Es darf in einer Zeit, wo die unendliche Menge neuer Schriften so leicht die älteren in Vergessenheit bringt, zu den erfreulichen Erscheinungen gerechnet werden, daß, nachdem sieben und zwanzig Jahre seit der letzten Ausgabe der vorliegenden Schrift verflossen sind, der Verfasser selbst aber bereits elf Jahre durch den Tod in einen höhern Kreis des Wirkens versetzt ist, die Verlagshandlung sich, wegen fortdauernder Nachfrage, aufs neue veranlaßt gefunden hat, einen nochmaligen Abdruck zu veranstalten. Indem sie mir dieß mittheilte, forderte sie mich zugleich auf, die Durchsicht der Druckbogen zu übernehmen, und wo es rathsam scheinen möchte, zugleich das Nöthige abzuändern und nachzutragen, was sich nach dem jetzigen Stande der theologischen |cIV| Haupt- und Hülfswissenschaften, und ihrer Literatur dazu eignete.
Wie hätte ich eine solche Gelegenheit unbenutzt lassen können, um noch einmal meine Verehrung und Dankbarkeit gegen meinen unvergeßlichen Lehrer und väterlichen Freund auszusprechen, und sie durch die sorgsame Pflege des schönen Erzeugnisses seines Geistes thätig werden zu lassen?
Was ich zu diesem Zweck übernommen und auf welche Art ich es zu leisten mich bemüht, davon bin ich bei der neuen Erscheinung dieser Schrift den Lesern Rechenschaft schuldig.
Es war keinesweges von einer Umarbeitung die Rede. Die Verlagshandlung war mit mir einig, daß das Nösseltsche Werk in der Hauptsache, eben so, wie es von dem Verfasser selbst herkam und bei der zweiten Ausgabe sorgfältig durchgesehen und bedeutend vermehrt ward, auch zum drittenmal erscheinen sollte. Die Zeit hatte manche Nachträge und Zusätze nöthig machen, aber in dem wesentlichen Inhalt und seiner Tendenz nichts verändern können. Sind auch die Ansichten eines späteren Herausgebers hie und da von denen des Verfassers verschieden, so soll doch, was fortwährend den Na|cV|men des Urhebers trägt, auch seinen Geist und seine Ideen, nicht die eines Anderen liefern. Durch den Auftrag, es herauszugeben, wird es kein Eigenthum dessen, der es herausgiebt, und die Achtung gegen den Todten legt ihm die heilige Pflicht auf, nicht Altes und Neues, Eignes und Fremdes so zu mischen, daß zuletzt schwer zu entscheiden ist, wem ein jedes angehört.
Die kritischen Blätter und Journale, welche des Werkes in seinen früheren Ausgaben erwähnt haben, und sämmtlich von mir verglichen sind, haben nur wenige Beiträge zu Berichtigungen oder Verbesserungen geliefert. Sie stimmen in dem Ausdruck der Achtung gegen das Verdienst des Verfassers, um die Bildung nicht nur angehender, sondern auch schon gereifter Theologen überein. „Man würde – so urtheilt der Recensent in der Allgemeinen Literaturzeitung (1790. No. 359.) – den Werth dieser trefflichen Anleitung viel zu gering anschlagen, wenn man sie nach der bescheidenen Anzeige des Titels, daß sie angehenden Theologen gewidmet seyn soll, beurtheilen wollte. Sie verdient auch von denen, welche bereits in Aemtern stehen, studiert zu werden. Denn wer das in der Kürze und doch vollständig überhaupt zu kennen |cVI| wünscht, was ein Lehrer der Religion wissen und leisten muß, wenn er seinen hohen Beruf ganz zu erfüllen im Stande seyn soll; wer Lust hat sich zu prüfen, ob er alles das besitzt und versteht, was zur fruchtbaren Erfüllung des Lehramts erforderlich ist; wer das Ziel, wonach er bei dem Einsammeln und Mittheilen theologischer Kenntnisse streben muß, gern im Auge behalten, den so sehr verschiedenen Werth der einzelnen theologischen Wissenschaften vernünftig schätzen und sein Benehmen darnach einrichten will; wer endlich den Wunsch fühlt, eine Menge heilsamer Rathschläge zusammen zu finden, die ihn bei seinen Bemühungen leiten können: der bediene sich dieses Buches. Etwas Vollständigeres, Reiferes und Gründlicheres wüßten wir in diesem Fach nicht vorzuschlagen.