|a385| |b100| Zweyterc1 Abschnitt.
Historische Theologie.

c1: Zweiter

78a1.

Es ist eine überaus lehrreiche Beschäftigung, dem /cverschiedenen Gangc\c2 nachzuforschen, denc3 die Religion in der Welt, beyc4 so verschiedenen Fähigkeiten, /cAufmerksamkeit,c\ Hülfsmitteln, Neigungen, Sitten und Verbindungen der Menschen unter einander, genommen hat, man /cmag die Religionc\c5 als Erkenntniß Gottes und des Verhältnisses zwischen ihm und den Menschen, oder als Dienst desselben, d. i. als /cBetragen ansehn, dasc\c6 auf Religion gegründet istc7. Eine /callgemeine Geschichte der Religion müßte –c\c8 in a9 Rücksicht /aauf die Erkenntniß Gottes,a\ lehren, |c89| was nach und /cnach,c\c10 hie und da, unter den Menschen, in Absicht auf diesen Gegenstand, für Wahrheiten oder Irrthümer, Ueberzeugungen, Vorurtheile und /cZweifel?c\c11 aus was für Quellen, oder durch welche Veranlassung,c12 sie entsprungenc13 und /awodurcha\ /cbefördert,c\c14 oder /cvermindert?c\c15 a16 was für merkwürdige Veränderungen dadurch in der Denkungsart, dem Charakter, den Sitten der Menschen und ganzer Völker, selbst in ihren äusserlichenc17 Einrichtungen und Schicksalen, c18 hervorgebracht /cworden |a386| sind?c\c19 – in Rücksicht aber auf den Dienst /cund Verehrungc\c20 |b101| Gottes, oder /cden Ausbruchc\c21 dieser Begriffe /cvon Gott und die daraus entstandnen Empfindungen:c\c22 wie sich diese /cBegriffe undc\ Empfindungen geäussert?c23 durch was für Anstalten und Mittel das Wachsthum oder die Abnahme religiöser Gesinnungen und Handlungen, auch des äusserlichenc24 Gottesdienstes, befördert /cworden? welche Begriffe und Empfindungen,c\c25 und wie sie auf /cdiesen Gottesdienst,c\c26 umgekehrt /cauchc\, welche gottesdienstlichec27 Handlungen auf die Verändrungc28 der Erkenntniß Gottes, wie und auf welche Theile derselben,c29 sie Einfluß gehabt haben.a30

a1: 365 c2: Gange c3: welchen c4: bei c5: betrachte sie nun c6: Verehrung Gottes durch Gesinnungen oder äußere Handlungen, die c7: sind c8: allgemeine Geschichte der Religion müßte, a9: jener c10: nach und c11: Zweifel geherrscht, c12: Veranlassung c13: entsprungen, c14: sie befördert c15: vermindert sind; a16: und c17: äußerlichen c18: allmählig c19: worden; c20: oder die Verehrung c21: die Wirkungen c22: auf Empfindungen und Handlungen, c23: geäußert, c24: äußerlichen c25: worden; c26: den äußern Gottesdienst (Cultus) gewirkt, und c27: gottesdienstlichen c28: Veränderung c29: derselben a30: haben?

79a1.

Alle Kenntnisse, welche diese Geschichte der Religion betreffen, rechnet man zur historischen Theologie, nach dem weitern Begriff, den man dem Namen der Theologie untergelegt hat (§. /a2c2 und 3);c3 a\a4 und so würde dieser Theil der Theologie, als eine Wissenschaft betrachtet, nichts anders seyn, als Geschichte der Religion in ihrem ganzen Umfange a5, die alle merkwürdigere Veränderungen der Erkenntniß und des Dienstes Gottes /caller Zeitenc\c6 und Völkerc7 begreifen müßte. Weil aber diese Wissenschaft von einem unübersehlichen Umfang seyn würde, wenn sie |c90| nur einigermaßena8 das leisten sollte, was der Name einer solchen allgemeinen Geschichte verspricht;ac9 und uns von den meisten, |a387| wenigstens allen barbarischen,c10 Völkern, Jahrtausende hindurch,c11 die Nachrichten dieser Art entweder ganz fehlen, oder so mangelhaft und |b102| unsicher sind, daß sich keine eigentliche zusammenhängende Geschichte davon liefern läßt: so schränkt man sich gemeiniglich nur auf die Geschichte der in der Bibel enthaltenen Religion und der darauf gegründeten Gesellschaften, d. i. auf die Kirchengeschichte, ein; zumal da es gewöhnlich ist, das Wort Theologie vornehmlich und eigentlich von der biblischen zu verstehen.

Anm.ac12 1. Diejenigen, welche eine Geschichte der Religionen, auch derer, die sich nicht auf die heilige Schrift gründen, zu entwerfen unternommen haben, geben doch eigentlich nur eine Religionsgeschichte einiger bekannten Völker, die noch dazu sehr dürftig und unzuverläßigc13 ist, wie man sich leicht überzeugen kanc14, wenn man die in der Anweisung zur Kenntniß der theol.c15 Bücher §. 293c16 und 94c17 angeführten Bücherc18 vergleicht. Alle übrige (daselbst §. 296 f.) sind nur, zum Theil /cvortrefliche, Beyträgec\c19 zur /cReligionsgeschichte besondrer Völker, und der mit so mühsamen Fleiß und philosophischen Blick entworfnec\c20 Grundriß der Geschichte aller Religionen, von C. /cMeiners (Lemgoc\c21 1785. 8.)c22, schränkt sich nur auf einige Religionsbegriffe und Gebräuche ein, die unter den Menschen am gangbarsten gewesen sind, betriftc23 eigentlich nur den religiösen Aberglauben, und läßt sich auf gar keine Geschichte der Völker und Gesellschaften ein, so fernec24 sie sich über Religionsbegriffe und davon abhängende Uebungen getrennt und unterschieden haben.
c{Lindemann's Geschichte der Meinungen alter und neuer Völker von Gott, in 7 Theilen, 1784–1795., ist zwar eine ziemlich reiche, aber zu wenig geordnete und gesichtete Sammlung von Materialien. Eine kurze Uebersicht der Religionen der wichtigsten Völker findet man in meinem Lehrbuch der Religion für |c91| Schulen, 1ste Abth., verglichen mit den erläuternden Anmerkungen. A. d. H.}c
|a388| |b103| Anm.ac25 2. In einem engern Verstande wird historische Theologie nur von der Geschichte oder dem Fortgang und den Veränderungen der verschiedenen Begriffe der Menschen von besondern Religionslehren genommen, oder gar nurc26 theils auf Vorstellungen selbst, theils nur auf die verschiedenen Begriffe von den in der Bibel geoffenbarten Lehren eingeschränkt. /cAmc\c27 engsten c28 wird dieses Wort von denenjenigenc29 gebrauchta30, welche darunter die angeblich christlichen Lehren verstehen, sofern ihr Beweis, oder doch der Beweis ihres Alterthums in der christlichen Kirche, auf Nachrichten und Aussprüchen angesehener Kirchenlehrer, oder auf Decreten der sogenannten Kirche darüber, mit einemc31 Wort, auf /cderc\ Tradition beruht.
a1: 366 c2: 2. c3: 3.): a4: 289. 290), a5: (§. 219 und 220) c6: aller Zeiten c7: Völker a8: einigermassen ac9: verspricht, c10: barbarischen c11: hindurch ac12: Anm. c13: unzuverlässig c14: kann c15: theologischen c16: 293. c17: 294. c18: Schriften c19: vortreffliche, Beiträge c20: Religionsgeschichte. Selbst der c21: Meiners, Lemgo c22: 8. c23: betrifft c24: fern ac25: Anm. c26: nur, c27: In der c28: Bedeutung c29: denen a30: genommen c31: Einem

80a1.

Die Geschichte der verschiednenc2 Religionen unter den Menschenc3 verdient es /csehrc\c4, daß man sie mit aller Sorgfalt studiere. Denn sie ist einer der wichtigsten Theile der /cGeschichte der Menschheitc\c5, und überall zeigetc6 sich der mächtige Einfluß der Religion auf die übrigen Arten der menschlichen Culturc7. Ueberall, wo man das Christenthum zuerst /apredigtea\a8, schmiegte man entweder diesen Unterricht den vorhandnenc9 Religionen an, oder es ging natürlich vielesc10 aus diesen in das Christenthum über, das sich nach diesenc11 in solchen Gegenden /cbildete; in so fern kanc\c12 selbst die christliche Kirchengeschichte dieser Kenntniß andrerc13 Religionen nicht entbehren. /c– Ausserc\c14 den Frag|b104|menten von dieser allgemeinern Religionsgeschichte, die sich in der bekannten Völkergeschich|a389|te finden, sind zuverläßigec15 Reisebeschreibungen, /cso fernc\c16 sie sich auch auf Sitten und Verfassungen der Völ|c92|ker eingelaßenac17 haben, eine unentbehrliche Quelle solcher Kenntnisse.

c18 Ein Verzeichniß der wichtigsten steht hinter Meiners Grundriß der Gesch. aller Rel. (/as.a\ §. 79.a19 Anm. 1.a20) und in der Anweisung zur /ctheol. Bücherkenntn.a21 c\c22 §. 297 flgg.c23
a1: 367 c2: verschiedenen c3: Menschen, c4: von vielen Seiten c5: Geschichte der Menschheit c6: zeigt c7: Kultur a8: gepredigt hat c9: vorhandenen c10: Vieles c11: ihnen c12: bildete. Insofern kann c13: anderer c14: Außer c15: zuverlässige c16: sofern ac17: eingelassen c18: Anm. a19: 366. a20: 2. a21: Bücherk. c22: theologischen Bücherkenntniß, c23: folg.

81a1.

Aus diesen Quellen müßtec2 man sich nach und nach einzelnea3 Nachrichten /csammlenc\c4, und sie entweder nach den verschiednenc5 Ländern und Völkern c6 ordnen, oder nach den merkwürdigsten Lehren, Einrichtungen und Gewohnheiten, die nach den besondern Religionsbegriffen getroffen, oder angenommen worden.a7 Beyc8 der erstena9 Methode könntec10 man etwa die /aanderwärts schon erwähntea\a11 Gattererischec12 Weltgeschichte, oder die ohngefähra13 da gemachte Anlage, beyc14 der andern den eben genannten Abriß von Meiners zum Grunde legen. /cMan müßte hernachc\c15, sowohl nach der auffallenden Aehnlichkeit der Religionen verschiednerc16 Völker mit einander, als nach den Nachrichten der Geschichte über den Ursprung eines Volks aus dem andern, /aund übera\a17 den Einfluß des einen aus dem andern, zu entdecken suchen, welche Völker, auch in Absicht auf Religion originell sind, oder welche sich nach andern gebildet haben, und beyc18 |b105| dem, was jedes Volk in seiner Religion Eignes hat, nach den natürlichen und sittlichen Ursa|a390|chen,c19 forschen, aus welchen sich dieses Eigene, der Geschichte gemäß, erklären läßt. Beyc20 Befolgung dieser Regel würdenc21 auch einzelnea22 Untersuchungen gelehrter Männer über diese Religionsgeschichte mit Nutzen gebrauchtc23 werden können.

c24 Der Versuch über die Religionsgeschichte der ältesten Völker, besonders der Egyptier, von Chr. Meiners, |c93| Göttingen /c1775, in 8. kanc\c25, wenigstens einen Theil des Gesagten, deutlicher, und auf die Vorsichtigkeit beyc26 solchen Sammlungen und Untersuchungen aufmerksam machen.
a1: 368 c2: hat a3: einzle c4: zu sammeln c5: verschiedenen c6: zu a7: worden[.] c8: Bei a9: erstern c10: kann a11: oben §. 238 erwehnte c12: Gatterersche a13: ohngefehr c14: bei c15: Nächstdem muß man c16: verschiedener a17: oder c18: bei c19: Ursachen c20: Bei c21: werden a22: einzle c23: verglichen c24: Anm. c25: 1775., 8., kann c26: bei

82a1.

Unter allen Theilen der Religionsgeschichte ist die Geschichte der christlichen Kirchec2 am bekanntesten, und am meisten bearbeitet. Das Wort Kirche (Ἐκκλησία), welches in der gewöhnlichen Bedeutung nur erst unter Christen aufgekommen ist, und beyc3 diesen nur von solchen gesagt wird, die der in der heiligen Schrift liegenden, oder überhaupt von einer wahren nähern göttlichen Offenbarung abhängenden Lehre folgen, bezeichnet vornehmlich die Christen zusammengenommen, oder den ganzen /cInbegrif dererjenigenc\c4, welche die von Christo und seinen Aposteln bekannt gemachte Religion für wahr annehmen, und, /cso fernc\c5 man es von einer äusserlichenc6 Gesellschaft nimmt, alle die zusammengenommen, welche sich zu dieser Religion, durch Theilnehmung an den |b106| darauf gegründeten äusserlichenc7 Gottesdienst, bekennen. Kirchengeschichte, oder,c8 be|a391|stimmter zu reden, christliche Kirchengeschichte, heißt daher die Erzählung der merkwürdigern Veränderungen dieser Gesellschaft,c9 im Zusammenhang.

a1: 369 c2: Kirche c3: bei c4: Inbegriff derer c5: sofern c6: äußerlichen c7: äußerlichen c8: oder c9: Gesellschaft

83a1.

Es versteht sich von selbst, daß diese Geschichte nicht bloß auf die christliche Gesellschaft und deren Schicksale eingeschränkt werden müsse. /cDenn, /aa\c\c2 da sich diese Gesellschaft auf besondere Religionsbegriffe gründet, und dadurch sowohl als durch den Gottesdienst,c3 von andern unterscheidet; /acac\ da diese Begriffe und die darauf beruhenden Gesinnungen durch Sprachen und äusserlichec4 Handlungen ausgedruckta5, diese |c94| durch jene Begriffe und Gesinnungen gestimmt werden, und hinwiederum Sprachen und Gebräuche, beyc6 ihrer besondern Modification, einen grossenc7 Einfluß in die Bestimmung und Richtung a8 religiösenc9 Vorstellungen und Gesinnungen äussernc10 (/aTheil 1.a\ §. 60–67); /acac\ da endlich einzelnea11 merkwürdigere Personen,c12 und ihre Schriften, oder besondrec13 Gesellschaften, durch ihr erlangtes Ansehen, Gelegenheit zu großena14 Veränderungen in /aLehrvorstellungena\a15, in deren Ausdruck und in gemachten Einrichtungen unter den Christen gegebena16 haben: so muß die christliche Kirchengeschichte nicht bloß die Veränderungen der Kirche, als Gesellschaft betrachtet, sondern auch die Beschaffenheit und Geschichte der Lehre und des Gottesdienstes, der |b107| Ausdrücke, der Einrichtungen und Gebräuche, der |a392| merkwürdigern Personen, Schriften und besondern Gesellschaften,c17 erzählen, welche jene Veränderungen bewirkt haben.

c18 Die Geschichte der Lehren von Dreyeinigkeitc19 Gottes, Freyheitc20 des menschlichen Willens, Erbsünde, Prädestination, Transsubstantiation /cu. d. gl.c\c21 – der /cverschiednen Liturgienc\c22, besonders der römischen, die so eifrig als die Lehre selbst ausgebreitet worden, des Bilderdienstes, der Kindertaufe, der Kelchsverweigerung beyc23 dem heiligen Abendmahl, – die Geschichte der lateinischen Sprache in der Kirche, und der Wörter ὁμοούσιος, ὑπόστασις, φύσις, fides, bona opera, satisfactio u. a. – der bischöflichen und übrigen hierarchischen Einrichtung, der Concilien und Synoden, der Bullen in Coena Domini und Unigenitus, der Kirchenbußea24 und des Beichtwesens – der Gebräuche,c25 über die sich oft allein einzelnea26 Gesellschaften getrennt haben, als über gesäuertes /cBrodt beyc\c27 dem heiligen Abendmahl, über Kindertaufe und Untertauchung oder Besprengung – die Geschichte des Athanasius, Hieronymus, /cAugustins, Hussensc\c28, Luthers, Melanchthons /cu. a.c\c29 – der |c95| Schriften des Dionysius Areopag., der Vulgatec30, des falschen Isidorus, der Weissagungenc31 des /aAbts Joachima\a32, der Formulae Concordiae /cu. d. gl.c\c33 – der verschiednenc34 Orden u. s. f. kanc35 hier zum Beweise dienen.
a1: 370 c2: Denn c3: Gottesdienst c4: äußerliche a5: ausgedrückt c6: bei c7: großen a8: der c9: religiöser c10: äußern a11: einzle c12: Personen c13: besondere a14: grossen a15: den Ton, in Lehren a16: angegeben c17: Gesellschaften c18: Anm. c19: Dreieinigkeit c20: Freiheit c21: u. dergl. c22: verschiedenen Liturgieen c23: bei a24: Kirchenbusse c25: Gebräuche a26: einzele c27: Brod bei c28: Augustinus, Huß c29: u. A. c30: Vulgata c31: Weißagungen a32: Abt Joachims c33: u. dergl. c34: verschiedenen c35: kann

84a1.

Alles, was /aim ersten Theil dieses Buchsa\a2 von dem großena3 Nutzen der Geschichte überhaupt ge|b108|sagt wurde, gilt auch von der Religions- und Kirchengeschichte insbesondrec4, und macht dem, der ein |a393| würdiger Lehrer der Religion und des Christenthums seyn will, das Studium dieses Theils der Geschichte zur ganz besondern Pflicht a5: man mag entweder auf die Bildung seines Charakters, als eines solchen sehen, der die Religion lehren und empfehlen soll, auf welche Bildung dieses Studium einen so großena6 Einfluß hat, oder auf die einzelnena7 Theile der Theologie, womit er sich, nach dem ganzen Umfang seines Berufs, beschäftigen muß.

c8 Der Nutzen der Kirchengeschichte reicht zwar viel weiter, als hier angegeben ist. Kein Christ, der wahre Aufklärung, der anschauende Ueberzeugung in der Religion sucht, und nach erleuchteter Frömmigkeit trachtet, sollte dieses Studium vernachläßigenc9, wenn er irgend Gelegenheit und Hülfsmittel dazu haben /ckönnte. Nochc\c10 weniger irgend jemand, der,c11 als Obrigkeita12 dereinst, auch durch sein Betragen in Absicht auf die Beförderung und Leitung der Religion, vieler Menschen Glück oder Elend befördern kanc13, weil beydesc14 so sehr vom Einfluß wahrer oder falscher Religion, von Achtung oder Gleichgültigkeit dagegen, von den weisen und unweisen Mitteln, ihren Einfluß zu befördern oder zu hindern, abhängt. Und daß verschiednec15 Wissenschaften, Geschichte z. B., Staatskunst, Rechtsgelehrsamkeit, vornehmlich die geistliche, das Licht der Kirchengeschichte gar nicht entbehren können, bedarf keines Bewei|c96|ses. /cAber, nachc\c16 der Absicht dieses Buchs,c17 kommta18 c19 hier nur die Nothwendigkeit |b109| dieses Studiums der Kirchengeschichtec20 in Absicht auf den Lehrer der Religionc21 in Anschlag.
a1: 371 a2: oben (§. 221–24) a3: grossen c4: insbesondere a5: (§. 231.) a6: grossen a7: einzlen c8: Anm. c9: vernachlässigen c10: könnte; noch c11: der a12: Obrigkeit, c13: kann c14: Beides c15: verschiedene c16: Nach c17: Buchs a18: kömmt c19: indeß c20: Kirchengeschichte, c21: Religion,

|a394| 85a1.

Der großea2 Einfluß einer rechten Kenntniß der Kirchengeschichtec3 auf die gründliche Erlernung der theologischen Wissenschaften, zeigt sich in allenc4 Theilen der Theologie. In der exegetischen 1) ganz eigentlich: beyc5 Erklärung dererjenigenc6 Stellen neuesc7 Testaments, welche historische Umstände zur Zeit der Apostel enthalten, um in dieselbe mehr Licht zu bringen, oder falsches Licht davon zu entfernen; zur Kenntniß der Geschichte der neutestamentlichen Bücher; und zur Kenntniß mancher merkwürdigen Bücher der ältesten Zeiten, die, wenn sie gleich apokryphisch genenntc8 werden, doch, wegen der darin liegenden Vorstellungen vieler unter den ältesten Christen oder Juden, auch wegen mancher Fragmente der historischen Tradition, noch einen reichen Schazac9 von historischen Erläuterungen des neuen Testaments,ac10 enthalten, und dazu gebraucht werden können, /cso baldc\c11 erst durch Hülfe der genauern Kirchengeschichte die wahre Zeit, wohin sie gehören, und andere historische Umstände derselben bestimmt sind. 2) Beyc12 der Kritik des neuen Testaments, wo ohne genaue Kenntniß der Kirchengeschichte nicht einmal die Geschichte des heiligen Textes klar ist, so wenig als das Alterthum und der Werth gewisser Lesearten, ohne diese Kenntniß beurtheilt werden /ckan. *)c\c13 |b110| 3) Um sich gegen manche sehr schädliche Vorurtheile in der eigentlichen Theologie zu verwahren, undc14 ihren Ungrund aufzudecken. Denn viele Irrthü|a395|mer in der Theologie, so wie viele Beweise auch richtiger Lehren, beruhen auf /abloßem Mißverstandea\a15 der heiligen Schrift, oder gar |c97| ihrer Uebersetzungen, hinter den man ohne diese Kenntniß nicht wohl kommen /ckan, **)c\c16 oder sie gar für apostolische Tradition hält; so wie man sich oft nicht gegen gewisse richtigere Erklärungen der heiligen Schrift sträuben würde, wenn man ihr Alterthum und den neuern Ursprung falscher herrschendenc17 Erklärungen /ckennete. ***)c\c18 Ueberhaupt würde man bald hierin von Irrthümern zurückkommen, wenn man die Genealogie und /adiea\ Chronologie einiger berühmten Erklärungen, die von Hand in Hand gegangen sind, fleißiger aus der Kirchengeschichte aufsuchte, und sich aus dieser überzeugte, daß die angebliche exegetische Tradition und fortgepflanzte sogenannte Erklärung der Kirche oft anders nichts ist, als Privaterklärung eines, oft ohne sein Verdienst, berühmt gewordnenc19 alten Auslegers, die durch zufällige Umstände gangbar wurde, oder in häufig gelesene Commentarien überging, und hernach, ohne weitrec20 Untersuchung, als ausgemachte Wahrheit, von Kirche zu Kirche, und Jahrhundert zu Jahrhundert,c21 nachgesagt wurde, zumal wenn sie gewissen herrschenden Meinungen in der Theologie günstig war. ****)c22

/c*)c\c23 Wie beyc24 1 Timoth. 3, 16; 1 Joh. 5, 7; Röm. 8, 11.ac25 διὰ τοῦ ἐνοικοῦντος πνεύματος, statt διὰ τὸ |b111| ἐνοικοῦν πνεῦμα; Matth. 27, 49. der Zusatz aus Joh. 19, 34c27 in einigen Handschriften.
|a396| **)c28 Wie die Vorstellungen in der lateinischen Kirche von praedestinatio, poenitentia, sacramentum; die alten Deutungen von Sprüchw. 8, 22. Psalm.a29 110, 3. Matth. 16, 18. Joh. 16, 26.a30 und eine neuere von Apostelgesch. 3, 21.
***)c31 Als Röm. 12, 6. 1 Kor. 2, 14.
****)c32 Wie viel ist z. B. aus dem Origenes in lateinische Ausleger, aus den africanischenc33 Kirchenvätern, sonderlich dem Augustinus, in eben dieselbe, aus solchen la|c98|teinischen Auslegern hernach, vermittelst des Ambrosiasters, oder Hilarius Diaconus, und später durch die Glossam ordinariuma34, in alle Exegeten der lateinischen Kirche übergangenac35? Eben so in der griechischen Kirche; s. Ernesti Opuscula philol. crit. p. 317 seq.
a1: 372 a2: grosse c3: Kirchengeschichte c4: allen c5: bei c6: derjenigen c7: neuen c8: genannt ac9: Schatz ac10: Testaments c11: sobald c12: Bei c13: kann. 1) c14: um a15: blossen Mißverstand c16: kann, 2) c17: herrschender c18: kennte. 3) c19: gewordenen c20: weitere c21: Jahrhundert c22: 4) c23: Anm. 1) c24: bei ac25: 11 (a); 11, (c) c27: 34. c28: 2) a29: Psalm a30: 26, c31: 3) c32: 4) c33: afrikanischen a34: ordinariam ac35: übergegangen

86a1.

