Man kanc1 über allesc2 philosophiren, wovon sich erkennen läßt, wie es mit etwas andermc3 zusammenhängt (§. 2.), es mag die Frage das woher?ac4 oder /cwozu?c\ ∥c6 Ursachen oder Mittel, Wirkungen oder Absichten, /cbetreffen; und in so fernc\ ∥c7 eine Disciplin innerlich zusammenhängt, findet Philosophie beyc8 derselben /cstatt; es kana9 c\ ∥c10 eine Philosophie der Sprachen, der Geschichte, der Theologie und anderer Wissenschaften geben. Wenn aber Philosophie eine besondere Wissenschaft seyn soll:c11 so muß sie einen gewissen bestimmten Gegenstand haben, wodurch sie sich von andern Wissenschaften unterscheidet; und eben darüber, oder vielmehr über die Gränzen, die man ihr stecken soll, sindc12 die Meinungen /cso sehrc\ ∥c13 getheilt.
/cNatürlich. Denn manc\ ∥c1 hatte längst und viel philosophirt,a2 ehe man an eine besondere Wissenschaft dieses Namens dachte. Man hatte allmählichc3 durch Beobachtung und Nachdenken über /cdas menschlichec\ ∥c4 Leben und /cHandlungen *), beyc\ ∥c5 den sich stets aufdringenden Fragen: |c169| woher und wozu? das Allgemeine und Beständige, was sich beyc6 mehreren einzelnena7 Dingen und ihren steten Veränderungen wahrnehmen läßt, bemerkt,a8 und von andern Kenntnissen abgesondert, und war, nach dieser Absonderung, auf die Natur der Dinge gekommen, aus der sich allein Rechenschaft geben ließ, wie eines mit dem andern zusammenhänge. So entstand nach und nach eine besondere Wissenschaft, die nur allgemeine und nothwendige Wahrheiten zum Gegenstand hatte, welche man hauptsächlich in Rücksicht auf den Menschen und auf allesc9 betrachtete, was in seine Beschaffenheit und Veränderungen einen Einfluß hatte, so wie diese ganze Wissenschaft aus der Betrachtung des Menschen und der gedachten Dinge geschöpft worden war. Wie sich indessen die Menge der gemachten Entdeckungen über die Natur der Dinge vervielfältigte, und man also für nöthig fand, selbst allgemeine und nothwendige Wahrheiten verschiedener Art von einander abzusondern,c10 und sie in besondere Wissenschaften zu vertheilen; wie man bemerkte, daß es unter diesen allgemeinen und nothwendigen Wahrheiten einige gäbe, welche die Beschaffenheit, andere, welche das Maaß oder |b189| die Quantität der |a159| Dinge beträfen:a11 so sonderte man, nach diesem Unterschied, diese allgemeinec12 Wahrheiten von einander ab, überließ das, was die Quantität anging, der Mathematik, /cundc\ behielt ∥c13 der Philosophie bloß die allgemeine Beschaffenheit der Dinge vor. /a**)c14 a\
Und auch so schien noch immer der Umfang der Philosophie zu groß;c1 so wie man auf einer andern Seite fand, daß er sich noch mehr erwei|b190|terte, je nachdem man den Menschen, der doch eigentlich zu aller Philosophie Gelegenheit gegeben hatte, in verschiedenem Zusammenhange und ∥c2 allgemeinern Beziehungen betrachtete. Man bemerkte, daß er /cseinemc\ einem Theil ∥c3 nach, in die Classec4 der Körper, dem andern nach aber, in die Classec5 der /cvorstellungsfähigen und verständigenc\ Wesen /cgehörtec\ ∥c6; daß beydec7 Arten der Dinge, Körper und /cvorstellungsfähige Wesen oderc\ Geister, /czu eingeschränktenc\ ∥c8 Wesen gehörten, die man zusammen Welt nenntec9; daß es auch ein uneingeschränktesc10 Wesen, eine Gottheit, geben könnte,a11 und sich ohne diesesc12 das Daseyn der eingeschränktenc13 und zufälligen Wesen nicht begreifen ließe; daß man beyc14 der Seele des Menschen Vorstellungen und Neigungen unterscheiden könntea15, wovon jene das Wahre oder Falsche, diese das Gute oder Böse zum Gegenstand hätten; daß man eben sowohl die |c171| Natur von beydenc16 untersuchen, als darnach Regeln ∥c17 be|a160|stimmen könnteac18, das Wahre und Gute ∥c20 zu finden und auszuüben; daß /cman den Menschen vor sich undc\ ∥c21 in natürlicher Verbindung mit verschiednenc22 Arten von Gesellschaften betrachten könnte.ac23 Je nachdem man dieses alles von einander unterschied, und jeder Art solcher allgemeinen Wahrheiten eine /cbesondre Wissenschaftc\ ∥c25 widmete: je nachdem mußten /cverschiedne Theile der Philosophie, und es mußte, weilc\ ∥c26 man /cschonc\ einmal gewisse Arten von allgemeinen Wahrheiten von eigentlicher Philosophie ausgeschlossen hatte, /cdie Frage entstehenc\ ∥c27, ob ∥c28 nicht noch mehrere dergleichen Wahrheiten ganz von der Philosophie /c/akönnten |b191| abgesondert,a\ ∥a29 undc\ ∥c30 der Name der Philosophie ∥c31 nur auf /ceinige Artenc\ ∥c32, und auf /cwelche? eingeschränktc\ ∥c33 werden ∥c34?
Diese Verschiedenheit der Meinungen über den /cBegriff der Philosophiec\ ∥c1 wird dadurch noch mehr befördert, daß einige nichts darin aufgenommen wissen wollen, als sogenannte reine Vernunfterkenntniß, oder nur diejenigen allgemeinen Begriffe, diec2 die menschliche Seele aus sich selbst, aus der Betrachtung ihrer Eigenschaften und Veränderungen schöpfen kanc3, und was sich nach diesen Begriffen streng beweisen läßt. Hiedurchc4 würde das Gebiet der Philosophie sehr beschränkt werden, und man müßte alsdann, – weil man doch Ursach hat, überall, wo sich nur Zusammenhang denken läßt, zu philosophiren, und weil die meisten so nützlichena5 Kenntnisse der Natur keine solche Evidenz |a161| und strenge Herleitung allgemeiner Wahrheiten zulaßenac6 – wieder neue besondere Wissenschaften einführen, die danna7 doch größtentheils nur in der Methode von der eigentlichen Philosophie unterschieden /awärena\ ∥a8.
Da nun der Sprachgebrauch über den Begriff der Philosophie nicht entscheidend ist, /cund in dem gegenwärtigen Buchec\ ∥c1 die meiste Rücksicht auf die Gestalt der Wissenschaften /cgenommen werden mußc\ ∥c2, wie sie unter uns und beyc3 dena4 akademischen |b192| Studien genommen werden:c5 so scheint es das sicherstec6, die Philosophie nach dem Umfang und ∥c7 Gränzen zu /cnehmen, diec\ ∥c8 man ihr seit dem Ursprung der wolfischenc9 Philosophie angewiesen hat; und sonach möchte die Erklärung,a10 oder, wenn man will, Beschreibung der Philosophie /cdurch – diec\ ∥c11 Wissenschaft der Natur oder der allgemeinen Eigenschaften der Dinge überhaupt, und der geistigen, hauptsächlich der menschlichen, insbesondere,c12 – alle dazu gerechnetenc13 Theile und ihre allgemeine Absicht am bestimmtesten in sich fassen.
Der Nutzen ∥c1 der Philosophie ist augenscheinlich. Denn da sie uns über die Natur aller Dinge belehrt;a2 da sie den rechten Gebrauch aller unsrerc3 Kräfte zeigt;a4 da sich endlich alle Fragen, über die sich etwas Entscheidendesa5 sagen läßt, in die allgemeinen Begriffe und |c173| Grundsätze auflösen, die sie enthält: so ist sie der Grund aller andern Wissenschaften, in welchen ohne sie keine deutliche Gewißheit/a, so wie in Gesinnungen und Handlungen, |b193| die ja von Erkenntniß abhängen, keine rechte Vollkommenheit,a\ statt findet. Mit Recht heißt sie daher die Königin aller Wissenschaften; und sie verachten, heißt, alle Vernunft und Sicherheit im Denken und Handeln verachten. Ihr vielfältiger Nutzen wird sich noch mehr beyc6 ihren einzelnena7 Theilen angeben laßenac8.
Schon der ungemein große Umfang der Philosophie macht es nothwendig, die verschiedenen Hauptarten der Gegenstände, die sie untersuchen soll, von einander abzusondern, und nach Verschiedenheit solcher Hauptarten ihr verschiedene Theile zu geben, d. i. sie in besondrec1 Wissenschaften einzutheilen. Fast noch mehr sollte die verschiedene Art, wie wir zur Kenntniß dieser Gegenstände gelangen können, mit zu einer solchen Absonderung bewegen. Denn je nachdem diese Kenntniß entweder aus der Vernunft (im engsten Verstande) oder aus der Erfahrung geschöpft werden kann: je nachdem /ckan unsrec\ ∥c2 Erkenntniß von der Natur der Dinge allgemeiner und zuverläßigerc3 werden oder nicht. Soll nun vollends die Philosophie der Grund zu allen andern Arten von Kenntnissen und Wissenschaften werden (§. 171):c4 so ist es noch nothwendiger, das Allgemeine von dem, was dergleichen nicht ist, und das Gewisse oder Nothwendige von dem minder Zuverläßigenc5 zu trennen, damit nicht das Letztere, darum, weil man es willkührlich mit dem Erstern verbunden |b194| hat, für eben so gewiß und allgemein gehalten werde, als jenes, oder das Ansehnc6 jener vollkommnern |c174| Erkenntniß darunter leide, wenn man einsieht, daß die angebliche Allgemeinheit und Gewißheit andrerc7 damit in Verbindung gesetztenc8 Behauptungen ungegründet seyc9.
Es läßt sich also alle Erkenntniß, und folglich auch alle, welche die Philosophie ausmacht, 1) nach den verschiednenc1 Quellen abtheilen, aus welchen sie geschöpft werden kanc2; und hiedurchc3 ensteht der Unterschied zwischen Erkenntniß /ca prioric\ ∥c4, oder Vernunfterkenntniß, Rationalkenntnißc5, und zwischen der /ca posterioric\ ∥c6, aus der Erfahrung, oder /cempirischen Erkenntniß;c\ ∥c7 ein Unterschied, beyc8 dem so viel Mißverstand herrscht, mit dem so schwankende Begriffe verknüpft werden, der selbst eine Quelle so mancher Irrthümer und falschenc9 Voraussetzungen wordenc10 ist, daß er wohl,c11 auch hierc12 wegen des Folgenden, genauer angegeben zu werden verdient.
Wenn wir auf die Geschichte unsrerc1 Vorstellungen und Erkenntnisse, d. i. darauf Acht geben, wie wir sie erlangt haben: so ists immer die Erfahrung, /cunsre eignec\ ∥c2 oder fremde, aber uns mitgetheilte, Erfahrung,c3 (Wahrnehmung), die uns den Stoff, oder das, was wir erkennen, gegeben hat; und selbst alsdann, wenn man an|b195|nimmt, daß gewisse Vorstellungen schon in unsrerc4 Seele liegen, die uns nicht erst brauchen durch die Erfahrung zugeführt ∥c5 werden: so können doch diese nie Erkenntnisse werden, nie zu unserm Bewußtseyn kommen, nie können sie klar seyn, d. i. nie können wir das, was wir uns vorstellen (die bestimmten Gegenstände unsrerc6 Vorstellung) von der Vorstellung selbst unterscheiden, die wir uns davon machen, wenn nichts |c175| vorhanden ist, das auf unsrec7 Seele einen Eindruck gemacht (sie afficirt, Veränderungen in ihr hervorgebracht) hat. Alle unsrec8 Erkenntniß fängt also mit der Erfahrung an, und in so fern könnte man sagen:c9 daß alle unsrec10 Erkenntniß empirisch (oder a posteriori erlangt) wäre. Aber dieses berechtigt uns so wenigc11 sie so zu nennen, als wenn man alle Erkenntniß darum Erfahrungserkenntniß nennen wollte, weil wir sie als Handlung oder Veränderung in unsrerc12 Seele wahrnehmen. Allgemein wird doch ein Unterschied zwischen Erfahrungs- und Vernunftkenntniß, zwischen der a posteriori und ∥c13 priori, anerkannt; es ist nur genau zu bestimmen, worin er bestehe.
Der Deutlichkeit wegen setzen wir hier voraus:c1 daß alle unsrec2 Vorstellungen entweder aus und durch einen Gegenstand unmittelbar erzeugt werden, der sich unsrerc3 Seele (unserm innern Sinn oder den äussernc4 Sinnen) darstellt, /coder nicht unmittelbarc\ ∥c5. Jene, die sich unmittelbar auf den |b196| Gegenstand beziehen, der beyc6 uns die Vorstellung hervorbringt, nennen wir Eindrücke (Impressionen), oder, wie Andere lieber wollen, Anschauungen, welche innere oder äusserec7 sind, je nachdem sie vermittelst des innern Sinnes oder der äussernc8 Sinne entstehen,c9 und das Vermögen, dergleichen Anschauungen zu empfangen, ∥c10 die Sinnlichkeit. Die andern, welche nicht unmittelbar durch unsrec11 Sinne hervorgebracht werden, heissenc12 mittelbare Erkenntisse oder Begriffe, die anders nichts sind, als Vorstellungen von Merkmalen der durch die Sinne erkannten Gegenstände:c13 sie mögen nun bloße Wiederholungen oder Nachbildungen der gehabten Anschauungen, also Werkec14 der Einbildungskraft, /coderc\ ∥c15 Vorstellungen von solchen Merkmalen seyn, die wir /cbey mehrernc\ ∥c16 Gegenständen erkannt, von ihnen abgezogen, und in Einen Begriff vereinigt haben, also allgemeine Begriffe, die ein Werk des Verstandes sind; von dem auch alle Urtheile, d. i. die Einsicht des Verhältnisses mehrerer Begriffe gegen einander, abhängen. – Ob nun gleich alle diese Erkenntnisse – sie mögen einzelne, d. i. Anschauungen,c17 oder Begriffe, oder verbundnec18, d. i. Urtheile, seyn – Wahrnehmungen oder Erfahrungen voraussetzen, /cwobey vorhandnec\ ∥c19 Gegenstände uns zu den Vorstellungen geleitet haben: so sind doch diese Erkenntnisse keinesweges alle aus solchen Gegenständen, sondern aus dem ursprünglichen Vermögen der Seele selbst entstanden, so daß /cdiese Erkenntnissec\ ∥c20 nicht ∥c21 durch vorhandnec22 Gegenstände in die Seele hineingekommen, sondern |b197| von der Seele /cmit ihrem eignenc\ ∥c23 Vermögen entwickelt sind. Es giebt 1) Erkenntnisse, zu deren Erzeugung in uns schlechterdings erfordert wird, daß wir uns ein wirklich vorhandnesc24 Object vorstellen, z. B. einen Baum, ein Thier, ein Metall, Schmerz oder Lust, ja selbst ganze Sätze, als: daß die Bäume vom Frühling an grün sind, das Gold gelb und glänzend ist, daß alle Menschen sterben /cu. d. gl.c\ ∥c25 und, weil alsdann die Erkenntniß später ist als der Gegenstand:c26 so nennt man dieses,c27 Erkenntniß /ca posterioric\ ∥c28, empirische oder Erfahrungserkenntniß. Es giebt aber auch 2) Erkenntnisse, wozu eine Vorstellung von einem wirklich vorhandnenc29 Object, auf das sich unsrec30 Vorstellung bezieht, nicht erfordert wird, die also von aller Erfahrung schlechterdings unabhängig ist, z. B. der Begriff von Ursache, Nothwendigkeit,c31 und allen nicht sinnlichen Gegenständen, als Gott, Geist /cu. d. gl.c\ ∥c32 oder das Urtheil:c33 daß jede Wir|c177|kung oder jede Verändrungc34 eine Ursachc35 hat. Weil nun hier die Erkenntniß da seyn kanc36, ohne daß man sich ein wirklich vorhandnesc37 Object gedenktc38, und ehe man noch weiß, ob ein solches Object auch wirklich ist: so nennt man diese, Erkenntnisse /ca prioric\ ∥c39, oder auch Vernunfterkenntnisse, weil Vernunft das Vermögen ist, etwas aus Principien, /cd. i.c\ ∥c40 das Besondere aus dem Allgemeinenc41 zu erkennen, und eben diese Erkenntnisse a priori Gesetze oder Bedingungen sind, die aus der Natur unsersc42 Erkenntnißvermögens fliessenc43, ohne welche keine Erkenntniß der Objecte möglich ist.