“ – Eben so drücken sich andere Beurtheiler aus. Das Einzige, was man hie und da fürchtete, war, daß die Ansprüche an den, welcher sich dem Studium der Theologie widmet, so hoch gespannt wären, daß das Werk vielmehr das Ideal eines vollendeten Theologen aufstellte, als eine Anleitung für angehende Theologen genannt werden könnte. Es mag dieses Urtheil zum Theil aus der eine Zeitlang ganz unverkennba|cVII|ren Ueberschätzung des Praktischen auf Unkosten des Gelehrten und Wissenschaftlichen hervorgegangen seyn. Denn gerade die Wahrnehmung dieses Uebels, welches sehr nachtheilige Einflüsse auf die Universitäten und manche Theile des Studiums ganz bei Seite gedrängt hatte, bestimmte den gelehrten und selbst so wissenschaftlichen Mann, desto ernster darauf zu dringen, der theologischen Gelehrsamkeit wieder einen höheren Werth zuzugestehen. Daß er nicht forderte, daß jeder Religionslehrer alle Kenntnisse eines akademischen Theologen in sich vereinigen sollte, das hat er selbst in dieser Schrift bei mehreren Gelegenheiten ausdrücklich geäußert; und sein Programm de diversitate studiorum, quibus Theologum decet ceteris ecclesiae doctoribus praestare, erörtert dieß noch ausführlicher. Dennoch ist vielleicht der Vorwurf, daß man stellenweise mehr eine gelehrte Einleitung oder Encyklopädie einzelner Fächer des vielumfassenden Studiums, als eine Methodologie für angehende Theologen zu lesen glaubt, wohl nicht ganz ungegründet. Es begegnet Männern, die ganz in ihrer Wissenschaft zu Hause sind, und für die gerade die höhern und feinern Untersuchungen den meisten Reiz haben, |cVIII| so leicht, daß sie selbst den Anfängern schon einen Vorgeschmack davon geben, oder, wenn sie einmal auf gewisse Materien kommen, nicht zu kurz seyn möchten, um nicht ungründlich zu erscheinen. Am häufigsten scheint mir dieß dem sel. Nösselt hinsichts der Literatur begegnet zu seyn. Sie ist zwar nicht in dem Grade überhäuft, den wir in der Plankschen Einleitung finden, welche etwas später als die Nösseltsche erschien; doch will es mich bedünken, daß hie und da so große, sogar seltne Werke genannt sind, welche man eher in einer Anleitung zur theologischen Bücherkenntniß als in einer akademischen Methodologie zu erwarten haben würde. Literatoren – zu denen der Verfasser so sehr gehört – wird es aber immer schwer, etwas zu unterdrücken, was auf der Stufe, wo sie stehen, allerdings einen großen Werth hat.
Doch selbst von dieser Seite habe ich mir nicht erlauben wollen, mehr zu thun, als der verdiente Urheber dieses Werkes gutgeheißen haben würde. Was ich verantworten zu können, und was ich selbst für Pflicht halten zu müssen geglaubt habe, besteht in Folgendem.
Zuvörderst ist überall die Literatur theils durch die Anzeige neuer, seit 1791 erschienener Ausgaben |cIX| oder Fortsetzungen der angeführten Schriften, berichtigt worden. Weggeblieben sind solche, die ganz entschieden durch bessere ersetzt, oder die dem Verfasser entgangen und offenbar den genannten vorzuziehen waren. Es hat mich selbst überrascht, wie viel in den letzten drei Decennien gearbeitet, wie manche Lücke ausgefüllt ist, auf welche der Verfasser zu seiner Zeit aufmerksam gemacht hatte; aber es hat mich auch dabei häufig die Sehnsucht ergriffen, den theuren Todten noch unter uns zu sehen, damit er sich dessen, was der Fleiß vaterländischer Gelehrten in allen Fächern geleistet und zu Tage gefördert hat, und selbst die Erfüllung manches seiner Wünsche für den Anbau dieser und jener vernachlässigten Felder, mit uns freuen könnte! in manchen Abschnitten war die Sparsamkeit der Literatur fast eben so befremdend, als die Fülle in andern. Ich habe gesucht, mehr Gleichheit in das Ganze zu bringen, und so haben besonders einzelne Abschnitte in den Kapiteln von den philologischen und historischen Hülfswissenschaften sehr bedeutende literarische Zusätze erhalten müssen.