Die Kirchengeschichte giebt 4) erst die recht anschauliche Ueberzeugung, wie sehr die ganze Theologie an ihrer Lauterkeit und wahrhaften praktischen Brauchbarkeit gewonnen oder gelitten habe, je nachdem man die wahren Hülfsmittel zur Einsicht des Sinnes der heiligen Schrift recht kannte, schätzte und brauchtec2, oder nicht (/a§. 19c3a\a4); und, indem sie uns so deutlich zeigt, welchen unsäglichen Schaden die Herrschaft des menschlichen Ansehens in der Kirche gestiftet habe:c5 so macht sie uns die göttlichen Schriften c6 desto /awerther. |b112| Unda\a7, weil auch /adie Menschena\ über den Sinn dieser göttlichen Belehrungen wieder a8 so verschieden urtheilen, diese Verschiedenheit und Uneinigkeit aber immer größera9 und unvereinbarer wird, wenn man nicht hierin mit Gewalt und offenbarenc10 Ge|a397|wissenszwang eine äußerlichea11 Einigkeit befördern will: so lehrt sie uns sehr einleuchtend die Nothwendigkeit fester exegetischer Grundsätze, und des Fleißes, den man auf die deutliche eignec12 Ueberzeugung von dem wahren Sinn der heiligen Schrift und die klare Darlegung desselben wenden muß. Und wenn denn auch nur 5) die Kirchengeschichte, wie sie es wirklich thut, uns mit der /aso sehra\a13 verschiednenc14 Denkungsart, c15 Fähigkeiten, vorzüglichen Hülfsmitteln und Sitten, und den dadurch geleiteten mannichfaltigen Vorstellungen und Neigungen der Menschen in so verschiednenc16 Zeiten und so besondern Lagen, bekannt machte: so könnte sie uns wenigstens mehr gewöhnen, uns |c99| in fremde Zeiten und Umstände hinein zu denken, welches /cso sehr vielc\ zur Bildung des wahren Auslegers /cbeyträgtc\c17.

a1: 373 c2: gebrauchte c3: 19. a4: § 306 c5: habe, c6: nur a7: werther; und a8: die Menschen a9: grösser c10: offenbarem a11: äusserliche c12: eigene a13: sosehr c14: verschiedenen c15: den c16: verschiedenen c17: so viel beitragen kann

87a1.

Noch ausgebreiteter ist der Nutzen dieses Studiums in der /aeigentlich sogenannten Theologiea\a2. – In der dogmatischen und elenchtischen, so fern 1) diese doppelte Wissenschaft nicht bloß die Religionslehren selbst, sondern auch die verschiednenc3 Vorstellungen davon vorlegen soll, ist ja die Geschichte dieser Lehren und der verschiednenc4 Begriffe davon, ein Haupttheil der Kirchen|b113|geschichte, der uns die Veranlaßungac5 der verschiednenc6 Vorstellungen, das Interesse dabeyc7, und den Zusammenhang mit andern Lehren und Vorstellungen, zum Theil die zu ihrer Unterstützung gebrauchten Gründe, und die eingetretenen Umstände lehretc8, welche gewissen Meinungen An|a398|sehen verschafft, oder Widerspruch gegen sie veranlaßt haben. 2) Indem sie dieses thut, unterrichtet sie uns von dem wahren Sinn dererjenigenc9, die über gewisse Lehren der Religion, über gewisse Vorstellungen davon, oder über gewisse davon gebrauchte Ausdrücke verschiednerc10 Meinung waren. Dadurch wird vielfältiger Mißverstand gehoben, viel unnützer Streit /cund Untersuchungc\ abgeschnitten, und unnöthige, parteyischeac11, oder gar gehäßigec13 Beurtheilung verhütet.

a1: 374 a2: eigentlichen sogenannten Theologie c3: verschiedenen c4: verschiedenen ac5: Veranlassung c6: verschiedenen c7: dabei c8: lehrt c9: derer c10: verschiedener ac11: partheyische (a); parteiische (c) c13: gehässige

88a1.

Sie legt 3) zugleich den unsäglichen Schaden vor Augen, den die Vermischung dieser Meinungen über Religionslehren mit diesen letztern selbst, der gleiche Werth, den man auf jene, wie auf diese gelegt hat, das Bestreben, durch alle, auch unerlaubte Mittel, jene eben so wie diese geltend zu machen, gestiftet hat;a2 und befördert dadurch |c100| nicht nur die Billigkeit in Beurtheilung verschiednerc3 Vorstellungen, sondern auch die Vorsichtigkeit, um nicht durch Zweydeutigkeitc4, Unbestimmtheit, Vermengung der Hauptsache mit Nebensachen, und unzeitigen Eifer für unsrec5 Meinungen, Gelegenheit zu Zwistigkeiten zu geben, und |b114| der Hauptsache selbst dadurch zu schaden. Sie allein zeigt 4) wie manche Lehren oder Meinungen davon /ceher garc\ nicht c6 in Gang gekommen, oder Aufsehen und Widerspruch erregt, als bis gewisse äusserlichec7 Umstände, z. B. Eifersucht oder Herrschsucht angesehener Kirchen und Bischöfe, |a399| ausserordentlichec8 Achtung gegen einen berühmten Mann u. d. gl. dazu gekommen, und diese zufälligen Umstände erst die Sache wichtig, oder der weit um sich gegriffnec9 Streit sie zu einer Quelle großera10 Revolutionen gemacht habe,c11 (wovon die Geschichte der pelagianischen, nestorianischen, monophysitischen und Sacramentstreitigkeiten u. d. gl. traurige Beyspielec12 liefert); wie daher die Wichtigkeit einer solchen Lehre, Meinung oder c13 Ausdrucks gar nicht, oder lange nicht so sehr in der Natur der Sache selbst, und ihrem Zusammenhangc14 mit den Lehren des eigentlichen Christenthums, und mit praktischen Folgen,a15 liege, als vielmehr in gewissen Zufällenc16, welche die Religion gar nichtc17 angingen.

a1: 375 a2: hat, c3: verschiedener c4: Zweideutigkeit c5: unsere c6: früher c7: äußerliche c8: außerordentliche c9: gegriffene a10: grosser c11: habe c12: Beispiele c13: eines solchen c14: Zusammenhange a15: Folgen c16: Zufälligkeiten c17: nichts

89a1.

/cWennc\c2 denn die Kirchengeschichte einem jeden /cUnbefangnen so augenscheinlich zeigt, /aa\c\c3 wie es /cso gar keine völlige Einigkeit jemalsc\c4 in Meinungen gegeben habe, und alle /cäusserliche völlige Einstimmungc\c5 weder durch öffentliche Religionsgespräche, noch Friedens- oder Glaubensformeln, sondern nur durch Zwang oder durch blinden Glauben bewirkt /cworden; /aa\c\c6 daß der Triumph gewisser |b115| |c101| Meinungen über /candre, soc\c7 selten durch Ueberzeugung, und gemeiniglich nur durch Anschmiegen an Vorurtheile des großena8 Haufens, oder an eingeführte Gewohnheiten, und noch öftererc9 durch mehrerec10 Macht und Kühnheit ihrer Vertheidiger, durch Ansehnc11 großera12 Männerc13, oder berühmterer |a400| Kirchen, durch geschlossene Verbindungen der Bischöfe, durch Beystandc14 der Fürsten, erfochten worden; /aa\ daß zu Einer Zeit und in Einem Lande das wieder verdammt worden, was zu einer andern Zeit und anderwärts als Lehre und Befehl der Kirche, aus angeblicher Eingebung des heiligen Geistes, festgesetzt worden war; /aa\ daß Bischöfe, Päbstec15 und Concilien einander selbst widersprochen, und ihre vorigec16 Aussprüche wieder zerstört /chaben; /aa\c\c17 daß die vorgegebnec18 bessere Einsicht oft bloß durch Einfluß der Höfe und mächtigerer Parteyenac19 gestimmt worden /csey; /aa\c\c21 daß die sogenannte Kirchec22 sich c23 oft herausgenommen habe, über das Gewissen und die Seligkeit, selbst über und widera24 Christi und seiner Apostel eignec25 Lehren und Verordnungen, zu entscheiden; /c/aa\ undc\ daß c26, wenn sich die unterdrückte Parteyac27 nur entschließena29 könnenc30, um des Gewissens willen zu leiden, oder /czu schweigen, undc\c31 in der Stille zu wirken, keine Macht je im Stande gewesen seyc32, den Fortgang der Wahrheit zu /cverhindern: /aa\c\c33 so wirkt sie 5) die innigste Ueberzeugung, daß überall kein menschliches Ansehen und kein Ansehen der sogenannten Kirche und Tradition eine den Verstand und das Gewissen verpflichtende Kraft habe, sondern höchstens ein Vorurtheil errege, das uns zur nähern |b116| Untersuchung der Sachen auffordert; /cdasa34 c\c35 schlechterdings eignec36 Untersuchung in der Religion nothwendig seyc37, und eignerc38 Glaube freyc39 bleibe; und daß man nur Glauben an Gottc40 und Muth, die Wahrheit zu untersuchen, |c102| und mit Weisheit zu bekennen, erhaltenc41 dürfe, um gewiß |a401| zu seyn, beyc42 veränderten Umständen, die in Gottes Hand sind, werde die Wahrheit doch durchdringen, und die Ehre des Gewissens gerettet werden. Eine /cUeberzeugung, die auch beyc\c43 gewissenhafter Untersuchung der Religionslehren und der verschiednenc44 Meinungen darüber, unumgänglich nöthig /cistc\, und c45 die Auffindung der Wahrheit ungemein befördertc46.

a1: 376 c2: So zeigt c3: Unbefangenen augenscheinlich, c4: zu keiner Zeit eine völlige innere Einigkeit c5: äußerliche Uebereinstimmung, c6: worden. Sie zeigt, c7: andere, höchst a8: grossen c9: öfter c10: größere c11: Ansehen a12: grosser c13: Kirchenlehrer c14: Beistand c15: Päpste c16: vorigen c17: haben. Sie lehrt, c18: vorgegebene ac19: Partheyen (a); Parteien (c) c21: sei; c22: Kirche c23: sehr a24: wieder c25: eigene c26: aber ac27: Parthey (a); Partei (c) a29: entschliessen c30: konnte c31: schweigend durch solche Belehrungen c32: sei c33: verhindern, ac34: daß (a); daß vielmehr (c) c36: eigene c37: sei c38: eigener c39: frei c40: Gott, c41: festhalten c42: bei c43: solche Ueberzeugung ist aber, bei c44: verschiedenen c45: kann c46: befördern

90a1.

/cUnd wodurch laßena2 c\c3 sich c4 6) Meinungen, die man fälschlich für christliche Lehren ausgiebt, und die keine andere Gründe füra5 sich haben, als Ansehnc6 der Kirche, überzeugender widerlegen, als wenn man aus der Kirchengeschichtec7 darthun kanc8, wie spät ihr Ursprung, und wie wenig die Kirche aller Zeiten darüber einig gewesen seyc9? Gegen solche Gemeinenc10, die ihre Unterscheidungslehren /aauf das Ansehen der ältern christl. Kirchea\a11 gründen, /cgiebtsc\c12 kein wirksameres Mittel zur Widerlegung, als /cdie Kirchengeschichtec\c13; und die /cCasaubon's, Saumaisen, Blondel's, Daillés, Richer'sc\c14 und andrec15 gründliche Kenner /cdieser Geschichtec\c16 haben allezeit mehr ausgerichtet, als die ganze Polemik bloß scholastischer Theologen. Wem das Studium der Kirchengeschichte, selbst für den |b117| Volkslehrer, gleichgültig scheint, der muß entweder den immer regen, auch in Geheim wirkenden,c17 Bekehrungsgeist der römisch-katholischen Kirche und die daher unserer Gewissensfreyheitc18 drohende Gefahr, oder die wirksame Macht religiöser Vorurtheile |a402| und des menschlichen Ansehens auf die Gemüther nicht kennen. Eben von beydenc19 giebt die Kirchengeschichte die überzeugendsten Beweise.

a1: 377 a2: lassen c3: Wodurch lassen c4: aber auch a5: vor c6: Ansehen c7: Kirchengeschichte c8: kann c9: sei c10: Gemeinden a11: darauf c12: giebt es c13: gerade diese Geschichte c14: Casaubon's, Saumaisen, Blondel's, Daillés, Richer's c15: andere c16: derselben, c17: wirkenden c18: Gewissensfreiheit c19: beiden

|c103| 91a1.

Mitten in einer solchen Fluth menschlicher Meinungen, unter allen Verderbnissen /cdes Christenthumsc\c2, und den mannichfaltigen Versuchen, esc3 nach menschlicher Willkührc4 abzuändern, oder gar zu verdrängen:c5 hat sich denn doch 7) das /ceigentliche Christenthum selbstc\c6 immer erhalten,c7 und bewährt /cbefundenc\. Alle, nicht beyc8 Uebelunterrichteten, Leichtsinnigen und Leichtgläubigen, sondern beyc9 wahrhaftig aufgeklärten und gründlich untersuchenden Köpfen, wirksamec10 und siegendec11 Angriffe auf /cdas sogenanntec\c12 Christenthum c13 haben nie /cdas Christenthumc\c14 selbst, sondern nur die falschen Zusätze und Vorstellungen zernichtet. Selbst in den verderbtesten Zeiten und Kirchen hat sich das Ansehnc15 der heil. Schrift und Jesu Christi, hat sich das wahrhaftig allgemein Trostreiche und wahrhaftig Bessernde /cim Christenthumc\c16 überhaupt erhalten. Diese Ueberzeugung macht /cdas Christenthumc\c17 und seinen c18 Werth sehr respectabelc19, und /cdergleichena20 historische Ueberzeugung gewährtc\c21 das fleißige Studium der /cchristlichen Kirchengeschichte, welches auchc\c22 8) zur rechten |b118| eignenc23 Ueberzeugung von der wahren Beschaffenheit, Aechtheitc24, Glaubwürdigkeit und /cwesentlichenc\ Unverdorbenheit der biblischen Bücher c25, worauf die Ueberzeugung von der Wahrheit und |a403| Verbindlichkeit der daraus geschöpften Lehren mit beruht, c26 sowohl erfordert /cwirdc\, als zur Beschämung der Vorwürfe gegen /cdas Christenthumc\c27 und dessenc28 wohlthätige Wirkungen. Denn alle Scheinbarkeit dieser Vorwürfe gründet sich lediglich darauf, daß man entweder nur das Gehässigea29 oder die nachtheilige Seite hervorzieht, auf der sich das sogenannte Christenthum leider oft genug gezeigt hat, und /adaß mana\ nicht mit eben dem ehrlichen Fleiß dem Guten nachspürt, welches das |c104| /cwahre Christenthumc\c30, selbst beyc31 so /cmancherleyc\c32 Verderbnissen, gestiftet hat; oder daß man das Christenthum selbst nicht von den ihm aufgehängten Zusätzen und Vorstellungen darüber unterscheidet; oder daß man das auf die Rechnung /cdes Christenthumsc\c33 setzt, was c34 bloßera35 Ausbruch /cder Leidenschaftc\c36 war, die überall, nicht /cverbundenc\c37 mit /cdem Christenthum alleinc\c38, die menschliche Glückseligkeit zerstörtc39. Eben diesera40 Unterschied, der so traurigen und ungerechten Mißverstand veranlaßt, und eben jene unleugbarc41 heilsamen Einflüsse des Christenthums auf die Glückseligkeit der Welt, kanc42 nur der rechte Fleiß in der Kirchengeschichte klar machen.

a1: 378 c2: dieser Religion c3: sie c4: Willkür c5: verdrängen, c6: eigentliche Christenthum seinem wahren Wesen nach c7: erhalten c8: bei c9: bei c10: wirksamen c11: siegenden c12: das, was sie c13: nannten, c14: dieses an sich c15: Ansehen c16: seiner Lehre c17: dasselbe c18: inneren c19: achtungswürdig a20: diese c21: nichts ist so geschickt, sie zu befördern, als c22: Kirchengeschichte. Nicht weniger wird dasselbe c23: eigenen c24: Echtheit c25: im Wesentlichen c26: eben c27: diese Religion c28: deren a29: Gehäßige c30: echte c31: bei c32: mancherlei unläugbaren c33: desselben c34: doch a35: blosser c36: von Leidenschaften c37: bloß in Verbindung c38: der Religion c39: zerstören a40: diesen c41: unläugbar c42: kann

92a1.

Wenn die Geschichte überhaupt die beste Schule der Weisheit und Tugend werden kanac2, |b119| wo man die Menschen siehtc3, wie sie wirklich sind, und /cwie sie wirklichc\c4 werden können,c5 wo man sie unter und nach ihren jedesmaligen besondern Umständen |a404| handeln sieht, wo man sich von dem Werth und Einfluß ihrer moralischen Grundsätze und Gesinnungen in das Verhalten und in die Glückseligkeit der Gesellschaft überzeugen kanc6: so gewährt die Kirchengeschichte c7 vorzüglich c8 diesen Nutzen, theilsa9, weil sie, ihrer Natur nach, /cmehr Auftrittec\c10 enthält, woc11 sich die Menschen in ihrem eigentlich sittlichen c12 Verhalten zeigen, theilsa13, weil sich c14 da die besondern Wirkungen wahrer und falscher Vorstellungen in der Religion und des rechten und unrechten Gebrauchs offenbaren, den man von ihr beyc15 dem sittlichen Betragen macht. /cSiec\c16 stellt c17 uns Beyspielec18 von religiöser Schwärmereyc19 und Aberglauben, von Leidenschaften unter der Masquec20 der Religion, von Irreligiosität und höchstem /cSittenverderbniß auf einer, undc\c21 /aauf |c105| der /candern Seite,c\c22 a\ von erleuchteter, reiner Frömmigkeit, von der Macht der Religion über die Schwäche des Herzens, und über die Stärke der Leidenschaften, in mancherleyc23 Lagen und Gestalten vor;ac24 und einem aufmerksamen Beobachter, der zugleich das von den wirklichen Handlungen und ihren durchschimmernden Triebfedern zu scheiden versteht, was Parteylichkeitac26 Gutes oder Böses /ahinzu gedichteta\a28 hat, /ceinem solchen kanc\c29 es selten schwer fallen, zu entdecken, woraus beyderleyc30 Arten von Handlungen entsprungen sind, wodurch sie Nahrung bekommen, was für wohlthätige oder schädliche Wirkungen sie hervorgebracht haben. Wie viel Gewinn kanac31 also die |b120| christliche Sittenlehre aus der Kirchengeschichte ziehnc32, da diese Geschichte so viele Belege enthält, die den Inhalt dieser Sittenlehre bewähren, an|a405|schaulich darstellen, und eine so reiche Quelle feiner Beobachtungen über das menschliche Herz oder genauerer Bestimmungen der Sittenlehre eröffnen!

a1: 379 ac2: kann c3: erblickt c4: was aus ihnen c5: könne; c6: kann c7: ganz c8: auch a9: theils c10: so vieles c11: wobei c12: Charakter und a13: theils c14: gerade c15: bei c16: Auf der einen Seite c17: sie c18: Beispiele c19: Schwärmerei c20: Larve c21: Sittenverderbniß, c22: andern, nicht weniger Beispiele c23: mancherlei ac24: vor, (a); auf; (c) ac26: Partheylichkeit (a); Parteilichkeit (c) a28: hinzugedichtet c29: kann c30: beiderlei ac31: kann c32: ziehen

93a1.

Die sogenannte symbolische Theologie, wenn sie ihrem Namen treu bleibetc2, und nicht in das Gebiet der Dogmatik und Polemik schweift, ist selbst nichts anders als ein Theil der Kirchengeschichte, man mag auf die Geschichtec3 der Symbolenc4 und /csymbolischen Bücherc\c5, oder auf die /cGeschichte derc\c6 darin vorkommenden /cLehren und Vorstellungenc\c7 davona8 sehen, die sowohl selbst, als die Nothwendigkeit, sie zu behaupten, zu vertheidigen oder zu widerlegen, schlechterdings ohne christliche Kirchengeschichte nicht verstanden werden kanc9.

a1: 380 c2: bleibt c3: Geschichte c4: Symbolen c5: symbolischen Bücher c6: Geschichte der c7: Lehren und Vorstellungen a8: darüber c9: kann

|c106| 94a1.

