, immer mehr zur Fertigkeit werden, wenn wir es uns nur einen rechten Ernst darum seyn lassen, und folgende Mittel zu ihrer Uebung treulich gebrauchen.
Vor allen Dingen müssen wir zu diesem Ende, Gott, und Uns selbst, recht kennen lernen. Es unsrer Seele immer klärer, gewisser und geläufiger machen, daß Gottc129, unser /bcAllerhöchster Liebreichsterbc\ ∥bc130 Grosmütigster und Freundlichster Wohltäter ist. Unser Allerhöchste Wohltäter; der über uns unendlich weit erhaben, und |b168| |c168| nicht die geringste Verpflichtung hat uns wohlzuthun. Unser Liebreichste, ja unser Einzige Wohltäterc131 dem wir alles schuldig sind, was wir sind und haben. Der Grosmütigste Wohltäter: der nicht einen Schatten von Vortheil bei seinemc132 Wohlthun hat, nur darum wohlthutbc133 um uns vergnügt und glücklich zu wissen. Unser Allerfreundlichste Wohltäter, der uns mit solcher unaussprechlichen Herablassung und Gefällig|a177|keit wohlthut:c134 uns giebt auch ohne unser Bitten: stets in jedem Augenblick ein geneigtes Gehör ertheilet: und für /cseine unermeslichec\ ∥c135 Wohlthaten keine sauren Dienste,c136 nichts fordert als daßb137 wir uns über Ihnbc138 als /cunsern Gottc\ ∥c140 freuen, und /cseine wohltätigec\ ∥c141 Geseze aus Liebe und mit Vergnügen thun sollen. So müssen wir Gott; und dennc142 auch Uns Selbst recht kennen lernen. Wissen und bedenken, daß wir als Geschöpfe Gottesc143, von ihmc144 gar nichts verdienen können, und immer zufrieden und dankbahr seyn müsten, wenn unser Leben im Ganzen nur erträglich wäre. Insbesondere es lebhaft empfinden, daß wir Sünder sind, die nichts als Strafe verdienen.
Um Gottc145 stets und recht zu dankenbc146 müssen wir ferner, unsern himmlischen Sinn immer mehr stärken. Uns die grosse, christliche Weisheit immer bekanter und geläufiger machen, daß wir in Gottc147 und Seinerc148 Gnade, allein Alles haben, daß alles was uns besser machtbc149 uns auch unfehlbahr glücklich macht; daß nichts als ein durch Tugend wirksamer Glaube an Jesum, unser Glück, hingegen nichts als die Sünde,bc150 unser Unglück ist. Und dennc151 durch öftere, tägliche Betrachtung über diese grosse Wahrheiten, uns immer mehr in den |a178| Sinn versezen, wo wir mit Zu|b169||c169|stimmung unsers ganzen Herzens sagen können, {Psalm 73, 23–25bc152 } Herr! wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. – Eine solche /bcGemüts Artbc\ ∥bc153 wird besonders unsre Beschwerden und Leiden uns als Wohlthaten zeigen, und die erhabenste Art des Danks, /cden Dank für die Leidenc\ ∥c154, bei uns befördern.
Wollen wir stets dankbahr gegen Gottc155 seyn, so müssen wir nothwendig Seinec156 Wohlthaten recht kennen. Dies aber werden wir nie, woferne wir nicht in einer täglichen Bemerkung seinerc157 Gunstbezeugungc158 leben. Alle Tage müssen wir über Gottesc159 Wohlthaten /cRechnung haltenc\ ∥c160. An jedem Morgen, und jedem Abende, und in dem Laufe des Tages ofte, zu uns sagen: „Abermahls hat mich Gottc161 so gnädig geschüzet! Abermahls mir mein Gesicht, Gehör, Sprache, Vernunft geschenket! Abermahls meine Geschäfte gesegnet! Meine Leiden gemässigetbc162! Mir diese neue Freude gegeben! So ist denn abermahls, die Sünde für mich noch schändlicher und strafbahrer, und meine Verpflichtung Gottc163 durch redliche Tugend zu dienen noch grösser geworden!“
|a179| Insbesondere müssen wir Gottes Wohlthaten unter gewisse Artikel bringen, und alsdenn, über einen jeden, einzeln nachdenken. Ein Kaufmanbc164 der eine sehr ausgebreitete Handlung füretbc165 und wohl hundert Arten von Einnahme und Ausgabe hat, bringet sich alles unter gewisse Artikel, um es erst einzeln zu betrachten, und sodenn im Ganzen ohne Verwirrung übersehen zu können. Gerade so müssen wir es auch bei Gottesc166 Wohlthaten machen. Sie unter gewisse Classenc167 ordnen; Wohlthaten an unserm Leibe, an der Seele, im Irrdischen, im |b170| |c170| Geistlichen u. s. f. Und nach einer solchen Berechnung, über jeden einzelnen Artikel nachdenken. Da werden wir sicherlichc168 über /cdie Menge und Grössec\ ∥c169 der Wohlthaten Gottesc170 erstaunen.
Noch eine sehr heilsame Uebung! Wir müssen, nämlich, uns immer mehr zur Dankbahrkeit gegen unsre /bcNeben Menschenbc\ ∥bc171 gewönen. Auch an dem Geringsten, auch an unsern Untergebenen und Bedienten ihre Dienste und Hülfleistung schäzen. Jede, auch die kleinste Gefälligkeit, Höflichkeit und Dienstleistung, ja jeden guten Willen anderer gegen uns, bemerken, und ihnen auf eine oder die andere Art unsre Dankbahr|a180|keit dafür bezeugen. Dies wird unsrer Seele einen Hang, eine Fertigkeit dankbahr zu seynbc172 geben. Und um so viel mehr, uns gegen unsern /cUnendlichen Wohltäter fülbarb173 c\ ∥c174 machen.
So wohl es indessen, uns hier immer gehen mag: so ist doch das alles nur der kleinste Anfang unsers rechten Glücks dort in unserm Vaterlande. Hierauf müssen denn unsre Augen mit unverwantenbc175 Blicken geheftet seyn! Dies /cwird beic\ ∥c176 allen Beschwerden und Mühseeligkeitenbc177 dieses /bcVorbereitungs Standesbc\ ∥bc178, uns kräftig trösten und aufheitern. Beic179 unsern Freuden uns vor der Vereitelung bewahren und zu {1 Cor.c180 3, 22.} Herren der Welt machen. Diesc181 wird uns in die seelige Verfassung sezen, wo wir dieses irrdische Leben, als ein Geschenk unsers /callmächtigen Vatersc\ ∥c182 lieben, aber jenes himmlische als das /cRechte Lebenc\ ∥c183 noch unendlich mehr lieben, und mit Sehnsucht nach dem Tage des Todes, als unserm Ehren- und /bcFreuden Tagebc\ ∥bc184 aussehen.z\