Die Schriften selbst waren in den frühern Ausgaben bald in den Paragraphen, bald unter |cX| den Paragraphen angeführt. Es war natürlicher, auch darin eine gewisse Gleichheit zu beobachten, und die Anmerkungen schienen der bequemste Ort, um in ihnen alles Literarische zur Uebersicht zu bringen. Ich gestehe übrigens, daß ich in einem eignen Lehrbuch der theologischen Encyklopädie und Methodologie, viele der angeführten Schriften nicht würde aufgenommen, sondern für den ausführlichen Vortrag der Wissenschaften oder selbst einzelner Materien derselben verspart haben. Aber als Herausgeber konnte ich nur im Sinn des Verfassers fortarbeiten.
Außerdem sind hie und da kurze Anmerkungen hinzugekommen, welche der gegenwärtige Stand der Wissenschaften nöthig machte; meist nur Winke und Andeutungen, seltner abweichende Ansichten. Zu dem allen wird jedoch der zweite und dritte Theil noch ungleich mehr Gelegenheit geben.
In Stil und Vortrag ist nichts Wesentliches geändert, auch durchaus die – vielleicht nicht immer bequemste – Folge und Abtheilung der Paragraphen beibehalten. Nur wo die dem Verfasser nicht ungewöhnliche Länge und Verschränktheit der Perioden – vielleicht eine Folge seiner häufigen Lesung des Cicero |cXI| – den Sinn für den Ungeübten dunkel machte, habe ich mir, gewiß eher zu selten als zu oft, Abkürzungen und Einschaltungen erlaubt.
Alles was übrigens in diesen neuen Zusätzen und Anmerkungen von einiger Bedeutung ist, findet man durch die Buchstaben A. d. H. oder durch das Zeichen [ ] von dem Text des Verfassers unterschieden.
Je öfter mich übrigens diese Arbeit an die großen Verdienste, welche mein vollendeter Lehrer sich auch um mich und meine eigne Bildung erworben hat, erinnerte, desto lebhafter ist mein Wunsch, daß es meinen geringen Bemühungen gelingen möge, dem Werke aufs neue recht viele Leser zu verschaffen. Die beiden folgenden Theile, welche noch im Laufe dieses Jahres erscheinen, und die eigentliche Theologie enthalten, werden mir Anlaß geben, jene zu verdoppeln. Die künftigen Vorreden sollen davon Rechenschaft geben. Eine Darstellung des Lebens und Verdienstes des unvergeßlichen Mannes würde, wenn sie nicht zu dürftig ausfallen sollte, mehr Raum als mir vergönnt ist, erfordern. Ich darf also wohl die besondere, diesem Gegenstande gewidmete Schrift hier ins Andenken bringen, welche bereits |cXII| ein Jahr nach seinem Tode (1809) unter dem Titel: Leben, Charakter und Verdienste J. A. Nösselt's, nebst einer Sammlung seiner zum Theil ungedruckten Aufsätze, Briefe und Fragmente, erschienen ist.
Halle den 15ten März 1818.