Diese Erkenntniß a priori enthält entweder ganz und gar nichts Wahrgenommnesc1; es ist darin ganz von allen sinnlichen Merkmalen abgesehnc2, z. B. beyc3 dem Begriff von Zahlen an sich (nicht den Tönen oder Zeichen, wodurch sie ausgedrucktc4 werden), von Möglichkeit, von Gott etc. oder beyc5 dem Satz: jeder Körper ist ausgedehnt; oder es ist in ihr doch etwas /cWahrgenommnes (empirisches)c\ ∥c6 enthalten, wovon wir ohne Empfindung keinen Begriff haben. In jenem Fall nennt man sie reine Vernunfterkenntniß (Erk.c7 die schlechterdings a priori ist)c8; in diesem Fall aber vergleichungsweise oder vermischte Erkenntniß a priori. – Ist die Philosophie, oder ein Theil derselben, durchaus |c178| aus reinen Anschauungen oder Begriffen geschöpft, enthält sie lauter reine Vernunftsätze: so verdient sie den Namen einer eigentlichen Wissenschaft im strengsten Verstande. Stützt sie sich aber zugleich auf empirische Begriffe, wenn sie gleich nach reinen Vernunftgesetzen verknüpft sind: so ist sie eine empirische oder Erfahrungsphilosophie.
cAnm. 2. Folgende Eintheilung des ganzen Gebiets der Philosophie dürfte zur verständigen Uebersicht ihrer einzelnen Theile nicht undienlich seyn. In der Hauptsache trifft sie mit den Ansichten des Verfassers des Werks zusammen.
Uebrigens stellt fast jede Schule eine andere Classification auf. Der akademische Unterricht bleibt jedoch in der Regel bei den, besonders seit Wolf's Zeiten, beliebten Abtheilungen, und bringt das Ganze unter die Haupttitel: Logik, empirische Psychologie, Metaphysik, Naturrecht, Ethik oder Moral, Aesthetik. A. d. H.c a\
Man kann die Philosophie entweder nach den verschiedenen Gegenständen betrachten, mit welchen sie sich beschäftigt, oder nach der Art, wie darinn die Untersuchung derselben geschieht. – In jener (objectiven) Rücksicht theilt man sie in die theoretische oder, wie andere sagen, speculative, und in die praktische Philosophie. Denn, weil unsre Absicht bey aller Untersuchung und bey allem Gebrauche der Vernunft, Beförderung der menschlichen Glückseligkeit seyn muß, und die Philosophie eigentlich nur auf geistige Glückseligkeit abzielt, |a163| wozu die Kenntniß der Natur und besonders des Menschen gebraucht werden soll: so muß sie sowohl die Entdeckungen über die allgemeine natürliche Beschaffenheit der Dinge enthalten, als auch die Anwendung zur geistigen Glückseligkeit der Menschen zeigen; sie muß uns die Natur der Dinge kennen lehren und uns anweisen, wie wir der Natur folgen müssen.
Beyderley Philosophie muß unzertrennlich verbunden werden. Die praktische Philosophie ist ohne die theoretische unsicher und ungründlich; die theoretische ohne jene, kein Mittel zur menschlichen Glückseligkeit, und befriedigt bloß die Wißbegierde, die nicht einmal genugsamen Reitz hat, wenn sie nicht durch den zu hoffenden Einfluß des Gefundenen auf unsre Glückseligkeit immer zur Untersuchung ermuntert wird.a
Wenn man aber 2) (§. 173c1) die Philosophie nach der Verschiedenheit der Gegenstände, oder vielmehr der Begriffe von diesen Gegenständen, abtheilen will, welche sie untersucht: so beschäftigt sie sich entweder mit der Materie oder mit der Form des Verstandes, /cd. i.c\ ∥c2 sie betrachtet entweder die Objecte des Denkens, oder sie sieht von allen diesen ab, und untersucht bloß die Art und Weise, wie sich Objecte denken laßenc3, die nothwendigen und allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt. |b200| Jenen Theil der Philosophie kanc4 man daher den materiellen, diesen den formellen nennen, oder von jenem den Namen der Metaphysik (mit Kant, im engern Sinn) brauchenc5, so wie dieser Theil die Logik oder Vernunftlehre ist, die auch beyc6 den Alten /cDialektik genenntc\ ∥c7 wurde.
Gemeiniglich pflegt man jetzt zu der theoretischen Philosophie die Logik, (Vernunftlehre, Philosophiam rationalem) und die unter dem unbequemen Namen der Metaphysik zusammengefaßten Wissenschaften zu rechnen, auch beyderley Wissenschaften mit dem Namen der Philosophiae primae zu belegen, weil sie bey den praktischen Wissenschaften zum Grunde liegen. Die erstre heißt auch, aus dem §. 172. Anm. 1. angegebnen Grunde, die Instrumentalphilosophie.
Da die /cLogik 1)c\ ∥c1 die allgemeinenc2 Regeln, und zwar /c2)c\ des /cDenkens überhauptc\ ∥c3, enthalten soll (§. 177):c4 so muß man darin 1) von allen besondern Arten der Gegenstände absehen, auf die das Denken gerichtet ist, und bloß die Form des Denkens in Anschlag nehmen; sie muß eine allgemeine |b202| oder Elementar-Logik seyn, die den allgemeinen Gebrauch des Verstandes lehrec5; 2) müßtec6 sie, ohne Rücksicht auf diesen und jenen Verstand, nur die schlechthin nothwendigen Gesetze des Denkens in sich fassen, ohne die gar kein Gebrauch des Verstandes möglich ist,c7 sie müßtec8 also gar nicht auf Gründen unsrerc9 Erfahrung, sondern auf lauter Grundsätzen a priori beruhen, /cd. i.c\ ∥c10 eine reine Logik seyn. Indessen soll sie doch eigentlich den menschlichen Verstand in Erkenntniß der Wahrheit leiten, und daher unsernc11 Bedürfnissen angemessen seyn. Zu diesem Zweck muß sie also Vieles aufnehmen, was wir von unsern |c183| Kräften und den Regeln, wodurch diese geleitet werden, von deren Einschränkungen, von den in uns und unsernc12 Umständen liegenden Hindernissen der Erkenntniß der Wahrheit, von den uns möglichen Mitteln, Wahrheit zu finden und Irrthum zu vermeiden, nur aus der Erfahrung wissen, und daher Manches aus der Psychologie, und überhaupt aus der Anthropologie, entlehnen. Weil nun alsdann die allgemeinen reinen Verstandesgesetze auf den menschlichen Verstand, nach dessen Einschränkungen und Hindernissen, angewendet werden, dergestalt, daß gezeigt werden soll, wie unser Verstand auch beyc13 diesen Einschränkungen richtig denken solle: so nennen Manche, nach Kant (Kritik der reinen Vernunft S. 77) diese Anweisung, die sich auch mit auf empirische Grundsätze gründet, imc14 Unterschiede von der reinen Logik, die allein nur eine Wissenschaft im strengsten Verstande ist, diec15 angewandte Logik, welche alsdann noch |b203| immer eine allgemeine Logik ist, /cso fernc\ ∥c16 sie den rechten Gebrauch des Verstandes, ohne Rücksicht auf besondrec17 Gegenstände, lehrt, ob sie gleich, ausserc18 den allgemeinen Gesetzen des Denkens, auch die besondern für den menschlichen Verstand in sich faßt. – Der reinen und angewandten Logik /czusammen genommen (beydec\ ∥c19 mögen übrigens besonders vorgetragen oder vermischt werden), könnte man den Namen der Logik im weiternc20 Verstande geben.
Wenn uns die Logikc1 die allgemeinen und nothwendigen Regeln des Denkens überhauptc2 und |b205| ihre Anwendung auf den menschlichen Verstand lehren soll (§. 178):c3 so muß sie erstlich jene Regeln selbstc4 vortragen. Sie muß daher 1) zeigen, wie und nach welchen Gesetzen der Verstand verfährt (Logische Elementarlehre), und zu dem Ende theils den Unterschied des Verstandes von der Sinnlichkeit (§. 177c5 Anm. 2.), die verschiednenc6 Arten der Vorstellungen, und der Erkenntnisse insbesondre,c7 mit ihren verschiednenc8 Vollkommenheiten darstellen, theils die besondern Wirkungen des Verstandesc9 und dessen Wirkungen in Bildung und Beurtheilung der Begriffe, Urtheile und Schlüsse, mit den Regeln, wonach er dabeyc10 richtig verfährt, darstellen; und 2) lehren, wie diese einzelnen Wirkungen, Begriffe u. s. w. aufs deutlichste gemacht, und in eine solche Vereinigung gebracht werden, daß daraus ein möglichst vollkommnesc11 Ganze oder System der Erkenntniß entstehe (Logische Methodenlehre). – Hernach muß sie diese Regeln in Hinsicht auf die mannigfaltigen Einschränkungen des menschlichen Verstandes vorlegen, soc12 in der angewandten Logik oder in dem Theile derselben geschieht, worin sie, neben jenen allgemeinen Regeln, Erfahrungssätze zu Hülfe nehmen muß. Sie muß diese Einschränkungen selbst erklären, sie mögen von der Sinnlichkeit, welche die Gegenstände dem Verstande zuführt, oder von den Mängeln und Fehlern unsrerc13 Einbildungskraft und unsers Gedächtnisses, oder von der Unvollkommenheit unsrerc14 Aufmerksamkeit, |c186| oder den Mängeln und Fehlern der Sprache, und überhaupt der Zeichen, ohne die |b206| wir nicht denken können, oder von äusserlichenc15 Umständen herrühren. Sie muß die verschiednenc16 Arten und Quellen des bloßen Scheins der Wahrheit, der Irrthümer und des Mangels der Ueberzeugung, aufdecken, und zeigen, wie diese Fehler zu entdecken, oder wie ihnen abzuhelfen seyc17. Sie muß zugleich die Mittel angeben, wie man die Erkenntniß der Wahrheit erweitere;c18 was für Eigenschaften man selbst dazu mitbringen, und wie man einen richtigen Gebrauch von den Quellen der Wahrheit, sowohl der eignenc19 und fremden Erfahrung, als auch der Vernunft, machen müsse. Endlich muß sie auch lehren, wie man beyc20 Mittheilung der erkannten Wahrheit an Andere, zu verfahren habe.a\
Die Logik ist eine Wissenschaft von dem rechten Gebrauch der Vernunft. Weil dieser aber richtige Empfindungen und deren rechten Gebrauch voraussetzt, und er sich, eben sowohl in Ueberzeugung Andrer von erkannter Wahrheit, als in Auffindung der Wahrheit selbst, äussert: so bekommt sie dadurch einen weitern Umfang, als es nach jenem Begriff scheinen möchte. Sie sollte demnach zeigen: wie wir zu verschiednen Arten von Begriffen gelangen, daraus Urtheile bilden, und daraus Schlüsse herleiten; wie wir Wahrheit finden, und sie von dem, was falsch ist, oder nur wahr scheint, unterscheiden; wie wir überhaupt das Erkannte richtig ausdrücken, und auch Andern die erkannte Wahrheit so mittheilen sollten, daß sie davon überzeugt, und von falschen oder blendenden Vorstellungen zurückgebracht würden. Sie sollte also auch die |a166| verschiednen Arten der menschlichen Erkenntniß, ihre guten Eigenschaften und Fehler vorstellen, die Ursachen von beyden entdecken und die Mittel angeben, wie jene erhalten und befördert, diese verhütet, gehoben, oder doch vermindert werden können.a
Dera2 Nutzen /adieser Wissenschafta\ ist /agar nicht zu verkennen, /cso baldc\ ∥c3 man nur weiß, was sie istc4 und leisten kanc5, und den Werth dessen, was sie leistet, zu schätzen weißc6a\ ∥a7. /a– Was ist der Mensch, der keinen Verstand hat, oder, welches ohngefähr einerleyc8 ist, ∥c9 ihn nicht recht zu /cbrauchen weiß?c\ ∥c10 Wie unendlich vielen Verirrungen im Denken, und, da hievon auch die Verderbnisse des Herzens oder Willens nebst allen Ausschweifungen abhängen, die aus Fehlern in Begriffen, Urtheilen und Schlüssen entstehen,c11 wie sehr der Macht böser Neigungen und Eindrücke ist er ausgesetzt?c12 oft und alsdann unvermeidlich ausgesetzt, wenn er den Schein falscher Vorstellungen nicht von Wahrheit zu unterscheiden weiß.c13 Die Ursachen dieser |b207| Mängel, Verirrungen und Blendwerke kennen, und wissen, wie man sie entdecken und vermeiden soll, ist denn doch schonc14 der halbe Weg zur ∥c15 Glückseligkeit, auf denc16 man wenigstens nie sicher fortschreiten kanc17, ohne von richtigen Regeln des Verstandes geleitet zu werden. – |c187| Und sind diese Regeln der Probierstein aller Wahrheit; giebts keine Wissenschaft, wo sie nicht müßten zum Grunde liegen, um allesc18 danach zu prüfen,c19 und richtig zu verbinden; so bleibt die Logik zu jeder Wissenschaft, wozu sie die Vorbereitung enthält, wie zu aller Untersuchungc20 unentbehrlich. – Man hat es auch mit Recht als merkwürdig anerkannt, daß sie – wenn man allenfalls die Wegräumung einiger entbehrlichenc21 Subtilitäten, oder die Verbannung dessen, was andernc22 Wissenschaften angehört, oder einige genauere Bestimmungen und mehrere Regelmäßigkeit im Vortrag,c23 abrechnet – seit Aristotelesc24 Zeit keinen Schritt weder /chabec\ vor- noch rückwärts ∥c25 thun dürfen, undc26 also eine fast vollendete Wissenschaft zu seyn schienec27. – Nur muß man nicht mehr von ihr fordern, oder ihr mehr zuschreiben, als sie ihrer Natur nach /cliefern kanc\ ∥c28. Denn sie betriftc29 doch nur die Form der Erkenntniß (§. 177c30), und in ihr kommt die Materie oder ∥c31 Stoff zur Erkenntniß gar nicht in Anschlag (§. 178c32); dieser muß ihr also erst anderwärtsher gegeben werden, und sie prüft und verbindet ihn nur; auch gehört zur richtigen Erkenntniß eben sowohl Untersuchung ihres Inhalts, als ihrer Form. Ohne Kenntniß und Beobachtung der Regeln des /cVerstandes kanc\ ∥c33 also zwar |b208| keine sichrec34 Erkenntniß je erhalten werden; aber allein führt diese Kenntniß zur Wahrheit nicht; und wer es darauf anlegen wollte, ohne anderweitige Erkundigung nach den Gegenständen selbst, bloß mit der Logik die Gegenstände zu beurtheilen, oder gar neue Wahrheit zu erfinden, der würde sich und Andrec35 sehr betrügen, und höchstens die armselige Kunst zur Ausbeute bekommen, was er wollte, mit einigen Schein zu behaupten oder zu bestreiten.a\
