/cWiec\ ∥c3 ein sterbender Vater noch seine lezten Kräfte /csammletc\ um den Seinigen, seine weisen väterlichen Rathschläge zum Erbtheil zu lassen. Der Anblick der um sein Sterbebett versamleten Kinder ruffet die schon schwindenden /cLebens Geisterc\ ∥c4 zurück, verdoppelt die Schläge des matten Herzens: er aber ermuntert seinen Geist und biethet alle seine Kräfte auf, um den Freunden seines Herzens die weisesten und besten Lehren zu geben. So sehen wir auch – den sterbenden Freund und Wohltäterbc5 der Welt, Jesum, {Matthäic6 21 folg. Marci 11, 1c7 f. /cLucä 19 s[.]b8 Johannisc\ ∥c9 12. f[.]bc10 } in den lezten Tagen seines Lebens, seit dem Mitwochec11 besonders, unaufhörlich geschäftig, uns das Beste zu lehren, was ihm nur die Weisheit seines Verstandes und die Zärtlichkeit seines Herzens eingab.
Die angezeigten beiden Kapitel Matthäi machen einen Theil dieser lezten Redenbc12 Jesu aus. Ich will sie gleich so übersezen, wie ich nach öfterer mehrjäriger aufmerksamer Betrachtung glaube, daß sie nach der Natur des Griechischen, worin sie geschrieben sind, und des Deutschen worin ich sie vortragen will, übersezt werden müssen.
⌇{/cvers 1c\ ∥c4 } Nach den am Mitwochc5, im Tempel zu Jerusalem gehaltenen Reden (Kapit. 21, /c23 f[.]b6c\ ∥c7) gieng Jesus weg aus dem Tempel. Da traten zu ihm seine Apostel, (einer davon fürete das Wortbc8 Siehe beim Marcus vers 1.) und zeigten ihm die Pracht der Tempel-Gebäude. {vergl. Marci V. /c1–15 Lucä v. 5b9 c\ ∥c10 } In der That war auch der damahlige Tempel zu Jerusalem mit allen dazu gehörigen Gebäuden, einsc11 der prächtigsten Werke in der Welt. König Herodes der Grosse hatte den nach der Gefangenschaft erbaueten Tempel, ganz umgebauet; und nach sechs und vierzig Jahren war man noch nicht damit fertig. Die Zugänge, die Hallen, die Thore, das Aeusserec12 und weit mehr noch das Innere des Tempels, alles verrieth den Pracht liebenden und Geschmackvollen Herodes. Der Marmor woraus diese /cTempel Gebäudec\ ∥c13 gebauet worden, war so weiß daß man von weiten, ein /cSchnee Gebirgec\ ∥c14 zu sehen glaubte.
{/cvers 2c\ ∥c15 } Jesus aber sprach zu ihnen. Betrachtet das alles! Ich versichere euch, es wird hier, auch kein Stein auf dem anderen bleiben, der nicht getrennet werde.
|b308| |c322| {/cvers 3c\ ∥c16 } Als er nun auf dem Oelberge saß, (von da konte man den Tempel ganz übersehen) kamen seine Apostel zu ihm da er alleine war, und sprachen: Sage uns, wennehrc17 wird das geschehen? Und welches ist das Zeichen deiner Zukunft und des Endes der Welt? – – Zwei Fragen also legten sie Jesu vor: 1) |a331| Wennc18 diese gänzliche Zerstörung des so prächtigen Tempels geschehen? und 2) Wennehrc19 die Zukunft des Messias und das Ende der Welt seyn werde? Warum sie diese Frage mit jener verbinden, läßt sich nicht bestimmen. Sie waren damahls noch, voll von allerlei jüdischen Vorurtheilen und Irtümernc20. Vielleicht glaubten sie, der Tempel, dieses Kleinod der Nation, dieses Wunder der Welt werde bis ans Ende der Welt dauren. Unser Erlöser beantwortet indessen beide Fragen: die Erste, von seiner Zukunft zum Gericht über Jerusalem und die Nation der Juden, in diesem Kapitel, vom 4 vers bis zum Ende des Kap. Und die Zweite, von seiner Zukunft zum Gericht über die Welt, im 25ten Kapitel.
Das Neue Testament nämlich, redet ∥c21 von einer bevorstehenden Zwiefachen Zukunft Jesuc22. Die erste solle geschehen zum Gericht über die Nation der Juden. So nennet Daniel schon,c23 das schreckliche Ende des Staats und Gottesdienstes der Juden. Kapitel 9, 26. Diese muß man immer verstehen, wenn Jesus oder die Apostel von einer Zukunft reden, die noch zu ihrer Zeit zu erwarten sey. Lucä 18, 8. Hebräer 10, 37. Jacobic24 5, 8. 1 Petri |c323| 4, 7. – Die zweite, zum Gericht über das gan|b309|ze /cMenschen Geschlechtc\ ∥c25 und dem Ende der Welt, haben die Apostel nie in ihren Tagen erwartet. Petrus sagt vielmehr, sie könne noch wohl Jahrtausende ausgesezt bleiben. 2 Petribc26 3, 8bc27 verglichen vers 3. 4. Siehe auch 2 Thessalonicher 2.
{versc1 4. 5bc2 } Sehet euch vor, so fängt er die Weissagung von dem Untergange Jerusalemc3 an, daß euch |a332| niemand verfüreb4. Denn viele werden sich meine Würde anmaassen, und von sich sagen – Ich bin der Messias! (werden sich für den Messias ausgeben) Und viele werden sich von ihnen verfüren lassen.
{/cvers 6–8b5 c\ ∥c6 } Ihr werdet von Kriegen, und kriegerischen Gerüchten hören. Erschrecket nicht. Denn das alles muß geschehen, bevor das Ende (des Tempels und Staats) kömt. Ein Volk wird sich gegen das andre, ein Reich gegen das andre auflehnen. (die Juden werden sich gegen die Römer empören) Und hin und wieder wird sich Hungersnoth, und Pestilenz, und Erdbeben einstellen. Alles das aber ist nur der Anfang des Jammers.
