<div type="section-group" id="less_Sept">
<app>
<lem><div type="section" id="less_section_sosept">
<head type="main"><pb type="sp" n="497" edRef="#a" id="less_497"/>
<pb edRef="#b" n="477"/>
<pb edRef="#c" n="527"/>
<ptr target="#sept_erl_12" type="editorial-commentary"/><choice>
<orig>Evangelium am Sontage Septuagesima.</orig>
<supplied reason="toc-title">Sonntag Septuagesima (Mt 19,30 –
20,16)</supplied>
<supplied reason="column-title">Sonntag Septuagesima (Mt 19,30 –
20,16)</supplied>
</choice></head>
<head type="sub"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:19:30" to="Mt:20:16"><hi>Matthäi</hi> 19, 30 –
<hi>Kapitel</hi> 20, <app>
<lem>16</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">16.</rdg>
</app></citedRange></bibl></head>
<p><app>
<lem><hi><hi rend="spaced-out">Der</hi></hi></lem>
<rdg wit="#c" type="v">„<hi><hi rend="spaced-out">Der</hi></hi></rdg>
</app> Nahme <hi>Septuagesima</hi>, oder <app>
<lem><choice>
<sic><hi>Septungesimä</hi></sic>
<corr type="editorial"><hi>Septuagesimä</hi></corr>
</choice></lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#c"><hi>Septuagesimä</hi></rdg>
</app> (der siebzigste Tag) beziehet sich auf den <app>
<lem>Sontag nach Ostern</lem>
<rdg wit="#c" type="pp"><hi>Sontag nach Ostern</hi></rdg>
</app>. Er war im christlichen Alterthum ein sehr feierlicher Tag,
weil man da die <ptr target="#sept_erl_13" type="editorial-commentary"/><index indexName="subjects-index">
<term>Katechumenen</term>
</index><app>
<lem>Catechumenen</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Katechumenen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>taufen</term>
</index>taufte. Von diesem Sontage, ist der, den man
<hi>Septuagesima</hi> nante, gerade der siebzigste <app>
<lem>Tag.</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Tag.“</rdg>
</app></p>
<milestone unit="line" type="separator" rend="star"/>
<p><seg type="margin"><app>
<lem>vergleiche</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">vergl.</rdg>
</app> oben <choice>
<abbr>S.</abbr>
<expan>Seite</expan>
</choice>
<app>
<lem><ref target="textgrid:259rf#less_13">13</ref></lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">13.</rdg>
</app>
<choice>
<abbr>f.</abbr>
<expan>folgend</expan>
</choice></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Das</hi> Christenthum wird den Heiden
geprediget werden,</hi>
<app>
<lem><hi>und</hi></lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#b"><choice>
<sic><hi>nnd</hi></sic>
<corr type="editorial"><hi>und</hi></corr>
</choice></rdg>
</app>
<hi>dies wird die Juden aufbringen</hi>: das ist der Inhalt dieser <app>
<lem>Gleichnis Rede</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">Gleichnis-Rede</rdg>
</app>, worin <index indexName="persons-index">
<term>Christus, s. Jesus Christus</term>
<term>Jesus Christus</term>
</index><app>
<lem><persName ref="textgrid:255cd">Jesus</persName></lem>
<rdg wit="#c" type="v"><persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName></rdg>
</app> die Schicksahle seiner <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion weissaget.</p>
<p><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:19:30"><choice>
<abbr>Kap.</abbr>
<expan>Kapitel</expan>
</choice> 19, 30.</citedRange></bibl></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Viele</hi> der Ersten,</hi> (der
<hi>Juden</hi>, denn diesen ward die <index indexName="subjects-index">
<term>Religion Jesu</term>
</index>Religion <index indexName="persons-index">
<term>Christus, s. Jesus Christus</term>