Legta1 man /ahingegen dieser Wissenschaft nicht mehr beyc2, als bisher gesagt worden ist:c3 so wird man ihr auch nicht mit Recht die Vorwürfe machen /ckönnen: –c\ ∥c4 a\ ∥a5 daß sie, wenigstens so wie wir sie in den gewöhnlichen Lehrbüchern haben, das nicht leiste,a6 was sie sollte; /c–c\ daß sie hingegen mit vielen Spitzfündigkeitenac7 und unnützen Dingen angefüllt /csey; –c\ ∥c8 daß sie nur Gelegenheit gebe, Armuth an Kenntnissen durch den Schein tieferer Einsichten zu bedecken; /cund – daßc\ eine natürliche Logik ∥c9 weit mehr werth /cseya10 c\ ∥c11 als /aeine kunstmäßige. /c–c\ Der dritte Vorwurf triftc12 doch diese Wissenschaft selbst so wenig, als diejenigen, welche ihren vorhin bestimmten eingeschränkten Zweck und Werth erkennen; er triftc13 nur die, welche sich von ihr überspannte Begriffe machen, oder, anstatt die Regeln dieser Wissenschaften zu nutzen, um Wahrheit von Schein sorgfältig zu unterscheiden, geflissentlich darauf ausgehnc14, Blendwerke statt gegründeter Wahrheit unterzuschieben. – Aus |b209| den Lehrbüchern, diec15 diese Wissenschaften vortragen, ist doch schon vieles Entbehrliche und Fremde verbannt, in sie mehr Bestimmtheit und Ordnung gebracht, selbst reine und empirische Logik mehr von einander gesondert worden; und man hätte wohl Ursach, erst genau zu untersuchen, ob das, was noch von leerer /cSpitzfündigkeit sollc\ ∥c16 zurück geblieben seyn ∥c17, diesen Namen auch wirklich verdiene, ehe man etwas für unnütz oder für leeres Spielwerk erklärt. – Endlich, eine natürliche Logik, die von einer künstlichen unterschieden seyn soll, kanc18 doch anders nichts seync19 als eine Sammlung von richtigen Gesetzen des Denkens, die man sich nur nicht deutlich, oder nicht als Theile eines wohl zusammenhängenden Ganzen, denkt; so wie die kunstmäßige, wenn man sie nicht, aus Unwissenheit, oder um |c189| sie nur verächtlich zu machen, anders sich oder Andern vorstellt, als wie sie wirklich ist, nichts anders seyn kanc20, als ein wirkliches System der Regeln des Verstandes. Und alsdann übertriftc21 letztere die erstrec22 eben so sehr, als deutliche und zusammenhängende Erkenntniß die undeutliche und fragmentarische. Eine solche Logik macht uns nicht nur auf Vieles aufmerksam, was wir sonst wohl übersehen hätten, sondern sie sichert uns auch fürc23 der Gefahr, Schein für Wirklichkeit zu nehmen; sie führt zu allgemeinen Sätzen, die beyc24 jeder Art von Erkenntnißc25 und in allen Fällen, wo wir denken und untersuchen, unentbehrlich sind; sie erspart uns also auch Umwege, und macht unsrec26 Tritte sicherer.a\
Indessen istc1 die Logikc2 doch nur eigentlich der Vorhofc3 zur Philosophie, oder sie rüstet den Verstand, der die Natur der Dinge untersuchen will, nur mit den Regeln aus, ohne welche er nicht richtig und sicher verfahren kanc4. Die eigentliche Philosophie hingegen enthält die Kenntniß der Natur selbst, oder beschäftigt sich mit Begriffen, die nicht auf die Form des Verstandes, sondern auf die Dinge oder Objecte selbst gehnc5. Diese materielle Philosophie (§. 177.) nennen einige:c6 Metaphysik im engern Verstande, weil sie ebendenselben Namen im weitern Verstande, aller |c190| reinen Philosophie, die Logik also mit einbegriffen, geben; und sie würde dann eben sowohl das in sich fassen, was man zur praktischen, als was man zur theoretischen Philosophie,c7 zu rechnen pflegt. Gemeiniglich aber nimmt man Metaphysik so, daß man sie noch eben sowohl von der praktischen Philosophie, als von der Logik,c8 unterscheidet. Diesc9 wäre also der engste Sinn des Worts (§. 177c10 Anm. 1.), der noch eine weitere Erläuterung verdient.
Alle vernünftige Wesen haben, als solche, das Vermögen, sich in ihren Handlungen unmittelbar nach der Vernunft zu bestimmen,c1 und darin besteht eben, was man praktische Freyheitc2 oder Freyheitc3 des Willens nennt, so wie sittlich, moralisch, praktisch, allesc4 was sich auf |b211| diese Freyheitc5 bezieht. /cSo fernc\ ∥c6 sich die Philosophie mit diesem Sittlichen beschäftigt, oder mit dem, was nach der Vernunft seyn und geschehen soll, heißt sie /cdiec\ praktische /cPhilosophie, so fernc\ ∥c7 sie aber davon absieht, und das untersucht, was ist oder seyn kanc8, heißt sie die theoretische oder speculative. Soll beyderleyc9 Philosophie eine eigentliche Wissenschaft im strengsten /cSinn seyn:c\ ∥c10 so muß sie sich nur auf Begriffe des reinen Verstandes stützen, und nur reine Vernunftsätze enthalten (§. 176c11). Dergleichen theoretische Philosophie heißt, /cbey Kant *),c\ ∥c12 Metaphysik der Natur, und dergleichen praktische, Metaphysik der Sitten.
Man sollte 2), zumal wenn man noch kaum selbst zu denken angefangen hat, sich sehr hüten, nichts als unnütz oder als leere Spitzfindigkeit zu verachten, ehe man nicht, durch lange Uebung und Aufmerksamkeit in genauer Untersuchung, den rechten Werth aller Bestimmungen und Regeln, die diese Wissenschaft giebt, schätzen gelernt hätte. Man würde ohnehin, bey mehrerer Bekanntschaft mit verschiedenen Schriftstellern, welche diese Wissenschaft bearbeitet haben, bald finden, daß manches nur durch die Bedürfnisse gewisser Zeiten nothwendig gemacht würde, und daß Vorwürfe überflüßiger Spitzfindigkeiten jene Schriftsteller nicht so treffen, wie andre sonst grosse Köpfe, die in der ersten Dämmerung dieser Wissenschaft eben bey zu angestrengten Blicken manchen Dunst für etwas Wirkliches ansahen, den ihre Nachfolger hätten für das ausgeben sollen, was es war, und es zum Theil auch wirklich gethan haben.
Zur Decke armseliger Kenntnisse wird 3) niemand diese Wissenschaft brauchen, wer sie nur für das nimmt, wofür sie jeder Vernünftiger ausgiebt, für Werkzeug oder vielmehr für eine Wegweiserin auf dem dornichten Wege gründlicher Untersuchungen. Je mehr man seine Kenntnisse zu erweitern sucht, und je mehr man dadurch überzeugt wird, daß sich kein Werkzeug brauchen läßt, wo es an genugsamen Stoff fehlt, den man be|a168|arbeiten kan, und daß selbst eine lange achtsame Uebung dazu gehöre, um zu lernen, wo man gewisse Werkzeuge anwenden kan oder nicht: je weniger wird man in Versuchung seyn, diese schätzbare Wissenschaft am unrechten Orte oder gar als Spiel der Eitelkeit zu gebrauchen.
Und wenn es gleich wahr ist, daß Kunst ohne Natur nichts vermag: so ist es doch 4) eben so wahr, daß Natur durch Kunst unterstützt, weiter kommen und sichrer gehen kan, als wenn sie dieser Unterstützung entbehren muß. Die Vernunftlehre als Kunst betrachtet, folgt keinen andern Regeln als die natürliche Logik. Aber diese verhält sich zu jener fast wie blosse Empfindung zu bedächtigem Nachdenken. Das letztere macht uns erst auf vieles aufmerksam, was wir sonst übersehen hätten; es berichtigt die Empfindung, die zu leicht in Gefahr ist Schein für Wirklichkeit zu nehmen; es führt mehr zu allgemeinen Sätzen, die untentbehrlich sind, wo man in ähnlichen Fällen ähnlich verfahren soll; es erspart uns also auch Umwege, und macht unsre Tritte sicherer.a
Unter dem ∥a2 Namen der /aeigentlich sogenannten Metaphysik (§. 183c3 Anmerk. 1c4)a\ ∥a5 begreift /aman,a\ ∥a6 seitdem ∥a7 Wolf /asiea\ bearbeitet hat, die Ontologie, Kosmologie, Psychologie und ∥a8 natürliche /aTheologie; und wie diese Wissenschaften zusammenkommen, desgleichen wie sie von einander verschieden sind, läßt sich auf folgende Art fassen. Die Metaphysik beschäftigt sich entweder mit Begriffen von Dingen überhaupt, oder mit Begriffen von besondern Dingen. Jenem Theilc9 oder Wissenschaft hat man deswegen den Namen der Ontologie, auch der Transscendentalphilosophie, zugeeignet; hingegen diesen Theil, der die dreyc10 letztgenannten Wissenschaften unter einem gemeinschaftlichen Namen zusammenfassen könnte, nennt Kant rationale Physiologie.a\
Alles was ist, oder alle Dinge, haben /aManchesa\ ∥a2 mit einander gemein. Wenn man /a/cdiesesc\ ∥c3 allen Dingen /cGemeine absondertec\ ∥c4, und die |b213| allgemeinsten Begriffe und Gesetze in Eine Wissenschaft vereinigtec5: so würdec6 daraus die /cOntologie entstehen, und sie würdec\ ∥c7 mit Recht die Grundwissenschaft und Mutter aller Wissenschaften heissenc8, weil dieses Allgemeine beyc9 allem Besondern zum Grunde liegen muß, ohne sie also eine eigentliche Wissenschaft nicht einmal nöthigc10 ist.a\
Zu verwundern ists indessen nicht, daß diese Wissenschaft so viele ungerechte Verachtung erfahren /achat. Dennac\ ∥ac2 keine Wissenschaft /aliegta\ von den gemeinnützigen Kenntnissen so weit entfernt ∥a4, und /aziehta\ sich so weit auf die einfachsten Begriffe und Sätze zurück ∥a5, als /adiese. Die wenigsten Menschen besitzen Fähigkeit oder Geduld genug,a\ ∥a6 sich bis zu diesen feinsten und ganz unsinnlichen Vorstellungen zu /aerheben. /cUnd manchec\ ∥c7 Verehrer der Ontologie ∥c8 habena\ ∥a9 sich so sehr von anschauenden Vorstellungen /aentwöhnt;c10 haben sicha\ ∥a11 um andrec12 Gegenstände der menschlichen Erkenntniß /aso wenig bekümmert;a\ ∥a13 oder gar sich im Stande zu seyn eingebildet ∥a14, über Allesa15 zu entscheiden, weil sie sich im Besitz einer Erkenntniß der allgemeinen |a172| Beschaffenheit aller Dinge zu seyn /aglaubten; oder sie haben in dieser Wissenschaft so Vielesc16 zu leisten übernommen, was sie weder wirklich leisteten, noch zu leisten vermochten, daß hinterher diesec17 Wissenschaft selbst das entgelten mußte, was ∥c18 ihre Verehrer verschuldet /chatten *).c\ ∥c19 So wahr es indessen ist, daß man sich nirgends leichter, als /cbey dieser Wissenschaftc\ ∥c20,a\
Die übrigen dreyc1 Wissenschaften, welche §. 184c2 zur theoretischen Philosophie gerechnet wurden, und darin mit einander übereinkommen, daß sie sich nicht mit Begriffen von Dingen überhaupt, sondern mit Begriffen von besondern Dingen beschäftigen, bekommen eine ganz andere Gestalt, |b216| je nachdem man diese Theile der Philosophie entweder zu strengen Wissenschaften erheben, d. i. nur reine Anschauungen, Begriffe und Sätze darin aufnehmen, oderc3 auch mit auf Erfahrungen und Erfahrungssätze bauen will (§. 176c4). – In jenemc5 Fall laßen sich vierc6 verschiedene Wissenschaften denken. Denn entweder sind die Gegenstände dieser Wissenschaften Dinge, welche /ckönnenc\ |c195| wahrgenommen oder erfahren /cwerden,c\ ∥c7 (sie sind uns, um mit Kantc8 zu reden, immanent, und gleichsam einheimisch), oder sie können dies gar nicht, sondern gehen über alle uns mögliche Erfahrung hinaus,c9 (sie sind transscendent). – Im erstern Fall bauet man nicht etwa auf Erfahrung,c10 (denn so wären es ja nicht reine Begriffe), man nimmt nur aus dieser Erfahrung einen Gegenstand des äussernc11 oder innernc12 Sinnes, mit dessen Untersuchung sich die Wissenschaft beschäftigt, ohne noch etwas Mehreres ausserc13 den bloßen Begriff, aus der Erfahrung zu entlehnen. Und da allesc14, was wir durch Erfahrung kennen, entweder Materie, etwas Ausgedehntes, oder Geist, etwas Denkendes, ist, und jenes, d. i. die körperliche Natur, durch die äussernc15 Sinne erkannt wird, dieses aber, nemlichc16 die denkende Natur, durch innern Sinn: so entsteht eine Wissenschaft der körperlichen Natur, d. i. die Physik, oder vielmehr rationale Physik, oder metaphysische Naturwissenschaft, und eine andere Wissenschaft der denkenden Natur, d. i. rationale Pnevmatologiec17, worunter die Wissenschaft unsrerc18 denkenden Natur, oder unsrerc19 Seele, unter dem Namen /cder |b217| rationalenc\ ∥c20 Psychologie, mit begriffen ist. – Wenn hingegen, in dem vorhinerwähnten zweytenc21 Fall, der besondrec22 Gegenstand, der in der Metaphysik untersucht werden soll, ausserc23 den Gränzen aller Erfahrung liegt:c24 so begreift dieser zum Grunde liegende Begriff entweder Alles, was sich als existirend denken läßt, als ein Ganzes betrachtet, das man daher das Universum oder die Welt nennt, oder das Wesen, welches man sich als den absoluten Grund der Welt denkt. Jene Wissenschaft würde die Kosmologie oder transscendentalec25 Welterkenntniß; |c196| diese, die rationale Theologie, oder transscendentale Gotteserkenntniß seyn.
