Jesus hatte {/cvers 15b2 c\ ∥c3 f.} den scheinbahren Einwurf der Sadducäer gegen das Leben nach dem Tode so einleuchtend widerlegt, daß diese überzeugt, und alle Zuhörer erstaunt davon giengen. {versc4 34. 35.} Die Pharisäer, Disputanten von Profession, und neidisch über diesen Ruhm Jesu, versamleten sich, sezten alle ihre Spizfindigkeit zusammen, und schickten einen aus ihren Mitteln ab, ihn mit der Frage aufs Schlüpfrige zu füren: – {/cvers 36c\ ∥c5 } Herr, welches ist das vornehmste Gebotc6 im Gesez? Dies war eine ihrer gelehrtesten Fragen, welche zu endlosen Dispüten, und fast eben so vielerlei Meinungen Stoff gab als Gebothe im Gesezbuch Mosis waren. Der eine entschied sie {Marci 12, 33.} für das Geboth von den Opfern; ein anderer für das Geboth vom Sabbath; noch ein dritter für die Beschneidung; u. f. – Schon von je her ist /cStreiten und Disputiren ein schlechtes Mittel gewesen, Wahrheit zu findenc\ ∥c7!
{versc8 37–40.} Aber Jesus sprach zu ihm, du solt lieben Gott deinen Herren, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, und von ganzem Gemüt. |a242| ( ∥c9 mit aller Anstrengung. {Marci 12, 28–31.} Es ist nur ein /cEinziger Gottc\ ∥c10. Darum /cmustuc\ ∥c11 ihn, aus allen deinen Kräften, mit ganz ungetheiltem Herzen liebenc12.) Dies |b230| |c245| ist das vornehmste und gröste Gebot. Das andre aber – ist dem gleich; liebe deinen Nächsten (deinen Neben-Menschen. Siehe oben S. /c181b13 f.c\ ∥c14) als dich selbst. (genauer, eben so wohl alsc15 dich /cselbst.[)] Gottc\ ∥c16 befiehlet nicht, jeden Neben-Menschen eben so, in dem Grade, so stark zu lieben als uns selbst. Sonst müste man auch, seine Kinder und Ehegatten nicht stärker lieben als Fremde; u. s. f. Und im Fall einer Collisionc17 der Selbst- und Social-Pflichten, würde keine Entscheidung möglich seync18. „Wir sollen nicht bloß uns selbst, sondern auch jeden der ein Mensch ist lieben; ihn eben so wohl aufrichtig, herzlich, beständig lieben als uns selbst.[“]c19 Liebe deinen Neben-Menschen eben so wohl als dich selbst! – In diesen zweien Geboten hanget das ganze Gesez und die Propheten. (An diesen zweien Geboten hanget u. s. f. „Diese zwei Geseze machen die Summe der ganzen Religion aus.c20“) Dies lehrt auch der Augenschein. Alle Lehrsäze, alle Gebothe und alle Verheissungen des Christenthums, hängen mit diesen zwei Gesezen, als Mittel oder als Wirkung zusammen. In Gott, unsern Vater,c21 und in jedem Menschen, Gott |a243| selbst lieben;c22 dies ist der Kern der christlichen Religion!
{/cvers 41–46b23 c\ ∥c24 } Bald darauf, als die Pharisäer in den Tempel-Gebäuden, wo Jesus diese Unterredungen hielte, versamlet waren, legte er ihnen eine Gegen-Frage vor. Ein Versuch diese Menschen voll Eigendünkel, zur Selbsterkentniß zu füren! was meint ihr, sagtebc25 er zu ihnen, von Christo? |b231| |c246| (dem Messias?) Wessen Sohn (Nachkomme) ist er? Sie antworteten, Davids. – Wie, fuhr Jesus fort, kan ihn denn David durch den Geist (durch Eingebung des h. Geistes) einen Herren nennen, wenn er sagt {Psalm 110, 1bc26 } „der Herr spricht zu meinem Herren, seze dich zu meiner Rechten bis ich deine Feinde dir zum Fußschemel lege?[“] Da nun David ihn, Herr nennet, wie kan er denn sein Sohn seyn? – Aber niemand kontec27 ihm Antwort geben. (weil sie nämlich, den Messias für einen blossen Menschen, einen bloß irrdischen König hielten.) Und seit dem wagtec28 es keiner mehr, ihn durch Fragen auf die Probe zu stellen.
