<div type="chapter" xml:id="bs_d_ps">
  <head><choice>
      <orig>Nachschrift.</orig>
      <supplied reason="toc-title">Nachschrift</supplied>
    </choice></head>
  <p>Hiemit mögen diese Briefe über die Berlinische Bibliothek aufhören; ob ich gleich
                    willens war, über <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_1"/>noch
                    andre <hi>Recensionen</hi> mich einzulassen, zumahl von der <hi>Biographie</hi>;
                    die auch kein Muster der <index indexName="subjects-index">
      <term>Unparteilichkeit</term>
    </index>Unpartheilichkeit ist. Ernstlicher redet der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_2"/>Verfasser der
                        <hi>Recension</hi> des <hi>wahren Characters</hi> des <choice>
      <abbr>Hrn.</abbr>
      <expan>Herrn</expan>
    </choice>
    <choice>
      <abbr><hi>D.</hi></abbr>
      <expan>Doctor</expan>
    </choice>
    <index indexName="persons-index">
      <term>Bahrdt, Carl Friedrich</term>
    </index><persName ref="textgrid:2541p"><hi>Bahrdts</hi></persName> in
                    vertraulichen Briefen <choice>
      <abbr>etc.</abbr>
      <expan>et cetera</expan>
    </choice> wenn er sagt, Herr <choice>
      <abbr>D.</abbr>
      <expan>Doctor</expan>
    </choice>
    <index indexName="persons-index">
      <term>Bahrdt, Carl Friedrich</term>
    </index><persName ref="textgrid:2541p"><hi>Bahrdt</hi></persName> hat die
                    gerechteste und dringendste Veranlassung, um seinen <hi>guten Namen zu
                        retten</hi>, freymüthig und offenherzig die wahre Beschaffenheit jener
                    Umstände und Vorfälle, die man ihm hier zur Last leget, dem <index indexName="subjects-index">
      <term>Publikum</term>
    </index>Publicum vorzulegen. Dis ist ein <index indexName="subjects-index">
      <term>biedermännisch</term>
    </index>Biedermännisches Urtheil; dis haben schon seit aller dieser Zeit alle
                    gute Zeitgenossen gefället, welche doch freylich ihr Recht behalten, über diese
                    große Aufgabe ernstlich zu denken. Es ist dis die <hi>dringendste
                        Veranlassung</hi> seinen guten Namen zu retten – Daß die <index indexName="subjects-index">
      <term>Schreibart</term>
    </index>Schreibart <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_3"/><hi><index indexName="subjects-index">
        <term>pasquillantisch</term>
      </index>pasquillantisch</hi> seye, in diesen Briefen, wird nicht von allen
                    Lesern so leicht eingesehen, als bey dem Kirchen- und <hi>Ketzer Almanach</hi>;
                    und wenn <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_4"/>der weggelassene
                    Name des Druckorts <pb xml:id="bs_d_page_182" n="182" edRef="#d"/> und
                    Verlegers, einen sehr gegründeten Verdacht wider die Wahrheitsliebe und die gute
                    Absicht des Verfassers erreget, oder ihn nicht wenig zu bestätigen scheinet: so
                    ist es gerade der Fall dieses <hi>Almanachs</hi>. Von jenen Briefen ist übrigens
                    der <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_5"/>Druckort und Verleger
                        <hi>eben nicht unbekannt</hi>; und hätten freylich viele Zuschauer dieses
                    Auftrittes es desto mehr erwartet, daß die <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_6"/><foreign xml:lang="lat">actio iniuriarum</foreign> erhoben werden würde, <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_7"/>da Herr <choice>
      <abbr><hi>D.</hi></abbr>
      <expan>Doctor</expan>
    </choice>
    <index indexName="persons-index">
      <term>Bahrdt, Carl Friedrich</term>
    </index><persName ref="textgrid:2541p"><hi>Bahrdt</hi></persName> noch so
                    angesehene Verwandte in <index indexName="subjects-index">
      <term>Leipzig, Bahrdts Verwandte in</term>
    </index>Leipzig hat. Die gegründete Achtung des <index indexName="subjects-index">
      <term>Publikum</term>
    </index>Publikums gegen Herrn <choice>
      <abbr>D.</abbr>
      <expan>Doctor</expan>
    </choice>
    <index indexName="persons-index">
      <term>Bahrdt, Carl Friedrich</term>
    </index><persName ref="textgrid:2541p"><hi>Bahrdt</hi></persName> in Absicht des
                        <index indexName="subjects-index">
      <term>Charakter, moralischer</term>
    </index>moralischen Characters, würde auf einmal sich wieder heben, und viele
                    andere Dinge würden sich in eine bessere Lage bringen lassen, wenn er diese
                    dringendste Veranlassung ernstlich anwendete, seinen guten Namen zu retten;
                    sollte es auch in einem <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_8"/>Zusatz zur verbesserten Auflage des Almanachs geschehen; oder <ptr type="editorial-commentary" target="#erl_d_ns_9"/>in dem <index indexName="subjects-index">
      <term>Schulalmanach</term>
    </index>Schulalmanach, darinn – besonders Herr – so sehr gepriesen werden
                    soll.</p>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_1"><label>noch andre Recensionen [...] zumahl von der Biographie;
                        die auch kein Muster der Unpartheilichkeit ist</label>
    <p>Gemeint ist die Rezension der Schrift „Biographie und Silhouette von C. F.