So wahr es indessen ist, daß nur reine Philosophie eine eigentliche strenge Wissenschaft giebt, |b218| und so nützlich es daher bleibt, wenn man Wissenschaften in einem weitern Verstande so abhandelt, daß der bloß reine Theil derselben von dem Theile abgesondert werde, der empirische Kenntnisse zu Hülfe nehmen muß: so würde doch der Inhalt der Philosophie alsdann, wenn man ihn nur auf reine Kenntnisse einschränken wollte, gar zu dürftig seyn, und für das menschliche Leben zu wenig brauchbar werden (§. 169c1); und wohin anders sollte man den reichen Schatz von Kenntnissen, den uns die Erfahrung über die Natur darbietet, schlagen, |c197| als zur Philosophie? Wir werden also im Folgenden auch immer dieses Empirische mit zu den einzelnen Theilen der Philosophie rechnen.
Auch muß man wenig mit dieser Wissenschaft und den Werth bestimmter Begriffe und Ausdrücke bekannt seyn, wenn man sie für nicht viel mehr als ein Wörterbuch hält und deswegen geringschätzt. Dies ist sie nicht, denn sie enthält auch die allgemeinsten Grundsätze der menschlichen Erkenntniß. |a173| Und, da sie eben die Begriffe aufklären muß, worin sich endlich alle andre auflösen lassen, hierauf aber die Deutlichkeit und Sicherheit der menschlichen Erkenntniß beruht: so ist ihr Verdienst um diese, eben durch diese sorgfältige Erklärung der Begriffe, unstreitig, und sie deswegen so wenig verächtlich, als diese Haupttugenden der Erkenntniß selbst; behagt aber denenjenigen nicht, die weder diese wichtigern Eigenschaften schätzen, noch sich über das Sinnliche erheben können. Wie wohl würde es um die menschliche Erkenntniß stehen, wenn sie sich immer auf so bestimmte Begriffe gründete, und man der Ontologie die Genauigkeit auch in dem Gebrauch der Wörter ablernte!a
Weil in der /aPhilosophie über unsrec2 Seele und über Gott Vielesa\ ∥a3 nicht recht deutlich erklärt werden kanc4, wenn nicht der Begriff von der Welt, d. i. ∥c5 dem Inbegriffa6 aller zu einem Ganzen vereinigten endlichen Dinge, die wirklich sind oder seyn köntenc7, vorher entwickelt ist, und ihre Eigenschaften und Gesetze bestimmt sind: so fand Wolf für gut, dieses in eine besondere Wissenschaft zu ziehen, die daher den Namena8 der allgemeinen Kosmologie bekam, weil sie das, was allen Welten gemein seyn muß, und nichta9 wie die besondere Kosmologie, nur das, was wir aus Beobachtung der wirklichen Welt erkennen, enthalten sollte. Ihr Nutzen ergiebt sich aus ihrem Verhältniß gegen die eben genannten beydenc10 Theile |b219| der /cMetaphysik von Gottc\ ∥c11 und der /cSeele des Menschenc\ ∥c12.
Einen viel /cweit reichendernc\ ∥c2 Nutzen würde die Seelenlehre (Psychologie) selbst haben, da /csichc\ kein Theil der theoretischen Philosophie ∥c3 unsern Bedürfnissen näher /candringtc\ als sie ∥c4. Zu ihrer Kenntniß kanc5 man auf zweyc6 Wegen gelangen. Man kanc7 zuerst die verschiedenen Veränderungen in der Seele beobachten, diese Beobachtungen sammlenc8, mit |c198| einander vergleichen, dadurch deutliche Begriffe davon gewinnen, ihre Kräfte, oder vielmehr die verschiednenc9 Arten, wiec10 sich die einzige Kraft der Seele äussertc11, und die allgemeinen Gesetze zu entdecken suchen, nach welchen unsrec12 Seele beyc13 jeder Art ihrer Wirkungen verfährt. So entstünde eine Naturgeschichte der Seele, welche man die empirische Seelenlehre nennt, weil sie aus der Erfahrung ∥c14 geschöpft worden ist. Hätte man jene Kräfte und Gesetze entdeckt, und gefunden, daß sich alle wahrgenommene verschiedene Kräfte derselben auf die einzige Vorstellungskraft zurückbringen laßenac15: so könnte man hernach wieder aus diesem Begriff und den entdeckten Gesetzen, nach welchen sie verfährt, neue Entdeckungen über die Seele herleiten,a16 und daraus eine Wissenschaft bilden, welche den Namena17 der wissenschaftlichen oder erklärenden Seelenlehre (Psychologiaec18 rationalis) bekommt.
Die Glückseligkeit des Menschen beruht auf der Kenntniß seiner selbst, seiner Kräfte, des Verhält|a175|nisses andrerc2 Dinge gegen ihn, und der nützlichen oder schädlichen Wirkungen, welche aus dem verschiednenc3 Gebrauch seiner Kräfte und dem Einfluß andrerc4 Dinge /aauf ihna\ ∥a5 entstehen. Diese Kenntniß belehrt ihn über das, was er zu seinem Besten vermag oder nicht; über seine Mängel und Fehler; über seine Fähigkeiten und Vorzüge; unda6 die Mittel jenen vorzubauen, sie zu heben, zu vermindern oder ihnen doch die unschädlichste und vortheilhafteste Richtung zu geben, seine Fähigkeiten hingegen zu verstärken, wirksamer zu machen, und sie zur Erreichung seiner höchst möglichsten Vollkommenheit zu lenken; über den |b221| Werth aller Dinge für ihn, der anders nicht als nach ihrem mehrern oder mindern Einfluß auf seine Glückseligkeit bestimmt werden kanc7; endlich über die Mittel, /calles ausserc\ ∥c8 sich zu seinem Besten zu verwenden. /c–c\ Alle unsrec9 Kenntniß der Wahrheit und der wirklichen Beschaffenheit der Dinge sowohl, als die Verschiedenheit des |c200| Grades von Deutlichkeit, Gewißheit und Wirksamkeit gewisser Begriffe und Sätze, gründet sich auf die besondrec10 Beschaffenheit unsrerc11 Seele, auf die Gesetze unsersc12 Denkens und Wollens, und auf die größerea13 oder geringere Fähigkeit, nach demselbena14 unsrec15 Seelenkräfte zu gebrauchen. /cIn so fernc\ ∥c16 hängen alle theoretische und praktische Wissenschaften von nichts so sehr ab, als von der rechten Bekanntschaft mit unsrerac17 Seele; diejenigen am meisten, die sich mit dem Menschen und dessen Regierung, mit Beförderung seiner Gemüthsruhe und seiner Besserung beschäftigen. /c–c\ Für den Lehrer der Religion /cinsbesondrec\, der eben durch die Religion Andreac19, |a176| ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen nach, aufs weiseste leiten soll, ist sie ganz vorzüglich nöthig, wenn er diese wohlthätige Absicht, wozu er arbeiten muß, erreichen will.
Um so mehr muß man stets darnach trachten, die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich beyc2 Erforschung der menschlichen Seele in den Weg legen, und eben deswegen sie auch kennen zu lernen suchen; zumala3 /c–c\ da der Mensch gemeiniglich in dem Wahn steht, nichts besser als sich selbst zu |b222| /ckennen, –c\ ∥c4 da die Einbildung, ein Menschenkenner zu seyn, immer weiter,a5 und am meisten beyc6 denen um sich greift, die sichs bewußt sind,a7 daß sie wenig Kenntniß der Dinge ausserc8 den Menschen /cbesitzen, –c\ ∥c9 und dac10 die, welche am ersten Gelegenheit und Aufforderung hätten, Menschen kennen zu lernen, d. i. die, welche sich mit dem praktischen Leben und mit gleich anwendbaren Untersuchungen beschäftigen, mehrentheils nicht die Geduld haben, erst die Erfahrungen zu zergliedern oder zu läutern, und zu sehr gewohnt /asind, Allesa\ ∥a11, was sie beobachtet haben, gleich anzuwenden, als daß sie |c201| sich nicht mit oben abgeschöpften, einseitigen und halbwahren Beobachtungen begnügen sollten.
Diese Schwierigkeiten zeigen sich entweder beyc2 der Beobachtung selbst, oder beyc3 ihrer Ent|a177|wickelung und Anwendung. Zu jener Art gehört unter /candern: –c\ ∥c4 daß entweder gewisse Veränderungen unsrerc5 Seele zu selten und zu unerwartet sind, als daß man sie anhaltend und wiederholt beobachten könnte, zumal da sie eben wegen des Ausserordentlichenc6 mehr betäuben, als ein stilles und bedächtiges Anschauen erlauben, oder zu gewöhnlich, als daß sie unsrec7 Aufmerksamkeit genug /creitzten; –c\ ∥c8 daß viele Veränderungen und Zustände unsrerc9 Seele sich kaum beobachten laßenac10, weil es uns entweder zu der Zeit, wo sie vorgehen und da sind, am Bewußtseyn, wenigstens am deutlichen Bewußtseyn, fehlt,c11 oder weil sie so |b223| schnell auf einander folgen, vorübergehnc12, und unter einander abwechseln, daß man sie nicht genug festfassen kanc13, oder weil selbst durch die angestrengte Aufmerksamkeit ihr Zusammenhang oder doch die Bemerkung desselben unterbrochen /cwird; –c\ ∥c14 daß insbesondrec15 die dunkeln Vorstellungen der Seele, und alle dadurch bestimmte Neigungen und Abweichungen, sowohl als ihr Zusammenhang mit dem Körper, so ganz oder zum Theil im Dunkeln liegen, und eine so unsichtbare Gewalt über andere Vorstellungen ausüben, daß sich weder sie selbst, noch ihr Zusammenfluß, noch ihre wechselseitig mitgetheilte Stärke, noch die Gesetze, wonach die Seele dabeyc16 wirkt, entdecken /claßena17; –c\ ∥c18 daß endlich /cbeyc\ ∥c19 den Veränderungen der Seele so viele und oft ganz kleine und unmerkbare Ursachen zusammen kommen und in einander fließena20, die sich unserm Blick entziehen, und die keine Scheidungskunst völlig sondern kanc21.
Ließea2 sich aber auch dieses aufs Reine bringen, und man hätte allen Stoff von Wahrnehmungen beysammenc3, der nur noch verarbeitet, und dennc4 gebraucht werden dürfte: so würden wieder beyc5 dieser Behandlung des Gesammletenc6 neue Schwierigkeiten entstehen. /c–c\ Sind uns ∥c7 alle beyc8 einer Veränderung der Seele zusammenstoßende Umstände, wenn wir sie auch kennen gelernt hätten, beyc9 der einzelnena10 Betrachtung und beyc11 der nachmaligen /cWiederzusammensetzung gleich gegenwärtig?c\ ∥c12 selbst nach ihrem Unterschied, nach ih|b224|rem wechselseitigen Einfluß, nach ihrem eingeschränkten Beytragc13 zur Hervorbringung einer bestimmten /cWirkung? und laßena14 c\ ∥c15 sich die einzelnena16 verschlungenen Fäden so aus einander wickeln, daß nicht dadurch das Ganze zerrissen, oder die Einsicht in die Totalwirkung vertilgt wird? /c–c\ Läßt sich ∥c17 da, wo allesc18 nach mechanischen Gesetzen zu erfolgen scheint, und nichts von der eignenc19 Mitwirkung der Seele bemerkt wird, auch die Thätigkeit der Seele /cdabey leugnen? –c\ ∥c20 Läßt sich ∥c21 auch beyc22 einer Menge von gleichscheinenden Fällen abnehmen, was beyc23 den Ursachen und Wirkungen einer Veränderung wesentlich, und was bloß zufällig /csey? –c\ ∥c24 wie weit man allgemeinec25 Schlüsse daraus ziehen könne?
/cMit alle dem müssen unsc\ ∥c2 diese Schwierigkeiten ∥c3 nicht muthlos machen; es ist doch ein großera4 Gewinnstc5, wonach wir ringen, und schon der bisherige, |a179| selbst die Erwartung beyc6 so großena7 Schwierigkeiten übersteigende,c8 glückliche Fortgang solcher Untersuchungenc9 muß uns ermuntern. Je mehr man derc10 Natur /cauflaurenc\ ∥c11, und ihr /cbey verschiednenc\ ∥c12 Menschen, in sehr verschiednenc13 Lagen, besonders in noch |c203| ungebildeten Kinderseelen, nachspüren wird; je mehr der Reichthum, die Bestimmtheit und die wirklich philosophische Behandlung der Wissenschaften überhaupt, besonders der Physiologiec14, der Vernunftlehrec15, und, was hier am meisten übersehen wird, der Sprachenc16 und ihrer allmähligen Bildung, zunehmen wird; je |b225| mehr die, welche sich mit Menschenkenntniß abgeben wollen, sich zur anhaltenden Aufmerksamkeit, zur langsamen, bedächtigen und geduldigen Untersuchung sowohl, als zur Vorsichtigkeita17 und Bescheidenheit gewöhnen; und je mehrerec18 auf diese Art an der Erweiterung der Seelenlehre arbeiten: /cje einc\ ∥c19 weiteres Feld wird sie gewinnen, /cund jec\ ∥c20 sicherer ihr Eigenthum werden.
