<div type="section-group" id="less_1_Zusatz">
<app>
<lem/>
<rdg type="ptl" wit="#c #z">
<div type="section" id="less_section_z1">
<head type="main"><pb n="171" edRef="#c" id="less_171_c"/>
<pb n="1" type="sp" edRef="#z"/>
<app>
<lem wit="#c"><choice>
<orig>Anhang.</orig>
<supplied reason="toc-title"><hi>1. Zusatz</hi>: Ist
mehr Freude oder mehr Elend in der Welt?</supplied>
<supplied reason="column-title"><hi>1. Zusatz</hi>: Ist
mehr Freude oder mehr Elend in der Welt?</supplied>
</choice></lem>
<rdg type="pp" wit="#z">Zum <choice>
<sic>XXI.</sic>
<corr type="editorial">XII.</corr>
</choice> Sontage nach Trinitatis.</rdg>
</app></head>
<app>
<lem wit="#c"/>
<rdg type="ptl" wit="#z"><head type="sub">I.</head></rdg>
</app>
<head type="sub"><ptr target="#z1_erl_7" type="editorial-commentary"/>Ist mehr <hi rend="spaced-out">Freude</hi> oder mehr <hi rend="spaced-out">Elend</hi> in der Welt?</head>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Im</hi></hi> Alterthume, wo die Menschen
bei der grössern <index indexName="subjects-index">
<term>Simplizität der Sitten</term>
</index>Simplicität der Sitten weniger Bedürfnisse hatten; und <ptr target="#z1_erl_8" type="editorial-commentary"/>bei den
beständigen Bewegungen des Körpers in frischer Luft mehr Gesundheit
genossen, <index indexName="subjects-index">
<term>glauben</term>
</index>glaubte man, daß Freude und Leid in der Welt <hi>gleich</hi>
sey. Nach dem ältesten unter den Weisen der heydnischen Welt <ref type="note" target="#less_z1_note1">*)</ref> liegen in <index indexName="subjects-index">
<term>Jupiter</term>
</index><hi>Jupiters</hi> Vorsaale zwei Fässer, das eine mit Gutem
angefüllt, und das andere mit Uebel, und aus beiden theilt er den
<index indexName="subjects-index">
<term>Sterblicher</term>
</index>Sterblichen gleiche Portionen aus. In spätern Zeiten, wo der
zunehmende Luxus, die Kentnisse und Sitten der Menschen verdarb,
legte man dem Fasse voll Uebel noch eines bei, und behauptete <ref type="note" target="#less_z1_note2">**)</ref>, neben
<hi>Einer</hi> Freude gebe die Gottheit jedem Menschen <hi>Zwei
Uebel</hi>. Je mehr endlich die richtige Kentniß von <hi><hi rend="spaced-out">Gott</hi></hi>, und das <index indexName="subjects-index">
<term>Gefühl</term>
</index>Gefül <hi><hi rend="spaced-out">Seiner</hi></hi> Gegenwart
sich unter den Menschen verlohr; desto finsterer und schwermütiger
ward die Vorstellung, welche sie sich von der Welt machten. Die
<index indexName="subjects-index">
<term>Weltweise, heidnische</term>
</index>heydnischen Weltweisen stimmten fast alle in der Mei<pb n="172" edRef="#c" id="less_172_c"/><pb n="2" edRef="#z"/>nung überein, daß die Erde die Wohnung des Elendes sey, wo es eher
an Thränen fehle, als an Ursachen zu weinen <ref type="note" target="#less_z1_note3">*)</ref>: und die <choice>
<sic><hi>Transer</hi></sic>
<corr type="editorial"><hi>Trauser</hi></corr>
</choice>, ein altes Volk in <hi>Thracien</hi>, weinten bei der
Geburth, und frolokten bei dem <index indexName="subjects-index">
<term>Tod</term>
</index>Tode eines Menschen <ref type="note" target="#less_z1_note4">**)</ref>.</p>
<note id="less_z1_note1" place="bottom"><milestone n="171*" edRef="#c" unit="fn-break"/>
<milestone n="1*" edRef="#z" unit="fn-break"/>
<label>*)</label>
<ptr target="#z1_erl_9" type="editorial-commentary"/><index indexName="classics-index">
<term>Homer</term>
</index>
<persName ref="textgrid:24h0b"><hi>Homer</hi></persName> in der
Ilias <hi>Buch</hi> 24. <hi>Vers</hi> 522. <choice>
<abbr>f.</abbr>
<expan>folgend</expan>
</choice></note>
<note id="less_z1_note2" place="bottom"><label>**)</label>
<choice>
<abbr>Z. E.</abbr>
<expan>Zum Exempel</expan>
</choice>
<ptr target="#z1_erl_10" type="editorial-commentary"/><index indexName="classics-index">
<term>Pindar</term>
</index>
<persName ref="textgrid:24gzk"><hi>Pindar</hi></persName> in der
dritten <hi>Pythischen</hi> Ode <choice>
<abbr>V.</abbr>
<expan>Vers</expan>
</choice> 145. <choice>
<abbr>f.</abbr>
<expan>folgend</expan>
</choice></note>
<note id="less_z1_note3" place="bottom"><milestone n="172*" edRef="#c" unit="fn-break"/>
<milestone n="2*" edRef="#z" unit="fn-break"/>
<label>*)</label>
<choice>
<abbr>Z. E.</abbr>
<expan>Zum Exempel</expan>
</choice>
<ptr target="#z1_erl_11" type="editorial-commentary"/><index indexName="classics-index">
<term>Seneca</term>
</index>
<persName ref="textgrid:2sgsv"><hi>Seneka</hi></persName> Consolat.