{/cvers 9–13b7 c\ ∥c8 } Alsdenn wird man euch den Gerichten übergeben, um euch zu peinigen und zu tödten. Und ihr werdet von allen Völkern um meinet willen gehasset werden. Auch werden zu dieser Zeit, viele von meiner Religion abfallen, und ihre /cGlaubens Brüderc\ ∥c9 angeben und hassen. Denn es werden viele |b310| |c324| falsche Lehrer aufstehen, und viele verfüren. Und durch die Ueberhand nehmende Bosheit wird die Liebe unter den Menschen erstarren. Wer aber unverrükt meiner Lehre treu bleibt, der wird sein Leben retten. (Kein Christ kam in der Belagerung Jerusalems um. Sie alle flohen der Erinnerung Jesu zu folge, und retteten solchergestalt ihr Leben.)
{/cvers 14c\ ∥c10 } Gleichwohl wird dies Evangelium von dem Reiche (des Messias) in dem ganzen römischen Gebieth, zur Belehrung allerlei |a333| Völker geprediget werden. Und alsdenn wird das Ende (des Staats und Gottesdienstes der Juden) erfolgen.
{/cvers 15–22b11 c\ ∥c12 } Wenn ihr denn, den schrecklichen Verwüster, von welchem Daniel der Prophet redet, (Kapitel 9, 27.) zu Jerusalem sehen werdet, – oder nach Lucac13 21, 20, „wenn die römische Armee Jerusalem wird eingeschlossen habenbc14“ – (Wer dies lieset, der merke es wohl!) alsdenn fliehe jeder der sich im Lande Judäa befindet, auf die Berge. (Palästina, das Land der Juden, ist grossentheils bergig; voll von Felsen-Gebirgen, worin Hölen sind, in denen sich viele hundert Menschen verbergen können.) {Siehe oben Seite 258bc15. 259bc17 } Wer auf dem Hausdache ist, der steige nicht erst in das Haus herunter. Und wer auf dem Felde ist, der kehre nicht erst in die Stadt zurück seine Kleider zu holenc19. („So bald Jerusalem von einem Heere eingeschlossen ist, dac20 schmeichelt euch ja nicht mit Hof|b311||c325|nungen. Fliehet, und zwar ohne einen Augenblick zu verliehrenc21. Denn alsdenn ist der Untergang der Stadt unausbleiblich.“) Bejammernswürdig sind die Schwangerenc22 und Säugenden dieser Zeit! Betet auch, daß eure Flucht nicht in den Winter, oder auf einen Sabbatc23 falle. (denn die Juden hatten das Vorurtheil, am Sabbatc24 dürfe man nicht weiter, als /cetwa eine Stundewegesc\ ∥c25 gehen.) Denn dieser Jammer wird so groß seyn, dergleichen nie gewesen noch seyn wird. Und wenn jene Zeit (die Belagerung Jerusalemc26, vers 15 f[.]c27) nicht abgekürzet würde; so würde kein einigerc28 |a334| Mensch (von den Belagerten) am Leben bleiben. Aber um meiner Anhänger willen wird sie abgekürzet werden. (Entweder, damit die Christen die etwa in der Stadt waren, nicht umkämen. Oder, um derer unter den belagerten Juden willen, die dereinst Christen werden würden.)
{vers 23–28bc29 } Wenn alsdenn jemand zu euch sagen wird, Siehe hier, oder dort, ist der Messias: so glaubt es nicht. Denn es werden viele falsche Messiasse, und /cLügen Prophetenc\ ∥c30 aufstehen, und so wundervolle Dinge /cversprechen, daßc\ ∥c31 auch wohl gar, selbst meine Anhänger dadurch verleitet werden. Ich sage es euch vorher! Wenn man zu euch sprechen wird, der Messias ist auf dem Felde! so gehet nicht hinaus. Oder, er ist im Zimmer! Glaubet es nicht. Denn alsdenn wird die Zukunft des /cMenschen Soh|b312|nesc\ ∥c32 (Siehe oben Seite 274bc33; nämlich zur Zerstörung Jerusalem) plözlich gleich einem Blize erfolgen, welcher im Morgen sich entzündet, und augenblicklich schon im Abend gesehen wird. – Wo ein Aas ist, da versamlen sich die Adler!c35 (Wo ein Aas ist. Kein Bild kan abscheulich genug seyn, die Bosheit und Gottlosigkeit der in Jerusalem belagerten Juden zu bezeichnen. Da versamlen sich die Adler. Die Römerc36 füreten Adler in ihren Fahnen.)
Sogleich nach jenem Jammer (nämlich der Belagerung Jerusalem) wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond seinen Schein verliehren, und die Sterne vom |a335| Himmel fallen, und die Himmels-Körper erschüttert werden. (In den Sprachen der Bibel, so wie in andern Sprachen, auch in der unsrigen ist es gewönlich, von einem Staats-Himmel zu reden. Man vergleichet den Staat mit dem Himmel, und die mächtigsten Personen oder Städte desselben, mit /cSonne, Mondc\ ∥c37 und Sternenc38. Siehe /bcz[.] E.bc\ ∥bc39 Jesaiä 13, 9. 10. 34, 3. 4. Ezechiel 32, 7–12. Der Sinn dieser bildlichen Redensarten ist also „der ganze Staat der Juden wird zu Grunde gehen.“) Sodenn werden die Juden (wie wohl ganz anders als sie hoften. Sie hoften nämlich, der Messias werde mit vielem Pomp vom Himmel herabkommen, sich an die Spize ihrer Nation stellen, sie von der Herrschaft der Römer befreien und zu Gebiethern der Welt machen.) die majestätische Zukunft des /cMenschen Sohnesc\ ∥c40 vom Himmel sehen; und alle |b313| |c327| Stämme des jüdischen Landes werden wehklagen; wenn sie des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels mit grosser Macht und Majestät werden kommen sehen. (die Zerstörung des Staats der Juden, wegen des verworfenen und gekreuzigten Messias, wird unter dem Bilde vorgestellt, als wenn der Messias, vom Himmel herabkömtc41 und Gericht über die Nation hält.)
