<front>
<titlePage xml:id="bs_b_tp">
<pb xml:id="bs_b_page_I" edRef="#b" type="sp" n="I"/>
<docAuthor><choice>
<abbr>D.</abbr>
<expan>Doctor</expan>
</choice>
<index indexName="persons-index">
<term>Semler, Johann Salomo</term>
</index><persName ref="textgrid:250ds">Joh. Sal. Semlers</persName></docAuthor>
<docTitle>
<lb/>
<titlePart type="main"><choice>
<orig>Antwort <lb/>auf das <lb/>Bahrdische
<lb/>Glaubensbekentnis.</orig>
<supplied reason="toc-title">b) D. Joh. Sal. Semlers Antwort auf das
Bahrdische Glaubensbekentnis</supplied>
<supplied reason="column-title">Semler, Antwort auf das Bahrdische
Glaubensbekentnis, 1779</supplied>
</choice></titlePart>
</docTitle>
<lb/>
<docImprint>Halle, <lb/>im Verlag der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_tp_1"/><persName ref="textgrid:3r6d2">Hemmerdeschen</persName> Buchhandlung, <docDate>1779.<ptr type="bibliographic-object" target="textgrid:3rnn5"/></docDate></docImprint>
</titlePage>
<pb xml:id="bs_b_page_II" edRef="#b" type="sp" n="II"/>
<div type="preface" xml:id="bs_b_pf_1">
<head><pb xml:id="bs_b_page_III" edRef="#b" type="sp" n="III"/>
<choice>
<orig>Vorrede.</orig>
<supplied reason="toc-title">Vorrede</supplied>
</choice></head>
<p>Es ist wol nicht nötig, mich weitläuftig und künstlich erst zu rechtfertigen, daß
ich auf das <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_1"/><hi><persName ref="textgrid:2541p">bahrdische</persName></hi> Glaubensbekentnis<ptr type="bibliographic-object" target="textgrid:3rnj8"/> eine öffentliche
Antwort ertheile. Ich wil also auch nicht umständlich anfüren, daß ich von
mehrern dazu ersucht worden bin; die nicht sowol erst erfaren wolten, ob ich
auch unter den <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_2"/>angeblichen
Tausenden seie, welche eben diese Lehrsätze vorziehen, und sogar eine neue
algemeine <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsform</term>
</index>Religionsform zu wünschen für wichtig halten; als vielmehr hoffeten, daß
ich zu einer ehrlichen Untersuchung und eben so freien <pb xml:id="bs_b_page_IV" n="IV" edRef="#b" type="sp"/> Beurtheilung ganz gewis bereit und willig seyn
würde; wonach allerdings kein unansehnlicher <index indexName="subjects-index">
<term>Nutzen</term>
</index>Nutzen für unsre Zeitgenossen in mehr als einer Absicht, zu erwarten
seyn könte. Eben so freie Beurtheilung des Bekäntnisses, ohne Zurückhaltung, muß
doch wenigstens eben sowol auf unserer Seite rechtmäßig heissen: als der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sich eine in der That sehr grosse
Freiheit erlaubet hat. Alle billigen und noch <index indexName="subjects-index">
<term>unparteiisch</term>
</index>unparteiischen Leser werden es also nicht übel deuten, daß gerade ich,
hier, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_3"/>an eben dem Orte,
meine Beurtheilung öffentlich bekant mache, wo sich der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> für jetzt aufhält; es konte dis in mehr
als einer Rücksicht wirklich vortheilhaft oder nötig heissen, da ohnehin manche
seltsame Gerüchte sich ausgebreitet haben, denen man sogar eine furchtbare
Stellung oder einen solchen Zusammenhang geben wolte, der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_4"/>unserer
<hi>Universität</hi> nachtheilig heissen solte. Je gewisser es ist, daß eine
rechtmäßige wünschenswerthe <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_5"/><index indexName="subjects-index">
<term>Toleranz</term>
</index><hi>Toleranz</hi> bey uns, und besonders, <pb xml:id="bs_b_page_V" n="V" edRef="#b" type="sp"/> was unsere <hi>theologische</hi> Lehrart betrift,
sich schon lange ausgezeichnet hat, vor vielen andern <hi>teutschen</hi>
Universitäten, wenn auch ich insbesondre schon eben so lange von manchen
Eiferern übel und unfreundlich darüber beurtheilet worden bin: desto
ausgemachter ist es wol auch, daß niemand unter uns den <choice>
<abbr>Hrn.</abbr>
<expan>Herrn</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> um dieses Uebertrits willen zur <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_6"/><index indexName="subjects-index">
<term>sozinianisch</term>
</index><hi>socinianischen</hi> Partey, zu drücken und zu verfolgen gesonnen
seie; wir behalten alle <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenliebe</term>
</index>Menschenliebe und Achtung, die wir in änlichem Falle uns je wünschen
mögen. Indessen wird auch dis <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_7"/>kein Beweis einer <index indexName="subjects-index">
<term>Verfolgung</term>
</index>Verfolgung heissen können, wenn man geradehin und öffentlich dieses
Bekentnis historisch unrichtig, unzuverläßig, und in Absicht des geäusserten
Widerspruchs wider <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_8"/>die
<hi>augspurgische Confeßion</hi>, und wider alle feierliche Grundsätze der
<ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_9"/>drey <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsparteien</term>
</index>Religionsparteien im römischen Reiche, ungegründet nent; auch die
Wünsche für eine <hi>ganz andre Vereinigung</hi> dieser drey Parteien, durch
eine <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_10"/>vierte
Religionsform, als <pb xml:id="bs_b_page_VI" n="VI" edRef="#b" type="sp"/>
unthunliche, und unnötige, übereilte ansiehet. Gerade diese <index indexName="subjects-index">
<term>Freiheit</term>
</index>Freiheit, solchen öffentlichen Aufsätzen, eben so öffentlich zu
widersprechen, gehört noch mehr zu den Rechten dieser Kirchen, als zu der
Pflicht, die man der Untersuchung des <index indexName="subjects-index">
<term>Wahre, das</term>
</index>Wahren, oder vorzüglich Wahren schuldig ist. Wenn also sonst es unsern
höchsten Obern nicht zuwider ist, und sie es der öffentlichen Geselschaft nicht
nachtheilig erachten: wird es mir und andern öffentlichen Lehrern gar nicht
entgegen seyn, daß der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> nun mit mehrern sich über seine
übereilte Sätze und Aufgaben, oder Behauptungen, gelegentlich erklärt; damit
auch andre Zeitgenossen Gelegenheit haben, <index indexName="subjects-index">
<term>Gründe</term>
</index>Gründe von beiden Seiten zu lesen und zu beurtheilen; so wenig auch, auf
Seiten des <choice>
<abbr>Hrn.</abbr>
<expan>Herrn</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfassers</rs> irgend etwas neues vorgebracht worden
ist oder werden kan.</p>
<p>Ich wil mich hier nicht insbesondre darüber heraus lassen, daß ich alle Entwürfe
ei<pb xml:id="bs_b_page_VII" n="VII" edRef="#b" type="sp"/>nes algemeinen
Systems, oder Lehrbegrifs für alle Christen, ganz und gar für ungegründet halte;
es ist meine Beurtheilung, der ich mich nicht schäme; indem solche Entwürfe
stets <index indexName="subjects-index">
<term>Entwürfe, lokale</term>
</index><hi>local</hi> sind und bleiben; aller gute <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterricht aber darauf mitgehet, den fähigen Zeitgenossen in Absicht
eigener Einsichten und Urtheile beförderlich zu seyn; folglich ihre <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensfreiheit</term>
</index>Gewissensfreiheit in immer grössere Uebung zu setzen; und nun werden
diese wol aus ihrer eigenen <index indexName="subjects-index">
<term>Erfahrung</term>
</index>Erfarung wissen, wie es mit eigenen Erkentnissen zugehet, und werden
niemanden, der mitdenken kan, ihre <index indexName="subjects-index">
<term>Geschichte, moralische</term>
</index>moralische Geschichte oder ihre Einsicht aufdringen. Mit vieler
Aufmerksamkeit habe ich daher stets Studiosos Theologiä davon zu überzeugen
gesucht, daß sie die Mannichfaltigkeit und Ausdenung der <index indexName="subjects-index">
<term>Welt, moralische</term>
</index><hi>moralischen</hi> Welt, nach Ost und West, Süden und Norden, nach
allen Strichen und Climatibus, und die Mannichfaltigkeit aller ihrer
Veränderungen hinlänglich überdenken, und danach ihr Lehramt gewissenhaft und
mit <pb xml:id="bs_b_page_VIII" n="VIII" edRef="#b" type="sp"/> Zuversicht einst
füren möchten. Alles, was zur eigentlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Theologie</term>
</index>Theologie gehört, seie Vorbereitung zu ihrer besondern Geschicklichkeit
und Gewissenhaftigkeit; beides müsse sie, als Lehrer, von den andern
Zeitgenossen gar sehr unterscheiden. Alle geschickte und gewissenhafte Lehrer
aller drey grossen <index indexName="subjects-index">
<term>Kirchenparteien</term>
</index>Kirchenparteien kämen darin überein, daß die eigentlichen unmittelbaren
<index indexName="subjects-index">
<term>Grundartikel</term>
</index>Grundartikel des christlichen Glaubens, oder der christlichen Religion,
wie sie eine christliche Fertigkeit und Glückseligkeit gewähret, allen Parteien
wirklich gemein seien und bleiben, obgleich in sehr verschiedenen
Gesichtspuncten; und darauf gründe sich theils eine wahre Verträglichkeit und
redliche geselschaftliche Verbindung, theils auch die feierlichen öffentlichen
Religionsrechte, nachdem man der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_11"/><hi><index indexName="subjects-index">
<term>Unionsarbeiten</term>
</index>Unionsarbeiten</hi> müde geworden. Die <hi>besondern</hi>
Bestimmungen, in sogenanten <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_12"/><index indexName="subjects-index">
<term>symbolische Bücher</term>
</index><hi>symbolischen</hi> Büchern seit dem 16ten Jahrhundert, beschrieben
die jetzige wirkliche Verschiedenheit aller dieser Christen, <pb xml:id="bs_b_page_IX" n="IX" edRef="#b" type="sp"/> in Absicht der bey
ihnen, wirklich eingefürten, <index indexName="subjects-index">
<term>Denkungsart, lokale</term>
</index><hi>localen</hi> Denkungsart und <index indexName="subjects-index">
<term>Lehrart, lokale</term>
</index>Lehrart; mit ausdrücklicher neuen äusserlichen Verbindung einer jeden
solchen besondern Religionspartey. Diese äusserliche Verbindung beruhe auf den
obrigkeitlichen Rechten, und könne in Absicht des einheimischen Gebrauchs und
Verhältnisses so und so von der Obrigkeit und <index indexName="subjects-index">
<term>Kirchengesellschaft</term>
</index>Kirchengeselschaft streng fortgesetzt, oder aber etwas abgeändert
werden; wenn sie gleich in dem ersten Verhältnis, gegen Juden und Heiden, und
gegen gewesene Kirchengewalt der Päbste, ein für allemal unveränderlich bleibe.