/acDiejenigenac\ac2 Wissenschaften, /cdie nun eigentlichc\c4 die Amtsführung des Predigers/c, und was dazu gehört,c\ betreffen, /cscheinen zwarc\ die Kenntniß der /cKirchengeschichte in dem Grade, wie diec\c5 bisher erwähntena6 /cWissenschaften, nichtc\c7 zu erfordern. Denn – die Kenntniß der geistlichen Rechte abgerechnet, /cwobey freylichc\c8 diese Geschichte unentbehrlich bleibt, die aber zur Theologie eigentlich nicht gehört – so /cnützlich es seyn würdec\c9, auch |b121| in Predigten und Katechisationen den Vortrag durch wohlgewählte Beyspielec10 aus der christlichen Geschichte anschaulicher und eindrücklicher zu ma|a406|chen, /cund so sehr auchc\c11 zu wünschen wäre, daß selbst dem gemeinen Christen und den Kindern recht frühzeitig /cmöchtec\ ein Begrifc12 von dem für sie lehrreichen Inhalt der Kirchen-c13 sonderlich der Reformations- und übrigen Geschichte ihrer Kirche, /cbeygebracht werden: soc\c14 sind dochc15 jene Beyspielec16 nur unzusammenhängende Bruchstücke, die man, auch ohne eigentliches Studieren der Kirchengeschichte, sich bekannt machen /c/akönnte;a\a17 es gehörtec\c18 viel Vorsichtigkeitc19 und weise Wahl dazu, um nicht den Vortrag, der für die Religion bestimmt ist, mit Nebensachen, oder gar solchen Dingen anzufüllen, die für solchec20 Zuhörer unnütz, vielleicht selbst, wegen des zu leichten Mißverstandes, schädlich werden /ckönnten; und dasc\c21 wirklich für sie Nützliche könnte ihnen c22 anderwärts wohl bequemer und vollständiger, als beyc23 dem Gottesdienst selbst, beygebrachtc24 werden. /aa\ /cAllein der eigentlichste und wesentlichec\c25 Nutzen, denc26 der Prediger aus der Kirchengeschichte ziehen /cmüßte, wärec\c27 die so unentbehrliche Klugheit beyc28 Mittheilung der Religion und beyc29 seinem ganzen Betragen, ja überhaupt die Bildung seines ganzen Charactersc30 dadurch, die doch überall das Wichtigste ist, wornach er zu trachten hat, und die so |c107| sehr durch das rechte Studieren der Kirchengeschichte /cgeschehen kana31. – Diesc\c32 führt uns auf den /czweytenc\c33 höchst wichtigen Vortheil, denc34 der /cauf diese Wissenschaftc\c35 gewendete /cFleiß giebta36 (§. 84.).a37 c\c38

a1: 381 ac2: Und diejenige (a); Weniger scheinen diejenigen (c) c4: welche c5: Kirchengeschichte, als der a6: erwehnten c7: Theile der Theologie, c8: wobei freilich c9: würde es zwar nützlich seyn c10: Beispiele c11: wie denn auch sehr c12: Begriff c13: Kirchen, c14: beigebracht werden möchte. Es c15: jedoch c16: Beispiele a17: könnte, und c18: könnte. Ueberdieß gehört c19: Vorsicht c20: viele c21: könnten. Das c22: auch c23: bei c24: beigebracht c25: Aber es giebt dennoch einen andern sehr wesentlichen c26: welchen c27: kann – c28: bei c29: bei c30: Charakters a31: kann c32: gefördert werden kann. – Dieß c33: zweiten (§. 84.) c34: welchen c35: hierauf a36: giebt. a37: 371.) c38: Fleiß, wenn er nur rechter Art ist, und nicht ein bloßes Gedächtnißwerk bleibt, unfehlbar gewähren wird.

|a407| |b122| 95a1.

Man muß sich sehr wenig auf die rechte Schätzung des Werths der Dinge verstehen, wenn man sich einbilden kanac2, die Hauptsache, oder gar Alles, komme beyc3 dem Lehrer der Religion auf das an, was er Andern wieder vortrage; dies müsse er eigentlich und vornehmlich, und nächstdem die Kunst lernen, es deutlich und lebhaft /cvorzutragen. Dieser Vortragc\c4 ist doch nur ein Theil seines Berufs; /cdazuc\c5 bedürfte es nicht einmal gelernterc6 Prediger; es bedürfte nur einiger äusserlichenc7 Gaben, eines mittelmäßigenc8 schlichten Menschenverstandes, eines guten Gedächtnisses, des fleißigen Lesens guter, der Classec9 der Zuhörer, vor welcher man reden soll, angemessener Predigten, oder /ceiner kleinenc\c10 Aufmerksamkeit auf die Manier beliebter Prediger im Vortrage:a11 so wärec12 ein solcher /cPrediger fertigc\c13. Wenn aber das übrige schlechte, oder wenigstens gleichgültige oder unvorsichtige Betragen des Predigers das Gute, so etwa durch Predigten gestiftet werden könnte, verhindert, oder wieder zerstört, oder doch schwächt; wenn die Kraft des ganzen Beyspielsc14 weit mehr wirkt als alles Predigen, und diesem erst den rechten Nachdruck giebt; wenn der Prediger durch sein ganzes Benehmen zum Guten wirksam, wahrer Vater und Seelsorger der ihm Anvertraueten seyn soll; wenn er so nicht reden und handeln |c108| kanc15, ohne eignec16 innige Ueberzeugung von dem, was er empfehlen, ohne eignec17 herzliche Gesinnung und Liebe, die er dagegen einflößena18 will, ohne |a408| |b123| wahrhaftige Weisheit in der Wahl und in der Artc19 wie er redet und handelt: so möchte doch wohl auf seine /ceignec\c20 Bildunga21 weit mehr ankommen, als auf seinen Vortraga22, der ohnehin nachc23 jener /cgestimmt werden wirdc\c24.

a1: 382 ac2: kann c3: bei c4: Andern mitzutheilen. Der Vortrag c5: für manche Arten desselben und manche Gemeinden c6: studierter c7: äußerlichen c8: gesunden c9: Klasse c10: einiger a11: Vortrage, c12: könnte c13: Geistlicher immer schon recht viel Nutzen stiften c14: Beispiels c15: kann c16: eigene c17: eigene a18: einflössen c19: Art, c20: eigene ganze a21: Bildung a22: Vortrag c23: mit c24: in einem genauern Zusammenhange steht

96a1.

Eben diese /ceigne Bildungc\c2 ists, die durch das rechte Studieren der /cKirchengeschichte, mehr als durch irgend etwas Anderes,c\c3 so /csehrc\c4 befördert werden kanc5. Denn sie zeigt /ceigentlichc\c6 das Schicksal und die Wirkungen der Religion, nach den verschiednenc7 Umständen der Menschen und dem verschiednenc8 Gebrauch, den sie davon /cmachten; und, wennc\c9 man gleich diese Wirkungen auch aus Beobachtungen seiner selbst und Anderer, mit denen wir leben, lernen /ckanc\: so zeigt uns doch die Kirchengeschichte eine viel größerea10 Verschiedenheit der Menschen, einc11 viel /cmannichfaltigeres moralisches Verhaltenc\c12 derselben, viel mehr verschiednec13 Umstände, in die sie, in Absicht auf die Religion, kommen können, und ersetzt das durch ihren Reichthum, was unserer sehr eingeschränkten Erfahrung abgeht. – Sie bildet und befestigt 1) unsre eigne Ueberzeugunga14 vom Christenthum /cc\ durch die Vorstellung des Fortgangs, der wunderbaren Erhaltung und Entwickelung der wahren Religion unter so mancherleyc15 Hindernissen und Angriffen, und ihrer für einzelnea16 Menschen und die ganze Gesellschaft so heilsamen Wirkungen; /acac\ durch die ausgezeichnetsten Spuren der göttlichen Vorsehunga17, |a409| |b124| die so sehr für diea18 Erkenntniß /aGottesa\ und /afüra\ wahre Gottseligkeit einnehmen, |c109| so sehr das Vertrauen auf ihn auch unter den mißlichsten Umständen, nebst dem Muth, Gutes zu thun, und nicht müde zu werden, stärken; /acac\ durch die so deutlichen Anzeigen des Unterschieds zwischen dem ächtenc19 und daher unveränderlich bleibenden Christenthum, und zwischen den falschen Zusätzen oder nicht allgemeina20 nothwendigen Vorstellungen davon; /acac\ durch die ganz besondere Fürsorge Gottes für die besondere Lehre und die besondere Kirche, zu der wir uns bekennen, durch die, im Ganzen genommen, geringrec21 Mängel derselben, oder durch mehrere Gewissensfreyheitc22, sichrerea23 Grundsätze und Glückseligkeit überhaupt, die sie uns gewährt.

a1: 383 c2: vollendete Bildung des ganzen Menschen c3: Kirchengeschichte in c4: hohem Grade c5: kann c6: ja in einem lebendigen Bilde c7: verschiedenen c8: verschiedenen c9: machten. Kann a10: grössere c11: eine c12: größere Mannigfaltigkeit des moralischen Verhaltens c13: verschiedene a14: Ueberzeugung c15: mancherlei a16: einzle a17: Fürsehung a18: seine c19: echten a20: allgemeinen c21: geringere c22: Gewissensfreiheit a23: sichere

97a1.

Durch diese einleuchtende Darstellung der wunderbaren und allezeit herrlichen Wege Gottes sowohl, als durch so viele gutea2 und bösea3 Beyspiele,c4 und des ganzen Ganges, den das verschiednec5 Betragen der Menschen genommen hat, kanc6 sie 2) sehr die ganze gute Gesinnung des Religionslehrers bilden. Welche Achtung gegen Wahrheit und Gewissen, welche Zufriedenheit mit Gott beyc7 so mannichfaltigen verschiednenc8 Vorstellungen vom Christenthum, die auf so verschiednenc9 Wegen doch alle zu Einema10 Hauptzweck führen, und beyc11 oft so sehr gegen einander laufenden Mitteln, die doch alle zu Beförderung der Absichten Gottes mitwirken müssen; welche Werthschätzung der |a410| |b125| Vernunft, der heiligen Schrift, der eignen Untersuchung, nützlicher Wissenschaften und guter Anstalten; welche Ueberzeugung von dem großena12 Umfang von Kenntnissen und Eigenschaften und ihrer Nothwendigkeit, um ganz dem Beruf eines Lehrers der Religion, nach den Bedürfnissen seiner Zeit und seiner Zuhörer,c13 ein Genüge zu thun,c14 und welchen regen Trieb darnach;c15 welche Standhaftigkeit gegen diejenigen, die dieses Gute stören wollen, und welche Geduld, Mitleiden, Billigkeit gegen Irrende, oder die so von uns verschieden denken; welche Achtung und Liebe gegen unsern eignenc16 so weit und mannichfaltigc17 zum Besten der Menschen wirkenden Beruf; wie viel Selbsterkenntniß und Ermunterung zu allen Tugenden kanc18 dieses Studium wirken, wenn man, durch fleißige Beobachtung dieser Vorgänge in der Kirchengeschichte und ihrer Ursachen und Folgen, sie sich zu einer lehrreichen Schule der Bildung unsers eignen Herzens macht!

a1: 384 a2: guten a3: bösen c4: Beispiele c5: verschiedene c6: kann c7: bei c8: verschiedenen c9: verschiedenen a10: einem c11: bei a12: grossen c13: Zu|c110|hörer c14: thun; c15: darnach, c16: eignen, c17: mannigfaltig c18: kann

98a1.

Wie viel dieses Studium 3) zur Beförderung der wahren Klugheit eines Lehrers der Religion beytragec2, können z. B. folgende Bemerkungen lehren. – Der vernachläßigtec3 Unterschied zwischen Christenthum und Theologie beyc4 dem Unterricht des Volks thut unsäglichen Schaden; die einleuchtendsten Beweise davon stellt die Kirchengeschichte fast beyc5 allen (arianischen, nestorianischen, monophysitischen und andern) |a411| |b126| Streitigkeiten auf, an welchen selbst das Volk Theil nahm,c6 und sie zeigt auch, welche Lehren von jeher unter den Christen und unbestritten gewesen, welche hingegen erst nach und nach entstanden, oder nie auf einstimmige Art von allen behauptet worden sind. – Nichts ist dem immer mehrern Wachsthum des Guten in der Kirche nachtheiliger, als die zu hohen Begriffe von gewissen Heiligen, angesehenen Lehrern, Anstalten, und der Untrüglichkeit der Kirche, so wie die Furcht vor der Gefahr, die aus allemc7, was neuc8 scheint, /centsteht; diesc\c9 verhindert alle weitere und eigne |c111| Untersuchung, und giebt selbst Mängeln und Ausschweifungen ein unverletzliches Ansehn. Nichts ist/a, auf der andern Seite,a\ der Erhaltung des wahrhaftig Guten, der Festigkeit der Grundsätze, und der gemeinschaftlichen Liebe gefährlicher, als das unzeitige und unvorsichtige Reformiren; nichts empört so sehr auch gegen gute neue Anstalten und Untersuchungen, als die unterlaßnec10 Schonung, die man dem Gewissen, der Freyheitc11 der Menschen, und nützlichen, wenigstens unschädlichen, Vorurtheilen oder Dingen schuldig ist, an welche ein Theil von Menschen einmal seine Ueberzeugung von wichtigen Wahrheiten, seine Gemüthsruhe, oder seine Andacht und die Ausübung seiner Pflichten geknüpft hat. – Die Einigkeit in Meinungen über Religionssachen, in wie fern, und durch welche Mittel und unter welchen Umständen sie könne hervorgebracht werden, oder nicht, und was aus solchen Versuchen für Folgen entstehnc12? was kanc13 |a412| alle diese Fragen besser |b127| beantworten, als die Geschichte der Conföderationen, der öffentlichen Religionsgespräche, der Glaubens- und Vereinigungsformeln? *)c14 was mehr die nöthige Vorsichtigkeit, auch in Einführung und Aendrungc15 bloß äusserlicherc16 Anstalten und der Nebendinge in der Religion, lehren? **)c17 was aufmerksamer auf Erhaltung der Freyheitc18, selbst in gleichgültigen Dingen? ***)c19 was billiger in Beurtheilung hartnäckig- oder zu nachgiebigscheinendera20 Dissentienten? †)c21 was geneigter in Schätzung jedes Guten in seiner Art ††)c22 machen /cu. d. gl.c\c23 als die Geschichte solcher Personen oder Unternehmungen? – Kurz, es giebt keine lehrreichere Schule zur Bildung kluger und bescheidnerc24 Lehrer der Religion, als die Kirchengeschichte, und immer haben sich in dieser Absicht diejenigen durch wahre |c112| Klugheit, und in dem Maaß ausgezeichnet, welche und in welchem Maaß sie mit Fleiß und unbefangnemc25 Gemüth diese Geschichte studiert hatten.

/c*)c\c26 Z. B. der Omousianer, Eusebianer und Anomöer; der Vertheidiger und Gegner der chalcedonischen Kirchenversammlung; der Streitigkeiten über den Origenes und über die dreyc27 Kapitel /cu. d. gl.c\c28 – der Religionsgespräche zwischen Katholiken und Protestanten, und der letztern unter einander; der wittenbergischen Concordie, der kryptocalvinistischen Händel, des sendomirischen Vereins, der Concordienformel, der jansenistischen Streitigkeiten etc.
**)c29 Geschichte der Feyer des Pascha unter den ersten Christen, des Τριςαγιονc30, der Streitigkeiten |a413| über |b128| Verehrung der Bilder, über den Gebrauch des gesäuerten und ungesäuerten Brodtsc31 im heiligen Abendmahl /cu. d. gl.c\c32
***)c33 S. die Geschichte der päbstlichenc34 Obergewalt, z. B. der eingeführten Krönung der römischen Kaiser von den Päbstenc35, der falschen Decretalien, der Eingriffe der Päbstec36 in die bischöflichec37 Rechte, der Immunitäten und Privilegien der Bettelorden, des Benehmens der Päbstec38 und der Concilien zu Costnitz und Basel gegen die Hussitena39, wie des zu Trident gegen die Protestanten, der Künste der Jesuiten, diese zu überlisten oder zu unterdrücken, und evangelische Landesherren zu Proselyten zu machen,c40 u. s. w.
†)c41 Geschichte der pelagianischen Streitigkeiten und der aus dem Interim entstandenen Händel.
††)c42 Geschichte der beyc43 allen Mängeln, Fehlerna44 und Irrthümern sehr mächtig und heilsam auf Verbesserung der Kirche wirkenden Priscillianisten, Paulicianer, Henrichianer, Waldenser, böhmischen Brüder,c45 und sogenannten Pietisten. Vergleichung zwischen Luther, Melanchthon und Erasmus. Vergleichung der sich einander balanzirendenc46 Gewalt der Päbstec47 und Geistlichkeit auf einer, und der Landesherren und des befehdenden Adels, auch zum Theil der Bischöfe, auf der andern Seite.
c|c113| Anm. Zu dem, was von dem Verfasser über die große Wichtigkeit kirchenhistorischer Kenntnisse, auch namentlich für den praktischen Religionslehrer, gesagt ist, kann man hinzusetzen, daß für den Mann, der in seiner theologischen Bildung und seinen Studien fortschreitet, kaum ein Studium bis in die spätesten Jahre so viel Interesse behalten kann, als Geschichte überhaupt und Religionsgeschichte insonderheit. Wenn so manche andere Studien, je länger man sie besonders als praktische Arbeiten betreibt, immer weniger befriedigen, weil man einsieht, daß man entweder nicht merklich weiter darin kommt, oder wenigen Gebrauch davon im Leben und in seiner amtlichen Wirksamkeit machen kann; wenn die Grübeleien der höhern Philosophie, der theologischen Metaphysik oder Dogmatik, der höhern und niedern Kritik, nach und nach ermüden und wenigstens dem Gemüth keinen Genuß gewähren, so liefert dagegen die Geschichte einen immer neuen, und je mehr man ins Einzelne geht, immer anziehendern Stoff für das Nachdenken, und afficirt das Gefühl auf die verschiedenartigste Weise. Wer mit offenen Augen vor dem großen Drama der Geschichte steht – wer könnte da ermüden? – Wie viel Lehre, wie viel Trost der denkende Prediger, namentlich aus der Geschichte der Kirche Jesu schöpfen, wie er seinen sinkenden Muth durch sie beleben, wie er sich in den drückendsten Zeiten an dem Bilde derer, die das Bessere gefunden und erwählt hatten, erquicken, mit welcher Beschämung er von der Betrachtung derer, die unter unendlichen Schwierigkeiten lange vor uns, für uns gearbeitet haben, zurückkommen werde, das ist schon oben berührt, kann aber nicht oft genug wiederholt werden. A. d. H.c
a1: 385 c2: beitrage c3: vernachlässigte c4: bei c5: bei c6: nahm; c7: Allem c8: neu c9: entsteht. Dies c10: unterlassene c11: Freiheit c12: entstehen c13: kann c14: 1) c15: Aenderung c16: äußerlicher c17: 2) c18: Freiheit c19: 3) a20: nachigiebig-scheinender c21: 4) c22: 5) c23: u. dergl., c24: bescheidener c25: unbefangenem c26: Anm. 1) c27: drei c28: u. dergl. c29: 2) c30: Τρισαγιον c31: Brods c32: u. dergl. c33: 3) c34: päpstlichen c35: Päpsten c36: Päpste c37: bischöflichen c38: Päpste a39: Hußiten c40: machen c41: 4) c42: 5) c43: bei a44: Fehlern, c45: Brüder c46: balancirenden c47: Päpste

99a1.

Es ist /cvor sich klarc\c2, daß dieser /csoc\ großea3 c4 Nutzen der /cchristlichenc\ Kirchengeschichte nur als|b129|dannac5 erreicht werden könne, wenn sie die /aim ersten Theil |c114| erwähntena\a7 Eigenschaften /aeiner guten Geschichtea\ hat, und wenn man sie so studiert, daß man beständig diese vor Augen behälta8, und mit möglichstem Fleissec9 sie zu erreichen sucht. Dadurch fällt der /ceinfältigec\ Vorwurf c10 von selbst weg, daß sie ein bloßesa11 Gedächtnißwerk, mit unnützen und unfruchtbaren Kleinigkeiten /c(wie wohl jede andre Wissenschaft)c\ überhäuft, und zur Zubereitung eines künftigen Lehrers der Religion sehr entbehrlich seyc12. Eine flüchtige und oberflächigec13 Bekanntschaft mit derselben ist so viel wie gar keine, und schwerlich giebts irgend eine Art von akademischen Vorlesungen für einen künftigen Theologen, die er, wenn er Gelegenheit hätte, sie ausführlich und auf die angezeigte Art zu hören, weniger versäumen, und öftrerc14 hören sollte, als solche historische. Denn zuerst ist den meistenc15 darin allesc16 ganz neu und fremd; vielesc17 unverständlich, weil so manche andre Kenntnisse dabeyc18 vorausgesetzt, oder /cmit beygebrachtc\c19 werden müssen, die schlechterdings sich in der Kürze nicht abfertigen laßenac20, sondern umständliche Auseinandersetzung erfordern; und Vieles muß, wenn dem Zuhörer fast allesc21 noch unbekannt ist, seiner Aufmerksamkeit entwischenc22. Hiernächst kanc23 er kaum den Abgang dieser versäumten Gelegenheit durch eignen Fleiß ersetzen, weil es ein gar zu weitläufiges Studium ist, das sehr viele Hülfsmittel erfordert, die selten jemand haben kanc24, so wenig wie hernach Geduld und Mußea25 genug, um in seinem künftigen Beruf dieses nachzuholen; |b130| zumala26 da es so sehr an guten Handbüchern fehlt, |a415| woraus man sich selbst helfen könnte. Denn alle diese sind entweder /cvielc\ zu unvollständig, oder /csehr unzuverläßigc\c27, selten aus den rechten Quellen geschöpft, und gar nicht so bearbeitet, daß sie sich durch die vorhin gedachten Eigenschaften empfehlena28; oder sie enthalten treflichec29 Materialien, die aber nicht genug geordnet, nicht lehr|c115|reich und überzeugend genug zusammengestellta30 sind, und für den Anfänger noch zu viel Dunkles und Unerläutertes enthalten; oder sie sind /c– und das trift selbst die besten Handbücher, –c\ nicht vollendet, nicht auf die neuesten Zeiten fortgeführt. Ausführlichere Werke aber sind zu kostbar, und keines faßt den ganzen Umfang der Kirchengeschichte in sich.

c31 Wahr ists, der akademische Unterricht darüber bleibt immer noch kurz genug,c32 und wer sich selbst mit eignem Fleiß auf dieses Studium legen, und aus den Quellen schöpfen will, kanc33 es freylichc34 darin weiter bringen, und diese Geschichte /cnoch überzeugenderc\c35 lernen. Aber wer darum dergleichen Vorlesungen nicht auf Universitäten hören wollte, der würde nicht überlegen, daß, nach diesem Grundsatz, überall der akademische Unterricht auch in andern Wissenschaften entbehrlich wäre; daß es doch besser seyc36, wenigstens das Nothdürftigste von einer solchen nützlichen Wissenschaft, als gar nichts davon zu lernen; daß ein solcher Unterricht eine gute Grundlage für das künftige eigne Studieren seyc37; und daß man doch schon viel gewonnen habe, |b131| wenn man auch nur auf dasjenigec38 aufmerksam gemacht würdea39, worauf man beyc40 diesem Studium hauptsächlich sehen muß, /cundc\ wenn man c41 dem Lehrer die wahre |a416| Art ablerntea42, wie die Kirchengeschichte studieretc43 werden müsse.
c{Uebrigens ist wohl nicht zu läugnen, daß bei der Kürze eines gewöhnlichen Triennii, selbst die besten Vorlesungen der Krichengeschichte doch nur Skizzen, Uebersichten und Andeutungen seyn können, und gerade dieß Studium einen fortgesetzten Fleiß erfordert. Die im Vorigen angegebenen Schwierigkeiten sind indeß nicht unüberwindlich. Wem nur recht daran liegt, der wird sich die Hülfsmittel schon zu verschaffen und es zu sparen wissen, weiß auch schon, wohin er sich wenden kann, um sie zu benutzen. Auch haben wir seit dem Tode des Verfassers gar manche Bereicherung in diesem Fach erhalten. A. d. H.[}]c
a1: 386 c2: indeß kaum nöthig zu erinnern a3: grosse c4: und mannigfaltige ac5: alsdenn (a); dann (c) a7: §. 225|a414|–228 erwehnten a8: hat c9: Fleiße c10: der Unwissenden a11: blosses c12: sei c13: oberflächliche c14: öfter c15: Meisten c16: Alles c17: Vieles c18: dabei c19: beigebracht ac20: lassen c21: Alles c22: entgehen c23: kann c24: kann a25: Musse a26: zumahl c27: unzuverlässig a28: empfählen c29: treffliche a30: zusammengestellet c31: Anm. c32: genug; c33: kann c34: freilich c35: sichrer und überzeugter c36: sei c37: sei c38: das a39: wird c40: bei c41: endlich a42: ablernete c43: studiert

|c116| 100a1.