Er aber (der Messias) wird seine Bothen (Dies ist die eigentliche Bedeutung des griechischen Worts. Die Engel werden auch mit diesem Nahmen belegt, Bothen, oder Engel genantc42, weil Gottc43 sie ofte als Abgesandte an die Menschen brauchte) mit helltönender Posaune aussenden, daß sie ihm aus allen vier /cHimmels |a336| Gegendenc\ ∥c44, und den äussersten Enden der Erde, Anhänger zusammensamlen. (vergl. vers 14. Dies ist unstreitig von der Predigt des Evangelii durch die Apostel, das heißt, die Bothen Jesu, zu verstehen. Wirklich pflanzten sie, in allen damahls bekandten dreyc45 Welttheilen, ansehnliche /cChristen Gemeindenc\ ∥c46.)
{vers 32. 33.} Der Feigenbaum sey euch das Gleichniß. Wenn seine Zweige geschmeidig werden, und die Blätter hervorgrünen; da seyd ihr versichert daß der Sommer nahe ist. Eben also, wenn alle jene Begebenheiten (vers 4 f[.]bc47) sich ereignen, da seyd versichert, daß nun der Untergang des Staats, schon da ist.
|b314| {vers 34. 35bc48 } Ich gebec49 euch /cmein Wortc\; das jezt lebende Menschengeschlecht wird nicht sterben |c328| bevor das alles geschehen. Eher können Himmel und Erde zerfallen, als daß meine Reden (nämlich von dem Schicksahl Jerusalem und der Nation) vereitelt würden!
{vers 36–41bc50 } Was aber Tag und Stunde betrift, wennehrc51 dasb52 alles geschehen wird, dies weis niemand; auch nicht die Engel im Himmel: nur allein der Vater. Sondern wie die Zeit Noah war, so wird auch seyn die Zukunft des Menschen-Sohns. /c(derc\ ∥c53 Untergang wird den Juden so unerwartet kommen, als die Ueberschwemmung, den /cZeit Genossen Noah.c\ ∥c54 Bis in den lezten Augenblick schmeichelten sich diese Unglückliche mit allerlei Träumen von Sieg.) Wie nämlich die Menschen damahls vor der Ueberschwemmung, bis an den Tag da Noah in /cdas Schiffc\ ∥c55 gieng, schwelgeten |a337| und trunken, heiratheten und ausstatteten, und nichts beachteten, bis daß die Ueberschwemmung kam und sie alle tödtete: so wird es auch bei der Zukunft des /cMenschen Sohnesc\ ∥c56 gehen. Von Zweienbc57 die sich alsdenn auf dem Felde befinden, wird der Eine gefangen genommen werden und der Andre entfliehen. Von Zweien die mahlen, wird die Eine gefangen genommen werden und die Andre entfliehen. (Ganzc58 Unerwartet, ∥c59 unversehen wird jenes Unglück einbrechenbc60)
{/bcvers 42–Endebc\ ∥bc62 } Wachet demnach, denn ihr wisset nicht zu welcher Stunde euer Herr komt. Be|b315||c329|denket, wenn der Hausherr wüste in welcher Nachtwache der Dieb komtc63, sicherlich würde er wachen, und sein Haus nicht erbrechen lassen. So seyd denn auch ihr stets bereit; denn des Menschen Sohn /ckomt wennc\ ∥c64 ihr es nicht erwartet. – Oder stellet euch einen treuen und klugen Knecht vor, den sein Herr über sein Hausgesinde bestellet ihnen die Nahrung zur rechten Zeit zu geben. Glüklich ist derselbe Knecht, wenn ihn der Herr also befindet! Sicherlich wird er ihn über sein ganzes Vermögen sezen. Wenn hingegen der böse Knecht in seinem Herzen spricht, Mein Herr wird noch lange nicht kommen; und nun seine Mitknechte schläget, und mit den Schwelgern schwelget: so wird der Herr dieses Knechtes kommen, an einem Tage wo er es nicht erwartet, und zu einer Stunde wo er es nicht denkt; und wird ihn wegthun, und mit ihm verfahren, wie es Knech|a338|ten gebüret die mehr Gut Scheinen, als Seyn wollen. Wehklagen und Zäneknirschenb65 wird sein Ende seyn.
Niemand der diesen Vortrag mit einiger Aufmerksamkeit lieset, kan zweifeln daß hier, nicht von dem Ende der Welt, sondern von dem Ende des jüdischen Staats die Rede sey. Jesus spricht ausdrücklich von Judäa, Jerusalem, der Zerstörung /cdes Tempelsc\ ∥c66, den /cfalschen Messiassenc\ ∥c67, u. s. f. vers 2. 4. 5. 15. 16. Siehe auch vers 9. 14. /c31. 32–34.c\ ∥c68
|b316| |c330| Sehr merkwürdig ist es, daß ein damahliger Jude, einer ihrer vornehmsten, ein Priester, ein grosser Gelehrter und Mann von Geschmack, Josephus, die Geschichte dieses Unterganges des jüdischen Staats so genau und pünktlich beschrieben, und sein Werk sich für die Nachwelt erhalten ∥c69. Wenn man dieses mit der Weissagung Jesu vergleicht, so kan man nicht umhin, über die so genaue, so pünktliche Erfüllung auch des kleinsten Umstandes zu erstaunen. Dieser Judec70, ein /cFeind des Christenthumsc\ ∥c71, oder doch wenigstens gleichgültig dagegen, hat also ohne sein Wissen, gleichsamc72 eine Auslegung dieser Rede Jesu, einen Beweis für das Göttliche Ansehen Jesu geschrieben. – Wo wollen wir die Spuhren der unsichtbahren Hand die Alles lenkt, sehen, wenn wir sie hier verkennen wolten!