ad Polyb. <choice>
<abbr>cap.</abbr>
<expan>caput</expan>
<expan>capitulum</expan>
</choice> 23.</note>
<note id="less_z1_note4" place="bottom"><label>**)</label>
<ptr target="#z1_erl_12" type="editorial-commentary"/><index indexName="classics-index">
<term>Quintilian</term>
</index><persName ref="textgrid:24gwt"><hi>Quintilian</hi></persName> Instit. Or. V. 11. 38.</note>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Dies</hi></hi> alles läßt sich aus den
angezeigten Ursachen erklären. Aber seltsam ist es, selbst von
Kennern, und redlichen Schülern des Christenthums eben diese <index indexName="subjects-index">
<term>melancholische Klagen</term>
</index>melancholische Klagen zu hören <ref type="note" target="#less_z1_note5">***)</ref>. Wenn <index indexName="subjects-index">
<term>Philosophen und Dichter, christliche</term>
</index>christliche <hi>Philosophen</hi> und <hi>Dichter</hi>, die
Menschen, Erben und <index indexName="subjects-index">
<term>Kinder der Pein</term>
</index>Kinder der Pein nennen; die Reihe menschlicher Trübsahle für
so unendlich erklären, daß es uns eher an Seufzern mangeln könne,
als an Ursachen zu seufzen; und <ptr target="#z1_erl_17" type="editorial-commentary"/>die Erde wie ein <index indexName="subjects-index">
<term>Jammertal</term>
</index>Jammerthal, und
eine Wüste mit Dornen, und Schlingen dicht besäet <app>
<lem wit="#c">beschreiben</lem>
<rdg type="v" wit="#z">beschrieben</rdg>
</app>: so wäre dies schlechterdings unbegreiflich, wenn sie nicht
entweder durch poetische Begeisterung hingerissen; oder durch
schmerzliche Gefüle gegenwärtiger Leiden betäubt; oder durch die
rümliche Absicht, die Nothwendigkeit eines <index indexName="subjects-index">
<term>Leben nach dem Tode</term>
</index>Lebens nach dem Tode zu <index indexName="subjects-index">
<term>beweisen</term>
</index>beweisen geblendet, auf solche dem <index indexName="subjects-index">
<term>Neues Testament</term>
</index><hi>Neuen Testament</hi> geradezu widersprechende
Behauptungen gefallen wären.</p>
<note id="less_z1_note5" place="bottom"><label>***)</label>
<choice>
<abbr>Z. E.</abbr>
<expan>Zum Exempel</expan>
</choice>
<ptr target="#z1_erl_13" type="editorial-commentary"/><index indexName="persons-index">
<term>Wollaston, William</term>
</index><persName ref="textgrid:3rpjk"><hi><hi rend="spaced-out">Wollaston</hi></hi></persName> in seiner Natürlichen
Theol. und <ptr target="#z1_erl_14" type="editorial-commentary"/><index indexName="persons-index">
<term>Young, Edward</term>
</index><persName ref="textgrid:3rpjm"><hi>Young</hi></persName> in
seinen Nachtgedanken I, 235. <choice>
<abbr>f.</abbr>
<expan>folgend</expan>
</choice></note>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Aber</hi></hi> „wer, wird man sagen, wer
kan es leugnen, daß die Summe des menschlichen Elen<pb n="173" edRef="#c"/><pb n="3" edRef="#z"/>des unübersehlich ist? Und
selbst der Weise, der beste Christ unter ungeheuren Lasten desselben
seufze? Die <hi>Kriege</hi> mit allem ihrem schrecklichen Gefolge;
die <hi>grausamen Tyrannen</hi>; die <index indexName="subjects-index">
<term>Sklaverei</term>
</index><hi>Sklaverei</hi>; die <hi>Landplagen</hi>; und das
unermesliche <index indexName="subjects-index">
<term>Krankheiten, Heer von</term>
</index>Heer von <hi>Krankheiten</hi>; den langwierigsten, und
peinlichsten Krankheiten: – man ziehe die Summe dieser Artikel! Und
wer wird dann noch leugnen wollen, daß das Elend die Freuden bei
weitem überwiege; ohne der ganzen Geschichte, und seinen eigenen
Sinnen zu widersprechen?“</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Gleichwohl</hi></hi> ruft uns das Neue
Testament fast allenthalben zu, <ptr target="#z1_erl_18" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="1Joh:4">1 Joh.
4.</citedRange></bibl></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Gott</hi> ist die <hi rend="spaced-out">Liebe</hi>!</hi>
<ptr target="#z1_erl_20" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Jak:1">Jak. 1.</citedRange></bibl></seg>
<hi>Von <hi rend="spaced-out">Ihm</hi> dem <hi rend="spaced-out">Vater der Freuden</hi>, kommt <hi rend="spaced-out">Nichts</hi>, <hi rend="spaced-out">Nichts</hi> als Gutes
auf die Menschen herab?</hi> Und auf diese Lehren gegründet,
prediget, und empfiehlet es allenthalben, <ptr target="#z1_erl_19" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Phil:4">Phil.
4.</citedRange></bibl></seg>
<hi>Freude, beständige Freude</hi>. Wie ist nun dies mit <ptr target="#z1_erl_21" type="editorial-commentary"/><hi>Erfahrung</hi> und <hi>Geschichte</hi> zu reimen? – –
Lasset uns also 1) die <hi>Einrichtung der Natur überhaupt</hi>, 2)
<hi>die den <hi rend="spaced-out">Menschen allen</hi>, bereitete
Freuden</hi>; und 3) die <hi>wahre Beschaffenheit unserer
Leiden</hi> genauer erwägen: sodann wird es sich zeigen, ob jene
traurige und bange; oder diese reizende und fröliche Vorstellung die
wahre sey?</p>
<p><ptr target="#z1_erl_6" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><hi>Erstes Stück</hi></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Zuerst</hi></hi> wollen wir um uns her
schauen, und <hi>unsern Wohnplaz</hi>, die <hi>Erde</hi>, mit dem
was auf und in ihr ist, genauer betrachten. – <hi>Sie</hi> selbst
nun hat eine runde Form, und bewegt sich so regelmäßig um sich
selbst, und die Son<pb n="174" edRef="#c"/><pb n="4" edRef="#z"/>ne,
daß daraus die vortrefliche Abwechselung des Tages, und der Nacht,
der Jahre, und Jahrszeiten entstehet. <hi>Sie</hi> trägt den
Weinstock, das Getreide, <index indexName="subjects-index">
<term>Gartenfrüchte/-gewächse</term>
</index>Garten-Gewächse, <index indexName="subjects-index">
<term>Baumfrüchte</term>
</index>Baum-Früchte, und eine unzäliche Menge von <index indexName="subjects-index">
<term>Kräuter</term>
</index>Kräutern, <index indexName="subjects-index">
<term>Stauden</term>
</index>Stauden, und Bäumen; welche uns durch ihren Anblick ergözen,
durch ihren <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlgeschmack</term>
</index>Wohlgeschmack erquicken, durch ihren Geruch stärken, und
jeden unserer Sinne mit Freuden anfüllen. Die <hi>Wälder</hi> füllen
durch ihre angenehme Dunkelheit; die majestätische Sammlung von
Bäumen die zu den Wolken hinaufsteigen; den harmonischen
entzückenden Gesang der Vögel; den erquickenden Wohlgeruch der
Pflanzen, jede <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenseele</term>
</index>Menschen-Seele mit einer heiligen Stille, und einem
angenehmen Schauer: ernären eine zahllose Menge von Thieren die uns
nüzen: geben uns Holz unsere Speisen zu bereiten, und unsere Zimmer
zu heizen, und Stoff zu den prächtigsten Gebäuden, und tausend
andern Ergözlichkeiten des Lebens. Die <hi>Flüsse</hi> stillen
unsern Durst, liefern uns unzäliche Arten von Fischen zur angenehmen
Nahrung, machen unsere Leiber und Häuser reinlich, ergözen unser
