|b153| Vierter Theil.
Von den Fähigkeiten eines künftigen Lehrers der Religion, und von den allgemeinen Uebungen, wodurch er zu einen solchen gebildet werden kan.
91.
Bey allen Schritten, die ein Mensch mit Ueberlegung thut, und vorzüglich bey der Wahl eines Berufs oder einer Beschäftigung, der er ganz eigentlich seine ersten Kräfte widmen will, wird er sich allezeit zwey Fragen vorlegen, wenigstens eher nicht wählen, als bis er von diesen zwey Puncten gewiß ist. Erstlich: Wenn ich eine gewisse Absicht habe, was wird erfordert, wenn sie erreicht werden soll? Hernach: Bin ich der, der dies leisten kan? oder wie werde ich es ? – Wir haben bisher von dem Zweck der Religion und des zu ihrer Förderung bestimmten Lehrstandes sowohl, als von den dazu nöthigen Wissenschaften, und der zu jenem Zweck diensamen Anwendung derselben, geredet, und dadurch den, der sich diesem |b154| Berufe widmen will, in den Stand zu setzen gesucht, das überzeugend einzusehn, was zur würdigen Bekleidung desselben erfordert werde. Noch ist also nur die zweyte Frage übrig, die eine sehr ernstliche Untersuchung verdient.Bey allen Schritten, die ein Mensch mit Ueberlegung thut, und vorzüglich bey der Wahl eines Berufs oder einer Beschäftigung, der er ganz eigentlich seine ersten Kräfte widmen will, wird er sich allezeit zwey Fragen vorlegen, wenigstens eher nicht wählen, als bis er von diesen zwey Puncten gewiß ist. Erstlich: Wenn ich eine gewisse Absicht habe, was wird erfordert, wenn sie erreicht werden soll? Hernach: Bin ich der, der dies leisten kan? oder wie werde ich es ? – Wir haben bisher von dem Zweck der Religion und des zu ihrer Förderung bestimmten Lehrstandes sowohl, als von den dazu nöthigen Wissenschaften, und der zu jenem Zweck diensamen Anwendung derselben, geredet, und dadurch den, der sich diesem |b154| Berufe widmen will, in den Stand zu setzen gesucht, das überzeugend einzusehn, was zur würdigen Bekleidung desselben erfordert werde. Noch ist also nur die zweyte Frage übrig, die eine sehr ernstliche Untersuchung verdient.
92.
Denn, gesetzt, ich hätte die Fähigkeiten nicht, die zur Erfüllung meiner Pflichten, als eines Lehrers der Religion, erforderlich sind; ich hätte auch keine gegründete Hoffnung sie durch gehörige Uebung meiner Kräfte zu erlangen; oder ich nähme mir nicht einmal die Mühe, reiflich zu überlegen, ob ich sie hätte oder erlangen könnte: was würden die Folgen davon seyn? – In Absicht auf mich, – und wenn ich selbst keinen Geschmack an diesen Beschäftigungen fände, – daß ich dann die Pflicht meines Berufs entweder gar nicht, oder mit Widerwillen oder Gleichgültigkeit, erfüllete, und mir alles, was mir das Vornehmste und Liebste seyn sollte, eine stete Quaal und elende Sclavenarbeit würde; – wenn ich aber doch noch diese Beschäftigungen liebte – daß ich dann auf die größtentheils vergeblich verwendete Mühe und Zeit, die ich hätte nützlicher und nutzbarer brauchen können, mit Reue zurück, so wie mit Gram in die Zukunft hinsehen müßte. – In Absicht auf Andre aber, wie muß mir zu Muthe seyn, wenn ich bedenke: daß ich die Erwartung derer, die mich zu diesem Stande berufen, mir ihre wichtigste Angelegenheit, die Sorge für die Religion, für ihr Gewissen, für |b155| ihre Gemüthsruhe, anvertraut haben, die mich selbst deswegen von ihrem Vermögen erhalten, und mich von andern bürgerlichen Beschäftigungen lossprechen, wenn ich also diese und meine Hauptabsicht nicht, wenigstens nicht mit gebührenden Fleiß, erfüllte noch erfüllen könnte; wenn ich ihnen zur großen Last fiele; und Andern hinderlich gewesen wäre, die weit würdiger diesen Beruf würden bekleidet haben? Wie sehr müßte dieses alles mein Leben verbittern, mir selbst noch im Tode die angenehme Rücksicht auf ein bestmöglichst angewendetes Leben, und die süße Aussicht auf die Zukunft rauben?Denn, gesetzt, ich hätte die Fähigkeiten nicht, die zur Erfüllung meiner Pflichten, als eines Lehrers der Religion, erforderlich sind; ich hätte auch keine gegründete Hoffnung sie durch gehörige Uebung meiner Kräfte zu erlangen; oder ich nähme mir nicht einmal die Mühe, reiflich zu überlegen, ob ich sie hätte oder erlangen könnte: was würden die Folgen davon seyn? – In Absicht auf mich, – und wenn ich selbst keinen Geschmack an diesen Beschäftigungen fände, – daß ich dann die Pflicht meines Berufs entweder gar nicht, oder mit Widerwillen oder Gleichgültigkeit, erfüllete, und mir alles, was mir das Vornehmste und Liebste seyn sollte, eine stete Quaal und elende Sclavenarbeit würde; – wenn ich aber doch noch diese Beschäftigungen liebte – daß ich dann auf die größtentheils vergeblich verwendete Mühe und Zeit, die ich hätte nützlicher und nutzbarer brauchen können, mit Reue zurück, so wie mit Gram in die Zukunft hinsehen müßte. – In Absicht auf Andre aber, wie muß mir zu Muthe seyn, wenn ich bedenke: daß ich die Erwartung derer, die mich zu diesem Stande berufen, mir ihre wichtigste Angelegenheit, die Sorge für die Religion, für ihr Gewissen, für |b155| ihre Gemüthsruhe, anvertraut haben, die mich selbst deswegen von ihrem Vermögen erhalten, und mich von andern bürgerlichen Beschäftigungen lossprechen, wenn ich also diese und meine Hauptabsicht nicht, wenigstens nicht mit gebührenden Fleiß, erfüllte noch erfüllen könnte; wenn ich ihnen zur großen Last fiele; und Andern hinderlich gewesen wäre, die weit würdiger diesen Beruf würden bekleidet haben? Wie sehr müßte dieses alles mein Leben verbittern, mir selbst noch im Tode die angenehme Rücksicht auf ein bestmöglichst angewendetes Leben, und die süße Aussicht auf die Zukunft rauben?