Der Herausgeber.c
Eine der vornehmsten Ursachen, warum Universitäten, die ganz eigentlich zur Bildung heranwachsender Gelehrten bestimmt sind, das nicht leisten können, was sie sollten, ist /cdie: –c\ ∥c3 daß diese so selten richtige Begriffe von dem Umfangc4, dem Werthc5 der Wissenschaften, und von der zweckmäßigsten Art, mitbringen, wie man sie studieren müßte; daß sie sich gemeiniglich so sehr durch ihren eignen Geschmack, durch die Mode, und durch die Vorurtheile |a[IV]| Andrerac6 leiten laßenac8, gegen die sie eine gewisse Vorliebe haben; kurz, weil sie selten selbst wissenc9 wasa10 und wie sie die Wissenschaftena11 treiben sollen?c12
|cXIV| Ueberzeugt, daß deswegen oft die besten Köpfe wo nicht verdorben werden, doch die Reife nicht erlangen, und das für die Welt nicht werden, was sie könnten, ja, was noch trauriger ist, selbst Andere gegen nützliche Wissenschaften einnehmen, und ihnen den Geschmack daran ver|b[IV]|leiden; – gerührt durch so manche Bekenntnisse fleißiger und hoffnungsvollera13 Studierenden, die es am Ende ihrer Laufbahn bedauretenc14, nun erst einigermaßena15 einzusehen, was sie hätten lernen sollen, und was sie wieder einzubringen entweder keine Gelegenheit mehr vor sich sähen, oder |a[V]| nur mit vielem mühsamen Fleiß hoffen könnten: – hielt ich es für meine Pflicht, seit mehrern Jahren, von Zeit zu Zeit,c16 denen, die sich mir anvertrauten, eine Anleitung zu geben, /cwas? worüber? warum?c\ ∥c17 und wie man studieren sollte?c18 um sich zu einem würdigen Lehrer der Religion zu bilden. Vergebens suchte ich ein Buch, das mir dabeyc19 zum Leitfaden /cdientec\ ∥c20, und den wirklichen Bedürfnissen unsrer Zeit, den großena21 Fortschritten in den Wissenschaften, selbst in der Theologie, angemessen wäre. Ich mußte eigne kurze Sätze entwerfen, die ich zum Grunde legte; eben die immer erneuerten Zeitbedürfnisse machten eine mehrma|cXV|lige Umänderung nothwendig; ich glaubte endlich, dieser Entwurf könnte auch andernc22 nützlich werden, die mich |a[VI]| nicht hörten; ich arbeitete siea23 also vor kurzem ganz von neuema24 aus. – So entstand das kleine Buch, das ich meinen Lesern vorlege.
|b[V]| Was in einem solchen Buchc25 geleistet werden sollte, und was ich auch selbst zu leisten suchte – darüber habe ich mich schonc26 in der Einleitung erklärt. Wie weit ich diesen Absichten, wie weit ich besonders den Bedürfnissen unsrer Zeit in diesem Stück Genüge gethan habe, mögen die beurtheilen, welche diese Bedürfnisse eben so gut als die Wissenschaften selbst, und wie weit man darin bereits vorwärts oder noch zurück ist, kennen.
/aIch habe hier meine Beobachtungen, Begriffe und Vorschläge über das Studium der Theologie, die ich beyc27 vieljähriger Erfahrung und öfterer Prüfung bewährt fand, so weit zusammengedrängt, als sie sich mir wieder unter dem Schreiben darstelletenc28, und wie ich sie für angehende Studierende, oder vielmehr überhaupt beyc29 wahrhaftig nützlicher Beschäftigung mit den dahin gehörigen Wissenschaften, zuträglich hielt. Denn, obgleich meine Absicht eigentlich auf diejenigen ging, die sich auf Universitäten |cXVI| diesen Wissenschaften widmen:c30 so wünsche ich doch zugleich auch Andern nützlich zu werden, denen, wenn sie gleich schon in Aemtern stehen, Manches neu oder in ein neues Licht gestelletc31 scheinen möchte, was ihnen |b[VI]| hoffentlich auch noch jetzt erst willkommen seyn dürfte, zumal wenn sie es in diesem Buche, nach dem Titel, nicht erwartet hätten. Nur, eben deswegen, weil Vieles hier bloß beyläufigc32, oft kaum mit einem oder zweyc33 Worten, gesagt ist, und weil ich fürchten muß, bisweilen, wegen der geflissentlichen Kürze, nicht gleich verstanden zu werden,c34 eben deswegen wünsche ich mir zugleich aufmerksame und bedächtige Leser, denenc35 die Mühe nicht dauretc36, auch bisweilen beyc37 einzelnen Worten mit ihrem Nachdenken zu verweilen.a\