Hier sehen wir /cdennc\ das Bild eines wahren Christen! Die herrschende Neigung seiner Seele, ist innige Liebe zu Gott. Diese wirket eine herzliche Liebe zu allem was Mensch ist. |a244| Liebec29 zu Gottc30 und zu Seinenc31 Menschen erfüllet die ganze /cSeele. Undc\ ∥c32 alle seine Reden und Thaten sind die sichtbahren Abdrücke, jener innerlich herrschenden Gesinnung.c33
{/cvers 37c\ ∥c34 } Gott lieben müssen wir – von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Anstrengung. Gottc35 als unser einziges höchstes Gut, als denjenigen in dessen Gunst wir alles haben, ansehen, begehren und suchen; dies ist ächte Liebe zu Gottc36. Denn sonst lieben wir ihn, nicht als Gottc37. Auf diesen /cProbier Steinc\ ∥c38 lasset uns denn das bringen, was bei uns als Liebe Gottesc39 glänzet. 1) {Psalm 73, 23–28.} Hegen wir die allertiefste Ehrfurcht gegen |b232| |c247| Gott? Fülen wir in unserm Innersten, die allerdemütigste Bewunderung und Anbetung Gottesc40? Ergießt sich diese in herzliche Danksagungen und /cLob Gebetec\ ∥c41? Drückt sie sich in dem Umgange mit andern, durch das allerehrerbiethigste Betragen aus; daß wir im gemeinen Leben nie anders, als mit ehrfurchtsvollenbc42 Stellungen, Worten und Geberden, von Gottc43 und göttlichen Dingen sprechen? 2) {Philipperc44 4, /bc4 Römerbc\ ∥bc45 5, 11.} Ist diese Ehrfurcht,c46 verbunden mit einem Innigen Vergnügen an Gott? Macht dies unsre gröste Freude, daß ein Gottc47 ist; daß alle unsre Handlungen und Schicksahle unter /cseiner Kentnißb48 undc\ ∥c49 Herrschaft stehen; daß wir ihnc50 |a245| erkennen, uns mit ihmc51 beschäftigen, seinec52 Majestät anbeten können? Und 3) {Epheserbc53 5, 1. vergl. /bcvers 8–10bc\ ∥bc55 1 Johannisc57 2, 3–6bc58 } Ist unsre vornehmste Begierde dahin gerichtet, Ihm, durch geflissentliche Nachahmung Seines Musters und Ausübung Seiner Befehle wohlzugefallen? – Dies sind die dreyc59 leichten und untrüglichen Kenzeichenc60 ächter Liebe Gottesc61.
Eine – Solche Liebe Gottesc62, muß nun alle unsre Begierden und freie Handlungen regieren. Denn wir sollen Gottc63 lieben, {/cvers 37c\ ∥c64 } von ganzem Herzen und mit aller Anstrengung. Nicht als wenn der Gedanke an Gottc65, in der Seele beständig,c66 lebhaft seyn müsse. Gottc67 hat uns auch befohlen,c68 unsre Geschäfte, Liebesdienste und hundert andrec69 Dinge zu verrichten. Und indem wir hieran denken, können wir nicht an Gottc70 denken. Aber dieser Gedanke muß uns so gewohnt, so geläufig seyn, daß er uns an jedem Tage, öfter, und bei jedem Anlaß einfällt, und eine jede unsrer |b233| |c248| Begierden und freien Handlungenc71 anordnet. /cWiec\ ∥c72 dem Reisenden, der Ort wohin er will stets im Sinne /cliegtc\. Zwar denkt er nicht in jedem Augenblick daran; aber bei jeder neuen Anstalt die er zu machen hat, fällt er ihm ein; und alles wird so eingerichtet daß es ihn sicher und geschwind an jenes Ziel seiner Reise füret. So muß auch bei |a246| jeder Freude die wir geniessen, bei jedem Leiden das uns befällt, bei jedem Geschäfte unsers Berufs und Standes, da muß dies, was fordert hier Gott von mir? unser erste Gedanke; und dieses zu thun, unsre vornehmste Bestrebung seync73. Solchergestalt machtbc74 die ächte Liebe Gottesc75, unser ganzes Leben, an dem Wochen-Tage wie am Sontagec76, in der Einsamkeit wie im Umgange, bei unsern Arbeiten und Gesellschaften; unser ganzes