Gemeiniglich stellt sich der Anfänger die Schwierigkeiten beyc2 diesem Studium größera3 und unüberwindlicher vor, als sie sind, nicht nur wegen der Menge und Mannichfaltigkeit der Sachen, sondern auchc4 weil man sich in der Geschichte und in allen Wissenschaften, wo nicht der Verstand das Meiste thun muß, weniger selbst helfen kanc5, sondern von Andern lernen muß; weil fast allesc6 in dieser Geschichte dem Anfänger ganz fremd ist;a7 und weil wenige Arten von den einem Studierenden nöthigen Kenntnissen so sehr auf Schulen versäumt werden, als die Kenntniß der Geschichte. Indessen laßenac8 sie sich durch die Beobachtung folgender Vorschläge gar wohl überwinden, die zugleich auch zeigen, wie man dergleichen Vorlesungen über die Kirchengeschichte mit dema9 meisten Nutzen hören könne.

a1: 387 c2: bei a3: grösser c4: auch, c5: kann c6: Alles a7: ist, ac8: lassen a9: den

101a1.

Weil Wahrheitc2 die Seele der Geschichte, Zuverläßigkeitc3 der Erzählung der Grund aller andern aus der Geschichte zu ziehenden Vortheile ist, und der Anfänger sich hier vornehmlich /cmußc\ auf die Kenntniß, Genauigkeit und Deutlichkeit des |b132| Docenten sowohl, als auf seine gute Wahl des Nützlichsten, und auf die lehrreichste Behandlung der Geschichte von ihm, /cverlaßena4 c\c5 können: so |a401[!]| müßtec6 man 1) vor allen Dingen, wenn man die Wahl unter mehrern Docenten haben kanc7, in dieser Wahl sehr vorsichtig /cseync\, und c8 sie nach dem /cbeurtheilenc\, was unten darüber gesagt werden soll. /cMan müßtec\c9 2) nie Kirchengeschichte studieren wollen, ehe man sich nicht die Universalgeschichte seit Christi Geburt, und 3) die ältere und neuere Geographie wenigstens /cnothdürftig, undc\ so weit bekannt gemacht hätte, /cdaß manc\c10 sich mit Hülfe guter Landcharten in vorkommenden Fällen helfen /ckönnte; weil man sich ohne beyderleyc\c11 Vorerkenntnisse /cgar nichtc\c12 zurecht finden /ckanc\.

c13 Es wäre sehr zu wünschen, daß man einige recht gute allgemeine Landcharten bekäme, welchea14 ganz eigentlich für die Kirchengeschichte wären, und /awelchea\ die verschiednenc15 Diöcesen in den christlichen Ländern zu verschiednenc16 Zeiten vorstellten, ohngefährc17 so, wie die christlichen Patriarchate von d'Anville in le Quien Oriens Christianus, und die afrikanische Diöces von de l'Isle vor Du Pin Ausgabec18 des Optatus Milev.c19 woran es jetzt noch eben so, wie an einem guten Handbuch der Kirchengeographie fehlt. Friedrich Spanheimsc20 /aIntroductio ad Geographiam sacrama\a21 ist fast das einzige/a, obgleich sehr dürftige,a\ Handbuch, das man ziemlich leicht haben kanc22, und doch sind nur erst in der Ausgabe im ersten Tomo seiner Werke Landcharten beygefügtc23, die /azum Theil einerleyc24, zum Theila\ nicht viel besser sind,a25 |b133| als die in Caroli a S. Paulo Geographia /aS. Amstel. 1703. fol.;a\a26 auch gehen beyderleyc27 Werke und Charten nur die ältere Kirchengeographie /abis ins 6te Jahrhunderta\ an. Die oben /aschona\ /c/aempfohlnena\a28 d'anvillischenc\c29 Charten und übrigec30 Hülfsmittel bleiben doch überhaupt, auch beyc31 der Kirchengeschichte, unentbehrlich.
c{Seit dem dieß geschrieben ist, hat K. F. Stäudlin's kirchliche Geographie und Statistik, Erlangen 1804., 2 Bände, dem Bedürfniß sehr glücklich abgeholfen.}c
a1: 388 c2: Wahrheit c3: Zuverlässigkeit ac4: verlassen (a); muß verlassen (c) c6: sei c7: kann c8: beurtheile c9: Dann sollte man auch c10: um c11: zu können. |c117| Ohne diese beiderlei c12: wird man sich auf dem großen Felde schwerlich c13: Anm. a14: die c15: verschiedenen c16: verschiedenen c17: ungefähr c18: (Ausgabe c19: Milev.), c20: Spanheim's a21: Geographia sacra et ecclesiastica c22: kann c23: beigefügt c24: einerlei a25: sind a26: S., c27: beiderlei a28: (§. 234 Anm.) angezeigten c29: empfohlenen d'Anvillischen c30: übrigen c31: bei

|a402[!]| 102a1.

Dem Gedächtniß, wegen der vielen Namen und Jahrzahlen, zu Hülfe zu kommen, sich überall mehr zu orientiren, und immer einen Faden zu haben, woran man die Kenntnisse reihe, die man in der Kirchengeschichte erlangt /ahata\, müßtec2 man sich 4) an ein gutes Handbuch c3 gewöhnen, worin, nebst einer verhältnißmäßigen allgemeinen Vollständigkeit, eine gleichförmige Ordnung /cherrschtea4 †),c\c5 5) sich gewisse Epochen und Hauptbegebenheiten genau und |c118| fest mit ihren Umständen /ceindrücken ††),c\c6 und 6) /csichc\ entweder selbst synchronistische Tabellen machenc7, oder dergleichen immer vor Augen /chaben †††);c\c8 überall aber 7) nicht bloß das Gedächtniß c9 beschäftigen, sondern stets auf eine solche Kenntniß der Kirchengeschichte bedacht c10 seyn, welche die /aschon im ersten Theil angegebenena\a11 Eigenschaften /aeiner guten Geschichtea\ hat. a12

/c†)c\c13 In dieser Absicht scheint die Methode, die Kirchengeschichte nach den Jahrhunderten abzuhandeln, und beyc14 jedem allesc15 unter einerleyc16 Hauptrubriken zu bringen, so manche Unvollkommenheit sie auch sonst |b134| mit sich führt, für den Anfänger die zuträglichste zu seyn; zumahlc17 da er sich beyc18 längern Perioden zu leicht aus einer Zeit in die andrec19 verirrt, und den Synchronismus aus den Augen verliert, auch einmal das Rechnen nach Jahrhunderten üblich ist, und die synchronistischen Tabellen darnach eingerichtet sind. Mosheimsc20 Institutiones Hist. Eccles. verdienen deswegen, beyc21 allen etwanigen Mängeln, noch immer Empfehlung, selbst auch mit darum, weil der Anfänger an zweyc22 |a403[!]| vermehrten /adeutschena\ /cUebersetzungenc\c23 einen kleinen Commentar über das Buch haben kanc24. /aUnter den Handbüchern, die, ohne sich an einzelne Jahrhunderte zu binden, die Zeitfolge zum Grunde legen, ist die allgemeinec25 Geschichte der christl. Kirche, von H. P. C. Henke, /cwovon bis jetzt zuc\ Braunschweig /c1788–91 drey Theile erschienen sindc\c26, unstreitig das /cbeßte.c\
cbeste und reichhaltigste. {Kürzer zwar, aber von mehrern Seiten nicht minder empfehlungswerth, ist C. F. Stäudlin's Universalgeschichte der christlichen Kirche. Bremen 1816., 2te Ausg. in einem Bande.}
{Der selige Nößelt blieb der Methode nach Jahrhunderten getreu, welche seit den Magdeburgischen Centuriatoren, die Hauptschriftsteller, wie Spanheim, Tillemont, Natalis Alexander, Weisman, |c119| Pfaff, Mosheim, Baumgarten, W. E. Walch u. a. befolgt hatten. Indeß ist man doch vorzüglich jetzt ganz einverstanden, daß die Eintheilung in größere Perioden vorzuziehen sei, wenn diese nur nicht zu ungleich werden, sich stets mit einer besonders wichtigen und universellen Begebenheit eröffnen, auch die Zahl derselben nicht zu sehr vermehrt wird. Man vergleiche Plank's Einleitung in die theologischen Wissenschaften, Theil 2. S. 223 fg. A. d. H.}c a\
††)c27 Hierin sowohl als in der pragmatischen Behandlungc28 hat der spittlerischec29 Grundriß der Geschichte der christlichen /cKirche (2tec\c30 Aufl. /cGötting. 1785. 8.)c\c31 entschiedene Vorzüge, zumahlc32 wenn er etwas mehr mit Begebenheiten und Literatur bereichert, auch der Gesichtspunctc33, so wie beyc34 der Geschichte der Hierarchie, eben so in andern merkwürdigen Rücksichten erweitert würde. Wer sich gewisse Hauptvorfälle mit ihren Umständen bemerkt, kanc35 dadurch leicht, vermittelst der Association, auch andrec36 Merkwürdigkeiten an ihren Ort stellen, wie z. B. wenn man einmal die Geschichte der 2tenc37 ökumenischen Kirchenversammlung sich eingedrückt |b135| hat, den arianischen, macedonianischen, apollinarischen Händeln, dem Ursprung des constantinopolitanischen Patriarchats, der Regierung Theodosii des Großena38, dem Gregorius Nazianz. und somit mehrern Andern, ihr Platz angewiesen wird.
†††)c39 Wenn man dergleichen nicht schon beyc40 dem gewählten Handbuch hat, ist für den Anfänger der /cseilerischec\c41 kurze Inbegrifc42 der Kirchengeschichte des N. T. in Tabellen, /cnach der dritten Ausgabe (Erlangen 1777. 4.)c\c43 sehr brauchbar.
c{Uebertroffen aber ist dieß Werk durch J. S. Vater's synchronistische Tafeln der Kirchengeschichte. 3te Auflage, Halle 1818.}c
a1: 389 c2: hat c3: zu a4: herrscht c5: herrscht, 1) sodann c6: einzudrücken, 2) c7: anzulegen c8: zu haben; 3) c9: zu c10: zu a11: oben gedachten a12: (§. 225–28.) c13: Anm. 1) c14: bei c15: Alles c16: einerlei c17: zumal c18: bei c19: andere c20: Mosheim's c21: bei c22: zwei c23: Uebersetzungen, von Schlegel und von Einem, c24: kann c25: Allgemeine c26: 1800–1806., 1ster bis 6ter Theil, 4te Auflage, deren Beendigung von Vater erwartet wird c27: 2) c28: Behandlung, c29: Spittlerische c30: Kirche, 3te c31: Göttingen 1791. 8. c32: zumal c33: Gesichtspunkt c34: bei c35: kann c36: andere c37: zweiten a38: Grossen c39: 3) c40: bei c41: Seiler- und Rosenmüllersche c42: Inbegriff c43: 7te Ausgabe, Erlangen 1796. 4.

103a1.

Wenn man sich auf die gedachte Art entweder durch gute Vorlesungen, oder durch den Gebrauch eines guten |c120| Handbuchs der Kirchengeschichte eine allgemeinere Kenntniß derselben erworben hättec2, und /cman wolltec\ dieses Studium, wegen seines großena3 Nutzens, weiter /cfortsetzen †),c\c4 |a404[!]| und /csie selbst untersuchen:c\c5 so würdenc6, in Beziehung auf die oben /aim ersten Theila\a7 angegebnenc8 nothwendigen Eigenschaften einer wahren und nützlichen Geschichtskunde, folgende Regeln nie /cmüssenc\ /aaus dera\a9 Acht gelaßenac10 werden. 1) Weil beyc11 Geschichte allesc12 auf Nachrichten und Zeugnisse ankommt, und es, beyc13 der ungeheuren Menge /cvon Nachrichtenc\c14, die oft in Denkmahlena15 und Schriften, wo man sie gar nicht sucht, nur beyläufigc16 vorkommen, unmöglich ist, daß auch der fleissigsteac17 Mann allesc18 wissen kanc19, was hier einiges Licht ausbreitenc20 möchte,a21 so muß man sich vor allen Dingen sowohl um die Quellen aller Art, |b136| als um die, welche sie schon benutzt, und darnach irgend einen Theil der Kirchengeschichte untersucht haben, bekümmern.

/cAnm.a22 1. †)c\c23 Es wäre allerdings sehr gut, vor der eignenc24 Untersuchung, ein oder anderes größeresa25 Werk über diese Geschichte zu studieren.a26 Man würde dadurch nicht nur jene erste Grundlage, sondern auch die /cverschiednen Gesichtspunctec\c27 erweitern, aus der man die zur Kirchengeschichte gehörigen Sachen ansehen kanc28. Denn die Verfasser der Handbücher schränken sich gemeiniglich nur auf gewisse Gesichtspunctec29, und oft zu sehr, ein, z. B. auf Geschichte der Kirche, ohne eben so genau der Geschichte der Lehre nachzuforschen, auf Geschichte der Hierarchie, ohne die Geschichte der religiösen Cultur,c30 und der sie befördernden Mittel /cu. d. gl.c\c31 eben so fleißig darzustellen. Jeder läßt beyc32 der nothwendigen Kürze und in Rücksicht auf seine Leser oder Zuhörer vieles Nützliche weg, der Theologe z. B. die Geschichte der Kirchengesetze, der Protestant Manches, was ihn weniger als den |a405[!]| Katholiken interessirta33, und das doch auch für ihn in mancher Absicht sehr nothwendig werden kanc34. – Aber noch kenne ich kein ausführlicheres und |c121| mit gehöriger Kenntniß der Quellen und Untersuchungsgeist geschriebnesac35 Werk, das c36 vollständig wäre/c, und die Kirchengeschichte aller Jahrhunderte umfaßtec\. Sonst würde ich, obgleich in verschiednerc37 Rücksicht, für den, der weiter gehen will, die bossuet-cramerischec38 Einleitung, die /csemlerischen selecta Capitac\c39, Versuch eines fruchtbaren Auszugs |b137| der Kirchengeschichte, und Versuch christlicher /cJahrbücher (Halle 1785c\c40 und /c86 inc\c41 2 /cTheilen inc\c42 gr. 8.)c43, nebst der /cschröckhischen christl. Kirchengeschichte, hernach die Hist. Ecclesiastique par Fleury, und Natalis Alexandri Hist. Ecclesiast. (s.a44 die Anweisung zur Bücherkenntn.a45 §. 329. 330. und 333)c\c46, vor allen andern empfehlen. /cDa sie inzwischen nicht bis aufc\c47 die neuestec48 Zeiten /cgehen, so müßte man diesen Abgang durch einigec\c49 in der Anweisungc50 §. /c501, 386a51 und 337 genanntec\c52 Bücher /cersetzenc\c53.
/cAnm.a54 2.c\c55 Nirgends ist Literargeschichte (/as. c56 ersten Th.c57a\a58) und die Sammlung brauchbarer Excerpte unentbehrlicher, als beymc59 Studium der Geschichte. Die Bücher, welche ganz eigentlich für die Kirchengeschichte und /czuc\ deren Aufklärung c60 sind, allgemeinere und /cbesondre, kanc\c61 man in der Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologiec62 Theil 1. Abschn.c63 3. und in den daselbst §. 289c64 angezeigten /cWerkenc\c65 finden. Andrec66, die kleine Theile der Kirchengeschichte,a67 oder einzelnea68 Umstände betreffen, muß man sich aus denenjenigen bekannt machen, welche diese mit Zeugnissen belegt, oder in ihren Schriften über besondrec69 Gegenstände die gebrauchten Quellen angegeben haben. Es giebt auch Bücher, wo man die wichtigsten Quellen und Schriften über die besondersten Umstände angezeigt |a406[!]| findet, z. B. in dem Catalog. Biblioth. Bunavianaec70 Tom. 1.a71 Vol. 2. lib. VI. c. 1.c72 die, welche von einzeln berühmten Schriftstellern,a73 Tom. III. Vol. II.a74 p. 597 seq.c75 die, so von einzelnena76 Heiligen |b138| und Märtyrern geschrieben haben. Wenn man über die Kirchengeschichte /aein solchesa\a77, aber a78 noch viel mehr erweitertes Buch hätte, wie Hambergersc79 Directorium /chistoricum - -c\c80 post Marq. Freherum et iteratas Jo.c81 Dav. Koeleri /ccuras (Göttingenc\c82 1772. 4.)c83 ist: so würde dem, der die Quellen der besondern Kirchengeschichte will kennen lernen, viele Mühe und |c122| Zeit, nebst dem Abgang vieler wichtigena84 Quellen, ersparetc85 werden.
c{In Plank's Einleitung in das Studium der Theologie, 2 Theile, sind die allgemeinern und besondern Schriften ebenfalls sehr vollständig angegeben.}c
a1: 390 c2: hat a3: grossen c4: fortsetzen, 1) c5: mit eigenen Untersuchungen verbinden will, c6: dürfen a7: §. 225 f. c8: angegebenen a9: ausser ac10: gelassen c11: bei c12: Alles c13: bei c14: derselben a15: Denkmalen c16: beiläufig ac17: fleißigste c18: Alles c19: kann c20: verbreiten a21: möchte: a22: Anm. c23: Anm. 1) c24: eigenen a25: grösseres a26: studieren[.] c27: verschiedenen Gesichtspunkte c28: kann c29: Gesichtspunkte c30: Kultur c31: u. d. gl., c32: bei a33: intereßirt c34: kann ac35: geschriebenes c36: ganz c37: verschiedener c38: Bossuet-Cramersche c39: Semlerschen Selecta capita c40: Jahrbücher, Halle 1785. c41: 86., c42: Theile, c43: 8. a44: (S. a45: Bücherk. c46: Schröckhischen christlichen Kirchengeschichte (bis zur Reformation 34 Theile, seit der Reformation 9 Theile) c47: Ueber c48: neuesten c49: geben die c50: Bücherkenntniß a51: 336 c52: 501. 386. 337. genannten c53: hinlängliche Auskunft a54: Anm. c55: 2) c56: den c57: Theil a58: §. 247 c59: beim c60: bestimmt c61: besondere, kann c62: Theologie, c63: Abschnitt c64: 289. c65: Werken, desgleichen in der Bibliothek für Prediger, 2ter und 4ter Theil, c66: Andere a67: Kirchengeschichte a68: einzle c69: besondere c70: Bunavianae, a71: I. c72: 1., a73: Schriftstellern a74: I. c75: seq., a76: einzeln a77: dergleichen a78: ein c79: Hamberger's c80: historicum – c81: Io. c82: curas, Göttingen c83: 4., a84: wichtiger c85: erspart

104a1.

Weil aber angebliche Quellenc2 diesen Namen nicht immer verdienen, und nicht aus der Zeit, noch von den Verfassern sind, welchen sie zugeschrieben werden: so muß /cman 2),c\c3 ehe man sie brauchtc4, von ihrer Aechtheitc5 überzeugt seyn, oder wissen, wie fern sie Quellen seyn können. Diese Kritik ist vielleicht nirgends nöthiger, als /cbey diesenc\c6 Quellen der Kirchengeschichte, weil beyc7 der früh entstandnenc8 Einbildung von Rechtmäßigkeit des sogenannten frommen Betrugs, beyc9 der so bald unter Christen eingerissenen Gewohnheit, nach menschlichem Ansehnc10 und Tradition Wahrheit und Pflicht zu bestimmen, und dem daher entstandenen Interesse, die Aechtheitc11 gewisser berühmten Denkmahle zu behaupten, endlich beyc12 dem bis gegen die Zeiten der Reformation fast gänzlichen Mangel der hiebeyc13 gebrauchten Kritik und denc14 blinden /cGlauben an, zumahl herrschende,c\c15 Sagen, so viele un|a407[!]|ächtec16 Schriften und Denkmahle einenc17 sehr /cunverdienten Creditc\c18 erlangt haben.

|b139| /cAnm.a19 1.c\c20 Da so viel darauf ankommt, den Werth der Quellen recht zu würdigen: so ist zur Kenntniß derselben und ihrer rechten Beurtheilung überhaupt, C. W. F. /cWalchs critischec\c21 Nachricht von den Quellen der Kirchenhistorie, /cLeipz. 1770 inc\c22 gr. 8.c23 ein unentbehrliches Buch. Wie sehr wäre zu wünschen, daß man in Absicht auf die ganze Kirchengeschichte ein solchc24 Werk hätte, wie der semlerischec25 Versuch, den Gebrauch der Quellen in der Staats- und Kirchengeschichte zu erleichtern, Halle 1761. 8c26, in Absicht auf einen kleinerna27 Theil der mitlernc28 Geschichte ist!a29 Mehrere in der Anweisung etc. §. /c409 genenntec\c30 Schriftstel|c123|ler,a31 und ausserc32 diesen, in Rücksicht auf einzelnea33 Schriften, manche Herausgeber der Schriften der Kirchenväter und alter Denkmaleac34, sonderlich die Benedictiner von der Congregation des heil. Maurus, /adesgleichena\ Jac. Sirmond, Joh. Launoi, Joh. Daillé, Anton Pagi, Tillemont, J. S. Semler, C. T. Spittler, und einige wenige Andrec35, haben auch hierin um die Kirchengeschichte sehr großea36 Verdienste.
/cAnm.a37 2.c\c38 Wie man hiebeyc39 nicht auf die bloßena40 Urtheile, sondern auf die Gründe sehen muß, womit man jene unterstützt hat;a41 denn der Zweifel geht sehr oft, nicht minder wie der blinde Glaube, über die Gränzen: so ist deswegen ein Denkmahl nicht gleich unbrauchbar, wenn es gleich fälschlich in eine gewisse Zeit gesetzt,a42 oder einema43 Verfasser beygelegtc44 worden ist; es kanc45, wie viele unächtec46 Schriften, doch in der Zeit, wohin es wirklich gehört, und deren Spur es trägt, großesa47 Licht geben, und |b140| unter vielem Unächtenc48, doch schätzbare historische |a408[!]| Fragmente enthalten, wie die sogenannten Apocrypha N. T., die ignatianischenc49 Briefe, Canones und Constitut. Apostolicae, Recognitiones Clementis, viele unächtec50 Schriften vom Chrysostomus, Ambrosius, Augustinus /cu. a.c\c51 wenn man nur /avorhera\ ihren Ursprung und ihr Alter ausfündigc52 machen kanc53.
a1: 391 c2: Quellen c3: man, 2) c4: gebraucht c5: Echtheit c6: gerade bei den c7: bei c8: entstandenen c9: bei c10: Ansehen c11: Echtheit c12: bei c13: hierbei c14: dem c15: Glauben, selbst an herrschend gewordene c16: unechte c17: ein c18: unverdientes Ansehen a19: Anm. c20: Anm. 1) c21: Walch's kritische c22: Leipzig 1770. c23: 8., c24: solches c25: Semlersche c26: 8. a27: kleinen c28: mittlern a29: ist. c30: 409. genannte a31: Schriftsteller c32: außer a33: einzle ac34: Denkmahle c35: Andere a36: grosse a37: Anm. c38: 2) c39: hierbei a40: blossen a41: hat, a42: gesetzt a43: einen c44: beigelegt c45: kann c46: unechte a47: grosses c48: Unechten c49: Ignatianischen c50: unechte c51: u. a., c52: ausfindig c53: kann

105a1.