Unter dieser Anleitung bleibe das noch so verschiedene <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissen der Christen ungekränket und unbeeinträchtiget; die
Abwechselung der historischen Erkentnis frey und vor GOtt unsündlich;
entstehende Zweifel würden leicht gehoben, oder so weit zurück gesetzt, daß sie
den Christen nicht in <index indexName="subjects-index">
<term>Gefahr, moralische</term>
</index>moralische Gefar und Unordnung füren könten. Ein Lehrer könne also, ohne
geradehin gleichgültig oder gottlos zu denken, gar <pb xml:id="bs_b_page_X" n="X" edRef="#b" type="sp"/> wohl einsehen, daß <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_13"/>auch <hi><index indexName="subjects-index">
<term>Sozinianer</term>
</index>Socinianer, <index indexName="subjects-index">
<term>Arianer</term>
</index>Arianer, <index indexName="subjects-index">
<term>Sabellianer</term>
</index>Sabellianer</hi> wirklich zu Christen gehörten, und keinen Haß oder
Abscheu um der Religion willen bey andern Christen verdienten; ob sie gleich in
der öffentlichen Geselschaft der im Staate grössern oder schon aufgenommenen
Partey, eben so wenig mit diesen Christen einerley äusserliche Rechte hätten und
haben könten, die ihnen auch Gewissens wegen gar nicht nötig seien, als
<hi><index indexName="subjects-index">
<term>Juden</term>
</index>Juden</hi> und <hi><index indexName="subjects-index">
<term>Muhammedaner</term>
</index>Muhammedaner</hi>, und <index indexName="subjects-index">
<term>Völker, heidnische</term>
</index>heidnische Völker, die auch christliche Unterthanen seyn könten. Diese
meine Lehrart ist so wenig der <index indexName="subjects-index">
<term>Intoleranz</term>
</index><hi>Intoleranz</hi> bisher beschuldiget worden, daß ich vielmehr häufig
nachtheilige und widrige Urtheile mir damit zugezogen habe. Ich fürchte also
nicht, daß meine Antwort an sich selbst als ein Beweis der <hi>Intoleranz</hi>
mit einigem Schein möge angesehen werden; da es zu den im römischen Reich
ausgemachten Rechten aller drey <index indexName="subjects-index">
<term>Parteien</term>
</index>Parteien, also auch der <hi>lutherischen</hi> Kirche gehört, über ihre
<index indexName="subjects-index">
<term>symbolische Bücher</term>
</index>symbolischen Bücher und Lehrschriften von Zeit zu Zeit schriftliche
Er<pb xml:id="bs_b_page_XI" n="XI" edRef="#b" type="sp"/>läuterungen,
Bestätigungen und Vertheidigungen öffentlich drucken zu lassen; wodurch Lehrer
und Mitglieder gewis sind, daß sie noch zu derselben äusserlichen
Kirchengeselschaft gehören, und ihre feierlichen Rechte behaupten. Desto
besondrer ist mein Schicksal, daß mich manche so leicht zu ihrer <index indexName="subjects-index">
<term>Parteien</term>
</index>Partey rechnen; zu einer Partey, die von vielen für eine neue, gleichsam
aufwachsende bessere Geselschaft angesehen wird, weil sie die <hi>augspurgische
Confeßion</hi> nicht behalten, sie für ein Hindernis einer <index indexName="subjects-index">
<term>Universalreligion</term>
</index>Universalreligion, und die Wünsche und Beförderungen für diese
Universalreligion, als ein grosses Verdienst um die ganze Menschenwelt, ansehen
und anrechnen. So setzte mich erst vor kurzem <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_14"/><choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<index indexName="persons-index">
<term>Lavater, Johann Caspar</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:271sx">Lavater</persName></hi>, in grossem
heftigen Eifer, auf der letzten <hi>Zürchischen Synode</hi> in eine Klasse mit <choice>
<abbr>Hrn.</abbr>
<expan>Herrn</expan>
</choice>
<index indexName="persons-index">
<term>Steinbart, Gotthilf Samuel</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:32dvz">Steinbart</persName></hi>; und
beschrieb mich vornemlich, als einen arglistigen höchst gefärlichen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_15"/><hi><index indexName="subjects-index">
<term>Naturalisten</term>
</index>Naturalisten</hi>. Andere aber glaubten schon lange, ich wäre doch
wol ein <index indexName="subjects-index">
<term>Sozinianer</term>
</index><hi>Socinianer</hi>, oder <pb xml:id="bs_b_page_XII" n="XII" edRef="#b" type="sp"/>
<index indexName="subjects-index">
<term>Arianer</term>
</index><hi>Arianer</hi>, (manche denken noch dazu, es seie, beides beisammen,
desto ärger; um mich desto gräulicher zu beschreiben.) Ich bin aber weder ein
<index indexName="subjects-index">
<term>Naturalisten</term>
</index><hi>Naturalist</hi>, was es auch für grosse Ansprüche auf Einsicht
begreifen mag; noch ein <index indexName="subjects-index">
<term>Sozinianer</term>
</index><hi>Socinianer</hi> oder <index indexName="subjects-index">
<term>Arianer</term>
</index><hi>Arianer</hi>; ich bin ein ehrlicher treuer <hi>lutherischer</hi>
Professor, der seinen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_16"/><index indexName="subjects-index">
<term>Eid</term>
</index>Eid zu bereuen oder zu brechen gar keine Ursache hat; es mag manchem
lieb seyn oder nicht. Ich lehre und schreibe mit und in gutem Gewissen, und
bestrebe mich, daß mein Leben und Wandel auch selbst gut christlich seie und
andern nützlich werde. Ich denke, wenn unter allen Parteien alle Lehrer und
Mitglieder ebenfals ein gut christlich <index indexName="subjects-index">
<term>gemeinnützig</term>
</index>gemeinnütziges Leben beweisen: so wäre dis für sie alles, und für andre
so viel, daß niemand Ursache hätte, die Unarten und wissentlichen Laster der
Menschen, in der Religionslehre zu suchen; worin der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> dieses Bekentnisses ganz gewis sich
völlig irret; und wie ich hoffe, den grossen Irtum geständig seyn wird.</p>
<p><pb xml:id="bs_b_page_XIII" n="XIII" edRef="#b" type="sp"/> Ich kan aber diese
Vorrede nicht schliessen, ohne <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_17"/>unsre und alle Studiosos Theologiä öffentlich mit
aller Aufrichtigkeit und Herzensöfnung zu ermahnen, wie ich es so herzlich
gerne, und ohne Affectation, bey aller Gelegenheit in Vorlesungen thue: daß sie
des <index indexName="subjects-index">
<term>Beruf</term>
</index>Berufs ja wohl wahr nehmen mögen, in den sie einwilligen, wenn sie sich
zum öffentlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Lehramt, öffentliches</term>
</index>Lehramt für unsre Zeitgenossen zubereiten lassen wollen. Schon <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_18"/><index indexName="classics-index">
<term>Epiktet</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:24gxc">Epictetus</persName></hi> sahe das
Lehramt eines <hi>Philosophen</hi> für so wichtig an, daß er forderte: ein
solcher muß eine so grosse Sache ja nicht ohne GOtt sich vorsetzen; er muß sich
durchaus immer mehr übertreffen; er ist ein Bote GOttes, der den Menschen bekant
machen sol, in was für grossen Irtümern sie stecken – er muß alles durch sein
gutes Beispiel klar machen; sein Gemüt muß reiner seyn als die Sonne – Wie groß!