Auge, und befördern die Verbindung der Länder. Das <hi>Meer</hi>
giebt die Dünste her, woraus die Flüsse in den Bergen formiret
werden; trägt ungeheure Lasten, und verbindet die entlegensten
<index indexName="subjects-index">
<term>Weltteil</term>
</index>Welttheile; besezt unsere Tafeln mit unzälichen Arten
wohlschmeckender Speisen; näret eine unermesliche Anzahl froher
Geschöpfe, <ptr target="#z1_erl_15" type="editorial-commentary"/>in
jedem seiner <index indexName="subjects-index">
<term>Tropfen</term>
</index>Tropfen eine Welt. Die <hi>Berge</hi>; die
<hi>Luft</hi>; das <index indexName="subjects-index">
<term>Licht</term>
</index><hi>Licht</hi>; die <index indexName="subjects-index">
<term>Sonne, Mond und Sterne</term>
</index><hi>Sonne</hi>; der <hi>Mond</hi>; die <hi>Sterne</hi>:
alles zeigt in tausend, und aber <pb n="175" edRef="#c" id="less_175_c"/>
<pb n="5" edRef="#z"/> tausend Beispielen, daß alle die <hi><hi rend="spaced-out">Leb</hi>-</hi> und <hi><hi rend="spaced-out">Empfindungslosen Dinge</hi>, zur Freude
der <hi rend="spaced-out">Empfindenden</hi> eingerichtet
sind</hi>. – Unter den Empfindenden aber sind die Niedrigsten,
die <hi>Thiere</hi> nämlich, abermahls <hi>mit tausend Dingen
versehen, die ihnen und dem <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenfreund</term>
</index>Menschen Freude, und Nuzen geben</hi>. Der organisirte
Körper und die sinnliche Erkentnißkraft, welche sie mit dem Menschen
gemein haben, machen sie gleicher froher Empfindungen durch die
Augen, Ohren, und übrigen Sinne fähig. In jenen erstaunlichen
<hi>Kunsttrieben</hi>, sich zu bewegen, zu nären, zu
vertheidigen, zu erhalten, und fortzupflanzen, bringen sie alles mit
sich auf die Welt, was ihre Bedürfniß und Freude fordert. Ihre
Begierden sind sehr eingeschränkt, weil es ihre Kräfte sind. Sie
leben wegen der Zukunft ganz unbekümmert; geniessen jeden Tropfen
gegenwärtiger Freude; und fürchten und <index indexName="subjects-index">
<term>fühlen</term>
</index>fülen den sie <index indexName="subjects-index">
<term>Tod, plötzlicher</term>
</index>plözlich hinraffenden Todt nicht. Alles was in der Luft
fliegt, auf der Erde geht, unter unsern Füssen sich windet, und im
Wasser schwimmt, alles giebt Zeichen des Wohlseyns und der Freude
von sich. Und wie unzälich sind die frölichen Schauspiele, die
nüzlichen Dienste, die angenehmen Gerichte, und die
Gemächlichkeiten, welche sie uns Menschen verschaffen! – – – Lasset
uns die Anstalten der Vorsehung noch näher und im Einzelnen
betrachten! Die <hi>Natur giebt uns ihre Produkte freilich nur
roh</hi>, wir müssen sie erst verarbeiten, wenn sie uns Freude
machen sollen. Die Aere trägt nicht Brod, sondern Körner; <pb n="176" edRef="#c" id="less_176_c"/>
<pb n="6" edRef="#z"/> der Weinstock giebt nur Trauben mit Saft
angefüllt, aber nicht Wein. Diese Arbeit kostet uns gemeiniglich
viele Mühe, und oft saure Beschwerden; und darüber klagen nicht
wenige Menschen. Aber diesen Anstalten haben wir alle Künste und
Wissenschaften; und die Befreiung von aller Marter der Langenweile
und des Müssigganges; nebst den tausendfachen Freuden der Arbeit zu
danken. – Die Natur giebt ihre Produkte nicht alle in Einem Lande;
sondern <hi>hat sie durch die ganze Erde verbreitet</hi>: und
dadurch wird die Verbindung der Menschen befördert; und in dieser
die Quelle unzälicher Freuden geöfnet. – <hi>Der Mensch wird ganz
hülflos gebohren, und bleibt es eine lange Zeit.</hi> Wie
wohltätig! hieraus fliessen so viele innige Freuden, der
Hülfleistung von der einen Seite, und des Danks von der andern; die
Familien werden aufs zärtlichste zusammengeknüpft; und die gebohrnen
Geschöpfe durch Erziehung zu Menschen gemacht. – <hi>Dem Mangel
jedes Himmels-Striches wird auf eine sehr schickliche Art
abgeholfen.</hi> Der <hi>Lappe</hi> und <hi>Kamtschadale</hi>
hat sein <index indexName="subjects-index">
<term>Rentier</term>
</index>Rennthier: die in den Sandwüsten lebenden <hi>Araber</hi>,
<index indexName="subjects-index">
<term>Kamel</term>
</index>Kammeele: das unfruchtbahre <index indexName="subjects-index">
<term>Norwegen</term>
</index><hi>Norwegen</hi> seine <index indexName="subjects-index">
<term>Eidervögel</term>
</index>Eider Vögel: das sandigte <hi>Aegypten</hi> seinen Nil: <ptr target="#z1_erl_16" type="editorial-commentary"/>die
<hi>Otahniter</hi> den <index indexName="subjects-index">
<term>Papierbaum</term>
</index>Papierbaum: die <hi>heissen Gegenden</hi> ihre grünen
Dächer, welche die dicht zusammenwachsenden Bäume formiren; den
häufigen Thau; die külen Nächte; die wohltätigen, und majestätischen
<index indexName="subjects-index">
<term>Palmbaum</term>
</index>Palmbäume, nebst einer unendlichen Menge saftiger, und
erquickender <index indexName="subjects-index">
<term>Frucht</term>
</index>Früchte: die <hi>eiskal</hi><pb n="177" edRef="#c" id="less_177_c"/><pb n="7" edRef="#z"/><hi>ten Länder</hi>
ihre Waldungen, Pelze, <index indexName="subjects-index">
<term>Nordlicht</term>
</index>Nordlichte, die drei-monathlichen Tage, die heissen Sommer,
Thiere, die wenig Futter brauchen. Und die Menschen in den Gegenden,
welche <index indexName="subjects-index">
<term>ewiges Eis</term>
</index>ewiges Eiß, und vier-monathliche Nacht bedeckt, wo fast
keine Pflanze wächst, auch keine Holzungen sind; selbst die Bewohner
des allerödesten, und traurigsten <index indexName="subjects-index">
<term>Grönland</term>
</index><hi>Grönlandes</hi>, so wie der <index indexName="subjects-index">
<term>Feuerländer</term>
</index><hi>Feuerländer</hi>, werden ihres Daseyns so froh, daß sie
ihr Vaterland nicht gegen <index indexName="subjects-index">
<term>Italien</term>
</index>Italien vertauschen, und in viel reizenderen Gegenden vor
Sehnsucht darnach gestorben. – In der <hi>ganzen Natur ist nichts
<hi rend="spaced-out">schlechterdings</hi> Unnüz, Häslich
und Schädlich.</hi> Was dem einen Geschöpfe <index indexName="subjects-index">
<term>Gift</term>
</index>Gift ist, ist dem andern <index indexName="subjects-index">
<term>Balsam</term>
</index>Balsam: die <ptr target="#z1_erl_1" type="editorial-commentary"/><index indexName="subjects-index">
<term>Aas</term>
</index>Aeser welche uns Eckel verursachen, sind dem <index indexName="subjects-index">
<term>Geier</term>
</index>Geier <index indexName="subjects-index">
<term>Leckerbissen</term>
</index>Leckerbissen: die <index indexName="subjects-index">
<term>Insektenschwärme</term>
</index>Insekten-Schwärme, welche der Unverstand mit dem
verächtlichen Nahmen des Geschmeisses belegt, reinigen die Erde von
Aesern, erhalten die Pflanzen im Gleichgewicht, geben Seide, Purpur
und tausend andere Gemächlichkeiten, und Ergözungen den Menschen. –
<hi><hi rend="spaced-out">Wie</hi> arbeitet Ein Geschöpf für
das Andere, und zwar so daß ihm seine Arbeit Lust wird!</hi> Mit
Lust schwärmet die <index indexName="subjects-index">
<term>Biene</term>