Vor dem Ende – dies sind die Haupt-Umstände der Weissagung Jesu – 1) vor dem Ende des jüdischen Staats, werde die christliche Religion schon im ganzen römischen Reiche geprediget seyn. vers 14. Noch stand Jerusalem und der Tempel, als schon zu Rom, |a339| Corinthc73, Alexandrien, Antiochien, kurz in allen damahls bekandten dreien Welttheilen, ansehnliche /cChristen Gemeindenc\ ∥c74 waren. 2) Kurz vor diesem traurigen Ende, werden falsche Messiasse aufstehen, und die verblendete Nation in dieses Unglück stürzen. vers 4. 5. 23–27. Bis auf die Zeit da Jesus dieses sprach war es unerhörtc75, daß sich jemand für den Messias angegeben. Jesus war der Erstec76. Und auf diesen wahren, aber von der Nation verworfenen Mes|b317||c331|sias, folgte eine Fluth von Betrügern die sich diese Würde anmaaßten, und von der Nation begierig angenommen wurden, und diese Elenden mit Staat und Tempel in den Abgrund versenkten. Leser! Wie viel Stoff, wichtigster Stoff dein Nachdenken zu beschäfftigen! – 3) Dieser Untergang werde auf die allertraurigste Art erfolgen, mit einem Jammer desgleichen die Welt noch nie gesehen. vers 21. „Keine /cStadt[“,] diesc\ ∥c77 sind die eigenen Worte des vorhin genantenc78 Geschichtschreibers der Nation,c79 „hat je ein solches Unglück betroffen. Und seit dem Anbegin der Welt ist auch kein einziges /cMenschen Alterc\ ∥c80 so fruchtbahr an Bosheit gewesen.“ – 4) Vombc81 Tempel werde kein Stein auf dem andern bleiben vers 2. Titus der römische Feldherr wolte den Tempel schonen. Aber alles umsonst! Die Wuth der Belagerten machte es ihm unmöglich. Hierauf gab er Befehl, die ganze Stadt und Tempel, alles dem Erdboden gleich zu machen. 5) Dies alles werde noch bei Lebzeiten des damahligen /cMenschen Geschlechtsc\ ∥c82 geschehen. vers 34. Vierzig Jahre nachher war Stadt und |a340| Tempel nicht mehr. 6) Unausbleiblich gewiß, und unverzüglich, werde dieser traurigste Untergang alsdenn erfolgen, wennc83 sie Jerusalem von einem Heere förmlich belagert sehen würden. vers 15–18. Titusbc84 war der erste, der die Stadt förmlich belagerte. Und nun war keine Rettung mehr. Die Belagerung endigte sich mit jenem allermitleidenswürdigsten Untergange des Staats, des Gottesdienstes, und einer ungeheuren Menge von Juden.bc85 – |b318| |c332| – Ja! Sicherlich, sicherlich ist Jesus derjenige, für den er sich angab, – Ein Gesandter der Gottheit! Der Beglücker der Welt! Der eingebohrne Sohn Gottesc86!
Tiefste Ehrfurcht und Gehorsam gegen Jesum und seine Religion muß uns also diese Betrachtung einflössen. Aber auch zärtliches Mitleiden gegen diese unsre unglückliche Brüder. Wenn wir hier, alle Gewitter des Jammers über ihren Häuptern zusammen treffen und auf sie losbrechen sehen; wenn wir sie seitdem, so viele Jahrhunderte hindurch in aller Welt, als Verlohrne herumirren, unter dem schimpflichsten und schmerzlichsten Joch kläglich seufzen; ganze Schaaren zu Tausenden von den Händen solcher Scheusale des Erdbodens die sich Christenc87 nanten, ermorden; ihre hülflose Waisen in den Armen der abgehärmten Mütter – {Lucä 19, 41.} Ach welches christliche Herz zerfliesset hier nicht wie sein Heiland, in Thränen!
Ja wisset es ihr Barbaren, die ihr noch immer die Henker dieser Unglücklichen seyd! Die ihr so handelt als wäre ein Jude und das verächtlichste /cInsect einerlei!c\ ∥c88 Wisset es, ihr schändet /cdas Chri|a341|stenthum,c\ ∥c89 den /cJesum, wonachc\ ∥c90 ihr /ceuch nennetc\ ∥c91! Ihr seyd nicht /cChristen,c\ ∥c92 Schüler des Jesu der über das Unglück dieser Nation weinete, und für sie seine Mörder betete! {Römer 11, 22bc93 } Sehet hier, die Güte und den Ernst Gottes, den Ernst an diesen Mitleidenswürdigen. Die Güte an euch – woferne ihr dieser Güte folget. Sonst – ∥c94 werdet auch ihr ausgerottet werden.
|b319| |c333| Solche Empfindungen erreget natürlich diese Rede Jesu!c95 Auch zu den wichtigsten Betrachtungen giebt sie Anlaß. – Religion, das Christenthum,bc96 ist das sicherste Fundament der Wohlfarth der Staaten. Die Juden verwarfen sie; {/cvers 12c\ ∥c97 } und mit ihr alle die göttlich-kräftigen und göttlich-weisen Lehren und Lebens-Regeln. Nun brach der Strohm des Lasters allenthalben durch, und ersäufte endlich den ganzen Staat. – Das Verderben der Sitten,c98 einer Nationc99 ist der untrügliche Vorbothe ihres Unterganges. vers 12. {/cvers 12c\ ∥c100 } Steigen Unzucht, Neid, Ungerechtigkeit, Proceßsucht u. s. f. bis zu einem gewissen Grad: der Untergang ist da! – Ueberhaupt aber, der Glanz eines Staats wie jede menschliche Einrichtung, ist der Anfang seiner Abnahme. Wenn der Baum in der prächtigsten Blüthe steht, so fängt er nun an, zu verblühen. Menschen! Auch ihr königliche Menschen! Lasset uns nie vergessen, wir sind Menschen. Wenn unser Ansehen, unser Ruhm, unser Reichthum, unsre Familie /cblühet, dac\ ∥c101 sey es uns recht gegenwärtig daß ∥c102 das Verblühen nahe ist. – {Jacobic103 1, 10. 11c104 } Wiebc105 die Blüthe des Grases vergehet der Reiche. Die Blüthe fällt ab, die schöne Ge|a342|stalt verschwindet. So wird auch der Reiche mit aller seiner Pracht verwelken. – {Jacobic106 4, 14bc107 } Was ist unser Leben? Ein Dampf ist es der auf eine kurze Zeit gesehen wird und alsbald verschwindet. – 1 Petri 1, 24bc108 Alle Menschen sind wie Graß, und alle Pracht der Menschen wie die Blüthe des Grases. Das Graß verwelket und seine Blüthe fällt ab.