Eben diese Kritik müßtec2 3) beyc3 einzelnena4 Stellen und deren Lesearten angewendet werden, wo, nach den Quellen, die zur richtigen Darstellung eines Textes dienen, oder nach andern wahrscheinlichen Spuren, Verdacht des Unächtenc5 entstehen kanc6, auch hernach 4) beyc7 Bestimmung des richtigen Sinnes, wozu die Kenntniß des, besonders kirchlichen, Sprachgebrauchs, der in verschiedenen Gegenden und Zeiten sehr verschieden ist, unumgänglich erfordert wird, zumahlc8 da er, durch Vernachläßigungc9 dieses Unterschieds, durch Un|c124|wissenheit und Vorurtheile, die durch c10 Interesse geleitet wurden, sehr verdunkelt worden ist.

/cBeyc\c11 der dritten Regel s. die /aTheil 1.a\ §. 90. erwähntena12 Schriftsteller, und wegen der vierten die, welche in der Anweisung zur Bücherkenntniß §. 410c13 genannt worden sind. Casaubonsc14, Salmasii, Blondelsc15 und einiger Andern Schriften, unter den Neuern J. A. Ernesti Antimuratorius, C. F. Rößlersc16 Bibliothek der Kirchenväter etc. enthalten sehr schätzbare Aufklärungen über diesen Sprachgebrauch.
a1: 392 c2: muß c3: bei a4: einzlen c5: Unechten c6: kann c7: bei c8: zumal c9: Vernachlässigung c10: mancherlei c11: Anm. Bei a12: erwehnten c13: 410. c14: Casaubon's c15: Blondel's c16: Rößler's

|a409[!]| |b141| 106a1.

Wenn man von dem wahren Sinn in einer ächtenc2 Stelle eines solchen Denkmahls oder Schriftstellers überzeugt ist, bleibt noch 5) die Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugnisses übrig. Es ist hier der Ort nicht, zu zeigen, wie diese Prüfung, und nach welchen Regeln, sie anzustellen /csey †);c\c3 aber Vorsichtigkeit /ckan beyc\c4 dieser Geschichte, die durch Unwissenheit, Parteygeistac5 und Hang zum Ausserordentlichenc7 so sehr verdorben ist, nicht genug empfohlen, der angehende Geschichtschreiber nicht oft genug erinnert werden, eher nicht zu urtheilen, als bis und so weit er sich das Zeugniß geben kanc8, eben die Eigenschaften beyc9 dieser Prüfung mitzubringen, die beyc10 dem Zeugen seyn müssen, den man prüfen soll, nehmlich:ac11 in Absicht auf die Eigenschaften unsrer Erkenntniß, hinlängliche Bekanntschaft mit der Geographie, Chronologie, der bürgerlichen und Völker-c13 der Literar-c14 auch der übrigen gleichzeitigen Kirchengeschichte, Philosophie, Kritik und genaue Sprachkenntniß, alles dieses verbunden mit gesundem Verstande, treuem Gedächtniß, feiner Menschen- und Weltkenntniß, scharfsinnigem Beobachtungsgeistc15 und Fähigkeit, selbst kleine Umstände, nach |c125| den Spuren, die uns die Geschichte weisetc16, geschickt zu verbinden; und in Absicht auf den guten Willen, theils strenge Unparteylichkeitac17, die sich weder durch Liebe gegen das, wofür wir eingenommen sind, es seyc19 Religion, oder Parteyac20, |a410[!]| oder eigne Entdeckung und |b142| Einfall, es seyc22 Neues, das wir sagen, oder Altes, was wir vertheidigen wollen, noch durch Abneigung von Personen, Gesellschaften oder Sachen, verführen läßt, theils unermüdeten Fleiß, dem selbst anscheinende Kleinigkeiten nicht zu gering sind, weil und wenn sie auf die Spur der so /coftc\ versteckten Wahrheit leiten können. ††)c23

/c†) S.c\c24 J. A. Ernesti vortreflichec25 Bemerkungen und Regeln in der Diss. de fide historica recte aestimanda in den Opuscul. phil. crit. p. 64 seqq.
††)c26 Kein bescheidner Mann, und wer irgend die Menschen kennt, wird sich oder andrec27 für ganz freyc28 von allen Leidenschaften halten. Aber Beyspielec29 von einzelnena30 hier erwähntena31 Eigenschaften, auch mehrere zusammen, wird man doch vorzüglich in Ant. Pagi Critica in Annal. Baronii, in einigen mosheimischenc32 Werken über die Kirchengeschichte, in Beausobre Hist. crit. du Manicheisme, in den /csemlerischen hieherc\c33 gehörigen Schriften, in C. W. F. Walchsc34 Entwurf einer vollständigen Historie der Ketzereyenc35, in der Plankischena36 Geschichte des protestantischen Lehrbegriffs,a37 und in einigen /cwenigenc\ Andern finden.
a1: 393 c2: echten c3: sei; 1) c4: kann bei ac5: Partheygeist (a); Parteigeist (c) c7: Außerordentlichen c8: kann c9: bei c10: bei ac11: nehmlich (a); nämlich (c) c13: Völker-, c14: Literar-, c15: Beobachtungsgeist, c16: zeigt ac17: Unpartheylichkeit (a); Unparteilichkeit (c) c19: sei ac20: Parthey (a); Partei (c) c22: sei c23: 2) c24: Anm. 1) Siehe c25: vortreffliche c26: 2) c27: Andre c28: frei c29: Beispiele a30: einzlen a31: erwehnten c32: Mosheimischen c33: Semlerschen hierher c34: Walch's c35: Ketzereien a36: plankischen a37: Lehrbegriffs

107a1.

Der großea2 Einfluß, denc3 die einzelnena4 Theile der Geschichte, und besonders der Kirchengeschichte, auf einander haben, macht es uns 6) besonders zur Pflicht, so sehr wir unsre Ursachen haben können, und so sehr uns der ungemein großea5 |a411[!]| Umfang der Geschichte nöthigen kanc6, uns auf die |b143| Untersuchung gewisser Theile einzuschränken, /cc\ keinen |c126| gering zu achten, oder ganz zu vernachläßigenc7. Die geringfügigsten Umstände haben oft die größestenac8 Revolutionen hervorgebracht; oft ist nicht die Sache, aberc10 die Art wichtig, wie man sich dabeyc11 benommen hat; und oft findet sich über die Ursachen merkwürdiger Veränderungen in gewissen Theilen der Geschichte alleinc12 oder c13 mehr Aufschluß als in dem, welchen man bearbeitet.

Die Geschichte der sogenannten dreyc14 Kapitela15, der Zänkereyenc16 der Patriarchen unter einander, der nestorianischenc17 besondersa18 und der monophysitischenc19 Händel, des Bilderstreits, des Einflusses der Höfe, und wiederum einzelnera20 Personen auf diese, beyc21 solchen Streitigkeiten, auch verschiedner merkwürdigenc22 sonderlich Bettelorden, kanc23 das zur Genüge lehren.
a1: 394 a2: grosse c3: welchen a4: einzlen a5: grosse c6: kann c7: vernachlässigen ac8: grössesten (a); größten (c) c10: oder c11: dabei c12: allein, c13: doch c14: drei a15: Capitel c16: Zänkereien c17: Nestorianischen a18: besonders, c19: Monophysitischen a20: einzler c21: bei c22: merkwürdigen, c23: kann

108a1.

Die Wahrheit einer bezeugten Begebenheit ist nicht bloß nach Zeugnissen, sie ist auch nach der Natur der Sache und nach dem ganzen Umfang ihrer Umstände zu beurtheilen, und wenn die Nachrichten über diese von einander abweichen,c2 oder einander widersprechen:c3 so müssen sie mit einander verglichen, und in den wahrscheinlichsten Zusammenhang gebracht werden. Deswegen ists 7) nicht genug, viele Thatsachen /aoder Ereignissea\ zu sammlen,c4 man muß alle Umstände derselben zusammennehmen, sie ordnen, /aodera\ sehen, was |a412[!]| beyc5 der Vergleichung übrig bleibt. Diesc6 giebt |b144| der Geschichte und unsrenc7 Begriffen davon mehr Deutlichkeit, und verhütet zugleich, daß man die Thatsachen nicht gleich verwirft, weil man sie verschieden oder widersprechend angegeben findet,c8 nicht einen Zusammenhang oder Vorfälle und Absichten erdichtet, die nie gewesen sind, und dadurch die Wahrheit der Geschichte verdirbt, indem man sie reini|c127|gen oder unterhaltend machen will. Wiefern man sich hier Vermuthungen erlauben dürfe, ist schon /aim ersten Theil, beyc9 der Geschichte überhaupt,a\a10 gesagt worden.

a1: 395 c2: abweichen c3: widersprechen, c4: sammeln; c5: bei c6: Dieß c7: unsern c8: findet; c9: bei a10: §. 225

109a1.

Diesc2 giebt auch 8) den Stoff zum wahren Pragmatischen, ohne welches die Geschichte bloß ein Gegenstand der Neugier und ein Spiel der Einbildungskraft, wenigstens nicht nutzbar zur Bildung des /aVerstandes unda\ Herzens, wird. Nur muß man wirklich aus der Geschichte durch fleissigeac3 Beobachtung lernen, nicht bloß unsre Meinungena4 oder Vorurtheile bestätigen /azua\ wollen; man muß die gute und schlechte Seite der Dinge mit gleicher Sorgfalt beobachten. So wird sie uns ein lehrreicher Schauplatz der göttlichen Vorsehunga5, die auch das Schlecht- und Bösescheinende zu ihren Absichten braucht, eine Schule, wo man eben sowohl ausa6 Andrer Fehlern als ihrem guten Betragen lernen kanc7.

|a413[!]| c8 Sehr wenigec9 haben die Kirchengeschichte eigentlich pragmatisch erzählt. Weismann in den Memorabilibus H. E. hat sie praktisch und zur Erbauung |b145| anwendbar machen wollen. Fleury und Racine haben auf eben demc10 Zweck /cmit gearbeitetc\c11. Eigentlich pragmatisch aber, in dem /aobena\a12 angegebnen Sinn, sind nurc13 die spittlerischenc14 und krausischenc15 Handbücher, und, unter den etwas größerna16 Werken, der cramerischec17 Bossuet und die schröckhischec18 christliche Kirchengeschichte, auch zum Theil die semlerischenc19 Anmerkungen, wie in Absicht auf einzelnea20 Theile der Kirchengeschichte die oben (§. /c106a21 ††c\c22) genannten Werke. /cSchade ists, daß man /ain diesen Bücherna\ gemeiniglich das Pragmatische nicht in seinem ganzen Umfang, sondern nur nach gewissen Rücksichten, z. B. in Absicht auf die Hierarchie, die freye Untersuchung unter den Christen u. d. gl. genommen hat.c\
a1: 396 c2: Dieß ac3: fleißige a4: Meynungen a5: Fürsehung a6: von c7: kann c8: Anm. c9: Wenige c10: den c11: hingearbeitet a12: §. 228 c13: vorzüglich c14: Spittlerschen c15: Schmidtschen a16: grössern c17: Cramersche c18: Schröckhsche c19: Semlerschen a20: einzle a21: 399 c22: 106. Anm. 2.

110a1.

Wer sich mit recht eigentlichem Fleiß auf die Kirchengeschichte legen wollte, müßte sich nicht c2 auf /cdie Kirchengeschichtec\c3 |c128| im Ganzen und derenc4 allgemeine Uebersicht einschränken, sondern auch die einzelnena5 Theile /cderselbenc\ besonders studieren. Denn /cdie Kirchengeschichtec\c6 ist von einem so gar weitläufigen Umfang, daß man überaus viel Wichtiges gar nicht kennen lernt, wenn man sich bloß an die Universalkirchengeschichte hält, ja daß man diese nicht einmal recht gründlich, deutlich und pragmatisch machen kanc7, ohne c8 eine genauere Kenntniß jener einzelnena9 Theile c10. Daher werden in der allgemeinen Kirchengeschichte viele sehr wichtige Sachen,c11 (z. B. Geschichte der Leh|a414[!]|ren und des mannichfaltigen Aberglaubens, Ge|b146|schichte des /csich nach und nach gebildetenc\ Jesuitismus c12 und seines geheimen Einflusses /cu. d. gl.c\c13) ganz und gar nicht, oder nur sehr wenig berührt, oder nicht richtig und vollständig genug aufgeklärt; ja von manchen wichtigen Umständen weiß man die Zeit nicht genau, oder man betrachtet gewisse Erscheinungenc14 nur nach ihrem Ausbruch, nicht nach den lange /cversteckten Vorarbeiten dazu †);c\c15 oder die Geschichte merkwürdiger Veränderungen,c16 wird beyc17 der Abtheilung in gewisse Perioden so sehr zerstückelt, daß man sie wenigstens nicht so gut übersehen kanc18, als wenn man die Geschichte der einzelnena19 Lehren oder /aParteiena\a20 besonders untersuchte.

/c†)c\c21 So wird z. B. in den gewöhnlichen Abhandlungen der Kirchengeschichte die Lehre vom heil.c22 Abendmahl und von der Versöhnung Christi, so verschiedne Vorstellungen es /aaucha\ darüber immer gab, jenec23 kaum vor dem Ursprung der radbertschenc24 Streitigkeiten im 9ten, diese kaum vor dem Ursprung der antitrinitarischen Aeusserungenc25 im 16ten Jahrhundert, /aberührt. Seita\a26 dem 7ten Jahrhundert verschwinden die Antitrinitarier fast ganz aus der Geschichte, und kommen erst im 16ten wieder zum Vorschein, ohngeachtetc27 nicht zu leugnenc28 ist, daß der Saame davon in Spanien, dem südlichen Frankreich und Italien,a29 immer geblie|c129|ben, und nur erst spät öffentlich ausgebrochen ist. Ueberhaupt, wenn die verschiednenc30 Meinungen über eine Lehre keinen merklichen Einfluß in gewisse großea31 Revolutionen in der Kirche /cgeäussert haben:c\c32 so herrscht in der |b147| allgemeinen Kirchengeschichte, indem man bloß diese verfolgt, das tiefestec33 Still|a415[!]|schweigen von jenen unmerklichern Veränderungen. Daher selbst die entsetzlichen Lücken in der Geschichte der Lehren, wenn man diese bloß aus der allgemeinen Kirchengeschichte zusammengetragen hat, wie man sich z. B. aus Priestley's Geschichte der Verfälschungen des Christenthums leicht durch den Augenschein überzeugen kanc34.
c{Durch die neuern Bearbeitungen der Dogmengeschichte, für welche Münscher zu früh gestorben ist, sind jedoch schon viele dieser Lücken ausgefüllt. A. d. H.}c
a1: 397 c2: bloß c3: dieselbe c4: dessen a5: einzlen c6: diese Geschichte c7: kann c8: sich a9: einzlen c10: erworben zu haben c11: Gegenstände c12: in seiner allmähligen Entwickelung c13: u. dergl. c14: Begebenheiten c15: verborgenen Vorbereitungen; *) c16: Veränderungen c17: bei c18: kann a19: einzlen a20: Partheyen etc. c21: Anm. *) c22: heiligen c23: erstere c24: Radbertschen c25: Aeußerungen a26: berührt; seit c27: ungeachtet c28: läugnen a29: Italien c30: verschiedenen a31: grosse c32: geäußert haben, c33: tiefste c34: kann

111a1.

Zu diesen besondern Haupttheilen der christlichen Kirchengeschichte gehört zuerst diea2 Geschichte der Schicksale /cdes (wahren oder vermeintlichen) Christenthumsc\c3, und, mit derselben, der christlichen Kirche /cin der Weltc\, d. i. der Ausbreitung und Einschränkung, des Verfalls, oder gar des Aussterbens beyderc4 in gewissen Ländern. Beyc5 dieser Geschichte /cmüßte wohlc\c6 untersucht werden: von woher die Werkzeuge dieser Ausbreitung gekommen?a7 unter welchem Einfluß sie gestanden?a8 /cwas für einc\c9 Christenthum /csiec\ ausgebreitet haben? was für eine Art der Religion sie in solchen Ländern vorgefunden?a10 wie weit sie sie ausgerottet, oder geschwächt, oder mit /cihrem Christenthum verschmelztc\c11 haben? wie weit sich in solchen Gegenden diese Fortpflanzung erstrekt?ac12 ob über eine ganze Nation oder nicht? und über welchen Theil derselben? ob sie /cdas Christenthum mitc\c14 Gewalt oder /cauf welchem gelindern Wege ausgebreitetc\c15, und von welchen Ursachen der größerea16 oder geringere |c130| Fortgang abgehan|b148|gen? welche Wirkungen diese fortgepflanzte Erkenntniß auf die Culturc17 solcher Länder gehabt, |a416[!]| /coderc\ wie weit sie c18 sie gehemmt und vermindert habec19? welche Veränderungen daraus in der ganzen Verfassung solcher Völker entstanden? besonders wie und wonach die Verfassung einer neuentstandenen Kirche gebildet worden /cseyc\, und in welchem Verhältnisse sie in der Folge gegen die Staats- und übrige Verfassung gestanden habe? Auf eben diese Fragen müßte ohngefährc20 auch beyc21 dem äusserlichenc22 Verfall und Untergang des Christenthums in gewissen Gegenden gesehen werden. – Hiezuc23 gehört eine sehr genaue Kenntniß der Völker- und Ländergeschichte und Verfassung zu verschiedenen /cZeiten; diese würdec\c24 aber, wegen des großena25 Einflusses der Religion, eben so sehr durch jene Untersuchungen aufgeklärt werden, als die Geschichte der innern Veränderungen der christlichen Kirche Licht aus diesen äusserlichenc26 Umständen bekommen würdec27, in welchem unstreitig der Grund von vielen besondern Veränderungen und Einrichtungen gewisser Kirchen oder des Fortgangs und der Hindernisse derselben, gelegen /chat †).c\c28

/c†)c\c29 Z. B. des Wachsthums oder der Schwächung der kirchlichen, sonderlich päbstlichenc30 Gewalt, beyc31 schwachen oder bessern Einrichtungen der Staatsverfassung; der sogenannten Orthodoxie oder Heterodoxie, und ihrer Schicksale nach der politischen Verfassung, oder den Umständen und Absichten eines Staats oder Regenten u. d. gl. Die Geschichte des Arianismus und Pelagianismus unter |b149| verschiednenc32 Herrschaften und in verschiednenc33 Zeiten kanc34 hier c35 zum Beyspielc36 dienen.
a1: 398 a2: die c3: der christlichen Religion, selbst in ihrer Echtheit und Entstellung c4: beider c5: Bei c6: muß nun a7: gekommen, a8: gestanden, c9: in welchem Geist sie das a10: vorgefunden, c11: der neuen Lehre verschmolzen ac12: erstreckt, (a); erstreckt? (c) c14: sich der c15: gelinderer Mittel zu ihren Zwecken bedient a16: grössere c17: Kultur c18: durch c19: sei c20: ungefähr c21: bei c22: äußerlichen c23: Hierzu c24: Zeiten. Diese wird a25: grossen c26: äußerlichen c27: muß c28: hat. *) c29: Anm. *) c30: päpstlichen c31: bei c32: verschiedenen c33: verschiedenen c34: kann c35: vorzüglich c36: Beispiel

|a417| 112a1.