Ein guter Theil der Mängel und Schwierigkeiten in der Seelenlehre kanc2 durch die Art der Behandlung gehoben werden, die in der erklärenden Psychologie (§. 190ac3) herrscht, und diese dadurch von der empirischen unterscheidet. Denn da sie die Veränderungen der Seele aus dem mit Hülfe ontologischer Grundsätze entdeckten Begriffa5 der Seele und den Gesetzen der Vorstellungskraft erklärt:c6 so ersetzt sie nicht nur die Kenntnisse, die sich nicht aus der Erfahrung ableiten laßen,ac7 z. B. |a180| die, welche ihr künftiges Schicksal betreffen: sondern sie setzt auch das, was die Beobachtung entdeckt, mehr ausserc9 Zweifel, bestimmt die Allgemeinheit desselben, und bringta10 dadurch die Seelenlehre /aeiner eigentlichena\ ∥a11 Wissenschaft /anähera\. Freylichc12 ist selbst der Begriffa13 der Seele erst aus Beobachtungen abgeleitet, und es läßt sich nichts bearbeiten, wo kein Stoff dazu vorhanden ist, den die Beobachtung giebt; es läßt sich auch nicht leugnenc14, daß man diese letztrec15, zumal ehedem, zu wenig |c204| brauchte, und daß man leicht in Versuchung kommen kanc16, das, was an bewährten |b226| Grundsätzen abgeht, durch Hypothesen zu ersetzen, oder die großea17 Kluft zwischen den höhern Grundsätzen und einzelnena18 Veränderungen der Seele zu überspringen. Aber diese Fehler sind doch vermeidlich, die wohlthätige Einschränkung und Leitung der Phantasie durch jene höhere Grundsätze doch unleugbarc19, und die Verbindung der Beobachtung mit deren Läuterung durch allgemeine Grundsätze kanc20 nicht anders als beydenc21 sehr vortheilhaft seyn.
Unter allen Geistern oder denkenden Wesen ist doch /ckeines, ausserc\ ∥c1 uns selbstc2, dessen Erkenntniß so viel Anziehendes hätte, und zu dessen Untersuchung, ob und was es sey?c3 vornehmlich ob und in welcher Verbindung es mit uns /cstehe? unsrec\ ∥c4 Vernunft ∥c5 ein so dringendes /cBedürfniß fühltec\ ∥c6, als der /callervollkommenste Geistc\ ∥c7, den wir /cuns unterc\ ∥c8 dem Namen Gottes vorstellenc9. Es ist ei|b227|nem jeden Menschen, der über sich, sein Schicksal und sein Verhalten nachdenkt, und, vermöge des Dranges, den er als ein vernünftiges Wesen fühlt, /cnie eher zu ruhen, als bis er dahin gekommen ist, wo ihm keine Frage nach dem Grundec\ ∥c10 der Dinge /cmehr dringend scheint, einem solchen, sag' ich, istsc\ ∥c11 natürlich, mit seinen |c206| Untersuchungen bis auf irgend ein Wesen /cfort zu gehen, beyc\ ∥c12 dem seine Vernunft mit Fragen /cstill stehenc\ ∥c13 muß, beyc14 dem er voraussetzen kanc15, daß es nicht wieder von einem andern Wesen abhänge, sondern schlechthin der Grund von allen andern wirklichen Wesen seyc16, und daß es solche Eigenschaften habe, ohne deren Voraussetzung sich die Eigenschaften und Veränderungen, die er an sich und in der Welt wahrnimmt, nicht befriedigend erklären laßenc17. Diese Vorstellung von Gott, die allein ihn in Absicht auf seine vernünftige Erkenntniß befriedigt, hat eben so natürlich ein großes Interesse für ihn, und wirkt auf seinen Willen. Er sieht bald ein, daß zum Theil seine Glückseligkeit in seiner Gewalt stehe; /cin so fernc\ ∥c18 ihm seine Vernunft gewisse Gesetze zu erkennen giebt, nach welchen er handeln soll, und denen er auch gemäß /czu handelnc\ ∥c19 für nothwendig (für seine Pflicht) erkennt; /cin so fernc\ ∥c20 er eben sowohl ihnen folgen, als das Gegentheil thun kanc21 (d. i. freyc22 ist); und /cin so fernc\ ∥c23 er, wenn er ihnen folgt, gewiß wohl, und, wenn ers nicht thut, übel fährt. Er findet aber /ceben sowohlc\ ∥c24, daß er nicht ganz Herr über seine Glückseligkeit seyc25, da diese so oft von den Umständen abhängt, die er |b228| nicht ändern kanc26, sondern sie nehmen muß, wie sie sind. In dieser letztern Hinsicht ist es dem Menschen gar nicht gleichgültig, ob das, was in der Welt vorgeht, und besonders sein Schicksal, vom bloßen Zufall, oder von Nothwendigkeit, gegen welches beydesc27 Vernunft und Gefühl eines freyenc28 Willens so laut spricht, oder von einem eben so höchst weisen und gütigen als allmächtigen Wesen abhängt. Eben so wenig ist es ihm gleichgültig, in Rücksicht auf das erstrec29, ob, beyc30 der Einsicht seiner Pflicht und dem Drangc31 dazu, Pflicht und Glückseligkeit in stetem richtigen Verhält|c207|niß stehe, oder nicht; /cob, beyc\ ∥c32 dem, oft wenigstens scheinbaren, Widerspruch der Pflicht und Glückseligkeit, jene durchaus zu befolgen, und beyc33 aller alsdann nothwendigen Aufopferung gewisser Ersatz zu hoffen seyc34; ob beyc35 den unzählichenc36 Hindernissen der Befolgung unsrer Pflicht und den mannichfaltigenc37 Reitzen, ihr untreu zu werden, durchaus hinlängliche Bewegungsgründe zur Tugend vorhanden sind, wenn wir fürchten müssen, daß unsrec38 ganze Existenz nur auf dieses Leben eingeschränkt seyc39, und nicht versichert seyn können, daß es ein über alle Veränderungen der Welt waltendes Wesen gebe, welches auch da, wo es nicht scheint, ganz gewiß für die stete Verknüpfung unsres Wohls mit der Ausübung unsrer Pflicht sorgen werde.
Dieses Gefühl der Bedürfnisse unsrerc1 Seele, wenn es auch mehr geahndet als erkannt wurde, |b229| mehr auf dunkeln oder verwirrten als auf entwickelten Vorstellungen beruhete, hat den nachdenkenden Menschen /cimmerc\ ∥c2 gedrungen, an eine Gottheit zu glauben, und, beyc3 reifer gewordnenc4 Vernunft, Gründe aufzusuchen, sich zu überzeugen, daß ein solches Wesen vorhanden seyc5, und die Eigenschaften haben müsse, ohne welche sich weder die Erscheinungen und Veränderungen in der Welt erklären ließen, noch eine wahre Beruhigung wegen unsersc6 Schicksals, und eine durchgängige Rechtschaffenheit in Gesinnungen und Handlungen Statt fände. Dadurch ist nach und nach die Wissenschaft entstanden, die man mit dem Namen der natürlichen oder Vernunft-Theologie belegt, /cso fernc\ ∥c7 sie bloß aus der Natur, und nicht aus einer sogenannten nähern Offenbarung der Gottheit selbst geschöpft wird. Soll die letztere eine |c208| sichere Quelle der Erkenntniß des höchsten Wesens für uns seyn:c8 so müssen wir doch erst zuverläßigc9 wissen, daß dasjenige, was wir für offenbart halten, wirklich von Gott geoffenbart sey,c10 daß es nicht nur dem, was wir aus der Natur von Gott wissen, nicht widerspreche, sondern dem auch gemäß seyc11. Wer also die natürliche Erkenntniß Gottes heruntersetzt und verdächtig macht, oder dagegen gleichgültig ist, der untergräbt ohne sein Denken selbst die Zuverläßigkeitc12 der Offenbarung, oder beraubt sich oder Andrec13, wenigstens da, wo es zweifelhaft wird, ob etwas eine göttliche Offenbarung seyc14, oder ob sie eine gewisse Entscheidung enthalte, der so nöthigen Gewißheit von der Erkenntniß Gottes. Diesc15 und |b230| was §. 197c16 gesagt worden ist, setzt die Nothwendigkeit der natürlichen Theologie und ihres sorgfältigen Studiums ausserc17 allem Zweifel.
Wenn diese Erkenntniß Gottes den gedachten Nutzen erreichen, und unsern Bedürfnissen ein Genüge thun soll:c1 so muß sie nicht nur die Ueberzeugung gewähren, daß Gott die Ursache der Welt und das seiner Natur nach nothwendige und ganz unabhängige Wesen, sondern daß er auch der höchste Geist seyc2, und den allervollkommensten Verstand und Willen besitze. Jene Theologie, die Gott nur als Weltursache betrachtet, nennt Kant (Crit.c3 der /cR. V.c\ ∥c4 S. 660) transscendentale Theologie, weil darin nur reine Vernunft zum Grund gelegt wird, es seyc5, daß die Ueberzeugung auf den bloßen Begriff des möglichen allerrealsten Wesens (auf Ontologie), oder auch auf Erfahrung überhaupt von irgend etwas /cExistirenden (meinerc\ ∥c6 selbst oder der Welt) gebaut werde (auf Kosmologie). Diese hingegen, die einen Welturheber und Regierer aufsucht, heißt beyc7 ihm natürliche Theologie (also in einem engern Verstande), und würde sich von jener darin unterscheiden, daß dabeyc8 schon der Begriff von einem Geiste oder denkenden Wesen vorausgesetzt werdec9, den wir nur aus der Erfahrung von uns selbst näher angeben, und also erst aus eigner Erfahrung schließen können, wie die Gott beygelegtenc10 Vollkommenheiten, nach der Analogie mit uns, mit Absonderung aller Einschränkung, |b231| näher bestimmt werden müssen. Sie bauet also unsrec11 Ueberzeugung und Kenntniß von Gott auf die Kenntniß /cunsrer eignenc\ ∥c12 Natur, und, da wir beyc13 uns dasjenige, was da ist, von dem, was da seyn |c210| soll (§. 183c14), oder eigentliche Natur und Freyheitc15, unterscheiden können, so schließt sie aus beydenc16, also aus Psychologie und Moral, sowohl auf die Existenz als auf die Beschaffenheit Gottes. /cSo fernc\ ∥c17 sie Gott als den vorstellt, auf welchem alle natürliche Vollkommenheit unsrer selbst und der Welt beruht, nennt sie /cKant Physicotheologie, so fernc\ ∥c18 sie ihn aber als den Grund aller sittlichen Vollkommenheit darstellt, Moraltheologie, die mit theologischer Moral nicht zu verwechseln ist,c19 (welche Gott als Weltregierer voraussetzt), sondern sein Daseyn und ∥c20 Kenntniß seiner Eigenschaften auf sittliche Gesetze gründet. /c–c\
In der /cnatürlichen Theologiec\ ∥c1 im gewöhnlichsten Verstande (§. 198c2) werden alle diese verschiednenc3 Arten, auf die Erkenntniß des Daseyns und der Eigenschaften Gottes zu kommen, mit einander verbunden. Dies ist auch nothwendig. Denn 1) die /ctransscendentale Theologie,c\ ∥c4 (um uns, der Kürze wegen, dieses Ausdrucks zu bedienen) – gesetzt auch, daß diese eine wirklich apodiktische Gewißheit mit sich führec5, welches doch wenigstens bezweifelt, /chier aberc\ ∥c6 nicht untersucht werden kanc7 – leitet doch nur auf die Wirklichkeit Gottes und die ihm beyzulegendenc8 Eigenschaften überhaupt; es bedarf aber noch der Kenntniß unsrer |b232| selbst, um zu wissen, wie wir uns Gottes geistige Eigenschaften, in Vergleichung mit den unsrigen, vorstellen, und zur Erklärung der Beschaffenheit und Veränderungen in der Welt anwenden sollen (§. 199c9). Auch wird durch Hülfe der Beobachtung über uns selbst und die Dinge in der Welt, ihre Einrichtung und ihre Veränderungen, alle Erkenntniß und Ueberzeugung von Gott anschaulich, sonach wenigstens ihr Eindruck sehr verstärkt; und unsre Ueberzeugung praktisch, welches beyc10 einer solchen Kenntniß, wie die von Gott ist, die auch zu unserm rechten Betragen gegen Gott kräftig und wirksam seyn muß, höchst nöthig ist. Nicht zu gedenken, daß, weil nur Wenige im Stande sind, bloß speculative Vorstellungen zu fassen, und sich zu reinen Begriffen zu erheben, für diese und ihre Bedürfnisse durch reine Philosophie wenig oder gar nicht würde gesorgt werden. 2) Hinwiederum können strengere ontologischec11 und kosmologischec12 Untersuchungen, neben denen, welche die Erfahrung zu Hülfe nehmen, große Dienste thun. Denn,c13 wenn auch die Untersuchungen dieser Art wirklich |c212| nicht zu /cstrengen Beweisenc\ ∥c14 der Wirklichkeit und ∥c15 Eigenschaften Gottes führen sollten:c16 so zeigt doch eben dieselbe Kritik, welche diese Beweise als unbündig darstellt, damit auch, daß die vermeinten Gegenbeweise eben so unbündig und ungegründet sind, benimmt dadurch allen speculativen Gründen der Atheisten, Skeptiker etc. alle Kraft, und gründet zugleich die Sicherheit unsers Glaubens an Gott, dem die Gegner nicht nur nichts Vernünftigeres an |b233| die Seite stellen können, sondern auch, mit Verleugnungc17 aller Vernunft, selbst alle Begriffe von Sittlichkeit aufgeben müssen. /cUeber diesc\ ∥c18 sind alle sogenannte natürliche Eigenschaften Gottes (im Unterschiede von den geistigen, und besonders von den moralischen), als Nothwendigkeit, Ewigkeit, Allmacht /cu. s. f.c\ ∥c19 solche Eigenschaften, welche selbst die reine Vernunft erkennen, und die Begriffe davon reinigen kanc20, um alle Beymischungc21 der Unvollkommenheit eingeschränkter Wesen zu verhüten. Ja überhaupt kanc22 sie dieses in Absicht auf alle göttliche Eigenschaften, wenn erst deren Kenntniß anderswoher geleitet ist, wo sie alsdann nicht nur unsre Begriffe davon mehr verdeutlicht und berichtigt, sondern sie auch in einen größern Zusammenhang bringt, und dadurch die Ueberzeugung davon befestigt.a\
Unausprechlich wichtig ist der letzte Theil der Metaphysik, der unter dem Namen der natürlichen Theologie bekannt ist, und, im weitern Verstande genommen, alles in sich faßt, was von Gott oder dem allervollkommensten Wesen aus der Natur erkannt werden kan. – Giebt es einen solchen Gott, so hängt alles, so hängt auch alle unsre Glückseligkeit von ihm ab, sie mag auch mit zum Theil von unsern freyen Entschliessungen und Handlungen oder von seinem Willen, ohne Dazwischenkunft unsers Willens, abhängen. Im letztern Fall gründet sich unsre Gewißheit von unserm höchst möglichen Glück und die daraus fliessende wahre Gemüthsruhe lediglich darauf, daß ein solches Wesen vorhanden sey, welches alle unsre Bedürfnisse, alle Arten des Glücks und Elendes, alle Mittel, jenes zu bewirken und dieses abzuwenden, kenne, alles zu bewirken vermöge, und nur das Beste und für uns Heilsamste bewirken wolle. Im erstern Fall aber, darauf, daß die Entschliessung und das Betragen, welches in unsrer Gewalt steht, Gottes Willen allezeit entspreche, daß wir also auch dieses göttlichen Willens kundig seyn, nicht nur in sofern, als er an uns befolgt werden soll, sondern auch, sofern wir die seligsten Folgen davon, oder das uns vortheilhafteste Verhalten Gottes gegen uns ohnfehlbar erwarten können; wer Gott dienen will, der muß glauben, daß er sey, und daß er denen, die sich nach ihm richten, ein Vergelter seyn werde, Ebr. 11, 11. – Wenn denn auch |a182| das, was wir von Gott wissen können, nicht bloß aus der Natur erkennbar wäre, sondern auf einer nähern Offenbarung beruhen sollte: so müßte doch erst zuverläßig bekannt seyn, daß, was wir für die letztere halten, wirklich von Gott geoffenbart, nicht nur dem, was wir aus der Natur von Gott wissen, nicht widerspreche, sondern dem auch gemäß sey. Wer also die natürliche Erkenntniß Gottes heruntersetzt und verdächtig macht, oder dagegen gleichgültig ist: der untergräbt ohne sein Denken selbst die Zuverläßigkeit der Offenbarung, oder beraubt sich oder Andre, wenigstens da, wo es zweifelhaft wird, ob etwas eine göttliche Offenbarung sey, oder ob sie eine gewisse Entscheidung enthalte, der so nöthigen Gewißheit von der Erkenntniß Gottes.