</index><hi>Biene</hi> in den Blumen herum, und saugt ihre
balsamischen Säfte ein, um uns Honig und Wachs zu geben. Die <index indexName="subjects-index">
<term>Raupe</term>
</index><hi>Raupe</hi> frisst frölich auf dem Blatt, um den Vogel zu
nären, der unser Ohr ergözt, und unsern Geschmack vergnügt. Der
<index indexName="subjects-index">
<term>Totengräber</term>
</index><hi>Todten-Gräber</hi> reiniget die Erde von den faulenden
<index indexName="subjects-index">
<term>Maulwurf</term>
</index>Maulwürfen; und wie angenehm ist ihm sein Posten! –
<hi>Selbst die gemeinsten Dinge</hi>
<pb n="178" edRef="#c"/>
<pb n="8" edRef="#z"/>
<hi>enthalten Proben der Güte <hi rend="spaced-out">Gottes</hi>, die
in Erstaunen sezen.</hi>
<app>
<lem wit="#c"><choice>
<sic>Daß</sic>
<corr type="editorial">Das</corr>
</choice></lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#z">Das</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Gras</term>
</index>Graß, welches wir mit Füssen treten, ist so gebauet, daß es
sehr wenig Plaz einnimmt; wächst an Orten die zwischen grössern
Geschöpfen <ptr target="#z1_erl_2" type="editorial-commentary"/>leedig bleiben; wächst in so ganz unermeslicher Menge; und hat
zähe Blätter, damit es von unsern Füssen zertreten, alsbald sich
aufrichte, und gleichsam aus unsern Fußtapfen hervorgrüne. – –
<hi><hi rend="spaced-out">Welche Güte</hi></hi> muß das
seyn, die eine <hi><hi rend="spaced-out">solche</hi></hi>
Einrichtung <hi>unsrer Erde</hi> getroffen!</p>
<p><seg type="margin"><hi>Zweites Stück</hi></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Und</hi></hi> das war nur ein Blick aufs
<hi>Ganze</hi>. Jezt wollen wir <hi>Zweitens</hi> den
<hi>Menschen insbesondere</hi> betrachten, und die Quellen der
Freude, die ihm bereitet worden. – Die <hi><hi rend="spaced-out">Sinne</hi></hi> zunächst, sind so <hi>eingerichtet, daß wir
jene Millionen von Schönheiten und</hi>
<app>
<lem wit="#c"><choice>
<sic><hi>Wohthaten</hi></sic>
<corr type="editorial"><hi>Wohlthaten</hi></corr>
</choice></lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#z"><hi>Wohlthaten</hi></rdg>
</app>
<hi>mit innigem Vergnügen empfinden</hi>. Man berechne nur die
Freuden eines Einzigen Spazierganges. Der Gesang der Lerche, und
Nachtigal, und das sanfte Rieseln des Bachs, und das Gemurmel des
Strohmes, und das Geräusche der See, ergözet unser <hi>Ohr</hi>:
hundert Wohlgerüche, und balsamische Düfte geben uns den reizendsten
<hi>Geruch</hi>: und so manche Früchte den erquickendsten
<hi>Geschmack</hi>: das alles zusammen verbreitet über <hi>uns
ganz</hi> nach Leib und Seele, ein ausserordentlich reizendes
<hi>Gefül</hi> von Behaglichkeit und Wohlseyn: und der Anblick
aller dieser Schönheiten begeistert, und entzükt unser
<hi>Auge</hi>. Nach dieser Berechnung, wer kan da <pb n="179" edRef="#c"/>
<pb n="9" edRef="#z"/> die Freuden zälen, welche durch die fünf
Kanäle unsers Körpers in die Seele strömen! – <hi>Alle zum Leben
nötige und nüzliche Dinge sind mit Vergnügen verbunden.</hi> Das
Essen und Trinken; die Arbeit und Ruhe; Schlaf und Bewegung: warum
ist das alles uns nicht schmerzhaft? Warum nicht gleichgültig? Warum
mit so durchdringender Freude begleitet? – <hi><hi rend="spaced-out">Ferner</hi>, die Vorzüge unserer Seele vor den Thieren</hi>
sind wahrhaftig <hi>unerschöpfliche</hi> Quellen der <hi><hi rend="spaced-out">Besten</hi></hi> Freuden. Durch die
<hi>Vernunft</hi> können wir nüzliche Kentnisse einsammeln; <ptr target="#z1_erl_22" type="editorial-commentary"/>mit Menschen,
die vor Jahrtausenden gelebt, wie mit unsern Mitbürgern umgehen;
tausend nüzliche Sachen entdeken; die Pracht, und Wohltätigkeit der
Werke auf der Erde, und am Himmel erkennen; durch sie können wir
unsern <hi>Schöpfer</hi> denken, <hi><hi rend="spaced-out">Ihn</hi></hi> anbeten, <hi><hi rend="spaced-out">Seine</hi></hi> Grösse anstaunen, <hi><hi rend="spaced-out">Seine</hi></hi> Liebe fülen; <hi><hi rend="spaced-out">Ihn</hi>, Freund</hi>, und <hi>Vater!</hi> nennen. Das
<hi>Gedächtniß</hi>, und die <hi>Einbildungs-Kraft</hi>
verdoppelt, und verewigt alle jene Freuden. Die <hi>Voraussicht</hi>
vermehret unsere gegenwärtigen Freuden, noch mit den Freuden der
Zukunft, und Ewigkeit, die <hi>Freiheit</hi> sezt uns in den Stand
die edelsten Thaten auszurichten, und macht uns unabhängig von
Menschen und Welten. – Das <hi>Gewissen</hi> knüpfet an jede
Tugendthat ein <hi>unaussprechliches</hi> Vergnügen. Und die <index indexName="subjects-index">
<term>Perfektibilität</term>
</index><hi>Perfektibilität</hi> sezet uns in den Stand alle Kräfte
der Seele ins Unendliche zu erhöhen; und alle unsere Freuden ins
Unendliche zu vergrössern. – <hi><hi rend="spaced-out">Wir</hi>
leben</hi> mit <hi>andern <index indexName="subjects-index">
<term>Menschen in Gesellschaft, s. menschliche
Gesellschaft</term>
<term>menschliche Gesellschaft</term>
</index>Menschen in Gesellschaft</hi><pb n="180" edRef="#c"/><pb n="10" edRef="#z"/><hi>lichen Verbindungen</hi>. So viele
tausend <index indexName="subjects-index">
<term>Nebenmensch</term>
</index>Neben-Menschen, die wir nie gesehen, von denen wir nie etwas
gehöret haben, in Osten, und Westen, in der Nähe, und Ferne arbeiten
für unser Vergnügen. Durch den natürlichen Trieb des Wohlwollens,
den der <hi><hi rend="spaced-out">Schöpfer</hi></hi> in jede
menschliche Seele gelegt; und noch mehr durch das
<hi>Empfehlungs-Schreiben</hi>, das <hi><hi rend="spaced-out">Er</hi></hi> jedem Menschen an alle seine Neben-Menschen,
in der <hi>Bibel</hi> gegeben hat, sind die Menschen alle durch die
festesten, und zärtlichsten Bande mit einander verknüpft. Und dann
noch, jene Verbindungen mit unsern <hi>Blutsverwandten</hi>, und
<hi>Herzens-Freunden</hi>! Welches menschliche Herz hüpft nicht
bei den süssesten Nahmen der <hi>Eltern, Kinder, Gatten</hi>, und
<hi>Freunde</hi>: und bei dem Gedanken an die <hi>Häuslichen
Freuden</hi>! – Wären ferner, die äussern Glücks-Umstände der
Menschen alle gleich; so würden wir tausend Gemächlichkeiten, und
Freuden entbehren. Bei einem ganz gleichen <index indexName="subjects-index">
<term>Reichtum</term>
</index>Reichthum wäre niemand reich, sondern wir alle arm; bei
einer völlig gleichen Höhe wären alle niedrig. Jezt aber da
<hi>Gott</hi> diese irdischen Glüks-Güter so sehr verschieden
ausgetheilet, und Arme neben Reiche; Niedrige neben die Vornehmen
gestellt: nun geniessen nicht allein diese die Freuden des
Reichthums, wie jene die unzälichen Freuden der Arbeitsamkeit und
Gesundheit; sondern diese Verschiedenheit biethet unaufhörlich
Gelegenheiten dar zur Uebung der Wohltätigkeit an der einen Seite,
und der Dankbahrkeit an der andern. – <hi><hi rend="spaced-out">Aber</hi></hi> bei aller <pb n="181" edRef="#c"/>
<pb n="11" edRef="#z"/> dieser Verschiedenheit der äussern
Glücks-Umstände treffen wir <hi>eine völlige Gleichheit der
angenehmen Empfindung bei allen Arten des Vergnügens an</hi>.