wie stark gesagt! <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_19"/>Mag
<index indexName="classics-index">
<term>Epiktet</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:24gxc">Epictet</persName></hi>, wie manche
glauben, dis aus der christlichen Forderung und Belehrung entlehnet oder
gelernet und selbst aufrichtig gebil<pb xml:id="bs_b_page_XIV" n="XIV" edRef="#b" type="sp"/>liget haben; unter Christen muß die Anforderung an
einen, der ein christlicher öffentlicher Lehrer werden wil, wahrlich doch nicht
geringer seyn. Der gewisse Einflus GOttes, der die christliche <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion in der Welt zu einem besondern Mittel grosser Absichten
gebrauchet, lebendige starke Vorstellung davon, muß den Jüngling bewahren für
aller sinlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Unordnung, sinnliche</term>
</index>Unordnung und Zerrüttung, für schändlicher <index indexName="subjects-index">
<term>Wollust</term>
</index>Wollust und Frechheit, für aller Verunreinigung des Gewissens in Werken
der Finsternis! Wo wil sonst der Mann entstehen und gebildet werden, den der
Lehrer an sich untadelhaft zeigen muß, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_20"/>wie <index indexName="persons-index">
<term>Paulus</term>
</index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName> forderte, er muß
<foreign xml:lang="grc">ἀνεπιληπτος</foreign> seyn. <foreign xml:lang="grc">ἀνεπιληπτος</foreign> fordert alle Zeitgenossen, alle Bekanten, alle
Freunde auf, die unserm Leben auf der Universität und in der Geselschaft
zugesehen haben. Wie klug, wie bedächtig muß alle Zeit eingetheilet werden, um
den ganzen Grund einer solchen Gelehrsamkeit und <index indexName="subjects-index">
<term>Ordnung, moralische</term>
</index>moralischen Ordnung so gewis zu legen, als zur Festigkeit des Charakters
und des würdigen Ver<pb xml:id="bs_b_page_XV" n="XV" edRef="#b" type="sp"/>haltens nötig ist! Wie selbst bekant muß man seyn mit den wirklichen
<hi>moralischen</hi> Folgen der gesunden Ueberlegung und treuen <choice>
<sic>Betrachtrachtung</sic>
<corr type="editorial">Betrachtung</corr>
</choice> der christlichen Wahrheiten, um diese grosse so nötige Erfarung nicht
selbst zu entberen, und nicht auf Mittel einst zu fallen, sich fortzuhelfen,
welche weder <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_21"/><index indexName="classics-index">
<term>Sokrates</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:2528d">Socrates</persName></hi> noch <index indexName="classics-index">
<term>Epiktet</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:24gxc">Epictet</persName></hi> sich
verstattet oder zu gute gehalten hätten; um nicht sich wiegen und wägen zu
lassen von allerley Wind der Lehre. Wer die <index indexName="subjects-index">
<term>Universitätszeit</term>
</index><hi>Universitäts</hi>zeit nicht volkommen zweckmäßig anwendet, und für
Kopf und Herz so sorget, als es einst die redlichen Zeitgenossen voraussetzen:
wird zu spät seinen Trost oder Beystand aus Büchern oder Zufällen suchen.</p>
<p>Und nun wünsche ich, daß Studiosi Theologiä, da sie jenes neue Glaubensbekentnis
gelesen haben, auch mit eignen Nachdenken meine Antwort lesen; ihre
gewissenhafte Beurtheilung üben, ohne sich zu übereilen, um mit reinem guten
Gewissen einst treue fruchtreiche <pb xml:id="bs_b_page_XVI" n="XVI" edRef="#b" type="sp"/>
<index indexName="subjects-index">
<term>Lehrer, protestantische</term>
</index>Lehrer der protestantischen Kirche zu seyn und zu bleiben; selbst <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_21a"/><index indexName="subjects-index">
<term>himmelfest</term>
</index>himmelfest gewis davon, daß sie nicht <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_22"/><quote corresp="#quote_bs_a9_3">Heuchler sind, die ums
Brots willen ihrem Regenten lügen, und mit <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissens, Verletzung des</term>
</index>Verletzung des Gewissens Menschengunst zu erschleichen
suchen</quote>; wie in diesem Bekäntnis sehr unbilliger und unglimpflicher
Weise andere Lehrer beschrieben werden, die nicht so ungewis und wankend in
ihrer gelehrten Einsicht zu seyn Ursache haben, als dessen <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> haben muste. In dem Falle, worin ich
bin, und ein jeder treuer Lehrer ist, der seiner <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsgesellschaft</term>
</index>Religionsgeselschaft nicht lügen wil, ist an Menschengunst nicht zu
denken; da gilt kein <index indexName="subjects-index">
<term>schleichen</term>
</index>schleichen oder erschleichen; wir wollen nicht schleichen und heucheln,
<ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_v_23"/><foreign xml:lang="grc">οὐκ ἐσμεν ὑποστολης</foreign>. Halle den 17ten Aug. 1779.</p>
<signed><choice>
<abbr>D.</abbr>
<expan>Doctor</expan>
</choice>
<persName ref="textgrid:250ds">Joh. Sal. Semler.</persName></signed>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_tp_1"><label>Hemmerdeschen Buchhandlung</label>
<p>Carl Hermann Hemmerde (1708–1782) übernahm 1737 die Verlagsbuchhandlung
seines Schwiegervaters Johann Georg Klemm (1666–1737). Hemmerde verlegte
neben Semler auch andere wichtige Theologen der Halleschen Fakultät. Ab 1788
wurde Carl August Schwetschke (1756–1839) Mitbesitzer der
Verlagsbuchhandlung, die bis ins frühe 19. Jh. unter dem Namen „Hemmerde
& Schwetschke“ existierte.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_1"><label>bahrdische
Glaubensbekentnis</label>
<p>Gemeint ist <ref target="#bs_a">Text a</ref>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_2"><label>angeblichen
Tausenden</label>
<p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_23">a23</ref>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_3"><label>an eben dem
Orte</label>
<p>Gemeint ist Halle (Saale), vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_15"/>.
Bahrdt war nach seiner Flucht am 27. Mai 1779 in Halle eingetroffen, wo
Semler seit 1753 lehrte.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_4"><label>unserer
Universität</label>
<p>Die Friedrichs-Universität zu Halle war nach einigen früheren Anläufen
offiziell 1694 vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. (1657–1713)
gegründet worden. Während des 18. Jh.s entwickelte sie sich schnell zu einer
der führenden und fortschrittlichen Universitäten des Reichs, die sowohl
durch Vertreter des Pietismus (Hermann August Francke) als auch der
Aufklärung (Christian Wolff) geprägt war. Neben Semler lehrten auch andere
wichtige Neologen wie etwa Johann August Nösselt (1734–1807) in
Halle.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_5"><label>Toleranz</label>
<p>Religiöse Toleranz und ihre etwaigen Grenzen waren ein wichtiges Thema der
Zeit. Einen Meilenstein bildete John Lockes <hi>A Letter Concerning
Toleration</hi> (1689, dt. 1710), dessen zentrales Argument sich auch
bei Semler wiederfindet (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_f_1_17"/>).
Im Unterschied zu Pierre Bayle (<hi>Pensées diverses sur la Comète</hi>,
1682; 1741 von Gottsched übersetzt) nahm Locke Atheisten und Katholiken von
Toleranz aus. Auch Semler deutet hier durch Hinzusetzung der Adjektive
„rechtmäßig“ und „wünschenswerth“ eine deutliche Reserve an (vgl. <ref target="#bs_b_page_54">b54</ref>). Einen Vorbehalt ganz anderer Art
äußert Kant in „Was ist Aufklärung?“ (1784): Ein Fürst sei gerade dann
„aufgeklärt“, wenn er „den hochmüthigen Namen der <hi>Toleranz</hi> von sich
ablehnt“ und es stattdessen „für <hi>Pflicht</hi> halte, in Religionsdingen
den Menschen nichts vorzuschreiben, sondern ihnen darin volle Freiheit zu
lassen“ (AA 8, 40); vgl. auch <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_47"/>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_6"><label>socinianischen Partey</label>
<p>Benannt nach dem italienischen Reformator Lelio (1525–1562) und seinem Neffen
Fausto (1539–1604) Sozzini, der vor allem Einfluss auf die unitarischen
„Polnischen Brüder“ hatte. Im 18. Jh. bezeichnete „Sozinianismus“ häufig
pauschal eine Infragestellung der Trinitätslehre, besonders der
altkirchlichen Wesensgleichheit von Gottvater und Sohn sowie der
Personhaftigkeit des Heiligen Geistes. Das Reichshofratsconclusum vom 27.
März 1779 hatte Bahrdt ein „deutliches Bekenntniß von der wahren Gottheit
<persName ref="textgrid:255cd">Christi</persName> sowohl, als von der
Heiligen Dreyeinigkeit, auch dass er solche in Zweifel zu ziehen, niemals
gemeynet gewesen“ aufgetragen.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_7"><label>kein Beweis
einer Verfolgung</label>
<p>Anspielung auf <ref target="#bs_a_page_15">a15</ref>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_8"><label>die
augspurgische Confeßion</label>
<p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_21"/>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_9"><label>drey
Religionsparteien im römischen Reiche</label>
<p>Gemeint sind Katholiken, Lutheraner und Reformierte. Im Augsburger
Religionsfrieden (1555) waren erstmals Protestanten im Reich geduldet
worden. Im Westfälischen Frieden (1648) wurden dann offiziell nicht nur
Lutheraner als Anhänger des <hi>Augsburger Bekenntnisses</hi> (1530),
sondern auch die durch die oberdeutsche Reformation (Zwingli, Calvin)
geprägten Reformierten reichsrechtlich gleichgestellt. Alle übrigen
christlichen Gruppen, wie etwa Täufer, besaßen keinerlei Rechte und mussten
auch noch gegen Ende des 18. Jh.s häufig mit Verfolgung rechnen.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_10"><label>vierte
Religionsform</label>
<p>Semler unterstellt hier, Bahrdt wolle eine neue, vierte Konfession gründen,
was reichsrechtlich verboten war. Vgl. dazu auch das kaiserliche
Kommissionsdekret vom 6. Dezember 1779 gegen Bahrdts „eigenmächtig
verbreiten wollende neue Religions-Secte“. Bahrdt nimmt zu diesem Vorwurf
wiederholt Stellung, vgl. <ref target="#bs_c_page_5">c5</ref> und <ref target="#bs_e_page_5">e5</ref>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_11"><label>Unionsarbeiten</label>
<p>Seit der Reformation gab es immer wieder Versuche, die konfessionellen
Differenzen zugunsten einer irenischen Wiedervereinigung zu entschärfen.
Gegen Ende des 17. Jh.s führte etwa der spanische Adlige und katholische
Priester Christoph de Royas y Spinola (1626–1695) im Auftrag des Kaisers
Unionsgespräche mit protestantischen Fürsten und Theologen im Reich, u.a. am
Hannoverschen Hof mit dem lutherischen Loccumer Abt Gerhard Wolter Molanus
(1633–1722) und dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716). Um
1700 versuchte der Berliner Hofprediger Daniel Ernst Jablonski (1660–1741)
eine Union zwischen Lutheranern und Reformierten herzustellen und
korrespondierte darüber ebenfalls mit Leibniz. All diese Versuche der um
konfessionellen Frieden bemühten Ireniker führten jedoch zu keinen
langfristigen theologischen oder politischen Lösungen.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_12"><label>symbolischen Büchern seit dem 16ten Jahrhundert</label>
<p>Gemeint sind die konfessionellen Bekenntnisschriften (lat. <hi>symbola</hi>),
wie etwa das lutherische <hi>Augsburger Bekenntnis</hi> (1530) und das
<hi>Konkordienbuch</hi> (1580), die im Zuge der nachreformatorischen
Konfessionsbildung entstanden und dann im Augsburger Religionsfrieden (1555)
und vor allem im Westfälischen Frieden (1648) die Grundlage der
reichsrechtlichen Lösung einer gegenseitigen Duldung der drei großen
Konfessionskirchen bildeten.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_13"><label>auch
Socinianer, Arianer, Sabellianer [...] als Juden und Muhammedaner</label>
<p>Anspielung auf unterschiedliche christliche Gruppen sowohl der frühen Kirche
(Arius, Sabellius, s. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_36"/>) als auch
der Reformationszeit (Sozzini, s. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_v_6"/>), die wie Juden und Muslime die christliche Trinitätslehre infrage
stellen.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_14"><label>Hr. Lavater
[...] auf der letzten Zürchischen Synode in eine Klasse mit Hrn.
Steinbart</label>
<p>Johann Caspar Lavater (1741–1801), reformierter Theologe und Dichter, Diakon
(später Pfarrer) in Zürich, war eine wichtige Figur des damaligen
Geisteslebens. Er stand mit vielen Größen der Zeit in Kontakt (Goethe,
Mendelssohn, Hamann, Spalding u.v.w.m.) und trat auch als Wiederbegründer
der Physiognomik in Erscheinung, was ihm u.a. den Spott Lichtenbergs
eintrug. Auf der Zürcher Frühlingssynode 1779 wetterte Lavater gegen den
Einfluss tatsächlich oder vermeintlich deistischer Lehren aus Deutschland.