                        Bahrdt“, AdB 43 (1780), 63–65. Die AdB macht keinerlei Angaben zu Verfasser,
                        Erscheinungsort, -jahr oder Verlag. Ein Werk mit ähnlichem Titel liess sich
                        in heutigen Bibliothekskatalogen nicht auffinden. Der Rezensent
                        rekapituliert anhand der „Biographie“ in teils bewunderndem Ton den
                        Lebenslauf Bahrdts, spart dabei aber unangenehme Details (Affäre in Leipzig,
                        persönliche Zerwürfnisse, sich bereits vor der Flucht abzeichnendes
                        ökonomisches Fiasko in Heidesheim etc.) aus. </p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_2"><label>Verfasser
                        der Recension des wahren Characters des Hrn. D. Bahrdts in vertraulichen
                        Briefen etc.</label>
    <p>Semler zitiert im Folgenden aus der Rezension der anonym veröffentlichten
                        Schrift <hi>Der wahre Character des Herrn Doctor C. F. Bahrdt. In vertrauten
                            Briefen geschildert von einem Niederländischen Bürger an Seinen Freund
                            in London</hi> (1779), AdB 43 (1780), 65. Beim Rezensenten handelt es
                        sich um Hermann Andreas Pistorius, s. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_2"/>. Semler folgt der inkorrekten Titelangabe der AdB
                        („vertraulichen“ statt „vertrauten“).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_3"><label>pasquillantisch</label>
    <p>Ein Pasquill ist eine anonym oder pseudonym erscheinende Schmähschrift. Der
                        Name leitet sich von einer römischen Statue, genannt „Pasquino“, her, an die
                        die Bewohner der Stadt seit dem frühen 16. Jahrhundert Spottgedichte auf den
                        Papst oder seine Regierung zu heften pflegten. Angeblich erhielt die Statue
                        ihren Namen im Volksmund zu Ehren eines besonders schlagfertigen Schneiders
                        aus der Nachbarschaft.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_4"><label>der
                        weggelassene Name des Druckorts und Verlegers</label>
    <p>Das Titelblatt von Bahrdts <hi>Kirchen- und Ketzer-Almanach aufs Jahr
                            1781</hi> (s. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_10"/>) liefert
                        folgende fiktive Angabe: „Häresiopel, im Verlag der Ekklesia pressa“.
                        Tatsächlich wurde der <hi>Almanach</hi> bei Frommann in Züllichau verlegt.
                        Laut Bahrdt (<hi>Geschichte seines Lebens</hi> IV, 1791, 144f.) wurde die
                        Idee bei einem vergnügten Abendessen in Basedows Leipziger Unterkunft
                        geboren und ihre Umsetzung sogleich in stillem Einvernehmen von Bahrdt und
                        dem ebenfalls anwesenden Verleger Nathanael Sigismund Frommann (1736–1786)
                        beschlossen. Weitere Gäste waren u.a. der reformierte Leipziger Prediger
                        Georg Joachim Zollikofer (1730–1788) sowie der Medizinprofessor und
                        Philosoph Ernst Plat(t)ner (1744–1818).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_5"><label>Druckort
                        und Verleger eben nicht unbekannt</label>
    <p>Die Schrift wurde offenbar mindestens einmal nachgedruckt, es sind zwei
                        verschiedene Titelblätter erhalten; auf einem der beiden findet sich die
                        fiktive Angabe „London, Bey James Brother“. Dies ist ein deutlicher Hinweis
                        auf den Verlag Rothe in Gera, dessen Name sich im Wort „Brother“ verbirgt.
                    </p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_6"><label>actio
                        iniuriarum</label>
    <p>Der Begriff bezeichnet im klassischen römischen Recht eine Bußklage. Sie
                        betraf vorsätzliche Körper- und Ehrverletzungen (Real- und
                        Verbalinjurien).</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_7"><label>da Herr D.
                        Bahrdt noch so angesehene Verwandte in Leipzig hat</label>
    <p>Bahrdts Eltern lebten seit 1747 in Leipzig, der Vater, ein anerkannter
                        Theologieprofessor orthodoxer Prägung, Johann Friedrich Bahrdt (1713–1775),
                        war zur Abfassungszeit der <hi>Theologische[n] Briefe</hi> bereits tot.
                        Bahrdts Mutter Christiana Elisabeth, geb. Ehrenhaus, überlebte ihren Sohn.