Der Schlaf erquikt, und stärkt den Armen eben sowohl, oder vielmehr
noch besser, auf seinem Stroh, als den Reichen in seinen Federn, und
Polstern. Brodt und Wasser schmekt dem Armen gemeiniglich viel
besser, als die kostbahrsten Lekerbissen dem Reichen. Das Vergnügen
der Gesundheit, der Kentniß, und der Tugend, fült der Tagelöner eben
so stark, als der Kaiser. – <hi><hi rend="spaced-out">Und</hi></hi>
noch sind die vornehmsten Quellen der <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenfreuden</term>
</index><hi>Menschen-Freuden</hi> zurück: <hi>die geistlichen, und
ewig daurenden Wohlthaten unsers <hi rend="spaced-out">Schöpfers</hi></hi>. Die Gnade der <hi>Erlösung</hi> öfnet
uns gleichsam das ganze <hi>Vaterherz <hi rend="spaced-out">Gottes</hi></hi>, und breitet Heiterkeit und Freude über
die ganze Natur aus. Durch die <hi>Offenbahrung in der Bibel</hi>
haben wir täglich ein <index indexName="subjects-index">
<term>Buch</term>
</index>Buch in Händen, worin <hi><hi rend="spaced-out">Gott</hi></hi> selbst zu uns redet, und in jedem Falle unsers
Lebens, Rath, Trost, Hülfe, Stärke, und Freude ertheilet. Die
<hi>Langmuth</hi>, mit welcher uns <hi><hi rend="spaced-out">Gott</hi></hi> oft viele Jahre trägt; die
<hi>Begnadigung</hi> und <hi>Aufnahme</hi> zu <hi><hi rend="spaced-out">Seiner</hi> Freundschaft, und
Kindschaft</hi>; die <hi>väterliche Nachsicht</hi>, womit
<hi><hi rend="spaced-out">Er</hi></hi> die Mängel, und
Fleken unserer Tugend duldet und bessert; der <hi>unaufhörliche
Beistand zur Tugend</hi>; das <hi>Väterliche Betragen bei unsern
Leiden</hi>; die <hi>Erlaubniß zu beten</hi>; und dann noch –
<hi>jene Seeligkeiten des Himmels</hi>: wie <pb n="182" edRef="#c" id="less_182_c"/>
<pb n="12" edRef="#z"/> viele tausende Millionen der Innigsten und
Besten Freuden verschaffen uns diese!</p>
<p><seg type="margin"><hi>Drittes Stük. Betrachtung der</hi>
<app>
<lem wit="#c"><choice>
<sic>mensch lichen</sic>
<corr type="editorial">menschlichen</corr>
</choice></lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#z">menschlichen</rdg>
</app>
<hi>Leiden.</hi></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Freilich</hi></hi> umgiebt uns hier auch
ein <hi>Heer</hi> von <hi><hi rend="spaced-out">Leiden</hi></hi>.
Aber wenn wir uns selbst nicht blenden wollen, so müssen wir
gestehen, daß der allerkleinste Theil unsers menschlichen Leidens
von Einrichtung der Natur herkömt. Bei einer unpartheiischen Prüfung
der Leiden die uns drüken, findet sich, daß <hi>bei weitem die
meisten davon</hi>, die Wirkung <hi>unserer eignen Schuld</hi>
sind. Auch die von der menschlichen Natur unzertrennliche
Trüglichkeit abgerechnet, verursachen wir gemeiniglich unsere Leiden
durch <hi>vorsäzliche Sünden und Laster</hi>; oder durch <index indexName="subjects-index">
<term>Scheintugend</term>
</index><hi>Schein-Tugenden</hi>. Die Schmerzen des <index indexName="subjects-index">
<term>Schwelger</term>
</index>Schwelgers; die schändliche Plage des Unzüchtigen; die
Verachtung des Thoren; die Verfolgung des Lieblosen, und Stolzen;
die unaufhörlichen Krankheiten des Mannes der sich mit nüzlichen
Arbeiten <hi>überladet</hi>, um seinem geheimen Ehrgeiz, oder <index indexName="subjects-index">
<term>Geldgeiz</term>
</index>Geldgeiz Opfer zu bringen: diese, und änliche Leiden machen
den bei weitem Grösten Theil der menschlichen Leiden aus, wovon
Geschichte und Erfahrung voll sind. Sezet noch die grosse Menge
derjenigen Leiden hinzu, welche <hi>durch Schuld anderer
Menschen</hi> auf uns kommt: die Schreken des Krieges; die
Martern des Hungers, den nie die Kargheit der Natur, sondern immer
die Haabsucht, Schwelgerei und Thorheit der Menschen verursacht; die
Plagen des Feuers; die Quaalen der Lästerung, Schmähung und
Verfolgung! <pb n="183" edRef="#c"/>
<pb n="13" edRef="#z"/> Ziehet diese Summen von der Rechnung unsrer
Leiden ab: und es bleibt gewiß <hi>kaum unter Zehn Eines</hi> übrig,
welches wir mit Recht der Einrichtung der Natur zuschreiben können.