<term>Jesus Christus</term>
</index>
<persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName> zuerst
geprediget) <hi>werden die Lezten seyn.</hi>
<hi>Und die Lezten,</hi> (die <hi>Heiden</hi>, denen das
Christenthum zulezt geprediget ward) <hi>die Ersten.</hi> Mit andern
Worten. „<hi><hi rend="spaced-out">Viele</hi> Juden</hi> werden
meine Religion und alle ihre Vortheile verwerfen. Die
<hi>Heiden</hi> hingegen werden sie begierig annehmen.“ <hi><hi rend="spaced-out">Denn</hi> das himmlische Reich</hi> (meine
Religion; diese geistige Herrschaft, die Herrschaft über die <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenseele</term>
</index><hi>Seelen</hi> der Menschen, die Herrschaft durch
<hi>Wahrheit und Tugend</hi>) <hi>ist gleich einem <index indexName="subjects-index">
<term>Hausherr</term>
</index>Hausherrn.</hi>
<app>
<lem>„<hi><hi rend="spaced-out">In</hi></hi></lem>
<rdg type="v" wit="#b #c">„<hi>In</hi></rdg>
</app> meiner <index indexName="subjects-index">
<term>Kirche</term>
</index>Kirche wird es hergehen, wie wenn ein Hausherr <choice>
<abbr>u. s. f.</abbr>
<expan>und so ferner</expan>
</choice><supplied>“</supplied></p>
<p><pb n="498" edRef="#a"/>
<pb edRef="#b" n="478"/>
<pb edRef="#c" n="528"/>
<seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:20:1" to="Mt:20:7"><app>
<lem>Kapitel</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">Kapit.</rdg>
</app> 20, <app>
<lem>1–7</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">1–7.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Gleich</hi> einem Hausherrn, welcher
frühe</hi> (Morgens um sechs) <hi>ausgieng Arbeiter in seinen
Weinberg zu miethen. Da er nun mit den Arbeitern um einen
Denarium</hi> (eine Münze, <app>
<lem>drey</lem>
<rdg wit="#c" type="v">drei</rdg>
</app> gute Groschen werth) <hi>für den Tag eins geworden, schickte
er sie in seinen Weinberg. – Um die dritte Stunde</hi> (um 9 Uhr
Morgens) <hi>gieng er aus und sahe andere, am Markte müssig stehen,
und sprach zu ihnen, Gehet auch ihr in den Weinberg, ich werde
euch geben was recht ist. Sie giengen hin. – Abermahls gieng er
um die sechste und neunte Stunde aus</hi> (zwölf Uhr Mittags,
und <app>
<lem>drey</lem>
<rdg wit="#c" type="v">drei</rdg>
</app> Uhr Nachmittags) <hi>und that eben so. – Zur elften Stunde
aber</hi> (um fünf Uhr Abends, wo nur noch Eine Stunde vom Tage
übrig war. Denn die Juden theilten den Tag in 12 Stunden, die sie
mit <index indexName="subjects-index">
<term>Sonnenaufgang</term>
</index><app>
<lem>Sonnen Aufgang</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">Sonnen-Aufgang</rdg>
</app> zu zälen anfiengen) <hi>gieng er aus und fand andre müssig
stehen; und sprach zu ihnen,</hi>
<app>
<lem><hi>Was</hi></lem>
<rdg wit="#b #c" type="v"><hi>was</hi></rdg>
</app>
<hi>stehet ihr hier den ganzen Tag müssig? Sie antworteten, Es hat
uns niemand gemiethet. Da sprach er, Gehet auch ihr in den
Weinberg, ihr sollt haben, was recht ist.</hi></p>
<p><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:20:8" to="Mt:20:16">vers <app>
<lem>8–16</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">8–16.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Als</hi> es nun <index indexName="subjects-index">
<term>Abend</term>
</index>Abend ward, befahl der Herr seinem <index indexName="subjects-index">
<term>Hausverwalter</term>
</index>Hausverwalter, Rufe die Arbeiter und gieb ihnen den
Lohn; vom Lezten an, bis zu dem Ersten hinauf. Da kamen die um
die Elfte Stunde gemiethete, und empfiengen jeder einen