Diese Gewißheit ist von zweyerley Art, und danach kan man auch eine zwiefache Art der natürlichen Theologie annehmen. Die eine beruht bloß auf übersinnlichen Begriffen, auf nothwendig wahren Sätzen. Diese ist die natürliche Theologie im engsten Verstande, und gehört ganz eigentlich, als ein Theil, zur Metaphysik. Sie entwickelt den Begriff von Gott aus dem Begriff eines Wesens (Dinges) und Geistes, und setzt ihn aus allen Realitäten, die ihn in beyderley Absicht zukommen, zusammen: schließt alsdenn aus diesem Begriff der höchsten Vollkommenheit, oder aus der Zufälligkeit jedes andern Dinges, wenigstens aus unsrer eignen |a183| Wirklichkeit, daß ein allervollkommenstes Wesen nothwendig wirklich seyn müsse; und leitet daraus die einzlen Eigenschaften Gottes, und alles andre von Gott, her, was aus denselben nothwendig gefolgert werden kan.
Zwar ist diese Wissenschaft so wenig für jeden zur Ueberzeugung von Gott nothwendig, so wenig jeder fähig ist, sich zu so reinen Begriffen zu erheben; sie wird auch nur Wenigen eine praktische Ueberzeugung gewähren, die doch zu einer solchen Erkenntniß, wie die von Gott ist, welche auch zu unserm rechten Betragen gegen Gott kräftig und wirksam seyn muß, erfordert wird. Aber sie ist allein einer eigentlichen Evidenz fähig, und daher für den nöthig, der seine Ueberzeugung von Gott aufs unerschütterlichste sichern will, oder der mit feinen und verwickelten Zweifeln zu kämpfen hat; und so schätzbar, ja in ihrer Art vorzüglich, andere nicht so demonstrative Beweisarten für Gottes Wirklichkeit und Eigenschaften sind: so unentbehrlich ist doch diese, wo Wirklichkeit eines allervollkommensten Wesens und die unumschränktesten Eigenschaften desselben ausser Zweifel gesetzt werden sollen.
/aWas hier von der Nothwendigkeit gesagt ist, reine und Erfahrungserkenntniß in dieser besondern Wissenschaft zu /cverbinden: diesc\ ∥c2 gilt, auch ausserc3 derselben, von dem ganzen Bestreben nach der Kenntniß Gottes aus der Natur.a\
cAnm. Hülfsmittel sind alle Schriften über natürliche Theologie überhaupt, und einzelne Materien derselben (Daseyn Gottes, Vorsehung, Unsterblichkeit), insonderheit. Mit Uebergehung der letztern, welche man |c215| in den vollständigen literarischen Werken, z. B. Ersch Handbuch, Th. 1. S. 255 f., desgleichen der Bibliothek für Prediger, Th. 1. S. 325 und Th. 4. S. 184 nachgewiesen findet, bemerken wir unter den allgemeinen, außer C. W. Wolf Theologia naturali methodo scientifica pertractata, P. I. II. Francf. et Lips. 1736–1737. 4. Deutsch: Wolf's natürliche Gottesgelahrtheit, übersetzt von H. E. H., 5 Bände. Berlin 1742–45.
Auch von Jerusalem's Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion, enthält der 1ste Theil bloß die Grundlehren der natürlichen Theologie.c
Ein jedes vernünftiges Wesen hat nicht nur Vernunft, /cin so fernc\ ∥c1 es aus dem erkannten Allgemeinen (oder aus Principien) das Besondre zu erkennen vermag,c2 (theoretische Vernunftc3 §. 175c4), sondern auch /cso fernc\ ∥c5 es nach Principien, d. i. nach Vorstellung der Gesetze, handeln kanc6. Dieses Vermögen ist die praktische Vernunft, die mit dem Willen einerleyc7 ist, welcher in /cso fern freyc\ ∥c8 heißt, als er sich in seinen Handlungen unmittelbar, d. i. unabhängig von allem Sinnlichen, nach Vorstellung /cder Gesetze (allgemeiner Sätze)c\ ∥c9 bestimmen kanc10 (§. 183c11). Derjenige Theil der Philosophie, der sich mit Bestimmung freyerc12 Handlungen, oder des |c216| praktischen, sittlichen,c13 Verhaltens beschäftigt, heißt die praktische Philosophie /c(ebendaselbst)c\, Moral, /cEthik (beyde letztern Wörterc\ ∥c14 im weitermc15 Verstande genommen).c16 a\
Wie die bisher erwehnte theoretische Philosophie uns die Natur kennen lehrt: so zeigt uns die praktische, wie wir der Natur folgen, oder davon den besten Gebrauch zur höchstmöglichsten Glückseligkeit des Menschen machen müssen (§. 172.); und weil sich die eigentliche Philosophie nur auf die geistigen Eigenschaften der Dinge einschränket (§. 170.): so kan die praktische Philosophie auch nur eine Anweisung zur höchstmöglichsten Verbesserung und Ge|a187|brauch unsrer Geisteskräfte enthalten. Diese sind entweder Vorstellungen oder Neigungen. Man hat aber diejenigen Theile der Philosophie, welche die beste Bildung und Anwendung unsrer Vorstellungen betreffen, bereits zur theoretischen Philosophie geschlagen (§. 172. Anm. 1. und §. 174.); also muß sich auch die praktische Philosophie nur auf Bildung und Lenkung unserer Neigungen oder unsers Willens, nur auf die moralischen Wissenschaften, einschränken.
An der Wichtigkeit dieser Wissenschafta2 zweifeln, /awäre eben so viela\ ∥a3, als zweifeln, ∥a4 ob der Mensch /aund ein jedes vernünftiges Wesen, immer vernünftig handeln müsse. – Keine Fähigkeiten und keine Umstände haben eigentlichen Werth und machen glücklich, als /cso fernc\ ∥c5 sie recht gebraucht werden; nur der gute Wille ist ohne Einschränkung gut, und kanc6 mit Recht das höchste Gut genannt /cwerden *).c\ ∥c7 – Es ist auch so offenbar, daß wahre, ungetrübte, dauerhafte Glückseligkeit nur davon, nur von stetem vernünftigen |b237| Handeln und der Neigung dazu abhängt, daß man entweder gegen seine höchst möglichste Glückseligkeit gleichgültig seyn, oder glauben müßte, sie ohne vernünftigen Gebrauch seiner Kräfte oder Umstände erreichen zu können, wenn es uns /cgleich vielc\ ∥c8 wäre, ob unser Wille gut seyc9 oder nicht, oder wenn wir um alle Kenntniß der Beschaffenheit eines wahrhaftig guten Willens, und der Mittel ihn zu erlangen, unbekümmert blieben.a\
Wenn man die hieher gehörigen Kenntnisse, welche uns die Natur darbietet, in eine Wissenschaft bringen will:c1 so kanc2 sie entweder bloß auf Begriffe und Sätze der reinen Vernunft oder auch auf Erfahrungssätze gebaut werden. Nur in jenem Fall entsteht eine eigentliche Wissenschaft, die Kant inc3 eigentlichen und engern Verstande (§. 202c4) Moral oder praktische Philosophie, und mit einem besondern Namen Metaphysik der Sitten nennt |c217| (§. 183c5); in diesem Fall aber, d. i. wenn sie empirisch ist, praktische Anthropologie (§. 190c6 Anmerk.). Jene würde lediglich /cmüssenc\ aus dem allgemeinen Begriff eines vernünftigen Wesens hergeleitet werden ∥c7, und Gesetze enthalten, die nicht bloß für den Menschen, sondern für alle vernünftige Wesen gälten, auch allen andern Gesetzen für den Willen zum Grunde lägen. Daß wir einer solchen reinen Moral |b238| bedürfen, ist leicht einzusehen. – Denn woraus kanc8 man sonst beweisen, daß etwas gut oder böse, Pflicht seyc9 oder nicht? Beruft man sich deswegen auf Gefühle, oder auf menschliche oder göttliche Gesetze, oder Beyspielec10, oder erkannte nützliche Folgen, oder was man sonst als verpflichtend anführen mag:c11 so sind ja diesc12 immer subjective Gründe, wobeyc13 stets die Frage entstehen kanc14: ob es nicht Täuschung seyc15, ob nicht das Urtheil durch Gründe des Angenehmen oder Nützlichen, statt des Rechtmäßigen, ob es nicht durch Eigennutz, durch Gewohnheit, durch Temperament gestimmt werde? ob die guten Folgen nothwendig aus der Handlung oder aus zufälligen Umständen entspringen? ob die Handlungen also wirklich Lob oder Tadel verdienen? ob jemand das Recht hatte, gewisse Gesetze zu geben, oder sich auf solche, als Gesetze, einzulaßenc16? selbst beyc17 vorgegebenen göttlichen Gesetzen, ob es wirklich göttliche sind? welche Frage /canders nicht kanc\ ∥c18 bejahet werden, als /cso fernc\ ∥c19 dergleichen angeblich göttliche Gesetze mit dem, was ursprünglich recht ist, übereinstimmen; so wie nicht einmal eine Verbindlichkeit, sie zu beobachten, überzeugend erkannt werden kanc20, wenn man nicht voraussetzt, daß Gottes Wille höchst heilig seyc21, welche Heiligkeit wieder in der durchgängigen Uebereinstimmung seines Willens und der daher fließenden Gesetze, mit jenen Urbegriffen vom Recht- und Unrechtmäßigen besteht. – Wie |c218| anders, als durch solche aus dem Begriff eines vernünftigen Wesens geschöpfte Begriffe und Gesetzec22 läßt sich |b239| auch der nothwendige Unterschied zwischen Recht und Unrechtc23 und der wahre Werth sowohl als die Möglichkeit der Tugend darthun,c24 oder wie kanc25 man sonst hinlänglich dem Eigendünkel und der Zweifelsucht dererjenigenc26 begegnen, die überall an keine Tugend noch an einen solchen sittlichen Unterschied glauben, zumal wenn sie durch die Uneinigkeit der Menschen über diese Gegenstände, durch viele schlimme Erfahrungen, und durch scharfsichtige Beobachtung der menschlichen Schwäche und Scheintugenden, gegen alle Tugend eingenommen sind? – Und wie sehr ist der Mensch geneigt, wenn er seine Pflichten mit seinen /cBedürfnissen undc\ Neigungen vergleicht, und in ihrer Befriedigung seine Glückseligkeit zu finden glaubt, entweder Pflicht nicht für Pflicht zu halten, weil sie seiner Glückseligkeit im Wege zu stehen scheint,c27 oder sich Ausnahmen zu erlauben, und diese damit zu rechtfertigen, daß sie nicht allgemein verbindlich sey,c28 oder sie mit seinen Neigungen und Wünschen zu vereinigen, und dadurch Pflicht und Gesetze zu entkräften! undc29 was kanc30 ihn dagegen sichern, oder seinem hinc31 und /cher schwankendenc\ ∥c32 Gewissen mehr Festigkeit geben, als die Ueberzeugung von ihrer Allgemeinheit, die nur durch reine Vernunft erwiesen werden kanc33? – Ueberhaupt aber erfordert wahre Tugend, daß man nicht nur das Gute thue, sondern auch eben darum, weil es gut ist, und nicht bloß den Gesetzen gemäß, sondern auch aus Achtung gegen die Gesetze handle. Hiezu dient denn eben die Ueberzeugung von der Verbindlichkeit dieser Gesetze an sich, |b240| ohne Rücksicht auf andrec34 (subjective) Gründe, die aber freylichc35 nicht anders, als,c36 unabhängig von diesen, aus reiner Vernunft bewiesen werden kanc37.