Ein andrerc2, /aabera\ auch wohl der wichtigste, /aobgleicha\a3 schwerste, und am wenigsten mit rechter Genauigkeit bear|c131|beitete Theil der /cKirchengeschichte †),a4 c\c5 ist die Geschichte der christlichen Lehre, und überhaupt der Vorstellungen in der Religion. Diese Geschichte müßte c6 1) /csichc\ nicht bloß auf die in der heiligen Schrift bekannt gemachten Lehren, sondern auf alle Meinungen erstrecken, die wenigstens beyc7 einem Theil der Christen geherrscht haben, sofern sie in die Religion schlagen, oder dahin gezogen worden sind, sie mögen zur natürlichen oder geoffenbarten Kenntniß der Religion gehören, es mögen davon vermeintliche Spuren in der Bibel aufgefunden, oder sie anderwärts her genommen seyn. ††)c8 2) Sie müßte nicht nur das Schicksal der Lehren der heiligen Schrift /cselbst, unter den Christenc\c9, sondern auch der verschiednenc10 Vorstellungen /centhaltenc\, die man sich unter c11 Christen davon gemacht hat, und die Schicksale dieser /cVorstellungen. †††)c\c12

/c†)c\c13 Mit so großema14 Fleiß einige Stücke dieser Geschichte untersucht worden sind (s. die Anweisung zur theologischena15 Bücherkenntnißc16 §. 392–402):c17 so ist es doch meistens nur aus polemischen Absichten und zur Beantwortung der Frage über das Alterthum gewisser Lehren und Vorstellungen geschehen. Dieser Umstand hat nicht nur die /cUn|b150|parteylichkeita18 beyc\c19 dieser Untersuchung oft verhindert, und das, was Geschichte seyn sollte, in eine polemische Abhandlung verwandelt; sie hat auch verursacht, daß fast nur die Geschichte solcher Lehren untersucht worden, |a418| über welche sich ganze Parteyenac20 unter den Christen getrennt haben,c22 (namentlich der zwischen der römischen /cKirchec\ und andern c23 streitigen /cLehren,) und daßc\c24 die Geschichte der übrigen Lehren meistens unbearbeitet liegen geblieben ist. Daher ist auch die Geschichte einer Lehre in neuern Zeiten fast nie mitgenommen worden;c25 so wie man auch noch gar keine auch nur einigermaßena26 /cganzec\c27 Geschichte der christlichen Lehre hat.
|c132| /c††) Hieherc\c28 gehört die ganze Geschichte philosophischer Hypothesen und des religiösen Aberglaubens unter den Christen, die aus dem Juden- oder Heidenthum in die Kirche übergingen; die ganze Emanationslehre, die von der Seelenwanderung, von den Schutzengeln, von den Wirkungen der bösen Geister, von Zauberern und Hexen, deren Gemeinschaft mit bösen Geistern, selbst dem Tanzen mit ihnen auf Bergen (wovon schon im vierten Jahrhundert Spuren in den Morgenländern sind) u. d. gl.
†††)c29 So hat es nicht nur verschiednec30 Vorstellungen vom Verdienst Christi und guten Werken, vom Gesetz und Evangelium, gegeben, sondern es ist auch eine dieser Lehren durch übertriebnenc31 Werth der andern, oft vernachläßigtc32, und durch ganz fremde und unbiblische Vorstellungen verdunkelt, zu gewissen Zeiten und in gewissen Parteyenac33 darin gar nichts näher, oft wieder nur zu viel bestimmt worden.
a1: 399 c2: anderer a3: aber auch a4: †) c5: Kirchengeschichte, 1) c6: sich c7: bei c8: 2) c9: selbst in der christlichen Kirche c10: verschiedenen c11: den c12: Vorstellungen 3) enthalten. c13: Anm. 1) a14: grossem a15: theologisch. c16: Bücherkenntniß, c17: 392–402.), a18: Unpartheylichkeit c19: Unparteilichkeit bei ac20: Partheyen (a); Parteien (c) c22: haben c23: Kirchen c24: Lehren), dagegen c25: worden, a26: einigermassen c27: ganz vollständige c28: 2) Hierher c29: 3) c30: verschiedene c31: übertriebenen c32: vernachlässigt ac33: Partheyen (a); Parteien (c)

|b151| 113a1.

/cUnd, dac\c2 die verschiednenc3 Vorstellungen von einer Lehre entweder aus verschiednenc4 Erklärungen der heiligen Schrift, oder aus verschiednenc5 Grundsätzen der Philosophie und deren ver|a419|schiednenc6 Anwendung, oder aus verschieden angenommnerc7 Tradition, oder nach verschiednemc8 innern Gefühl, entstanden sind: so /cwürden 3)c\c9 ferner c10 die verschiednenc11 Meinungen über die Gültigkeit, den Werth und die rechte Anwendung dieser Quellen, und die Schicksale, welche diese Meinungen gehabt haben, mit in Anschlag kommen müssen; auch 4) die verschiednenc12 Vorstellungen von dem Werth gewisser Bestimmungen einer Lehre, ihrema13 Einfluß in andrec14 Lehren, und der Nothwendigkeit, sie von einem Christen zu fordern;c15 mithin zugleich 5) der Ursprung und das Schicksal vorher unbekannter und ungewöhnlicher Meinungen, auf die man erst gefallen ist, um andrec16 Lehren oder |c133| Vorstellungen zu /cvertheidigen;c\c17 6) die neuen Erklärungen gewisser Schriftstellen und neue versuchte Beweise für gewisse Meinungen, so wie umgekehrt /cder Verfall und die Verdächtigung andrerc\c18 Erklärungen /cdarüber;c\c19 7) die eingeführte Terminologie und /cder verschiednec\c20 oder verändertec21 Sprachgebrauch in der Theologie, und c22 8) /calle Umständec\c23, die zu solchen Vorstellungen, ihren Abwechselungen, c24 behaupteten Nothwendigkeit, c25 Beweisen u. d. gl. Gelegenheit gegeben haben.

/cAnm. 1.c\c26 /aEinen merkwürdigen Belega\a27 zum 4ten und den übrigen Stücken dieses §. giebt z. B. die |b152| Lehre vom heil.c28 Abendmahl. Unstreitig habenc29 sowohl /cdiec\ Kirchenväter, als alte Liturgienc30, Stellen, die für die Vorstellung von einer reellen Gegenwart, oder gar einer Verwandlung des Brodtsc31 und Weins, zu seync32 scheinen, /aso wiea\a33 andere für bloßea34 Zeichen und Bilder. Erst im 7ten Jahr|a420|hundert fing man in den Morgenländern an, die Ausdrücke, σημειον, συμβολον, τυπος etc. weniger, und dagegen jene gröberec35 Vorstellungen und Ausdrücke zu brauchen, um den wahren Körper Christi, gegen Manichäer und Aphtartodoketen, /afestzustellen. Nachdema\a36 Karl der Großea37 (im 2ten Buch de cultu imag. c. 27c38) den Ausdruck Bild Christi verworfen hatte, um den Beweis des zweytenac39 nicäischen Concilii für den Bilderdienst zu widerlegen, den dieses daher genommen hatte, daß Brodtc41 im heil.c42 Abendmahl ein Bild Christi würde, auch der Mißverstand jener derbern Ausdrücke von Verwandlung u. s. f. dazu gekommen war, fing die Vorstellung von Zeichenc43 an,a44 auch in der lateinischen Kirche zu sinken, und Radbertc45 konnte schon im 9ten Jahrhundert mit seiner Meinung einiges Glück machen, die, alles damaligen Widerspruchs ohngeachtetc46, in der Mitte des 11ten Jahrhunderts schon so überhand genommen hatte, daß Berengerc47 die gegenseitige Meinung als eine Ketzereyc48 abschwören mußte. Und doch legte selbst Pabstc49 Gregor 7.c50 noch keinen so großena51 Werth auf die herrschende Meinung, daß er anfänglich Berengersc52 Beweis aus dem Alterthum für gültig erkannte, und hernach selbst mit seiner Erklärung zufrieden war. (S. Berengarii Stelle in Leßingsc53 Berengar. |b153| Turonens. S. 152 f. und Martene nov. thesaur. anecdot. Tom. IV. p. 103.) Erst der Widerspruch der Albigenser etc. etc. gegen die nun immer mehr um sich greifende Lehre von der Brodtverwandlungc54 bewog den Pabstc55 Innocenz 3.c56 auf der lateranensischena57 Kirchenversammlung im Jahr 1215c58 diese Lehre zur Lehre der Kirche zu machen, und die Verfolgung der anders Denkendena59, als Ketzereyc60, zu gebieten. – Wer Luthersc61 Lehre über das heil.ac62 Abendmahl in seinen vom /aN. Test.a\a63 und von /adem babylonischena\a64 Gefängniß /c1520 herausgegebnen Schriftenc\c65 mit den folgenden, nach entstandnemac66 Streit |a421| mit den Schweitzern, sein Benehmen /cbeym Marpurgerc\c68 Religionsgespräch, wieder etwas anders beyc69 der wittenbergischen Concordie, und wieder auf die erste Art seit Erscheinung der zwinglischenc70 Werke im Jahr 1543, so wie das Betragen einiger seiner Schüler seit der Erscheinung des Zürcher Consensus im Jahr 1549,a71 und noch mehr beyc72 der Concordienformel, nach entstandnenc73 kryptocalvinischen Händeln in Sachsen, vergleicht, der wird sich sehr leicht diese Abwechselungen in den Vorstellungen vom heil.c74 Abendmahl, und den verschiedenen Werth, den man darauf gelegt hat, erklären können.
/cAnm. 2. Beyc\c75 der 5ten Anmerkungc76 des §. dienetc77 die Lehre von der Concomitanz zum Beyspielc78, welche durch die von der Transsubstantiation veranlaßt worden ist, und wieder die von der Entbehrlichkeit des Kelchs im heil.c79 Abendmahl erzeugt hat, so wie man auf die Lehre von der Ubiquität der Mensch|b154|heit Christi zuerst durch die Lehre von der wesentlichen Gegenwart des Leibes Christi im heil.c80 Abendmahl geleitet wurde; – beyac81 der 6ten, die Erklärung der Stelle Joh. 14, 28. von der ἀγεννησια des Vaters;a83 Röm.c84 9. und andrerc85 gleichlautenden von der augustinianischen Prädestination;a86 Ephes. 5, 32. von der Ehe als einem Sacrament;ac87 Ebr. 2, 16. von Vereinigung beyderc89 Naturen in Christo; und die Bedenklichkeit, Apgesch. 3, 21. durch quem oportuit coelo capi zu übersetzen, aus Furcht der Ubiquität zu nahe zu treten; – Beyc90 der 7ten die verschiednen Bedeutungen der ὁμοουσιας vor und nach dem ersten nicäischen Concilium, desgl.c91 der Wörter ὑποστασις, φυσις, φυσικη ἑνωσις, συγκρασις, φθαρτον u. a. beyc92 den arianischen, nestorianischen und monophysitischen Streitigkeiten.
a1: 400 c2: Da c3: verschiedenen c4: verschiedenen c5: verschiedenen c6: verschiedenen c7: angenommener c8: verschiedenem c9: werden c10: 3) c11: verschiedenen c12: verschiedenen a13: ihren c14: andere c15: fordern, c16: andere c17: vertheidigen. Hiermit sind c18: das Verschwinden oder Verdächtigwerden anderer c19: darüber zu verbinden. Auch darf man c20: den verschiedenen c21: veränderten c22: überhaupt c23: nichts von den Umständen übersehen c24: ihrer c25: oder ihren c26: Anm. 1) a27: Eine merkwürdige Beylage c28: heiligen c29: enthalten c30: Liturgieen c31: Brods c32: stimmen a33: als a34: blosse c35: gröberen a36: festzustellen, und, nachdem a37: Grosse c38: 27. ac39: 2ten (a); zweiten (c) c41: Brod c42: heiligen c43: Zeichen a44: an c45: Radbert c46: ungeachtet c47: Berengar c48: Ketze|c134|rei c49: Papst c50: VII. a51: grossen c52: Berengar's c53: Leßing's c54: Brodverwandlung c55: Papst c56: III. a57: lateranensisch. c58: 1215, a59: denkenden c60: Ketzerei c61: Luther's ac62: heilige a63: N. T. a64: der babylonisch. c65: 1520. herausgegebenen Schriften, ac66: entstandnen (a); entstandenem (c) c68: beim Marburger c69: bei c70: Zwingli'schen a71: 1549 c72: bei c73: entstandenen c74: heiligen c75: 2) Bei c76: Bemerkung c77: dient c78: Beispiel c79: heiligen c80: heiligen ac81: Bey (a); bei (c) a83: Vaters, c84: |c135|mer c85: anderer a86: Prädestination, ac87: Sacrament, (a); Sakrament; (c) c89: beider c90: bei c91: desgleichen c92: bei

|a422| 114a1.

Schon der großea2 Umfang dieser Geschichte macht die Untersuchung derselben sehr schwer, und vielleicht ist beyc3 keinem Theil der Kirchenhistorie, ausserc4 den andern oben angegebnenc5 Wissenschaften (§. /c104a6 flg.c\c7) eine ausgebreitete Kenntniß der historischen Denkmahle und der Religionsschriften aller christlichen Völker und Zeiten, eine genaue Bekanntschaft mit dem mannichfaltigen kirchlichen Sprachgebrauch und der Geschichte der Philosophie,c8 nöthiger, fast beyc9 keinem ist auch strenge Unparteylichkeitac10 zu beobachten schwerer, als beyc12 diesem. Aber es belohnt sich auch der darauf gewandte Fleiß genug durch großea13 Vortheile, die |b155| schon oben beyc14 dem Nutzen der Kirchengeschichte angegeben sind, und /adiea\ vorzüglich /ckönnenc\ aus dieser Lehrgeschichte gezogen /cwerden. Unsrec\c15 Einsichten in diea16 Religion bleiben immer sehr eingeschränkt, wenn man die verschiednenc17 Gestalten und Seiten nicht kennt, in und auf welchen sich eine Sache dem menschlichen Verstande darstellt. Man bleibt um so mehr auf seinen Meinungen ersessen, und taub gegen alle bessrec18 Einsichten, je weniger Seiten einer Sache, und je weniger man die Gründe kennt, die Andrec19, an|c136|ders zu urtheilen, oder sich auszudruckena20, bewogen haben. Nur alsdann kanc21 man dem Mißverstand und c22 Wortstreitigkeiten vorbeugen, die so ganz alle richtige Entscheidung verhindern, Irrthümern und Zweydeutigkeitenc23 auf den Grund kommen, richtiger und billiger |a423| von Andrerc24 Meinungen und ihrer Unschuld oder ihrem Werth urtheilen, und selbst bestimmter denken und sich ausdruckena25 lernen, wenn man hinlänglich mit der Geschichte dieser Lehren und der verschiednenc26 Vorstellungen davon bekannt ist.

c27 Der Eifer, mit dem Nestoriusc28 und die Morgenländer sich dem Ausdruck Mutter Gottes (Θεοτόκοςa29) widersetztenc30, hingegen auf stete Unterscheidung der beydenc31 Naturen in Christo drangen, und umgekehrt des Cyrillusc32 Eifer für jenen und wider diese, gründete sich beyc33 jenen auf die Furcht /cfür den Apollinarismusc\c34, der in Syrien, und beyc35 diesem auf den Eifer gegen den Arianismusc36, der in Aegypten mehr herrschte. Dieses Beyspielc37, so wie |b156| Joviniansc38 Satz: omnia peccata paria esse;a39 der dem /cJohannes Philoponusc\c40 Schuld gegebnec41 Tritheismus;a42 /cJoh. Agricolac\c43 und der Antinomerc44 Eifer wider das Gesetz;a45 der Streit über den Satz: ob gute Werke zur Seligkeit nöthig sind? und tausend /candre Beyspielec\c46, erläutern das hier Gesagte.
⌇⌇c Vergl.c47 J. A. Ernesti Opuscula theologica, 13te Abhandl.c48 und J.a49 W. F. Walch Gedanken von der Geschichte der Glaubenslehre, zweytec50 Ausgabe, Göttingen 1764. 8.
a1: 401 a2: grosse c3: bei c4: außer c5: angegebenen a6: 391 c7: 104. fg. c8: Philosophie c9: bei ac10: Unpartheylichkeit (a); Unparteilichkeit (c) c12: bei a13: grosse c14: bei c15: werden können. Unsere a16: der c17: verschiedenen c18: bessere c19: Andere a20: auszudrücken c21: kann c22: den c23: Zweideutigkeiten c24: Anderer a25: ausdrücken c26: verschiedenen c27: Anm. c28: Nestorius a29: (Θεοτοκος c30: wiedersetzten c31: beiden c32: Cyrillus c33: bei c34: vor dem Apollinarismus c35: bei c36: Arianismus c37: Beispiel c38: Jovinian's a39: esse, c40: Johannes Philoponus c41: gegebene a42: Tritheismus, c43: Joh. Agricola c44: Antinomer a45: Gesetz, c46: andere Beispiele c47: Vergleiche c48: Abhandlung a49: C. c50: zweite

115a1.

Unter den /cQuellen der christlichen Lehrgeschichtec\c2 haben die Schriften dererjenigen den ausgebreitetsten Nutzen, welche über christliche Lehren geschrieben haben, es seyc3 daß sie ihre eignec4 Gedanken darüber äussertenc5, oder verschiednec6 Meinungen darüber, oder wenigstens eine Er|c137|klärung und einen bestimmten Sinn einer christlichen Lehre erwähntena7. Durch sie wird |a424| man nicht nur mit mehrern Vorstellungen über einen Lehrpunctc8, man wird auch zum Theil mit den Gründen bekannt, wodurch man jene unterstützt hat, oder mit den Meinungen, die auf jene geführt, oder ihr ein gewisses Ansehnc9 verschafft haben; welchen Nutzen andrec10 Denkmahlea11, selbst öffentliche Bekenntnißschriften, nicht leisten, wenn sie nicht zugleich Schutz- und Vertheidigungsschriften sind. Diejenigen christlichen Schriftsteller, welche beyc12 der in gewissen christlichen Ländern herrschenden Lehrparteyac13 ein vorzügliches Ansehnc15 erlangt haben, |b157| entweder als Zeugen und treue Fortpflanzer derjenigen Vorstellung von einer Lehre, die dergleichen Parteyac16 für die richtigste hält, oder als solche, welche die richtige Vorstellung getroffen haben, sind in so fern die wichtigsten, als ihr Ansehen beyc18 solchen Parteyenac19 die Kraft eines Beweises erlangt hat, und man aus ihrer Geschichte sieht, wie und warum sie, wenigstens in gewisser Absicht, dieses Ansehen erhalten haben. In diesem Ansehen stehen die sogenannten Kirchenväter (Patres) beyc21 allen /cden Parteyena22c\c23, welche eine /chistorische Lehrtraditionc\c24 als verbindlich zum Glauben ansehen, /cbey andernc\c25 aber als Zeugen der Vorstellungen, die in den herrschenden Kirchen für die richtigsten gehalten worden sind, oder wenigstens jetzt gehalten werden.

/cAnm.a26 1.c\c27 Bekanntlich ist der Begrifc28 von Kirchenvätern sehr schwankend, und muß es, nach dem bisher Gesagten, seyn. Denn da es 1) mehrere herrschende Parteyenac29 giebt, worunter sich |a425| jede für die rechtgläubigste hält, und jede in ihren Meinungen, zumala31 in denen, worin sie sich von andern unterscheidet, von gewissen Schriftstellern gestimmt worden ist: so hat mancherc32 in einer den ehrwürdigen Namen eines Vaters bekommen, der in der andern als Ketzer |c138| angesehen, oder nicht geachtet wird; wie /cTheodor von Mopsvestec\c33 in der chaldäischen, /cCyrill von Alexandrienc\c34 in der /cjacobitischen, Ambrosius, Hieronymus, Augustin, Pabst Leo 3.c\c35 und /cGregor der Großea36 c\c37 in der lateinischen Kirche etc. 2) Manche, Tertullianc38 z. B. und Origenesc39, |b158| haben, durch irgend eine Ursach, entweder kein entscheidendes dogmatisches Ansehnc40 erlangt oder es verlohrenc41, und werden nur als Zeugen oder Erhalter der Tradition geachtet. 3) In einer herrschenden Kirche ist nicht immer eine Vorstellung die herrschende, z. B. die augustinianischec42 Vorstellung von Prädestination, den Kräften des Menschen und der Gnade, die Lehre von der Brodtverwandlungc43 und der Kelchsverweigerung; daher (der sehr pelagianisirende) /cHilarius von Poitiersc\c44 und Cassianac45 lange nicht das Ansehnc47 erlangt oder erhalten haben, das sich Augustinc48 erwarb. /aUeberhaupt, soa\a49 wie durch besondrec50 Zufälle und Zeitumstände gewisse Vorstellungen herrschend, und durch Kirchengesetze bestätigt, folglich die Freyheitc51 im Glauben gehemmt worden; so wie herrschende Kirchen sich von andern herrschenden Kirchen getrennt haben, jede sich auf Tradition berufen, und jede gesehen hat, mit welchen Schriftstellern ihr Lehrbegriff am meisten einstimmte, oder von ihnen am deutlichsten war vorgetragen worden: so hat sie diese erhoben, zumala52 wenn sie von ihrer Kirche waren, und die andern sinken oder liegen laßenac53. So gelten, ausserc54 den erwähntena55, der heilige Bernhardc56 und /cThomas von Aquinoc\c57 in der lateinischen Kirche überhaupt mehr, als /cClemens von Alexandrienc\c58 und /cJohann von Da|a426|mascus, Hieronymusc\c59 mehr als /cOrigenes, Ambrosiusc\c60 mehr als Basilius,c61 so sehr auch Hieronymusc62 und Ambrosiusc63 die beydenc64 andern ausgeschrieben haben.
/cAnm.a65 2.c\c66 So wie das dogmatische Ansehnc67 der Kirchenschriftsteller den Begriffa68 der Kirchenväter |b159| sehr schwankend macht: so auch die Gewohnheit, diesen Namen nur auf Schriftsteller einer /cgewissen Zeitc\c69 einzuschränken. Manche |c139| rechnen dahin nur Schriftsteller der /csechs ersten Jahrhunderte; andrec\c70 dehnen den Namen bis auf den Ursprung der Scholastikerc71, oder vielmehr bis auf die Zeit aus, wo im 12ten Jahrhundert /cPeter der Lombardec\c72 in der lateinischen Kirche angefangen hat, ein theologisches System aus den Aussprüchen der Kirchenväter /czusammenzusetzen; noch andrec\c73 geben diesen Namen auch andernc74 bis gegen die Zeiten der Reformation. Vielleicht rührt der erste gewöhnlichste Begriffa75 daher, daß seit dem 7ten Jahrhundert /cIsidorus von Sevillec\c76 und nach ihm mehrerec77 in der lateinischen Kirche angefangen, die Sentenzen vorhergehender Schriftsteller unter gewisse Rubriken zusammenzutragen, so wie es Johann von Damascus im 8ten in der griechischen Kirche that, und daß seit demc78 Synodo Trullana im Jahr 692, noch mehr aber seit der Trennung der Päbstec79 von der griechischen Herrschaft, und des griechischen und abendländischen Kaiserthums im 8ten Jahrhundert, und vollends der griechischen und lateinischen Kirche im 9ten, jede Kirche ihre Tradition und Kirchengesetze vor sich gehabt, also keine Schriftsteller mehr von da an ein dogmatisches Ansehen, ausserc80 ihrer besondern Kirche, bekommen haben, zumala81 da seitdem theils in beydenc82 Kirchen fast alle Schriftsteller die vorhergehenden ausgeschrieben, und sich selbst dadurch das Ansehen der Orthodoxie zu geben gesucht, theils |a427| die römischen Bischöfe eine beynahec83 ausschließendea84 |b160| gesetzgebende Gewalt erlangt haben. Die zweytec85 Bedeutung, die der lateinischen Kirche eigen ist, rührt ohne Zweifel vom Ursprung der compilirten Sentenzen Petersc86 des Lombarden her, die seitdem das allgemeine Lehrbuch wurden, und von der gedachten entscheidenden Gewalt der Päbstec87 in allen Streitigkeiten über noch nicht bestimmte Lehrfragen. Die dritte ist die ungewöhnlichste, und hat einigen wenigen Schriftstellern, als dem heil.ac88 Thomas, Gerson /cu. a.c\c89 bloß wegen ihres großena90 Ansehens diesen Namen zuwege gebracht.
a1: 402 c2: Quellen der christlichen Lehrgeschichte c3: sei c4: eigenen c5: äußerten c6: verschiedene a7: erwehnten c8: Lehrpunkt c9: Ansehen c10: andere a11: Denkmale c12: bei ac13: Lehrparthey (a); Lehrpartei (c) c15: Ansehen ac16: Parthey (a); Partei (c) c18: bei ac19: Partheyen (a); Parteien (c) c21: bei a22: Partheyen c23: denen c24: historische Lehrtradition c25: bei Andern a26: Anm. c27: Anm. 1) c28: Begriff ac29: Partheyen (a); Parteien (c) a31: zumahl c32: Mancher c33: Theodor von Mopsveste c34: Cyrill von Alexandrien c35: jakobitischen Ambrosius, Hieronymus, Augustin, Papst Leo III. a36: Grosse c37: Gregor der Große c38: Tertullian c39: Origenes c40: Ansehen c41: verloren c42: Augustinianische c43: Brodverwandlung c44: Hilarius von Poitiers ac45: Caßian (a); Cassian (c) c47: Ansehen c48: Augustin a49: Ueberhaupt so, c50: besondere c51: Freiheit a52: zumahl ac53: lassen c54: außer a55: erwehnten c56: Bernhard c57: Thomas von Aquino c58: Clemens von Alexandrien c59: Johann von Damascus, Hieronymus c60: Origenes, Ambrosius c61: Basilius, – c62: Hieronymus c63: Ambrosius c64: beiden a65: Anm. c66: 2) c67: Ansehen a68: Begrif c69: gewissen Zeit c70: sechs ersten Jahrhunderte; Andere c71: Scholastiker c72: Peter der Lombarde c73: zusammenzusetzen. Noch Andere c74: Andern a75: Lehrbegriff c76: Isidorus von Seville, c77: Mehrere c78: der c79: Päpste c80: außer a81: zumahl c82: beiden c83: beinahe a84: ausschliessende c85: zweite c86: Peter's c87: Päpste ac88: heiligen c89: u. a., a90: grossen

|c140| 116a1.

