Wenn wir den Absichten Gottes in der Welt und unsrerc2 Pflicht kein Genüge thun, ohne die höchst-möglichstec3 Anwendung unsrerc4 Kenntnisse und Kräfte /czu Andrer Besten;a5 c\ ∥c6 und wenn es ganz eigentlich die Absicht desjenigena7 Standes ist, dem sich ein Lehrer der Religion widmet, Menschen durch die wirksamste |a582| Empfehlung der Religion glücklich zu machen (/aTheil 1.a\ §. 16 f.): so muß es einem solchen Lehrer eben so theure Pflicht seyn, sich die Geschicklichkeit zu erwerben, beyc8 Andern richtige und überzeugende Kenntnisse der Religion, und eine dieser gemäßea9 Gesinnung hervorzubringen, als es seine Pflicht war, selbst nach solchen Kenntnissen und Gesinnungen zu streben.
Wahr ists, er kanc2, ohne erst so für sich gesorgt zu haben, nicht für Andrec3 sorgen, nichts |b4| mittheilen, was er |c4| nicht selbst besitzt, wenigstens es nicht so angelegentlich thun, als er sollte; und eben dadurcha4, daß Er sich selbst rechte Kenntnisse in der Religion erwarb, und sich nach diesen bildete, lernte er /cauch diese Sachen ausdruckena5, und sonachc\ ∥c6 Andern vortragen;a7 /clernte er /adadurcha\c\ ∥c8 das Brauchbarere von dem Unbrauchbarern, das Unentbehrliche von dem unterscheiden, was bloß nützlich, und nur für gewisse Fälle nöthig /cist;a9 c\ ∥c10 ward ihm auch /adadurcha\ ∥c11 Religion ∥c12 wichtig und eigentliche Angelegenheit des /cHerzens †). Allein,c\ ∥c13 er /cmuß doch immer, wenn er damitc\ ∥c14 Andern /cnutzbar werden will,c\ ∥c15 sich nach ihren Bedürfnissen richten, und, da diese von den seinigen sehr verschieden sind, sich /cwissenc\ auch in seinem Vortragc16 und in seinem ganzen Betragen zu ihnen /cherabzulaßena17,c\ ∥c18 seine Art zu denken, zu reden und zu handeln, nach /cIhrerc\ ∥c19 zu bilden. Eben beyc20 diesem Bestreben, seine Ueberzeugung und Gesinnung Andern |a583| wirksam mitzutheilen, bemerkta21 er, wie oft er seine Absicht beyc22 ihnen verfehle, und wie vielc23 die Schuld davon an seiner Vorstellung oder /cVortragc\ ∥c24 liege; er lernt nun oft erst, daß Er selbst Manches bisher nicht ∥c25 verstanden, nicht deutlich gedacht, nicht überzeugend genug erkannt, nicht angelegentlich genug getrieben habe. Er kommt selbst hiebeyc26, indem er sich Andern im Vortragc27 oder Umgangc28 mittheilt, auf Manches, woran er vorhin nicht dachte, lernt Manches besser verstehen und mehr berichtigen, überzeugt sich mehr von dem Nutzen mancher Religionslehren, und wird mehr für sie eingenommen, lernt sie |b5| auch nutzbarer für Andrec29 machen. So gewinnt Era30 durch diese Mittheilung selbst, indem er zugleich Andern nützlich wird.
Wer Andrec2 über die Religion so belehren will, daß sie /cdafür eingenommenc\ ∥c3, d. i. von derenc4 |b6| Wahrheit und ∥c5 Einfluß auf ihr wahres Bestes überzeugt, und dadurch geneigt gemacht werden sollen, sich darnach zu richten: der muß nicht nur die nöthigen Kenntnisse desjenigen, was er ihnen mittheilen will, habenc6, er muß nicht nur selbst /cdafür eingenommen seyn,c\ ∥c7 er muß auch, weil er es hier mit Andern, und mit mancherleyc8 Zuhörern von verschiedenen Fähigkeiten, Neigungen und Bedürfnissen,c9 zu thun hat, Klugheit besitzen, und anzuwenden wissen. /a–a\ Er besitzt sie, wenn er die Fähigkeiten hatc10 zu beurtheilen, was /cgedachtenc\ ∥c11 Umständen /cderselbenc\ am angemessensten ist. |c6| Beyc12 dem Lehrer der Religion also gehört dazu: Kenntniß der Religion, für welche, und Kenntniß desjenigen, wodurch er siec13 dafür /ceinnehmen will –c\ ∥c14 Menschenkenntniß /c–c\ und Beurtheilungskraft, um das schicklichste Verhältniß jener Kenntnisse /cgegen diesec\ ∥c15 zu finden. /a– Erc16 a\ ∥a17 weiß sie in vorkommenden Fällen anzuwenden, wenn er alsdanna18 fähig ist, /c–c\ die Umstände, so wie sie gegenwärtig sind, aufzufassen, /c–c\ sich die gedachten Kenntnisse, so weit er sie für diesen Fall braucht, recht zu vergegenwärtigen, /c–c\ und darnach zu beurtheilen, |a585| was er seinem Zweck und diesen Umständen gemäß zu thun habe.