Betrachtet man die moralischen Gesetze in Rücksicht auf den menschlichen Willen insbesondrec1, mit allec2 dem, was in der Natur des Menschen die Ausübung jener Gesetze begünstigt, oder erschwert und hindert: so entsteht daraus die praktische Philosophie in dem gewöhnlichern Sinn, die (nach §. 204c3) auch praktische Anthropologie heissenc4 könnte. Diese gründet sich sowohl auf Grundsätze der reinen Moral, daher sie auch Einige angewandte Moralphilosophie |b241| nennen, als auf die Seelenlehre. Es mag nun diese Wissenschaft die allgemeinen Grundsätze der Sitten mit aufnehmen, oder, wenn sie diese einer allgemeinen praktischen Philosophie oder der Metaphysik der Sitten überläßt, sich auf die menschlichen Sitten einschränken: so muß sie – die wahre Natur der den Menschen |c220| möglichen Tugend und den großen Umfang der Pflichten darstellen, die aus der Natur und den Verhältnissen der Menschen /centstehen –c\ ∥c5 sie mit überzeugenden Beweisen und dringenden Empfehlungsgründen unterstützen /c–c\ und ihre Ausführbarkeit klar machen, d. i. sowohl die Hindernisse angeben, die ihrer Ausübung im Wege stehen, und die rechte Art, sie zu überwinden, lehren, als auch zugleich die Mittel vorlegen, wodurch gute Gesinnungen und Handlungen am wirksamsten hervorgebracht, erhalten und vermehrt werden können. – Diese auf Menschenkenntniß gegründete praktische /cPhilosophie kanc\ ∥c6 weit Mehreren faßlich und einleuchtend dargestellt werden, als die sogenannte reine,c7 und selbst diese letztere wird durch jene erst anschaulich. Durch diese Behandlungsart wird allen praktischen Grundsätzen und Lehren weit mehr Nachdruck gegeben und mehr Eingang verschafft. Hier kanc8 man recht eigentlich praktischen Vorurtheilen /centgegen arbeitenc\ ∥c9, die selbst der überzeugendsten Einsicht unsrerc10 Pflichten beyc11 der Ausübung so sehr im Wege stehen. Hier hat man besonders die beste Gelegenheit, die Trägheit und Muthlosigkeit aufzumuntern, indem man zeigt, wie gar wohl möglich und wie vortreflichc12 |b242| die Tugend, und wie ausführbar unsrec13 Pflichten seync14. Hier läßt sich die Anwendung der Pflichten aufs Leben und auf besondrec15 Fälle näher zeigen, und dadurch das Studium und die Ausübung der Pflichten sehr erleichtern. – Alles dies sind sehr große Vortheile, die dieser Art der Moral selbst einen gewissen Vorzug vor der reinen geben; wenn nur nicht, über /cdas Bestrebenc\ ∥c16 faßlich zu werden, die Bestimmtheit, und über /cdie Bemühungenc\ ∥c17 Eindruck zu machen, die Gründlichkeit im Vortrage vernachläßigtc18 wird.a\
Unter diesen moralischen Wissenschaften läßt sich zuförderst eine denken, welche bey den übrigen eben so zum Grunde läge, wie die Ontologie bey den Theilen der theoretischen Philosophie. Man könnte sie die allgemeine praktische Philosophie nennen. Sie müßte die Natur der Sittlichkeit deutlich bestimmen, den in der Natur gegründeten Unterschied von Recht oder Unrecht, Guten oder Bösen, klar machen, die allgemeinsten moralischen Begriffe und Grundsätze entwickeln und ausser Zweifel setzen, die gute Gesinnung und den moralischen Charakter bilden, die allgemeinsten Mittel angeben und empfehlen, wodurch der Mensch zum Guten gelenkt werden kan.
Ohne sie giebts keine recht deutliche Gewißheit von Pflichten und Tugenden, die um so unentbehrlicher ist, je mehr die Anzahl leichtsinniger oder halbkluger Sophisten und Schwärmer überhand nimmt, welche mit der natürlichen Sittlichkeit die Glückseligkeit der Menschen untergraben, oder sie auf so schwankende Begriffe gründen, daß wichtige Pflichten verkannt und verdrängt, oder ein Spiel des Gutdünkens und höchstens des äusserlichen Wohlstandes werden. – Ueberdies sind alle gut heissende Handlungen, ohne gute Gesinnung, daraus sie fliessen, bloß mechanisch, und ein wahres Puppenspiel; der Selbstbetrug aber ist um so gefährlicher, je mehr er Thaten und Verdienste vor |a190| sich zu haben scheint. Wo also nicht durch diese allgemeinere Wissenschaft das Herz und der Charakter gebildet, und der Grund zu einer wahren und beständigen Tugend gelegt wird, da kan höchstens nichts als eine bloß äusserliche und sehr unzuverläßige Glückseligkeit begründet werden.a
Sonst nenntec35 man auch Naturrecht den Inbegriff aller aus der Natur fließendena36 Pflichten und Rechte, und verwies in die Moral /a(im engsten Verstande)a\ oder in /adiea\ Ethik /a(im engern Sinn §. 202c37)a\ bloß die Mittel zur moralischen Bildung und Ausübung der Pflichten. Eine sehr unbequemec38 Trennung, die auch hier nicht in Anschlag kommt.
Es hat allerdings seinen großena2 Vortheil für die weise Bestimmung und Handhabung der bürgerlichen Gerechtigkeit, wenn die gedachten vollkommnenc3 und unvollkommnenc4 Pflichten von einander unterschieden werden; und /cdac\ alle positive Rechte um so gegründetera5 sind, je mehr sie mit dem Naturrecht übereinstimmen, sie auch eigentlich durch dieses letztere ihre Festigkeit bekommen: so bleibt das /cRecht der Naturc\ ∥c6 immer eine sehr wichtige Wissenschaft, auch für den, der sich der Theologie widmet; zumal wenn damit, wie von Manchena7, zugleich im |a192| Vortrag die allgemeine praktische Philosophie verbunden wird. Allein da ∥a8 sich /adas Naturrechta\ nur auf Pflichten gegen Andrec9, und noch dazu nur auf Zwangspflichtena10 einschränkt, folglich nur Beleidigungen abwehrena11, und äusserlichec12 Sicherheit, also einen zwar sehr schätzbaren, aber doch nur sehr kleinen Theil der mensch|c223|lichen, und nur der äusserlichenc13, Glückseligkeit, befördern soll; auch in der /aeigentlichena\ Moral eben dieselben Pflichten, nur nicht mit so besondrerc14 Anwendung auf die in der menschlichen Gesellschaft sich ereignenden Umstände, vorgetragen werden;a15 und /ain der eigentlichen Morala\ noch dazu mehr auf Liebe und Achtung gegen Andrec16 gearbeitet wird, ohne welche die wahre Gerechtigkeit sehr oft nicht erkannt oder nicht ausgeübt werden möchte: so scheint es für den künftigen Lehrer der Religion räthlicher, beydec17 Wissenschaften /a(§. 206c18)a\ /cin der Erlernungc\ ∥c19 nicht zu trennen.
Die philosophische Moral also, wenn sie ∥a2 von der allgemeinen praktischen /aund von der reinen praktischena\ Philosophie (§. /a204c3 Anm.), aber nicht von dem Naturrecht (§. 206c4a\ ∥a5) unterschieden wird, faßt den ganzen Umfang aller besondern Pflichten des Menschen in sich, sofern sie aus der Natur erkennbar sind, und schränkt sich beyc6 Vorstellung der Gründe, womit |a293[!]| sie sie empfiehlt, so wie der Mittel, |c224| die sie zur Beförderung guter Gesinnungen und Handlungen vorschlägt, auf keine besondrec7 Arten derselben, wie das Naturrecht, ein, wenn nur jene Gründe und diese Mittel aus der Natur erkannt werden können. Sie dehnt sich auch über die Pflichten der Gerechtigkeit aus,c8 – dies hat sie mit dem Recht der Natur gemein –; aber sie begnügt sich nicht mit äusserlicherc9 Gerechtigkeit, sie dringt auch auf innerliche; sie fügt noch die Pflichten des Wohlthuns hinzu, und alle Pflichten, die wir Gott und uns selbst schuldig sind, oder die ∥c10 irgend aus allen diesen Verhältnissen entstehen. Sie bearbeitet alle diese Pflichten /azugleich und eigentlicha\ als Gewissenspflichten, und begnügt sich nicht mit guten Handlun|b246|gen, sondern arbeitet auch und vornemlichc11 auf gute Gesinnungen. Kurz, sie bildet den Menschen nicht bloß zum unschädlichen und ehrlichen Mann, sondern sucht ihn auch nützlich oder wohlthätig, redlich und religiösa12 zu machen. /c–c\ Da sie so den Menschen eigentlich veredelt,c13 und zu seiner wahren Bestimmung führt:c14 so muß jedem die Nothwendigkeit einleuchten, sie ganz vorzüglich zu treiben. Am meisten müßte der künftige Lehrer der Religion sie sich zu eigen zu machen suchen, da er ganz eigentlich dazu bestimmt ist, Andrerc15 Gewissen zu leiten.
So wie man die Philosophie nach den verschiedenen Sachen abgetheilet hat, die man darin untersucht: so auch nach der verschiednen Art der Untersuchung (§. 172). Es läßt sich eine Wissenschaft der allgemeinen Eigenschaften der Dinge denken, die lauter nothwendig wahre Sätze enthält, wo also die Beweise nur aus Begriffen geführt, und diese so lange entwickelt werden müssen, bis man auf Sätze kommt, deren Gegentheil undenkbar ist. Dies ist, was man wissenschaftliche oder scientifische, systematische oder auch speculative Philosophie nennt, die den Namen einer Wissenschaft im strengsten Verstande verdient, und deren eigentlicher Zweck völlige Gewißheit ist. |a195| Eine jede andre Philosphie würde mehr oder weniger gemeine oder populäre Philosophie seyn, je nachdem sie sich mehr oder weniger mit sinnlichen Dingen beschäftigte, mehr oder weniger sich der Induction oder der Analogie bediente, mehr oder weniger die Begriffe entwickelte.
Man sollte gegen keine dieser Arten der Philosophie und gegen den unstreitigen Nutzen ungerecht seyn, welchen die eine wie die andere leisten kan. Man hat 1) Ursach, das Studium der Philosophie immer allgemeiner zu machen, und den Gebrauch des Nachdenkens bey jedermann zu befördern. Nachdenken kan jeder lernen, aber zur eigentlichen Speculation sind nur wenige fähig und aufgelegt. 2) Auch giebt es nur wenig Sätze, die streng demonstrirt werden können; der allergrösseste Theil unserer Kenntnisse beruhet auf Vermuthung, Wahrscheinlichkeit, höchstens auf morali|a196|scher Gewißheit, und wir bedürfen dieser weit häufiger als der ganz eigentlich allgemeinen Wahrheiten; wenigstens vertritt bey den nothwendigsten allgemeinen Sätzen der Wahrheitssinn hinlänglich die Stelle der reinen Vernunft. 3) Je abgezogner ein Satz ist: je weniger lassen sich aus ihm besondre Erfindungen erklären, und je mehr man sich an Speculation und Vereinfachung der Begriffe gewöhnt: je schwerer hält es, aus dieser höhern Gegend sich wieder zu den gemeinen menschlichen Angelegenheiten herabzulassen, sich an die Entdeckung der Mit- und Zwischenursachen zu gewöhnen, und überhaupt seine Kenntnisse anwendbar zu machen: je leichter verfällt man auch auf die Einbildung, Dinge erklären zu können, die man nicht erklären kan, und bekümmert sich zu wenig um das Besondere oder Eigenthümliche einer Sache, ohne dessen Kenntniß keine wirkliche Erklärung derselben möglich ist.
Wenn sich denn nun auch 4) viele Sätze nicht bis zur vollkommnen Evidenz oder zur reinen Vernunftkenntniß erheben liessen: so verdienen sie deswegen nicht aus dem Gebiete der Philosophie verbannt zu werden. Man hat Beyspiele genug, daß manche unevidente Sätze mit der Zeit bis zur Evidenz gebracht worden sind. Man gönne ihnen also einen kleinen Platz in der Philosophie, bemerke es nur, daß sie mit evidenten Sätzen nicht gleichen Rang haben, und hebe sie für künftige Untersuchung auf, wodurch sie vielleicht in der Zukunft klärer werden können. 5) Bedarf es denn auch überall der demonstrativen Gewißheit? In den meisten Fällen kommen wir mit Wahrscheinlichkeit aus, in den wichtigsten Angelegenheiten fehlt es an moralischer Gewißheit dem nicht, wer sie mit Fleiß sucht, und bey dieser und jener ist für unsre Glückseligkeit so gut, wie durch den gemeinen Wahrheitssinn, gesorgt, der, wo uns reine Vernunft abgeht, ihre Stelle vertritt, und uns selten irre führt. Bey Dingen, wo es auf moralisches Verhalten ankommt, ist moralische Gewißheit und Gefühl der Wahrheit immer zureichend. Moralische Uebungen erfordern sogar unevidente Kenntnisse. *) Laßt uns endlich nicht vergessen, daß wir hier im Stande der Kindheit leben, und als gute Kinder des besten Vaters, mit unsern Umständen zufrieden seyn, nicht klagen, wenn er uns unsre unzeitige Fragen nicht beantwortet, so weit gehen, als wir kommen können, und, wo wir nicht |a198| weiter können, uns an das halten, was wir wissen, mit aller Treue auch seinen blossen Winken folgen, versichert, daß, wenn er unsern Fleiß jetzt nicht durch Erfüllung unsrer Wünsche belohnte, unser Wünschen thöricht war, und es unser Unglück gewesen seyn würde, wenn er sie uns jetzt gewährt hätte.
So schätzbar übrigens auch Gewißheit ist, eben so unentbehrlich ist zu unserer Glückseligkeit 6) der Eindruck, den unsre Erkenntniß macht, oder die Wirksamkeit der Erkenntniß. Dazu ist keine vollkommene Evidenz nöthig, bey der ohnehin das Herz sehr kalt bleiben kan, sondern anschauende, also sinnliche Erkenntniß. Weil nun populäre Philosophie sich weit weniger vom Sinnlichen entfernt, und mehr auf Empfindung und Einbildungskraft wirkt, als speculative, die sich mit Bearbeitung des Verstandes und übersinnlicher Erkenntniß beschäftigt: so befördert jene weit mehr, oder sie eigentlich allein, das Leben und die Thätigkeit der Erkenntniß. – Dieses gilt besonders 7) bey Geschäften des menschlichen Lebens, wo Weisheit und Klugheit mehr werth ist, als eigentliche Wissenschaft. Jene erfordern praktischen Beobachtungsgeist, d. i. Fähigkeit oder Fertigkeit, die Umstände, unter welchen man zu handeln, |a199| und die Menschen, die man zu lenken hat, durchzuschauen, und praktische Beurtheilungskraft d. i. Fähigkeit oder Fertigkeit, in den einzlen Vorfällen das Rathsamste gleich zu erkennen und anzuwenden. Diesen ist speculative Philosophie nicht günstig. Denn sie beschäftigt sich mehr mit dem Möglichen als Wirklichen, und zieht den Blick zu sehr vom Gegenwärtigen und der wirklichen Lage der Sachen, und von der so mannichfaltigen individuellen Menschenkenntniß ab; sie sucht Einen Gegenstand, oft nur Eine Seite desselben, zu ergründen, anstatt mehrere Sachen auf einmal, und sie zugleich von mehrern Seiten anzuschauen; gewöhnt zu sehr an Beschäftigung mit dem gegenwärtigen Gegenstand der Betrachtung, als daß sie lebhafte Vorstellung des Künftigen, welches die Weisheit und Klugheit immer mit in Anschlag nehmen muß, befördern sollte; gewöhnt zu langsamen Entwickeln und Zergliedern, und hindert also den schnellen Blick und die augenblickliche Entschliessung, macht verlegen und unentschlüßig.