93.
Unumgänglich nothwendig also, ehe man sich dem Beruf eines Lehrers der Religion widmet, ist: einmal, zu wissen: ob man diesem Stande und den darinn zu erfüllenden Pflichten gewachsen sey; folglich wohl zu untersuchen: welche Fähigkeiten dieser Beruf und dessen ganzer Umfang erfordert? und woraus man es abnehmen könne, daß man sie besitze oder nicht? damit man im Stande sey, sich vernünftig und gewissenhaft zu prüfen. Hernach, zu untersuchen: durch welche Mittel oder Uebungen man diese Fähigkeiten, nebst den bey diesen Beruf nöthigen Kenntnissen, erlangen und vermehren, und wie man diese Mittel aufs vortheilhafteste dazu anwenden könne.Unumgänglich nothwendig also, ehe man sich dem Beruf eines Lehrers der Religion widmet, ist: einmal, zu wissen: ob man diesem Stande und den darinn zu erfüllenden Pflichten gewachsen sey; folglich wohl zu untersuchen: welche Fähigkeiten dieser Beruf und dessen ganzer Umfang erfordert? und woraus man es abnehmen könne, daß man sie besitze oder nicht? damit man im Stande sey, sich vernünftig und gewissenhaft zu prüfen. Hernach, zu untersuchen: durch welche Mittel oder Uebungen man diese Fähigkeiten, nebst den bey diesen Beruf nöthigen Kenntnissen, erlangen und vermehren, und wie man diese Mittel aufs vortheilhafteste dazu anwenden könne.
|b156| Diese Wahl kan eigentlich dann erst recht geschehen, wenn man die Jahre des Verstandes erreicht, und diesen schon durch mancherley zusammenhängende Kenntnisse und Uebungen, überhaupt zu Wissenschaften, gebildet hat; und sie wird gemeiniglich zu der Zeit vollzogen, wo man die Schule verläßt, um sich nun näher zu einer bestimmten Lebensart vorzubereiten. Aber nur sehr wenige können zu dieser Zeit schon vernünftig und bestimmt genug wählen; – weil die Wenigsten rechte Vorerkenntnisse von den sogenannten höhern Wissenschaften, ihrem Umfang und ihren Erfordernissen besitzen; – weil die Meisten ihren Verstand nicht genug gebildet haben, und zu sehr gewohnt sind, nach sinnlichen Eindrücken und dem äusserlichen Reitz eines gewissen Standes zu urtheilen; und – weil nur Wenige so vorzüglich zu gewissen Beschäftigungen und Wissenschaften aufgelegt sind, daß bey ihnen die Natur selbst unwidersprechlich für die ihnen angemessenste Beschäftigung entschieden hätte. – Daher sollte man schon auf Schulen, denen, bey welchen man wirkliche Anlage zu Gelehrten bemerkte, eine allgemeine vorläufige Idee von allen Wissenschaften und dem, was dazu erfordert wird, etwa nach der Meineckschen Synopsis eruditionis vniuersae , geben; bey allem Schulunterricht ja auf eignes Denken junger Leute, auf Uebung ihres Verstandes, und auf Hervorbringung einer zusammenhängenden Erkenntniß sehen; ihnen in Zeiten richtige Begriffe von der wahren Gestalt und dem eigentlichen Werth äusserlicher Dinge in der Welt, so wie von dem |b157| rechten Zweck verschiedner Stände, beybringen, und sie, Rechtschaffenheit und Gewissen über alles schätzen lehren; endlich, wenn man bey ihnen nicht ganz entscheidende Talente für eine besondre Wissenschaft bemerkte, durch öftere Unterredungen und aufgegebene Versuche, besondre Gegenstände in gewissen Wissenschaften zu bearbeiten, zu entdecken suchen, wozu sie sich am besten schickten, und ihre Neigung besonders darauf leiten.