Hauptangriffsziele waren der Verfasser (Hermann Samuel Reimarus) der von
Lessing herausgegebenen <hi>Fragmente eines Ungenannten</hi> (1774–1778),
Steinbart und seine <hi> Glückseligkeitslehre</hi> (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_30"/>), ferner Wilhelm Abraham Tellers <hi>Wörterbuch
des Neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre</hi> (1772;
<hi rend="superscript">6</hi>1805, BdN IX) sowie Semler. Etwa zeitgleich
veröffentlichte Lavater eine wütende Rezension von Steinbarts Buch im
<hi>Christliche[n] Magazin</hi> 1 (1779), 2. St., 63–80. Semler dürfte
von der Synodalrede, die erst nach Lavaters Tod in Auszügen publiziert
wurde, über seinen in Zürich beheimateten Schüler Hans Heinrich Corrodi
(1752–1793) erfahren haben. Corrodi verfasste auch eine anonyme
Verteidigungsschrift <hi>Hrn. Caspar Lavaters und eines Ungenanten Urtheile
über Hrn. C.R. Steinbarts System des reinen Christentums</hi> (1780), zu
der Semler „Zusätze“ beisteuerte. Steinbart selbst bemerkte in der zweiten
Auflage seiner Schrift trocken, Lavater habe ihn, „nach seiner Art, mit mehr
Inbrunst eines gutherzigen Enthusiasmus, als mit kaltblütiger
Scharfsinnigkeit“ angegriffen, das Buch sei jedoch für Leute geschrieben
worden, „die nicht nach Gefühlen, sondern nach Weisheit fragen“ (<hi rend="superscript">2</hi>1780, XLIVf.).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_15"><label>Naturalisten</label>
<p>Im Sprachgebrauch des späten 18. Jh.s bezeichnet der Ausdruck die Verfechter
natürlicher Religion, d.h. einer Religion, deren Praxis und vernünftige
Rechtfertigung unabhängig ist von göttlicher Offenbarung, der Autorität
heiliger Schriften oder den kontingenten Traditionen positiver Religionen
wie dem Christentum. Der Ausdruck „Naturalist“ wurde oft synonym mit „Deist“
(s. <ptr type="page-ref" target="#erl_f_v_13"/>) verwendet.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_16"><label>Eid</label>
<p>In der Regel leisteten protestantische kirchliche Amtsträger zur Absicherung
ihrer konfessionellen Loyalität (ähnlich wie katholische Geistliche die
<hi>Professio fidei tridentinae</hi> abzulegen hatten) einen Eid
gegenüber dem Landesherrn. Auch bei der Promotion war der Doktoreid zu
leisten, meist auf die <hi>Confessio Augustana</hi>. Bahrdt leistete
mehrfach einen solchen Eid und äußerte sich vielfach kritisch zum
<hi>Juramentum religionis</hi>. In Preußen, wohin Bahrdt geflohen war,
gab es hingegen ab 1713 keine eidliche Symbolverpflichtung mehr.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_17"><label>unsre und
alle Studiosos Theologiä</label>
<p>An dieser Stelle lässt Semler besonders deutlich erkennen, dass die
Halleschen Theologiestudenten sein anvisiertes Publikum sind. Bahrdt hielt
dort zu diesem Zeitpunkt bereits erste Vorlesungen an der philosophischen
Fakultät.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_18"><label>Epictetus
[...] Sonne</label>
<p>Epiktet (ca. 55–135) war ein der Stoa (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_f_31_2"/>) zuzurechnender Philosoph. Erhalten sind von
seinem Schüler Arrian (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_0_86"/>)
zusammengestellte <hi>Lehrgespräche</hi> (Diatribai), auch als
<hi>Unterredungen</hi> bekannt, sowie ein ebenfalls von Arrian besorgter
Auszug, das <hi>Handbüchlein</hi> (Encheiridion). Insbesondere das letztere
Werk erwies sich nach seiner Wiederentdeckung in der Renaissance als äußerst
wirkmächtig (Lipsius, Pascal, Goethe u.v.w.m.). Rezipiert wurde vor allem
die Ethik Epiktets. Der Schlüssel zu einem guten Leben besteht für ihn in
der Unterscheidung von Sachverhalten, die in unserer Macht stehen (v.a.
Tugend), und solchen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen (z.B. Reichtum,
Gesundheit). Wahres Glück lässt sich erlangen, indem man aufhört, sein Herz
an Dinge zu hängen, die sich nicht beeinflussen lassen. Die Zitate, die
Semler hier in bearbeiteter Form anführt, entstammen dem 22. Kapitel des
dritten Buchs der <hi>Lehrgespräche</hi>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_19"><label>Mag
Epictet, wie manche glauben dis aus der christlichen Forderung und Belehrung
entlehnet oder gelernet und selbst aufrichtig gebilliget haben</label>
<p>Die augenscheinlichen Parallelen zwischen der Ethik Epiktets und christlichen
Vorstellungen sowie die prominente Rolle, die Gott in seinem Denken spielt,
haben manche Autoren des 16. und 17. Jh.s bewogen, in Epiktet einen
heimlichen Christen zu sehen, oder sie wenigstens annehmen lassen, er habe
unter starkem christlichen Einfluss gestanden. Heute wird eine solche
Abhängigkeitsthese einhellig abgelehnt.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_20"><label>wie Paulus
forderte</label>
<p>Anspielung auf 1Tim 3,2.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_21"><label>Socrates</label>
<p>Athenischer Philosoph (469–399 v. Chr.), der selbst zwar kein Werk
hinterlassen hat, dessen Denken jedoch in den Schriften seiner Schüler
Xenophon und vor allem Platon überliefert ist. Sokrates war eine der
wichtigsten Identifikationsfiguren der Aufklärung. Man sah in ihm ein Muster
intellektueller Bescheidenheit, einen Bloßsteller sophistischer
Wortklaubereien, vorbildlichen Bürger und aufrechten Märtyrer des Geistes,
der lieber den Tod wählte als gegenüber der korrupten Priesterschaft seiner
Heimatstadt klein beizugeben. In noch stärkerem Maße als Epiktet oder
Spinoza galt Sokrates der Zeit als das Sinnbild eines tugendhaften
Nicht-Christen; vgl. z.B. das Werk des von Bahrdt hoch geschätzten
Semler-Schülers Johann August Eberhard, <hi>Neue Apologie des Sokrates, oder
Untersuchung der Lehre von der Seligkeit der Heiden</hi> (I, 1772, <hi rend="superscript">2</hi>1776; II, 1778).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_21a"><label>himmelfest</label>
<p>Im heutigen Sprachgebrauch von der synonymen Bezeichnung „felsenfest“
verdrängter Ausdruck, in dem sich noch die überkommene Vorstellung spiegelt,
der Himmel bestehe aus einem massiven Material, an das die Himmelskörper
befestigt seien (vgl. „Himmelsgewölbe“, „Himmelsfeste“,
„Firmament“).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_22"><label>Heuchler
sind, [...] erschleichen suchen</label>
<p>Leicht bearbeitetes Zitat a9.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_v_23"><label><foreign xml:lang="grc">οὐκ ἐσμεν ὑποστολης</foreign></label>
<p>Hebr 10,39: „Wir sind nicht von denen, die da weichen“.</p></note>
</div>
<div type="preface" xml:id="bs_b_pf_2">
<head><pb xml:id="bs_b_page_1" edRef="#b" type="sp" n="1"/>
<choice>
<orig>Nachricht an den Leser.</orig>
<supplied reason="toc-title">Nachricht an den Leser</supplied>
</choice></head>
<p>Ohnerachtet es keinen sonderlichen Zusammenhang und Einflus haben kann, auf den
richtigen Verstand und die billige Aufname dieser kleinen Schrift, unter was für
Umständen und Gründen ich mich entschlossen haben möchte, sie drucken zu lassen:
so halte ich doch dafür, es werde den meisten Lesern sogar lieb seyn, wenn ich
auch hiervon einige Nachricht mittheile. Ueberhaupt ist gar nicht die
<hi>bahrdische</hi> Schrift selbst, in Absicht meiner, von einigem wichtigen
Zusammenhange, der mich dazu gleichsam bringen könte; wenn ich gleich mich gar
wohl erinnere, in der letzten Zeit, als der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> noch in <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_1"/><index indexName="subjects-index">
<term>Heidesheim (Philanthropinum)</term>
</index><hi>Heidesheim</hi> war, unvermutet ein kurzes Schreiben von ihm
erhalten zu haben, worin die so unangenehme Lage angezeigt war, welche nach dem
kaiserlichen Reichshofrathsconcluso entstehe, und eine baldige <pb xml:id="bs_b_page_2" n="2" edRef="#b"/> Entfernung mit sich bringe. Zugleich
wurde darin angezeiget, daß der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> sein Glaubensbekentnis werde drucken
lassen, worin solche Aeusserungen vorkämen – <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_2"/>Ich habe sogleich wieder geantwortet, und meine grosse
Befremdung geäussert, über eine so unerwartete Entschliessung; und dawider
kürzlich vorgestellet, daß ja die ganze ehemalige Uneinigkeit der christlichen
<index indexName="subjects-index">
<term>Parteien</term>
</index>Parteien über die Vorstellung von <index indexName="persons-index">
<term>Jesus Christus</term>
<term type="alternative">Christus</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName></hi> damalen und
nur daher entstanden seie, als die wirklichen christlichen Urkunden oder die
Schriften der Apostel noch nicht <hi>beisammen gewesen</hi>, die wir nun alle
haben; wonach eben, nach allen diesen Schriften, die <index indexName="subjects-index">
<term>Lehrsätze</term>
</index>Lehrsätze der katholischen Kirchen, in Absicht ihrer Lehrer und Diener,
wider andre Parteien abgefasset und fortgesetzet worden – daß manche vorige
Schriften dem <choice>
<abbr>Hrn.</abbr>
<expan>Herrn</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> die Gestalt der Heucheley, und dieser
öffentliche Schritt, die vorher nicht erwiesene Anklage und Beschuldigung ganz
klärlich wahr machen würde. Ich würde unter den ersten seyn, welche Gegner einer
solchen Schrift abgäben, und beiläufig habe geäussert, daß es eine ganz andre
Frage wäre, ob der kaiserliche Reichshofrath Recht habe, in solchen
<hi>protestantischen</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Kirchensachen</term>
</index>Kirchensachen sich auf diese Art einzumischen; welches ich stets leugnen
würde, wie dergleichen Benehmen oder Betragen schon lange unter