Nach dem Namen der Kirchenväterc2 (Patrum) nennt man die Erklärungen derselben über die christlichen Lehren zusammengenommen, oder den Inbegrifc3 ihrer Vorstellungen von dem, was zur christlichen Lehre gerechnet wird, Patristik im engern Verstande, oder besser patristische Theologie/c, auch wohl historische Theologie im engsten Sinnc\. Im weitern Verstande aber begreift man unter Patristik nicht nur dieses, sondern auch zugleich mit alle Kenntnisse, die zur Verständlichkeit und zum Gebrauch ihrer Schriften nöthig sind. Nun /cistc\c4 der Begrifc5, der mit dem Namen der Kirchenväter verbunden wird, vieldeutig (§. 115ac6 Anm. /c/a2a\), undc\c8 Protestanten c9 erkennen kein dogmatischesc10, sondern bloß /chistorisches Ansehenc\c11 derselben, welches die Kirchenväter mit jedem christlichen Schriftsteller gemein haben. Daher könnte man Patristik, wie patri|a428|stische Theo|b161|logie, auch in dem weitesten Verstande, von der Bekanntschaft mit den Umständen und dem Lehrbegrifc12 christlicher Schriftsteller nehmen. Wenigstens gilt das, was im Folgenden davon gesagt wird, von allen Schriftstellern über christliche Lehre, obwohl insbesondrec13 von denen, deren entscheidendes dogmatisches Ansehn in denenjenigenc14 Kirchen anerkannt wird, welche sich an eine gewisse dogmatische Tradition, als Erkenntnißgrund der rechten christlichena15 Lehre, halten.

c16 Diese Kenntnisse machen also einen Theil der Kirchengeschichte aus, und, wenn Patristik im engern Sinn genommen wird, einen Theil der Geschichte christlicher Lehre.
a1: 403 c2: Kirchenväter c3: Inbegriff c4: ist, wie schon bemerkt, c5: Begriff ac6: 402 (a); 115. (c) c8: 2.); c9: aber c10: dogmatisches c11: historisches Ansehen c12: Lehrbegriff c13: insbesondere c14: denjenigen a15: christl. c16: Anm.

|c141| 117a1.

Wer diese Kenntnisse besitzen will, der muß nicht nur die Schriftsteller selbst, wenigstens die merkwürdigern, kennen, die sich über die christliche Lehre entweder selbst erklärt, oder Erklärung Anderer darüber erwähnta2 haben; er muß auch wissen, was sie darüber für Schriften bekannt gemacht /ahabena\? ob diese Schriften und die dahin gehörigen Stellen und Lesearten wirklich ihnen, oder wem sie sonst angehören? und welchen Werth oder wenigstens Ansehen sie und ihre Schriften erlangt, besonders was c3 für Veränderungen /csiec\ dadurch in der Kirche hervorgebracht haben?

a1: 404 a2: erwehnt c3: sie

118a1.

Die Mühe, welche man auf das Studium der Schriften der eigentlichen Kirchenväter (im |a429| |b162| gewöhnlichsten und engsten Verstande) wendet, belohnt sich zwar sehr wenig durch wirkliche Aufklärung der christlichen Erkenntnißc2 oder durch wahre Erbauung, weil es den Meisten unter ihnen an gründlicher Kenntniß des Sprachgebrauchs der heiligen Schrift und an gesunder Philosophie fehlte, sie sich unglaublich viel willkührlichec3 Einfälle zu gute hielten, und sie meistens,c4 – die wenigstens, welche eben das meiste Ansehen der Rechtgläubigkeit erlangt haben,c5 – die hergebrachtea6 Lehrvorstellung fortpflanzten, oder derselben ihre Erklärungen anpaßten. Auch waren sie so wenig unfehlbar, als a7 der ältern Vorstellungen von den christlichen Lehren unter Christen und des wahren Sinnes /aderselben hinlänglich kundig, nocha\a8 uneingenommen genug für und wider die Wahrheit dieser Vorstellungen, als daß sie nicht hätten,c9 mehr nach dem Herkommen, als nach reinen Gründen, Wahrheit und Aechtheitc10 der Tradition entscheiden sollen. Sie können daher für |c142| uns, die wir diese Fehler an ihnen erkennen, und den Widerspruch sehen, in welchen sie theils oft mit sich selbst, theils mit andern eben so angesehenen, wenigstens eben so achtungswürdigen, Kirchenvätern stehnc11, keine Quelle der Erkenntniß wahrer christlichen Lehre seyn.

c12 S. die in der Anweisung zur Kenntniß der Bücher in der Theologie §. 28c13 und 389c14 angeführten Schriften, nebst den daselbst §. 393c15 bis 402c16 erwähntena17 protestantischen Schriftstellern über die Geschichte der christlichen Lehre.
a1: 405 c2: Erkenntniß, c3: willkürliche c4: meistens c5: haben a6: hergebrachten a7: immer Kenner a8: derselben, oder c9: hätten c10: Echtheit c11: stehen c12: Anm. c13: 28. c14: 389. c15: 393. c16: 402. a17: erwehnten

|a430| |b163| 119a1.

Dennocha2 hat auch dieses Studium, und überhaupt die Bekanntschaft mit denen, welche über die christliche Lehre geschrieben haben, /csonderlich wenn sie im Ruf der vorzüglichen Richtigkeit christlicher Erkenntniß stehn,c\ seinen großena3 Nutzen. 1) Je weniger entfernt diese Kirchenväter von den Zeiten der Apostel waren, c4 oder je mehr sie in ihrem Vortrag einzelnea5 Ausdrücke und Redensarten der heiligen Schrift in einem deutlichern Zusammenhang brauchen, oder statt derselben deutlichere setzen, oder je mehr sie Volksmeinungen erwähnena6, auf welche auch in der heiligen Schrift angespielt wird: jec7 brauchbarer sind sie zur Kenntniß des eigentlichen Sprachgebrauchs und Sinnes der Bibel; so wie sie 2) dadurch, daß sie uns so viele Stellen der heiligen Schrift aufbehalten haben, zur Kritik des Textes des neuen Testaments unentbehrlich bleiben. 3) Sind es wirklich selbst denkende, und wenigstens da, wo sie nicht durch hergebrachte kirchliche Vorstellungen oder Meinungen ihrer besondern Philosophie gehindert wurden, untersuchende Männer: so führen sie uns auf manche nützliche Aussichten und Entdeckungen, auf die wir selbst, beyc8 einem gewissen gewohnten Gesichtskreisc9, nicht gerathen seyn würden, und tragen in so fern viel wenigstens zur Erweiterung unsrerc10 Erkenntniß der christlichen |c143| Lehre bey;ac11 verhindern wenigstens, daß wir nicht so leicht in die gewöhnlichen Fehler dererjenigenc13, die nur vorc14 sich untersuchen, d. i. auf ein|a431|seitige |b164| Vorstellungen und auf die Einbildung, daß unsre Zeiten allein aufgeklärt sind, verfallen. Hauptsächlich aber sind sie 4) die vornehmsten Quellen beyc15 allen Theilen der Kirchengeschichte, vornehmlich beyc16 Geschichte der christlichen Lehre, aus welchen wir nicht nur die Kenntniß der Veränderungen in der Kirche und Lehre, nebst deren Ursachen und Folgen, sondern auch die Kenntniß der kirchlichen Sprache schöpfen können; und /cso fernc\c17 gewähren sie auch 5) den Nutzen, der oben der Kirchengeschichte in Absicht auf die systematische Theologie beygelegtc18 wurde. Finden sich 6) in ihnen Aeusserungenc19, die von den jetzt herrschenden Vorstellungen in der Kirche abgehnc20, so dienen deren Kenntnisse uns alsdanna21 wenigstens zur Schutzwehr gegen unglimpfliche Beurtheilungen oder Verketzerungen, und machen doch eher harte Richter in Glaubenssachen geneigt, Meinungen, die von den hergebrachten abgehen, mit mehrerer Mäßigung anzusehnc22, oder erst zu untersuchen.

cAnm. Wären nur gerade die, welche dem Ursprunge des Christenthums am nächsten stehen, bessere Sprachkenner, bessere Kritiker, bessere Hermeneuten gewesen! – Hätten die Gelehrtern nur nicht so viel fremde Ideen zum Christenthum mitgebracht! Hätte es nur nicht unter ihnen so vielen an rechtem philosophischem Geist gefehlt, – dann würden sie doch noch weit wichtiger für uns seyn. A. d. H.c
a1: 406 a2: Deswegen a3: grossen c4: *) a5: einzle a6: erwehnen c7: desto c8: bei c9: Gesichtskreise c10: unserer ac11: bey, (a); bei; (c) c13: derjenigen c14: für c15: bei c16: bei c17: sofern c18: beigelegt c19: Aeußerungen c20: abgehen a21: alsdenn c22: anzusehen

120a1.

Wer Mußea2 genug und Neigung hätte, die Kirchenväter und Kirchenschriftsteller zu studieren, würde doch 1) wegen ihrer großena3 Menge, und weil so viele einander ausgeschrieben, oder doch wenig oder nichts Eignes haben, was |c144| man nicht in Andern schon besser fände, eine vorsichtige Wahl unter ihnen beobachten, und die vorzüglich ausheben müssen, welche theils für Andre |a432| den Ton angegeben, und durch ihr erlangtes /cAnsehn |b165| Andrec\c4 nach sich gezogen, theils gewisse Lehrpunctec5 oder Theile der Kirchengeschichte am deutlichsten und ausführlichsten abgehandelt haben; 2) eben daher, und um sie recht verstehen zu können, sich vorher wohl von ihren Umständen und Schriften vorläufig unterrichten, und sowohl alle oben (§. /a104c6) angegebenea\a7 Hülfsmittel mitbringen, als die daselbst bemerkten Regeln beobachten; und 3) um den Hauptnutzen zu erreichen, den man aus dieser Lectüre in Absicht auf die Kirchengeschichte und den Ursprung und Fortgang der verschiednenc8 Vorstellungen von der christlichen Lehre ziehen kanc9, die Kirchenschriftsteller nach der Zeitordnung, ihre einzelneac10 Schriften aber nach ihren verschiednenc12 Arten oder Classenc13, lesen, und dabeyc14 die correctesten und mit den zweckmäßigsten Erläuterungen versehenen Ausgaben zu gebrauchen suchen, unter welchen sich die, welche die Benedictiner von der /cCongregation des heiligen Maurusc\c15 besorgt haben, besonders auszeichnen. c16 Wer sich /caberc\ diesem Studium nicht mit besondernc17 Fleiß widmen könnte, thäte wenigstens wohl, die /ctrefliche rößlerischec\c18 Bibliothek der Kirchenväter in Uebersetzungen und Auszügen /c(Leipzig 1776–86 inc\c19 10 /cTheilen in gr.a20 8.)c\c21 zu studieren, aus derc22 auch die, welche weiter gehen wollen, das lernen können, worauf sie vornehmlich beyc23 Lesung dieser Schriftsteller ihre Aufmerksamkeit zu richten haben.

⌇⌇c Die c24 hier nöthigen Schriften s. in der Anweisung etc. §. 409 flgg.c25
a1: 407 a2: Musse a3: grossen c4: Ansehen Andere c5: Lehrpunkte c6: 104. a7: 391) angegebne c8: verschiedenen c9: kann ac10: einzle (a); einzelnen (c) c12: verschiedenen c13: Klassen c14: dabei c15: Congregation des heiligen Maurus c16: ⌇⌇c Anm. c17: besonderm c18: treffliche c19: von Rößler, Leipzig 1776–1786, a20: groß c21: Theile, c22: denen c23: bei c24: übrigen c25: folg.

|a433| |b166| |c145| 121a1.

Zunächst mit der Geschichte der Lehre ist die Geschichte der theologischen Wissenschaften verbunden, die man, auch wie jene, Historiam doctrinae (der Gelehrsamkeit) genannt hat; denn von der Versäumniß oder der Aufklärung gewisser Arten /cder Kenntnissec\c2, der Sprachkunde, Kritik, Philosophie, Geschichte und der schönen Wissenschaften, mußte freylichc3 die Gestalt der theologischen Wissenschaftenc4 und somit auch der Vorstellungen von christlichen Lehrenc5 abhängen. Doch kanc6 diese Geschichte eben sowohl für einen Theil der Literar- als der Kirchengeschichte angesehen werden. Sie müßte zeigen: wie die theologischen und die dazu diensamen Wissenschaften, oder doch Kenntnisse, von Zeit zu Zeit und in verschiedenen Gegenden, unter den Christen beschaffen gewesen, und wodurch sie zu- oder abgenommen?a7 werc8, wie weitc9 und /cwodurch,c\c10 auf diesen Fortgang oder Verfall Einfluß gehabt habe?a11 Dadurch würden alle Theile der Kirchengeschichte gewinnen, und man würde auf manche oft verkannte oder nicht genug erkannte Hindernisse und Hülfsmittel derselben aufmerksam gemacht werden.

c12 Man denke nur an die aus dem Judenthum und der Hieroglyphik andrerc13 Völker ins Christenthum übergangnec14 Allegoriesucht; an die aus der morgenländischen, griechischen und neuplatonischen Philosophie herübergeleitetec15 Principien; an den Einfluß der theologischen Streitigkeiten seit dem 4ten Jahrhundert, und das dabeyc16 emporgekommene Anse|b167|hen menschlicher ge|a434|setzmäßig gemachtera17 Entscheidungen; an die Wirkungen des ausgebreiteten Mönchsgeistes auf die Cultur; an den Einfluß des Origenes, Chrysostomus, Augustins, Gregorius des Großena18, der /cScholastiker etc.c\c19 der sogenannten Pietisten, c20 auf Andre. – Einige Versuche in dieser Geschichte sind in der Anweisung etc. §. 389c21 angezeigt.
a1: 408 c2: von Kenntnissen c3: freilich c4: Wissenschaften, c5: Lehren, c6: kann a7: abgenommen; c8: Wer c9: weit, c10: wodurch er a11: habe. c12: Anm. c13: anderer c14: übergegangene c15: herübergeleiteten c16: dabei a17: gemachten a18: Grossen c19: Scholastiker, c20: Methodisten etc. c21: 389.

|c146| 122a1.

Wenn die Verschiedenheit der Vorstellungen über gewisse Lehrenc2 oder der daher entstandenen Einrichtungen und Gebräuchec3 für so wichtig angesehen wurde, daß man, wenigstens von der Einena4 /cSeite †),c\c5 glaubte, nicht mehr mit den hier anders Denkenden oder Handelnden äusserlichec6 Kirchengemeinschaft unterhalten zu dürfen: so /centstanden besondrec\c7 Gesellschaften oder Religionsparteyenac8, in welchen, durch eine entstandnec10 eben so beurtheilte Verschiedenheit, wieder neue erzeugt wurden. Aller Nutzen, den die Geschichte der Lehre haben kanc11, findet auch beyc12 der Geschichte der /cReligionsparteyena13 statt,c\c14 ja der Nutzen dieser letztern ist gewissermassenc15 noch größera16, und diese Geschichte unterhaltender und lehrreicher, weil sie /cgroßea17 Revolutionen, diec\c18 in der Kirche /cdurch solche Trennung entstanden sindc\c19, und keine bloßeac20 Gegenstände der Speculation, sondern Handlungenc22 mit ihren Ursachen und Folgen,c23 darstellt.

/c†) Denn meistensc\c24 lag die Schuld der Trennung nicht an denen, die etwas Neues oder von den |a435| herrschen|b168|den Meinungen und Einrichtungen Abgehendes einzuführen schienen, sondern an der herrschenden Parteyac25, die /adergleichena\ nicht dulden wollte, und die /aanders Denkendena\a27 ausstieß. So wollten sich weder die Pelagianer noch Jansenisten von der Kirche trennen; selbst, ausgestoßena28 durch Anathemen, haben sie keinen abgesonderten Gottesdienst oder andre Einrichtungen eingeführt, unda29 wo es gewissermassenc30, wie beia31 den holländischen Jansenisten, geschehen müssen, haben sie doch immer sich für Glieder der Kirche erklärt, die sie ausgestoßena32 hatte. Blieb die Verschiedenheit nur in Meinungen:ac33 so entstand keine /cbesondre äusserliche Parteya35c\c36, wie man beyc37 den Streitigkeiten in unsrer Kirche, den synkretistischen, pietistischen /cu. d. gl.c\c38 sieht; wohl aber, wenn die Verschiedenheit /aäusserlicherc39 Einrichtungena\a40 dazu |c147| kam, oder die Verschiedenheit in Meinungen keine äusserlichec41 Gemeinschaft zuzulaßenac42 schien, wie beyc43 den Trennungen der Taufgesinnten.
a1: 409 c2: Lehren, c3: Gebräuche, a4: einen c5: Seite, *) c6: äußerliche c7: bildeten sich besondere ac8: Religionspartheyen (a); Religionsparteien (c) c10: entstandene c11: kann c12: bei a13: Religionspartheyen c14: Religionsparteien Statt; c15: gewissermaßen a16: grösser a17: grosse c18: große, durch solche Trennungen c19: entstandene Revolutionen ac20: blosse (a); bloßen (c) c22: Thatsachen c23: Folgen c24: Anm. *) Meistens ac25: Parthey (a); Partei (c) a27: Dissentirenden a28: ausgestossen a29: und, c30: gewissermaßen a31: bey a32: ausgestossen ac33: Meinungen: (a); Meinungen, (c) a35: Parthey c36: besondere äußerliche Partei c37: bei c38: u. dergl. c39: äußerlicher a40: äusserlicher Einrichtungen c41: äußerliche ac42: zuzulassen c43: bei

123a1.

In einer solchen Geschichte /cmüßtec\c2 der Ursprung und Fortgang einer solchen Parteyac3; ihr eigentlicher Unterschied von der Parteyac5, von der sie getrennt worden, und von Andern, sowohl in Lehren und Lehrvorstellungen, als auch in äusserlichenc7 Einrichtungen; besonders müßtenc8 die genauern Bestimmungen in der Lehre, die sie entweder eingeführt, wenigstens mehr und als erheblicher hervorgezogen, oder nicht /ahatte zulaßenc9, nocha\a10 jedermann aufgedrungen wissen wollen, sowohl nach den Erklärungen, die sie selbst, als |b169| die ihnen ihre Gegner gegeben, nebst der Wich|a436|tigkeit, die beydec11 auf den Unterschied gelegt hättenc12; desgleichen ihre Bekenntnißschriften und deren genau bestimmte Absicht, und weiter oder enger ausgedehnte Verbindlichkeit; die wieder in dieser /cParteya13 entstandnen verschiednenc\c14 Erklärungen eben derselben gemeinschaftlichen Lehre;a15 die dadurch erzeugten Zwistigkeiten, oder gar Trennungen;a16 und, auf eben die gedachte Art, die Geschichte, die Lehrvorstellungen und Einrichtungen dieser neuen Abtheilungen der Parteyac17; endlich die Annäherung an andre Parteyenac19, oder Zusammenschmelzung mit denselben, wenigstens die zu einer solchen Vereinigung gemachten Versuche, deutlich /caus einander gesetztc\c21, und allesc22 so zusammenhängend vorgelegt werden, daß man /cdie Mittelc\c23 sich auszubreiten oder zu erhalten, diec24 Ursachen und Folgen aller ihrer Meinungen, Unternehmungen und Einrichtungen /aceinsehen könnteac\ac25.

a1: 410 c2: muß nun ac3: Parthey (a); Partei (c) ac5: Parthey (a); Partei (c) c7: äußerlichen c8: aber c9: zulassen a10: hätte zulassen, und c11: beide c12: haben a13: Parthey c14: Partei enstandenen verschiedenen a15: Lehre, a16: Trennungen, ac17: Parthey (a); Partei (c) ac19: Partheyen (a); Parteien (c) c21: auseinandergesetzt c22: Alles c23: dadurch von den Mitteln, c24: den ac25: einsähe (a); eine deutliche Einsicht bekomme (c)

|c148| 124a1.