– – Und alle diese, <hi>verschuldete, und unverschuldete Leiden</hi>
werden noch über das alles, wenn wir nur selbst wollen, für uns
<hi>Wohlthat</hi> oft die gröste <hi>Wohlthat</hi>. <index indexName="persons-index">
<term>David</term>
</index>
<persName ref="textgrid:2z6t1"><hi>David</hi></persName> ward zu
einem Guten, und <index indexName="persons-index">
<term>Josef</term>
</index>
<persName ref="textgrid:3rp6s"><hi>Joseph</hi></persName> zu einem
Vorzüglichen Menschen; <ptr target="#z1_erl_3" type="editorial-commentary"/>jener durch den selbst verursachten
<index indexName="subjects-index">
<term>Jammer</term>
</index>Jammer seiner Familie, und dieser durch die Plage des Gefängnisses
gebildet. Nie hätte <index indexName="persons-index">
<term>Paulus</term>
</index>
<persName ref="textgrid:251kf"><hi>Paulus</hi></persName> so viele,
so unaussprechlich viele Tugendthaten verrichtet, und dadurch so
unaussprechlich grosse Freuden genossen; wenn ihm nicht das <ptr target="#z1_erl_4" type="editorial-commentary"/>Heer seiner
Leiden Gelegenheit, Trieb, und Kraft dazu gegeben. Wie viele von
uns, <hi>meine Leser!</hi> riß eine Krankheit, oder der Verlust
eines kostbahren Gutes aus dem <index indexName="subjects-index">
<term>Lasters, Taumel des</term>
</index>Taumel des Lasters, und machte uns gut, ruhig, und froh! Und
täglich sehen wir Menschen, welche das Leiden von einem
lasterhaften, und quaalvollen Leben befreiet; und zu einem
tugendhaften, und glücklichen füret!</p>
<p><seg type="margin"><hi>Viertes Stük.</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Schluß</term>
</index><choice>
<sic>Schlüs se</sic>
<corr type="editorial">Schlüsse</corr>
</choice>.</seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Lasset</hi></hi> uns nun aus allen diesen
Betrachtungen <hi>die unpartheiischen Schlüsse</hi> ziehen! –
Allerdings ist die Zahl menschlicher Leiden sehr groß! Auch lebt
kein Mensch auf Erden, in dessen Freuden nicht mancherlei Leiden
gemenget wären. Aber <hi><hi rend="spaced-out">Erstlich</hi></hi>
ist die Zahl der Freuden sehr viel grösser, als die Zahl der Leiden;
und <hi><hi rend="spaced-out">Zweitens</hi></hi> je
<hi>aufgeklärter</hi>, und <hi>tugend</hi><pb n="184" edRef="#c"/><pb n="14" edRef="#z"/><hi>hafter</hi> ein Mensch ist; desto
geringer sind seine Leiden, und desto zahlreicher, und ungemischter
seine Freuden. – Berechnet nur 1) das viele frohe Gute, welches wir
in unserm <hi>vorigen Leben schon genossen haben</hi>: die vielen
Jahre ununterbrochener Gesundheit <choice>
<abbr>u. s. f.</abbr>
<expan>und so ferner</expan>
</choice> 2) die vielen und grossen stets <hi>zusammen-fortwärenden
Freuden!</hi> den freien Gebrauch unserer Sinne, Seelenkräfte <choice>
<abbr>u. s. f.</abbr>
<expan>und so ferner</expan>
</choice> 3) die vielen <hi>ausserordentlichen Freuden</hi>, im
glücklichen fortgange unsrer Arbeiten <choice>
<abbr>u. s. f.</abbr>
<expan>und so ferner</expan>
</choice> 4) die <hi>mannigfaltigen Erleichterungen</hi>, und
<hi>Versüssungen unserer Leiden</hi>; 5) die <hi>zahllosen
Freuden unserer Neben-Menschen</hi>: daß so viele tausend die
stärkste Gesundheit geniessen, wärender Zeit wir siech und krank
sind; so viele tausend sich in unschuldigen Lustbahrkeiten ergözen,
indem wir unter einem Schmerze, alleine in unserm Zimmer seufzen;
und 6) endlich, die <hi>unzälichen, innigen</hi> und <hi>besten
Freuden</hi>, welche uns die Uebung der christlichen
<hi>Keuschheit, <index indexName="subjects-index">
<term>Versöhnlichkeit</term>
</index>Versönlichkeit, Mitleidens, Beifreude,
Wohltätigkeit</hi>, und der andern Tugenden schaffet. Und wir
werden gerürt <index indexName="subjects-index">
<term>bekennen</term>
</index>bekennen, – <hi>daß kein Leben so geplagt sey, welches nicht
weit mehr Freude haben kan, wenn nur der Mensch selbst
will</hi>!</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Unwirksahm</hi></hi>, und vergebens sind
indessen alle diese Beweise für ein Herz, das nicht durch das
Christenthum redlich gebessert worden. Die übergrosse Meinung von
uns selbst; der Mangel aller <index indexName="subjects-index">
<term>Freuden der Tugend</term>
</index>Freuden der Tugend; die unseelige Gewohnheit bei dem Leiden
unsere Augen gegen <pb n="185" edRef="#c" id="less_185_c"/>
<pb n="15" edRef="#z"/> alle Freuden zu verschliessen; und die
Foltern des Neides bei dem Anblick unserer frohen Neben-Menschen:
diese nehmen allen jenen Wahrheiten ihre Kraft; hängen über die
ganze Natur einen Flor; und füllen unsere Seele mit schwarzen,
düstern, <index indexName="subjects-index">
<term>melancholische Vorstellungen und Empfindungen</term>
</index>melancholischen Vorstellungen und Empfindungen. Wollen wir
unser Herz jeder frölichen <choice>
<sic>Uberzeugung</sic>
<corr type="editorial">Überzeugung</corr>
</choice> öfnen; so müssen wir <hi>vor allen Dingen</hi>, durch das
Christenthum die täglichen, seeligsten Freuden der <hi>Tugend</hi>
und <hi>Andacht</hi> schmecken können; <hi>müssen</hi> besonders, in
täglicher und stündlicher Bemerkung der Göttlichen Wohlthaten leben;
<hi>müssen</hi> unsere Unwürdigkeit und Strafbarkeit immer
tiefer fülen; <hi>und</hi> immer fester unsere Blicke auf den Himmel
heften. Dann werden wir <ptr target="#z1_erl_23" type="editorial-commentary"/>nicht bloß mit dem Munde, oder mit
kalter Ueberzeugung; sondern mit Zustimmung unsers ganzen Herzens
bekennen, daß – <hi><hi rend="spaced-out">Gott</hi>
<ptr target="#z1_erl_5" type="editorial-commentary"/>Alles,
Alles wohl macht, und <hi rend="spaced-out">der Vater der
Freuden</hi> ist</hi>.</p>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_1">
<label>Aeser</label>
<p>D.i. der Plural von „Aas“ (vgl. <hi>Campe</hi>, z.
St.).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_2">
<label>leedig</label>
<p>D.i. „frei“ im Sinne von „ungenutzt“, „unbebaut“ etc. (vgl.
<hi>Grimm</hi>, „ledig“ [14]; dazu „Lehde“).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_3">
<label>jener durch den selbst verursachten Jammer seiner Familie,
und dieser durch die Plage des Gefängnisses</label>
<p>Mit Blick auf David vgl. die Absalom-Geschichte (2Sam 15–18), zu
Josef, der vom Gefangenen des Pharao zu dessen Stellvertreter
wird, vgl. Gen 37–50. Beide Beispiele hat Leß schon vorher
gemeinsam angeführt (vgl. <ref target="textgrid:259rk.5#less_75">a75f.</ref>).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_4">
<label>das Heer seiner Leiden</label>
<p>Von diesen spricht Paulus z.B. in 1Kor 4,9–13; 2Kor 11,23–27;
12,7–10; Gal 6,17; Phil 1,13. Ab Apg 21,15 schildert die
Apostelgeschichte ausführlich seine Gefangennahme und den
Verlauf seines Prozesses (vgl. <ref target="textgrid:259s6.5#less_215">a215f.</ref>). Der
frühchristlichen Tradition zufolge soll der Apostel in Rom den
Märtyrertod erlitten haben, die dem Leidensgeschick Jesu Christi
entsprechenden Leiden Pauli werden als konstitutiver Bestandteil
apostolischer und christlicher Existenz vorgestellt.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_5">
<label>Alles, Alles wohl macht</label>
<p>Vgl. <ptr type="page-ref" target="#sontr12_erl_3"/>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_6">
<label>{Erstes Stück} [...] die eine solche Einrichtung unsrer Erde
getroffen!</label>
<p>Zu den unter „Erstes Stück“ genannten Zusammenhängen vgl.
insbesondere H. Sander, Von der Güte und Weisheit Gottes in der
Natur, <hi rend="superscript">2</hi>1780, ein
physikotheologisches Standardwerk (vgl. die kurze Anmerkung in
J. A. Nösselt, Anweisung zur Bildung angehender Theologen, hg.
von A. Beutel, B. Lemitz u. O. Söntgerath [BdN VI], 2019, 188 [=
I § 199]). Die Übereinstimmungen sind augenfällig und lassen die
Bedeutung derartiger Argumentationsmuster in Leß’ Denken (vgl.
auch <ptr type="page-ref" target="textgrid:259s7.5#sontr16_erl_9"/>) erkennen (vgl.
dazu auch die Literaturangaben in G. Leß, Ueber die Religion.