Ich bin weder der einzigec38 noch der erstec39, der die Bemerkung macht, daß die Achtung gegen Gelehrsamkeit sichtbar zu sinken anfange, oder vielmehr schon gesunken seyc40; daß, je |a[VII]| weiter sich die Aufklärung ausbreite, sie um so mehr an ihrer Stärke verliere; daß wenigstens der Fleiß, ich meine die Genauigkeit,a41 mit der man lernt und über Wissenschaften arbeitet, mit dem Vielerleyc42, was man treibt, gar nicht gleichen Schritt halte. Die schnöde Verachtung alles |cXVII| dessen, was man Speculation /aund Gelehrsamkeita\ nennt, der Unfug, welcher seit einiger Zeit mit dem Namen des Gemeinnützigen getrieben wird, und die im|b[VII]|mer mehr einreissendec43 Gewohnheit, sich durch vorgegebene Entfernung von Pedantereyc44 und Wegwerfung des unnützen gelehrten Krams gegen den Vorwurf zu schützen, daß man in den Studien versäumet seyc45, und den Gelehrten zu spielen, ohne sich sehr anstrengen zu /awollen –a\ ∥a46 versprechen doch wahrlich der Gelehrsamkeit keine |a[VIII]| glückliche Aussichten. Ich werde immer mehr überzeugt, daß die täglich zunehmende Menge von Schwärmern auf einer, und von seichten Schwätzern auf der andern Seite, eine Folge der immer mehr sinkenden wahren Gelehrsamkeit, und ohne diese /aletzterea\ nie zu hoffen seyc47, den Verwüstungen zu steuern, die beyde,c48 in der Religion, in den Wissenschaften, und selbst in den guten Sitten,ac49 anrichten. Es gehört also zu den Bedürfnissen unsrer Zeit, die Gelehrsamkeit in Schutz zu nehmen, und den großena50 Einfluß derselben, nebst dem Werth einzelnera51 Wissenschaften, immer einleuchtender zu machen; die herrschenden Vorurtheile wider sie zu entwaffnen;c52 und vornemlichc53 junge Studierende zeitig zu deutlichen Begriffen von dem, worüber, und |cXVIII| zu deutli|a[IX]|chen Gründen, wonach sie urtheilen müssen, |b[VIII]| zu gewöhnen. Diese Absicht habe ich /cdurchc\ ∥c54 dieses /cganze Buchc\ ∥c55 vor Augen gehabt/a, und mich daher bemüht, theils Manches /chervor zu ziehenc\ ∥c56, was zu sehr beyc57 dem Studieren der Theologie übersehen wird, theils den wahren nur zu oft verkannten Werth mancher Studien und Uebungen, besonders durch deutliche Beyspielec58, einleuchtender zu machena\.
Und damit mußte freylichc59 das Buch weitläufigerc60 werden, als ich anfänglich nach dem ersten Entwurf dachte, so sehr ich auch zusammenzudrängen und selbst der Worte zu schonen suchte. Aber dieser Fehler, wenn es einer ist, bleibt immer verzeihlicher, als wenn ich der beliebten Kürze die Deutlichkeit, die lichtvollere Darstellung der Gründe für die Sachen, und, woran mir so sehr lag, die Bestimmtheit der Begriffe und die Ablehnung alles Mißverstandes aufgeopfert hätte. Daß ich, wie man sieht, /aein Drittela\ ∥a61 des Buchs auf solche Wissenschaften verwendet habe, die nur auf die eigentliche Theologie vorbe|a[X]|reiten sollen, diesc62 bedarf keiner Entschuldigung. Denn,c63 wenn man von den eigentlichc64 sogenannten theologischen Wissenschaften das |b[IX]| abzieht, was sich die Sprachkunde, die Philosophie, die Geschichte und |cXIX| die schönen Wissenschaften mit Recht zueignen können: wie groß ist dann der Vorrath, der der eigentlichen Theologie noch übrig bleibt?
