Wenn ganze Gesellschaften sich über Lehren der Religion von anders Denkenden getrennt, und diese Lehren, darin sie von andern abgehnc2, oder die Vorstellungen, welche sie für die richtigsten über gewisse Lehren halten, in öffentlichen und feyerlichenc3 Aufsätzen vorgetragen haben: so nennt man diese Aufsätze Symbolenc4 oder Bekenntnißschriften, auch wohl, wenn sie ausführlich sind, symbolische Bücher, die also nichts anders sindc5 als Erklärungen einer besondern Religionsparteyac6 über das, was sie in der Religion für wahr hält, vornemlichc8 im Widerspruch gegen andrec9 von ihr /cverschiedne Parteyena10c\ ∥c11.
Symbolische Theologie wird entweder mehr im dogmatischen oder mehr im historischen Ver|a577|stande genommen. Im erstern Fall würde sie im weitern Verstande eine Vorstellung der christlichen Lehre nach den verschiednenc2 Vorstellungen aller christlichen Parteyenac3 seyn, wenigstens sofern sie diese Vorstellungen in ihren Bekenntnißschriften geäussertc5 haben. Diesc6 wäre immer nützlich, ihren Unterschied kennen und danach wählen zu lernen, zu welcher man sich, nach seiner Ueberzeugung, zu halten hätte; wiewohl man diesen Unterschied, nur nicht zu so bequemer Uebersicht, auch in polemischen Büchern findet. Im engern Verstande aber wäre sie eine Vorstellung der christlichen Lehre nach den symbolischen Schriften einer gewissen Kirche; und würde sie ausgeführt, d. i. der darin gegründete Lehrbegriff einer Kirche weiter /caus einanderc\ ∥c7 gesetzt, und, besonders nach den in solchen symbolischen Schriften selbst vorgetragnenc8 Beweisen, bestätigt: so würde dergleichen Theologie nichts anders seyn, als theologisches System einer solchen Kirche; nur mit dem Unterschied, daß es kein vollständiges System wäre, weil nicht alle Lehren einer Kirche in symbolischen Büchern vorgetragen werden. (§. 210ac9 Anm.) – Aber gemeiniglich nimmt man symbolische Theologie in einem mehr historischen Sinnc11 von dem Inbegriff der historischen und Lehrkenntnisse, die |b315| zum richtigen Verstande der symbolischen Schriften einer gewissen Kirche erfordert werden. – Im engsten und gewöhnlichsten Sinn heißt sie beyc12 uns, in der evangelischen Kirche augspurgischerc13 Confessiona14, der Inbegriff aller solcher Kenntnisse, die zur Einsicht in den richtigen Verstand des sogenannten Concordienbuchs, wenigstens der fünf ersten Stücke derselben,c15 (der /caugspurgischen Confeßionc\ ∥c16, ihrer Apologie, |c271| der schmalcaldischenc17 Artikel und des größerna18 und kleinerna19 /cCatechismi Luthers,)c\ ∥c20 gehören. Auf diese Bedeutungc21 schränken wir uns hier ein.
In dieser symbolischen Theologie müßtec2 theils die Geschichte solcher symbolischen Bücher selbst genau vorgetragen, theils ein hinlänglicher und richtiger Commentar über ihren Text gegeben werden. – Jene müßtec3 1) von der Veranlaßungac4, dem Verfasser und |a578| den Zeitumständen, unter welchen ein solches Buch abgefaßt ist, eine richtige Vorstellung machen; denn ohne diese mußc5 vieles in /adergleichena\ ∥a6 Buche unverständlich bleiben, oder falsch erklärt werden, weil es sich auf damalige Zeitumstände, Bedürfnisse, Begriffe, Meinungen und Gewohnheiten bezieht. – Danach schränkt sich auch der Zweck eines solchenc7 Buchs ein, dessen Inhalt und einzelnea8 Aeusserungenc9 nur, nach ihrem Zwecke, gewissen damaligen Irrthümern und Sätzen widersprechen, oder den Verdacht derselben ablehnen sollten, folglich auch nur in dem Sinn zu nehmen sind, in welchem sie von denenjenigenc10 genommen wurden, welchena11 man wi|b316|dersprechen, oder gegen die man sich rechtfertigen wollte. (/cz. B. Augsp.c\ ∥c12 Conf. Art. 17, und Art. 7. Abus. p. 42 seq.) – Ist der Verfasser eines solchen Buchs oder sind aus der Geschichte Aufsätze bekannt, woraus ∥c13 hernach /cein solches Buchc\ ∥c14 entstanden ist, oder wodurch es hat sollen authentischa15 erklärt werden: so giebt dieses den besten Aufschluß nicht nur über den Zweck einzelnera16 Theile des geäussertenc17 Lehrbegriffs, sondern auch über den wahren Sinn einzelnera18 Sätze und Ausdrücke, wenn man sie nach solchen Aufsätzen und des Verfassers sonst bekannten Begriffen und Sprachgebrauch nimmt;a19 wofern nicht durch eine andrec20 authentischea21 Erklärung dererjenigenc22, die ein solches |c272| Buch zu einem öffentlichen gesetzmäßigen Bekenntniß zu machen das Recht hatten, oder durch den ganzen Geist der Lehre einer solchen Parteyac23, deren Bekenntnißbuch es ist, der Sinn anders bestimmt wird. – /cAusser demc\ ∥c25 zeigt auch diese Geschichte, ob und wie weit /cein solches Buchc\ ∥c26 irgendwo ein symbolisches und verpflichtendes Ansehnc27 bekommen habe oder nicht.