Religionsgravamina gebracht und stets von <index indexName="subjects-index">
<term>Protestanten</term>
</index>Protestanten mit Recht widersprochen worden <ref target="#bs_b_preface_note1" type="note">*)</ref>. Bald nachher erschien
<hi>dieses Be</hi><pb xml:id="bs_b_page_3" n="3" edRef="#b"/><hi>kentnis</hi> im Druck; der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> traf hier in <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_6"/><index indexName="subjects-index">
<term>Halle (Bahrdt in)</term>
</index><hi>Halle</hi> ein, ohne daß wir, ich wenigstens, davon etwas gewust
haben. Er besuchte mich; ich bedaurete die Veranlassung dieser Erscheinung, und
wünschte, daß sich im Königreiche Preussen, oder in andern Staaten, die mit dem
<hi>teutschen</hi> Reiche in nähern Zusammenhange nicht stün<pb xml:id="bs_b_page_4" n="4" edRef="#b"/>den, ein Platz finden möchte, für
seine sonstigen Talente – Ich gab zu erkennen, daß es hier, (wo eine
<hi>lutherische</hi> der augspurgischen Confeßion zugethane Universität
ist,) grosse Schwierigkeiten eines steten und erleichterten Aufenthalts geben
würde, auch was das vorhabende Lesen betrift. Indes schlug ich einige nützliche
Arbeiten nochmals vor; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_8"/>eine eigene gute <index indexName="subjects-index">
<term>Lebensbeschreibung</term>
</index>Lebensbeschreibung; <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_9"/>Uebersetzung aus dem <index indexName="classics-index">
<term>Philo von Alexandrien</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:3r6d5">Philo</persName>,<ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_10"/></hi>
<index indexName="classics-index">
<term>Eusebius von Cäsarea</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:3r68h">Eusebii</persName></hi> Vorbereitung <choice>
<abbr>etc.</abbr>
<expan>et cetera</expan>
</choice> Nach einiger Zeit habe ich diesen Zuspruch noch einmal gehabt; und
einige Hefte von dem Anfang einer Lebensbeschreibung gesehen, die mir allerdings
fruchtbar und gemeinnützig vorkamen; nur an zwey Orten etwa habe ich einige
<hi>lateinische</hi> Anmerkungen geschrieben. Bey der übrigen Unterredung,
wo ich darauf bestand, der <index indexName="subjects-index">
<term>historisch</term>
</index><hi>historische Verstand</hi> solcher Stellen, von <index indexName="persons-index">
<term>Jesus Christus</term>
<term type="alternative">Christus</term>
</index><persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName>, könne der
gleichzeitigen vielen Zeugnisse wegen, nicht geleugnet werden, nach aller meiner
Einsicht; ein anders seie, ob ein <index indexName="subjects-index">
<term>Sozinianer</term>
</index><hi>Socinianer</hi> ihn für sich, bejahe und selbst auch annehme; ein
anders aber, ob es dort der historisch erweisliche <foreign xml:lang="lat">sensus</foreign> seie, wurde der Zweifel vorgebracht, ob auch wol der <pb xml:id="bs_b_page_5" n="5" edRef="#b"/>
<ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_11"/>erste Anfang des 1sten
Kapitel <hi>Johannis</hi> ächt seie? da antwortete ich: es seie für mich gar
kein Zweifel da; aus der ganzen alten <index indexName="subjects-index">
<term>Kirchengeschichte</term>
</index>Kirchengeschichte wüste ich gar keinen Wink davon aufzufinden; und wenn
ich selbst <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_12"/>die sogenanten
<hi><index indexName="subjects-index">
<term>Aloger</term>
</index>Aloger</hi> als eine Partey wolte gelten lassen: so seie doch ihre
Behauptung <hi>geradehin aufs ganze Buch</hi>, und nicht auf einige Verse des
ersten Kapitels gegangen – Indessen wurde in der Stadt unter Studiosis immer
mehr geredet, von öffentlichen <foreign xml:lang="lat">Lectionibus</foreign>,
die der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> des Bekäntnisses bald anfangen werde,
wozu er auch ein Auditorium schon suche; wogegen ich ohne Zurückhalten bey aller
Gelegenheit äusserte, daß ich nicht glaubte, daß dazu würde die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_13"/>nötige Erlaubnis ertheilet
werden. Ich wurde darauf vom 12ten <choice>
<abbr>Jul.</abbr>
<expan>Juli</expan>
</choice> an <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_14"/><hi>Decanus</hi>, und da wurde mir <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_15"/>von einem hiesigen Buchdrucker ein geschriebenes
Avertissement vorgezeiget, zur <index indexName="subjects-index">
<term>Zensur</term>
</index>Censur; worin auf ein grösseres Werk, zur Bestätigung dieses
Bekäntnisses <hi><index indexName="subjects-index">
<term>Pränumeration</term>
</index>Pränumeration</hi> gesucht, und 4000 Exemplarien im Druck zu liefern
versprochen wurde. Ich schrieb, nach <hi>Communication</hi> mit der
<hi>Facultät</hi>, mit eigner Hand darauf, daß dieses und dergleichen
Avertissement, und noch mehr ein solches Werk, hier nicht mit unserer <index indexName="subjects-index">
<term>Zensur</term>
</index>Censur gedruckt werden möge.</p>
<note xml:id="bs_b_preface_note1" place="bottom"><p>*) Ich wil dieses einigermassen
erläutern, weil manche Leser es sonst unrecht verstehen und misdeuten
könten. Statt vieler andern klaren Beispiele, wil ich nur aus der
<hi>volständigen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_3"/>Samlung</hi> aller Conclusorum, Schreiben und anderer übrigen
Verhandlungen des hochpreislichen <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_4"/>Corporis Euangelicorum (<index indexName="persons-index">
<term>Schauroth, Eberhard Christian Wilhelm von</term>
</index><persName ref="textgrid:3r6d3"><hi>Eberhard Christian Wilhelm</hi>
von <hi>Schauroth</hi></persName>) 1sten tomus<ptr type="bibliographic-object" target="textgrid:3rnnb"/>, <choice>
<abbr>S.</abbr>
<expan>Seiten</expan>
</choice> 706 <choice>
<abbr>f.</abbr>
<expan>folgende</expan>
</choice>
<ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_5"/><persName ref="textgrid:3r6d4"><hi>Gläsnerische</hi></persName> Processache <choice>
<abbr>etc.</abbr>
<expan>et cetera</expan>
</choice> so viel mittheilen. 1. Schreiben an Ihro römisch-kaiserliche
Majestät vom <foreign xml:lang="lat">Corpore Euangelicorum sub
dato</foreign> den 4ten April 1750. <foreign xml:lang="lat">dictatum</foreign> Regenspurg den 13ten May. <choice>
<abbr>Ew.</abbr>
<expan>Euer</expan>
<expan>Eure</expan>
</choice> Kaiserliche <milestone n="3*" edRef="#b" unit="fn-break"/>
Majestät geruhen allergnädigst aus der Anfüge zu ersehen – „Nachdem nun die
in ermeldetem (<choice>
<abbr>königl.</abbr>
<expan>königlich</expan>
</choice> preußischen und <choice>
<abbr>königl.</abbr>
<expan>königlich</expan>
</choice> grosbritannischen) <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_7"/><foreign xml:lang="lat">pro memoria</foreign>
angegebene, auf die Religionsfriedensschlüsse selbst, auch Reichsverfassung
sich gründende <foreign xml:lang="lat">argumenta</foreign> und <foreign xml:lang="lat">principia</foreign>, die nemlichen sind, <hi>welche das
gesamte</hi>
<foreign xml:lang="lat">Corpus Euangelicorum</foreign>
<hi>von seinem ersten Anfange bis hieher</hi> unverändert fort, <hi>gegen
alle anmasliche</hi> Iurisdiction <hi>derer höchsten Reichsgerichte</hi>
in Evangelischen Kirchen- und geistlichen Sachen, <hi>behauptet und
geheget</hi> hat; wie solches die bey diesem <foreign xml:lang="lat">Corpore</foreign> so vielfältig ausgefallene <foreign xml:lang="lat">conclusa</foreign>, und allerehrerbietigste Vorstellungsschreiben an <choice>
<abbr>Ew.</abbr>
<expan>Euer</expan>
<expan>Eure</expan>
</choice>
<choice>
<abbr>Kaiserl.</abbr>
<expan>Kaiserliche</expan>
</choice> Majestät glorreicheste Vorfaren am kaiserlichen Thron, hinlänglich
bewäret; solchemnach aber sämtliche höchste und hohe Evangelische
Churfürsten, Fürsten und Stände, die von dem kaiserlichen Reichshofrath in
sothaner <persName ref="textgrid:3r6d4"><hi>Gläsenerischen</hi></persName>
unstreitigen Kirchen- und Consistorialangelegenheit <hi>sich angemassete
Gerichtsbarkeit um so minder gleichgültig ansehen mögen</hi>, da
hiedurch einem der edelsten Rechte evangelischer <foreign xml:lang="lat">statuum</foreign> in Ansehung der <foreign xml:lang="lat">Iurisdictionis ecclesiasticae</foreign>, welche dieselben, nach den
obhandenen <foreign xml:lang="lat">pactis publicis,
<hi>priuatiue</hi></foreign> exerciren, offenbar <hi>zu nahe
getreten</hi> worden – als ergehet an <choice>
<abbr>Ew.</abbr>
<expan>Eure</expan>
<expan>Euer</expan>
</choice>
<choice>
<abbr>Kaiserl.</abbr>
<expan>Kaiserliche</expan>
</choice> Majestät, im Namen und auf Befel unserer höchsten und hohen
Principalen, auch Obern und Committenten, das geziemende und respective
allerunterthänigste Ersuchen, und devoteste Bitten, bey mehrermeldeten Dero
Reichshofrath unter ernstlicher Verweisung des in gegenwärtiger
Angelegenheit angemaßten Erkentnisses, die allergerechteste Verfügung dahin
ergehen zu lassen, <hi>daß derselbe fernerhin aller</hi> cognition in
disseitiger geistlichen und Kirchensachen, <hi>ohne Ausnahme und
schlechterdings sich zu enthalten habe</hi>. Da übrigens zu
sorgfältigster Verwahrung derer hierunter unsern höchsten und hohen Herren
Principalen, Obern und Committenten zustehenden Befugnisse, wir noch diese
Declaration hier allerehrer<milestone n="4*" edRef="#b" unit="fn-break"/>bietigst beifügen sollen, wie man evangelischer Seits, des kaiserlichen
Reichshofraths Iurisdiction <foreign xml:lang="lat">in
ecclesiasticis</foreign>
<hi>nimmermehr erkennen, weniger</hi> die Execution derer in solcherley
Fällen incompetenter ergangenen <foreign xml:lang="lat">Iudicatorum</foreign>, <hi>geschehen lassen</hi> könne noch werde;