|b320| |c334| Und wenn wir nun, nicht allein Königec109 und Kaiserc110, sondern auch alle /cStaaten und Reiche der Weltc\ ∥c111 sterben sehen; wenn alle jene ungeheuren Monarchien welche die Welt zittern gemacht, sich uns nach einander darstellen, und gleichsam eine über die andre stürzen; wenn hingegen die Religion, bei allen diesen Abwechselungen menschlicher Dinge sich unverrückt durch ihre Kraft erhält: – – so lehre uns jener schreckliche Umsturz der Städte und Staaten, daß Unbeständigkeit und Wechselung,c112 das Loos aller menschlichen Dinge ist; – so zeige uns diese unveränderliche Dauer der Religion, was wahre Größe sey? und worauf ein Weiser seine Hofnung bauen müsse? {1 Petri 1, 24. 25c113 } Alle Menschen sind wie Graß, und alle Pracht der Menschen wie die Blüthe des Grases. Das Graß verwelket, und seine Blüthe fällt ab. Aber – die Religion bleibet in Ewigkeit.
⌇1) Ermahnung sich in beständiger Bereitschaft dazu zu erhalten. vers 1–13. – 2) Unterricht, wie dieses geschehen müsse? vers 14–30 – und 3) Regel dieses Gerichts. vers 31–Ende.
{/cvers 1–8b1 c\ ∥c2 } Sodenn – dies beziehet sich auf die zweitec3 Frage welche ihm die Apostel vorgelegt Kapit. 24, 3. – Sodenn „wenn des Menschen Sohn als Richter der Welt kommen wird“ wird das Himmelreich gleich seyn, (wirdc4 es in meiner Kirche hergehen, wie wennc5) zehn Jungfrauen die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegen giengen. (beic6 den Juden kam der Bräutigam im Gefolge seiner Freunde, des Abends in das Haus der Braut sie abzuhohlen. Alsdenn nun giengen ihm die Freundinnen der Braut, mit Fackeln oder Lampen entgegen) Fünfec7 darunter waren, Kluge, und die übrigen fünfe, Thoren. Die Thoren nahmen ihre Lampen, aber keinen Vorrath von Oel,c8 die Klugen hingegen nahmen, nebst den Lampen, auch Oel in ihren Gefässen mit. |a344| |b322| |c336| Da nun der Bräutigam lange ausblieb, fiengen sie alle an zu schlummern, und schliefen endlich ein. Um Mitternacht aber entstand ein Geschrei, Auf! der Bräutigam komtc9! Gehet ihm entgegen! Da wachten alle diese Jungfrauen auf, und bereiteten ihre Lampen. Die Thoren aber sprachen zu den Klugen, Gebt uns von eurem Oel, denn unsre Lampen verlöschen. – – So haben noch immer, wir Menschen den kläglichen, unseeligen Hang, uns mit jeder, auch noch so ungereimten Sache einzuschläfern, um nur der Vorbereitung – (und wozu? Etwa zu einer schrecklichen, peinlichen Sache? Nein.) zur Seeligkeit auszuweichen.c10 Gerade wie hier die thörichten Jungfrauen! Oel war ihnen unentbehrlich: das wusten sie. Aber es war ihnen zu beschwerlich etwas mit sich zu füren. Sie machten also die abgeschmackten Anschläge, sich mit Borgen, oder Kaufen zu behelfen.
{/cvers 9–13.c\ ∥c11 } Die Klugen aber antworteten, keinesweges! Es möchte sonst uns so wie euch gebrechen. Gehet hin zu den Krämern und kauft euch etwas. Da sie nun hingegangen waren, kam der Bräutigam. Und die bereit waren, giengen mit ihm zum Hochzeits-Mahl. Und die Thür ward verschlossen. Hinterher kamen auch die übrigen Jungfrauen und riefen, Herr, Herr, laß uns aufmachen. Er aber antwortete, ich kenne euch nicht. – Darum, wachet, denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, wennc12 des Menschen Sohn kommen wird.
|b323| Mensch! Lebe so daß du in jedem Au|a345|genblick,bc13 ruhig und seelig sterben kanst. Dies ist alsobc14 die Moral, die Lehre der Parabel. Mehr will Jesus, hier nicht lehren. Und es ist etwas ganz vergebenes zu untersuchen, was die Lampen? das Oel? die Mitternacht? das Hochzeitsmahl bedeute? Warum gerade Jungfrauen? und gerade zehn? Und die Hälfte Thoren? Dieses so wie alles andre, soll nichts bedeuten. Jesus erzält eine Geschichte, die er /cgemachtc\ ∥c15 um jene Wahrheit, auf eine angenehme und desto tiefer eindringende Art zu lehren. Und um diese Geschichte, unterhaltend und angenehm zu erzälen, und sich dadurch desto mehr der Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu bemächtigen, schmücket er sie mit jenen Umständen aus. – Und, ist denn diese Wahrheit nicht wichtig genug; um bloß ihrentwegen eine Erzälung zu machen? Alles was man wahre Weisheit nennen kan, liegt ∥c16 darin. Ein ruhiger und seeliger Todt, ist das einzige Mittel, so wie jenseits des Grabes, also auch disseits glücklich zu leben. Und da nun der Augenblick deines Todes ungewiß ist, davon aber dein Schicksahl, für ewig abhängt: so – Lebe denn, in jedem Augenblick so, daß du ruhig und seelig sterben kanst. Sodenn wird dich der Todt nie überraschen. Er komt dir immer gelegen,bc17 Er verliehret für dich alle Schrecken. Er wird dir angenehm! /cDeinc\ ∥c18 Uebergang in das Rechte, Bessere, Leben; dein Ehren- und Freuden-Tag. Herr! So lehre uns bedenken dasc19 wir sterben müssen, damit wir Weise werden!