Denarium. Als nun die Ersten kamen, <index indexName="subjects-index">
<term>glauben</term>
</index>glaubten sie, sie würden mehr bekommen. Aber auch sie
empfiengen, jeder einen Denarium. Da murreten</hi>
<pb n="499" edRef="#a" id="less_499"/>
<pb edRef="#b" n="479"/>
<pb edRef="#c" n="529"/>
<hi>sie gegen den Hausherren. Diese Lezten, sagten sie, haben nur
Eine Stunde gearbeitet; und du machest sie uns gleich, die wir
des Tages Last und Hize getragen haben. Er antwortete aber Einem
von ihnen. Freund! ich thue dir kein Unrecht. Bist du nicht mit
mir um einen Denarium eins geworden?</hi>
<app>
<lem><hi>Nim</hi></lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>Nimm</hi></rdg>
</app>
<hi>was dir gehört und gehe. Ich will aber diesen Lezten eben so
viel als dir geben: denn stehet es mir nicht frei mit dem
Meinigen zu thun was ich will? Was siehest du finster darüber
daß ich Gütig bin? – <hi rend="spaced-out">Dergestalt</hi>
werden die Lezten, die Ersten seyn; und die Ersten, die Lezten.
<ptr target="#sept_erl_14" type="editorial-commentary"/>Denn
viele sind berufen, wenige aber ausgewälet.</hi></p>
<app>
<lem/>
<rdg wit="#c" type="ptl"><milestone unit="line" type="separator" rend="star"/></rdg>
</app>
<p><index indexName="persons-index">
<term>Christus, s. Jesus Christus</term>
<term>Jesus Christus</term>
</index>
<persName ref="textgrid:255cd"><hi><hi rend="spaced-out">Jesus</hi></hi></persName> redet hier, wie der <index indexName="subjects-index">
<term>Augenschein</term>
</index><app>
<lem>Augenschein</lem>
<rdg wit="#b" type="v">Augeschein</rdg>
</app> lehret, nicht von <hi>jenem</hi> Leben nach dem Tode, (dem
<hi>Reiche</hi> der <hi>Herrlichkeit</hi>) sondern von dem
jezigen. (dem Reiche der Gnaden) Denn es werden Arbeiter
<hi>gemiethet</hi>. Der Sinn des Ausspruchs, <hi>viele sind</hi>
<app>
<lem><hi>berufen,</hi></lem>
<rdg wit="#b #c" type="v"><hi>berufen</hi></rdg>
</app>
<hi>aber</hi>
<app>
<lem><hi>wenig</hi></lem>
<rdg wit="#b #c" type="v"><hi>wenige</hi></rdg>
</app>
<hi>sind ausgewälet</hi>, kan also nicht seyn, daß die Zahl der
Seeligen nur klein seyn werde. – Der Himmel leer? Und die <index indexName="subjects-index">
<term>Hölle</term>
</index>Hölle <hi>angefüllt mit</hi> Menschen? Traurig! Höchst
traurig! Weg aber mit dem Gedanken! – <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:25:14" to="Mt:25:30">Matthäi 25, <app>
<lem>14–30</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">14–30.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Gott</hi></hi> wird einen jeden nur nach
seinem Talente richten. Der Redliche Jude, <index indexName="subjects-index">
<term>Türke</term>
</index>Türke und Heide der sein
Maaß von <app>
<lem>Kentniß</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">Kenntniß</rdg>
</app> treulich gebraucht, wird demnach eben so wohl ein Bewohner
des Himmels seyn, als der Redliche Christ. – <hi><hi rend="spaced-out">Die</hi></hi> Zahl der Frommen, der
Freunde <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app> in der Welt, ist weit grösser als wir es beim ersten An<pb n="500" edRef="#a"/><pb edRef="#b" n="480"/><pb edRef="#c" n="530"/>blick glauben. Wo wir nur Einen, vielleicht gar keinen
sehen, da sind derer, wie dort zu <ptr target="#sept_erl_2" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Röm:11:1" to="Röm:11:5">Römer 11, <app>
<lem>1–5</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">1–5.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<index indexName="persons-index">