vielmehr alle von daher erfolgende derley Erkentnisse, als mit der
Reichsverfassung incompatible, mithin von keinen Kräften zu seyn <hi>und für
nicht ertheilet zu halten</hi>, anzusehen sich gemüßiget
finde.<supplied>“</supplied></p>
<p>Da nun in diesem Falle, worin sich der <choice>
<abbr>Hr.</abbr>
<expan>Herr</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:2541p">Verfasser</rs> dieses Bekäntnisses befindet, noch
dazu nicht einmal Appellationen von ihm an den kaiserlichen Reichshofrath
gebracht worden, wie doch damalen <index indexName="persons-index">
<term>Gläsener, Justus Martin</term>
</index><persName ref="textgrid:3r6d4"><choice>
<abbr>D.</abbr>
<expan>Doctor</expan>
</choice>
<hi>Gläsener</hi></persName> gethan: so hatte er noch weniger Ursache
einem solchen Befel zu Folge dergleichen Bekentnis von sich zu geben, und
konte seiner <index indexName="subjects-index">
<term>Obrigkeit</term>
</index>Obrigkeit, und den <hi>protestantischen</hi> höchsten und hohen
Reichsständen es ruhig überlassen; wenn er nicht selbst etwa diese
Gelegenheit, zu einer lang gehegten Absicht, sogleich gebrauchen
wollen.</p></note>
<p>In allen diesen Umständen würde ich noch nicht für nötig geachtet haben, mich
öffentlich über dis Bekenntnis, dessen Inhalt ohnehin sehr mangelhaft und
unbedeutend ist, herauszulassen; wenn nicht mehrere Briefe von Auswärtigen, und
manche von sehr erheblichen Inhalte, mich gleichsam mit Augen sehen liessen, wie
nachtheilig dieser von Auswärtigen so ungleich erzälte und beschriebene
Aufenthalt nun beurtheilt würde, wie man so gar mich selbst mit unter diejenigen
zälen wolle, von denen Seite <ref target="#bs_a_page_23">23.</ref> stehet: <hi rend="margin-horizontal"><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_16"/>„<quote corresp="#quote_bs_a23_1"><hi>Tausend und
aber Tausend denken so wie ich; nur daß sie keine Gelegenheit oder
Verbindlichkeit, oder</hi>
<pb xml:id="bs_b_page_6" n="6" edRef="#b"/>
<hi>auch nicht genug Freimütigkeit haben mögen, es laut zu
sagen</hi>.</quote>“</hi></p>
<p>Nun muste ich auf einmal mich entschließen, dieser Vermutung, welche man wirklich
gar zu gerne ausbreiten möchte, öffentlich zu widersprechen, und zu zeigen, daß
ich allerdings Freymütigkeit und Verbindlichkeit ganz gerne vereinige, damit die
<index indexName="subjects-index">
<term>Kirche</term>
</index>Kirche, zu deren <hi>academischen</hi> Lehrern ich so viele Jahre
gehöre, wenigstens mich nicht unter diese angeblich vielen Tausende zälen möge,
die so leicht den ganzen <index indexName="subjects-index">
<term>untreu (Bahrdt)</term>
</index>untreuen Inhalt dieses nicht <hi>augspurgischen</hi> Bekenntnisses, und
so gar den seltsamen Wunsch billigen und genemhalten sollen, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_16a"/><quote corresp="#quote_bs_a24_3">daß <choice>
<abbr>kaiserl.</abbr>
<expan>kaiserliche</expan>
</choice>
<rs ref="textgrid:3r6fp">Majestät</rs> mit Zuziehung der Stände des Reichs
ein Mittel ausfindig machen möchten, wodurch die beiden Stützen der
öffentlichen Glückseligkeit, Gewissensfreyheit und Kirchenfriede – vereinigt
und in ewiger Verbindung erhalten werden könnten.</quote></p>
<p>Ich gestehe es gerne, ich habe mich nicht so viel gewundert über den so sehr
unrichtigen und schlechten Inhalt des Bekenntnisses selbst, indem es der
<hi>augspurgischen Confession</hi> und allen öffentlichen Religionsurkunden
widersprechen soll; als über diese Aeusserung, die ich, bey allem Gutmeinen,
doch für ganz und gar ungegründeten Einfal halten muß, ich mag auf innere oder
äussere Gründe eines so sonderbaren und unerwarteten Wunsches sehen. Ich glaube,
und erkenne es mit recht vielen meiner Zeitgenossen mit lebhaftester dankvollen
Empfindung, daß wir weder an <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensfreiheit</term>
</index><hi>Gewissensfreiheit</hi> noch an <index indexName="subjects-index">
<term>Kirchenfriede</term>
</index><hi>Kirchenfrieden</hi> Mangel haben; nachdem die geheiligten
Grundgesetze über den öffentlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsfriede</term>
</index>Religionsfrieden schon so viele lange Zeit, und zumal jetzt, in den
gerechtesten Händen so unvergleichlicher höchsten Regenten, öffentlichen Friede
und Sicherheit und gegenseitige Rechte so aufrichtig gewären, daß auch <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsfreiheit</term>
</index>Religionsfreiheit und <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensfreiheit</term>
</index>Gewissensfreiheit überall so glücklich genossen und genützt werden kann.
Ich verstehe <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensfreiheit</term>
</index><hi>Gewissensfreiheit</hi> als ein heiliges Recht eines einzel<pb xml:id="bs_b_page_7" n="7" edRef="#b"/>nen Menschen, der über die <index indexName="subjects-index">
<term>Urkunden, christliche</term>
</index>Urkunden der christlichen Religion oder die heilige Schrift, und die
daraus gemachten Bekenntnisse, selbst nachdenken wil, um seinem Gewissen zu
folgen; der sich also aus den daseienden so vielen Lehrbüchern selbst den Stof
und Inhalt seiner eigenen christlichen Erkenntnis zusammen setzen, und mit
ganzem Herzen sie nun ausüben will, weil er kann. Ich brauche nicht zu erzälen,
daß er in allen drey öffentlichen Religionen, sich zu der besondern <index indexName="subjects-index">
<term>Parteien</term>
</index>Partey darin wenden kann, welche ihm am meisten mit der Lehre <index indexName="persons-index">
<term>Jesus Christus</term>
<term type="alternative">Christus</term>
</index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName>, und mit gewisserer
eigner <index indexName="subjects-index">
<term>Vollkommenheit</term>
</index>Vollkommenheit und <index indexName="subjects-index">
<term>Erbauung</term>
</index>Erbauung, einzustimmen scheinet; er kann <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_17"/><hi><index indexName="subjects-index">
<term>Jansenisten</term>
</index>Jansenist</hi> seyn und ein strenger Schüler <index indexName="classics-index">
<term>Augustinus von Hippo</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:2r5hd">Augustini</persName></hi>; er kann
zur Gegenpartey gehören; er kann die <hi>practische</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Religion, praktische</term>
</index>Religion aus <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_18"/><index indexName="persons-index">
<term>Spener, Philipp Jakob</term>
</index><hi><persName ref="textgrid:2shbv">Speners</persName></hi> oder andern
Schriften, gar aus <hi><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_19"/><index indexName="persons-index">
<term>Böhme, Jacob</term>
</index><persName ref="textgrid:3r6d7">Böhmen</persName>, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_20"/><index indexName="persons-index">
<term>Dippel, Johann Conrad</term>
</index><persName ref="textgrid:3r6d6">Dippel</persName>, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_21"/><index indexName="subjects-index">
<term>Herrnhut</term>
</index>Herrnhut</hi>
<choice>
<abbr>etc.</abbr>
<expan>et cetera</expan>
</choice> für sich annemen; er kann ein <hi>Arianer, Socinianer</hi>, – seyn; ja
gar, wenn er sich dazu verbunden achtet, ein Jude werden; nur muß er in den
letzten genannten Parteien diese seine <hi>eigenen</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensrechte</term>
</index>Gewissensrechte nicht weiter ausdehnen, und nicht in <index indexName="subjects-index">
<term>Rechte, öffentliche</term>
</index><hi>öffentliche</hi>, die der ganzen besondern Gesellschaft gehören,
verwandeln. Er kann sich von der herrschenden <index indexName="subjects-index">
<term>Landesreligion</term>
</index>Landesreligion gar lossagen; er mus aber ihre Rechte nun sich nicht
zueignen, indem er alsdenn sichtbar die <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensfreiheit</term>
</index><hi>Gewissensfreiheit</hi> mit der <index indexName="subjects-index">
<term>Freiheit, äußerliche</term>
</index><hi>äußerlichen Freiheit</hi>, die zu dem Staat und zur Gesellschaft
gehört, verwechselte. Noch weniger muß er sich anmaßen, das kirchliche
eingefürte Staatsrecht abzuändern, und in die gesetzgebende höchste Gewalt, in
Ansehung der öffentlichen Kirch- und Lehrverfassung, mit seinen Forderungen
eingreifen. Wer dis thut, muß nicht sagen, daß er es aus <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensfreiheit</term>
</index>Gewissensfreiheit zu thun recht hätte; denn dis sind Gegenstände, die
sein Gewissen und sein Verhältniß gegen GOtt, gar nicht anrüren können; so wenig
als ein Unterthan seine ihm so gewis versicherte Freyheit über seinen
rechtmäßigen Kreis ausdehnen darf. Ich kann also nicht einsehen, mit was für
historischen oder sonst wahren Grun<pb xml:id="bs_b_page_8" n="8" edRef="#b"/>de, der Herr Urheber des Bekenntnisses, öffentlich versichern und vorgeben
möge: <hi rend="margin-horizontal"><hi><ptr type="editorial-commentary" target="#erl_b_n_22"/><quote corresp="#quote_bs_a24_1">Tausend und
aber tausend flehen mit mir um die Rechte der Menschheit und des
<index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensrechte</term>
<term type="alternative">Rechte des Gewissens</term>
</index>Gewissens –</quote></hi></hi></p>
<p>Ich gestehe es nochmals, ich kann nicht den geringsten wahren Grund hievon
einsehen. <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenrechte</term>
<term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
</index><hi>Rechte der Menschheit</hi> felen uns im <hi>teutschen</hi> Reiche!