öffentliches und häusliches Leben, zu einem Gottesdienst. Welch ein allerehrwürdigstes und allerseeligstes Leben? – Und das Mittel dazu?c77 „An jedem Morgen, unsre Liebe zu Gottc78 anfeuren, und ihmc79 die Arbeiten, Leiden, Freuden und Handlungen des bevorstehenden Tagesbc80 weihen. In dem Laufe des Tages, uns mit diesen Gedanken öfters, in den Zwischenräumen unsrer Arbeiten, in unsern Gesellschaften u. s. f. beschäftigen. Und bei unsern Geschäften und andern guten Handlungen, ofte die Frage an uns thun: /cwürdestuc\ ∥c81 wohl diese Arbeit gethan, diesen Liebesdienst deinem Nächsten erwiesen haben, wenn auch kein irdischerc82 Ruhm und Gewinc83 damit verbunden; wenn nichts als Mühe, Verdruß und Undank, der Lohn dafür wäre?[“]
|a247| |b234| |c249| Diese Liebe Gottesc84 leitet Ordnung und Uebereinstimmung in alle unsre Neigungen und Handlungen. {versc85 37.b86 } Da lieben wir Gottc87 von ganzer Seele und mit allen unsern Kräften. So verrichten wir denn, das Gute aus der edlen Absicht, Gottc88 zu gefallen. Und eben diese herrschende Begierde wird uns antreiben und stärken, in jedem Stück,bc89 und zu allen Zeiten, selbst bei aller Mühec90 Beschwerden und Gefahren gut zu seync91. Ein Mensch ohne wahre Liebe zu Gottc92, ist nichts als ein Sclavec93 seines Eigennuzes. Immer wird er nur dasjenige Gute thun, welches ihm Ruhm, Einnahme oder sonst Vortheile bringt; und zu jedem Laster bereit seync94 dasb95 seinem Eigennuz schmeichelt. Seine Tugend ist gleich der Mässigkeit eines Gesättigtenbc96; oder der Sanftmuth eines gefesselten Löwen. Nur die herrschende Liebe zu Gottc97 macht unsre Tugend Lauter, darum auch Ungetheilt, Emsigbc98 und Unwandelbahr beständig. – Nur siebc99 allein wirket ächte Tugend.
Und vorzüglich die gröste, edelste Tugend, die Menschen-Liebe. Beide sind so unzertrennlich verbunden, daß ohne /cMenschen Liebec\ ∥c100 keine Liebe Gottesc101 möglich ist. – {Jacobic102 3, 9.} Jeder Mensch ist ein sichtbahres Bild Gottesc103. Wer nun die sichtbahren Bilder Gottesc104 nicht liebet, wie kan der den |a248| Unsichtbahren Gottc105 lieben? 1 Johannis 4, 20. Gottc106 ist unsichtbahr, und allgenugsahm. Ihmc107 selbst in Person, können wir also keine Dienste leisten. Und es bleibt keine andre Art übrig, Gottc108 unsre Liebe zu beweisen, als in den Menschen, Seinenc109 Geschöpfen, Unterthanen und Erlöseten. |b235| |c250| 1 Johannis 4, 12. 20c110 – Gottc111 hat /csichc\ so ofte erklärt, /cdaß erc\ ∥c112 jeden uneigennüzigen, aus Liebe fliessenden Dienst irgend einem Menschen erwiesen, so aufnehmen wolle als sey er /cIhm selbstc\ ∥c113 erwiesen. In jedem Menschen, Christenc114! welcher allerkräftigste Grund! In jedem Menschen lieben wir, Gott Selbst. 1 Johannis 4, 12. 13. 21. 22. Matthäi 9, 13. – Und Liebe Gottesc115, ist ja nichts anders, als Liebe der vollkommensten, höchsten Güte. Denn Gottc116 ist – die Liebec117. 1 Johannis 4, 7. 8. 16. – – So verrichtet denn, alle Gebräuche des äussern öffentlichen Gottesdienstes noch so pünktlich; zerschmelzet in Thränen bei dem Andenken der Wohlthaten Gottesc118: vergebens ist das alles, wenn ihr noch die ausschweifende Heftigkeit, die Unbarmherzigkeit, den Neid oder sonst eine lieblose Neigung bei euch herrschen lasset! Denn, – {versc119 38–40.} das andre Geboth ist dem gleich, liebe deinen /cNeben Menschenc\ ∥c120 eben so wohl als dich selbst.