Die bisher erwehnten grossen Vorzüge der populären Philosophie, nebst der Anwendung der wissenschaftlichen Philosophie da, wohin sie nicht gehörte, ihrem Mißbrauch zur Bestreitung mancher dem Menschen theuern Grundsätze, und die Allgenügsamkeit metaphysischer Pedanten, haben der populären Philosophie, vornemlich zu unsrer Zeit, grosse Achtung erworben, und der wissenschaftlichen eine zu schnöde Verachtung zugezogen. Unsere Zeitumstände tragen das Ihrige dazu bey. Man wird sich darüber nicht wundern, wenn man weiß, wie sehr sich zu unsrer Zeit der Fleiß in Untersuchung der sichtbaren Natur und die Vorliebe zu diesem Studium ausgebreitet habe; wie allgemeiner, auch unter Unstudierten, Begierde nach Aufklärung und Leserey worden sey, und wie sehr, bey dieser Menge derer, die auch mitreden wollen, bey der Seltenheit spe|a201|culativer Köpfe, und bey dem Gefühl der mehrern Leichtigkeit und des grössern Bedürfniß des Raisonnements über vorkommende Dinge, als tiefsinniger Untersuchung, der Geschmack an dem habe zunehmen müssen, was gemeinnützig scheint, und unmittelbaren Nutzen zeigt; wie sehr endlich der französische Geschmack und Literatur auf unsre Nation gewirkt habe. – Alles dieses muß die Besorgniß erregen, ob nicht diese an sich sehr gerechte Liebe zur populären Philosophie in Gleichgültigkeit gegen Wahrheit und Gewißheit menschlicher Erkenntniß, gegen das Unsichtbare überhaupt, und somit gegen das, was nicht unmittelbar Nutzen zeigt, ausarten möchte.
Und doch verdient die wissenschaftliche Philosophie eine solche Gleichgültigkeit, oder gar Verachtug, gewiß nicht. 1) Schon das, was den Menschen über die Thiere erhebt, was ihn allein für den Mangel mancher feinen Empfindung entschädigt, darin ihn viele Thiere übertreffen, und ihn gegen die Gefahr sichert, der ihn seine sinnliche Vorstellungen und Begierden aussetzen, nemlich das Vermögen, seine Vorstellungen zu verdeutlichen, und in ihre feinere Bestandtheile ausfzulösen, auch seine Wahl bis nach deutlicher Untersuchung aufzuschieben, zeigt, daß seine Erkenntniß der Natur um so vollkommner sey, je deutlich entwickelter sie ist, und empiehlt eine Wissenschaft, die ganz eigentlich ihn dahin führen soll. 2) So |a202| fern man in der Philosophie allgemeine Grundsätze aufsucht, die wir hernach in einzlen Fällen mit Sicherheit anwenden können, giebt die populäre Philosophie keine durchgängige Sicherheit. Völlige Allgemeinheit kan nur aus Begriffen erkannt werden, Induction und Analogie zeigt nicht das ganz Allgemeine; gleichwohl nimmt die populäre Philosophie diesen letztren Weg, so wie die wissenschaftliche sich stets an Begriffe hält, und darauf die Allgemeinheit ihrer Sätze gründet. Ueberdies, da jeder, der auf jene Art philosophiret, seine Beobachtungen aus dem Kreise herausnimmt, der ihn am meisten anzieht, und mit dem er am meisten bekannt ist, und da die Absicht bey dieser Art von Philosophie Gemeinnützigkeit ist: so gewöhnt man sich, die Dinge zu einseitig oder nur nach besondern Verhältnissen, insbesondre den Menschen nur, oder doch am meisten nach der Lage, in der wir ihn sehen, oder die uns eigentlich intereßirt, zu betrachten, und daher vieles zu übersehen oder gar zu verachten, was doch zur allgemein richtigen Beurtheilung erfordert wird.
/aMan spricht ∥c2 öfters von einer Philosophie der gesunden Vernunft, oder, etwas bestimmter ausgedrucktc3, des bloßen Menschenverstandes, und von einer Philosophie des Lebens, oder der Welt, und empfiehlt sie so, als wenn sie das Studium der eigentlichen bisher beschriebenen Philosophie entbehrlich machte, oder wenigstens ihren Abgang gar wohl ersetzen könnte. – Wenn man sich die Begriffe davon deutlich zu machen sucht, um nur erst zu wissen, was diese Empfehlung eigentlich sagen solle:c4 so kanc5 doch der gemeine Menschenverstand (sensus communis), ∥c6 richtiger: der gemeine Wahrheitssinn, anders nichts seyn, als das Vermögen, oder vielmehr die Fertigkeit der Seele, die Richtigkeit eines Urtheils unmittelbar, d. i. ohne weitere Entwickelung der Begriffe eines Satzes und ihres Verhältnisses, zu erkennen; und alsdann könnte eine solche Philosophie keine andrec7, als soc8 erkannte Sätze,c9 enthalten. Würde dann dieses Vermögen in Absicht auf praktische Sätze und beyc10 Bestimmung dessen, was rechtmäßig ist, betrachtet:c11 so würde es das seyn, was man moralisches Gefühl oder Gewissen, als bloße Empfindung genommen, zu nennen pflegt. Alleina\
Eine ähnliche Bewandnißc1 hat es mit der Philosophie des Lebens oder der Welt. Heißt diese so viel als Erfahrungsphilosophie, im Unterschiede von der Philosophie der reinen Vernunft, oder /cheißt siec\ ∥c2 gar nur derc3 Inbegriff von solchen allgemeinen Sätzen, die unmittelbar im Handeln /ckönnenc\ angewendet werden ∥c4: so muß beyc5 Beurtheilung ihres Werthes und ihrer Unzulänglichkeit dasjenige in Anschlag kommen, was oben hin und wieder über den Werth und ∥c6 Nothwendigkeit der reinen sowohl als aller theore|c228|tischen Philosophie gesagt worden ist; nicht zu gedenken, daß diese Lebensphilosophie im letztern Sinne gar keine Wissenschaft seyn kanc7, sondern eine bloße Sammlung ohngefehrc8 zusammengeschichteter Sätze, die weder Haltung haben, noch allgemeine Sicherheit in der Ueberzeugung geben. – Soll aber Philosophie des Lebens eine Anweisung zur Weisheit und Klugheit seyn:c9 so ist es zwar die Pflicht eines jedenc10, sich beydec11 zu erwerben, d. i. die Fertigkeit, das Beste zu finden, was in einzelnen Fällen zu thun, und wie es aufs bestec12 auszuführen seyc13. Aber dieses kanc14 in keine Wissenschaft gebracht werden, weil sich allgemeine Sätze nicht aus bloßer Beobachtung abziehen laßenc15, und weil die einzelnen Umstände, die Lage, in der man zu handeln hat, zu mannichfaltig ∥c16, und ein sehr verschiednesc17 Verhalten |b250| nothwendig machen. Eine Sammlung von praktischen Maximen würde nicht nur keine zusammenhängende Wissenschaft seyn, sondern auch zu vieles Halbwahre enthalten, das im Handeln selbst oft keine Anwendung litte. Weisheit und Klugheit erfordern vielmehr praktischen Beobachtungsgeist, d. i. Fähigkeit oder Fertigkeit, /cdie Umstände,c\ unter welchen man zu handeln, und die Menschen, die man zu seinen Absichten zu lenken hat, durchzuschauenc18, und praktische Beurtheilungskraft, d. i. Fähigkeit oder Fertigkeit, in den einzelnen Vorfällen die besten Mittel gleich zu erkennen und anzuwenden. Dazu wird Anlage, Fleiß und Uebung erfordert, ohne die selbst alle Wissenschaft uns nichts zu unsrerc19 wirklichen Glückseligkeit hilft; /clehren läßtc\ sie /csich,c\ als eine eigentliche /cWissenschaft, nichtc\ ∥c20.
Wenn denn nun gleich diese wissenschaftliche Philosophie nicht alles ins Reine bringen und beantworten kan, was man von ihr völlig aufgeklärt wünschen möchte: so hat sie doch auch, wenn man sie gehörig treibt, 4) einen grossen Einfluß auf die Bildung unsrer Denkungsart und Characters. Sie gewöhnt zur bedächtigen und reifen Ueberlegung, auch der Kleinigkeiten, die ins Ganze sehr wichtig werden können, und ist in so fern ein Zaum der so gern ins Wilde gehenden Imagination und der Flüchtigkeit im Denken, sie kan selbst den Geschäftmann (τον πραγματικον ἀνδρα) zur Genauigkeit im Denken (justesse d'Esprit), und zu nüchterner Untersuchung bilden. Sie gewöhnt an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen, mit Religion, Tugend, innerer Kenntniß des Menschen, und hemmt den Hang zur Sinnlichkeit. Sie befördert, indem sie an bedächtige Untersuchung und Verdeutlichung der Begriffe gewöhnet, eine gewisse Ruhe des Geistes. Und, wenn man ihr vorwirft, sie führe auf unnütze, unentscheidbare Fragen, und zuletzt auf leere Wörter, so vergißt man dabey, daß dieses Urtheil nur denn erst wahr gemacht werden kan, wenn man sich an Verdeutlichung der Begriffe gewöhnt hat, und daß eben sie durch Auflösung der Fragen in ihre einfachsten Theile zeige, ob |a206| eine Frage unstatthaft und unbeantwortlich sey. *)
/a/cEsc\ ∥c2 läßt sich auchc3 nicht philosophiren, wenn man nicht den nöthigen Stoffc4 hat, den man läutern und verarbeiten will. Daher /cwäre es sehr gut, wennc\ ∥c5 a\
/a/cUebrigens möchtenc\ ∥c2 die Haupterfordernisse zu einem wahrhaftig nützlichena\ ∥a3 Studium der Philosophie /c/awohl folgende seyn.a\ ∥a4 –c\ ∥c5 Hinlänglicher Vorrath von Kenntnissen der Sache, die man untersuchen will. – /aStetes Trachten allein nach Wahrheit, ohne Rücksicht auf Neues, Berühmtes, Gangbares, oder was unsern Leidenschaften schmeichelt. –a\ Beständiges Streben nach deutlichen und bestimmten Begriffen. – Nicht /aschnell |b253| zum Ziele einer Untersuchung eilen, und bald nach Resultaten haschen.c6 – Vielmehrc7 nichta\ eher weiter gehen, ∥c8 bis man von dem deut|a209|lich überzeugt ist, was beyc9 der weitern Untersuchung zum Grunde liegen muß. – /aIm Untersuchen stetea\ ∥a10 Verbindung der wirkenden und Endursachen. – Stete Rücksicht auf Anwendung zum Handeln und zu Aufklärung anderera11 Wissenschaften, vornemlichc12 derer, denen wir uns vorzüglich widmen. – Bescheidenheit, da stehen zu bleiben, wo wir wegen der Natur der /aSache,a\ ∥a13 wegen unsrer eingeschränkten Erkenntniß/a, und wegen Mangel vonc14 Vorerkenntnissen,a\ nicht weiter können; ohne weder das zu verwerfen, was wir, jetzt wenigstens, nicht durchzuschauenc15 vermögen, noch schlechthin an deren Aufklärung zu verzweifeln. – Zufriedenheit mit moralischer Gewißheit, wo es uns an höherer Evidenz fehlt, und, wo uns auch /anicht einmala\ jene zu erhalten ∥a16 möglich ist, in praktischen Sachen, mit Wahrscheinlichkeit, und überhaupt mit möglichster Annäherung an Gewißheit. – Treue Benutzung aller Winke von Andern, zu weiterer Untersuchung.
Die ∥c3 vornehmsten Schriftsteller, welche sich um die Aufklärung der Philosophie verdient gemacht haben, und ihre Schriften, kanc4 man ∥c5 einigermaßena6, wenigstens ihrer Existenz nach, /ckennen lernen ausc\
Billig /amüßte abera\ ∥a3 /cniemand, werc\ ∥c4 die Philosophie studierena5 will, unterlaßenac6, sich ∥c7 mit der Geschichte der Philosophie bekannt zu machen. Sie ist eigentlich die Geschichte des menschlichen Verstandes und seiner fortgeschrittnenc8 Bildung, und die Kenntniß derselben hat sonach den größe|b255|stenac9 Einfluß in die Kenntniß der Geschichte und der Veränderungen aller andern Wissenschaften, namentlich der Theologie und der verschiednenc11 Vorstellungen über die Lehrsätze der Religion, die stets von der jedesmaligen Gestalt und den Veränderungen der Philosophie mit abgehangen haben. Sie /akanc12 uns belehrena\ ∥a13, wie weit man in der Philosophie, auch in Aufklärung einzelnera14 Lehrsätze, fortge|a211|rückt, und was noch zu leisten übrig seyc15, und die Ursachen der Verwirrungena16 nebst den Mitteln und Hindernissen des weitern Fortschritts begreiflich machen. Sie würde wenigstens auf einer Seite den allesc17 anstaunenden Dünkel, oder den Sectengeist verhindern und niederdrücken helfen, und auf der andern die Billigkeit in der Beurtheilung verschiednerc18 Meinungen befördern.
Wenn sie diesen Nutzen recht leisten sollte:c3 so müßtec4 sie freylichc5 auf richtige Kritik der Quellen, auf genaue Kenntniß und Studium des philosophischen Sprachgebrauchs, nicht nur überhaupt, sondern auch /cbey einer jeden Parteya6, Zeitc\ ∥c7 |c233| und einzelnerac8 Philosophen, folglich auf sehr feine Sprachkenntniß und Bekanntschaft mit der Geschichte anderer Wissenschaftenc10 gebauet seyn, und die Ursachen, Fortgänge und Folgen aufgeklärter Begriffe und Lehrsätze deutlich darlegen, also auch gewissermassenc11 mehr Geschichte der innerlichen Bildung der philosophischen Wissenschaften und einzelnera12 Lehrsätze, als der Personen und |b256| Schriften seyn. An diesen Eigenschaften scheintc13 es /aden meistena\ ∥a14 bisherigenc15 Versuchen, die das Ganze dieser Geschichte umfassen sollen, mehr oder /cweniger zu fehlen, und nur wenige Versuche über einzelnea16 Stücke dieser Geschichte, z. B. das §. 139 angeführte Meinerssche Werk, nähern sich dieser Vollkommenheit. – Bis jetzt sind noch immerc\ ∥c17 ⌇c Jacob Bruckersc18 kurze Fragen aus der philosophischen Historie, /cUlm 1731–|a212|1735 in 7 Theilen in 12c\ ∥c19, nebst einem Bande Neuer Zusätze, ebendas. 1737. 12. /cund Ebendesselbenc\ ∥c20 Historia critica Philosophiae, Lipsiae /c1742–44. inc\ ∥c21 4 Tomisc22 oder 5 /cBänden in 4c\ ∥c23, mit einem Appendix, als dem 6stenc24 Bande,a25 1767. /c(jedes Werk in seiner Art vorzüglich);a26 c\ ∥c27 für Anfänger /caber Desselbenc\ ∥c28 Institutiones historiae philosophicae, Edit. /a3,c29 auctior et emendatior, curavit Frid. Gottl. Born,a\ ∥a30 Lipsiae /c/a1790 ina\ ∥a31 gr.c\ ∥c32 8. /acund (Joh. Christoph Adelung) Geschichte der Philosophie für Liebhaber, Leipz. 1786 und 87 in 3 Bänden in 8, die besten.ac\