Schwerer werde ich die überzeugen können, welche meinen, daß man einen künftigen Lehrer der Religion zu viel auflege, wenn er das alles wissen und lernen solle, was ich hier fordere. Das will ich auch gar nicht einmal versuchen, denn ihre und meine Begriffe über diese Sache sind zu weit aus einander, als daß wir /akönntena\ zusammenkommen ∥a65. So gar ernstlich meinen sie es nun /aaucha\ wohl beyc66 die|a[XI]|sem Mitleiden mit dem Volkslehrer nicht immer. Denn statt dessen, daß sie ihn mit der eigentlichsten Gelehrsamkeit verschont wissen wollen, soll er auch die Stelle des Landarztes vertreten, den ganzen weiten Umfang der Wirthschaft verstehen, warum nicht auch die nothwendigsten Handwerke?c67 die ihn weit mehr als einen zu Allem brauchbaren Mann seinem Patron und seinen Untergebnenc68 empfehlen werden, als alle alte Sprachen, Philosophie, Geschichte und Ge|b[X]|lehrsamkeit überhaupt.c69 Ich dächte doch, es wäre nicht bloß das Volk, für das der Lehrer der Religion bestimmt ist;a70 und dennocha71 bedarf auch das Volk, jetzt zumal, da es immer auf|cXX|geklärter zu werden anfängt, /aoder es wenigstens glaubt,a\ mehr als derc72 bloßena73 Predigerc74. Doch darüberc75 und über die nöthige Einschränkung |a[XII]| meiner Forderungen hoffe ich das Nöthigstea76 in dem Buchc77 selbst, und vornemlichc78 in der Einleitung, gesagt zu haben. Möcht' es nur nicht auch hier gar zu wahr seyn, daß vielec79 berufen, und nur wenigec80 auserwählt sind!
Wie fern ich hier einige der besten Bücher habe erwehnenc81 wollen, wird man in der dritten Anmerkung zum 43. §. angezeigt, und beyc82 jeder Wissenschaft, wo ich mich auf die Empfehlung weniger Bücher einschränkte, diejenigen angeführt finden, die dergleichen literarische Kenntnisse geben.
a|a[XIV]| Den zweyten Theil dieses Buchs, der die eigentlichen theologischen Wissenschaften, nebst der übrigen Anweisung zur Bildung angehender Theologen, enthalten, und ohngefehr eben so stark als der erste werden soll, hoffe ich mit göttlicher Hülfe in einem halben Jahre zu liefern.a
Noch kanc90 ich mich – indem ich diese Vorrede schließea91 – kaum des Kummers erwehren, /cwasc\ ∥c92 eine solche Anweisung fruchten werde, wenna93 beyc94 der Erschlaffung unsers Zeitalters,c95 vielleicht die meistenc96, die sich äusserlichc97 den Studien widmen, keinen Sinn, oder keine Lust, oder keine Aufmunterung haben, diesc98 Gesagte für ausführbar zu halten; wenn unsrec99 meisten /agelehrtena\ Schulen, um den bloßena100 Volksschulen Platz zu machen, immer |a[XV]| mehr das zu seyn aufhören, was sie seyn sollten,c101 Pflanzschulen, wo fester Grund zu den Wissenschaften gelegt, und allgemeine Lust zur wahren Gelehrsamkeit erweckt würde; wenn die Zeit, wo man die akademische Laufbahn durchläuft, immer mehr verengt, und der Um|b[XII]|fang der einzelnena102 Wissenschaften ins Kurze gezogen wird; wenn die, welche die Wissenschaften durch Vorstellungen, Beyspielec103 und Ermunterungen befördern sollten, und es wegen ihres Ansehensa104 vielleicht am meisten könnten, durch größtentheils übertriebnec105 Vorstellungen von großera106 Aufklärung unserc107 Zeit, von der bloßena108 Nothwendigkeit des Gemeinnützigen, und |cXXII| von Entbehrlichkeit der gelehrten Kenntnisse, selbst den aufschießendena109 Keim fähiger Köpfe verderben, und |a[XVI]| ihren Fleiß auf Nebendinge lenken. Was bleibt daa110 übrig, als an seinemc111 Theil Gutes zu thun, und nicht müde zu werden, und auf denc112 zu trauen, der doch auch das feine gute Erdreich zur Aussaat bereitet, und die Aerndtec113 gewiß nicht wird ausbleiben laßenac114? Geschrieben Halle, den 30sten des Märzes 1786.