|a249| Lieben wir Gottc121 von ganzem Herzen, so werden wir auch gewiß jeden der ein Mensch ist, lieben. Denn jeder Mensch ist {1 Timotheumbc122 2, 1–6.} ein Geschöpf, ein Erlöseter Gottesc123, bestimt Seinc124 Freund und Kind, und Erbe Seinerc125 seeligen Ewigkeit zu seyn. – Wir werden ihn aufrichtig, von ganzem Herzen lieben. Denn wir lieben in ihm, Gott selbstc126. – Wir werden ihn thätig lieben; geneigt und bereit, so viel nur immer in unsern Kräften steht, lauter Freude und Glück, um uns her unter die Menschen zu verbreiten. Denn dies alles, thun wir /cGott Selbst.c\ ∥c127 – Unsre Liebe zu |b236| |c251| jedem Menschen wird eben darum auch, Grosmütig seync128; nicht das Werk niedrigen Eigennuzes, sondern der edleren Begierde alles zu beglücken. – Und so werden wir ihn beständig lieben; bei aller Mühe, Beschwerde, Gefahr, Verlust, und Zeit unsre /cMenschen Liebec\ ∥c129 unwandelbahr fest erhalten. – – So wirkt denn, wahre Liebe zu Gott, auch unausbleiblich, wahre, ächte, christliche /cMenschen Liebec\ ∥c130!
Und nur sie allein, ist im Stande, unsre Seele zu dieser edelsten Tugend zu erheben. Ohne wahre Liebe zu Gottc131, ist alles was man /cMenschen Liebe nentc\ ∥c132, nichts weiter als die Wirkung blinder Triebe, oder gar eines niedrigen Eigennu|a250|zes. Man wird bewegt bei dem Elende andrer, man vergießt Thränen des Mitleides, man eilet ihnen beizustehen; weil man dazu von Natur einen unwiderstehlichen Trieb fület. Oder man ist gefällig, dienstfertig gegen andre; um sie zu seinen Absichten zu brauchen; um den Ruhm eines /cMenschen Freundesc\ ∥c133 zu erhalten. Man ist daher mitleidig, gütig gegen einen; aber rachsüchtig, spöttisch, verläumderisch gegen zehn andere. So bald es der eigene Vortheil fordert, da gestattet man sich jede Lieblosigkeit, jede schwarze That. Und alles was die /cMenschen Liebec\ ∥c134 noch vermag, ist daß man jener Lieblosigkeit den Anstrich einer nothwendigen Handlung giebt. – So wie keine wahre Liebe Gottesc135 ohne /cMenschen Liebec\ ∥c136 seyn kan; so kan auch hinwiederum, keine ächte /cMenschen Liebec\ ∥c137 ohne wahre Liebe Gottes seyn. Welche Menschen-Feindschaft ist es also, das Christenthum der Welt nehmen wollen!
|b237| |c252| Jezt sehen wir, warum die Bibel, dieser Tugend der /cMenschen Liebec\ ∥c138 einen solchen hohen Werth beilegt.c139 Das Geboth der /cMenschen Liebec\ ∥c140, ist nach Christi Ausspruch, dem Gesez der Liebe Gottes gleich. vers 38. 39. Wahre /cMenschen Liebec\ ∥c141, und nur sie allein, macht den Menschen Gott angenehm. 1 Corintherc142 13, 1–3. |a251| Sie ist das Kenzeichenc143 wahrer Christen. Johannis 13, 35. 1 Johannis 3, 10. Sie ist die Regel des künftigen, ewig-entscheidenden Gerichts. Matthäi 25, 31–Ende. – – Denn, eine Tugend, welche uns zu Wohlthäternbc144 des Reiches Gottesc145 macht; welche die Erfüllung des Ganzen Gesezesb146 Gottesc147, und eben darum auch, das einzige sichere Kenzeichenc148 des wahren Glaubens ist; welche dort in der Ewigkeit, die seeligste Beschäftigung und das höchste Glück der Bewohner des Himmels ausmacht; und welche, wäre sie allgemein, die Welt schon hier, /czu einem Vorhofec\ ∥c149 des Himmels machenc150 würde: diese kan nicht anders als höchst werth und angenehm, /cdem Gott seync\ ∥c151, der /cdie Liebe selbstc\ ∥c152 ist. Siehe 1 Johannis 3 und 4.