<term>Elia</term>
</index><persName ref="textgrid:3rp85"><hi>Eliä</hi></persName>
Zeiten, sieben tausend. – <hi><hi rend="spaced-out">Zudem</hi></hi>
stirbt mehr als die Hälfte der Menschen vor dem völligen Gebrauch
des Verstandes. Diese also, sind alle Seelig. – Rechnet das
zusammen, und ihr findet zu eurer grossen Freude, daß – <hi><hi rend="spaced-out">die</hi> Summe der Seeligen weit, weit
grösser ist, als die Zahl der</hi>
<app>
<lem><hi>Verdamten</hi></lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>Verdammten</hi></rdg>
</app>. Der Himmel ist nicht eine öde, wüste Gegend. Sondern die
blühendste Stadt, wo Menschen, Gedrängt beisammen wohnen; und der
tägliche Anblick vieler hundert und tausend froher Gesichter,
unaufhörlich theilnehmende Freude verbreitet! – Vergleiche auch oben
<hi>Seite</hi>
<app>
<lem><ref target="textgrid:259rq#less_107">107</ref>–<ref target="textgrid:259rq#less_109">109</ref></lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">108–110</rdg>
</app>.</p>
<p><index indexName="persons-index">
<term>Christus, s. Jesus Christus</term>
<term>Jesus Christus</term>
</index>
<persName ref="textgrid:255cd"><hi><hi rend="spaced-out">Jesus</hi></hi></persName> redet hier nicht, von dem Leben
nach dem Tode, dem Stande der <hi>Vergeltung</hi>; sondern von dem
Jezigen Leben, dem Stande der <hi>Vorbereitung</hi>, wo man in <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app> Weinberge arbeiten muß. Wenn daher diejenigen die nur Eine
Stunde gearbeitet, so viel Lohn empfangen als die, welche Zwölfe
gearbeitet: so kan man daraus nicht schliessen, daß der <app>
<lem>Gnaden Lohn</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">Gnaden-Lohn</rdg>
</app> im Himmel, bei allen Seeligen gleich groß seyn werde. <app>
<lem>Die</lem>
<rdg wit="#c" type="v">– Die</rdg>
</app> Seeligkeit wird zwar bei den Tugendhaften gleich
<hi>Ewig</hi>, <hi>aber nicht</hi> gleich <hi>Groß</hi> seyn. <app>
<lem>Dies</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Dieß</rdg>
</app> ist die Lehre der <index indexName="subjects-index">
<term>Bibel</term>
</index>Bibel. <hi><hi rend="spaced-out">Gott</hi></hi> sagt sie,
wird jeglichem geben, <hi>nach seinen Thaten</hi>
<bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Röm:2:6"><hi>Römer</hi> 2, 6</citedRange></bibl>. Je mehrere,
und edlere Tugendthaten du also hier verrichtet, desto grösser wird
deine Seeligkeit dort seyn. – <hi><hi rend="spaced-out">Sie</hi></hi> ermahnet uns, in der Tugend immer mehr zu
wachsen: <hi>weil</hi> unsre Arbeit nicht vergebens sey. <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="1Kor:15:58">1 <app>
<lem><hi>Corinther</hi></lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>Korinther</hi></rdg>
</app> 15, 58.</citedRange></bibl> – <hi><hi rend="spaced-out">Und</hi></hi> unser Heiland versichert
uns, daß unsre Tugendthaten im <hi>Him</hi><pb n="501" edRef="#a"/><pb edRef="#b" n="481"/><pb edRef="#c" n="531"/><hi>mel
aufbewahret</hi> werden; <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:6:20"><hi>Matthäi</hi> 6,
20.</citedRange></bibl> und daß <hi>eine jede</hi> davon,
dereinst ihren Lohn empfangen soll. <bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:6:1" to="Mt:6:4"><hi>Matthäi</hi> 6,
1–4.</citedRange></bibl>
<bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:6:5 Mt:6:6"><app>
<lem>vers</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Vers</rdg>
</app> 5. 6</citedRange></bibl>
<bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:10:40" to="Mt:10:42"><hi>Kapitel</hi> 10,