|b324| |c338| Wie aber muß ich denn leben; um ruhig und seelig sterben zu können? Dieß lehret uns Jesus,bc20 in der nächsten
{vers 14–18bc4 } Ein Mann der verreisen wolte berief seine Knechte (Sclavenc5, Leibeigene. Unter den Völkern wo die Leibeigenschaft gebräuchlich ist, da müssen die Sclavenc6, wie natürlichc7 alle Geschäfte und Dienste des Hauses verrichten, haushalten, Rechnung füren u. d.) und übergab ihnen sein Vermögen. Dem Einen gab er Fünfbc8 Talente. (Hieraus ist die unter uns gewönliche Art zu reden genommen, da wir die Kräfte und Gaben eines Menschen, die Kräfte seiner Seele besonders, seine Talente nennen. Es ist dies eine angenehme Anspielung auf diese schöne Gleichnisrede unsers Heilandes.) Dem andern, Zwei; dem dritten, Eins: einem jeglichen nach seinem Geschick. – So theilet auch einem jeden von uns, unser Schöpferc9 der uns besser kennet als wir selbst, seinec10 Talente nach /cseinemc\ ∥c11 Geschick aus: dem einen Reichtum dem andern Armuth u. s. f. nachdem Erc12 siehet daß wir es brauchen werden. – Nun verreiste er. Da gieng der mit den Fünf Talenten hin, legte sie an, und erwarb damit Fünf andre. Gleicherweise auch der mit Zweien, gewann andre Zwei. Der aber Eins empfangen, gieng hin und vergrub es |b325| |c339| in die Erde um das Geld seines Herren sicher zu bewahren.
{vers 19–21bc13 } Nach einer langen Zeit kam der Herr dieser Knechte und nahm ihnen die Rechnung ab. Da trat hervor der, welcher Fünf Ta|a347|lente empfangen ∥c14, brachte andre Fünf, und sprach, Herr! Fünf Talente hast du mir gegeben. Siehe da Fünf andre die ich damit gewonnen. Der Herr aber antwortete. Wohl! du guter, treuer Knecht! Du bist über das wenigec15 treu gewesen, ich will dich über viel sezen. Gehe hin zu dem /cFreuden Festec\ ∥c16 deines Herren.
{vers 22. 23bc17 } Nun kam der, welcher Zwei Talente empfangen und sprach, Herr! Zwei Talente hast du mir gegeben. Siehe da, Zwei andere habe ich damit gewonnen. Und der Herr sprach zu ihm, Wohl! Du guter treuer Knecht! Ueber wenig bist du treu gewesen; über viel will ich dich sezen. Gehe hin zum /cFreuden Festec\ ∥c18 deines Herren!
{vers 24–30bc19 } Endlich kam auch der, welcher Ein Talent empfangen, und sprach. Herr! ich kenne dich, du bist Strenge. Du erndtest gerne wo du nicht gesäet hast, und samlestc20 auf, wo du nichts zerstreuet hast. Ich furchte mich also, und verwahrete dein Talent in die Erde. Siehe da das Deine! Sein Herr aber antwortete ihm, Du Böser, Fauler Knecht! Wie? Du wustest daß ich |b326| |c340| erndte wo ich nicht gesäet, und aufsamlec21 wo ich nichts zerstreuet habe? So hättest du ja mein Geld den Wechslern geben sollen, damit ich bei meiner Rükkunft, das Capitalc22 mit Zinsen empfangen könte. Nehmet ihm also das Talent, und gebt es dem der Zehne hat. – – Denn wer etwas erworben dem wird noch immer mehr gegeben. Wer |a348| aber nichts erworben, dem wird auch das Anvertraute genommen. Diesen unnüzen Knecht aber werfet hinaus in die Finsterniß.c23 (aus dem erleuchteten Saale heraus) da mag er wehklagen und jammern.
Also; Menschenfreundlicher Gebrauch der von Gott empfangenen Talente, (aller unsrer Kräfte und Güter) dies ist die würdige Vorbereitung für Gericht und Ewigkeit. 1) Nur derjenige, welcher hier, die von Gott empfangene Kräfte und Güter, zum Gemeinen Nuzen, zum Nuzen der menschlichen Gesellschaft angeleget, wird dort, zur Seligkeitbc24 kommen. vers 20. 21. vers 22. 23. und vers 24 f. vergl. 1 Timotheum 6, 17–19. – – 2) Ein jeder Mensch, wird von Gott nur nach dem Maasse seiner Talente gerichtet werden. {vers /bc22. 23bc\ ∥bc25 Und v. 27bc26 } Von dem der zweic27 Talente empfangen, forderte der Herr nicht, daß er Fünfec28 erwerben sollen. Und so wird Gottc29 auch, von uns Christen sehr, sehr viel mehr fordern als von den Heiden, Juden und Nicht-Christen. Römer 2, 11. /c12b30 Jacobic\ ∥c31 2, 12. – – 3) Nicht bloß der Verwüster der menschlichen Gesellschaft, sondern auch – |b327| |c341| Jedes Unnüze Glied derselben, wird dort von der Seeligkeit ausgeschlossen, und zur Strafe verwiesen werden. {/cvers 24–30b32 c\ ∥c33 } Der Knecht mit dem Einen Talent, hatte das ihm anvertrauete nicht verschwendet, oder verlohren. Er hatte das Ganze Talent noch so wie er es empfangen. Weil er aber nichts damit erworben: so ward er mit der Schande eines bösen, faulen, unnüzen Knechtes gebrandmahlet, und hinaus in die Finsterniß ge|a349|worfen. – Wehec34 euch denn, /cihr die ihr nicht im Schweiß eures Angesichts sondern des Angesichtes eurer Nebenmenschen, euer Brodt essetc\ ∥c35! Die ihr ganz müssig von euren Renten zehret! Die ihr ohne einen gemeinnüzigen Beruf oder Stand in der Welt lebet! Ihr alle die ihr aus der Welt gehet, – Leer von allen gemeinnüzigen Thaten, ohne irgend etwas eurem Schöpferc36 aufweisen zu können, womit ihr Seinemc37 Reiche, der menschlichen Gesellschaft,bc38 nüzlich gewesen! /cWehe euch!c\ ∥c39 Ausgeschlossen von der Gunst Gottesc40 und der Seeligkeit Seinesc41 Himmels, werdet ihr aller Schande und Strafe übergeben werden. Und dies mit Recht! Denn eure grosse Gaben, Gelehrsamkeit, Reichtümer, Geschicklichkeit, Ansehn, Zeit, kurz alles was ihr habt, ist nicht Euer Eigenthum. Gottc42 hat sie euch gegeben. Zum /cGemeinen Nuzenc\ ∥c43 gegeben. Den Gemeinnüzigen Gebrauch davon seyd ihr Ihmc44, seyd ihr der menschlichen Gesellschaft schuldig. Und indem ihr also euer Talent – vergrabet: so bestehlet ihr Gottc45 und die ganze menschliche Gesellschaft!