So unumgänglich nothwendig es also ist, um die Stelle eines Lehrers der Religion mit Würde zu bekleiden, daß man vorher Theologiec2 und die übrigen oben erwähntena3 /cWissenschaften studiere,c\ ∥c4 |b7| um zu wissen, was und wie man überhaupt Andere über Religion belehren, und sie ihnen empfehlen solle: so ist doch dieses allein nicht zureichend, um ein recht nützlicher Lehrer zu werden. /c/a–a\ Diesesc\ ∥c5 Studium /cerschwert selbst gewissermaßena6 die Erlangungc\ ∥c7 und /cAnwendung derc\ Klugheit ∥c8. Denn indem /cesc\ sich ∥c9 größtentheils mit unsichtbaren Dingen beschäftigt:c10 so entwöhnt /ces denc\ ∥c11 Blick vom Gegenwärtigen, vom /cHandlen,a12 und vomc\ ∥c13 gesellschaftlichen Leben überhaupt, welches das eigentliche Feld /cderc\ ∥c14 Klugheit /cist. Und, indemc\ ∥c15 man /cbey diesemc\ ∥c16 Studieren ∥c17 mehr darauf bedacht ist, sich vorerst die nöthigen Kenntnisse zu erwerben, als siea18 Andern mittheilen zu lernen; indem man ∥c19 sich ∥c20 |c7| gründlich zu überzeugen sucht, nach deutlichen Begriffen strebt, und daher die Untersuchung sehr ins Umständliche und Kleine gehenc21 muß: so gewöhnt man sich weniger an lebhafte und anschauliche Erkenntniß, übt über den Beschäftigungen des Verstandes die Einbildungskraft zu wenig; gewöhnt sichc22 mehr langsam und bedächtig zu denken, als schnell ∥c23 aufzufassen und zu übersehenc24; wird daher mehr unentschlüßigc25 und |a586| verlegen, als schneller Entschließungena26 fähig; zerstreut sich zu sehr durch kleine Umstände, als daß man das Ganze überschauen /clernte; welchesc\ ∥c27 alles /cder Klugheitc\ ∥c28 nicht /czuträglich istc\ ∥c29, die oft schnelle Empfindung, allgemeineres /cUeberschauen undc\ ∥c30 geschwinde Entschließunga31 ∥c32 erfordert.
∥c2 Klugheit /ceines Lehrers der Religion kan |b8| ohnec\ ∥c3 gewisse /cFähigkeitenc\ ∥c4 und /cKenntnissec\ ∥c5 nicht /cseyn. /a–a\c\ ∥c6 Zu jenen gehört die Gabec7 recht zu beobachten und recht zu urtheilen, in Absicht auf die Umstände, unter welchen man zu ∥c8 handeln hat, d. i. praktischer Beobachtungsgeist und praktischer Verstand. /ac–ac\ Die Kenntnisse aber müssen sich auf die /cmitzutheilendec\ Lehren der Religion ∥c9, auf die Art, Andern etwas aufs Wirksamste mitzutheilen, auf Fähigkeiten, Neigungen, Denk- und Handelsart, /cauch verschiednec\ ∥c10 Umstände der Menschen überhaupt, und derer, mit welchen man jedesmal zu thun hat, insbesondrec11 erstrecken. Jene Fähigkeiten und Kenntnisse recht zu gebrauchen, würde fleißige Uebung in ihrem Gebrauch |c8| nöthig seyn. /c–c\ Zwar kanc12 sich niemand diese Fähigkeiten selbst geben;a13 kanc14 sich nicht selbst eine solche günstige Lage verschaffen, die ihn zu der hier dienlichen Menschenkenntniß führte;a15 kanc16 auch selten zum voraus, eh' er ein öffentliches Lehramt erhält, beträchtliche Uebungen dieser Art /chaben. Aberc\ ∥c17 er kanc18 doch mittelmäßige Fähigkeiten durch Fleiß und Uebung verstärken; in seinem, obgleich |a587| kleinen, Kreise überhaupt Menschen, und die Art sie zu lenken, beobachten und beurtheilen lernen. Selbst beyc19 seinen bisherigen Studien, wenn er sie auf die oben vorgeschlagene Weise treibt, wird es ihm weder an Gelegenheit zur Menschenkenntniß, noch an Uebung im Beobachten und Urtheilen, in Absicht auf die Bearbeitung der Menschen, fehlen; besonders wird ihm das Studium der Psychologie, der Moral, der Historie, vornemlichc20 der Kirchengeschichte, |b9| der schönen Wissenschaften, selbst der Sprachen, großea21 Dienste thun können.