40–42.</citedRange></bibl></p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Eben</hi></hi> so wenig wird hier der <ptr target="#sept_erl_3" type="editorial-commentary"/><hi>Bekehrung
auf dem Sterbebette</hi>, eine gnädige Aufnahme bei <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>Gott</hi></rdg>
</app> versprochen. Es ist so Grundlos, als Gottlos, sich in dem
unglücklichen Entschluß, die Bekehrung bis zum Tode zu verschieben,
mit dieser <app>
<lem>Gleichnis Rede</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">Gleichnis-Rede</rdg>
</app> zu stärken; <app>
<lem>weil</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">„weil nämlich,</rdg>
</app> auch die um die Elfte Stunde den Lohn <app>
<lem>empfiengen.</lem>
<rdg wit="#c" type="v">empfiengen.“</rdg>
</app>
<hi>Aber</hi> sie giengen nicht früher in den Weinberg, <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:20:7"><app>
<lem>vers 7</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">v. 7.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg> weil sie niemand
gedungen. Und wo ist ein Christ, der nicht seit seinem reiferen
Alter mehr als einmahl zur Busse eingeladen worden! <hi>Auch</hi>
arbeiteten sie wirklich, noch eine Stunde. Ganz anders ist es mit
dem der in den lezten Augenblicken seines Lebens seine Besserung
anfängt. <hi>Endlich</hi> ist in diesem Gleichnisse, gar nicht von
der Bekehrung die Rede, sondern von der Aufnahme des Christenthums
unter den Heiden, und Juden. – – Wie schlecht sorgen wir doch für
uns, wenn wir uns allenthalben nach Ausflüchten und Behelfen
umsehen, uns der Bekehrung zu entziehen! Sündigen in der Hofnung,
daß wir künftig Busse thun werden, das heißt etwas thun in Hofnung,
daß es uns einmahl peinigen werde. Unsre Bekehrung aufschieben, das
heißt unser Elend verlängern und unser Glück aufschieben. Denn sich
bekehren, das ist nicht ein Freudenloses trauriges Leben füren.
Sondern Herz und Leben mit Liebe zu <app>
<lem>Gott, Seinem</lem>
<rdg wit="#c" type="pp"><hi>Gott, Seinem</hi></rdg>
</app> Gesez und <app>
<lem>Seinen</lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>Seinen</hi></rdg>
</app> Menschen anfüllen; und dadurch eine Quelle von Ruhe und
Freude in uns <pb n="502" edRef="#a" id="less_502"/><pb edRef="#b" n="482"/><pb edRef="#c" n="532"/> eröfnen, welche
durch unser ganzes irrdisches Leben und alle Ewigkeit fortfließt. –
Wir wollen uns <hi>morgen</hi> bekehren? Aber wissen wir denn, daß
der <index indexName="subjects-index">
<term>morgender Tag</term>
</index>morgende Tag in unsrer Gewalt seyn wird. Nichts als der
gegenwärtige Augenblick ist <hi>unser</hi>. Wir wollen uns <hi>auf
dem Krankenbette</hi> bekehren? Aber wir können ja, <app>
<lem>plözlich</lem>
<rdg wit="#c" type="v">plözlich,</rdg>
</app> ohne <index indexName="subjects-index">
<term>Krankheit</term>
</index>Krankheit sterben. Und wenn auch eine Krankheit uns den Todt
ankündiget; so kan sie uns zugleich alles Besinnen rauben. Und
behalten wir auch dieses, so finden sich da, tausend Hindernisse von
aussen und innen, welche es wo nicht unmöglich, so doch äusserst
schwer machen, ein Geschäfte zu verrichten das so viel <index indexName="subjects-index">
<term>Munterkeit</term>
</index>Munterkeit und Stärke des Geistes fordert. Und angenommen
endlich, daß wir uns alsdenn wirklich bekehren: so können wir doch
<hi>nie</hi> zur festen Versicherung davon gelangen. <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>Gott</hi></rdg>