Eine Religion die eine so vollkommene Menschenliebe lehret und darauf einen solchen |b328| |c342| Werth leget, komt sicherlich von Gottc46 dem /cVater der Menschenc\ ∥c47! – Noch klärer und eindrücklicher treffen wir diese erhabene Moral, in der
{/cvers 31–33b2 c\ ∥c3 } Wennc4 aber /cdes Menschen Sohnc\ ∥c5 in seiner Majestät kommen wird,c6 und alle die heili|a350|gen Engel mit ihm: dennc7 wird er sich auf seinen majestätischen Thron sezen, und alle Völker werden vor ihm versamletc8 werden. Er aber wird sie von einander scheiden, (die Tugendhaften und Lasterhaften) wie ein Hirte die Schaafe von den Böcken scheidet. Die Schaafe wird er zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zu seiner Linken. – In jener Welt werden nicht mehr, wie in dieser, Lasterhafte und Tugendhafte vermischt mit einander leben. Da wird die grosse Scheidung vorgehen. Nur Tugendhafte werden beisammen leben; und eben dieses schon, wird ihren Aufenthalt zum Himmel machen. Hinwiederum auch die Lasterhaften,bc9 Menschen und Teufel werden beisammen seyn.b10 Entsezliche Gesellschaft, die schon allein, ihren Aufenthalt zur Hölle machen muß!
{/cvers 34–40b11 c\ ∥c12 } Alsdenn wird der König denen zu seiner Rechten sagen, Wohlan ihr von meinem Vater Beglükte! Nehmet das Reich in Besiz welches euch von Anbegin der Welt bestimmet ist! Denn ich war hungrig und |b329| |c343| ihr speisetet mich. Ich durstete und ihr gabt mir zu trinken. Ich war vertrieben und ihr nahmet mich auf. Ich war nackt und ihr bekleidetet mich. Ich war krank und ihr sorgetet für mich. Ich war gefangen und ihr besuchtet mich. Dennc13 werden die Tugendhaften sprechen, Herr! wennc14 haben wir dich hungrig gesehen und gespeiset? Oder durstig und dich getränket? Wennc15 haben wir dich vertrieben gesehen und aufgenommen? Oder nackt und dich be|a351|kleidet? Wennc16 haben wir dich krank gesehen oder im Gefängniß und sind zu dir gekommen? Der König aber wird ihnen antworten, Warlich! Was ihr gethan habt einem dieser meiner niedrigsten /cBrüder, (irgend einem Menschenc\ ∥c17; nicht bloß den Christen, sondern auch Juden, Heiden, Türken. Diese alle, als seine Erlösete, nennet Er ihr Heiland, seine Brüder. Siehe Hebräer 2, 11–14) – das habt ihr mir gethan.
{vers 41–45bc18 } Hierauf wird er auch die zu seiner Linken also anreden. Gehet von mir ihr Verurtheilete, in das ewige Feuer welches dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mich nicht gespeiset. Ich war durstig und ihr habt mich nicht getränket. Ich war vertrieben und ihr habt mich nicht aufgenommen; nackt und ihr habt mich nicht bekleidet; krank und im Gefängniß und ihr habt nicht für mich gesorgt. Dennc19 werden auch diese sprechen, |b330| |c344| Herr! wennc20 haben wir dich hungrig gesehen, oder durstig, oder vertrieben, oder nackt, oder krank, oder im Gefängniß, und haben dir nicht gedienet? Er aber wird ihnen antworten, was ihr irgend einem dieser meiner geringsten Brüder – – irgend einem Menschen – nicht gethan habt, das habt ihr auch mir nicht gethan.
{/cvers 46c\ ∥c21 } Und diese werden in die ewige Strafe gehen. Die Tugendhaften aber, in das Ewige Glück.
Dies ist nun das Allgemeine Welt-Ge|a352|richt. Jesusc22, der Heiland und König und {Apostelgeschichtbc23 17, 31bc24 } von Gottc25 bestellte Richter der Welt wird sichtbahr sich zeigen; mit einem Pomp, wogegen allerb26 Pomp der Könige und Kaiser nur /cFlitter Goldc\ ∥c27 der Puppen ist. In einer Majestät, die jezo in unserm Kinder-Stande allen unsern Begriff übersteiget, wird er über alle versamletec28 Nationen, über das Ganze Menschen-Geschlecht das öffentliche Urtheil sprechen. {Hebräerc29 9, 27. 28.b30 /cverglichen Philipperc\ ∥c31 1, 23. /c2 Corinth[.]b32 c\ ∥c33 5, 6–8bc34 } Denn schon lange vorher, schon gleich nach dem Tode ist jedem einzelnen Menschen sein Schicksahl angewiesen. Und dieses Allgemeine Gericht wird nur ∥c35 dazu gehalten, um die tugendhaften Seeligen vor dem ganzen versamletenc36 Menschen-Geschlecht zu ehren; und die /cLasterhaften Verdamtenc\ ∥c37, der öffentlichen Schande vor allen Menschen und Engeln auszustellen.
Merkwürdig ist in dieser Regel jenes Gerichts, daß Jesus darin gar nicht des Glau|b331||c345|bens gedenket, den er doch selbst, fürc38 den einzigen Weg zur Seeligkeit erkläret. Johannis 3, 16. Nur die Menschen-Liebe bestimmet er hier als die Regel wornach er der Richter, Seligkeitc39 oder Verdamniß zuerkennen werde. Der Grund hievon scheint zu seyn, dem unseeligen Vorurtheil desto kräftiger vorzubeugen, welches gewisse Kentnisse, Bekentnisse und Empfindungen für den Glauben an Jesum hält. Ein Vorurtheil das schon damahls, wie wir aus /cJacobi IIc\ ∥c40 folg. sehen, die Menschen blendete. – Auch ist es merkwürdig daß Jesus hier, bloß von Vernachlässigungen redet; und nichts von Begehungs-Sünden sagt. Dadurch arbeitet er abermahls gegen ein gefärliches Vorurtheil; da |a353| man nur die förmliche Uebertretung, nicht aber die Vernachlässigung des Gesezes Gottesc41, nur den Diebstahl nicht aber den Müssiggang, die Ungerechtigkeit nicht aber die Unbarmherzigkeit /bcu. s[.] f[.]bc\ ∥bc42 für Sünde hält; oder wenigstens solche Vernachlässigungen als Kleinigkeiten ansiehet. Darum sezet er hier die Verdamniß, bloß auf Vernachlässigungs-Sünden.