Ihre Geschichte, Wahl, und Bestätigung in Dreien Theilen, Th. 1,
1784, 128–130 Anm. 60). So finden sich z.B. auch bei Sander
(vgl. aaO 34) die Aussagen, dass uns die Natur „ihre Produkte
freilich nur roh [giebt]“ (<ref target="#less_175_c">c175</ref>)
und „nicht alle in Einem Lande“, wodurch „die Verbindung der
Menschen befördert [wird]“ (<ref target="#less_176_c">c176</ref>; dazu auch <ref target="textgrid:259sh.5#less_309">a309</ref>). Ebenso finden sich Ausführungen über „das
unfruchtbahre Norwegen und seine Eider Vögel“ (c176; dazu
Sander, aaO 80–83) und darüber, dass der „Lappe und Kamtschadale
[...] sein Rennthier hat; [und] die in den Sandwüsten lebenden
Araber; Kammeele“ (c176; dazu Sander, aaO 178–183 [sogar in
derselben Reihenfolge]) sowie das Beispiel des Totengräbers, der
„die Erde von den faulenden Maulwürfen [reiniget]“ (c177; dazu
Sander, aaO 171). Zum „Papierbaum der Otahniter“ vgl. <ptr type="page-ref" target="#z1_erl_16"/>. Der Vorstellung einer
wohlgeordneten Welt, in der alles perfekt ineinandergreift,
entspricht die Vorstellung des menschlichen Körpers als Maschine
(vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259sb.5#sontr19_erl_13"/>).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_7">
<label>Ist mehr Freude oder mehr Elend in der Welt?</label>
<p>Zu dieser Frage vgl. G. S. Steinbart, System der reinen
Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christenthums, <hi rend="superscript">2</hi>1780, 24–26 (= § 12) (dieses Werk
erscheint als BdN VIII).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_8">
<label>bei den beständigen Bewegungen des Körpers in frischer Luft
mehr Gesundheit genossen</label>
<p>Die Gesundheit, zumal die von Akademikern, ist in der zweiten
Hälfte des 18. Jh.s als Thema erkannt (vgl. J. A. Nösselt,
Anweisung zur Bildung angehender Theologen, hg. von A. Beutel,
B. Lemitz u. O. Söntgerath [BdN VI], 2019, 602 [= III § 108]).
Allgemein werden für die Krankheiten der Gelehrten „zwo
Hauptquellen [angeführt], die stetigen Arbeiten des Geistes und
die beständige Ruhe des Leibes“ (S. A. Tissot, Von der
Gesundheit der Gelehrten, 1768, 12). Daher müssen gerade die
Gelehrten „mehr als andere Personen Bewegung machen, um dadurch,
so viel es seyn kann, die Wirkungen der Unthätigkeit, in der sie
gemeiniglich da sitzen, zu verbessern“ (Allgemeine Regeln seine
Gesundheit lang zu erhalten. Nach der Vorschrift des Herrn D.
Tissots, 1784, 12), entsprechende Empfehlungen für
Leibesübungen, aber auch für eine gute Durchlüftung der
Studierstube sind verbreitet (vgl. J. Ch. G. Ackermann, Ueber
die Krankheiten der Gelehrten und die leichteste und sicherste
Art sie abzuhalten und zu heilen, 1777, 97–139 bzw. 171–201).
Nicht zuletzt gehört die Pflege des Leibes und die Sorge für die
Gesundheit für Leß zu den Selbstpflichten eines Christen (vgl.
G. Leß, Christliche Moral, 1777, 173f. [= § 118f.]. 187f. [= §
125]).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_9">
<label>Homer in der Ilias Buch 24. Vers 522. f.</label>
<p>„Zwei Gefäße [<foreign lang="grc">πίθοι</foreign>] sind
aufgestellt im Saale Kronions [d.i. Zeus bzw. Jupiter], Voll mit
Gaben: mit bösen das eine, das andre mit guten. Wem sie
zusammengemischt nun Zeus, der blitzende, sendet, Dem wird
einmal das Böse zuteil und ein andermal Gutes“ (Hom. Il. XXIV
527–530; Text u. Übers. nach Ed. Tusculum [H. Rupé], <hi rend="superscript">16</hi>2013, 846. 847).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_10">
<label>Pindar in der dritten Pythischen Ode V. 145. f.</label>
<p>„Auf ein Gutes teilen Leiden gedoppelt [<foreign lang="grc">σύνδυο</foreign>] den Sterblichen zu die Unvergänglichen“
(Pind. P. III 81f.; Text u. Übers. nach Ed. Tusculum [D.
Bremer], <hi rend="superscript">2</hi>2003, 134.
135).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_11">
<label>Seneka Consolat. ad Polyb. cap. 23.</label>
<p>„Die Tränen gehen uns eher aus als die Ursachen des Kummers
(<foreign lang="lat"><hi>Lacrimae nobis deerunt ante
quam causae dolendi</hi></foreign>)“ (Sen. Cons. Polyb.
4; Text u. Übers. nach Ed. Tusculum [G. Fink], 2008, 620.
621).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_12">
<label>Quintilian Instit. Or. V. 11. 38.</label>
<p>Zu den Nationen, „die über die Neugeborenen weinen und sich über
die Verstorbenen freuen (<foreign lang="lat"><hi>quae
fletibus natos, laetitia defunctos
prosequuntur</hi></foreign>)“ (Quint. Inst. V 11,38; Text
nach Ed. Teubner [K. Halm], 1868, 262; Übers. BL) (vgl. auch
<ref target="textgrid:259rp.5#less_100">a100</ref>), zählen
die thrakischen Trauser (<foreign lang="grc">Τραυσοί</foreign>), die v.a. für die hier erwähnte Form der
Trauer bekannt sind (vgl. z.B. Hdt V 4; dazu <hi>Zedler</hi>,
„Trauses / Trausi“). Der Satzfehler „Transer“ (vgl.
<hi>Editorische Korrekturen</hi>, z. St.) findet sich in
allen Auflagen und in G. Leß, Handbuch der Christlichen
Religions-Theorie für Aufgeklärtere. Oder Versuch einer
Praktischen Dogmatik, <hi rend="superscript">3</hi>1789, 198
[„Transier“]). Auch der Chorlyriker Pindar (6./5. Jh. v. Chr.)
kann in diesem Zusammenhang genannt werden: „Selbst unter den
Heiden, die doch fast nichts von dem Glücke jener Welt wusten,
hielten die Weiseren den Tod für Wohlthat. Der religiöse Dichter
nennt den Todes-Tag, den <hi>Ruhevollen Tag</hi>. Pindar Olymp.