</app> hat nirgends versprochen, daß er Seufzer, Klagen und Thränen,
<seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:3:8">Matthäi 3, <app>
<lem>8</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">8.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg> ohne die <index indexName="subjects-index">
<term>Früchte der Buße</term>
</index>Früchte der Busse annehmen will. <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="2Kor:7:1">2 <app>
<lem>Corinth.</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Korinth.</rdg>
</app> 7, <app>
<lem>1</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">1.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<app>
<lem>Reinigen</lem>
<rdg wit="#c" type="v">„<hi>Reinigen</hi></rdg>
</app> sollen wir uns von aller <index indexName="subjects-index">
<term>Befleckung des Leibes und der Seele</term>
</index>Befleckung des Leibes und der Seele; <ptr target="#sept_erl_11" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Phil:1:11"><app>
<lem>Philipper</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">Phil.</rdg>
</app> 1, <app>
<lem><choice>
<sic>14</sic>
<corr type="editorial">11</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#b #c" type="v"><choice>
<sic>14.</sic>
<corr type="editorial">11.</corr>
</choice></rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<app>
<lem>mit</lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>mit</hi></rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Frucht der Tugend</term>
</index>Früchten der Tugend angefüllet seyn; <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="2Petr:1:5" to="2Petr:1:11">2 Petri 1, <app>
<lem>5–11</lem>
<rdg wit="#b #c" type="v">5–11.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<app>
<lem>nebst</lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>nebst</hi></rdg>
</app> unserm <index indexName="subjects-index">
<term>Glaube</term>
</index>Glauben Keuschheit, Mässigkeit, Gerechtigkeit, Demuth,
<index indexName="subjects-index">
<term>Menschenliebe</term>
</index>Menschenliebe darreichen, wenn wir in die seelige Ewigkeit
eingehen <app>
<lem>wollen.</lem>
<rdg wit="#c" type="v">wollen.“</rdg>
</app> Dazu fehlet es aber auf dem Sterbebette mehrentheils, an Zeit
und Gelegenheit. Und so müssen wir denn, ohne Trost, mit der <index indexName="subjects-index">
<term>schreckliche Furcht</term>
</index>schrecklichen, folternden Furcht, von unserm Richter das
Urtheil der Verdammung zu hören; aus der Welt gehen.</p>
<p><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:20:16"><app>
<lem>vers 16</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">v. 16.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Die</hi> Lezten werden die Ersten
seyn,</hi> (gleich den Ersten; sie werden gleichen Lohn
empfangen Siehe <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:20:12"><app>
<lem>vers</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Vers</rdg>
</app> 12</citedRange></bibl>) das heißt „<hi><hi rend="spaced-out">Die</hi></hi> Heiden werden, <pb n="503" edRef="#a"/>
<pb n="483" edRef="#b"/>
<pb n="533" edRef="#c"/> wie die Juden, zu allen Vortheilen der
Religion gelangen.“ <hi><hi rend="spaced-out">Und</hi> die Ersten
werden die Lezten seyn.</hi> „<hi><hi rend="spaced-out">Hingegen</hi></hi> viele Juden werden dieser Vortheile
verlustig gehen.“ <hi><hi rend="spaced-out">Denn</hi> viele sind
berufen, aber wenig sind ausgewälet.</hi> „Vielen Juden wird die
Religion geprediget werden: aber nur wenige werden sie annehmen.“
<hi>Berufen</hi> heissen im <index indexName="subjects-index">