welche übertriebene <index indexName="subjects-index">
<term>Sprachart</term>
</index>Sprachart! Hat die Menschheit alsdenn Anspruch auf die christliche
Religion, wenn ein einzelnes gewesenes Glied einer bürgerlichen und kirchlichen
Gesellschaft sich öffentlich aufstellet, und wider diese öffentliche
Gesellschaft, zu ihrer abermaligen Beunruhigung, jene alten, längst dem eigenen
Gewissen freistehenden, Begriffe und Lehrsätze so beschreiben will, daß es
selbst eine Lehrformel einer algemeinen Verbrüderung <hi>aller</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Religionsparteien</term>
</index>
<hi>Religionsparteien</hi> öffentlich zu empfelen sich herausnimmt? Sind Wünsche
für eine solche <index indexName="subjects-index">
<term>Reform</term>
</index><hi>Reforme</hi>, aus dem <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenrechte</term>
<term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
</index>Rechte der Menschheit zu rechtfertigen? Kann das <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index><hi>Gewissen</hi> wol mit Recht sich anmassen über andere <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissen, und über die öffentliche Regierung der christlichen Staaten,
eine Vorschrift zu entwerfen? Ich habe noch nie dergleichen Behauptung gesehen,
und von ihrem Grunde kann ich nichts finden. Wenn wir die <index indexName="subjects-index">
<term>Historie</term>
</index>Historie fragen: so belehret sie uns schon lange über solche
<hi>Projecte</hi>; daß gar nicht zu erwarten ist, es werde irgend ein Staat
seine guten Unterthanen in solche ganz <hi>unmögliche</hi> Aufgaben einleiten
lassen. Alle Religionsparteien sind schon so weit verbrüdert, als es mit dem
Staat bestehen kann, als es die Menschheit erfordert; es beruhet aber diese
Beschreibung, daß <hi>eine algemeine <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsverbrüderung</term>
</index>Religionsverbrüderung, so gar in kurzem, gestiftet werden könne und
solle</hi>, auf einem sehr großen Vorzuge von Einsichten und Urteilen, die
manche Liebhaber von neuen Vorschlägen sich sehr leicht anmassen, aber
keinesweges aus den <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenrechte</term>
<term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
</index>Rechten der Menschheit und des <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensrechte</term>
<term type="alternative">Rechte des Gewissens</term>
</index>Gewissens rechtfertigen oder empfehlen können. Wenn jeder Christ und
Unterthan gewissenhaft seinem <index indexName="subjects-index">
<term>Beruf</term>
</index>Berufe folget: so hat er so <pb xml:id="bs_b_page_9" n="9" edRef="#b"/>
viel zu thun, daß er sich um <hi>eine algemeine <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsverbrüderung</term>
</index>Religionsverbrüderung</hi> schwerlich eher bekümmern, oder die Zeit
darauf verwenden wird, bis es ihm von den Schutzherrn der Religionsparteien
aufgetragen wird. Es ist gar wohl glaublich, daß es manche gutmeinende
Zeitgenossen giebt, die eine <hi>äußerliche</hi> Vereinigung <hi>aller</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Parteien, Vereinigung aller</term>
</index>Parteien sich vorstellen, sie wünschen und für thunlich halten; aber ob
ihnen wirklich die Menschheit und Gewissen einen Beruf dazu gebe, müssen sie
nicht eigenliebig allein entscheiden wollen. Lange genug hat man in und seit dem
16ten Jahrhundert an dieser <hi>äußerlichen Vereinigung</hi>, und zwar nur der 3
größern Religionsparteien in <hi>Teutschland</hi> oder <hi>Europa</hi>
gearbeitet; aber die weisesten erfarensten Männer haben endlich eingestanden,
daß es an innerer und äußerer Obliegenheit wirklich ermangele; daß Frieden und
feierliche gegenseitige Versprechung der Regenten, Schlüsse über die äußerlichen
<index indexName="subjects-index">
<term>Religionsrechte</term>
</index>Religionsrechte, alles und das einzige seien, was mehrere Staaten
einander deshalb gewären können. Ich gestehe es, daß diese Zeitgenossen, welche
so liebreiche Projecte machen, für sich ihre Gedanken frey haben; sie können
sich vergnügen, über den eingebildeten Erfolg und über größern Segen oder
Wohlfart der Menschen; aber wer mehr sich anmaßet, mus nun nicht sein Gewissen
oder <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenrechte</term>
<term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
</index>Rechte der Menschheit vorschützen; er tadelt die höchsten Regierungen,
und schmälert das Zutrauen ihrer Unterthanen, und darum bleiben solche Schriften
landesherrlicher Hoheit und allen Obern unterworfen, welche den äusserlichen
Religionszustand ihrer Unterthanen, nach ihren Einsichten, besorgen. Wir werden
es aus dem Erfolge, aus der Aufnahme sehen: ob Landesherren solche Schriften bey
einer vorgeschlagenen ganz neuen <index indexName="subjects-index">
<term>Kircheneinrichtung</term>
</index>Kircheneinrichtung so oder so weit zum Grunde legen. Wenn sie es nicht
thun: sollen sie alsdenn solchen Bitten die <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenrechte</term>
<term type="alternative">Rechte der Menschheit</term>
</index>Rechte der Menschheit und des <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissensrechte</term>
<term type="alternative">Rechte des Gewissens</term>
</index>Gewissens versaget haben? Dieser ganze Vortrag ist höchstens mit einem
<index indexName="subjects-index">
<term>Affekt</term>
</index><hi>Affect</hi> und einer Aufwallung zu entschuldigen.</p>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_1"><label>Heidesheim</label>
<p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_14"/>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_2"><label>Ich habe
sogleich wieder geantwortet</label>
<p>Der Brief hat sich nicht erhalten. Bahrdt erwähnt ihn in der <hi>Geschichte
seines Lebens</hi> III (1791), 397.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_3"><label>Samlung
aller Conclusorum [...] von Schauroth </label>
<p> Eberhard Christian Wilhelm von Schauroth, <hi>Vollständige Sammlung aller
Conclusorum, Schreiben und anderer übrigen Verhandlungen des
hochpreißlichen Corporis Evangelicorum</hi>, 3 Bde.,
1751–1752.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_4"><label>Corporis
Euangelicorum</label>
<p>Das Corpus Evangelicorum war der Zusammenschluss aller protestantischen
Reichsstände im Alten Reich, um ihre Interessen gegenüber dem Kaiser und der
katholischen Reichstagsmehrheit besser durchsetzen zu können. Wie im
Westfälischen Frieden (1648) festgelegt, sollten auf dem Reichstag fortan
Religionsfragen konfessionell getrennt beraten und abgestimmt werden („de
corpore ad corpus“; „itio in partes“).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_5"><label>Gläsnerische
Processache</label>
<p>Semler spielt hier auf einen viel diskutierten Fall an: Der lutherische
Pastor Justus Martin Gläsener (1696–1750) war nach Auseinandersetzungen mit
dem Magistrat der Stadt Hildesheim 1746 vom Pfarramt suspendiert und 1749
endgültig entlassen worden. Gläsener hatte sich in dieser Angelegenheit an
den Reichshofrat gewandt. Im Nachgang entspann sich eine grundsätzliche
Diskussion darüber, ob es dem Reichshofrat erlaubt sei, in geistlichen
Angelegenheiten gegen Protestanten zu entscheiden, oder ob dies
ausschließlich Sache des Corpus Evangelicorum (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_n_4"/>) sein solle.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_6"><label>Halle</label>
<p>Bahrdt war nach seiner Flucht am 27. Mai 1779 in Halle (Saale) eingetroffen;
vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_15"/>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_7"><label>pro
memoria</label>
<p><hi>Pro memoria</hi> (dt. „zur Erinnerung“) sind formale Stellungnahmen einer
Streitpartei, wie sie vor dem Corpus Evangelicorum oder den Reichsgerichten
vorgebracht wurden.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_8"><label>eine eigene
gute Lebensbeschreibung</label>
<p>Bahrdt veröffentlichte seine vierbändige Autobiographie zwar erst über ein
Jahrzehnt später (<hi>Geschichte seines Lebens, seiner Meinungen und
Schicksale</hi>, 4 Bde., 1790/1791), doch sei er, so teilt er der
Leserschaft zu Beginn mit, bereits seit geraumer Zeit zu ihrer Abfassung
„aufgemuntert, und zum Theil auch recht dringend darum gebeten worden. [...]