⌇⌇c In /cdieser neuenc\ ∥c1 Auflage habe ich überall zu verbessern gesucht, wo mir eine Verbesserung nöthig schien, wär' es auch nur im Ausdruck gewesen, der dem Schriftsteller erst dann dunkel oder als eine Gelegenheit zum Mißverstande vorkommt, wenn er nach geraumer Zeit sein Werk von neuem übersieht. Zusätze schien vornemlichc2 der erste Theil /cam meistenc\ ∥c3 zu erfordern. Einige Wissenschaften haben seit der kurzen Zeit, wo die erste Ausgabe vom Jahr 1786–89.c4 erschien, wirklich gewonnen, besonders durch einige Handbücher, welche ich mit Vergnügen zuerst erwähnt, oder an andrerc5 Stelle gesetzt habe, die ich ehedem |b[XIV]| in Ermanglungc6 besserer aufführen mußte. – Im philologischen Fache hat sich der Streit über den Werth der Lectürec7 alter |cXXIII| griechischer und römischer Schriftsteller, und des Sprachstudiums überhaupt, erneuert; einige unsrer /cberühmtesten Pädagogikerc\ ∥c8 haben allesc9 aufgeboten, was, wär's möglich, selbst die überzeugtesten Verehrer dieses Studiums hätte in Verlegenheit setzen können, und,c10 wie ich weiß, viele, die an der Schwelle standen, zweifelhaft gemacht hat. Beyc11 aller Achtung, die ich gegen jene um die Pädagogik sehr verdientec12 Männer hege, glaubte ich daher, so viel ichs vermochte, Wankende stärken, den zum Grunde liegenden Mißverstand durch einige Erinnerungen heben, und übersehene wichtige Gesichtspunctec13 etwas mehr ins Licht stellen zu müssen. – Was die Kantische Philosophie für große Erschütterungen hervorgebracht hat, ist allgemein bekannt. Ueber einzelne Grundsätze derselben oder deren Anwendung auch mit zu re|b[XV]|den, wäre für mich, der ich von ihren Vertheidigern und Gegnern lieber lernen als mitsprechen mag, wenigstens noch zu voreilig und unbescheiden, gewiß aber ganz von dem Zweck dieses Buchs fernec14 gewesen. Aber einige Rücksicht darauf zu nehmen, und Einiges daraus zu benutzen, was wenigstens bessere Scheidung der Theile der Philosophie und bessere Lehrart in derselben betriftc15, schien mir nicht |cXXIV| bloßes Bedürfniß unsrer Zeit zu seyn. Man hat wirklich schon Versuche auf Akademienc16 gemacht, fremdartige Theile in der Philosophie mehr von einander zu scheiden, und die Lehrart der Vollkommenheit näher zu /cbringen; ichc\ ∥c17 wünsche und hoffe auch, man werde, wenn die erste Gährung vorüber ist, in dem Vortrage der Philosophie noch mehrere Rücksicht auf die Verschiedenheit der Köpfe, die auf Akademienc18 sollen gebildet werden, auf die Verschiedenheit ihrer Bedürfnisse, und auf das mehr und minder Nöthige für andrec19 Wissenschaften neh|b[XVI]|men, als bisher geschehen, oder vielleicht gar möglich gewesen ist. – Da ich diesem Buche nicht wohl ein brauchbares Register beyfügenc20 konnte, wie ich überhaupt wünsche, daß man es mehr bedächtig studieren möge, als bloß etwas darin nachschlagen wollenc21: so habe ich mich begnügt, ein vollständigeres Verzeichniß des Innhaltsc22 zu geben, um die bessere Uebersicht des Ganzen und seiner Theile zu befördern. Halle, den 27sten des Herbstmonats im Jahr 1791.a\
Seite 3. Z. 21 lies der statt er. S. 6. Z. 13 für die st. für der. S. 10. Z. 3 setze nach Müßiggang, oder nicht genugsame Beschäftigung. S. 39. Z. 14 demnach für dennoch. S. 53. Z. 17. fruchtbare st. sichtbare. S. 54. Z. 6 von unten: Urtheilen. Denn etc. S. 126. Z. 8 von unten: Jonicum. S. 223. Z. 3 von unten: historische Kunst. S. 227. Z. 1 von unten: Geschichtsforscher.a