Nach dem Leichtsinn oder der Gleichgültigkeit zu urtheilen, mit der ein großera2 Theil wirklicher oder künftiger Prediger den Vortrag der Religion behandelt, scheint es, daß man das sogenannte Predigenc3, und die Erreichung seiner Absicht, für etwas sehr leichtesc4, oder den Fleiß, der auf den guten Vortrag gewendet werden soll, für sehr entbehrlich halte. Liegt nicht dabeyc5 Verachtung der Religion selbst, Gleichgültigkeit gegen das wahre Wohl andrerc6 Menschen, oder Mangel der Ueberzeugung von dem großena7 Einfluß der Religion auf das Beste der Menschen, zum Grunde: so ist nicht abzusehen, wie es ohne jene Einbildung möglich wäre, daß man sich für reif zu einem solchen Vortrage,a8 oder für berechtigt halten /ckönntea9 –c\ ∥c10 wenn man kaum mehr wie die ersten Schritte zur deutlichen Kenntniß und Ueberzeugung in der Religion gethan hat;a11 noch eben so arm an Kenntniß des menschlichen Herzens als an mannichfaltigen Kenntnissen zu Befriedigung so vieler Bedürfnisse des Verstandes und Herzens andrerc12 Menschen ist;a13 noch so wenig |a597| sich selbst durch eignec14 Erfahrung und Uebung in der wahren Gottseligkeit gebildet |b19| /chat –c\ ∥c15 alsdanna16 schon auf den Lehrstuhl zu eilen, und sich zum Lehrer Andrerc17, gewiß oft an Kenntnissen und Erfahrungen reicherer Zuhörer, auf|c18|zuwerfen. Es wäre unbegreiflich, wie viele Prediger diese Beschäftigung als bloßesa18 ∥c19 Tagewerk, ohne wahrhaftige Theilnehmung oder gar mit Verdruß treiben, allesc20, was und wie sie es sagen, für gut genug für ihre Zuhörer halten, sich mit der Vorstellung einwiegen könnten, daß Gottes Wort schon an sich kräftig genug seyc21 Gutes zu wirken, ohne daß es einer sorgfältigen Auswahl der Sachen, eines /ceignen Fleissesc\ ∥c22 im Ausdrucke bedürfte, oder daß diese Wahl und dieser Fleiß Mißtrauen gegen die göttlichen Lehren selbst voraussetzte, und gar dem Eindruck derselben hinderlich wäre. Es /cbliebe,c\ ∥c23 ohne dies,c24 eben so unerklärlich, wie manche Andre,ac25 unbekümmert um das, was sie lehren und einschärfen, fast den einzigen oder größestenac27 Werth auf Einkleidung und auf das Aeusserlichec29 des Vortrags setzen, anstatt Verstand und Herz reden zu laßenac30, nach allerleyc31 Künsten, den Vortrag auszuschmücken, haschen, und sich einbilden könnten, mit einem, ihrer Meinung nach, schönen und lebhaften /cVortrag allesc\ ∥c32 gethan zu haben, was man von dem Prediger erwarten dürfe.
Sicherlich würde man nie auf diese Einbildungen und Ausschweifungen verfallen, oder sich |a598| leichter von ihnen loswinden können, wenn man sich von der Wahrheit folgender Betrachtungen |b20| recht lebhaft überzeugte, und sie stets gegenwärtig zu erhalten suchte, Betrachtungen, die der ernsthaftesten Untersuchung, zumala2 eines jeden, der sich dem Beruf eines Lehrers der Religion weyhenc3 will, höchst würdig sind. Zuförderstac4 1) beruht alle wahre wesentliche Glückseligkeit, so fern sie in unsrerc5 Gewalt ist, auf Tugend, und, so fern sie nicht in unsern Händen steht, auf Zufrieden|c19|heit. Diese Glückseligkeit kanac6 nur alsdanna7 vollkommen seyn, wenigstens nähern wir uns dieser Vollkommenheit ∥c8 in dem Grade, /aa)a\ je weiter Tugend und Zufriedenheit reichen, /ab)a\ je mehr sie Ermunterung und Unterstützung haben, und /ac)a\ je dauerhafter sie sind. Aber es läßt sich kein Mittel denken, das in dieser dreyfachenc9 Absicht so weit reichte, als die Religionc10.
Sie giebt /aa)c2 a\ der Tugend und Zufriedenheit den weitesten Umfang. Wer an einen Gott glaubt, der der Vater aller Geschöpfe ist;a3 wer alle Geschöpfe, und die Menschen insonderheit, als Glieder Eines großena4 Körpers ansieht; wer eine allweise und gütige Regierung des Ganzen erkennt, wo Alles als Mittel zu Einema5 gemeinsamen Zweck, zur Glückseligkeit /aAller mitwirkt;a\ ∥a6 wer also auch glaubt, daß kein Fleiß in dem Trachten nach dem, was wahr ist, ganz vergebens seyn könne, daß dies vielmehr die Ursach des |a599| weitern Fortrückens in jeder Vollkommenheit seyn müsse,c7 daß endlich uns schlechterdings nichts begegnen könne ohne Gottes Willen, der immer das |b21| erfolgen läßt, was für uns das Beste ist: wie sollte dem, der dieses mit Ueberzeugung und von Herzen glaubt, der sich über das Sichtbare zum Unsichtbaren erheben kanc8, irgend etwas gleichgültig, von seiner Liebe und seinem Bestreben, Andrerc9 Bestes zu befördern, ausgeschlossen, irgend etwas, das ihm begegnet, niederschlagend, und nicht vielmehr Ermunterung zur Dankbarkeit seyn? – /ab)c10 Alsdanna\ ∥a11 sind ihm alle Gesetze, als so viele Anzeigen der Quellen seines Glücks, wahre Wohlthaten, an welchen er um so mehr Antheil hat, je mehr er Gutes thut. Ihm sind alle seine Kräfte |c20| ∥c12 so viele Mittel glücklich zu werden; alle Erkenntniß des wahrenac13 und alle Ausübung des Guten so viele Belohnungen; und von der unerschöpflichen Macht, Weisheit und Liebe Gottes kanc14 er, selbst beyc15 gefühlter Ohnmacht, beyc16 fehlgeschlagenen bestimmten Hoffnungen, sogar beyc17 Vergehungen, Unterstützung, Ersatz, Nachsicht und Lenkung dessen, was versehen ist, oder vergeblich scheint, zum Besten, erwarten. Wie dieses stete Ermunterung ist, Gutes zu thun, und nie müde zu werden, weil der Gedanke, Gott ist Zeuge und Vergelter meiner Handlungen und Gesinnungen, überall und auch dahin reicht, wo es an andern Beweggründen fehlt, oder diese nicht wirksam genug sind: so ist es auch kräftiger Antrieb, seine Begierden zu mäßigen, und Verwahrungsmittel wider Eigennutz, Miß|a600|muth und Neid. – Und da /ac)c18 a\ weder die seligen Folgen der Tugend, ihrer Natur nach, ausbleiben können, diejenigea19 wenigstens nie, welche in |b22| dem Wohlgefallen Gottes daran besteht, noch Gott sich in seinen erwähntena20 Eigenschaften /cverleugnen kanc\ ∥c21: so steht Tugend und Zufriedenheit auf einem unerschütterlichemc22 Grunde, so lange die Ueberzeugung von der Wahrheit und dem Werthc23 der Religion bleibt, und wir uns immer an dieselbe halten. – Die Religion müßte also die /cwichtigste Angelegenheit des Menschen seync\ ∥c24.
Diese großea2 Angelegenheit für die Menschen zu der zu machen, die sie seyn soll, ist 2) /a(§. 14c3)a\ der sogenannte /cgeistliche Standc\ ∥c4 ganz eigentlich errichtet. Man erwartet von denen, die sich ihm widmen, daß sie für Andere, welche zur Untersuchung der Religion nicht Fähigkeit, oder |c21| Hülfsmittel, oder Mußea5 genug haben, /cuntersuchenc\ ∥c6, ihnen, nach ihren ∥c7 verschiedenen Fähigkeiten /cund Bedürfnissenc\, Ueberzeugung von den Lehren der Religion und deren großema8 /cWerth beybringenc\ ∥c9, ihnen diese durch Vorstellungen und Beyspielec10 eindringlich machen, Zweifel benehmen, in Gewissensangelegenheiten rathen, sie mit Trost unterstützen, kurz, sie durch Religion leiten und beruhigen sollen. Man hat ihnen, um diesen Pflichten besser und ungestörter obliegen zu können, in der bürgerlichen Gesellschaft gewisse kleine Gesellschaften oder Gemeinenc11 angewiesen, auf die sie zu|a601|nächst ihre Beschäftigungen einschränken sollen; man hat sie von manchen bürgerlichen Plichten und Lasten befreyetc12; man hat sogar deswegen für ihren bequemen Unterhalt gesorgt. Man rech|b23|neta13 um so mehr /aauf ihrea\ ∥a14 Geschicklichkeit, Fleiß und Redlichkeit, da sie eigentlich den einzigen Stand ausmachen, dem die Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion selbst anvertraut ist. Wie verabscheuungswürdig muß derjenige seyn, der, in einer Sache von der Wichtigkeit, einen Beruf übernimmt, von dem er nicht weiß,a15 ob er ihn würdig und nach den billigen Erwartungen der Gesellschaft erfüllen kanc16, oder, wenn er ihn übernommen hat, der nicht, alles dies erfüllen zu wollen, willig, oder fleißig, oder redlich genug ist.
Nun hat zwar 3) der, werc2 den Unterricht und die Seelsorge für Andreac3 übernimmt, in dem Privatumgangc4 mit ihnen,c5 Gelegenheit genug, sich mit ihnen über die Religion zu unterhalten, und nach jedesmaligem Befinden der Umstände ihre rechte Anwendung und ihren großena6 Einfluß auf Besserung und Beruhigung der Menschen zu zeigen. |c22| Er kanc7 selbst da recht eigentlich für jeden insbesondrec8 mit Weisheit und mit dem glücklichsten Erfolgc9 arbeiten, gerade auf die Art, wie dieser es am meisten braucht, und wie Religion am ersten beyc10 ihm Eingang findet; und wird er sonderlich selbst dazu aufgefordert durch einen solchen, |a602| der in besondern Umständen, z. B. Krankheiten, fühlt, wie unentbehrlich ihm die Religion und die Aufklärung darüber und über seinen Gemüthszustand sey:c11 so kanc12 er sie mit desto mehrerer Wirksamkeit empfehlen. Aber es giebt dererc13 nicht vielc14, |b24| die den Umgang des Predigers deswegen suchen, oder gern sehen, um sich mit ihm über dergleichen geistige Angelegenheiten zu unterhalten: selbst die, welchen Religion unter bedrängten Umständen Bedürfniß wird, oder werden sollte, werden durch Sicherheit, Dünkel, Schüchternheit oder abergläubische Furcht abgehalten, den Prediger zu Rathe zu ziehen;a15 kennen sich selbst, ihre Verderbnisse und deren Quelle zu wenig, oder verhehlena16 sie sich und ihm;a17 oder sind, /czumahl beyc\ ∥c18 Krankheiten, so wenig zum Nachdenken fähig, aufgelegt und geneigt, als daß da die Unterredung des Predigers mit ihnen wirksam genug werden könnte. Und wäre dieses alles auch nicht: so ist selten viel auszurichten, wenn nicht schon vorher beyc19 solchen der Grund zu einer rechten Erkenntniß der Religion und zum Geschmack daran gelegt worden ist; wenigstens kanc20 der Prediger durch öffentlichen Vortrag weit Mehrern nutzbar werden, als durch den Privatumgang. Jener bleibt also doch immer die wichtigste Beschäftigung, von der beyc21 den meisten der ihm Anvertrauten, die selten andrec22 Quellen des Religionsunterrichts haben, und nutzen können, sowohl ihre ganze Bildung durch die Religion, als ihre Neigung |c23| abhängt, sich auch in besondern Angelegenheiten seiner Leitung zu bedienen.
Aber hier kommt 4) überaus viel auf die Art an, wie dieser Vortrag eingerichtet ist,c2 und die gute Wirkung desselben, so weit sie von dem |b25| Prediger selbst abhängt, beruht immer entweder auf dem Vertrauen, das er beyc3 den Zuhörern hat, oder auf der guten Einrichtung seines Vortrags. Jenes Vertrauen /ckan freylichc\ ∥c4 auch aus seiner anerkannten Geschicklichkeit, aus seiner Liebe gegen die Zuhörer, und der thätigen Theilnehmung an ihrem Besten, aus seinem ganzen exemplarischen und anziehenden Betragen, entspringen. Aber, so lange man ihn nach diesen Eigenschaften noch nicht kennt, muß er sich doch dieses Vertrauen erst durch den guten Vortrag erwerben; seinen Werth alsc5 Lehrer kanc6 und pflegt man doch erst nach diesen zu schätzen; und das Vertrauen selbst ist nichts anders, als nur Mittel, nur Vorbereitung, das ihm den Weg bahnt, um gern gehört, und so erst durch den Vortrag den Zuhörern nutzbar zu werden.
Der Vortrag hat doch ganz andrec2 Wirkungen, wenn er die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesselt, wenn er ihnen die vorgetragnenc3 Sachen deutlich und einleuchtend macht, wenn er sie dafür einnimmt, und daher ihren Fähigkeiten und Neigungen, wenigstens ihren Bedürfnissen angemessen ist, als wenn es ihm an diesen oder einer |a[6]04| dieser Eigenschaften fehlt, oder wenn entweder gewisse Fehler desselben den Zuhörern die Sachen verleiden, oder der Vortrag, indem er ihren Leidenschaften oder ihrer Einbildungskraft |c24| schmeichelt, ganz sie von dem Zweck abführt, sie von der Religion zu überzeugen, und sie zur Befolgung |b26| derselben willig zu machen. – Selbst dieser Zweck und die Natur der Religion hat, wenigstens für die meisten Menschen, nichts Anziehendes. Es gehört schon manche Culturc4 der Seele, mindestens ein Gefühl, wie wenig uns sichtbare Dinge befriedigen, und eine gewisse Verlegenheit über unsern Gemüthszustand, dazu, wenn der Mensch nur erst Geschmack an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen finden soll; und die stete Beschäftigung mit sichtbaren Dingen, das Vergnügen, das aus ihrem Genuß entsteht, und die Gewöhntheit daran, nebst der Kunst, den Ueberdruß dieser Vergnügungen durch mannichfaltige Abwechselung zu verdrängen, läßt vollends jenen Geschmack selten aufkommen. Soll danna5 auch das, was zur Religion gehört, den Menschen nicht bloß unterhalten, sondern wirklich bessern:c6 so muß er sich sehr bittrec7 Wahrheiten gefallen laßenac8, ihnen gegen sich selbst und seine Eigenliebe rechtc9 geben, seinen Neigungen Gewalt anthun, gewohnte und fast unentbehrlich gewordnec10 Vergnügungen aufopfern, beschwerliche Uebungen übernehmen;c11 lauter Dinge, von welchen der Mensch nicht gern hören mag. Und wenn auch schon die Zuhörer, durch sonst erlangte Kenntniß der Religion, durch einigen Geschmack |a605| daran, durch manche Erfahrungen, wie übel sie beyc12 dem Leichtsinn und ∥c13 Ausschweifungen gefahren sind, vorbereitet scheinen mögen, das, was ihnen die Religion vorhält, williger anzunehmen: wie ganz etwas anders ist es, etwas gern zu hören, und es willig zu thun? welch ein großera14 |b27| Unterschied ist zwischen vorübergehenden Bewegungen und zwischen einem dauerhaften Eindruck, der in religiöse Gesinnung übergeht? also, wie unumgänglich nöthig, wenn |c25| die selige Absicht der Religion erreicht werden soll, sie nicht nur vorzutragen, sondern es so zu thun, daß wahrhaftige Willigkeit, sich nach ihr zu bilden, und bleibender Eindruck entstehe.
Aber zu einenc2 guten Vortragc3 der Religion gehört 5) überaus viel, gewiß mehr, als sich /cMancherc\ ∥c4 nur /c–c\ vorzustellen vermögend ist. Gut nenne ich dergleichen Vortrag, wenn er durchaus der Absicht gemäß ist, die /cbey denenjenigen, beyc\ ∥c5 welchen man ihn braucht, erreicht werden soll. Diese muß seyn, ihnen wahrhaftigc6 die Religion und ihren Werth einleuchtend, und sie willig zu machen, ganz ihre Gesinnungen und Handlungen danacha7 einzurichten. Denn, daß der Vortrag, wo es der Prediger bloß darauf anlegt, daß Er |a607| selbst gefallen will, wo es ihm nur darum zu thun ist, seine Zuhörer zu unterhalten, und wo nicht das herzliche Verlangen zum Grunde liegt, |b29| die Zuhörer wirklich zu bessern, oder wo es ihm gar genügt, sein Tagewerk mechanisch gethan zu haben, daß der Vortrag jenen Namen nicht verdiene, und dem großena8 Zweckc9, worauf der Prediger durch Religion arbeiten soll, beyc10 weitem nicht entspreche, bedarf doch wohl keines Beweises. Aber ∥c11 eben jenerc12 des Namens wahrhaftig /cwürdige Vortrag, daß der sehr schwerc\ ∥c13 zu erreichen /cseya14c\ ∥c15, davon kanc16 man sich einigermaßenac17 überzeugen, wenn man folgende Schwierigkeiten wohl überlegt, /cdie –c\ ∥c19 in der Natur der Sache /cselbstc\ und den daraus entstehenden großena20 Erfordernissen auf Seiten des Predigers selbst /a§. /c21–25 –c\ ∥c21 in dem Mangel derselben beyc22 dem Prediger odera\ in der Beschaffenheit der /aZuhörer §. /c26–28 –c\ ∥c23 a\ ∥a24 und zum Theil in unsrerc25 ganzen Erziehungsart und Verfassung /a§. 29. 30,c26 a\ liegen.
/aZuerst in der Natur der Sache selbst, odera\ ∥a2 eines solchen Vortrags, der durch Nichts die abgezweckte Wirkung verhindern oder stören, sondern durchaus durch alle jedesmal mögliche Mittel sie befördern soll. Nothwendig muß der Prediger oder Katechet wissen, 1) woher er theils die vorgetragenen Sachen nehmen, theils wie er sie empfehlen soll. Zu jenem gehört ein gewisser Reichthum von recht praktischen Kenntnissen des ganzen Umfangs der |a608| Religion; zu diesem ein ansehnlicher Vorrath selbst von praktischen Kenntnissen aus der Philosophie, vornemlichc3 der Psychologie und Logik, und aus den schö|b30|nen Wissenschaften, hauptsächlich aus der Rhetorik. Beyderleyc4 Kenntnisse, jene, die den Stoff, diese, welche die Form dem Vortrage geben, muß eignerc5 Fleiß und Uebung erlangt und verarbeitet haben. Die Sache verdient eine etwas deutlichere Erläuterung.
Erstlich sollte jede Erkenntniß, und vorzüglich unsrec2 Kenntniß der Religion, in dem oben (/aTheil 2c3 a\ §. /c169a4) angegebenemc\ ∥c5 Verstande, praktisch seyn, daß wir nie bloß auf ihre Wahrheit sähenc6, sondern eben so sehr auf ihren Werth ∥c7, d. i. ihren Nutzen und Einfluß in die menschliche Glückseligkeit, es mag dieser Einfluß mittelbar oder unmittelbar seyn (ebendas. Anmerk.). Wozu weiß oder lernt man sonst? vornemlichc8, wie kanc9 der die Absicht der Religion und seines Berufs erfüllen, wer auch die richtigsten Sätze derselben nicht zu Andrerc10 Besten anzuwenden weiß.c11 – Aber es giebt /acausser demac\ ∥ac12 noch eine weit mehr verkannte praktische Erkenntniß, die darum so heissenc14 könnte, weil die Art, wie man sie erlangt hat und |c28| wieder anwendet, praktisch ist. Wer als ein vernünftiger, wirklich freyerc15 Mensch, gewissenhaft lernen, und so wieder mittheilen will, der muß nicht bloß von Andern Sachen, Beweise und deren Anwendung lernen, oder dies ihnen |a609| nachsagen; er muß nicht bloß wiedergeben was er empfangen hat, und es von Hand in Hand /cfortpflanzen. Erc\ ∥c16 muß vielmehr – in Absicht auf Erkenntniß – eigenthümliche Begriffe und |b31| Ueberzeugung davon erlangt, d. i. sich es nach seiner Art vorgestellt,c17 und klar gemacht, mit seinen übrigen Begriffen vereinigt haben;a18 er muß, so viel er kanc19, durch eignec20 Beobachtung und eignesc21 Nachdenken versuchen, sie deutlich und einleuchtend zu machen, /avornehmlicha\ ∥a22, was er erkennt, in so vielen Beziehungen auf menschliche Glückseligkeit zu denken;a23 und fleißig insbesondrec24 auf den Einfluß Acht geben, den dies auf seine Gewißheit, auf seine Gesinnung und auf alle Handlungen hat, daß ihm einzelnea25 Lehren der Religion zu seiner und Anderer Besserung und Beruhigung immer brauchbarer werden. Und, in eben dem Maaßc26, wie diese seine Erkenntniß wächset, muß er – in Absicht auf Anwendung derselben – immer mehr eignenc27 Antheil daran nehmen, sich wirklich dabeyc28 beruhigen, wirklich darnach handeln, sich immer mehr darüber freuen lernen, und den Trieb unterhalten, Andern auf eben die Spur zu helfen, beyc29 ihnen die nemlichec30 Ueberzeugung, Gesinnung, Freude und Art zu handeln, zu befördern. – Sonach muß er Anderer mündlichen oder schriftlichen Vortrag mehr als Veranlaßungc31 zum eignenc32 Denken, mehr als Winke, als /cEröfnung weitrerc\ ∥c33 Aussichten brauchen, die ihmc34 aufmerksam machen, ihm zu eignenc35 Gedanken helfen sollen, ihnen mehr die Art, selbst Erfahrungen anzustellen, darüber nachzu|a610|denken, und sie nutzbar zu machen, ablernen, |c29| als die Kenntnisse selbst von ihnen annehmen. – Durch diesen eignenc36 Fleiß, eignec37 Beobachtungen oder benutzte Erfahrungen, eignesc38 Nach|b32|denken, eignec39 Anwendung, wird seine Erkenntniß, Gesinnung und Handlungsart ihm eigenthümlich und wahrhaftig gewissenhaft.
Es ist kein Zweifel, daß, wer so die Religion erkennt, daß der auch mehr dadurch selbst gebildet werde, sie klärer und anschauender erkenne, mehr von ihrer Wahrheit und /cWerthc\ ∥c2 überzeugt, mehr dafür eingenommen seyc3; daß er weit kräftigern Antrieb habe, sie Andern mitzutheilen; mit mehr Deutlichkeit, und, so zu sagen, Herzlichkeit davon spreche; mehr aus eignerc4 Erfahrung wisse, sie Andern wirksam beyzubringenc5; folglich |a611| auch auf Andrec6 weit kräftiger wirke;c7 daß dies also, dieses Praktische der Erkenntniß in der Religion, in beyderleyc8 Sinn (§. 22ac9) genommen, |b33| die Hauptsache seyc11, wenn ein Lehrer der Religion wahrhaftig sie Andern recht nutzbar machen will. Sehr schwer ist es immer, zu dieser praktischen Erkenntiß zu gelangen, und angestellte Versuche werden es jeden lehren, der es im Ernst darauf |c30| anlegt. Beständige /cAufmerksamkeit, /aviel und eina\ ∥a12 c\ ∥c13 eben so ruhiger als ∥c14 geschäftiger Beobachtungsgeist,c15 Gewohnheit, eine Sache auf mehrern Seiten anzusehen, und über den Einfluß eines Satzesc16 auf Andreac17 sowohl als auf den Verstand und das Herz des Menschen nachzudenken,c19 Kenntniß dessen, worauf man beyc20 einer solchen Untersuchung Acht zu geben, woraus man die Kenntnisse zu schöpfen hat,c21 gute Hülfsmittel, fleissigeac22 Uebung, selbst hinlängliche Zeit /cdazu – diesesc\ ∥c23 alles erfordert viele Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack an solchen Betrachtungen, Fleiß und glückliche Umstände. – Gemeiniglich schöpft der angehende Prediger oder Katechet seine Kenntnisse aus dem Unterricht auf Schulen und Universitäten, und aus Büchern. Daraus zu lernen, macht ihn, wie schon gesagt, allein nicht zu /cseinen Berufc\ ∥c24 tüchtig. Gesetzt auch, daß er in der Wahl oder beyc25 dem Zufall, der ihn auf diese Anweisung führte, nicht unglücklich gewesen, durch diesen genossenen Unterricht nicht verstimmt worden seyc26, also nicht erst noch zu lernen habe, wie viel er gar nicht, wie viel er vergebens gelernt habe, wie viel er also erst wieder verlernen müsse; gesetzt daß er auch |a612| selbst den besten, zu seinem künftigen besondern Beruf,c27 zweckmäßigsten Unterricht erhalten, daß er ihn mit der gehörigen Aufmerksamkeit benütztc28 |b34| habe – Fälle, die äusserstc29 selten /csind –:c\ ∥c30 so kanc31 ihm zwar dieser Unterricht sehr nützlich, ja in so fern unentbehrlich seyn, daß er allesc32 kürzer, bestimmter, zu einer allgemein zusammenhängenden Uebersicht der Religion brauchbarer, lernt,c33 daß er auf das aufmerksam gemacht wird, was und wie er es lernen, untersuchen, anwenden, auch wohl wie er das Gelernte praktisch machen soll. Aber es ist doch alles dieses mehr ein Faden, woran er seine eignenc34 erworbenen Kenntnisse an|c31|reihen, eine Grundlage, worauf er erst selbst weiter fortbauen, ein angewiesenes Fachwerk, worin er erst noch viel zusammentragen und ordnen soll. Und wenn er selbst dem Lehrer die gute Methode abgelernt hat, selbst von ihm in praktischer Behandlung des Gelernten geübt worden ist: so sind dieses doch nur Muster in wenigen Beyspielenc35, so wie der allgemeinere Unterricht nur Entwurf im Ganzen, den er selbst, nach den künftigen besondern Umständen und Bedürfnissen seiner eignenc36 Zuhörer, erst ausführen muß. Kurz, er wird nur mit vorläufigen allgemeinen Kenntnissen, mit einer allgemeinen Instruction, wie er sich zu benehmen habe, mit einigen Handgriffen und Uebungen ausgerüstet, in die Welt geschickt, und es wird ihm nun, da er unmöglich auf Alles vorbereitet werden kanc37, was er für sich und Andrec38 nöthig haben wird, ihm nun selbst überlaßenac39, sich weiter zu bilden, seine Kenntnisse zu vermehren, und immer neue Anwendung zu machen.
Was bisher eigentlich nur darüberc2 gesagt worden ist, woher man die vorzutragenden Sachen nehmen soll, gilt auch in seiner Art von dem, wodurch man sie Andern empfehlen sollc3 (§. /c21).a4 c\ ∥c5 Man hat schon Vielesa6 gewonnen, wenn man seine eignec7 Kenntniß der Religion praktisch gemacht hat. Sie für Andere eben so ∥c8 zu machen, die gemeiniglich weniger Fähigkeiten, weniger Geschmack an Religion, weniger Kenntniß derselben, und weniger Uebung in praktischer Kennt|b36|niß der Religion haben, ist nicht |a614| nur nöthig, aus den oben (§. 21ac9) angegebenen Wissenschaften und aus eignerc11 fleißigen Beobachtung und Nachdenken die beste Art zu lernen, wie man jemandema12 Sachen interessant, deutlich und eindrücklich machen könne, sondern auch fleißig mit Anderenc13, zumal Leuten von geringeren Fähigkeiten, in der Absicht umzugehen, um ihre Fähigkeiten, Kenntnisse, Gesinnungen und Bedürfnisse auszustudierena14, und ∥c15 die wirksamste Art /causfündigc\ zu machenc16, wie man ihnen am besten beykommenc17 könnea18. Daß dieses keine leichte Sache seyc19, braucht kaum erinnert zu werden.
Ausserc2 dem Auffinden desjenigen, was und wie man es am wirksamsten in dem Vortrage der Religion vorstellen soll, trägt 2) (§. 21ac3) die Ordnung, in welcher die Gedanken gestellt werden, der Ausdruck, worein man sie kleidet, und das /cAeusserliche beyc\ ∥c5 Ablegung des Vortrags (die Action) ungemein viel zur Wirksamkeit des |c33| Vortrags beyc6. – Wenn die Unordnung in Stellung der Gedanken auch nicht so groß ist, daß sie Undeutlichkeit der Begriffe und Verwirrung inc7 Vorstellungen hervorbringt, den Vortrag widerlich, und das Gesagte zu behalten unmöglich macht,c8 oder erschwert: so unterhält doch lichtvolle Ordnung und natürliche Folge der Gedanken die Aufmerksamkeit; jeder Gedanke giebt dem andern Licht und Stärke, /aunda\ bereitet den Zuhörer auf das Folgende; der natür|a615|liche Zusammenhang giebt |b37| eine angenehmere Unterhaltung, eine zusammenhängendere Uebersicht des Ganzen, und macht die Eindrücke dauerhafter, weil der Vortrag behältlicherc9 ist, indem eine Idee die andrec10, wegen ihres Zusammenhangs, leichter wieder ins Gemüth bringt. – ∥a11 Wie viel der gute Ausdruck, der den Sachen und ihrer Würde angemessen ist, zur Empfehlung der Sache selbst thue, ist schon /cobenc\ /aim ersten Theilea\ ∥c12 berührt worden ∥a13. – Und daß ∥a14 der den Sachen selbst entsprechende, und nach ihrer Verschiedenheit abgeänderte Ton der Stimme, die ganze natürliche Gebärdensprache, der ganze äusserlichec15 Anstand, mit /ceinem Wort,c\ ∥c16 das ganze äusserlichec17 Benehmen, in welchem sich die anschauliche Ueberzeugung von den vorgetragenen Sachen und ihrem Werthc18, die wahrhaftige Theilnehmung daran und an dem Wohl der Zuhörer, abdrückt, großena19 Einfluß auf diese habe, weiß ein jeder, der einiges Gefühl hat. – Aber daß dieses alles, was den Vortrag so sehr empfiehlt, zu erlangen, die rechte Mittelstraßea20 zwischen der ungebildeten Natur und der Kunst dabeyc21 zu treffen, den Einfluß der oft unbemerkten Naturfehler und üblenc22 Gewohnheiten auf einer, und der Zierereyc23 oder der unnatürlichen Nachahmung auf der andern, abzuwehren, auch sehr schwer seyc24, lehren die seltenen Beyspielec25 genug, wenn man auch nicht wüßte, wie viel dabeyc26 |c34| natürliche Talente, ein durch viele Uebung aufgeräumter Kopf, genaue Bekanntschaft mit den Sachen, ein für alles Gute warmes und wohlwollendes |a616| Herz, Reichthum der Sprache und Gewalt über |b38| sie, ein feines Gefühl des Schicklichen,c27 und ein sehr gebildeter Geschmack,c28 vermögen.
Zu diesen Schwierigkeiten, die in der Natur des Vortrags und dessen Theilen liegen (§. /a21c2), kommen noch mehrere anderea\ ∥a3, die mehr von gewissen Mängeln des Predigers selbst und den Bedürfnissen der Zuhörer abhängen, denen er ∥c4 nicht gewachsen ist (§. /c20a5). –c\ ∥c6 Jeder hat nicht nur seine /ceigne Grundsätze,c\ ∥c7 er hat auch seine eigne Art, Begriffe und Sätze zu verbinden, zu ordnen, zu bestätigen und auszudrucken;ac8 deswegen ist das, was uns verständlich, deutlich, überzeugend und eindrücklich ist, nicht Andern eben so. Es ist schon nichts Leichtes, zu empfinden, daß man sich oft selbst nicht recht verstehe, selbst nicht deutlich denke, sich mehr überedet als überzeugetc10 habe; wie käm'c11 es sonst, daß man seine Ausdrücke, zumal wenn man in Bildern und Tropen spricht, nicht in deutlichere einkleiden, seine Gedanken nicht weiter /causeinander setzenc\ ∥c12 oder zusammenziehen kanc13, seine Ueberzeugung oder Rührung oft zerstört sieht, wenn man die Ordnung oder Einkleidung der Gedanken geändert hat? Wie viel schwerer muß es seyn, sich in Anderer Lage nur vorerst hinein zu denken, um zu erkennen, was ihnen verständlich, überzeugend und anziehend seyn möchte, um deswegen den Grad ihrer Fas|a617|sungskraft, ihre Vorurtheile und vermuthlichen Kenntnisse, ihre Neigungen, |b39| ihre Bedürfnisse, an welches /callesc\ man den weiternc14 Unterricht und dessen |c35| Anordnung anschließena15 soll, und die beste Art zu kennen, wie man ihrem Verstande und Herzen /cbeykommen kanc\ ∥c16? Wie noch viel schwerer, sich in Anderer Lage hinein zu versetzen, d. i. seine eignec17 Art zu denken, sich in Bewegung zu setzen, und sich auszudruckenac18, in diejenigea19 gleichsam umzuschmelzen, die ihnen eigen ist? Wie vieleac20 feine Menschenkenntniß gehört dazu? wie viel Beugsamkeit des Verstandes und Herzens? welche Mannichfaltigkeit und ∥c21 Reichthum von Gedanken, Worten und Wendungen?
Und gerade der /cnatürlich schönec\ ∥c2 Vortrag, der allen Arten von Zuhörern gefällt, weil er für Allec3 nicht nur verständlich, sondern auch unterhaltend ist, der eben so wenig künstlich als kunstlos ist, ob er gleich das Letztrec4 zu seyn scheint; der so einnimmt, daß jeder sagen muß: so stellen sich die Sachen in ihrer natürlichen Einfalt dar; von dem jeder glauben kanc5, der koste die wenigste Anstren|c37|gung – gerade der ist am allerschwerestenc6 zu erreichen, weit schwerer als der, wobeyc7 man die Anstrengung des Verstandes oder der Einbildungskraft, oder gar das ängstliche Bestreben, etwas Schönes und Auffallendes zu sagen, wahrnimmt. Woher käm' es sonst, daß wir so äusserstc8 wenige Muster desselben fänden? woher sonst so großea9 Schwierigkeiten, wenn man, was man selbst gedacht, sich es selbst ganz deutlich gemacht, sich es ganz zu seiner eigenen Zufriedenheit ausgedruckta10 hat, in eine ganz andrec11 Form für anders Denkende gießena12 soll? woher, beyc13 einer nicht geringen Anzahl recht guter Prediger, so ungleich weniger recht gute Katecheten? Es ist wahr, ein solcher Vortrag gelingt nur in solchen Stunden, wo die |b42| Seele ruhig, d. i. von keinem andern Gegenstande gestört, wo sie ganz heiter, ganz von dem Gegenstande eingenommen, voll von ihm, aber nicht überladen ist. Alleina14 er wird da nur /ageboren oder empfangen,a\ ∥a15 und lange gebildet ist er schon vorher; oder, um ohne Bilder zu reden, |a620| er könnte da nicht gelingen, wenn nicht ein reicher Schatz von praktischen Kenntnissen in der Seele läge, die sich gerade zu rechter Zeit darstellten, um dieser Sache Licht und Wärme zu geben; wenn era16 nicht von vielen feinen Kenntnissen der Menschen und ihrer hier in Anschlag kommenden Umstände unterstützt würde; wenn /adie Seelea\ ∥a17 nicht viele Regeln kennte, die man zur Gewinnung des menschlichen Verstandes und Herzens befolgen muß; wenn sie sich nicht durch viele Uebung die Fertigkeit erworben hätte, Sachen von vielen Seiten zu denken, mannichfaltig auszudruckenac18, und sich gleichsam in mancherleyc19 Formen zu gießena20; nur daß zu der Zeit zwar die Vorstellung von den Sachen lebhaft in der Seele ist, aber die Art sie zu sagen, nicht ganz deutlich gedacht wird, |c38| sondern mehr im Verborgnen wirkt, und jene Kenntnisse von Menschen, jene Regeln und Fertigkeiten sich mehr unvermerkt in den Vortrag ergießena21. Es muß jedem einleuchten, wie viel mehr dazu der ehemalige Erwerb aller jener Kenntnisse und Fertigkeiten, als die Stimmung der Seele in einer solchen Stunde selbst, beytragec22, und wie schwer es seyc23, sich erst jenes zu erwerben, wenn man sich Hoffnung machen solle, daß ein solcher Vortrag gelingen werde.
Wenn der Prediger immer eine Versammlung von Zuhörern vor sich hätte, die wahres |a621| Interesse für die Religion, und für ihre wahre geistige Wohlfahrt, einen reichen Vorrath von praktischen Kenntnissen der Religion, und heissec2 Lernbegierde mitbrächten, ∥c3 die zum Denken über ernsthafte und unsichtbare Dinge, zur gewissenhaften Anwendung des Erlernten gewöhnt wären;c4 die sich nicht bloß führen ließena5, sondern, an der Hand des Lehrers, über das Vorgetragene selbst dächten, und es auf ihren besondern Zustand anwendeten:c6 so würde ∥c7 sich /cder Prediger bey seinenc\ ∥c8 Vortrag sehr erleichtert, und dieser sicherlich mehr Eingang finden. So sind und handeln aber die wenigsten Zuhörer; selbst der aufgeklärtere und der frömmere Theil denkt gemeiniglich, jener zu wenig an die Anwendung, dieser zu wenig an die Läuterung und feste Gründung der Religionserkenntnißa9. Noch dazu ist fast immer die Versammlung ein vermischter Haufe; wo, was dem Einen verständlich, dem Andern schaal und wässerig, und was diesena10 unterhält, jenem undeutlich und zu hoch ist; wo die Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack und Interesse so verschiedenc11 sind, daß es sehr schwer wird, sich ganz zu dem einen Theil herabzulassen, und ihn zu sich hinaufzuheben, demc12 andern hinlängliche Unterhaltung zu geben, |c39| durchaus aber Allen Alles zu werden. – Diesc13 /aund das Unvermögen des Predigers, sich in die Um|b44|stände der Zuhörer zu schicken,a\ ist /aalsoa\ die /czweyte Hauptursachc\ ∥c14 (§. 20ac15) der großena17 Schwierigkeiten beyc18 einema19 guten /aVortragc20a\ ∥a21.
Indessen würden sie sehr vermindert werden, und der Prediger oder Katechet würde sie weit leichter überwinden können, wenn ihm – welches das drittec2 war (§. 20ac3 und 26ac5) – nicht manche Einrichtungen unter uns im Wege stünden, und ∥a7 Anstalten dazu mehr angelegt wären, worin Christenc8 und worin vornehmlich Lehrer der Religion sollen gebildet werden. – Es versteht sich von selbst, und die Geschichte bestätigt es, daß, wenn Wißbegierde, Aufklärung in der Religion, Interesse für sie und für geistige Angelegenheiten, allgemeiner würde, ein großera9 Theil der Schwierigkeiten wegfallen müßte, welcher von Beschaffenheit /ades Predigers selbst unda\ der Zuhörer /aherrührt.a\ ∥a10 Und, wenn gleich alsdanna11 immer noch eine großea12 Verschiedenheit der /aLehrer unda\ Zuhörer bliebe: so würde doch auch die den Vortrag weniger erschweren, wenn, wenigstens öfters, besondrec13 Vorträge für die verschiednenc14 Arten der Zuhörer, bloß für Kinder, ∥c15 für Landleute, für Gelehrtere u. s. w. gehalten würden, und wenn man in Besetzung der Lehrstellen mit mehr Weisheit und Gewissenhaftigkeit verführe, um jeden Lehrer an den Ort, unter die Art von Zuhörern zu versetzen, ∥c16 ihm die Art des Vortrags anzuweisen, die seinen Fähigkeiten am angemessensten wäre.
Eigentlich aber ziele ich hier auf die Anstalten zur Bildung unsrerc2 Christen und ihrer |a623| Lehrer. Diese sind entweder Schulenc3 oder Universitätenc4, und, wenn man will, besondere Pflanzschulen für die /aLehrer. –a\ ∥a5 In Schulenc6 wird gemeiniglich die Jugend fast bloß zu Gelehrten, oder bloß zum gemeinen Leben und den Nahrungsstand erzogen, beyc7 jenen die Bildung zu recht praktischen Kenntnissen in den Wissenschaften, und besonders in der Religion, beyc8 diesen die Kenntniß und das Nachdenken über unsichtbare Dinge, /cbey beydenc\ ∥c9 moralische Bildung und Gewöhnung zu eignemc10 Fleiß zu sehr vernachläßigtc11. /a–a\ Auf Universitätenc12, wo der künftige Lehrer /cnothwendig mußc\ zu gelehrten Kenntnissen /cangeführetc\ ∥c13 werden ∥c14, führt die Natur der Wissenschaften, worin ∥c15 vorzüglich ∥c16 Bestimmtheit und Gründlichkeit /cherrschen mußc\ ∥c17, und der Vortrag, wodurch nicht das Volk, sondern Lehrer /csollenc\ gebildet werden ∥c18, auf eine gewisse einförmige und gelehrte Art zu denken, worüber gemeiniglich die praktische Art, die Religion zu behandeln, versäumetc19 wird, und der künftige Lehrer eine Art zu denken und sich auszudruckenac20 annimmt, die es ihm hernach sehr schwer macht, sich zu Ungelehrten herabzulaßenac21, und mit ihnen nach ihren Bedürfnissen zu reden. /c–c\ Ueberhaupt aber werden in beyderleyc22 Anstalten zu sehr die Uebungen im guten, besonders praktischen und /cpopulären, Vortrag vernachläßigt,a23 c\ ∥c24 und immer seltner,c25 Uebungen, zu welchen man frühzeitig, vorzüglich auf Schu|b46|len, sollte angehalten werden. Denn da ist nicht nur die meiste Zeit |c41| dazu; daa26 könnte auch die Leitung und Kritik eines |a624| verständigen Lehrers die Aufmerksamkeit des jungen Lehrlings gerade auf das richten, was eigentlich zum guten Vortragc27 gehört, ihm die Quellen, woraus er schöpfen sollte, anweisen, oder ihm selbst zu den nöthigen Gedanken helfen, und allesc28 durch nöthige Erinnerungen verbessern;c29 daa30 kanc31 man noch an Achtsamkeit auf /cklein scheinendec\ ∥c32 Umstände, die auf den Vortrag so großena33 Einfluß haben, gewöhnt werden, weil das Gemüth noch nicht durch die Aufmerksamkeit auf nöthigere Dinge abgelenkt, und der Geschmack noch nicht durch sogenannte reelle Kenntnisse verwöhnt ist; daac34 läßt sich auch noch die Flüchtigkeit des jungen Kopfs durch stete Uebung und einen heilsamen Zwang einschränken. – Sind aber diese Uebungen versäumt worden;a35 ist der Geschmack nicht frühzeitig zum Gefühl der wahren natürlichen Schönheit des Vortrags gebildet;a36 kommt noch eine unvorsichtige Lectüre dazu, und der Trieb, mehr sein Vergnügen dadurch zu befriedigen, oder höchstens Kenntnisse einzusammlenc37, als den zweckmäßigen Vortrag der Religion zu bilden: so muß es, wie auch die Erfahrung lehretc38, unbeschreiblich schwer werden, hinterher erst einen solchen Vortrag, wie er bisher beschrieben ist, in seine Gewalt zu bekommen.
Worauf käme es nun eigentlich an, wenn der Vortrag der Religion, – er seyc2 aneinan|a625||b47|derhangend, oder mehr Unterredung mit Anderen,c3 – so seyn sollte, daß die Absicht, Andere durch Religion glücklich zu machen, erreicht werden könnte? /c/a–a\ Willigkeitc\ ∥c4 sie anzunehmen und zu befolgen, kanc5 anders nicht, als durch erweckte Vorstellungen entstehen, die uns das, was zur Religion gehört, als wahr und als |c42| gut zeigen. Wenn also der Vortrag jene Absicht befördern soll:c6 so muß /cer: – beyc\ ∥c7 den Zuhörern Vorstellungen /cerwecken –c\ ∥c8 die von ihnen als wahr, d. i. als der Sache selbst, oder dem Grunde, worauf sie beruhen, gemäß erkannt /cwerden –c\ ∥c9 und deren Werth ihnen in Rücksicht auf ihr Bestes einleuchtet. In der ersten Absicht ist der Vortrag belehrend (unterrichtend); in der zweytenc10 überzeugend; in der dritten rührend (im weiternc11 Verstande/a; s.c12 unten §. 43.a\) †)c13. Diese dreyc14 Eigenschaften kanc15 man unter dem Namen der Erbaulichkeit zusammenfassen, und der Vortrag ist erbaulich, wenn er so eingerichtet ist, daß er /c–c\ die Erkenntniß /c–c\ der göttlichen Wahrheit /c–c\ zur Gottseligkeit /c–c\ befördern kanc16; wiewohl er auch von Manchen schon so genannt wird, wenn er auch nur Einea17 dieser Eigenschaften, vornehmlich wenn er die dritte,c18 hat. ∥c19
Belehrung, wodurch die Kenntniß des Zuhörers immer mehr erweitert, und er zum Besinnen und Denken ge|c44|bracht wird, ist die erstea2 unentbehrliche Eigenschaft eines guten Vortrags,c3 und ∥c4 in dem Grade kanc5 dieser nützlich seyn, in welchem er diese Eigenschaft hat. – Denn wie kanc6 man etwas für wahr unda7 gut halten, was man nicht kennt? woher anders, als daraus, können Gründe genommen werden, wodurch man sich überzeugt, und wonach man etwas begehrt oder verabscheut? oder wie kanc8 der Beyfallc9, den man einem Satzc10 giebt, und die Willigkeit, mit der man ihn befolgt, gewissenhaft seyn, /cd. i.c\ ∥c11 wie kanc12 man sich selbst Rechenschaft geben, daß man etwas für wahr annehmen und wollen müsse, ohne durch die Kenntniß, die man von einer solchen Sache hat? Immer rührt auch alle Gleichgültigkeit gegen das, was wahr und gut ist, und alle Verwerfung desselben da|b49|her, daß man es entweder nicht kennt, oder zu der Zeit nicht daran denkt, oder sichs nicht lebhaft genug vorstellt; und diesem allen kanc13 |a627| nur rechte Belehrung abhelfen. – Das Bekannte verliert, weil man dessen gewohnt wird, nach und nach den Eindruck, und kanc14 nur dadurch aufgefrischt werden, daß man immer Mehreres hinzu lernt, wodurch das Bekannte in uns in neuen Verbindungen erscheint, und uns neue Aussichten eröfnetc15 werden, welche die Beschäftigung mit bekannten Sachen unterhaltender machen. – Was nicht wirklich belehrt, wobeyc16 man nichts Bestimmtes denkt, was bloß die Phantasie in Bewegung, und das Gemüth in Affekt setzt, das geht wie ein Rausch vorüber, und kanc17 keine dauerhaftec18 Eindrücke hinterlaßenac19. Je mehreres man hingegen von einer Sache /cweiß; jec\ ∥c20 mehr erzeugt Eines das Andere, weckt Eins das Andrec21 wieder auf, wirkt Eins wenn das Andrec22 unwirksam schläft, verstärkt das Eine die Wirkungen des Andern. – Wenn nun vollends der Re|c45|ligionsunterricht in den früheren Jahren, es seyc23 aus Schuld des Lehrers oder der Unfähigkeit und Flüchtigkeit des Alters, bloß auf das Gedächtniß gewirkt hat; wenn aus der Denkungsart und aus anderweitigen angenommnenc24 Vorurtheilen eines Menschen sich Vorstellungen in seine Religionskenntnisse eingeschlichen haben, die, so denkbar sie sonst seyn mögen, in der Religion undenkbar sind; wenn sein Gemüth durch angefangneac25 Zweifel oder verführerische, zumal den Leidenschaften des Men|b50|schen schmeichelnde, Gedanken verwirrt, oder von der Achtung und Liebe zur Religion abgezogen worden ist; wenn ohnehin mit den Jah|a628|ren der Unmündigkeit der jugendliche Religionsunterricht aufhört; wenn die sich nun selbst Ueberlaßenenac27 keines aneinanderhängenden förmlichen Unterrichts in derselben mehr genießena28, und sich entweder gar nicht mehr um Unterricht in der Religion und dessen Erweiterung bekümmern, oder sich selbst nach mangelhaften und willkührlichenc29 Begriffen eine Religion bilden: was bleibt dann, diesem Uebel abzuhelfen, noch übrig, als daß durch öffentliche Vorträge der Religion diese Belehrung entweder erst ertheilt, oder unbestimmten, halbwahren und unrecht angewendeten Vorstellungen eine andrec30 Richtung gegeben werde.c31
Soll der Vortrag belehrend seyn: so muß er nicht nur Dinge bekannt machen, die der Zuhörer vorhin nicht wußte, oder an die er nicht dachte; er muß auch beyc2 ihm wirklich Begriffe, und zwar bestimmte Begriffec3 davon hervorbringen können. – Er muß ihm 1) etwas zu denken geben, sowohl in Absicht auf Sachen als auf Worte. – – Auf Sachen.c4 Und hier sollte aus dem Vortrage |c46| allesc5 entfernt werden, was entweder an sich undenkbar ist, oder doch, so fern es von Gott und in der Religion gebraucht wird, sich nicht denken läßt, oder, weil die ganze Religion praktisch seyn /cmuß (/aTheil 2.a\ §. |b51| 169a6)c\ ∥c7, was überhaupt oder /cbey denenjenigenc\ ∥c8 Zuhörern, mit welchen man zu thun hat, weder zu ihrer |a629| Besserung, noch zu ihrer Beruhigung brauchbar vorgetragen werden kanna9. /c†)c\ Was sich hingegen denkbar und praktisch machen läßt, müßte man so sehr an die Begriffe, die man beyc10 den Zuhörern voraussetzen kanc11, anknüpfen, durch Gegensätze, durch Erfahrungen, Beyspielec12 und Beschreibungen so erläutern, und, wenn man Stellen der heiligen Schrift braucht, diese durch faßlichere Gedanken und Umschreibungen so klar und anschauend machen, daß aller nachtheilige Mißverstand verhütet, und der Gedanke ihnen so anschaulich,c13 als möglich gemacht würde. – In Absicht auf Worte aber müßte man sich aller Ausdrücke enthalten, die den Zuhörern unverständlich sind, sie mögen übrigens sonst so gut, und durch den Gebrauch so gangbar gemacht und geheiligt seyn, als sie /cwollen; manc\ ∥c14 müßte /cwenigstensc\ nichts unerklärt /claßena15, wobeyc\ ∥c16 man wüßtea17, daß sie nichts oder leicht etwas Falsches zu denken gewohnt wärena18; /cund alles müßtec\ ∥c19 in so faßliche, darstellende und edle Ausdrücke eingekleidet werden, als man /cirgend,c\ ∥c20 der Natur der Sachen angemessena21 finden könnte.
Doch dieses allein würde zur rechten Belehrung nicht dienen, wenn der Vortrag nicht auch so eingerichtet wäre, daß er 2) bestimmte Begriffe erwecken könnte. Wer diese Eigenschaft /cseinen Vortragc\ ∥c2 mittheilen, und verhindern wollte, daß dieser nicht entweder Irrthümer erzeugte, welchen doch die Belehrung eben mit vorbeugen will, oder daß der Vortrag den Zweck nicht erreichte, den er doch haben soll, Belehrung zu geben: der müßte sich durchaus solcher Ausdrücke bedienen, wobeyc3 er voraussehen könntea4, der Zuhörer werde, nach dem ihm bekannten Sprachgebrauch, gerade das denken, was der Lehrer ihm dadurch sagen /awill. Era\ ∥a5 müßte sich aller zweydeutigenc6 und schwankenden Ausdrücke enthalten, die nach dem Sprachgebrauch entweder mehr oder weniger Vorstellungen, als der Lehrer wirklich mittheilen will, oder gar fremde Vorstellungen, erregen /akönnten. Wärea\ ∥a7 dieses aber zu besorgen, |b53| und wären entweder keine Ausdrücke in der Sprache vorhanden, die diese Fehler nicht hätten, oder gäbe es zwar bestimmtere, aber denena8 Zuhörern, vor denen man redete, nicht verständliche Ausdrü|a631|cke, so müßte durch deutliche und faßliche Erklärungen und Erläuterungen, auf die /aim vorigena\ ∥a9 §. erwähntea10 Art, diesem Mißverstande abgeholfen werden.
Durch die Belehrung lernt der Zuhörer die Sachen recht kennen; soll er aber dabeyc2 nicht |a632| gleichgültig bleiben, sondern sie zu seinem Besten benutzen;c3 so muß er einsehen lernen, daß dasjenige, was er gehört hat, wahr seyc4, d. i. er muß es, so fern es seine Kenntniß angeht, glauben, und, so fern es seinen Willen betrifft, für seine Pflicht ansehen, und sich, es zu thun oder zu laßenac5, für verbunden achten. Ein Vortrag, der dies bewirken kanc6, ist überzeugend; welches die zweytec7 Eigenschaft warc8 (§. 31).ac9 Die Einsicht der Wahrheit beruht auf Gründen, die den |c49| Zuhörer nöthigen, eine Lehre für wahr zu halten; er wird aber diesen keine hinlängliche Aufmerksamkeit schenken, wenn er die Lehre nicht in Beziehung auf sein Bestes ansieht, d. i. wenn sie nichts Anziehendes für ihn hat, wenn sie ihm nicht interessant ist;c11 und /cdies kanc\ ∥c12 sie für ihn, wenn sie praktisch ist, nicht seyn, falls er nicht einsieht, daß sie in der Anwendung möglich seyc13, /aunda\ daß er ihr gemäß handeln könne. Hieraus entstehen dreyc14 Eigenschaften des überzeugenden Vortrags. Er muß darauf eingerichtet seyn, daß die Zuhörer,c15 die Lehren /c–c\ für gegründet, /c–c\ für interessant und /c–c\ für ausführbar erkennen.
Um den ersten Zweck zu erreichen, ist /a1)a\ die /abloße Wärmea\ ∥a2 oder ∥c3 Eifera4 im Vortrag nicht hinlänglich; siec5 beweiset nur, daß der Lehrer für das, was er sagt, eingenommen seyc6. Der Affektc7 läßt sich nicht immer den Zuhörern /amittheilen. Era\ ∥a8 wirkt nur da, wo der Zuhörer schon durch seine Denkungsart, durch seine Grundsätze, durch seine Neigungen,c9 dazu gestimmt ist, aber nicht da, woa10 er eben am /anöthigsten wäre; ich meinea\ ∥a11, wo gerade alles dieses nach den Lehren, und durch sie, sollte verbessert /awerden. Esa\ ∥a12 wird /a/cso garc\ ∥c13 der Affektc14 daa\ ∥a15, wo die Zuhörer nicht blindlings zu folgen gewohnt sind – und diesc16 sollte der Lehrer nicht einmal wünschen, wenn ihm Gewissenhaftigkeit der Zuhörer lieb wärea17 – er wird beyc18 nüchternen, selbstdenkenden, gewissenhaften, oder gegen eine Lehre eingenommnenc19 Zuhörern vielmehr das Vorurtheil einer übeln Sache, oder doch wenigstens der Unfähigkeit des Lehrers, Andrec20 zu überzeugen, /ahervorbringen; weil jeder glauben muß, daß der Lehrer den einzigen Weg zur wahren Ueberzeugung, |c50| die nur durch Gründe bewirkt wird, gehen würde, wenn er wirkliche Gründe hätte, und nicht den Abgang der Gründe durch sinnliche Betäubung der Zuhörer ersetzen wollte. – 2) Scharfsinnigea\ ∥a21 und /agelehrte Beweisea\ ∥a22 wirken eben so wenig, weil sie die Wenigsten fassen können, und die Meisten ohnehin gelehrte Angaben auf das bloße Wort des Lehrers annehmen müssen. – Man führe hingegen allesc23, |b56| wovon man überzeugen will, so viel man immer kanc24, auf den gemeinen Menschenverstand und auf das moralische Gefühl;a25 auf Sätze, die man beyc26 den Zuhörern, als wahr erkannt, gewiß voraussetzen kan;ac27 auf bekannte Erfahrungen, deutliche Gleichnisse, einleuchtende Beyspielec29, auf Vergleichung mit offenbar ähnlichen unbezweifelten Sätzen und Fällen;a30 auf ganz klare oder leicht klar zu machende Stellen der heiligen Schrift zurück. Man nehme beyc31 moralischen Sätzen die natürliche Billigkeit und die augenscheinlichen oder leicht abzusehenden Folgen der Handlungen zu Hülfe. |a634| Man mache, zumal wenn uns die bisher erwähnten Mittel abgehen, die Lehren praktisch, und zeige, wie viel besser man, in Absicht auf Beförderung des Guten und unsreac32 Beruhigung, als beyc34 dem Gegentheil, fahre. Man hüte sich insbesondere fürc35 unbestimmten Behauptungen, die man nicht ganz wahr machen, und wobeyc36 der Zuhörer leicht Ausflüchte finden kanc37, und /cfür übertriebnenc\ ∥c38 Sätzen und Forderungen, welchen er leicht gegenseitige Erfahrungen oder die Unmöglichkeit entgegensetzen /akönnte. Mana\ ∥a39 zeige vielmehr, wie weit jemand, der anders denken möchte, rechtc40 habe, und laßeac41 selbst der Schwachheit und den Fehlern Gerechtigkeit wiederfahrenc42. Man hüte sich endlich, keine Zweifel zu erwähnen, oder zu bestreiten, wenn sie nicht jedem von selbst aufzustoßen schei|c51|nen, oder als sehr gangbar bekannt sind; man richte vielmehr den Vortrag so behutsam, bestimmt und discret ein, daß dadurch selbst die Zweifel verhindert werden, oder der ir|b57|gend nachdenkende Zuhörer schon in dem Vorgetragnenc43 selbst hinlängliche Auflösung der etwa entstehenden Zweifel finde.
Wenn wir uns eine Sache – es seyc2 ein allgemeiner Satz oder ein besondrerc3 Fall – in Beziehung auf uns vorstellen, und ihrenc4 vortheilhaften Einfluß ∥c5 auf uns bemerken,ac6 oder ahnden, so ist sie anziehend für uns, oder in|a635|teressant,c7 (sie nimmt uns ein, wir nehmen daran Theil, bleiben dagegen nicht /cgleichgültig) †);c\ ∥c8 und ein Vortrag ist anziehend, wenn er diese Wirkung hervorbringt. Diese zweytec9 Eigenschaft /a(§. /c35) kanc\ ∥c10 a\ ∥a11 entweder in den Sachen selbst liegen, die man vorträgt, oder in der Art, wie sie vorgetragen werden, wodurch das einen Reiz bekommen kanc12, was für uns sonst gar keinen, oder, weil es uns schon geläufig war, nicht mehr den starken Reiz, wie vorhin, hatte. – Ein solcher Vortrag erregt und fesselt unsrec13 Aufmerksamkeit. Er überzeugt, d. i. er macht, daß wir etwas für wahr und gegründet erkennen, weil wir es, in solcher Beziehung, mit unserma14 Zustand, unserer Denkungsart oder sonstigen Kenntnissen und Neigungen, übereinstimmend finden; er verstärkt wenigstens unsrec15 Ueberzeugung, oder vertritt doch ihre Stelle, wenn wir einsehen, daß wir, ohne dieses als wahr vorauszusetzen, uns gewisse für wahr erkannte Dinge nicht erklären, oder ein gefühltes Bedürfniß nicht befriedigen |b58| können. Und überhaupt kanc16 ein Vortrag |c52| nicht den geringsten Eindruck auf uns machen, und also auch nicht erbauen (§. 31ac17), wenn er für uns gar nichts Anziehendes hat.
Nach dem bisher erläuterten Begriff wird es überhaupt auf zweyc2 Stücke ankommen, wenn der Vortrag anziehend werden soll. – Zuerst, /a–a\ weil die Zuhörer das, was gesagt wird, auf sich ziehen, für ihre Angelegenheit erkennen sollen, /a–a\ daß man allesc3 vermeide, was sie auf den Gedanken bringen könnte, als redete der Lehrer bloß Amts halbenc4, hörte sich selbst gern, suchte seine Talente oder Kenntnisse zu zeigen, wollte über |b59| das Gewissen der Zuhörer herrschen, oder sie durch Vorwürfe kränken, kurz, seinetwegen reden; hingegen den Vortrag so einrichte, daß die Zuhörer merken können, er sage alles bloß ihretwegen, und mache ihre Angelegenheit zu der seinigen. – Hernach,c5 /a–a\ weil nur das interessirt, was einen Einfluß |c53| auf unser Bestes hat, /a–a\ daß der Vortrag nichts enthalte, als was praktisch ist (/aTheil 2.a\ §. 169ac6), und so dargestellt werden kanc8.
Dieses doppelte Interesse kanc2 man dem Vortragc3 1) durch die Sachen selbst geben (§. 37ac4). Es giebt gewisse Sachen, die jeden Menschen, der nicht ganz unempfindlich ist, andrec6, die gewisse Classenc7 von Menschen, oder die sie unter gewissen Umständen vorzüglich interessiren, weil sie mit ihrer besondern Denkungsart, Beschäftigungen, Bedürfnissen und Wünschen zusammenhängen. Davon hören sie gern sprechen, darüber wünschen sie weitere Belehrung, an deren Gewißheit liegt ihnen, und dagegen sind ihnen Zweifel, oder Verlegenheit darüber, peinlich; was /cda hinein schlägtc\ ∥c8, ihnen darüber Licht, Gewißheit und Auskunft giebt, findet allezeit willig Gehör; und wer /aselbst solchea\ ∥a9 Sachen, die ihnen gleichgültig sind, daran zu knüpfen versteht, wird sogara10, durch jener Hülfe, auch für diese einnehmen. Man mache ihnen also nur, was man sagt, durch ihre eignenc11 erlangten oder leicht zu erlangenden Erfahrungen begreiflich;a12 zeige ihnen über|b60|all, wozu und wie sie das Gesagte brauchen, wie sie Gottes nie entbehren, aber beyc13 ihm immer Rath und Hülfe finden können, wie die Gottseligkeit zu allen Dingen und in allen und allerleyc14 Angelegenheiten nütze seyc15, und was alle Arten des Bösen für schädliche Folgen haben; man bleibe nie bloß beyc16 dem Allgemeinen stehen, wovon sie die Beziehung auf sich nicht absehen, oder sich einbilden möchten, es gehe sie nicht /can †);a17 c\ ∥c18 sondern /amana\ gehe mehr ins Einzelne, |a638| und laßeac19 sich zu den besondern Angelegenheiten der Zuhörer herab:c20 so wird man |c54| sie gewiß anziehen, so weit es durch die Natur der Sache selbst möglich ist.
Denn es kanna2 der Vortrag 2) auch durch die Art anziehend gemacht werden, wie man die Sachen darstellt. Je natürlich schöner und dem guten Geschmackec3 gemäßera4 der Vortrag ist; je mehr er Erguß des von dem Werth der Sachen und von Liebe zu den Zuhörern vollen Herzens ist; je mehr er den Reizc5 des Neuen hat, |a639| d. i. nicht des Paradoxen oder überhaupt Auffallenden, sondern so, daß der Zuhörer auf das bisher Unbemerkte, oder, wenn es gefunden ist, sich durch seine Einfalt und Werth so leicht Empfehlende aufmerksam gemacht wird; je natürlicher Eines sich aus dem Andern ergiebt; je leichter man es dem Zuhörer macht, selbst Entdeckungen zu machen, und das Ge|c55|sagte selbst anzuwenden; je vertraulicher und herablaßenderac6 der Lehrer mit ihnen spricht; je natürlicher selbst der Ton seiner Stimme und der ganzen Aktionc7 ist: je mehr Wirkung kanc8 er thun. – Wie nöthig es zu allem bisher Erwähnten sey:c9 seine Zuhörer,c10 nach ihren Fähigkeiten, Beschäftigungen, allgemeinen und besondern Bedürfnissen, herrschenden Vorurtheilen, Meinungen und Sitten zu kennen; eine recht ausgebreitete praktische Kenntniß der Religion, besonders nach ihrenac11 Werth und Einfluß aufs Herz und Glückseligkeit der Menschen; viele Uebung, diese Lehren |b62| darauf anzuwenden; viele vertraute Bekanntschaft mit dem menschlichen Herzen, denen darin liegenden Hindernissen des Guten, der mannichfaltigen besten Art ihm beyzukommenc12, der Geschichte und dem gemeinen Leben, endlich der schönen Wissenschaften, zu haben – das bedarf kaum einer Erinnerung.
Und eben dieses ist nöthig, um das Gesagte drittens (§. 35ac2) ausführbar darzustellen. Denn, |a640| wenn der Zuhörer in der Einbildung steht, daß das, was ihm empfohlen wird, unmöglich, oder über seine Kräfte seyc4, oder wenigstens nicht weiß, wie er es anfangen solle: so kanc5 es beyc6 ihm keine Frucht /aschaffen. Ihma\ ∥a7 jene Einbildung zu benehmen, zu zeigen wie er der werde, der er seyn soll, wie er das Empfohlnec8 in Ausübung bringen, wie er die vorgeschlagnenc9 Mittel wirklich anwenden /ckönne, dies kanc\ ∥c10 ohne jene eignec11 Kenntnisse des Lehrers nicht geschehen. †)c12 Bloßea13 Vermahnungen und Gewissensrügen, oder bloßea14 Verweisungen auf Gott, ohne Aufmunterung zu eignemc15 Fleiß, helfen nicht. Der Lehrer gewinnt schon viel, |c56| wenn er den Zuhörern die Vorurtheile benehmen kanc16, worauf jene Einbildungen beruhen. Er verhindert oder schwächt die Ausflüchte, wenn er seine Forderungen nicht überspannt, wenn er nichts Unmögliches und das Schwere nicht auf einmalac17 fordert. Noch mehr, wen er an ähnlichen Fällen des menschlichen Lebens die Möglichkeit der Ausführung und die Art zeigt, wie es |b63| anzufangen seyc19. /a–a\ Je mehr er die Selbstliebe der Zuhörer in Bewegung zu setzen, und es ihnen einleuchtend zu machen weiß, was für selige Folgen der Fleiß habe, das Gute auszuüben, und wenigstens öftere Versuche zu machen, und wie unglücklich der Mensch werde oder bleibe, wenn er es nicht thue: je mehr wird er ihre Trägheit besiegen, welche die größesteac20, oft die einzige, Ursache ist, warum sie den Lehren nicht folgen, und sich von ihrer Wahrheit oder Werth oft nicht einmahlc22 überzeugen laßenac23.
Der dritte Zweck des erbaulichen Vortrags (§. /a31c2 und 35c3a\ ∥a4) muß auf das Herz und die Neigungen der Zuhörer gerichtet seyn, und dahin gehen, die Erkenntniß lebendig zu machen, oder beyc5 ihnen wirksame Entschließungena6 hervorzubringen, dem zu folgen, was man als wahr und gut erkannt hat. Ein Vortrag, der so eingerichtet ist, daß er diese Wirkung hervorbringen kanc7, ist ein rührender Vortrag (§. 31ac8) – Ohne diese Eigenschaft desselben würde alle noch so verbesserte Kenntniß das Beste |a642| des Menschen nicht wirklich befördern;c10 ohne zugleich mit auf das Herz zu arbeiten, würde nicht einmala11 die Aufmerksamkeit des Zuhörers an das, was zu seiner Belehrung gesagt wird, genug gefesselt, noch die Ueberzeugung vollendet werden, wenn sich Neigungen und Gewohnheiten gegen die Ueberzeugung streubtenc12.
Nun hängt alle wahre Glückseligkeit der Menschen davon ab, daß sie theils, in Absicht auf diejenige, die in ihrer Gewalt steht, und von ihrem Willen abhängt, immer recht handeln, und daher stets mit sich zufrieden seyn können; theils, in Absicht auf die, welche nicht in ihren Händen ist, aber ihnen von der stets weisesten und gütigsten Regierung Gottes zugetheiletc2 wird, immer das für ihr wahres Beste halten, was diese über sie fügt, und sich dabeyc3, zufrieden mit |b65| Gott, beruhigen. Folglich entspricht ein Vortrag der Religion nur alsdanna4 seinem wirklichen Zweck,c5 |c58| die Menschen glücklich zu machen, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Menschen wirklich /c–c\ bessern /c–c\ und beruhigen kanac6. In jener Absicht,c7 könnte man ihn rührend,c8 oder bessernd, im engern Verstande, in dieser,c9 ihn beruhigend nennen.
Wenn nun durch den rührenden Vortrag nicht bloß Wohlgefallen am Guten und Mißfallen am Bösen soll hervorgebracht werden, sondern auch Willigkeit, jenes zu thun,c2 und dieses zu laßenac3, oder eigentlich Gewohnheit, |c60| immer so zu handeln: so muß ein solcher Vortrag so eingerichtet seyn, daß 1) der Zuhörer durch die gemachten Vorstellungen genöthigt werde, das Erkannte, welches für ihn anziehend ist (ihn interessirt), auf sich ziehe, zu seiner Angelegenheit mache, d. i. einsehe, so |a645| müsse er werden, und das Gegentheil ablegen, jenes sich an-c4 und dieses sich abgewöhnen, jenes thun und befördern, dieses laßenac5 und verhüten. Diesc6 würde sogleich, nach der Natur der menschlichen Seele, von selbst erfolgen, /cso baldc\ ∥c7 nur der Vortrag ihn, auf die oben beschriebene Art, überzeugte, interessirte, und ihm die Möglichkeitc8 es auszuführenc9 einleuchtend machte, wenn nicht in dem Menschen selbst Hindernisse lägen, welche diese Entschließunga10 zurückhielten. Diese liegen unstreitig in der Gewohnheit, Böses, und in der Ungewohnheit, Gutes zu thun, d. i. weil ihm die Vorstellungen von dem mit dem Bösen |b68| vermischten Nutzen oder Vergnügen, und von den mit Ausübung des Guten verknüpften Uebeln oder Mißvergnügen geläufig, hingegen die Vorstellungen des aus dem Bösen für ihn entspringenden Schadens,c11 und der mit Ausübung des Guten verbundenen Seligkeit,c12 ihm nicht geläufig sind, folglich die dadurch geleiteten Neigungen ihn vom Guten ab-c13 und zum Bösen hinziehen;c14 kurz, es liegt die Schuld an dem Geschmack und Hangc15 zum Bösen, und an dem /cMangel des Geschmacksc\ ∥c16 und Hanges zum Guten. Soll also der Vortrag rühren, d. i. wirklich Besserung hervorbringen:c17 so müssen 2) beyc18 den Zuhörern a) die reitzenden Einbildungen von dem Bösen und die davon abhängende Lust dazu geschwächt; hingegen die Vorstellungen von dessen traurigen Folgen mit der daraus entstehenden Unlust gestärkt; und eben so b) in Absicht auf das Gute, die bessern Vorstellungen von dessen |c61| seli|a646|gen Folgen, nebst der dadurch gewirkten Neigung dazu, immer mehr erweckt und vermehrt, im Gegentheil die Einbildungen oder übertriebnenac19 Vorstellungen von demc20 mit dem Gutena21 verknüpften Uebeln und Schwierigkeiten, nebst der daher entstehenden Abneigung vom Gutena22 geschwächt werden.
Erstlich in Absicht auf das Böse, woran der Mensch hängt, und wobeyc2 er seine Rechnung zu finden glaubt, würde ihm zu zeigen seyn:a3 1) wie falsch die Vorstellungen seyenc4, die er sich theils von seinem Glücke dabeyc5, theils von seiner vermeinten guten Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten macht; – wie nichtig also, wie unbefriedigend und verbittert, wie vergänglich das seyc6, was er für sein Glück halte; – und wenn es auch wahre Güter sind, wonach er trachtet, |a647| wie wenig gleichwohl es immer von ihm abhänge, dieses Glück zu erlangen, wie vielea7 unverantwortliche Handlungen er sich dieserwegen erlauben müsse; wie und wodurch er sich selbst den Zugang zu solchem Glück ver|c62|schließea8, oder sich wieder darum bringe; wie sehr er sich durch seine Gesinnung und Betragen ausserc9 Stand setze, es recht zu genießena10, und damit zufrieden zu seyn; wie gar keine, oder armselige, oder unbeständige Tugenden das seync11, worauf er sich verläßt, oder wie so ohne Grund er sich wirkliche Tugenden einbilde. – 2) Wie traurig die Folgen |b70| seyenc12, die er sich durch seine Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten zugezogen habe, oder zuziehen müsse, d. i. – wie und wodurch er sich, es seyc13 aus Unachtsamkeit, oder falschen Vorstellungen, oder Trägheit, oder Leidenschaften,c14 oder üblenc15 Gewohnheiten, selbst unglücklich mache, und wie groß das daraus entstehende Elend seyc16; – wie er eben dadurch, auch wenn sein Unglück unverschuldet seyc17, es vermehre, oder sich ausserc18 Stand setzec19 es zu ertragen, oder zu seinem Besten anzuwenden; und, wenn er auch auf einer Seite einsehe, in welches Unglück er sich stürze, und er das Böse /cgerne laßena20 c\ ∥c21 möchte, um diesem zu entgehen, auf der andern aber, wie wohl ihm seyn würde, wennc22 er besser wäre und handelte, und,a23 wenn er es deswegen auch gern möchte, wie ohnmächtig er gleichwohl und wie stark sein Hang zum Bösen und die Macht der Gewohnheit seyc24.
Eben so müßten ihm, in Absicht auf das Gute, 1) die seligen und weitreichenden Folgen deutlich gemacht werden, welche aus wahrer Tugend und Gottseligkeit entspringen; – wie recht man alsdann erst alles Gute, was uns begegnet, schätzen und genießena2, es weit herzlicher und dankbarer empfinden, und zu seinem wahren Besten anwenden lerne; – wie sehr selbst unverschuldete Leiden uns dadurch erträglich, /awie diesea\ die beste Schule, im Guten zu |c63| wachsen, eine Quelle von vielem erst hinterher sich zeigenden Glück, |b71| eine nähere Vorbereitung auf die Glückseligkeit einer bessern Welt, werden; – wie sehr wir uns dadurch die Herrschaft über unsrec3 Neigungen, wie viele Verdienste um Andere, wie viel Vertrauen und Liebe von andern Menschen erwerben, wie zufrieden und dankbar gegen Gott, und ihm immer ähnlicher werden. 2) /aAlleina\ ∥a4 die meisten Menschen habena5 sehr falsche Begriffe von Besserung und /aTugend. Sie machena\ ∥a6 sich entweder /adie Tugend zua\ ∥a7 leicht ∥a8, und /aziehena\ sie sehr ins Kleine /azusammen. Sie setzen siea\ ∥a9 in bloßea10 fromme Empfindung oder äusserlichec11, zumal gottesdienstliche, Handlungen, oder bloßea12 Ehrbarkeit, Gerechtigkeit, Menschenliebe, bürgerliche und gesellschaftliche /aTugenden. Oder sie stellena\ ∥a13 sie sich als einen unnatürlichen Zwang und lästige Einschränkung vora14, die den Geist seiner Heiterkeit, das Leben seiner Freuden beraube, und den Menschen zur menschlichen Gesellschaft, und Beobachtug seiner natürlichen und |a649| bürgerlichen Pflichten unfähig /amache. Oder sie sinda\ ∥a15 aus überspannten Begriffen, Gefühl ihrer Ohnmacht, und Erinnerung oft mißlungener Versuche der Besserung, /amuthlos. Dahera\ ∥a16 muß zwar jenen falschen Begriffen, die nur auf eine oberflächigec17 Besserung zielen, beständig /centgegen gearbeitetc\ ∥c18, /aes mußa\ ihnen keine Schwierigkeit verheeltc19 oder verkleinert, und der großea20 Umfang wahrer Tugend, die durchaus auf allesa21 Gute gehen, und in wahrhaftiger Besserung der Gesinnung bestehen müsse, einleuchtend dargestellt /awerden. Abera\ ∥a22 man muß ihnen auch eben so sehr die trübseligen Begriffe von Frömmigkeit be|b72|nehmen, und ihnen /aeines Theilsa\ den großena23 Werth der Gottseligkeit in aller Absicht, und des Zeugnisses eines guten Gewissens, immer fühlbarer, /aandern Theilsa\ ∥a24 ihnen, durch Vorstellung, |c64| wie Vieles thätiger, ausharrender Fleiß, fortgesetzte Uebung und gewissenhafte Treue, unter Gottes uns nie entstehendem Beystandec25, vermöge, immer guten Muth machen.
Beyc2 dem Vortragc3 dieser Sachen, wenn er wirklich für die Zuhörer rührend werden soll, kommt es hauptsächlich darauf an: 1) sie auf ihren Gemüthszustand, besonders auf ihre eigenthümlichen und am meisten eingewurzelten,a4 oder durch ihr Temperament und ihre besondern Umstände am meisten begünstigten Fehler aufmerksam zu machen; weil, ohne dieses zu erkennen, keine Reue und wahre Besserung mög|a650|lich ist, und gerade diese von einem jeden am meisten übersehen, oder am wenigsten als Fehler erkannt werden; 2) nicht nur das daraus entstehende Elend, sondern auch das ihnen begreiflich zu machen, daß und wie sie selbst daran Schuld sind, und wie viel auf sie selbst ankomme, um besser und glücklicher zu werden; und 3) daß und wie ihnen nur durch Besserung und durch die Religion könne geholfen werden. – Es giebt keinen Menschen, der nicht die Eitelkeit und das Leere sündlicher Vergnügungen, die üblenc5 Folgen der Ausschweifungen, und selbst die wohlthätigen |b73| Wirkungen der Tugend, /awenigstens dann und wann,a\ sollte erfahren haben. Auch der schlechteste Mensch hat doch manchmal etwas Gutes gethan, und weiß, wie wohl ihm dabeyc6 gewesen ist, wenn er nach seinem Gewissen gehandelt, zumal sich selbst überwunden hat; er sieht doch, wie heiter und zufrieden rechtschaffnec7 Menschen, auch beyc8 traurigen Umständen, sind, und wie bald sie sich zu finden wissen, wenn sie nur recht und mit Ueberlegung verfahren wollen; er weiß, wie gut es ihm thut, wenn |c65| jemand sich gegen ihn rechtschaffen beträgt, und ist leicht zu überzeugen, welche Hölle aus der menschlichen Gesellschaft werden würde, wenn sich alle Menschen erlaubten, schlecht, oder, ohne sich einzuschränken, nur nach ihren Lüsten zu handeln. Er fühlt diesc9 am meisten, wenn er die Folgen seines Leichtsinns und seiner Ausschweifungen erlebt; fühlt, was er ohne gutes Gewissen und Religion ist, wenn er in Gefahr oder Verlegenheit kommt; wird doch durch besondere Wohlthaten, die ihm |a651| wiederfahrenc10, manchmal gerührt, und zu der Zeit geschmeidiger gemacht. Zu solchen Zeiten ihn anfassen, ihn an seinen erwähnten Erfahrungen /afest haltena\ ∥a11, und dann ihm den großena12 Werth der Tugend und Religion lebhaft /cvorstellen, dies kana13 c\ ∥c14 doch schwerlich ohne alle gute Eindrücke bleiben, die ihn zu rechter Zeit verfolgen werden. – Nur arbeite man nicht bloß auf seine Sinnlichkeit,c15 und wenn man es thut, welches /csehrc\ ∥c16 nützlich werden kanc17, und oft unentbehrlich ist, so geschehe es mehr, um gute Eindrücke zu verstärken, als hervorzubringen.
Beyc2 allen denjenigena3 Veränderungen des menschlichen Lebens, die wir nicht nach Belieben und Ueberlegung hervorbringen, oder verhindern,a4 oder lenken können, und beyc5 dem Gefühl alles |b75| desjenigen, was wir ohne unser Zuthun sind, bleibt uns nichts weiter übrig, als uns zu unterwerfen;a6 und – da das Gefühl der Leiden sich mit den Vorstellungen unsrerc7 doch möglichen Glückseligkeit nicht verträgt, und wir in so fernec8 unglücklich sind, auch der Mensch zu selbstthätig ist, als daß er selbst dann, wenn er sich nur leidentlich verhalten zu können scheint, nicht wenigstens Etwas sollte zu seinem Besten thun können – unsrec9 Vorstellungen von unserm Zustandc10 zu berichtigen, oder unangenehmere durch andrec11 angenehmere zu verdrängen, oder das unangenehme Gefühl dieses Zustandes zu mildern, mit einemc12 Wort: uns vernünftig zu beruhigenc13 (§. 43).ac14 Alle Unruhe, Gram und Sorgen scheinen nur in den dreyc16 Fällen zu entstehen: 1) wenn wir zu bemerken glauben, daß wir glücklicher seyn würden, wenn wir freyc17 von einem Uebel oder dessen Gefühlec18, oder im Besitz und Genusse eines gewissen Gutes wären;a19 2) wenn wir uns gewisser |c67| Vergehungen bewußt sind, deren Andenken wir nicht vertilgen können, und deren Folgen |a653| wir nicht abwenden zu können glauben; und 3) wenn wir, beyc20 allem Wunsch und Vorsatz uns zu bessern, unsrec21 Ohnmacht und die unüberwindliche Gewalt der bösen Gewohnheit fühlen. Uns vernünftig zu beruhigen,a22 ist daher zu unsrerc23 Glückseligkeit eben so unentbehrlich nothwendig, /cals, unsc\ ∥c24 zu bessern. Darauf in dem Vortrage der Religion zu arbeiten, ist also eine unumgängliche Pflicht,c25 und wer das wollte, müßte suchen, jenen dreyc26 Ursachen der Gemüthsunruhe entgegen zu arbeiten.
Der ersten Ursach.c2 – Wenn wir unglücklich, oder nicht glücklich genug zu seyn glauben, und der Grund beyderc3 Uebel liegt /aa)a\ in unserm /ceignen freyenc\ ∥c4 Verhalten, das wir abändern können:c5 so ist uns ohne wahrhafte Besserung unsers Herzens und Lebens schlechterdings nicht zu helfen. Was der Lehrer in Absicht auf die Beruhigung solcher Zuhörer thun müsse, und um diese Ursach ihres Mißvergnügens zu heben, das zeigen die obigen Regeln, wonach an der Besserung der Menschen zu arbeiten istc6 (§. 44a7 bis 47).ac8 – Rührt aber das Elend, das wir empfinden, und das versagte Glück, das wir mit Schmerzen entbehren, /ab)a\ /cgar nichtc\ ∥c10, so viel wir wenigstens zu sehen vermögen, /cgar nichtc\ von /cunsrerc\ ∥c11 Schuld her; läßt sich wenigstens auch durch unsrec12 Besserung jenes nicht verhüten oder wegschaffen, und dieses nicht erwerben: so steht |a654| es doch unter der höchst weisen und gütigen Aufsicht der Regierung Gottes, der es über uns nie anders, |c68| als wie ein höchst wohlthätiges und unentbehrliches Mittel zu unserm Besten, verhängt hat;c13 und diesc14 wird es in der Hand seiner Vorsehung gewiß, wenn wir uns unter diese demüthigen, und Ihn allein walten laßen;ac15 ohne diese wohlthätigec17 Wirkungen durch unsrec18 Beschwerden und ängstliche Sorgen zu stören, und uns dadurch um unser von ihm dabeyc19 bezieltes Glück, wenigstens um die ruhige Heiterkeit der Seele,a20 zu bringen, die aus dem stillen Zusehen, wie sich |b77| nach und nach allesc21 so schön, so zu unsrerc22 Beruhigung, entwickelt und aufklärt, und aus der schon vorläufig dankbaren Erwartung des besten Ausgangs, entspringen würde.
Ein Lehrer, der diese Gesinnung und deswegen richtigere und eindrücklichere Vorstellungen von der wahren Beschaffenheit der Uebel und ihrem Verhältniß gegen unser Bestes, unter der väterlichen Regierung Gottes, befördern wollte, müßte folgende und ähnliche Betrachtungen, durch öftere, mannichfaltige und einleuchtende Darstellung aus der ähnlichen, eigenen, wirklichen, oder leicht zu erhaltenden,ac2 Erfahrung der Zuhörer, mit steter Rücksicht auf ihre besondrec3 Umstände und Bedürfnisse, anschaulich zu machen suchen. – Wie sehr sorgt Gott überall, sowohl durch die Mannichfaltigkeit der Dinge und ihrer |a655| Eigenschaften, als durch das in uns gelegte Gefühl für ihre Reitze, nicht bloß für unsrec4 Nothdurft, sondern auch für unsrec5 Bequemlichkeit, Vergnügen und Ueberfluß? /a–a\ Wie viel hat jeder Mensch insbesondrec6 vor unzählichen Andern voraus, und, wo ihm Etwas abgeht, durch wie viel andresc7, gerade für ihn zuträglicheres, Gute wird diesc8 ersetzt? /a–a\ |c69| Wie viele ganz unerwartete, uns ohne unser Zuthun wiederfahrnec9, oder, wenn auch dieses mitwirken muß, durch die schon zum voraus gemachtec10 Anlagen unsers Geistes und unsrerc11 Umstände, in welchen der Keim unsrerc12 künfti|b78|gen Glückseligkeit und der Grund seiner Entwicklungc13 liegt, veranstaltete und erleichterte, oder ganz wider den sichtbaren Gang der Dinge ausgefallnec14, so sehr unverdiente Wohlthaten, erzeigt er uns? hilft uns aus so vieler Gefahr und Verlegenheit? /a–a\ Wie unendlich viele unerkanntec15 Wohlthaten wiederfahrenc16 uns durch Abwendung unsers möglichen Unglücks, oder solcher Umstände, die es uns unvermeidlich bereiten würden, an welche zu denken und sie beyc17 Würdigung unsrerc18 Glückseligkeit mit in Anschlag zu bringen, uns, wegen Gottes verborgnerc19 Wirkungen, nicht einmal in den Sinn kommt, und deren dereinstige Entdeckung uns überaus angenehm unterhalten, das Gefühl der wirklich genossenen Wohlthaten unendlich erheben, uns bis zur innigsten Rührung beschämen, und unsrec20 Dankbarkeit gegen Ihn erhöhen wird? /a–a\ Wie viele und großea21 Uebel sind mit vorzüglichen Fähigkeiten, Glücksumständen, Ansehen, weitläuftigen Verhältnissen u. s. f. verbunden, deren wir |a656| überhoben sind, wenn uns nur ein eingeschränktes Glück zu Theil worden ist? /a–a\ Und überhauptc22 leiden wir wirklich Mangel oder Verlust, wenn uns Etwas versagt ist oder entrissen wird? hatt' es den Werth, den wir darauf legten? würd' es den Werth für uns behalten haben? würd' es uns nicht an einem andern größerna23 Glückc24 hinderlich wordenc25 seyn?
Und das Unglück, ist es nicht eine Quelle eines sonst nicht erhaltenen Glücks? /a–a\ Diente es |b79| nicht, unserm Glück |c70| beygemischtc2, die angenehme Empfindung dieses letztern zu erhöhen? /a–a\ Ists, beyc3 aller seiner Bitterkeit, nicht herzstärkende Arzeneyc4, wahre Schule der Genügsamkeit, der Vorsichtigkeit, der Klugheit, des gänzlichen Anschließensa5 an Gott, ohne und ausserc6 dem doch allesc7 eitel ist, und aller Tugenden, wozu es uns sonst an Veranlaßungac8 und Uebung fehlt; ohne welches wir nie eifrig genug vorwärts zur wahren Vollkommenheit streben würden? /a–a\ Beyc9 mißlungener Ausführung unsrerc10 guten Absichten, /abeyc11 a\ mißrathenen Mitteln, /abeyc12 a\ unerwarteter Richtung, die unsrec13 gutgemeinten Anstalten nehmen,a14 und selbst Uebel erzeugen, die wir nicht vorhersehen, oder denen wir entgegenarbeiten, von welchen wir gerade das Gegentheil befördern wollten, – ist da durchaus Alles verloren? Habena15 wir, wenn gleich nicht Allesac16, doch Etwasac17, wenn gleich nicht Diesesac18, doch etwas Andresac19 Gute, wenn gleich nicht vor der Hand, doch auf die Zu|a657|kunft, wenn gleich nicht beyc21 Andern, doch beyc22 uns und durch eignec23 Uebung im Guten, gestiftet? Was kanc24 dieser ausgestreute, /cverlohren scheinende,c\ ∥c25 Saame, unter Gottes Pflege und Segen, hie und da, früh oder spät, für eine reiche und selige Aerndtec26 geben, von der uns jetzt noch gar nichts träumetc27. /a–a\ Und, beyc28 dem, ausserc29 jenem mißlungnenc30 Guten, für jeden guten Menschen,c31 gerade schmerzhaftesten Unglück, das wir empfinden, wenn unsrec32 guten Absichten verkannt, nachtheilig gedeutet, oder wir durch ungerechte Bedrückungen gemißhandelt werden: sind wir denn |b80| Gott nicht auch Opfer, aus Dankbarkeit auch grossec33 Aufopferungen, ihm auch darin Nachahmung schuldig, daß wir Versündigungen Anderer gegen uns dulden? /a–a\ Ist es nicht gegen Gott Dankes werth, wenn er uns dadurch von der Eitelkeit, Selbstsucht und ∥c34 Anhängena35 von Meinungen |c71| und Willen der Menschen,c36 abzieht, und uns aus Pflicht, um Seinetwillen, zu handeln gewöhnt? Erhebt nicht eben diese Gesinnung und Art zu handeln, wobeyc37 es uns nur darum zu thun ist, recht zu handeln, und unser höchster Wunsch, Ihm werth zu seyn, unsrec38 Seele recht eigentlich zu der höchsten Würde des Menschen? /a–a\ Können wir nicht eben darum auf desto größre Vergeltung und darauf desto gewisser rechnen, je weniger wir durch irgend etwas Vergängliches belohnt waren; und muß sie uns nicht desto /cangenehmer fallenc\ ∥c39, da sie nicht bloßera40 Zufall, sondern Belohnung, Belohnung von dem ist, der allein höchst gerecht richtet?
Wird jemand durch das Andenken seiner Vergehungen, auch wohl wissentlicher und grö|b82|berer Verbrechen, oder der selbst unvertilgbar scheinenden Folgen derselben beyc2 sich oder Andern, beunruhigt – welches das zweytec3 war (§. 48):ac4 – so müßte ihm der Lehrer 1) den eigentlichen Inhalt des Evangeliums, das ganz eigentlich zur Absicht hat, diese Bekümmernisse zu heben, fleißig und einleuchtend vorstellen; vorzüglich, wie Gott seine Gnade auch dem Unwürdigsten (dem, der es sogara6 nicht verdient,ac7) zugedacht, wie unser Heiland sich nicht für einen Arzt der Gesunden, sondern der Kranken erklärt habe, nicht nur keinen hinausstossenc8 wolle wer zu ihm kommt, sondern auch gekommen /csey, aufzusuchen,c\ ∥c9 was sich verlohrenc10 habe, /cu. d. gl.c\ ∥c11 2) Und wenn ein solcher zweifelte, ob jene /cgöttliche Verheissungenc\ ∥c12 ihm zukämen:c13 so müßte er ihm diese Besorgniß dadurch benehmen, daß er ihmc14 darauf führte: – schon /cdies seyc\ ∥c15 ein Zeichen, wie ihn Gott nicht verlaßenac16 habe, daß er nicht fühllos seyc17 gegen das Andenken seiner Vergehungen, noch gleichgültig gegen Gottes Gesinnungen gegen |c73| ihn:a18 – er würde bis zu dieser Unruhe des Gewissens nicht einmal gekommen seyn, ohne besondrec19 Umstände, die dieses Gewissen aufweckten, und die ja alle unter der väterlichen Regierung Gottes |a660| standen; /a–a\ und Gott veranstaltetea20 keine Mittel wozu, wenn er nicht auch die Absicht wolle, worauf diese abzielen. Er müßte ihm 3) zeigen, wie sehr Gott beyc21 allen solchen Hülflosen auf den Glauben dringe, und wie diesc22 – gerade wie beyc23 dem Verhältniß des Arztes und des Kranken, des Vaters und des Kindes,c24 – das Bil|b83|ligste seyc25, was Gott fordern, und das Leichtestec26 was ein Hülfloser leisten könne, sich an den Gott zu halten, und dem ganz zu überlaßenac27, der unerschöpflich, wie an Güte, so an Mitteln ist, dem Menschen zu helfen, und von dem er ja /aohne diesc28 a\ ∥a29 in aller möglichen Rücksicht abhänge; daß es auch 4) der erste Schritt zur wahren Besserung seyc30, dadurch gerecht zu seyn gegen Gott und gegen sich selbst, daß man geduldig die natürlichen Folgen trage, die man sich selbst zugezogen habe, und es Gott zutraue, daß er uns auch dadurch wolle zur Besserung leiten. Er müßte endlich 5), so viel es immer die Fähigkeiten und Kenntnisse dera31 Bekümmerten erlauben, ihnen, besonders durch ihre eignec32 Erfahrungen, begreiflich machen:a33 wie sehr es Gott in seiner Gewalt habe, selbsta34 schädliche Folgen böser Handlungen durch die unter seiner Regierung stehenden dazwischenkommenden Umstände abzuwenden; auch das, was auf unsrerc35 Seite unrecht ist, zu Mitteln zu machen, die viel Gutes stiften, welches ohne jenes nicht würde erfolgt seyn; auch dadurch, /ac–ac\ daß er uns diese Wendung, die unsrec36 Vergehungen nehmen, dereinst wird erkennen laßenac37, und durch unsere auf unsrec38 wahre Besserung und an|a661|gestrengtern Fleiß zum Guten erfolgte größerea39 |c74| Glückseligkeit und deren lebhafte Empfindung, – das schmerzhafte Andenken an unsrec40 Vergehungen und deren Folgen zu schwächen, oder ganz auszulöschen, oder dadurch die Empfindung unsrerc41 Seligkeit zu erhöhen, so daß wir begreifen, wie wir dahin nicht würden gekommen seyn, |b84| wenn Gott nicht, indem er uns tief fallen ließ, unsern Fleiß und Eifer im Guten erhoben hätte.
Endlich in dem dritten Fall (§. 48ac2), wenn jemand durch das Gefühl seiner Ohnmacht, der Macht böser Gewohnheiten, nicht merklicher Fortschritte im Guten, oder durch Wahrnehmung so oft gescheiterter und nicht ausgeführter guten Vorsätze,c4 niedergeschlagen würde:c5 müßte der Lehrer 1) allen Fleiß anwenden, um, mit der möglichsten Sanftmuth, Theilnehmung und Schonung seiner Schwachheit, ihm die Vorurtheile zu benehmen, die hauptsächlicha6 dergleichenc7 Muthlosigkeit hervorbringenc8 oder ∥c9 unterhalten /a/c†). –c\ ∥c10 Unda\ ∥a11 wenn er weiß oder merkt, daß diese zu tief eingewurzelt, und so mit den guten Kenntnissen und Gesinnungen desselben verschlungen sind, daß zu besorgen ist, diese möchten darunter leiden, wenn man jene angriffe, oder der Versuch, jene auszurotten, möchte ihn gegen den Lehrer einnehmen: – so mache er ihn aufmerksam darauf, wie oft die besten Gedanken und Grundsätze uns zu weit führen können, und wie nöthig er habe, |a662| auf seiner Hut zu seyn, um nicht durch gänzliche Unthätigkeit sicher, durch unterlaßenenac12 Gebrauch auch geringer Kräfte, die ihm Gott giebt, und ermunternder Umstände, untreu und undankbar gegen ihn zu werden, oder Gott durch zu weit getriebene Forde|c75|rungen und Erwartungen zu versuchen. /a–a\ Er suche ihn wenigstens dahin zu brin|b85|gen, die Gelegenheit, immer mehr sich selbst und Gottes Willen erkennen zu lernen, jede Aufmunterung zum Guten, besonders zum Fleiß und zum Vertrauen auf Gott, und den Umgang mit redlichen, heitern und solchen Christen zu benutzen, die sich aus ihren Erfahrungen einen Schatz von wahrer Klugheit gesammletc13 haben, und die Fähigkeit besitzen, sich theils zu Anderer Bedürfnissen und Schwächen herabzulaßenac14, theils vernünftige Rechenschaft von ihrem Rath und Belehrung zu geben. 2) Er suche ihm besonders durch sehr klare Grundsätze, vornemlichc15 aus der Bibel, durch /cBeyspiele Andrerc\ ∥c16, die mit ihm in gleichen Umständen waren, und durch die nemlichec17 Erfahrungen, die er selbst müsse gehabt haben, einleuchtend zu machen: wie herablaßendac18 und billig Gott seyc19, der mehr nicht fordertc20 als der Mensch /cvermag, nicht ärndten will wo er nicht gesäet, oder den Saamen dazu gegeben hat;c\ ∥c21 wie Gottc22 so oft durch ∥c23 Umwege und anhaltende Prüfungen den Menschen zum Ziel führe,c24 und recht reif zum Guten mache; wie die wahre Besserung nie anders als allmählig, nach vielem Fallen und Wiederaufstehn,ac25 erfolge, und in dem Grade fortrücke, gründlicher und merkbarer wer|a663|de, in welchem der Mensch auch mit wenigen Kräften treu umgeht; und wie durch jedesc27 auch geringec28 Fortrücken in der Besserung, was uns schwer oder unmöglich schien, immer leichter werde. 3) Er stelle das, was der Mensch an seinem Theile thun muß, immer mehr auf der angenehmen Seite und nach den großena29 Vortheilen |b86| vor, die jeden redlichen Fleiß gewiß belohnen, je nachdem er weiß, daß die Vorstellung dieses oder jenesa30 Vortheils beyc31 dem Bekümmerten den meisten Eindruck mache. 4) Er begnüge sich endlich nicht mit bloßena32 Ver|c76|mahnungen und Aufmunterungen, sondern zeige dem Unentschlossenena33 und Muthlosen, wie er seine Pflichten ausüben, oder sich deren Ausübung erleichtern könne.
Alle auf die bisher beschriebene Art gemachten guten Eindrücke würden doch dem großena2 Zweckc3 des erbaulichen Vortrags nicht völlig entsprechen, wenn sie nicht dauerhaft würden, und in feste Grundsätze und Gesinnungen übergingen. Dieses zu bewirken, möchten folgende Mittel am dienlichsten seyn. Zuerst, daß aller Vortrag so eingerichtet werde, daßa4 ihn die Zuhörer leicht übersehen, und sich dessen wieder erinnern können. Hiezuc5 würde 1) schon vieles thun, wenn der Vortrag nicht zu lang, nicht verwirrt wäre, nicht zu viele Abtheilungen, und nicht zu vielerleyc6 Sachen enthielte, hingegen wohl zusammenhinge, ∥c7 so daß ein Gedanke leicht und natürlich auf den andern führte, auch die Hauptsachen umständlich aus einandergesetzt, und auf mannichfaltige Art erläutert und eindringlich gemacht /cwürden †).c\ ∥c8 2) wennc9 der Prediger die Kunst verstünde, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch eine gewisse wirklich nutzbare Neuig|a665|keit der Sachen und des Vortrags zu fesseln; weil eben das Neue besonders die Aufmerksamkeit reitzt, und man es gern wiederholt, es sich |b88| einzudruckenac10, geläufig zu machen,a11 und anzuwenden sucht. ††)c12 3) wennc13 er sich vornemlichc14 an einige kurze Kernsprüche hielte, die den Zuhörern bekannt oder leicht zu behalten wären, und sie, nicht bloß durch öftere Wiederholung, sondern vornemlichc15 durch die möglichste Verdeutlichung, und Zurückführung oder Anwendung auf besondere Fälle, anschaulich und interessant zu machen suchte; und 4) auch darin dasa16 Beyspielc17 des /cgrößestena18 Mustersc\ ∥c19, Jesu, nachahmte, daß er allesc20, was er den Zuhörern nützlich oder nöthig findet, mehr gelegentlich, d. i. beyc21 einzelnena22 vorkommenden Fällen, wo die Umstände des z. B. |c78| kranken, niedergeschlagnenac23 etc. Zuhörers es veranlaßenac24, und was oder wie es den Zeitumständen und Bedürfnissen des Zuhörers am gemäßestena25 ist, vortrüge.
Sehr viel tragenc2 zur Befestigung guter Eindrücke auch 2) (§. /c54a3) die dem Vortrag eingedrucktena4 Spuren der eignen Ueberzeugung des Lehrersc\ ∥c5 von der vorgetragenenen Wahrheit und ihrem Werthe ∥c6, und /cseinesc\ ∥c7 Interesse für das Wohl der /cZuhörer, beyc\ ∥c8. Theilnehmung wirketc9 wieder Theilnehmung, und wenn wir merken, daß jemand angelegentlich zu unserm Besten arbeitet, so giebt unser eignesc10 Interesse, und die Vorstellung von dem Lehrer, als unserm Freunde, einen mächtigen Reitz, seine Gedanken weiter zu verfolgen;ac11 zumal, wenn uns die Sache ohnehin schon anzieht, und die durch den Vortrag durchscheinende Ueberzeugung des Lehrers unsrec12 Meinung von der Wahrheit und Wichtigkeit des Gehörten bestätigt. Selbst die Wärme und noch vielmehr die ruhige Heiterkeit des Geistes, die den Verdacht des Gesuchten und Künstlichen ausschließt, |c83| fesselt die Aufmerksamkeit, und macht |a671| uns geneigt, den ersten angenehmen Eindruck zu wiederholen, und darüber weiter nachzudenken. Wer es dahin beyc13 dem Zuhörer bringen will, muß selbst von dem, was er sagt, und vornemlichc14 von dessen Werth, lebendig überzeugt seyn, die Sache wohl und praktisch durchdacht haben, und in dem Augenblick, wo er sie vorträgt, ganz dabeyc15, und von ihr eingenommen seyn. Diesc16 und ein wohlwollendes Herz sind die Haupterfordernisse dabeyc17; lebhafte Einbildungskraft und Reichthum der Sprache, den er in seinec18 Gewalt |b95| hat, unterstützen es. Das Aeusserec19 giebt sich alsdann von selbst. Etwas kanc20 auch dazu beytragenc21, wenn man das Gemüth vorher in die gehörige Ruhe setzt, und durch Lesung körnigera22 Stellen aus der heiligen Schrift, oder ähnlicher Schriften, seinem Geiste Nahrung giebt.
Auch der lebhafteste Eindruck verliert inc2 die Länge seine Kraft, und wird durch andrec3 neue und lebhaftere Vorstellungen geschwächt oder ver|a672|drängt. Man kanc4 ihn nur dadurch befestigen, daß man ihn gleich, wenn das Gemüth noch ganz davon eingenommen ist, in Ausübung bringt;a5 daß man, wenn diesc6 nicht gleich geschehen kanac7, ihn mit seinen Gedanken verfolgt, ihn sich dadurch geläufig macht, und ihn in Empfindung verwandelt; daß man ihn endlich öfters,c8 durch allesc9, was die Andacht unterhält, wieder auffrischt. Alles dieses zu befördern, wäre also das 3tec10 (§. /a54. 55c11a\ ∥a12), was der Lehrer zur Erhal|b96|tung des guten Eindrucks thun müßte. Er bewege den Zuhörer, gute Vorsätze (z. B. sich mit seinen Feinden auszusöhnen, Almosen zu geben, seine Angelegenheiten Gott zu empfehlen),c13 ohne Aufschub zu vollziehen. Er suche durch ∥a14 Gebet, durch wohlgewählten Gesang, durch den Genuß des heiligen /cAbendsmahlsa15 u. d. gl.c\ ∥c16 die guten Eindrücke beyc17 den Zuhörern zu befestigen. Er empfehle ihnen durch sein Beyspielc18 religiöse Uebungen, Lesung der heiligen und anderer, ihren Fähigkeiten angemeßnenc19, Schriften, Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes, frommen Umgang, Nachdenken über alles Gehörte oder Gelesene, in beständiger Beziehung auf sie |c85| und die Bedürfnisse ihres Geistes und Herzens; erbiete sich gegen sie zu weiterer Belehrung;ac20 und nehme Gelegenheit, beyc21 schicklichen Veranlaßungenac22 sich mit ihnen über das, was ihre besondrec23 geistliche Wohlfahrt betriftc24, näher zu unterhalten.
Wer die Pflichten eines guten christlichen Volkslehrers, nach dem bisher Gesagten,c2 erfüllen wollte, müßte – ein Mann von gesundem Verstande; – von /cgutem Geschmacke,a3 c\ ∥c4 oder /crichtigemc\ Gefühl des Schicklichen und Unschicklichen;a5 – selbst klarer Begriffe fähig, und gewohnt seyn, klar und ordentlich zu denken; – eine ausgebreitete, richtige, bestimmte, anschauende und praktische Erkenntniß der Religion;c6 – vornemlichc7 Interesse für Wahrheit, besonders |b97| in der Religion, und für alles Gute;c8 – die Gabec9 sich gut auszudruckenac10, und daher auch hinlänglichen Reichthum der Sprache,c11 besitzen; – selbst von Herzen fromm seyn, und die eigentliche Absicht haben, auch andrec12 Menschen dahin zu bringen; – endlich, so viel als möglich, die Fähigkeiten und Bedürfnisse seiner Zuhörer kennen, – und nach diesen seinen Vortrag einzurichten verstehen. /a– Alsdanna\ ∥a13 könnte er allenfalls eines besondern Unterrichts der Homiletik und Katechetik, so wie guter Beyspielec14 im Vortrage, entbehren, und eignec15 Uebung würde diesen Abgang ersetzen /ckönnen;a16 ohne welchea17 c\ ∥c18 und ohne jene /cEigenschaften,c\ ∥c19 /abloßea\ /cAnweisungc\ ∥c20 und /cBeyspiele ihnc\ ∥c21 nicht zum guten Lehrer des Volks /cmachen können. Aber,c\ ∥c22 – wenn auch jene Eigenschaften nicht so selten, und nicht noch seltner /cbeysammena23 wären:c\ ∥c24 – so bedürfen sie doch einer mehrern Ausbildung durch den Unterricht, Rath und Beyspielc25 |c86| Anderer, die mehr Geschicklichkeit, Kenntniß und Erfahrung haben; – und ein besondrerc26 |a674| Unterricht über die Einrichtung des guten Vortrags kanc27, wie beyc28 allen Wissenschaften, das Studium desjenigen, was dazu erfordert wird, sehr erleichtern. – Selbst, wenn ein junger Mann sich bloß nach guten Beyspielenc29 bilden wollte, müßte er,c30 – um nicht in seiner Wahl zu irren, /aunda\ gute Eigenschaften der Predigten, oder ihre Fehler,a31 zu übersehen, jene zu vernachläßigenc32 und diese anzunehmen,c33 /a–a\ doch erst auf beydec34 überhaupt aufmerksam gemacht worden seyn. – Vornemlichc35 giebt es so viele Vorurtheile darüber, |b98| die auf Unwissenheit, verdorbnenac36 Geschmack, und der so allgewaltig wirkenden Mode beruhen, daß es schon deswegen nöthig ist, frühzeitig sich um gesunde und feste Grundsätzec38 von der wahren Vollkommenheit des Religionsvortrages zu bewerben.
Eben so großena2 und vielleicht noch mehrernc3 Nutzen, als Anweisungen zum erbaulichen Vortrag, haben gute Muster von Predigten und Katechisationen;c4 weil es dem Anfänger schwerer fällt, gute Grundsätze und Regeln wohl anzuwenden, als sie zu verstehen,c5 oder überzeugend einzusehen; weil es den meistenc6 leichter wird, sich nach Beyspielenc7 als nach Grundsätzen zu bilden; und weil gute Beyspielec8 mehr Lust zur Nachahmung machen, und den Fleiß in ähnlichen Versuchen ermuntern. Manches, z. B. |c88| die Kunst, den Vortrag concret zu machen, d. i. allgemeine Sätze auf besondere Umstände und Bedürfnisse der Zuhörer zurück zu führen, läßt sich auch nicht durch Regeln, wohl aber aus Beyspielenc9 lernen. Man müßte nur beyc10 dem Gebrauch derselben 1) in der Wahl vorsichtig seyn. – Es giebt Predigten, die eher gelehrte oder scharfsinnige Untersuchungen, eher Meisterstücke der Kunst, als Predigten sind, die also, |a676| wenn es uns um eignec11 Belehrung, Ueberzeugung und Erbauung überhaupt, oder um Fortschritte in den schönen Wissenschaften,c12 zu thun wäre, für uns unterhaltender und nützlicher seyn mögen;c13 die es aber deswegen nicht sind, sofern wir unsern Vortrag zu Anderer Erbauung darnach bilden wollen. Oft täuscht auch der berühmte |b100| Name; denn selbst die musterhaftesten Prediger sind es nur in gewisser Absicht;a14 sie sind es auch nicht in allen ihren Arbeiten, und ihre früheren Versuche kommen selten ihren spätern und reifern Früchten beyc15. Und sehr oft verursacht die Mode und herrschende Gewohnheit, welche auf manche gute Eigenschaften einer Predigt einen zu großena16 Werth legt, nebst der Neigung zu dem, was uns leichter wird, oder mehr nach unserm Geschmack und ∥c17 Fähigkeiten ist, daß man sich nur an Eine Art,c18 (populärer /aPredigtenc19 a\ z. B. die oft sehr arm an Sachen, richtigen und bestimmten Gedanken, und um so reicher an Worten sind),c20 hält, und andrec21, aus welchen man mehr lernen könnte und sollte, vernachläßigtc22. Man müßte also, wenn es uns wirklich Ernst wäre, in aller Absicht, ∥c23 auch als Prediger,c24 vollkommena25 zu werden, mehrerea26 Arten von nachahmungswürdigen Predigten oder Katechisationen, nach den oben beschriebenen Eigenschaften, studieren, vornemlichc27 die, welche nach unserm besondern Beruf, und der Art der Zuhö|c89|rer, mit welchen wir zu thun haben, uns am nöthigsten sind, und die sich durch solche Eigenschaften auszeichnen, an welchen es uns noch mehr als ∥a28 andern fehlt.
Aber man müßte sie 2) nicht eigentlich ∥c2 nachahmen, /acd[.] i.ac\ ∥ac3 seine Art zu denken, zu empfinden, und sich auszudruckenac4, nicht nach Andern stimmen, nicht Natur mit Kunst vertauschen wollen. Denn – /acausser demac\ ∥ac5, daß eine solche |b101| Begierde nachzuahmen, gemeiniglich auf das Eigenthümliche ∥c7 eines Predigers fällt, welches sich ohne unnatürlichen Zwang nicht nachahmen läßt, und Vielesa8, was selbst fehlerhaft ist, den kleidet, dem es natürlich ist, beyc9 Andern aber lächerlich wird, wenn man ihnen die Mühe ansieht, die sie sich geben, unnatürlich zu handeln: – so hemmt es die Freyheitc10 des Geistes, und verhindert das Gute zu stiften, das jeder nach seiner Art gerade am meisten stiften könnte. Der Vortrag verliert das /cnatürlich Schönec\ ∥c11, und, wenn ich so reden darf, das Herzliche, welches eben daraus entsteht, daß, was man sagt, aus eignerc12 Ueberzeugung und Empfindung, aus wahrer Theilnehmung an der Sache, wie sie sich uns darstellt, fließt, daß es natürlicher Ausbruch des von ihr ganz eingenommnenc13, durch keine fremden Rücksichten zerstreuten, Verstandes und Herzens ist, und, weil es vom Herzen kommt, auch wieder zu Herzen geht. – Vielmehr müßte man 3) erst, nach eignerc14 Empfindung des Nützlichen und nach bewährten Grundsätzen einer vernünftigen Homiletik, wohl untersuchen, was an gewissen Mustern wirklich nachahmungswürdig seyc15? und, wenn |a678| man bemerkte, daß man es selbst noch nicht, oder nicht genug, in seiner Gewalt hätte, |c90| 4) alsdann, ob man danach trachten könnte? d. i. die Fähigkeit hätte, zwar durch Fleiß und Uebung, aber nicht mit Zwang, eben dieses zu erreichen; welches zu entdecken nicht gar schwer werden kanac16, wenn man nur aufrichtig sein Gefühl,a17 und, um weniger zu irren, die Urtheile |b102| anderer Verständigern befragt. Hernach 5) ob man es auch dürfe? /cd. i.c\ ∥c18 ob unser Beruf, nebst den Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen unsrerc19 Zuhörer, diese Eigenschaften des Vortrags ertragen, oder gar fordern. Wäre man von allem diesen überzeugt:c20 so müßte man 6) wahre Muster sorgfältig in ihre Theile zerlegen, um zu sehen, wie der Andere seine Hauptgedanken erklärt, ausgeführt, sie und ihre Erläuterungen geordnet und ausgedrucktac21, auch untersuchen, warum er es lieber so, als anders, dargestellt, und was er für Mittel dazu gebraucht hätte?
Zu allem diesen muß noch eignec2 Uebung in beyderleyc3 Vortrag kommen, ohne welche man sich weder das Andern abgelernte Gute zu eigen machen, noch jemals eine Fertigkeit im guten Vortrage erhalten kanc4. Sie dientc5 auch /czur eignen Demüthigung und Gründung der so nöthigen Bescheidenheitc\ ∥c6, wenn man, beyc7 angestellten eignenc8 Versuchen, sieht, – das Ideal vorausgesetzt, das wir oben entworfen haben, – wie so schwer es seyc9, ein recht guter Prediger oder |a680| Katechet zu werden. Mangel ∥c10 dieser Tugend,c11 – der immer /cvoraussetztc\ ∥c12, daß man entweder für die Wichtigkeit der Sache kein Gefühl habe, oder nicht wisse, wie viel zum guten Vortragc13 gehöre, oder sich selbst nicht kenne,ac14 – macht blind gegen |b104| eignec15 Fehler, halsstarrig gegen Andrerc16 Erinnerungen, und verhindert, wie den Wachsthum in der Vollkommenheit, so besonders die Biegsamkeit der Seele, die so nöthig ist, um sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Zuhörer zu richten. |c92| Auf der andern Seite hilft die Uebung wieder der Blödigkeit auf, und macht guten Muth, weil man seine Kräfte und ihren Wachsthum fühlen lernt.
Beyc2 diesen eignenc3 Uebungen kanc4 man 1) nicht oft und dringend genug demc5 Prediger an den Zweck erinnern, wozu er predigen soll. Du redest – in Gottes Namen; sollst, als sein Werkzeug, seinen Willen und seine Gesinnung verkündigen; bist eigentlich dazu da, die wichtigste Angelegenheit der Menschen zu besorgen, sie durch Religion zu wahren, ihre Würde fühlenden, und ihr gemäß handelnden, wahrhaftig glücklichen Menschen zu machen, ihr Lehrer, ihr Rathgeber, ihr Erinnerer, ihr Tröster, beyc6 allen Angelegenheiten zu seyn, die ihr Gewissen und ihre Gemüthsruhe betreffen. Aber du bist kein Orakel; und, wenn auch Gott unmittelbar durch dich redete, so kannst du ihnen doch weder Glauben, noch Gehorsam, noch Zufrie|a681|denheit abzwingen; sie dürfen nicht nur, sie müssen auch prüfen, ob Gott durch dich redet, und dann erst dir folgen. Du mußt also als Mensch mit vernünftigen Menschen reden, die anders nicht gewonnen werden können, als durch |b105| Vorstellungen, welche es ihnen, nach ihren Fähigkeiten, Begriffen und Bedürfnissen, klar machen, daß, was du sagest, wahr und gut, und ihnen nothwendig seyc7, und welchen der Zugang zu eben der Quelle, aus der du schöpfest, zur Vernunft, zur heiligen Schrift und zur Erfahrung, eben so wie dir, offen steht. – Wer diese Zwecke nicht stets vor Augen behält, und nicht alles Ernstes darauf arbeiten will, dessen Vortrag mag übri|c93|gens /cvortreflich seyn;c\ ∥c8 erbaulicher Vortrag, gute Predigt, gute Katechisation,c9 ist er nicht.
Schon /cdies kanc\ ∥c2 ∥a3 2) vora4 einer Menge höchst verderblicher Fehler bewahren, die sich hier nicht alle nennen laßenac5. – Wer immer bedächte, daß er in Gottes Namen die Menschen zur Seligkeit weisen sollte, wie könnte der sichs erlauben, fremdartige Dinge, die nicht Religion zum Gegenstande haben, oder sich nicht durch Religionsgründe unterstützen laßenac6, in den gottesdienstlichen Vortrag zu bringen? †)c7 wie /cderc\ ∥c8 predigen, ∥c9 um sich /cbloßc\ hören zu laßenac10, und seiner Eitelkeit ein Opfer zu bringen? sich bloß im /cPredigen, oder gar in Declamation,c\ ∥c11 zu /cüben ††)?c\ ∥c12 glänzen, oder sich überhaupt empfehlen /azua\ wollen? oder auf der andern Seite, sei|a682|ner Würde vergessen, und sich unanständige Aeusserungenc13, niedrige oder pöbelhafte Ausdrücke, Action eines Comödianten, oder ähnliche Ausschweifungen,c14 zu gute halten, oder gar affectiren? wie /cderc\ ∥c15, die Zuhörer /cnurc\ angenehm ∥c16 unterhalten, oder den gelehrten |b106| und tiefdenkenden Untersucher spielen, oder den Abgang kräftiger Gedanken, heilsamer Vermahnungen und guter Gesinnungena17 durch schöne Redensarten und Bilder ersetzen wollen? – Wie /cwirdc\ ∥c18 der, /cwer dac\ ∥c19 weiß, wie Menschen /cmüssenc\ vernünftig behandelt und gewissenhaft geleitet /cwerden, wie wird derc\ ∥c20 jeden Vortrag gut genug für seine Zuhörer /chalten?c\ ∥c21 anstatt die Bedürfnisse derselben zu studieren und zu befriedigen, das predigen, was ihm das Leichteste wird, oder ihm das Wichtigste scheint, oder zur Unzeit und ohne Schonung aufklären /cwollen? oder, statt der Gründe dreistea22 Versicherungen, Betheurungen oder Wehklagen brauchen?c\ ∥c23 oder ∥c24 auf die Sinne und Ein|c94|bildungskraft arbeiten, und den Verstand der Zuhörer unbeschäftigt, ihr Herz leer und kalt /claßena25?c\ ∥c26 mehr die Kunstc27, als seine praktischen Einsichten und sein Herzc28 um Rath fragen?
Ueberhaupt sollte es 3) niemand wagen, predigen zu wollen, wer sich nicht nach der strengsten und gewissenhaftesten Selbstprüfung /cdiese zwey sichc\ ∥c2 vorgelegte Fragen befriedigend beantworten könnte: – Bist du mit der Sache wirklich bekannt, wovon du reden willst, so bekannt, wie es der Zweck erfordert, zu dem du reden sollst? und – wie steht es um dein Herz und deine Gesinnung gegen diese Sache? – Was kanc3 aus einer Predigt werden, die nicht aus diesen ∥a4 Quellen fließt? Wer noch gar keinen nur etwas reichen Vorrath von Kenntnissen der Sache, der |c96| praktischen Kenntniß derselben, d. i. ihrer verschiedentlichen Beziehung auf Wohl und Weh des Menschen, auf Besserung und Gemüthsruhe, /ahat;a\ wer sie nicht wenigstens unmittelbar vorher wohl durchdacht, und auf mehreren Seiten angesehen,c5 wer, wenn er sie auch erst von Andern lernen muß, nicht wenigstens sie selbst gedacht, sie zu seinem wirklichen Eigenthum gemacht, sie sich nach seiner Art und von seinem Eignenc6 viel dazu gedacht hat: was kanc7 dessen Predigt anders seyn, als /abloßer Wiederhall,a\ ∥a8 oder |a685| schale, unfrucht|b109|bare Rede, die dem Zuhörer weder zu Verstand noch zu Herzen dringt? wofür Er sich selbst nicht interessirt, wobeyc9 es ihm gleichgültig ist, ob sich die Zuhörer dafür interessiren, wenn Er nur sein Tagewerk gethan hat, allenfalls Sie nur mit Ihm zufrieden sind, mag die Wirkung der Predigt so gering oder schlecht seyn als sie wolle. – Und wie kanc10 er daran Theil nehmen, wenn er selbst noch nie, oder nicht mit allem Ernst, daran gedacht hat, der zu werden, wozu er seine Zuhörer machen will, noch nie selbst die wohlthätigen dauerhaften Wirkungen dieser Lehren erfahren hat?
Diesc2 vorausgesetzt, wäre es /cbey eignenc\ ∥c3 Uebungen 4) immer rathsam, wenn man es |a686| /chabenc\ ∥c4 könnte, /ceherc\ sie nicht ∥c5 zu unternehmen, als |b110| bis man die Grundsätze und Regeln des guten Vortrags sich wohl bekannt gemacht hätte, und den Anfang der Uebungen mit genauer Zergliederung musterhafter Predigten von Andern zu machen. Man lernt dadurch erst recht einsehen, was und wie viel zu einer guten Predigt und der Ausführung einer Lehre gehört; man gewöhnt sich an Ordnung, die Seele alles guten Vortrags, an Verdeutlichung der Sache, an gehörige Darstellung derselben, an bedächtigere Ueberlegung. †)c6 – 5) /cWegen des Ausdrucks – soc\ ∥c7 wird sich zwar /cderc\ meistens von selbst bilden, wenn nur das /cBeydec\ da ist, was nach dem vorigen §. voraus zu setzen war. Ausdruck und Vorstellungen hängen so innig zusammen, daß, wer sich ordentlich, deutlich und bestimmt zu denken gewöhnt, sich gewiß auch so ausdruckenac8, und selbst eindrücklich sprechen wird, wenn er nur spricht, wie es ihm ums Herz ist. Auch selbst Fehler im Ausdruck, falls sie nur nicht zu auffallend sind, mißfallen nicht, wenigstens nicht lange, wenn sie nur dem Redenden eigenthümlich sind; Fehler der Natur sind erträglicher als Schönheit und Kunst, der man den Zwang und die Mühe ansieht. Aber freylichc9 gehört auch Gewandtheit in der Sprache dazu, ohne welche man selbst nicht recht gut denken wird,c10 und deswegen ist fleißige frühzeitige Uebung im guten Ausdruck in derjenigen Sprache nöthig, worinnc11 der Prediger dereinst reden soll. Nun giebts in jeder gebildetern Sprache verschiednec12 Arten des Ausdrucks: eine gemeinere und ∥a13 feinere, letztere mit mehr oder weniger Ge|a687|schmack gebildet, /cna|b111|türlich schönc\ ∥c14 oder geziert. Selbst der Sprachgebrauch hat ge|c98|wisse Ausdrücke nur gewissen Gegenständen gewidmet, nur in gewissen Arten des Vortrags gebilligt, so daß sie deswegen, anderswo gebraucht, für unnatürlich gehalten werden. Der Hauptcharakter der religiösen Sprache ist Würde. Diese Sprache leidet daher gewisse feyerlichec15 Ausdrücke, die in der gewöhnlichen, selbst feinern, Sprache nicht üblich, oder abgekommen sind; von gemeinen Ausdrücken verträgt sie nur die, welche nicht bloß der gemeinen Sprache eigen sind; und aus der feinern Sprache nur die, welche sich durch Würde empfehlen, und nicht bloß in der Büchersprache gewöhnlich sind. ††)c16 Doch leidet auch die religiöse Sprache von Zeit zu Zeit Veränderungen. Sie ist selbst in verschiednenc17 Gegenden und /cverschiednen Classenc\ ∥c18 von Lesern verschieden, die oft dergestalt ihre Vorstellungen und Empfindungen in der Religion an sie binden, daß durch andrec19 Arten des Ausdrucks ihre Andacht gestört, wenigstens nicht so, wie durch die ihnen geläufige Religionssprache, befördert und unterhalten, ja selbst die Sache ihnen verleidet, und der Lehrer, der sich nicht nach ihrer religiösen Sprache richtet, anstößig wird. †††)c20 Man sollte also mehr den Charakter der religiösen Sprache studieren, sich fürc21 aller Verderbung derselben /asowohla\ aus der /agemeinen, als aus dera\ ∥a22 feinern Sprache hüten, und sich die besonders bekannt machen, an welche die besondere Art der Zuhörer gewöhnt ist, mit der man zu thun hat, und auch darinnc23 sich nach ihren Bedürfnissen bequemen.
Vorzüglich sollte man sich 6) in Predigten über historische Texte und Parabeln der Bibel, und überhaupt in /cHomilien, üben. Dennc\ ∥c2 sie sind dem, der es versucht, schwerer, als eigentliche Lehrvorträge. Beyc3 diesen glaubt man sich, ohne viel gelernt zu haben, mit seinem Nachdenken und mit dem genossenen allgemeinern Unterricht in der Religion helfen zu können; beyc4 jenen wird mehr eigner Fleiß, mehr Bekanntschaft mit dem Sinn der heiligen Schrift, mit dem Herzen und Leben der Menschen, mehr praktischer Verstand, mehr Biegsamkeit und Gewandtheit der Seele,c5 erfordert; und gute Muster hat man in dieser |b116| Art weniger, als beyc6 dem Lehrvortrag. Sie sind auch für den Zuhörer faßlicher, anziehender und praktischer.
Anfänglich ist es 7) zu rathen, daß man seine Aufsätze /cganz ausarbeite,c\ ∥c2 und /cwörtlich niederschreibec\ ∥c3; denn da ist strenge Aufmerksamkeit auf den ganzen Vortrag,c4 und Genauigkeit /anöthig. Beyc5 a\ ∥a6 zugenommener Fertigkeit, und wenn erst die guten Eigenschaften des Vortrags uns geläufig wordenc7 sind, kanc8 man, ausserordentlichec9 |c103| Fälle ausgenommen, oder wenn man ausgesuch|a692|tere Zuhörer vor sich hat, sich mit einen guten Entwurf begnügen, wenn man ihn nur ganz durchdenkt. – Aber man hüte sich ja fürc10 dem Ablesen beyc11 dem Vortrag selbst. Gut ablesen,c12 können ohnehin nur Wenige.a13 Die Lebhaftigkeit des Vortrags leidet beyc14 dem Ablesen. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird weit mehr durch den eigentlichen Vortrag unterhalten. Beyc15 diesem fällt dem Prediger viel Gutes und Dringendes erst ein, und wird durch die Umstände oder durch den Eindruck, den man beyc16 den Zuhörern gemacht zu haben glaubt, veranlaßt. Und wer öfters und bisweilen ohne viele Vorbereitung predigen muß, würde oft in großea17, selbst dem Vor|b117|trage nachtheilige,c18 Verlegenheit kommen. Man gewöhne sich also frühzeitig, ganz aufgeschriebene Vorträge nicht wörtlich, sondern durch wiederholtes bedächtiges Durchlesen,c19 sich einzudruckenc20, immer aber, nach dem gemachten Entwurfe, das, was man darüber sagen will, ausführlich und deutlich durchzudenken. – 8) Eine besondrec21 Uebung im sogenannten Declamirenc22 ist meistens sehr entbehrlich, wenn man nicht Fehler der Natur und der Gewohnheit durch Uebung zu überwinden hat. Prediger sollen ja keine eigentlichec23 Redner, noch weniger Schauspieler seyn. Wer voll von der Sache ist, die er empfehlen will,c24 wer aus wahrer Ueberzeugung, und mit dem ernsten Willen, seine Zuhörer zu bessern, spricht,c25 wer gegenwärtiges Geistes ist, und wer sich nicht an wörtliches Auswendiglernen gewöhnt hat,c26 dem wird es nicht schwer werden, auch äus|a693|serlichc27 gut vorzutragen. Aber die frühzeitige Uebung, gut zu lesen oder auszusprechen, d. i. die Stimme so abzuändern, wie es die Natur der Sache erfordert, oder dem Ausdruck der Begriffe, auf die man am meisten aufmerksam machen |c104| will, dem Affect, der Verhütung des Mißverstandes /cu. d. gl.c\ ∥c28 angemessen ist – kanc29 man nie genug empfehlen /ac†)ac\.
Hierbeyc2 und beyc3 aller dieser /ceignen Uebung,c\ ∥c4 muß man sich aber 9) nie auf sein Urtheil allein |b118| verlaßenac5, sondern das Urtheil der Verständigeren zu Rathe ziehen;c6 weil oft Gewohnheit unsrec7 Fehler schön macht; ein Anfänger, wenn er auch die guten Eigenschaften und Fehler des erbaulichen Vortrags kennte, doch noch nicht schon auf alles dieses aufmerksam ist; und es beyc8 dem Vortrage nicht in Anschlag kommt, was uns, sondern was Andern gut oder fehlerhaft scheint, /cbey Ihnenc\ ∥c9, nicht beyc10 uns, gewisse Wirkungen hervorbringt. – Am besten arbeitet man unter der Aufsicht, wenigstens unter der Kritik, eines Kenners. Kanc11 man diese nicht haben:c12 so gebe man auf die Urtheile achtc13, die man etwa /avon den Zuhörerna\ ∥a14 über den abgelegten Vortrag fällen hört, oder auf die Wirkungen, die unser Vortrag beyc15 den Zuhörern, in Absicht auf Erkenntniß und Besserung, gethan hat; vorausgesetzt, daß man versichert seyn kanc16, die Ursache, warum und wie fern er gefallen oder mißgefallen hat, liege nicht in gewis|a694|sen zufälligen Umständen, die, anstatt des Vortrags selbst, die Urtheile gestimmt, oder die und die Wirkungen verursacht haben, – |c105| und arbeite danach immer mehr an der Besserung des Vortragsc17.
Je länger ich unser kirchliches und namentlich unser Predigtwesen beobachte, desto mehr will sich meiner die Besorgniß bemächtigen, daß die Wirkungen davon geringer sind, als sich viele selbst von denen, die es mit ganzem Ernst treiben, vorstellen mögen. Es würde sehr ungerecht seyn, den Grund davon in den Lehrenden oder in der Be|c106|schaffenheit der Vorträge allein zu suchen. Er liegt eben sowohl in der Beschaffenheit der Zuhörer und in dem Geiste der Zeit – der, wenn er nicht schlimmer als vordem, doch auf keinen Fall von dieser Seite besser geworden ist.
Indeß erfordert es doch wohl eine recht ernstliche Prüfung, ob, wenn man viele christliche Gemeinden nimmt wie sie sind, und die Stufe der Bildung, auf der sie stehen, in Anschlag bringt, nicht in der Art und Weise, wie von den meisten Predigern gepredigt wird, auch ein Grund der geringen Wirkung zu suchen sei. Die Predigt, als Kunstwerk nach rhetorischen Gesetzen und homiletischen Formen zugerichtet, überhaupt jeder lange zusammenhängende Vortrag, geht für die meisten Ungelehrten verloren, und es ist psychologisch unmöglich, daß er ihre Aufmerksamkeit zusammenhalte und ihre Theilnahme erwecke. Die Länge selbst schadet auch dem populärsten Vortrage; und regt sich erst der Wunsch und die Sehnsucht nach dem Ende, so rechnet man vergebens auf einen bleibenden Eindruck.
Man sollte daher auf die größte Mannichfaltigkeit in der Form der Mittheilung sinnen; Alles mehr abkürzen, aber desto kräftiger zum Herzen sprechen; viel mehr wenigstens in Gegenwart der Erwachsenen katechesiren; oder einer rührenden und würdigen Abendmahlsfeier nicht lange Vorträge vorhergehen lassen, und wo möglich öfter, Alter, Stände und Berufsarten (wie schon oben bemerkt ist) von einander sondern.
In den Schriften, welche neuerlich über die Mittel, die gesunkene Religiösität wieder zu heben, erschienen sind, findet man auch hierüber viele beachtungswerthe Ideen und Vorschläge. Ich darf auch wohl an meine Briefe an christliche Religionslehrer, besonders die 3te Sammlung, errinnern.c