                        1779 machte Bahrdt auf seiner Flucht nach Halle Station bei ihr
                            (<hi>Geschichte seines Lebens</hi> IV, 1791, 17), über das weitere
                        Verhältnis ist nichts bekannt. Von Bahrdts Geschwistern wohnte zumindest
                        Margarethe Friederike Sophie (gest. 1805) mit ihrem Ehemann, dem Juristen
                        August Friedrich Schott (1744–1792), in der Stadt. Degenhard Pott
                            (<hi>Leben, Meynungen und Schicksale D. Carl Friedr. Bahrdts</hi>, 32)
                        berichtet für das Jahr 1790, dass ein Bruder [Christian Gottlieb] „Doctor
                        der Rechte und Syndikus der Universität Leipzig“, ein anderer [Christian
                        Traugott, ebenfalls Doktor der Rechte] „Stadtschreiber in Geithayn“
                        (Sachsen) sei, eine zweite Schwester lebe bei der Mutter (die Namen nach
                        eigenen Recherchen von den Hgg. ergänzt). – Bahrdts Verhältnis zu seinem
                        Vater war geprägt von Zuneigung und Respekt, seine Mutter und die vier
                        jüngeren Geschwister erwähnt er hingegen kaum.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_8"><label>Zusatz zur
                        verbesserten Auflage des Almanachs</label>
    <p>Bahrdt hatte eine alljährliche Ausgabe angekündigt (<hi>Kirchen- und
                            Ketzer-Almanach aufs Jahr 1781</hi> [1780], 246f.), tatsächlich erschien
                        die nächste Ausgabe jedoch erst 1787. Dort wird unter Verweis auf die
                        Erstveröffentlichung auf einen Wiederabdruck der Invektiven gegen den
                        „große[n] Mann“ (175) Semler verzichtet. Zugleich konstatiert Bahrdt
                        allerdings, dass dieser „in der gelehrten Welt nicht mehr in Rechnung
                        komme[.], da er sich mit Chemie und Alchymie abgibt und – Achselzucken
                        erregt“. Vor allem mokiert sich Bahrdt über das von Semler in mehreren
                        Schriften (beginnend mit <hi>Von ächter hermetischer Arzenei</hi> [1786])
                        propagierte „Luftsalzwasser“, eine von einem gewissen Baron Leopold von
                        Hirschen vertriebene Universalarznei geheimer Zusammensetzung. Bahrdts Rat
                        an Semler, sich aus Wissenschaften herauszuhalten, von denen er nichts
                        verstehe, entbehrt nicht der makabren Ironie, sollte Bahrdt doch wenige
                        Jahre später sich und seine älteste Tochter mit eigenverordneten
                        Quecksilberkuren umbringen.</p></note>
  <note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="erl_d_ns_9"><label>in dem
                        Schulalmanach, darinn – besonders Herr – so sehr gepriesen werden
                        soll</label>
    <p>Es ist unklar, auf was und wen sich Semler hier bezieht. Am
                        wahrscheinlichsten ist wohl das kurzlebige <hi>Magazin für die Erziehung und
                            Schulen besonders in den Preußischen Staaten</hi> gemeint, das erstmals
                        im Herbst 1781 in Halle im Verlag Johann Jacob Gebauer erschien. Herausgeber
                        war der Stettiner Lehrer und Historiker Johann Jakob Sell (1754–1816).
                        Besonders „gepriesen“ (vgl. Widmung und Vorrede, Bd. 1, 1. St.) wurde das
                        Wirken des Freiherrn von Zedlitz (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_18"/>), der Semler des Postens des Seminardirektors
                        enthoben hatte (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_d_1_11"/>).
                        Preußische Autoren waren zum Einsenden von Beiträgen ermuntert worden. Nicht
                        völlig auszuschließen ist auch, dass Semler bereits auf Johann Heinrich
                        Campes epochale <hi>Allgemeine Revision des gesammten Schul- und
                            Erziehungswesens</hi> (16 Bde.; 1785–1792) anspielt, deren erster Band
                        von einem programmatischen Beitrag Bahrdts eingeleitet wurde (vgl. <ptr type="page-ref" target="#erl_a_1_32"/>) – allerdings erst
                        vier Jahre später. Campe trug sich aber wohl schon seit 1780 mit dem
                        Gedanken eines solchen Unternehmens und warb dafür unter Kollegen. In dem
                        1783 in der <hi>Berlinische[n] Monatsschrift</hi> (2, 162–181)
                        veröffentlichten „Plan zu einer allgemeinen Revision [...]“ wird Bahrdt
                        bereits als Beitragender aufgeführt. Zu guter Letzt könnte auch Trapps
                        Werbeschrift <hi>Ueber das Hallische Erziehungs-Institut</hi> (1782) gemeint
                        sein, in der er naturgemäß die eigene Arbeit als Institutsleiter „preist“.
                        Für diese Deutung spräche, dass Semler auch sonst die namentliche Nennung
                        seines Intimfeindes vermeidet (vgl. <ref target="#bs_d_page_115">d115.</ref><ref target="#bs_d_page_129">129</ref>) und ihm bekannt
                        gewesen sein dürfte, dass Trapp mit Bahrdt auf vertrautem Fuße stand
                        (Bahrdt, <hi>Geschichte seines Lebens</hi> IV, 1791, 87f.). Andererseits
                        fällt es schwer, in Trapps oder Campes Publikationen einen „Almanach“ zu
                        sehen. </p></note>
</div>