Hier haben wir nun auch, die so sichere als leichte Regel, das Gewicht der göttlichen Geseze zu bestimmen. Sie alle kommen von Gottc153; und sind folglich alle von gleichem Ansehen. Aber das eine ist wichtiger als das andre; und muß daher im Fall der Collisionc154, dem nicht so wichtigen vorgezogen werden. Denn unser Heiland bestimmt hier, welches das {/cvers 38–40c\ ∥c155.} vornehmste Geboth Gottesc156, und welches ihm gleich sey!bc157 – |a252| |b238| |c253| – /cMenschen Liebec\ ∥c159 nämlich, ist der Liebe Gottesc160 gleich. Folglich zielen alle Geseze Gottesc161, nur auf das Wohl Seinesc162 Reichs, der menschlichen Gesellschaft. Und dasjenige ist das Wichtigste, – welches der menschlichen Gesellschaft den grösten Nuzenb163 schaffet. Wenn wir also, entweder des Sontagesc164 die Kirche versäumen oder einen Patienten unsrer Hülfe berauben; entweder unsre Gesundheit schwächen und unser Leben aufopfern, oder die Wohlfarth ganzer Städte Preißc165 geben müssen: so ist in dieser Collisionc166 der Geseze Gottesc167, die Entscheidung leicht. Die höhere oder kleinere Wohlfarth des Reiches Gottes, bestimmet das grössere oder geringere Gewicht Seiner Geseze. Denn, {versc168 38. 39.} das andere Geboth ist dem gleich, liebe deinen Nebenmenschen eben so wohl als dich selbst.
{/cvers 1–3c\ ∥c2 Werthbc3 der Menschen-Liebe.} Wenn ich alle Sprachen und Beredsamkeit der Menschen und Engel besässe, hätte aber die /cMenschen Liebec\ ∥c4 nicht; so wäre ich ein tönend Erz, oder eine klingende Schelle. Und wenn ich weissagen könte, und wüste alle Geheimnisse, und hätte alle Weisheit, und den höchsten Wunder-Glauben so daß ich Berge versezte, hätte aber die Menschen-Liebe nicht; so wäre ich Nichts. Und wenn ich mein ganzes Vermögen den Armen gäbe, und wenn ich meinen Leib für die Religion verbrennen liesse, hätte aber die Menschen-Liebe nicht; so wäre mir das alles nichts nüze.
|a254| {/cvers 4[–]7b5 c\ ∥c6 Naturbc7 der Menschen-Liebe.} Die /cMenschen Liebec\ ∥c8 ist Langmütig. – Sie ist Wohltätigc9. – Die Menschen-Liebe ist nicht Neidisch. – Sie ist nicht Pralerisch und Aufgeblasen. – Nie beträgt sie sich Unanständig. – Sie ist nicht Eigennüzig. – Sie läßt sich nicht erbittern, und behält die Beleidigungen anderer, nie in einem rachsüchtigen Andenken. – Sie hat kein Gefallen an der Falschheit, ihre Lust aber, ist die Aufrichtigkeit. – Sie bedecket alles. – Sie hegt immer die beste Meinung, die beste Hofnung von andern. – Sie duldet alles. Nichtsc10, keine Mühe, Verdruß, Gefahr, Undank, Zeit, nichts kan sie wankend machen.c11
|a255| |b240| |c255| {versc12 8–12b13 Dauerbc14 der Menschen-Liebe.} Die /cMenschen Liebec\ ∥c15 höret nie auf. Die Weissagungen werden aufhören. Auch die Gabe fremde Sprachen zu reden wird aufhören. Selbst die höchste Weisheit wird aufhören. Denn, jezo ist alle unsre Kentniß Stückwerk; und alles Weissagen, Stückwerk. Wenn aber der vollkomnec16 Zustand anfangen wird; da wird alles das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind, und hatte kindische Begierden und machte kindische Schlüsse. Da ich aber ein Mann ward, da legte ich das kindische ab. So sehen wir Jezo, nur durch einen Spiegel in einem dunkeln Bilde. Dort aber, Unmittelbahr; von Angesicht zu Angesicht. Jezo ist meine Kentniß nur Stückwerk. Dort aber werde ich Gott kennen, so wie ich mich selbst kenne.
|a256| So sind denn, die dreyc17 Vorzüge wahrer Christen, Glaube, Hofnung, /cMenschen Liebec\ ∥c18. Aber die gröste darunter ist – die /cMenschen Liebec\ ∥c19.z\