Was ihm danna2 noch an eignerc3 Fähigkeit, Gelegenheit und Uebung abgeht, wird er, wie beyc4 allen Arten von Kenntnissen, durch Andrerc5 Erfahrungen und /cderc\ Belehrung /cvon ihnen,c\ ∥c6 ersetzen müssen, die ihm theils auf die verschiednenc7 Umstände, in die er, als Lehrer der Religion, kommen kanc8, aufmerksam machen, theils ihn anweisen können, wie er sich darin mit Klugheit zu betragen habe. Man hat dergleichen Anweisung in eine Art von Wissenschaft gebracht, und sie mit dem Namen der Pastoraltheologie im weitern Verstande, der Anweisung zur Pastoralklugheit, ∥c9 und andern ähnlichen, belegt; und sie muß ohne Zweifel die Grundlage seines ganzen künftigen Betragens, als eines Lehrers der Religion, (/aTheil 1.a\ §. 17.a10) seyn.
Die ganze Fürsorge eines solchen Lehrers für die, so sich ihm anvertrauen, besteht entweder in Belehrungc2, im weitesten Umfange genommen, oder in /cHandlungen; beydenc\ ∥c3, sofern sie die Re|a589|ligion betreffen. – Die Belehrung ist entweder eine allgemeinere oder eine besondrec4, welche durch die besondern Umstände einzlerc5 Personen, beyc6 Religionszweifeln, Krankheiten /cu. d. gl.c\ ∥c7, nothwendig gemacht wird. Nun /cgiebtsc\ ∥c8 zwar unter denenjenigenc9, die sich der Belehrung und der Gewissenspflege eines Seelsorgers bedienen, |b11| manche sehr Denkende und Aufgeklärte; aber diese machen doch nur den kleinsten Theil aus, und sind, gegen die übrigen gerechnet, so selten, daß sie verdienen, als eine ganz besondrec10 Klasse von Zuhörern behandelt zu werden; der größte Theil, der auch des Unterrichts und der Leitung am meisten bedarf, kanc11 doch nur einen populären Vortrag der Religion benutzen. Es muß also der öffentliche Vortrag vor einem vermischten Haufen – wenn die Zahl der wirklich (nicht in der Einbildung) |c11| /cAufgeklärternc\ ∥c12 nicht größera13 als der Uebrigen ist – billig populär, und dieses um so mehr seyn, weil die Absicht des Vortrags eines Volkslehrers eigentlich seyn muß, die Religion praktisch und in Anwendung auf das Herz vorzustellen, auch nicht sowohl erst zu unterrichten – denn dieses ist, nach unsrerc14 Einrichtung, schon vorher in Schulen oder beyc15 der Zubereitung zur sogenannten Confirmation geschehen – als vielmehr das wieder aufzufrischen, was die Zuhörer schon wissen, und es immer eindringlicher und anwendbarer zu machen.
Man hat deswegen für gut befunden, die ganze /cAnweisung zur rechten Führung des christlichen Lehramts in zwey Hauptwissenschaftenc\ ∥c2 zu theilen. Die eine betriftc3 die Belehrung des Volks, und soll den Prediger bilden;a4 die andrec5 aber die kluge Einrichtung der Handlungen eines Lehrers nach den verschiednenc6 Theilen seines Am|b12|tes,c7 und ∥c8 soll ihn als Seelsorger unterrichten. In so fern beyc9 diesen Handlungen auch /cVortrag der Religionc\ ∥c10 nöthig ist, muß sich dieserc11 nach den besondern Umständen der einzelnena12 Pflegebefohlnenc13 richten, mit welchen der Seelsorger zu thun /ahat. Era\ ∥a14 muß also zwar alle Eigenschaften /cdes guten Vortragsc\ ∥c15 haben, aber die besondrec16 Einrichtung für die einzelnena17 Fälle nach jenenc18 besondern /cUmständenc\ ∥c19 bekommen; und, weil diese erst /ckönnenc\ in der /cletztern erwähntena20 c\ ∥c21 Wissenschaft berührt /cwerden:c\ ∥c22 so gehört die Anweisung zum guten Religionsvortragc23 überhaupt in die erstrec24, hingegen die Unterweisung, wie /cdieser Vortragc\ ∥c25 in einzelnena26 Fällen, |c12| und in dem Umgangc27 mit einzelnena28 Personen, nach ihren besondern Fähigkeiten und Bedürfnissen einzurichten seyc29, in die letztrec30 Wissenschaft. Der Kürze wegen wollen wir diese letztrec31 Art /cdes Vortrags den Privatvortrag, undc\ ∥c32 die erstrec33, weil der Vortrag mehrernc34 zusammen ertheilt wird, den öffentlichen Religionsvortrag nennen.