Schon seit zehn Jahren bin ich damit umgegangen, meine eigne Geschichte zu
beschreiben“ (<hi>Geschichte seines Lebens</hi> I, 1790, 1f.).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_9"><label>Uebersetzung
aus dem Philo</label>
<p>Philo(n) von Alexandrien (zwischen 20 und 10 v. Chr.–nach 41 n. Chr.) war ein
jüdischer Theologe und Philosoph. Er ist der wichtigste Vertreter des
antiken griechischsprachigen Diasporajudentums. Sein umfangreiches Werk ist
gekennzeichnet durch eine Vermählung von jüdischen und hellenistischen
Traditionen und Ideen, die auch für das frühe Christentum charakteristisch
werden sollte. Die ersten Lehrer der Kirche (u.a. Clemens von Alexandrien,
Origenes, Gregor von Nyssa) rezipierten Philo in erheblichem Maße, u.a. die
von ihm mustergültig praktizierte allegorische Schriftauslegung. Eine
deutsche Übersetzung von Philos Werken lag Ende des 18. Jh.s nicht
vor.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_10"><label>Eusebii
Vorbereitung</label>
<p>Eusebius von Caeserea (zwischen 260 und 264–339/40) war ein spätantiker
Historiker, Theologe und Bischof, der oft als „Vater der Kirchengeschichte“
bezeichnet wird. Er verfasste auch geographische, exegetische sowie
polemisch-apologetische Schriften. Die Verlässlichkeit des in die
(kirchen-)politischen Kämpfe seiner Zeit verstrickten Historikers Eusebius
wird heute als eher gering eingeschätzt. Die Hauptwerke –
<hi>Kirchengeschichte</hi> (10 Bücher) und <hi>Leben Konstantins</hi> –
waren 1777 von Friedrich Andre(a)s Stroth (1750–1785) in neuer deutscher
Übersetzung herausgegeben worden. Mit der „Vorbereitung“ meint Semler hier
die apologetische Schrift <hi>Praeparatio evangelica</hi> (gr. <foreign xml:lang="grc">Εὐαγγελικὴ προπαρασκευή</foreign>), deren Abfassung
Eusebius vermutlich im Jahre 313 begann. – Bahrdt scheint Semlers Rat, an
der Übersetzung eines Klassikers zu arbeiten, übrigens beherzigt zu haben,
entschied sich aber gegen Philo und Eusebius für die Herausgabe einer
zweibändigen deutschen Ausgabe des Tacitus (1781).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_11"><label>erste
Anfang des 1sten Kapitel Johannis ächt</label>
<p>Bahrdts Unbehagen am Prolog des Johannesevangeliums und seinen
trinitätstheologischen Implikationen wird auch in beiden Auflagen der
<hi>[N]eusten Offenbarungen</hi> (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_3"/>) deutlich. In der ersten (1773) übersetzt er Joh
1,1: „Der Logus war schon bey dem Entstehen dieser Welt. Er war bey Gott:
[...] denn es war nur Gott und der Logus.“ Bahrdt erläutert den letzten Satz
mit: „Ich lese für <foreign xml:lang="grc">ο λογος, και λογος</foreign>“. In
der zweiten Auflage (1777) ändert er den Schluss des Verses zu dem
üblicheren „<hi>und Gott war der Logus</hi>“, fügt aber den Kommentar hinzu:
„Ich bin fest überzeugt: daß die Leseart falsch ist: und daß es heissen
müsse: ‚Denn es war nur <hi>Gott</hi> und der <hi>Logus</hi>‘ – Logus aber
ist so viel als Gesandter, <hi>Sprecher</hi> Gottes, der im Namen Gottes mit
den Menschen redet.“</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_12"><label>die
sogenannten Aloger</label>
<p>Christliche Gruppierung um das Jahr 200, insbesondere in Kleinasien
vertreten, von der wir nur durch ihre Gegner, vor allem Epiphanius von
Salamis (zwischen 310 und 320–403), wissen. Laut Epiphanius verwarfen die
Aloger das Johannesevangelium und die Offenbarung des Johannes, die sie
beide dem Gnostiker Cerinthus (um 100) zuschrieben. Sie lehnten die sog.
„Gaben des Heiligen Geistes“ ab und betrachteten Jesus Christus als einen
zwar sittlich vollkommenen, jedoch natürlich gezeugten Menschen. Der Name
„Aloger“ geht auf ein Wortspiel des Epiphanius zurück, das sowohl die
Opposition gegen die johanneische Logos-Vorstellung als auch die angeblich
unvernünftige Denkweise der Vertreter dieser Richtung ausdrücken sollte. Es
ist allerdings zweifelhaft, ob die Aloger von ihren Zeitgenossen überhaupt
als einheitliche heterodoxe Gruppe angesehen wurden, d.h., ob sie überhaupt
als „Partey“ gelten sollten (Semler).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_13"><label>nötige
Erlaubnis</label>
<p>Auswärtige Zeitungen berichteten bereits über Vorlesungen oder gar eine
Professur an der Universität Halle; vgl. die harsche Antwort darauf in den
<hi>Hallische[n] Neue[n] Gelehrte[n] Zeitungen</hi>, 60. St.
(29.7.1779), 480. Der zuständige preußische Minister v. Zedlitz (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_18"/>) hatte jedoch deutlich darauf
gedrungen, dass Bahrdt keine theologischen Vorlesungen halten dürfe. Er
erteilte nur eine Weisung, dass er an der philosophischen Fakultät lesen
dürfe (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_17"/>).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_14"><label>Decanus</label>
<p>Die turnusmäßig vergebene Stellung des Dekans ist nicht zu verwechseln mit
der Position des Direktors des Theologischen Seminars, die Semler seit 1757
ununterbrochen innehatte. Infolge seiner Querelen mit Bahrdt und Ernst
Christian Trapp wurde Semler im Dezember 1779 des Direktorpostens enthoben;
s. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_11"/>. Der Dekan der theologischen
Fakultät war auch mit der Zensur theologischer Werke betraut.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_15"><label>von einem
hiesigen Buchdrucker [...] Pränumeration</label>
<p> „Pränumeration“ meint ein im späten 18. Jh. gängiges Finanzierungskonzept
von Druckwerken, die schon vor Drucklegung bezahlt wurden (vergleichbar mit
der noch heute üblichen verbindlichen Vorbestellung bei einer Subskription).
Teils wurden Pränumeranten dann namentlich im Titelbogen des Werks
aufgeführt. Semler äußert sich zum gleichen Sachverhalt nochmals in seinen
<hi>Theologische[n] Briefe[n]</hi> I (1781), 37: „Herr <hi>Bahrdt</hi>
wolte ein Avertissement bey dem Buchdrucker H. hier drukken lassen, worinn
eine weitläufftige <hi>Bestätigung seines Glaubensbekentnisses versprochen
wurde</hi>; 5000 mal sollte es gedruckt werden. Es ist doch wohl
natürlich, daß eine <hi>lutherische theologische Facultät</hi> die
<hi>Censur</hi> zu einer solchen abermaligen bedächtig fortgesetzten
Beschimpfung der 3 öffentlichen Religionspartheyen nicht geben konnte; ich
gab es also zurück, mit der schriftlichen Anzeige, daß hier in Halle
dergleichen nicht gedruckt werden könnte.“ Eine ähnliche Absage an Texte,
die Bahrdt unterstützen, findet sich in den <hi>Hallische[n] Neue[n]
Gelehrte[n] Zeitungen</hi>, 60. St. (29.7.1779), 480. Das Avertissement
selbst konnte nicht ermittelt werden, doch belegen verschiedene Briefe aus
der Zeit, dass Bahrdt die Veröffentlichung eines ausführlichen Kommentars
zum <hi>Glaubensbekenntniß</hi> plante. Basedow erwähnt in einem Schreiben
an Bahrdt vom 15. Juli 1779 die von der Hallischen Universität verwehrte
„Ankündigung des Commentars“ (Pott, <hi>Briefe</hi> II, 62).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_16"><label>„Tausend
und aber Tausend [...] es laut zu sagen.“</label>
<p>Zitat a23.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_16a"><label>daß
kaiserl. Majestät mit Zuziehung der Stände des Reichs […] erhalten werden
könnten</label>
<p>Zitat a24.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_17"><label>Jansenist
seyn und ein strenger Schüler Augustini</label>
<p>„Jansenist“ meint einen Anhänger des katholischen Theologen Cornelius Jansen
(1585–1638), der seit 1636 Bischof von Ypern war. Jansen legte eine strenge
Interpretation des spätantiken Kirchenvaters Augustinus vor: <hi>Augustinus,
sive doctrina Sti. Augustini de humanae naturae sanitate, aegritudine,
medicina adversus pelagianos et massilienses</hi>, 3 Bde., Löwen 1640.
Hauptgegner waren die Jesuiten (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_10_25"/>), die wiederholt eine römische Verurteilung von
Jansens Thesen und seinen Anhängern erzielen konnten. Im Gegenzug konnten
Jansenisten 1773 die zeitweilige Aufhebung des Jesuitenordens erwirken. Der
Jansenismus gilt als wichtigste innerkatholische Oppositions- und
Frömmigkeitsbewegung nach dem Tridentinum, die den älteren innerkirchlichen
Gnadenstreit fortsetzte und weit über das 18. Jh. fortwirkte. Der
Jansenismus hatte großen Einfluss auf die katholische Aufklärung und ist
strukturell betrachtet gleichsam das Pendant zur Neologie auf katholischer
Seite.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_18"><label>Speners</label>
<p>Der lutherische Theologe Philipp Jakob Spener (1635–1705) war ab 1666 in
Frankfurt und später ab 1686 in Dresden tätig. Spener förderte seit 1670 die
Stärkung häuslicher Frömmigkeit in den sog. <hi>collegia pietatis</hi>. 1675
erschien sein Hauptwerk <hi>Pia desideria oder Herzliches Verlangen nach
gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche</hi>, in dem er
ein weitreichendes Reformprogramm seiner Kirche entwirft. Spener gilt daher
als wichtigster deutscher Vertreter, wenn nicht gar als Gründer der
religiösen Erneuerungsbewegung des Pietismus.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_19"><label>Böhmen</label>
<p>Gemeint ist der Görlitzer Schuster und mystische Autor Jacob Böhme
(1575–1624). Zwar erschien zu seinen Lebzeiten nur eine einzige Schrift im
Druck. Gleichwohl verbreiteten sich Abschriften seiner Werke und erregten
Widerstand in Person des Görlitzer Hauptpastors Gregor Richter (1560–1624),
der gegen Böhme vorging. Einflussreiche Patrone sammelten jedoch seine
Schriften und publizierten sie postum. Seine Leserschaft wuchs seitdem an
und Böhme avancierte weit über Deutschland hinaus zur Symbolfigur und zum
Referenzpunkt einer christlichen Theosophie, die ältere Traditionen des
mystischen Spiritualismus und der Naturphilosophie eines Paracelsus
(1493/94–1541) vereint.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_20"><label>Dippel</label>
<p>Johann Konrad Dippel (1673–1734) radikalisierte sich während seines
Theologiestudiums in Gießen und Straßburg unter dem pietistischen Einfluss
von Spener (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_b_n_18"/>) und Gottfried
Arnold (1666–1714). Dippel publizierte fortan gegen die lutherische
Orthodoxie und interessierte sich zunehmend für Medizin und Alchemie. 1704
flüchtete er aus Berlin in die Niederlande, wo er 1711 in Leiden in Medizin
promoviert wurde. Nach einigen Jahren im toleranten dänischen Altona, wo er
gleichwohl politisch aneckte und inhaftiert wurde, lebte er später zeitweise
in Schweden. Seine letzten Lebensjahre brachte er ab 1729 im
Wittgensteinischen Berleburg zu, das ein Zufluchtsort vieler Radikaler war.
Dippel publizierte viele seiner Schriften unter dem Pseudonym „Christianus
Democritus“ .</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_21"><label>Herrnhut</label>
<p>Der Ortsname „Herrnhut“ (Oberlausitz) steht stellvertretend für die sich seit
1722 formierende Brüdergemeine auf dem Gut von Nikolaus Ludwig Graf von
Zinzendorf (1700–1760), der Impulse des Halleschen Pietismus weiter
radikalisierte. Die Herrnhuter Brüdergemeine stand zudem in der Tradition
der Mährischen/Böhmischen Brüder, die Anhänger des Jan Hus (1370–1415)
waren.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_b_n_22"><label>Tausend und
aber tausend [...] und des Gewissens –</label>
<p>Zitat a24.</p></note>
</div>
</front>