Auch solltec2 der Ausleger symbolischer Bücher 2) der ganzen Kritik derselben wohl kundig seyn, die in unserm Zeitalter durch genauere Untersuchungen eine ganz andrec3 Gestalt gewonnen /chat /a†)a\,c\ ∥c4 weil ein so großera5 und mannigfaltiger Un|c273|terschied zwischen den Originalen unsrer symbolischen Bücher und ihren Uebersetzungen, und zwischen den verschiednenc6 Recensionen der lateinischen und deutschen Ausgaben ist. Denn, obgleich durch die Aufnahme eines gewissen Textes in das Concordienbuch, wenigstens durch die jetzige stete Beybehaltungc7 dieses Textes in den Ausgaben dieser Sammlung, dieser Text sein bestimmtes Ansehnc8 erhalten hat: so bleibt doch immer /ac–ac\ der Unterschied des Originals und der davon oft sehr ver|b318|schiednenc9 Uebersetzungen, die eben sowohl ins Concordienbuch aufgenommen sind; und selbst das Concordienbuch hat nicht in allen unsern Kirchen ein verbindliches Ansehen. /a–a\ Hauptsächlich aber ist diese kritische Kenntniß nützlich, /a–a\ um den Sinn aus andern gleichsinnigen Lesearten zu /aerklären; –a\ ∥a10 um sich nicht unnöthige Mühe mit Vertheidigung oder Vereinigung auffallender Stellen zu geben, wenn diesem Anstößigen durch eine andrec11 richtigere Leseart kanc12 abgeholfen werden; /a–a\ und um eben sowohl den Neckereyenc13 der Gegner dieser Bücher, die auf den vorgeworfnenc14 Veränderungen derselben beruhen, zu begegnen,c15 als /ac–ac\ die Vorurtheile von dogmatischer Unrichtigkeit der /asogenanntena\ veränderten /caugspurgischen Confeßion ††)a16 c\ ∥c17 abzulegen, oder sie sowohl als unnütze Wortklaubereyc18 und Verunglimpfung derer zu verhüten, die nicht jeden Ausdruck und jeden Satz darin billigen.
Der Commentar über die symbolischen Bücher (§. 212ac2) müßte eigentlich nur historisch seyn, weil die Absicht eines Auslegers derselben nur seyn kanac4, |b319| nicht die dogmatische Wahrheit, sondern den Sinn dieser Bücher /cdarzustellen; höchstens kanc\ ∥c5 das erstrec6 nur Nebenzweck seyn. Wer der Kirchengeschichte, der öffentlichen und Privatlehren in der römischen Kirche und ihrer Verfassung, vor der Reformation, besonders aber der Geschichte unsrer Kirche und ihrer Streitigkeiten, vornehmlich mit der römischen Kirche, in dem 16ten Jahrhundert, selbst der Sprachart der damaligen Römischgesinnten und unsrer Theologen jener Zeit, genau kundig, und gewohnt ist, allesc7 nach den damaligen, nicht nach spätern,c8 Zeitumständen zu erklären: der wird allein im Stande seyn, diese Bücher richtig und verständlich zu erklären.
Da es übrigens die Pflicht eines jeden Gliedes einer Kirche, so weit es die Fähigkeit, hierin selbst zu urtheilen, hat, vorzüglich die Pflicht eines öffentlichen Lehrers in derselben ist, diejenigen Lehren oder Vorstellungen zu kennen, wodurch sich diese Kirche von andern unterscheidet, um von denselben und der Ursach, warum er sich zu dieser Kirche bekennt, Rechenschaft geben zu können; – überdiesc2 in den meisten Kirchen öffentliche Lehrer auf diese Bücher verpflichtet werden, und sie ohne Gewissenlosigkeit diese Verpflichtung nicht übernehmen können, wenn sie dieser Bücher oder ihres Verstandes nicht kundig sind; – /cundc\ ∥c3 es eben so zu den Pflichten derselben gehört, die Rechte im Lehrvortrag nicht von Andern unbefugter Weise einschränken, oder sich Lehren auflegen zu laßenac4, die in diesen Büchern nicht bestimmt sind: so bedarf es keiner Weitläufigkeit, zu zeigen, daß und warum, wenigstens für einen Lehrer unsrer Kirche, das Studium dieser Bücher und der symbolischen Theologie nöthig seyc5.