II. 58 [= Pind. Ol. II 32; <hi>Anm. BL</hi>]“ (G. Leß,
Christliche Religions-Theorie fürs gemeine Leben, oder
Praktische Dogmatik, <hi rend="superscript">2</hi>1780,
507).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_13">
<label>Wollaston in seiner Natürlichen Theol.</label>
<p>Das erstmals 1722 erschienene Werk <hi>The Religion of Nature
Delineated</hi> des Theologen und Aufklärers William
Wollaston (1659–1724) zählt auch für Leß zu den empfehlenswerten
Titeln über natürliche Theologie (vgl. G. Leß, Ueber die
Religion. Ihre Geschichte, Wahl, und Bestätigung in Dreien
Theilen, Th. 1, 1784, 222f. [dazu 14]). Darüber, welche Passagen
Leß hier konkret im Blick hat, lässt sich nur
spekulieren.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_14">
<label>Young in seinen Nachtgedanken I, 235. f.</label>
<p>Das knapp 10000 Verse umfassende Werk <hi>The Complaint, or Night
Thoughts on Life, Death and Immortality</hi> (1742–1745) des
englischen Dichters Edward Young (1683–1765), eines der
bedeutendsten Werke der englischen Literatur des 18. Jh.s,
besteht aus insgesamt neun Abschnitten oder „Nächten“, in denen
der Autor ein überaus düsteres Bild der menschlichen Existenz
zeichnet. 1751 wurden die <hi>Night Thoughts</hi> von Johann
Arnold Ebert (1724–1795) als Prosaübersetzung ins Deutsche
übertragen und in einer kommentierten zweiten Auflage dem
englischen Text gegenübergestellt. Leß bezieht sich mit seiner
Angabe auf die „erste Nacht“, in der Young „Leben, Tod und
Unsterblichkeit“ thematisiert und ab Vers 235 das allgemeine
Schicksal der Menschen beklagt: So habe „das Verhängniß allen
vom Weibe Gebohrnen die Geburtschmerzen der Mutter zum Antheil
bestimmt [...]. Krieg, Hungersnoth, Pest, Feuerschlünde, Sturm,
und Flamme, innerliche Zwietracht, und die Tyrannen, mit ihrer
von dreyfachem Erz bepanzerten Brust, belagern die Menschen.
Hier liegt Gottes Ebenbild, des Tagelichts enterbt, in tiefe
Klüfte der Berge versenkt, und vergißt, daß eine Sonne
geschaffen worden. Dort sind Wesen, welche, gleich ihrem
hochmüthigen Beherrscher, unsterblich sind, auf lebenslang ans
blutige Ruder geschmiedet; durchpflügen die Winterwellen, und
erndten Verzweiflung ein. Andre, die, für harte Herren, unter
den Waffen entnervet, und in Schlachten verstümmelt sind,
müssen, mit der Hälfte ihrer Gliedmaaßen, in Ländern, die ihre
Tapferkeit errettet hat, sich bittres Brodt erbetteln[...].
Mangel, und unheilbare Krankheit, (ein grausames Paar!)
ergreifen ohne Erbarmen eine hoffnungslose Menge, mit vereinter
Gewalt; und machen eine Zuflucht aus dem Grabe. Ach! wie speyen
ächzende Hospitäler ihre Todten aus!“ (Dr. Eduard Young’s
Klagen, oder Nachtgedanken über Leben, Tod, und Unsterblichkeit.
In neun Nächten. Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt,
durchgehends mit kritischen und erläuternden Anmerkungen
begleitet, und mit dem nach der letzten englischen Ausgabe
abgedruckten Originale herausgegeben, von J. A. Ebert, Bd. I,
<hi rend="superscript">2</hi>1769, 47. 49 [= 1. Nacht,
238–256]).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_15">
<label>in jedem seiner Tropfen eine Welt</label>
<p>Die Entwicklung von Vergrößerungsgläsern (vgl. <ref target="textgrid:25dfj.5#less_378">a378</ref>) und
Mikroskopen, aber auch von Ferngläsern hat im 17. und 18. Jh. zu
einer grundlegend veränderten Wahrnehmung der Welt geführt. Leß
weiß: „Jedes Sandkorn ist eine belebte Welt; jeder Tropfen ein
Meer voll Kreaturen; und [selbst] durch die besten
Vergrösserungsgläser sehen wir in jedem Tropfen höchstens die
Wallfische, in jedem Sandkorn nur die Elephanten“ (G. Leß,
Christliche Religions-Theorie fürs gemeine Leben, oder Versuch
einer praktischen Dogmatik, <hi rend="superscript">2</hi>1780,
171; dazu ders., Ueber die Religion. Ihre Geschichte, Wahl, und
Bestätigung in Dreien Theilen, Th. 1, 1784, 114f.).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_16">
<label>die Otahniter den Papierbaum</label>
<p>Die Bezeichnung „Otahniter“ ist sonst nicht belegt. Gemeint sind
die Otaheiter, die Bewohner von Otaheite, d.i. Tahiti. Über das
erst 1767 für England in Besitz genommene Tahiti war man zu Leß’
Zeiten insbesondere durch Georg Forsters (1754–1794)
zweibändigen Reisebericht <hi>A Voyage round the World in His
Britannic Majesty’s Sloop Resolution, Commanded by Capt.
James Cook, during the Years 1772, 3, 4, and 5</hi> (1777)
informiert. Forster hatte Cook auf seiner zweiten Weltumseglung
(1772–1775) begleitet und seinen Bericht zeitnah auch ins
Deutsche übersetzt. In seinem Beitrag O-Tahiti, in:
Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Litteratur 1
(1780), 69–104. 420–458 findet auch der an dieser Stelle
gemeinte Papiermaulbeerbaum Erwähnung, „aus dessen feinem
Spilint die meisten tahitischen Zeuge verfertigt werden“ (aaO
427). Auch H. Sander, Von der Güte und Weisheit Gottes in der
Natur, <hi rend="superscript">2</hi>1780, 221 kennt dieses
Beispiel.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_17">
<label>die Erde wie ein Jammerthal</label>
<p>Vgl. <ref target="textgrid:259rp.5#less_100">a100</ref>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_18">
<label>{1 Joh. 4.} Gott ist die Liebe!</label>
<p>Vgl. 1Joh 4,8.16.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_19">
<label>{Phil. 4.} Freude, beständige Freude</label>
<p>Vgl. Phil 4,4.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_20">
<label>{Jak. 1.} Von Ihm dem Vater der Freuden [...] als Gutes auf
die Menschen herab?</label>
<p>Vgl. Jak 1,17.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_21">
<label>Erfahrung und Geschichte</label>
<p>Diese Kombination (vgl. auch <ref target="#less_182_c">c182</ref>. <ref target="textgrid:259sd.5#less_287">a287</ref>.
<ref target="textgrid:25dfz.5#less_521">a521</ref>) ist im
18. Jh. durchaus geläufig (vgl. z.B. auch J. J. Griesbach,
Anleitung zum Studium der populären Dogmatik, hg. von M.
Stallmann [BdN III], 2019, 83 [= § 81]). In Übereinstimmung mit
der auf den griechischen Geschichtsschreiber Polybius (gest. um
120 v. Chr.) zurückgehenden „pragmatischen Geschichtsschreibung“
ist etwa für Johann August Nösselt (1734–1807) die Geschichte im
Allgemeinen und die Kirchengeschichte im Besonderen „die beste
Schule der Weisheit und Tugend“ (J. A. Nösselt, Anweisung zur
Bildung angehender Theologen, hg. von A. Beutel, B. Lemitz u. O.
Söntgerath [BdN VI], 2019, 353 [= II § 92]) und „ersetzt das
durch ihren Reichthum, was unserer sehr eingeschränkten
Erfahrung abgeht“ (aaO 356 [= II § 96]). Aus diesem Grund führt
Leß immer wieder beispielhaft Personen aus der Geschichte
an.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_22">
<label>mit Menschen, die vor Jahrtausenden gelebt, wie mit unsern
Mitbürgern umgehen</label>
<p>Im Hintergrund steht der Zusammenhang von Erfahrung und
Geschichte (vgl. o. <ptr type="page-ref" target="#z1_erl_21"/>).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="z1_erl_23"><label>nicht bloß mit dem Munde [...] bekennen</label>
<p>Christen, die sich so verhalten, bezeichnet Leß auch als
„Mund-Christen“ (<ref target="textgrid:25dgf.5#less_665">a665</ref>).</p></note>
</div></rdg>
</app>
</div>