/cDieser letztre läuftc\ ∥c2 entweder ∥c3 in Eins /cfort, und ist bloßera4 Vortrag des Predigers, istc\ ∥c5 eine eigentliche Rede oder Predigt; oder /cer istc\ ∥c6 unterbrochen durch das, was die Zuhörer ∥c7 antworten, /cin Beziehung auf das, was der Prediger gefragt hat;a8 er istc\ also eine ∥c9 Unterredung des Predigers mit den Zuhörern. /cJenec\ ∥c10 Rede nennt /cman eine Homilie,c\ ∥c11 und /cdaher Homiletikc\ die |b13| Anweisung /czu dem öffentlichen in Eins fortlaufenden Religionsvortragc\ ∥c12. Sie ist also, weil dabeyc13 eine vermischte Versammlung, meistentheils von Ungelehrten, vorausgesetzt wird (§. 7.a14), und die Eigenschaften des Religionsvortrags für jedermann, ohne Rücksicht auf die besondersten Umstände einzelnera15 Zuhörer, darin /csollenc\ vorgelegt werden ∥c16 (§. 8.a17), eine /cAnweisung zum gemeinnützigen oder populären, und zwar an einander hängenden öffentlichen Religionsvortragc\ ∥c18.
Eine Unterredung des Predigers mit /cseinen Zuhörernc\ ∥c2, wodurch er ihre Antworten auf seine Fragen über die Religion /cerfahrenc\ ∥c3 will, nennt man eine Katechisation, oder, in Absicht auf /cden Prediger, einen katechetischen /aVortrag; und,a\ ∥a4 da dieserc\ ∥c5 die Absicht hat, zu erforschen, was sie für Begriffe von der Religion haben, oder sie selbst auf wichtigec6 Begriffe davon zu leiten, dieses aber nicht sowohl /cbey aufgeklärternc\ ∥c7 und zum |a592| eignenc8 Nachdenken /cschon gewöhntenc\ ∥c9, als vielmehr beyc10 solchen /cZuhörernc\ nöthig ist, die noch in der Erkenntniß zurück sind: so versteht sichs von selbst, daß /cdieser Vortragc\ ∥c11 vorzüglich populär seyn müsse. Die Anweisung zu einemc12 solchen katechetischen /cVortragc\ ∥c13 heißt die Katechetik, welche man nicht, wie wohl geschieht, mit der katechetischen Theologie (/aTheil 2.a\ §. /a174. Anm. 2.a\ ∥a14) verwechseln muß.
Alles andrec2, was nicht eigentlich den Vortragc3 des Predigers, sondern seine ∥c4 Handlungen betriftc5, so fern sie unmittelbar oder mittelbar seine Amtsführung angehnc6 (§. 8ac7), gehört in eine andrec9 Anweisung, der man den Namen der Pastoraltheologie im engern Verstande (§. 6.a10) gegeben hat. Das Amt eines Lehrers, der für das Beste der ihm Anvertrauten sorgen soll, bringt es mit sich, den äussern Gottesdienst, und was dazu gehört, nicht bloß durch seinen Vortrag, sondern auch in den übrigen Theilen, zu besorgen; dem Gewissen seiner Pflegebefohlnenc11 unter allerleyc12 Umständen treulich zu |c14| rathen;ac13 und überhaupt die Kenntniß der Religion, nebst der Liebe zu ihr und Anwendung der Kenntniß zur Besserung und Beruhigung derselben, zu befördern; sich deswegen überall, auch um des Lehramtes willen, als ein Muster eines wahren Christen zu betragen; endlich, wenn die Sorge für äusserlichec14 Angelegenheiten nicht von denen, die ihn zum Lehrer angenommen ha|a593|ben, Andern übertragen ist, auch für den Unterricht und die Erziehung der Jugend, für die Verpflegung der Armen und für die Aufrechthaltung der Rechte der ihm anvertrauten Gemeinec15, und der Rechte seines Standes und Amtes, Sorge zu tragen, und sich daher diese Rechte und desjenigen, worauf sie sich gründen, wohl bekannt zu machen.
Die Kenntniß dieser Rechte, oder des Kirchenrechts, verdient, ob sie gleich mehr zur Rechtsgelehrsamkeita2 als zur Theologie gehört, einen besondern Fleiß, und ist einem Lehrer der Religion sehr nützlich, in gewissen Fällen unentbehrlich. Von dem Studium desselben, wenigstens so weit es einem protestantischen Lehrer nöthig ist, kanc3 in dieser Anweisung nirgends bequemer als beyc4 diesem Theil gehandelt werden. Es wird daher dieser Theil zweyc5 Abschnitte in sich fassen: