Die Absicht, wozu man unter uns besondrec2 Religionslehrer bestellt, ist keinesweges, daß sie bloß in der Religion unterrichten, und öffentlich lehren sollen. Man weiset denen, die nicht solche Lehrer selbst bilden oder regieren, oder die sich nicht nur auf Unterricht und Erziehung der Jugend einschränken sollen, also den eigentlichen sogenannten Geistlichen und Pastoren, /cbesondre Gemeinenc\ ∥c3 an, die sie, in Absicht auf allesc4, was zum Gottesdienst und zu dem nach den Vorschriften der Religion einzurichtenden Verhalten,c5 gehört, regieren, also dahin arbeiten sollen, daß sie denenjenigenc6, welche ihnen in dieser Absicht anvertraut sind, nicht nur die Religion bekannt machen, und dringend empfehlen, sondern ihnen auch beyc7 allen solchen Angelegenheiten zu Hülfe kommen, und die Ausübung jener Vorschriften befördern. Sie sollen keine /cbloßea8 Prädicantenc\ ∥c9, sie sollen auch, wenn man sie so nennen darf, /cVormünder, Erzieher, Rath|a696|geberc\ ∥c10 und Aufseher ihrer Anvertrauten in allen solchen geistlichen Angelegenheiten seyn.
Ohne dieses würde auch der Zweck, den man beyc2 Einführung eines besondern Standes, zur Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion gehabt hat, nicht hinlänglich, es würde selbst nicht einmal der Zweck des Predigens,ac3 erreicht werden. – Der Mensch vergißt nur gar zu leicht, seine gute Erkenntniß anzuwenden, und dann ist sie für ihn unnütz; sie ist sogar alsdann, je ausgebreiteter sie ist, auch um so schädlicher, weil, was der Mensch nicht geflissentlich zum Guten anwendet, unvermerkt ein Werkzeug wird, seinen Eigennutz und ∥c5 Leidenschaften noch mehr zu befriedigen, wenigstens sich zu gewöhnen, gleichgültig auch beyc6 der besten Erkenntniß zu bleiben, und unempfindlich gegen ihre Eindrücke zu werden. Und wenn er sie auch anwenden will, so macht doch die Verlegenheit, in der er sich über die Art befindet, wie er sie beyc7 vorkommenden Fällen anwenden soll, oder die Collision zwischen seinen verschiednenc8 Pflichten und der Kampf zwischen seinen guten Grundsätzen und seinen Leidenschaften, daß er sie nicht wirklich anwendet, weil er sie /cnach Beschaffenheit der vorliegenden Umstände nichtc\ ∥c9 zu wählen oderc10 anzuwenden versteht. /cWenn sich nun die wenigstenc\ ∥c11 Menschen /cin geistigen Angelegenheiten recht /aguta\ zu benehmen wissenc\, zumal /cwenn siec\ ∥c12 durch ihre Le|a697|bensart und Beschäftigungen gewöhnt sind, weniger an unsichtbare als sichtbare Dinge zu denken, und sich mehr durch äusserec13 Vortheile als /adurcha\ Grundsätze des Gewissens |b122| leiten zu /claßena14; wennc\ ∥c15 sie ∥c16 an ihre Pflicht und an die Lehren der Religion, die sie über andrec17 Beschäftigungen oder Zerstreuungen vergessen, oft wieder /cmüssenc\ erinnert werden; und /cwenn sie beyc\ ∥c18 zweifelhaften Gewissensfällen sich weder selbst helfen /ckönnenc\, noch von ihres gleichen berathen /cwerden: soc\ ∥c19 bedürfen sie nur gar zu sehr eines besondern Füh|c109|rers, der sie gewissenhaft und mit Klugheit leite, oder zu dem sie, als zu einem, der in solchen Angelegenheiten erfahrnerc20 und gewandter ist, ihre Zuflucht nehmen können.
Hiezuac2, und um selbst die eigentlichen Predigten ganz nach den Kenntnissen und Bedürfnissen der besondern Zuhörer einzurichten, ist /cjac\ dem Lehrer ein näherer Umgang mit diesen nöthig, ohne welche er jene nicht /czuverläßig kanc\ ∥c3 kennen lernen. Daa4 erst lerntc5 er /cihre Vorurtheile, ihre Mißverständnisse, ihre Gesinnungc\ ∥c6 gegen das Gute, ihrec7 Leidenschaften, diec8 ihnen eignenc9 Hindernisse des Guten, diec10 besondern Quellen der /cUnordnungen, überhauptc\ ∥c11 woran es ihnen fehle, wie ihnen am besten /cbeyzukommen seyc\ ∥c12, und wie er sie nach ihren besondern Umständen behandeln müsse. Er kanc13 auch da am besten ihre Entschuldigungen oder Gegenvorstellungen hören, |a698| mehr mit ihnen im Ton einer freundschaftlichen Unterredung als in dem auf der Canzelc14 üblichen Lehrtonc15 reden, mehr sich auf das /acBesondre einlaßenac\ ∥ac16, die Gemüther besser gewinnen, und sie selbst zu öffentlichen heilsamen Anstalten und Ver|b123|besserungen zubereiten,ac17 und williger machen. Beyc18 dem größestenac19 Theil der Menschen wirkt Ansehen und Vertrauen, das jemand beyc21 ihnen hat, wirken gute Beyspielec22 mehr, als die bündigsten Vorstellungen und Gründe. /a–a\ Wie soll sich der Prediger jenes erwerben, wenn sein ganzes Betragen nicht eben so für ihn sprichtc23 als seine Geschicklichkeit im Vortrage; wenn er seine Bemühungen um das Beste seiner Zuhörer auf die wenigen Stückenc24 einschränkt, die zum eigentlichen öffentlichen Gottesdienste bestimmt sind, und nicht eben den geflissentlichen Eifer für |c110| ihr Wohl überall, wie auf der Canzelc25, zeigt; wenn sie ihn nur als einen Mann kennen lernen, der in feyerlichenc26 Fällen sein Amt verrichtet, aber nicht ima27 nähern vertraulichen Umgange sich ihrer eben so, und noch eigentlicher, annimmt,c28 der mehr der Mann der Gemeinec29 als aller einzelnen Glieder ist,c30 der nur erbeten sie besucht, nicht um selbst nach ihren Angelegenheiten zu sehen, der durch sein /ceignes Beyspielc\ ∥c31 das leidige Vorurtheil bestätigt, daß das Christenthum nur in die Kirche und nicht ins ganze Leben gehöre? Was kanc32 die beste Predigt fruchten, wenn er selbst nicht mit freyemc33 Gewissen reden /ckan;c\ ∥c34 selbst das Vorurtheil gegen sich erregt hat, daß er das nicht glaube, oder ernstlich meine, was er öffentlich sagt; wenn er durch einen |a699| schlechten oder unvorsichtigen Wandel gute Eindrücke des Vortrags wieder zerstört, im Umgange gar nicht, oder mit Gleichgültigkeit, von Religions- und Gewissenssachen spricht, oder durch Unbesonnenheit und Mangel der Klugheit |b124| das Vertrauen wieder verscherzt, was er sich durch Eifer für die Religion erworben hatte? Wie mächtig hingegen wird er auf seine Anvertrauten wirken, wenn durchaus sein ganzes Betragen, seine Uneigennützigkeit, sein Fleiß, seine Gutthätigkeit und Behäglichkeitc35, seine Gewissenhaftigkeit, seine Klugheit, seine Ordnung, sein, auch unter dem Druck und Leiden, immer guter Muth /cu. d. gl.c\ ∥c36 beweiset, daß er der Mann ist, der er seyn soll oder scheinen will, der durch sen Beyspielc37 zeigt, was die Kraft der Religion vermag, wenn man sich ihr von ganzem Herzen weyhtc38, und der eben diese Tugenden so durch sein ganzes Beyspielc39 empfiehlt?
Noch sind zweyc2 ganz einander entgegenstehende Dinge, die jedes in seiner Art den großena3 Nutzen verhindern, den ein rechtschaffnerc4 Geistlicher für die Religion stiften könnte. – /cVerachtung –c\ ∥c5 und /cAchtung, diec\ ∥c6 auf /cAndererc\ falschen Begriffen von Religion und von seinemc7 Amte beruht. – Wer überzeugt ist, daß die Religion mit keiner magischen Kraft, sondern durch Vorstellungen,c8 wirkt, und daß jede vermeinte Besserung oder Beruhigung, die nicht auf diese Art entsteht, bloßea9 Täuschung und Selbstbetrug ist: |a700| dem muß es wehe thun, wenn auch Menschen, die keine Verächter der Religion sind, ihm in Religionssachen blindc10 glauben, oder seinen, besonders gottesdienstlichen, Handlungen, Gebet, Absolution, Segensprechen /cu. d. gl.c\ ∥c11 oder von ihm |b125| geweyhetenc12 Sachen, eine Kraft beylegenc13, die ihnen allesc14, was auf ihrer Seite nöthig wäre, erspart, oder höchstens eine sinnliche Andacht für den Augenblick erfordert; weil diese Art zu denken, falsche Religionsbegriffe, Sicherheit und Trägheit,c15 nährt, wahre Besserung verhindert, und, statt Gewissenhaftigkeit, Gewissenlosigkeit verursacht. Bloßesa16 Predigen dagegen wird wenig helfen, weil solche Einbildungen dem Menschen gar zu bequem sind, und sich beyc17 der größestenac18 unaufgeklärten Classec20 der Menschen durch gewisse dunkle oder undeutliche Vorstellungen von dem Göttlichern und Wundervolleren, das in unmittelbaren (ohne ihre Mitwirkung erfolgenden) Wirkungen Gottes liege, empfehlen und erhalten. Aber fleißiger, erbaulicher Umgang des Predigers kanc21 desto mehr thun;c22 weil er da mehr die oft sonderbaren Ursachen ihrer Einbildungen erfahren, und diesen entgegen ar|c112|beiten kanc23; weil sie ihn da als einen Menschen gleich wie sich kennen lernen, der /ckeine mehrerec\ ∥c24 Kraft, Menschen selig zu machen, und Unglück von ihnen abzuwenden hat, als sie, in ihrer Art, wenn sie wollen, auch erlangen können; und vornemlichc25, weil er sie da immer mehr gewöhnen kanc26, nur in Gottes Wort, d. i. nur in Betrachtung der göttlichen Wahrheit und deren Anwendung aufs gan|a701|ze Leben, Trost zu suchen, und dieses als das alleinige und unentbehrliche Mittel zu ihrer immer mehrerna27 Besserung überall zu gebrauchen.
Doch zu unserer Zeit mag Verachtungc2 den Stand eines Geistlichen wohl mehr drücken, und das Gute, was er stiften könnte, erschweren. Gewissermassenc3 liegt die Ursache in der immer wachsenden, und sich weiter ausbreitenden Aufklärung und Verfeinerung der Sitten. /a– Jene verursacht:c4 a\ ∥a5 daß bloßesa6 Ansehen der Person oder des Standes weniger wirkt /aals ehedema\, und man mit Recht Klarheit der Sache und Gründe verlangt, wo Ueberzeugung und Folgsamkeit entstehen soll; daß der Lehrer der Religion, wenn er vorzüglich gehört seyn, und Andrec7 leiten will, auch vorzügliche Kenntnisse, wenigstens in der Religion, und, wenn man ihm auch diese erläßt, wenigstens vorzügliche Geschicklichkeit und Fertigkeit haben muß, Religionskenntnisse in einzelnena8 Fällen nützlich zu machen; daß man,a9 beyc10 der Vervielfältigung der wissenswürdigen Gegenstände, von ihm Kenntnisse und Geschicklichkeit auch in vielen andern Sachen, als bloß in der Religion, fordert. /a–a\ Die Verfeinerung der Sitten /cwill selbstc\ ∥c11 jetzt mehr, daß er umgänglich, gesellig, unterhaltend, ein Mann |c113| von gutem Ton seyn soll, als sonst, wo man ∥c12 mit Schlecht und Recht zufrieden war, auch wohl dem Mangel guter oder feiner Lebensart nachsahe, wenn er durch |a702| exemplarisches Betragen ersetzt wurde. Mag diese Forderung übertrieben, mag wenigstens die allgemeine Forderung nicht bloß anständiger, sondern auch feiner Lebensart, ungerecht seyn: so |b127| gehört doch Bequemung nach Sitten, die auf bloß willkührlichenc13 Begriffen vom Wohlstand beruhen mögen, wenn sie /cnichts Sündliches fordernc\ ∥c14, und Erwerbung solcher Kenntnisse und Geschicklichkeiten, die nicht zu unserm eigentlichen Beruf gehören – falls wir beydes,c15 ohne Versäumung näherer und höherer Pflichten erlangen können, – zu der großena16 Pflicht, Allen Alles zu werden, ohne die man Viele nicht für die Religion gewinnen kanc17. Die andern erwähnten Folgen der Aufklärung aber sind so wünschenswürdig, und die darauf gegründeten Forderungen so gerecht, daß jene allen Geistlichen, die mehr Christi Ehre als ihre eignec18 suchen, lieb, diese aber, kräftige Ermunterung zu mehrerm Fleisse,c19 seyn, und sie wie Paulus denken solltenc20 Phil. 1, 18. und Kor. 13, 7. †)c21
Wollte Gott, es gäbe keine andrec2 Ursachen dieser /cVerachtung! Freylichc\ ∥c3 ist ein sehr großera4 |a703| Theil der Geistlichen /cselbstc\ durch ihr Verhalten, in Absicht auf Lehre, Methode und Sitten, eben sowohl Schuld daran, als durch |c114| ihr Eindringen in einen Stand, wozu sie keinen innern Beruf |b128| haben, oder sich doch nicht dessen durch gewissenhaften Fleiß und redliche unermüdete Treue immer würdiger machen;c5 ein Vorwurf, der eben so wahr, als beyc6 der Anwendung gegen den Stand selbst höchst ungerecht ist, und, wenn er so oft geflissentlich hervorgezogen, und so unbestimmt gebraucht wird, beyc7 aller Protestation gegen gehäßigec8 Absichten, ganz andrec9 Ursachen verräth, als bloßena10 Unmuth über vielea11 /cunwürdige Mitglieder dieses Standesc\ ∥c12. Falsche und unedle Würdigung dieses Standes nach dem geringern Verhältniß, in dem er gegen Beförderung sichtbarer und unmittelbarer Vortheile der bürgerlichen Gesellschaft und des Nahrungsstandes steht; Mißgunst gegen billige Entschädigung des Verlustes der Zeit, der Kräfte, und anderweitiger Arten der Erwerbungsmittel, die gehöriger Fleiß, auf Geistesbeschäftigungen gewendet, nicht erlaubt; Mißvergnügen über einen Stand, der, selbst durch Erhaltung und Empfehlung der Religion, Tugend und Gewissenhaftigkeit, der Zügellosigkeit im Denken und in den Sitten entgegen, einem gewissenlosen zeitlichen Interesse im Wege steht, und Ausbrüche des letztern, wo nicht verhindert, doch erschwert, auf diese aufmerksam, und sie verabscheuungswürdig macht; und – worauf allera13 dieser Haß zuletzt beruht,c14 – Gleichgültigkeit oder gar Verachtung gegen Religion |a704| und Tugend selbst, – sind unstreitig die vornehmsten Ursachen dieser bezeigtenc15 Verachtung eines Standes, den seine Absicht und sein unleugbarc16 möglicher Einfluß auf die menschliche |b129| Wohlfahrt verehrungswürdig machen sollten. Jenen Haß durch ein würdiges Verhalten, durch vorzüglichen Fleiß, Treue, Klugheit, Unsträflichkeit, Gemeinnützigkeit, selbst durch Herablaßungac17 zu menschlichen |c115| Schwachheiten, und vorsichtige Bequemung zu unschuldigen Gewohnheiten, zu entwaffnen,ac18 auch /cdies machtsc\ ∥c20, daß die rechtschaffnec21 Führung des geistlichen Amts weit mehr erfordert, als Geschicklichkeit im Vortrage, wenn man die ganze Absicht desselben erfüllen, und den so weit reichenden Nutzen stiften will, den es wirklich stiften kanc22.
Etwas Näheres nun über die ganze Art zu sagen, wie sich der Prediger, als wirklicher |b131| Seelsorger, beyc2 allen Theilen seines Berufs zu benehmen habe, würde hier am unrechten Orte |a706| stehen. Das Allgemeinere, was hier Platz finden könnte, ist schon bisher beyc3 Gelegenheit des Vortrags und dessen Einrichtung erwähnt, und das Uebrige §. 3a4 und /a11. –a\ ∥a5 Wie erlangt man aber die Kenntnisse, die zur gewissenhaften und klugen Führung dieses Amtes nöthig sind?
Manches ist zwar /cjeden Ortesc\ ∥c2 durch Kirchenordnungen bestimmt, und es ist vorc3 sich klar, daß, wer in einem besondern Amte angestellt ist, sie sich eben so, wie jeder gute Bürger die Landesgesetze, bekannt machen müsse. Alleina4 sie betreffen doch eigentlich nur die Polizeyc5 der Kirche, das Aeusserlichec6, das man ohne Verantwortung und Ahndung der Obrigkeit nicht unterlaßenac7 darf, nur /cerzwingliche Pflichtc\ ∥c8; aber nicht die viel /awichtigere Pflichta\ ∥a9, sich gerade so zu betragen, daß der heil|c117|same Zweck des Amtes, die geistige Wohlfahrt der /cunsc\ Anvertrauten, aufs beste erreicht werde, und nichts geschehe, was auf irgend einige Art den Nutzen hindern könne, den der Prediger stiften kanc10. – Eigene nach und nach erlangte Erfahrung thut freylichc11 auch viel, und ohne sie würde sich der Geistliche nicht selbst bilden;a12 zumal, da er nicht allesc13, was er zu seinem rechtmäßigen Betragen wissen muß, durch allgemeinern Unterricht lernen kanc14; da die kluge Anwendung des Allgemeinern auf besondere Fäl|b132|le eigene Geschicklichkeit erfordert; da die besondern Umstände, in die er kommt, vieles erst |a707| lehren, und ihm zeigen müssen, wie er sich eben hier, nach den besondern Bedürfnissen derer, mit welchen er zu thun hat, zu verhalten habe;a15 und da es überhaupt sehr mißlich ist, /cbey eignen Erfahrungen,c\ ∥c16 erst durch Schaden klug zu werden, der oft sich nicht ganz wieder gut machen läßt, oder unangenehme Folgen mit sich führt, deren Eindrücke sich nicht immer ganz wieder auslöschen laßenac17. – Nützlicher, wenigstens nicht so Gefahrvollc18, sind zwar die Belehrungen, die man von andern erfahrnernc19 und verständigernc20 Geistlichen einziehen kanc21. Allein es giebt dieserc22 Geistlichen nicht vielc23, die diese Eigenschaften wirklich besitzen, und deren Erfahrungen oder Pastoralkenntnisse sich weiter, als über das Herkommen oder über das Gewöhnliche, erstrecken. Sie können uns wohl zeigen, was sie gethan haben; aber nicht, ob sie, selbst wenn es glückte, recht und wohl daran thaten? ob es im Grunde nicht mehr geschadetc24 als /cgenutzt habec\ ∥c25? und, wenn auch alles diesc26 nicht /awärea\, ob wir es in unsern Umständen nachahmen dürfen? Der geringste Umstand kanc27 die Sache und die Pflicht verändern. Und wer hat in dringenden Fällen, wo man sich auf der Stelle entschließena28 muß, den |c118| Mann immer beyc29 der Hand, der ihn an das Nöthige erinnerte?
Indessen ist der Umgang mit solchen, die einerleyc2 Geschäfte mit uns treiben, allerdings die |b133| beste Schule, wo wir diesc3 lernen können, wenn |a708| die Männer darnach sind, und wenn wir ihre Belehrung zu benutzen verstehen. Denn wie kanc4 sich der praktische Verstand und Beobachtungsgeist besser, als in den Geschäften selbst, bilden, und, wenn man noch wenig eigene Gelegenheit dazu gehabt hat, oder sich fürc5 Uebereilung oder Unentschlossenheit fürchtet, wie besser, als durch den Umgang mit solchen, deren Grundsätze, Erfahrungen und Beyspielec6 musterhaft sind, in dem besondern Kreise /cvornemlich, worinnc\ ∥c7 wir auch zu handeln haben? Aber es müßten Männer seyn, die, beyc8 wahrer Gewissenhaftigkeit und thätigema9 Eifer für ihren Beruf, praktischen Beobachtungsgeist und praktische Beurtheilungskraft besäßena10, und willig genug wären, den Unerfahrnerenc11 auf das rechte Betragen in einzelnen vorkommenden Fällen aufmerksam und selbstthätig zu machen.
Unstreitig muß der, dem man Klugheit ablernen soll, selbst die nothwendigen Eigenschaften wahrer Klugheit besitzen. Er muß 1) die Welt und das menschliche Herz wohl kennen, also fähig zu genauen Beobachtungen dieser Art, und aufmerksam darauf seyn, wie verschieden die Menschen in ihrer Denkungsart und ∥c2 Charakter sind, in wie mancherleyc3 Lagen sie kommen können, welchen Eindruck die Umstände auf sie, nach ihrer besondern Gemüthsbeschaffen|c119|heit, machen, wie sich dadurch ihre Vorstellungen und |a709| |b134| Neigungen verändern laßenac4, oder eine andrec5 Richtung bekommen, was für Hindernisse und was für Beförderungsmittel in diesem allen liegen, wenn man auf ihr Gemüth wirken will. Diesc6 giebt den Stoff zur Klugheit, der in einzelnena7 Erfahrungen besteht. Aber er muß auch 2) diese einzelnena8 Beobachtungen wohl benutzen, und daraus das Allgemeine, wenigstens das, was gewöhnlich geschieht oder zu erwarten ist, abziehen, um sichrec9 Regeln zu haben, die ihn in ähnlichen Fällen leiten können, wenn er die Menschen und die Umstände richtig beurtheilen, oder gewisse Veränderungen in ihnen hervorbringen will. Wer einen solchen Schatz von allgemeinen praktischen Regeln oder Maximen besitzt, die er aus einzelnena10 Beobachtungen abgezogen, und sich dadurch von ihrer Wahrheit und Brauchbarkeit überzeugt hat, nur der verdient den Namen eines erfahrnenc11 Mannes. Einen Verstand, der dieses vermöchte, könnte man den praktischen Verstand nennen. – Beydec12 Stücke, ich meine: viele Beobachtungen und der praktische Verstand, müssen beyc13 wahrer Klugheit zum Grunde liegen, und man wird so viel fähiger zur Klugheit, je mehr Gelegenheit man hat, Beobachtungen dieser Art anzustellen, je stärker unsrec14 Aufmerksamkeit darauf ist, und je mehr Geistesfähigkeiten man besitzt, zu vergleichen, und daraus bestimmte allgemeine praktische Regeln zu ziehen. – Kommt nun dazu die fleißige Uebung in Anwendung dieser erlangten Erfahrungen auf vorkommende Fälle, wo man selbst handeln,c15 und auf |a710| |b135| Andreac16 wirken soll:c18 so bildet sich nach und nach die Fertigkeit, theils die Umstände, unter welchen man handeln, und die Menschen, die man leiten soll, so weit wenigstens, durchzuschauena19, als |c120| man es zu seiner Absicht braucht, theils gleich hienachac20 das Rathsamste und Thulichstec21 in einzelnena22 Vorfällen zu erkennen. Jenes ist der praktische Beobachtungsgeist, dieses die praktische Beurtheilungskraft /c/a(Th. 1. §. …)a\c\ ∥a23, welche eigentlich die Bestandtheile der Klugheit ausmachen.
Diese Eigenschaften sind zur Bildung des klugen Mannes unentbehrlich; aber unzureichend, den klugen Seelsorger,a2 und durch diesen Andere,c3 zu eben demselben Beruf zu bilden, wenn nicht noch zweyc4 andere Eigenschaften hinzukommen. Die erste, daß er gewissenhaft und voll thätigen Eifers für seinen Beruf seyc5; nicht zufrieden, sein Amt ohngefährc6 und im Aeussernc7 zu thun; |b137| nicht gleichgültig gegen kleinscheinende Mängel, Fehler oder Versäumnisse; überhaupt,c8 nicht gleichgültig gegen immer weitere Fortschritte in der Erkenntniß, in eignerc9 Besserung, im Wohlwollen gegen Andere; sondern seinem Beruf ganz gewidmet; gleich aufmerksam und sorgfältig |a712| in Absicht auf alle Theile desselben; überall bedacht auf dessen Zweck, auf die Besserung der Menschen in ihrem ganzen Umfange; durchaus eifrig, alle Mittel zu finden,c10 und mit Weisheit zu gebrauchen, die sie befördern können. Die zweytec11, daß er williga12 seyc13, /asich Anderna\ ∥a14, die er zu gleichem Zweck bilden könnte, mitzutheilena15, sie auf alle in Anschlag kommende Umstände und auf das diesen angemessenste Betragen aufmerksam zu machen, sie zur Selbstthätigkeit zu ermuntern.
Kanc2 man einen solchen lehrreichen Umgang mit bewährten Geistlichen nicht haben:c3 so bleibt, ausserc4 den andern oben (/a§. 75c5a\ ∥a6) erwähnten Hülfsmitteln, nichts übrig, als das fleißige Studieren der besten Schriften, die einen Geistlichen über den ganzen Umfang seiner Pflichten und über /cbesondre beyc\ ∥c7 seinem Amtc8 vorkommende Fälle, so wie von dem gewissenhaften und klugen Betragen dabeyc9, unterrichten; und welche auch beyc10 dem Gebrauch der übrigen Mittel nothwendigc11 sind, theils, um sich wenigstens vorläufig mit den nothwendigsten Eigenschaften und Vorfällen beyc12 seinem Beruf bekannt zu machen, theils, um das Ganze mehr übersehen zu lernen, und selbst in Absicht auf seltenerea13 und schwerere Fälle vorbereitet zu seyn. /cAusserc\ ∥c14 den oben §. 57ac15 Anm. und in derc17 Anweisung zur Kenntniß der besten theol. Bücher, §. 568 f. angeführten Schriften, verdienen |c123| derc18 patriotische Landprediger (von Joh.c19 Heinr. Reß), /cLeipzig, 1779–84. inc\ ∥c20 |b139| 4 /cStücken inc\ ∥c21 gr. 8c22; ⌇c Ueber Predigerbeschäftigungen,c23 und Predigerbetragenc24 von J. L. Ewald, Lemgoa25 /c1783–89.a26 bisher in 6a27 Heften inc\ ∥c28 gr. /c8; diec\ ∥c29 ⌇c Briefe zur Bildung eines Landpredigers, Hofa30 /c/a1785–90. in 3 Bändena\ ∥a31 in 8c\ ∥c32; und /cdasc\ ⌇c Repertorium über Pastoraltheologie und Casuistik für angehende Prediger, von Christ. Wilh. Oemler, Jenaa33 /c/a1786–89.a\ ∥a34 in 4a35 Theilen in gr. 8, in welchena36 man auch die besten neuesten Schriften über einzelne Be|a714|schäftigungen angezeigt findet,c\
Zur Erhaltung des einem Geistlichen so nöthigen Ansehens gehört auch die Erhaltung seiner Rechte, und, da er in seinem Beruf keines Andern Rechte, besonders in geistlichen und kirchlichen Dingen – die hier eigentlich nur in Anschlag kommen – kränken, zugleich auch die Rechte seines Standes, seines Amtes, seiner Kirche und seiner Gemeinec2 insbesondere, aufrecht erhalten muß: so kanc3 er eine Kenntniß dieser Rechte, ihrer Gränzen, wie weit ihre Erhaltung ihm anvertraut seyc4, und wie er sie handhaben und erhalten solle, nicht entbehren.
Jeder Mensch hat, wie die Pflicht, so das Recht, allesc2 zu thun, was zu seinem Besten dient, also auch nach |c124| Kenntniß alles dessen zu |b140| trachten, was sein Verhältniß gegen Gott betriftc3, dieser Erkenntniß gemäß zu handeln, und allesc4 zu thun, was jene Kenntniß und die Befolgung derselben, mit einemc5 Wort, was seine Religion befördern kanc6. Wollte man den Inbegriff aller dieser Rechte in Absicht auf Religion des Menschen unter Einema7 Namen zusammenfassen: so könnte man ihn das geistliche oder religiöse Recht nennen. Vereinigen sich mehrere Menschen in Eine Gesellschaft, um ihre durch die |a715| Religion zu erhaltende, d. i. geistliche, Wohlfahrt besser zu befördern:c8 so entsteht eine gottesdienstliche Gesellschaft, und, wie man gar wohl sagen könnte, eine Kirche – obgleich dieser Name nur von und unter Christen gebräuchlich istc9 – und tritt sie zusammen, um jene gemeinschaftliche Wohlfahrt durch die christliche Religion zu befördern, so entsteht der Begriff einer christlichen Kirche. Die Gesetze und ihre Folgen, d. i. die Pflichten und Rechte einer Kirche, müßten sich auf die Natur der Sittlichkeit, der Religion, und einer Gesellschaft, die der christlichen Kirche aber, zugleich auf die Lehren des Christenthums, gründen; und niemand hätte das Recht, ihre Rechte und deren Ausübung einzuschränken, oder ihr Gesetze vorzuschreiben, als sie sich selbst. Sogar alsdann, wenn in ihr eine Verschiedenheit der Meinungen über den Umfang des Zwecks, wozu sie sich vereinigt hat, oder über das Verhältniß gewisser Mittel dazu, entsteht, behält jedes einzelnea10 Glied der Kirche das Recht, entweder sich mit den andern durch einen Vertrag zu |b141| vergleichen, oder an gewissen Anstalten nicht Theil zu nehmen, oder sich von dieser Gesellschaft selbst zu trennen. Wenn sie nun einander durch irgend einen Vortraga11 |c125| nachgäben, der alsdann die Kraft eines Gesetzes bekommt, oder ihre vermeinten Rechte kämen in Widerspruch mit den Rechten andrerc12 Personen oder Gesellschaften, deren Rechte, in Absicht auf den zweifelhaften Punctc13, sie anerkenneten, oder diesen Widerspruch durch eine Uebereinkunft ausglichen: so entstünden mensch|a716|liche Kirchengesetze und Rechte, die, sofern sie unter verglichenen Bedingungen gemeinschaftlich angenommen sind, eben so unverbrüchlich als die göttlichen Gesetze, und so lange zu halten wären, als diese Bedingungen durch die Umstände keine Veränderungen litten.
Diejenigen, natürlichen oder positiven, göttlichen oder menschlichen,c2 Gesetze, welche Religion und deren Ausübung betreffen, nebst den daraus entspringenden Rechten, so fern beydec3 aus Quellen fließena4, die allgemein von allen Christen als Quellen anerkannt werden, machen das allgemeine (christliche) Kirchenrecht aus; die aber, welchea5 in gedachter Rücksicht, nur ein Theil der Christen anerkennt, oder wenigstens genehm hält, das besondrec6 Kirchenrecht, welchesa7 so verschieden ist, so viele besondrec8 kirchliche Gesellschaften es giebt, die sich nach diesen Gesetzen als Eine gottesdienstliche Gesellschaft zusammenhalten. Eine Art dieses besondern Kirchenrechts ist das |b142| sogenannte kanonische Recht (im engern Verstande), welches auf kirchlichen Verordnungen (canonibus ecclesiasticis) beruht, die in der römischen Kirche und den mit ihr verbundenen für verbindlich gehalten werden, von welchem noch manche das päbstlichec9 Recht (ius pontificium) unterscheiden, das nur von den Theilen der römischkatholischenc10 Kirche anerkannt |c126| wird, die alle Verordnungen der römischen Päbstec11, um des an sich verbindlichen Ansehens der Päbstec12 willen, als gesetzmäßig annehmen.
Das deutsche protestantische Kirchenrecht ist eine andrec2 Art des besondern Kirchenrechts, und wird in ein öffentliches und Privat-Kirchenrecht getheilt. Jenes, das man auch das deutsche Kirchen-Staatsrecht, nemlichc3 der Protestanten, nennt, ist allen deutschen evangelischen Kirchen gemein, und seine vornehmste Grundlage ist der Augspurgerc4 Religionsfriede von 1555c5, und der westphälische von 1648. Das protestantische Privat-Kirchenrecht ist nach den verschiedenen evangelischen Landeskirchen sehr verschieden, und beruhetc6 auf den Kirchenordnungen, Recessen, Verordnungen der Landesobrigkeit, und der sogenannten wohl hergebrachten Observanz. Es setzt das öffentliche protestantische, und dieses wieder das allgemeine Kirchenrecht, als verbindlich voraus, wo es nicht durch besondrec7 Landesverordnungen oder Einrichtungen eine Einschränkung bekommen hat.
Warum, und wie fernec2 ist das Studium dieser Rechte,c3 einem Lehrer der Religion insbesondrec4 nothwendig? – Schon deswegen, weil er seine eigenen Rechte in Absicht auf Religion, als Mensch und als Lehrer, kennen muß. Pflichten und Rechte hängen unzertrennlich zusammen. Jede Pflicht, von der /cich michc\ ∥c5 überzeugen oder die ichc6 ausüben soll, giebt /cmirc\ auch ein Recht, |a718| die dazu nöthigen Mittel zu brauchenc7; und wenn /cich michc\ ∥c8 gleich meinesc9 |c127| Rechts nur bedienen darf, nicht immer muß:c10 so muß /cichc\ doch nach gewissen Gesetzen /cbestimmenc\ ∥c11, ob /cich michc\ ∥c12 dessen bedienen soll oder nicht,c13 und nach diesen Gesetzen, die eben /cmeine Pflichtc\ ∥c14 bestimmen, /ckan ichc\ ∥c15 pflichtmäßig oder pflichtwidrig handeln, wenn ichc16 von dem Rechte Gebrauch machec17 oder nicht. Wir können also nicht einmal immer recht handeln, und unsrec18 Pflicht beobachten, wenn wir nicht unsrec19 Rechte kennen, und wissen, wo wir sie üben müssen, und wo es uns freyc20 steht,a21 sie zu veräussernc22, oder ihren Gebrauch zu unterlaßenac23. Wie viele und großea24 Sünden entstehen z. B. aus der /cunterlaßenena25 eignenc\ ∥c26 Untersuchung in der Religion und Mittheilung /cmeiner mirc\ ∥c27 richtiger und nützlicher scheinenden Entdeckungen darin an Andere, oder aus dem schrankenlosenc28 Gebrauch des Rechts zu beydenc29?
Eben so wenig darf ichc2 Anderer Rechte beeinträchtigen. Diesc3 würde ichc4 thun, wenn ichc5 |b144| ihnen ihre Rechte, in Absicht auf Religion, Gottesdienst, und was zu dessen Beförderung dient, absprechen, oder einschränken, oder durch den Gebrauch der meinigenc6 sie an der Ausübung der ihrigen hindern, oder sie auch nur bereden wollte, diese, ohne ihre, selbst oft wider ihre,c7 Ueberzeugung, zu veräusserenc8, und /cmir nachzugebenc\ ∥c9, oder sie hindern, ihre veräussertenc10, aber ihrer Natur nach unveräusserlichen,c11 Rechte wieder an |a719| sich zu bringen. Noch mehr, wenn ichc12 die Rechte Anderer, deren Untersuchung, Erhaltung und Ausübung mirc13 anvertraut ist, vernachläßigtec14 oder veruntreuete. /a–a\ Nun sind viele solche dem Lehrer der Religion anvertrauet, vornemlichc15 so fern er einer besondern kirchlichen Gesellschaft vorge|c128|setzt ist; und, wenn er sie auch allein weder bestimmen noch handhaben darf:c16 so hat er doch das Recht und die Pflicht, Acht zu geben, wo sie vernachläßigtc17 oder beeinträchtigt werden, um den Obern davon Anzeige zu thun, und Vorstellungen zu machen. Daher muß er in /aaller Absichta\ ∥a18 diese Rechte, wenn er nicht seine Pflichten, zum großena19 Schaden Anderer, vernachläßigenc20, oder überhaupt Anderer Rechten zu nahe treten will, sorgfältig suchen kennen zu lernen.
Zu diesen Rechten gehören nicht nur die, welche aus der Natur des Menschen, der Gesellschaft, der Religion und des Gottesdienstes nothwendig fließena2, sondern auch die, so auf einer willkührlichenc3 Uebereinkunft, oder auf den Verordnungen und Veranstaltungen dererjenigenc4 beruhen, die das Recht hatten, das, was aus jenen Quellen nicht nothwendig floß, oder dadurch unbestimmt war, um der guten Ordnung willen, zu bestimmen, welchesa5 hiedurchc6 also von ih|c129|nen, die in solchen Sachen eine gesetzgebende Befugniß hatten, auch eine gesetzmäßige, oder, durch das unwidersprochnec7 Herkommen, eine ähnliche Krafta8 bekam. Da solche Verfügungen, die sich auf bloß menschliches Ansehen gründen, in verschiednenc9 gottesdienstlichen Gesellschaften sehr verschieden sind (§. /ac82 u. 83):ac\ ∥ac10 so ist es Pflicht eines in einer solchen besondern Gesellschaft angestellten |b146| Lehrers, sich auch diese positiven kirchlichen Gesetze und Anstalten, und die daraus fließendena12 Rechte und Pflichten bekannt zu machen, um keine zu vernachläßigenc13, zu verletzen, oder sich dadurch Verantwortung zuzuziehen, um dieselben aufrecht zu erhalten, und andernc14, die darüber belehrt seyn wollen, Unterricht und Rath zu ertheilen;a15 welches ja, /cso fernc\ ∥c16 solche äusserec17 Anstalten auch eine innerliche Verbindlichkeit, sie zu beobachten, mit sich führen, einen Theil der ihm anvertrauten Seelsorge ausmacht. Man sieht von selbst, daß, in dieser Rücksicht,c18 ein protestantischer Lehrer verbunden |a721| seyc19, vorzüglich /csichc\ das protestantische allgemeinerea20, und, als ein Glied und Vorsteher einer besondern protestantischen Landeskirche, auch das ihn und seine gottesdienstliche Gesellschaft angehende besondreac21 Kirchenrecht zu studieren.
Minder nothwendig könnte einem protestantischen Geistlichen das Studium des kanonischen Rechtesc2 scheinen, und ist es auch für die meisten. Aber, – nicht zu gedenken, daß es zu besserer Einsicht der Kirchengeschichte dienen kanc3, und manche Veränderungen der Kirche ohne die Kenntniß der in ihr angenommnenc4 Gesetze und |a722| Rechte nicht recht verständlich oder begreiflich sind;c5 – so enthält das protestantische Kirchenrecht zum Theil noch viele Ueberbleibsel aus dem kanonischen;a6 und die Protestanten in Deutschland haben selbst durch Verträge sich zur Beybehaltungc7 mancher auf das kanonische Recht gegründeten Einrichtungen verstanden. Um diese zu verstehen, ist die Kenntniß des kanonischen nicht zu entbehren. – /acUeber diesac\ ∥ac8 leben viele protestantische Geistliche an solchen Orten, wo die Römischkatholischenc10 entweder die herrschende Kirche ausmachen, oder neben den Protestanten leben;c11 wo sie also auf einer Seite nie die Rechte derselben kränken, noch zu Gegeneingriffen Gelegenheit geben, auf der andern aber wachen müssen, daß ihre eignenc12 Rechte nicht durch die Ansprüche jener beeinträchtigt werden, und daß, wenn man diese letztern oder die daher entstehendec13 Bedrückungen |b148| auf gewisse Rechte gründet, alsdann die gute Sache der Protestanten nach den von den Gegnern selbst durch Friedensschlüsse und Verträge zu|c131|gestandenen protestantischen, oder selbst nach kanonischen,c14 Rechten vertheidigt werde. – Ueberhaupt aber ist schon die Kenntniß des kanonischen Rechts sehr nützlichc15 zu besserera16 Einsicht und Beurtheilung der zwischen unsrerc17 und der römischkatholischenc18 Kirche obwaltenden Streitigkeiten, die größtentheils ihren Grund in dem kanonischen Rechte haben; so wie dieses manches Zeugniß der Wahrheit gegen jene Kirche enthält, und die Unschuld oder Nothwendigkeit des Abgangs der Protestanten von jener Kirche rechtfertigt. – Endlich |a723| wird die Kenntniß dieses Rechts protestantische Lehrer vorsichtig machen, aus falschen Begriffen von Toleranz oder aus Unkunde desjenigen, was diea19 in der römischkatholischenac20 Kirche für Recht haltena22, keine Schritte zu thun, wodurch man ihnen Blößena23 giebt, oder etwas einräumt, wonach sie glauben können, in den Besitz gewisser Rechte gesetzt zu seyn, und sich nicht eine mögliche Vereinigung mit dieser Kirche zu erträumen, die allezeit auf Kosten der Protestanten gehen würde.
Aus dem bisher Gesagten erhellet schon, daß das Studium der geistlichen Rechte nicht jedem gleich nothwendig, wem es am unentbehrlichsten, und welche Arten derselben für einen Geistlichen unsrerc2 Kirche die nothwendigsten seyenc3; und da zugleich oben angegeben ist, worauf sich diese |b149| verschiedenec4 Arten gründen:c5 so sind /c–c\ eben damit auch die Quellen angezeigt, woraus jede dieser Wissenschaften zu schöpfen ist. Vernunft und die heil.c6 Schrift, so weit sie uns auf christliche Kirchenrechte führt, sind jedem zugängliche Quellen;a7 und je fleißiger und unbefangnerc8 man beydec9, mit den gehörigen Kenntnissen und Hülfsmitteln ver|c132|sehen, /cstudiert:a10 jec\ ∥c11 mehr werden alte Vorurtheile in der geistlichen Rechtsgelehrsamkeita12 verschwinden, und neue Aufschlüsse, wenigstens eine gründliche Ueberzeugung von den wahren geistlichen Rechten, entstehen. Noch ist hier nach jenen zweyc13 Quellen, und zumal der ersteren, |a724| Vielesa14 aufzuräumen; es fehlt auch wirklich noch an einem recht geläuterten und gründlichen allgemeinen Kirchenrecht. – Zur Kenntniß dessen, was in dem geistlichen Rechte positiv ist, und auf einer von Menschen beliebten Ordnung beruht, ist genauere Kenntniß der christlichen Kirchengeschichte und Bekanntschaft mit solchen Sammlungen nöthig, welche die Gesetze und gesetzmäßige Einverständnisse enthalten.
Wem es, diese zu brauchen,c2 oder zu verstehnc3, an Fähigkeit, Gelegenheit oder Mußea4 fehlt, oder wer doch gern das Vornehmste dieser Rechtswissenschaftc5 mehr im Ganzen übersehen will, /cdem möchten vorzüglich folgende Bücher zu empfehlen seync\ ∥c6, die selbst in Rücksicht auf Geistliche unter den Protestanten und auf mehrere Verständlichkeit /afür siea\ ∥a7 die brauchbarsten /czu seyn scheinen:c\ ∥c8
|b150| ∥c9 Für den Anfangc10, in Absicht auf das protestantische deutsche und das damit verbundene allgemeine Kirchenrecht ∥c11:
|b151| Das /cgedachte böhmerischec\ ∥c37 Kirchenrecht dient zugleich zur Kenntniß des kanonischen, so fern man es /cwillc\ mit dem protestantischen ∥c38 vergleichen /clernenc\ ∥c39. /a–a\ Zur nähern Erkenntniß des kanonischen wäre rathsam, erstlich sich die Geschichte derselben aus /cSpitlers und Pertschens Geschichte (s. Anweis. zur Kenntniß theol. Bücher, §. 424.)c\
Die Kenntnißa2 des deutschen protestantischen Privat-Kirchenrechts, das in verschiedenen Kirchen so verschieden ist, muß jeder aus der Kirchenordnung seines Landes und den dazu nach und nach gekommnenc3 Landesverordnungen /cschöpfen.c\ ∥c4 Mehrere /csolchec\ Kirchenordnungen /cverschiedner Provinzienc\ ∥c5 enthält ∥c6 ⌇c Joh. Jac. Mosersc7 Corpus iuris Euangelicorumc8 ecclesiastici, Züllichaua9 /c1737. in zwey Quartbänden; kürzerc\ ∥c10 und besser geordnet kanc11 man ∥c12 das Wichtigste aus solchen Kirchenordnungen in der ⌇c Pastoraltheologie /c- -c\ von Volkmar Dan. Spörl, Nürnberga13 1764. /cinc\ 8. ⌇c übersehen. |c135| ⌇⌇c Für /cdie preußischenc\ ∥c14 Kirchen findet man das Wesentlichste der Kirchenverordnungen beysammenc15 in ⌇c Wilh. Heinr. Beckhersc16 Kirchenregistratur /c- -c\ des Königreichs Preus|b152|senc17, der zweytenac18 vermehrten Auflage, Königsberga20 1769. /cin 4.c\ ∥c21 mit der /cFortsetzung, 1773.c\ ∥c22 und ∥c23 ⌇c Ludw. Ernst Borowskic24 neuema25 preußischen Kirchenstaat, ebendaselbsta26 1788. /c4.c\ ∥c27 ⌇c Sal. Deylingii Institutiones iurisprudentiae pastoralis, Ed. 3. auctior per Chr. Wilh. Küstnerum, Lips. 1768. 8. ⌇c enthalten /cauchc\ viel /cBesonderes, vornemlichc\ ∥c28 in Rücksicht auf die /csächsischen Kirchen.c\
Daß auch nach der Reformation in dem protestantischen Kirchenwesen nicht Alles vollkommen, und noch fortdauernd viel zu verbessern übrig geblieben ist, haben die Unbefangenen zu allen Zeiten gefühlt; und es ist daher auch, wenigstens in manchen Ländern immerfort daran gearbeitet |c136| worden, so manche Ueberreste aus der katholischen Zeit wegzuschaffen, und so manchen Einrichtungen eine bessere, den Fortschritten des menschlichen Geistes und dem Bedürfniß der Zeit angemeßnere Gestalt zu geben. Daher ist auch hierin ein Land dem andern, selbst eine Provinz der andern voraus, ja sogar manche Stadt desselben Landes der andern, wenn es thätigen und exergischen Männern oder Konsistorien gelungen ist, diese und jene Verbesserung früher zu Stande zu bringen. Es ist aber auch Manches, was früherhin allgemein anerkannt und befolgt ward, nach und nach von selbst eingeschlafen, wo nicht verschwunden, weil die Zeit überhaupt einen andern Charakter angenommen hat.
Die neueste Zeit ist, aufgeregt durch die großen Begebenheiten, die wir erlebt haben, und in welchen Religion und Kirche selbst wieder mehr ein Gegenstand des allgemeinen Gesprächs und Nachdenkens geworden ist, vorzüglich fruchtbar an Vorschlägen und Versuchen gewesen, Altes umzugestalten, oder das Wankende wieder zu befestigen. Ganz besonders hat in dem Preußischen Staate die Organisation der Synodalverfassung Anlaß gegeben, und wird ihn noch ferner geben, vieles, was auf Kirchenregiment, Kirchenordnung, Kirchenzucht und Kirchenvereinigung, und über die Mittel, den Kirchen und der Religion selbst wieder aufzuhelfen, Beziehung hat, zur Sprache zu bringen. Es sind auch schon vorläufig manche Vorschläge dazu erschienen, welche, nachdem sie mehr oder minder in einem hierarchischen oder in einem liberalen Geiste geschrieben waren, auch mehr oder minder Widerspruch gefunden haben. Besonders verdienen von der einen oder der andern Seite beachtet zu werden:
Die im Jahr 1818. den Synoden des Preuß. Staats zur Prüfung übergebene Anleitung zum Entwurf der Kirchenordnung, wird unstreitig noch immer mehr Anlaß zu gründlichen Erörterungen dieser nicht leichten Aufgabe an die Hand geben.c