{vers 41–45.} Also, nicht bloß Menschen-Feindschaft, sondern auch der Mangel ächter Menschenliebe wird mit der Verdamniß bestrafet werden. Der Richter sagt nicht, „ihr habt mich betrogen, gelästert, verfolget, vertrieben, ermordet. Sondern – ihr habt mich nicht gespeiset, nicht getränket u. s. f.[“] – {vers 34–40bc43 } Und, die Seeligkeit, wird nur nach der Menge und Adel der menschenfreundlichen Thaten aus|b332||c346|getheilt werden. Alles was wir hier mit einem Herzen voll von Menschenliebe nach Jesu Muster, irgend einem Menschen Gutes gethan, soll dort seinen Lohn und Ruhm finden, soll gar als eine Wohlthat gepriesen und vergolten werden die wir Jesu selbst gethan. – „Warum aber gerade nur das menschenfreundliche Betragen? Nicht auch das Keusche, Demütige, Religiöse /bcu[.] s[.] f[.]bc\ ∥bc44?“ – Darum weil Menschenliebe nach der Lehre und Muster Jesu gebildet, die Summe des ganzen Gesezes Gottesc45 ist. Römer 12, 8–10bc46 Galater 5, 14. Wer jene ächte Menschenliebe hat, der ist eben darum auch Keusch, Mässig, Religiös und alles andre was er nach Gottesc47 Gesez seyn soll. Darum ferner, weil eine solche ächte Menschenliebe das allersicherste Kenzeichen des wahren Glau|a354|bens an Jesu Lehre und Verdienst ist. Johannis 13, 35. Galat. 5, 6. 1 Corintherc48 13.
Uebrigens kenne ich keine kräftigere Empfehlung unsrer Religion, als diesen Theil ihres Unterrichts, welcher eine so volkommene Menschenliebe lehret und darauf einen solchen unaussprechlich grossen Werth leget. Ich meines Theils bekenne, dieses flösset mir die allertiefste Ehrfurcht gegen die Bibel ein; überzeuget mich so kräftig von ihrem göttlichen Ursprunge, und verbindet mich ihr so innigst, daß ich, woferne ich mich selbst recht kenne, Blut und Leben für eine solche Religion, gerne, mit Freuden aufopfern wolte. Je mehr ich diesen ihren Unterrichtc49 – oder das Neue Testament, denn fast kein Blatt ist da, das nicht davon handelt, oder dahin füret, – betrachte, |b333| |c347| desto mehr füle ich den unaussprechlichen Adel und Wohltätigkeit der Religion, die zu bekennen ich das Glück habe. Desto mehr füle ich, wie Groß, wie Glücklich auch ich seyn würde, wenn ich das völlig wäre, wozu sie mich und alle Menschen machen will. Desto inniger durchdringet mich das unaussprechlich Trostvolle dieses ihres Unterrichts. Jedes Gesez Gottesc50, das mir so allerernstlichst Liebe gegen alle Menschen anbefiehlet, ist mir auch die zuverlässigste Probe, und die eindrücklichste Versicherung, daß Gott Liebe, die Innigste Liebe gegen mich hat!
O wie wohl, wie unaussprechlich wohl würde es um jeden Menschen, wie wohl um die Welt stehen, wenn diese Reden unsers sterbenden Freun|a355|des, unser ganzes Leben leiteten! Wenn wir so wie Er es uns hier empfiehlet, durch eine allgemeine, herzliche, grosmütige und unwandelbahre Menschen-Liebe; durch Treue und Fleiß in dem von Gott uns angewiesenen Beruf; und überhaupt durch menschenfreundlichen Gebrauch aller unsrer Kräfte und Güter, uns in beständiger Vorbereitung für Todt, Gericht und Ewigkeit erhielten! Nach dem zu urtheilen was ich empfinde wenn ich dieser Anweisung gemäsbc51 lebe, kan ich mir kein ruhigeres und glücklicheres Leben gedenken. An jedem Tage, getrieben durch dankbahre Liebe zu Gottc52, nach seinem Vermögen wenigstens etwas zur Beglükkung der Welt beitragen; indem man nüzliche Kentnissec53 ausbreitet; Arbeiten zur Bedürfniß, Vergnügenc54 und Gemächlichkeit andrer verrichtet; |b334| |c348| einen Bekümmerten zufrieden spricht; einer Witwe ihre Sorge abnimt; einen Waisen erziehet; seine Kinder unterrichtet; seine Familie versorget; seinen Characterbc55 ausbessert, sanfter, gütiger, nachsichtlicher macht,c56 oder auf andre Weise Freude und Wohlfarth in Gottesc57 grosser Familie, der Gesellschaft der Menschen, befördert! In jeder solcher christlichen That, Rede, oder Gesinnung, ein neues Siegel der Gnade Gottes und ein neues Unterpfand der Seeligkeit Seines Himmels sehen.c58 Den Todc59 ohne Schrecken erwarten! Ihn als seine glücklichste Veränderung betrachten! Sich die Allerglücklichste Todesart, einen Plözlichen Todt wünschen können! – In uns, ein gutes Gewissen und hundert Siegel der |a356| Gnade Gottesc60; /cUm /buns herb\ ∥b61 c\ ∥c62 eine Menge Menschen die uns lieben; Ueber uns, einen Allmächtigen Vater; und Vor uns, eine seelige Ewigkeit sehen. – – Kein grösseres Glück kan ich /cdir Leser!c\ ∥c63 und mir, und jedem Menschen wünschen!z\