<term>Neues Testament</term>
</index><choice>
<abbr>N. T.</abbr>
<expan>Neues Testament</expan>
</choice>
<app>
<lem>diejenigen</lem>
<rdg type="v" wit="#c">diejenigen,</rdg>
</app> denen das Christenthum geprediget <app>
<lem>wird,</lem>
<rdg type="v" wit="#c">wird;</rdg>
</app> und <hi>ausgewälet</hi>, alle die welche es wirklich
annehmen, sich dazu <index indexName="subjects-index">
<term>bekennen</term>
</index>bekennen. <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Tit:1:1"><hi>Titum</hi> 1, 1.</citedRange></bibl>
<bibl type="biblical-reference"><citedRange n="1Petr:1:1">1
<hi>Petri</hi> 1, 1</citedRange></bibl> – Dies ist die
Lehre der Parabel. Alles andre, so wahr und wichtig es auch seyn
mag, gehöret nicht zu dem Sinn dieser Stelle.</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Wenig</hi> Juden, aber viel Heiden werden
die <index indexName="subjects-index">
<term>Religion, christliche</term>
</index>christliche Religion annehmen. Selbst diese Predigt der
Religion, und ihre günstige Aufnahme unter den Heiden, wird die
Juden zum Neid und Bosheit reizen.</hi> Diese <app>
<lem>traurige</lem>
<rdg type="v" wit="#c">traurigen</rdg>
</app> und <app>
<lem>fröliche</lem>
<rdg type="v" wit="#c">frölichen</rdg>
</app> Schicksahle seiner Religion, sagt hier <index indexName="persons-index">
<term>Christus, s. Jesus Christus</term>
<term>Jesus Christus</term>
</index>
<persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesus</hi></persName> unter dem
angenehmen Bilde eines <index indexName="subjects-index">
<term>Hausvater</term>
</index>Hausvaters vorher. Und der Erfolg stimmte damit pünktlich
überein. <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Apg:2"><app>
<lem><choice>
<sic>Aposte geschicht</sic>
<corr type="editorial">Apostelgeschicht</corr>
</choice></lem>
<rdg type="v" wit="#b #c">Apost. Gesch.</rdg>
</app>
<choice>
<abbr>Kap.</abbr>
<expan>Kapitel</expan>
</choice>
<app>
<lem>2</lem>
<rdg type="v" wit="#b #c">2.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg> Den Juden ward
<hi>zuerst</hi> das <index indexName="subjects-index">
<term>Evangelium</term>
</index>Evangelium geprediget; zu <app>
<lem>Jerusalem</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Jerusalem</hi></rdg>
</app> und in <app>
<lem>Palästina</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Palästina</hi></rdg>
</app> wurden die ersten christlichen Gemeinden gepflanzt. Der
gröste Theil der Nation verwarf es. <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Apg:10"><app>
<lem>Apostelgeschicht 10</lem>
<rdg type="pp" wit="#b #c">Apost. Gesch. 10.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<index indexName="persons-index">
<term>Simon, s. Petrus</term>
<term>Petrus</term>
</index>
<persName ref="textgrid:2z6t8"><hi>Petrus</hi></persName> prediget
hierauf den <hi>Gottesfürchtigen Heiden</hi>, denen, welche den
einigen wahren <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
</app> anbeteten, ohne die <index indexName="subjects-index">
<term>Religion, jüdische</term>
</index>jüdische Religion anzunehmen. Schon dieses brachte die Juden
auf. <seg type="margin"><app>
<lem><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Apg:11"><app>
<lem>Apostelgesch.</lem>
<rdg type="v" wit="#b">Apost. Gesch.</rdg>
</app> 11</citedRange></bibl>
<app>
<lem>Apostelgesch.</lem>
<rdg type="v" wit="#b">Apost. Gesch.</rdg>
</app></lem>
<rdg type="pp" wit="#c"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Apg:11">Apost. Gesch.