Vorzüglichc2 verdient diese Geschichte c3 eine recht genaue Bearbeitung; sie ist aber auch sehra4 schwer, /acac\ weil sie eine ungemein ausgebreitete Kenntniß, selbst von der politischen und Literargeschichte, selbst von vielen kleinen, an Oerternc5, wo man sie nicht sucht, zerstreuten Nachrichten erfordert; /acac\ weil, zumahlc6 von unterdrucktenac7 oder /causgestorbnen Parteyena8c\c9, entweder wenig Nachrichten bekannt, oder diese unterdrucktac10 worden, oder diese Parteyenac11 sich nicht deutlich er|b170|klärt, oder ihre Gegner die Vorstellungen sol|a437|cher Parteyenac13 zu sehr nach ihren eignen Vorstellungen genommen haben; /acac\ nirgends aber der Parteygeistac15 mehr als hier die Sachen verstellt hat, entweder eigne Fehler zu bedeckena17 und unsichtbar zu machen, oder die Fehler der Andern in einem gehässigemac18 Lichte vorzustellen. /acac\ Auf ein genaues und unparteyischesac20 Zeugenverhör, das den Werth und die Beschaffenheit der Nachrichten bis auf seine kleinsten Falten entwickelt, kommt hier das Meiste an; aber oft fehlt es an Zeugen, oder sie widersprechen einander, oder sind sonst /cverdächtig; und daherc\c22 ist die Aufspürungc23 und wahrscheinliche Zusammensetzung kleiner Spuren, /cdergleichena24 mitc\c25 der Denkungs-c26 und Handlungsart der Menschen überhaupt, noch mehr aber der dabeyc27 Interessirtena28, /cdurch Spuren inc\c29 ihren c30 sonst /cbekannten Umständenc\c31, oder /cdochc\ aus den Sitten der Zeit, des Landes und der Gesellschaft c32, eben so nothwendig.

cAnm. 1) Wie viel auch gegen G. Arnold's unparteiische Kirchen- und Ketzergeschichte bis aufs Jahr 700, Frankfurt 1700, zu sagen seyn mag – er hat viel dazu beigetragen, den Blick freier, das Urtheil unbefangener zu machen, und manchen verdienten Ketzer zu Ehren zu bringen. A. d. H.c
|c419[!]| c33 Die bisherigen Versuche in diesem Fache s. in der Anweisung etc. §. 472 /cflgg. Nochc\c34 ist C. W. F. Walchsc35 Entwurf einer vollständigen Historie der /cKetzereyen etc. Leipz. 1762–1785a36 inc\c37 11 /cTheilen inc\c38 gr. 8. das musterhafteste Werk dieser Art, wenigstens in Absicht auf das Zeugenverhör, hauptsächlich vom 5ten Theil an. Aber wer giebt uns eine eben so gute Fortsetzung über die folgendec39 größtentheils noch dürftigere oder verwirrtere Geschichte solcher Parteyenac40? In Absicht auf einen Theil der Geschichte der evangelisch-lutherischen |b171| Kirche wirdc42 es die (Plankischea43) Geschichte der Entstehung, der Veränderungen und der Bildung des protestantischen Lehrbegriffs,a44 /cwerden, wovon bisher erst 3a45 c\c46 Bände, /c/ader dritte in 2 Theilen,a\ Leipz. /a1781, 83, 88a\a47 und 89a48 in gr. /a8, auch vom erstern eine zweyte verbesserte Auflage 1791,a\a49 erschienen sindc\c50.
a1: 411 c2: Es c3: gewiß a4: vorzüglich c5: Orten c6: zumal ac7: unterdrückten a8: Partheyen c9: ausgestorbenen Parteien ac10: unterdrückt ac11: Partheyen (a); Parteien (c) ac13: Partheyen (a); Parteien (c) ac15: Partheygeist (a); Parteigeist (c) a17: bedecken, ac18: gehäßigem (a); gehässigen (c) ac20: unpartheyisches (a); unparteiisches (c) c22: verdächtig. Daher c23: Auffindung a24: verglichen c25: Berücksichtigung c26: Denk- c27: dabei a28: Intereßirten c29: und was von c30: Umständen c31: bekannt ist c32: hervorgeht c33: 2) c34: fg. J. S. Baumgarten's Geschichte der Religionsparteien bleibt noch immer sehr brauchbar. Doch c35: Walch's a36: 1762–1785. c37: Ketzereien etc., Leipzig 1762–1785., c38: Theile, c39: folgende, ac40: Partheyen (a); Parteien (c) c42: ist a43: (plankische a44: Lehrbegriffs a45: 2 c46: 6 a47: 1781 a48: 83 a49: 8. c50: Leipzig 1781–1800

|a438| 125a1.

Man kanc2 nicht sagen, daß man eine Gesellschaft kenne, wenn man nicht die Absicht kenntc3 wozu sie zusammengetreten ist, oder vereinigt bleibt, und wenn man der Einrichtungen unkundig ist, die zur Beförderung und Erhaltung dieser Absicht gemacht worden sind; ja selbst darum ist die Kenntniß ihrer Geschichte nothwendig, um solche Absichten und die deswegen eingeführten Anstaltenc4 nebst deren Abänderungen zu begreifen. Diese Anstalten und Einrichtungen zusammengenommenc5 nennt man die Verfassung einer solchen Gesellschaft, dergleichen auch beyc6 der christlichen Kirche, als einer Gesellschaft betrachtet, /cstatt findenc\c7 muß; und so fällt in die Augen, daß ihre Kenntniß eben so nothwendig seyc8 als die Kenntniß der christlichen Kirchengeschichte, wiewohl sie auf einander ein wohlthätiges Licht werfen. Billig sollte man also diese Kenntniß der christlichen Kirchenverfassung von der christlichen Kirchengeschichte selbst absondern, ohngefähra9 so, wie man |c150| die Statistik von der Staatengeschichte getrennt hat. Weil aber dieses noch nicht, wenigstens nicht nach dem ganzen /cUmfang |b172| dieserc\c10 Verfassung, geschehen ist, und doch die Kenntniß der einen von der andern abhängt: so nehmenc11 wir sie hier als einen Theil der christlichen Kirchengeschichte.

a1: 412 c2: kann c3: kennt, c4: Anstalten, c5: zusammengenommen, c6: bei c7: stattfinden c8: sei, a9: ohngefehr c10: Umfange der kirchlichen c11: betrachten

|a439| 126a1.

In ihrem ganzen Umfang müßte diese Geschichte vorstellen: 1) den äusserlichenc2 Unterschied der Christen, d. i. anfänglich nur zwischen Unterrichtenden und Zuhörern, mit gleichen Rechten beyc3 öffentlichen Angelegenheiten;a4 hernach in schon geordneten /cGemeinen, beyc\c5 zunehmenden Vorzügen der an eine Gemeinec6 gebundenen Lehrer, zwischen Klerikern und Laikern, so wie unter jenen, zwischen Bischöfen, Aeltesten, Diakonen und den niedrigern Kirchendienern, nebst allen erst nach und nach entstandnenc7 Abtheilungen dieser Arten, unter diesen aber zwischen Katechumenen, Gläubigen und Gefallnenc8, mit Einschluß der Mönche und Orden, als einer Mittelgattung, seit dem 4ten /cJahrhundert –c\c9 den Unterschied zwischen einzelnena10 Gemeinenc11 und nach und nach entstandnenc12 engern und weitern /cDiökesen –c\c13 die eingeführte Kirchenzucht und nachwärtsc14 aufgekommene, sehr mannichfaltigc15 abgeänderte, /cGerichtsbarkeit –c\c16 die verschiednenc17 Arten von bloßena18 Lehranstalten, Synoden oder Concilien von sehr verschiednemac19 Umfang und Ansehnc21, Kirchengesetze und Kirchenordnungen, als Mittel, den Wohlstand der Gemeinenc22, und nachher die Gerichtsbarkeit, zu /cerhalten –c\c23 die beyc24 dem Gottesdienst |b173| und kirchlichen Handlungen eingeführten Gebräuche, und darüber gemachte Ordnungen in Liturgienc25, Pönitentialbüchern /cu. d. gl.c\c26 2) Alles |c151| dieses in seiner ganzen Verschiedenheit in verschiednenc27 Kirchen und Ländern sowohl als Zeiten, |a440| und 3) /cbey entstandnen verschiednenc\c28, keine Kirchengemeinschaft mehr mit den andern unterhaltenden, Kirchenparteyenac29; 4) das hienachc31 sehr verschiednec32 Verhältniß der Kirchen gegen nicht christliche,a33 und hernach gegen christliche Obrigkeiten, der Gemeinenc34 und Diökesen gegen einander, und eben so der /cverschiednen Kirchenparteyena35 c\c36 gegen einander (z. B. in Absicht auf Wiedertaufe der Uebergetretnenc37); endlich 5) die jedesmaligen Ursachen und Folgen des Aufkommens oder der verschiednenc38 Einrichtungen aller solcher Anstalten, besonders in Absicht auf die mannichfaltige Gestalt und den dadurch sehr verschieden gebildeten Characterac39 der Christen.

a1: 413 c2: äußerlichen c3: bei a4: Angelegenheiten, c5: Gemeinden, bei c6: Gemeinde c7: entstandenen c8: Gefallenen c9: Jahrhundert; a10: einzlen c11: Gemeinden c12: entstandenen c13: Diökesen; c14: nachmals c15: mannigfaltig c16: Gerichtsbarkeit; c17: verschiedenen a18: blossen ac19: verschiednen (a); verschiedenem (c) c21: Ansehen c22: Gemeinden c23: erhalten; c24: bei c25: Liturgieen c26: u. dergl. c27: verschiedenen c28: bei entstandenen verschiedenen ac29: Kirchenpartheyen (a); Kirchenparteien (c) c31: hiernach c32: verschiedene a33: christliche c34: Gemeinden a35: Kirchenpartheyen c36: verschiedenen Kirchenparteien c37: Uebergetretenen c38: verschiedenen ac39: Charakter

127a1.

Hier ist ein in der That noch sehr unbebautes Feld, das Wenigea2 ausgenommen, was hierüber in den Kirchengeschichten sehr im Allgemeinen gesagt wird, oder in Absicht auf besondrec3 Theile dieser Verfassung in einigen gelehrten Werken geschehen ist. Zwar hat man daraus unter dem Namen der christlichen Alterthümer eine besondere Wissenschaft zu machen gesucht,c4 (s. die Anweisung zur theol. Bücherkenntnißc5 §. 435 f.)c6 aber in den meisten allgemeinern Werken dieser |b174| Art, dem Bingham z. B. und seinen Ausschreibern, wird man fast durchaus die so sehr verschiednenc7 Zeiten und Kirchen in verschiednenc8 Gegenden unter einander geworfen, und Einrichtungen der ältern christlichen Kirche beygelegtc9 finden, |a441| die nur hiec10 und da oder dann und wann üblich /cwaren; siec\c11 gehen beyc12 weitem nicht über die ganze Kirche, zumahlc13 der neuern Zeiten, a14 gemeiniglich nicht über das /avierte und sechstea\a15 Jahrhundert hinaus; |c152| zeigen meistens nur gewisse vorhandnec16 Einrichtungen an, ohne ihren Ursprung, Absicht und Fortgang zu untersuchen,a17 und erstrecken sich nur auf Einrichtungen der herrschenden Kirche, unbekümmert um die Einrichtung der verschiedenen Parteyenac18.

a1: 414 a2: wenige c3: besondere c4: gesucht c5: Bücherkenntniß, c6: f.), c7: verschiedenen c8: verschiedenen c9: beigelegt c10: hier c11: waren. Sie c12: bei c13: zumal a14: ja a15: 4te oder 6ste c16: vorhandene a17: untersuchen; ac18: Partheyen (a); Parteien (c)

128a1.

Gleichwohl ist die Kenntniß dieser Verfassung theils unentbehrlich, theils wenigstens sehr nützlich, 1) weil weder die Denkmahlea2, noch die Schriften, worauf sich die Kenntniß der Kirchengeschichte gründet, noch irgend ein Theil der Kirchengeschichte selbst, ohne diese Kenntniß verstanden werden kanc3. – Denn, so wie falsche Meinungen oder Mißverstand richtiger Lehren Gelegenheit zu gewissen Kircheneinrichtungen gegeben habena4: so, umgekehrt, wurden diese wieder eine Veranlassung zu /cIrrthümern †). Aeusserlichec\c5 Einrichtungen gaben eben sowohl Gelegenheit zu Spaltungen und besondern Parteyenac6, als der Unterschied in Lehren und Vorstellungen. *)c8 – Ausbreitung des Christenthums wurde immer |b175| mehr Ausbreitung der Kirche, und der kirchlichen /amehra\ als der christlichen /cLehren ††).c\c9 – Und überhaupt läßt sich schlechterdings nicht erklären, wie gewisse Lehren, Vorstellungen oder Ge|a442|wohnheit herrschend wordenc10 sind, und mit den wesentlichen Lehren des Christenthums einerleyc11 Rang oder gar Vorrang bekommen haben; wie das sanfte und leichte Joch Christi in das eiserne Joch der Kirche verwandelt, das innere Christenthum durch das äusserlichec12 verdrängt worden, der Geist des Christenthums, der nur durch Ueberzeugung und Liebe wirken soll, in Zwang und Unterdrückung ausgeartet, aus einer Gesellschaft, wo wir alle Brüder, und nur Einer, Christus, unser Herr seyn soll, ein geist|c153|licher Staat entstanden seyc13, als aus der nach und nach entsprungenen und umgebildeten Verfassung der /cKirchea14 †††).c\c15

/c†)c\c16 So gab die Einbildung vom Fegfeuer oder Reinigung nach dem Tode und die übertriebnec17 Achtung gegen Heilige und Märtyrer, Gelegenheit zu Einführung der Seelmessen, zur Kanonisation und Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien, den Wallfahrten nach heiligen Oerternc18 /au. d. gl.;a\a19 und umgekehrt, veranlaßten Kircheneinrichtungen, /az. B.a\a20 die ungebührliche Erhebung der Geistlichen über die Laien, daß der Gebrauch des Brodtsc21 im heil.ac22 Abendmahl allein Dogma der Kirche wurde; die Einführung der Beichte und der von Priestern geweihtena23 Dinge, daß die Lehre von den sieben Sacramentenc24, und von der Kraft aufkam, die sie erst von dem Priester bekommen; unbestimmte und |b176| grob verstandnec25 Kirchenformeln, z. B. Meßkanon, daß die Lehre vom Meßopfer, der Brodtverwandlungc26 u. s. f. entstand.
*)c27 Wie die Geschichte der Montanisten, Novatianer, Meletianer, Quartodecimaner, Luciferianer, der Gegner der chalcedonischen Kirchenversammlung, der Trennung der griechischen |a443| von der lateinischen Kirche seit dem 9ten Jahrhundert, der Bogomilen, der Hussitena28 u. a. von der römischen Kirche, lehrt.
††)c29 Geschichte der Bekehrung der Angelsachsen im 6tena30, der Deutschen und Sachsen durch Bonifacius u. a. im 8ten, der Bulgarnc31 im 9ten Jahrhundert.
†††)c32 Die ganze Geschichte der Concilien, der Patriarchen, Metropolitanen und Bischöfe, und ihrer Streitigkeiten unter einander, sonderlich der Päbstec33 und des Pabstthumsc34, ist ein Commentar hierüber.
a1: 415 a2: Denkmähler c3: kann a4: hat c5: Irrthümern. 1) Aeußerliche ac6: Partheyen (a); Parteien (c) c8: 2) c9: Lehren. 3) c10: geworden c11: einerlei c12: äußerliche c13: sei a14: Kirche. c15: Kirche. 4) c16: Anm. 1) c17: übertriebene c18: Orten a19: u. d. gl. a20: als c21: Brods ac22: heiligen a23: geweyhten c24: Sakramenten c25: verstandene c26: Brodverwandlung c27: 2) a28: Hußiten c29: 3) a30: 6sten c31: Bulgaren c32: 4) c33: Päpste c34: Papstthums

129a1.

Und sonach kanc2 ohne diese Kenntniß 2) kein Lehrsatz, der, ausserc3 den klaren Sätzen der Vernunft und den ausdrücklichen Aussprüchen der heiligen Schrift, in die Theo|c154|logie aufgenommen worden, gründlich, und für die, welche kirchliche Tradition als Quelle der christlichen Wahrheit annehmen, überzeugend beurtheilt, noch die Unverbindlichkeit besondrerc4 Vorstellungen von einer christlichen Lehre für jeden Christen, deutlich dargethan, noch 3),c5 zur Aufrechterhaltung der christlichen Freyheit,c6 hinlänglich gezeigt werden, daß gewisse positive Kirchenrechte uns gar nicht /cver|b177|binden †).c\c7 Sehr nützlich ist endlich diese Kenntnißc8 4) um den Ursprung und die Absichten solcher Einrichtungen kennen zu lernen, die wir noch in unsern Kirchen haben, wohin sie aus dem frühern oder spätern Alterthum ge|a444|kommen sind, und danach ihren wahren Werth oder Verbindlichkeit zu /cbeurtheilen ††).c\c9

/c†)c\c10 Z. B. alles das, was auf der angeblich göttlichen Einführung der bischöflichen Würde und dem sogenannten Primat des römischen Bischofs beruht. S. das unschätzbare Werk de la Primauté en l'Eglise, par D. Blondel,a11 und andrec12 in der Anweisung etc. §. 453.a13 genannte Werke.
††)c14 So hat der Exorcismus in der Taufe, wenn er ja schon zu Cypriansc15 Zeit im dritten Jahrhundert in Afrikaa16 üblich war, (wie man aus dessen 76stenc17 Brief S. 157.ac18 nach Baluze Ausgabe, geschlossen hat,)c19 sicherlich aus der Einbildung,c20 (die Tertullian de animac21 c. 39 und 57 erwehnt,)c22 daß der Satan in den Heidenkinderna23 wohnte, und durch die Anrufung der Götzen beyc24 der Niederkunft der Weiber eingeladen würde, solche Kinder zu bewohnen, oder aus einer ähnlichen Grille, seinen Ursprung. – Der unter uns noch herrschende unbiblische, und gewiß aus der spätern römischen Kirche herübergeleitete Begriffa25 von Consecration des heiligen Abendmahls, wodurch Brodtc26 und Wein der Leib und das Blut Christi werden, und die Kraft desselben bekommen sollen, ist ganz gegen den Sprachgebrauch der ältesten christlichen Kirche (s. Pfaffsc27 Disp. de consecr. Euchar.a28 vet. in s. Syntagm. Diss. |b178| p. 407 sq. und Ernesti Antimur. p. 24 sq.), die das Wort nicht anders als 1 Tim. 4, 5. nahm. – So ist der Gebrauch |c155| /cunsrer evangelischenc\c29 und /cepistolischen Textec\c30 (Pericopen), die man billig mit meistens weit lehrreichern Stellen der Bibel vertauschen sollte, lange nicht so altc31 als man sich gemeiniglich einbildet, wie man sich aus dem alten römischen Calen|a445|dario in Martene und Durand thesauro novo anecdot. Tom. V. p. 65 seq. leicht überzeugen kanc32. – Und der in unsern Formeln beyc33 der Taufe der Kinder übliche (selbst gegen die Apolog. Aug. Confess. p. 51 laufende) Ausdruck: „was ihm von Adam angebohrenc34 ist, und er selbst dazu gethan hat,“ war in alten Agenden nur auf /cdem Randec\c35 gesetzt, als ein Ausdruck, der beyc36 der Taufe erwachsener Personen sollte hinzugefügt werden, und ist aus Unverstand oder Irrthum hernach in den Text gezogen, und allgemein gemacht worden. (S. Hartknochsc37 preußische Kirchenhistorieac38 S. 637.)
a1: 416 c2: kann c3: außer c4: besonderer c5: 3) c6: Freiheit c7: verbinden. 1) c8: Kenntniß, c9: beurtheilen. 2) c10: Anm. 1) a11: Blondel c12: andere a13: 453 c14: 2) c15: Cyprian's a16: Africa c17: 76stem ac18: 157 c19: hat), c20: Einbildung c21: anima, c22: erwähnt), a23: Heiden-Kindern c24: bei a25: Begrif c26: Brod c27: Pfaff's a28: Euch. c29: unserer evangelischen c30: epistolischen Texte c31: alt, c32: kann c33: bei c34: angeboren c35: den Rand c36: bei c37: Hartknoch's ac38: Kirchenhist. (a); Kirchenhistorie, (c)

130a1.

/cDiec\c2 Ursachen sowohl der Einführung als der Veränderungen solcher besondern Einrichtungen in gewissen Kirchen zu entdecken, ist, ausserc3 den andern allgemeinern Hülfsmitteln und Kenntnissen beyc4 der Kirchengeschichte, vorzüglich nöthig, die bürgerlichen Verfassungen zu der Zeit und an dem Ort, wo sie entstanden, die Beschaffenheit des Klimac5, die Volksmeinungen sowohl, als die unter den Gelehrtern herrschendec6 philosophischen Hypo|b179|thesen, auch Kirchentheologie, und überhaupt die Meinungen, Gebräuche und andrec7 Einrichtungen, die unter Juden und Heiden, da, wo Kirchen gepflanzt worden, üblich gewesen, und wonach man sich beyc8 den Einrichtungen der Kirchen sehr gerichtet hat, nebst den Verbindungen zu kennen, in welchen solche Kirchen mit andern gestanden, und was in diesen für Einrichtungen getroffen worden.

a1: 417 c2: Um die c3: außer c4: bei c5: Klima's c6: herrschenden c7: andere c8: bei

|a446| |c156| 131a1.

Einige Theile dieser Verfassung, oder die Geschichte besondrerc2 Arten von kirchlichen Einrichtungen, sind schon einzeln bearbeitet worden, als: die Hierarchie, die religiösen Orden, die Kirchengesetze allerleyc3 Art, die Kirchenversammlungen, und was zur Liturgie gehört,c4 wenigstens fehlt es nicht an Hülfsmitteln /cdazu †),c\c5 in welchen noch großea6 Schätze unbearbeitet liegen. Es wäre, nach dem, was bisher schon gesagt worden, überflüssiga7, den Nutzen des Studiums dieser besondern Theile, oder die Art, wie sie studiert werden müßtenc8, anzugeben. Ob jemand diese Theile? welche? und in welcher Rücksicht? er sie besonders zu treiben habe, muß jeden sein eignesc9 Bedürfniß lehren. Für den künftigen Lehrer der Religion unter unsc10 möchte das besondrec11 Studium der Geschichte der Hierarchie überhaupt, und besonders der Päbstec12 und des /cPabstthums ††),c\c13 so wie unsrer evangelisch-lutherischen Kircheneinrichtungen, sie mögen erst durch die Reformation eingeführt, oder aus der Kirche vor der Refor|b180|mation genommen seyn, die meiste Wichtigkeit haben.

/c†)c\c14 S. Anweisung zur Kenntniß der Bücher etc. §. 423–447c15 und 451–469.
/c††) Pabstthumc\c16 heißt manchmal der Inbegrifc17 derjenigen Lehren, die durch das Ansehen der römischen Bischöfe eingeführt worden sind; und so wäre dessen Geschichte ein Theil der Geschichte christlicher Lehre. Bisweilen aber begreift man |a447| darunter den ganzen Umfang der päbstlichenc18 Macht, oder der angeblichen Rechte der römischen Bischöfe, und ihren Einfluß auf die Veränderungen der Lehre und der Kirche; und die Geschichte desselben würde den Ursprung, Fortgang und Abfall dieser Macht, nebst den Ursachen derselben, oder den dazu gebrauchten Mitteln, und die dadurch entstandnenc19 Wirkungen, in sich fassen müssen.
a1: 418 c2: besonderer c3: allerlei c4: gehört; c5: dazu, 1) a6: grosse a7: überflüßig c8: müssen c9: eigenes c10: uns, c11: besondere c12: Päpste c13: Papstthums, 2) c14: Anm. 1) c15: 423–447. c16: 2) Papstthum c17: Inbegriff c18: päpstlichen c19: entstandenen