11.</citedRange></bibl> Apost. Gesch.</rdg>
</app>
<bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Apg:13" to="f">13 <choice>
<abbr>folg.</abbr>
<expan>folgend</expan>
</choice></citedRange></bibl></seg>
<index indexName="persons-index">
<term>Paulus</term>
</index><persName ref="textgrid:251kf"><hi>Paulus</hi></persName>
und <index indexName="persons-index">
<term>Barnabas</term>
</index><persName ref="textgrid:3rxkt"><hi>Barnabas</hi></persName>
predigen endlich den <app>
<lem>Gözendienern</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gözendienern</hi></rdg>
</app>, den abgöttischen Heiden, welche schaarenweise Christen
werden. Und dieses <pb n="504" edRef="#a"/>
<pb n="484" edRef="#b"/>
<pb n="534" edRef="#c"/> sezt die Juden gar in Wuth, welche die
ersten und <app>
<lem>heftigsten</lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#b"><choice>
<sic>hftigsten</sic>
<corr type="editorial">heftigsten</corr>
</choice></rdg>
</app> Verfolger des Christenthums waren.</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">So</hi></hi> muß uns denn diese Erzälung;
in <index indexName="persons-index">
<term>Christus, s. Jesus Christus</term>
<term>Jesus Christus</term>
</index>
<persName ref="textgrid:255cd"><hi>Jesu</hi></persName>, den
Gesandten <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app> zeigen, vor dem die Zukunft offen da lag. – <hi>Sie</hi> muß
uns zum herzlichen Dank gegen <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
</app> <index indexName="subjects-index">
<term>anfeuern</term>
</index>anfeuren. Uns <hi>Heiden</hi> hat <app>
<lem>er</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Er</hi></rdg>
</app> aus der unseeligen <index indexName="subjects-index">
<term>Finsternis der Unwissenheit</term>
</index>Finsterniß der Unwissenheit und <index indexName="subjects-index">
<term>Aberglaube</term>
</index>Aberglaubens, zu dem <index indexName="subjects-index">
<term>Licht der Wahrheit</term>
</index>Licht der Wahrheit gefüret; uns hat <app>
<lem>er</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Er</hi></rdg>
</app> aus den Abgründen des Lasters gerissen, und auf die frohe
seelige Bahn der Tugend geleitet.</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Sie</hi></hi> kan uns aber auch,
<hi>Anlaß</hi> zu noch andern wichtigen Betrachtungen geben. –
<seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:20:6">vers <app>
<lem>6</lem>
<rdg type="v" wit="#c">6.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<hi>Was stehet ihr hier den ganzen Tag müssig!</hi> Das beschäme
diejenigen, welche ohne <hi>alle gemeinnüzige Arbeiten in der
Welt</hi>
<app>
<lem><hi>leben.</hi></lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>leben!</hi></rdg>
</app> Diejenigen Menschen, welche <app>
<lem>weder</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>weder</hi></rdg>
</app> in einem nüzlichen Amte und Gewerbe; <app>
<lem>noch</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>noch</hi></rdg>
</app> durch gute Auferziehung der ihrigen, <app>
<lem>oder</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>oder</hi></rdg>
</app> gemeinnüzige Verwaltung ihrer Güter; <app>
<lem>oder</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>oder</hi></rdg>
</app> nüzliche <index indexName="subjects-index">
<term>Schrift</term>
</index>Schriften, <app>
<lem>noch</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>noch</hi></rdg>
</app> auf irgend eine andre Weise der Welt dienen! <hi><hi rend="spaced-out">Die</hi></hi>
<app>
<lem>Menschen</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Menschen,</rdg>
</app> welche bloß ihre <ptr target="#sept_erl_15" type="editorial-commentary"/><index indexName="subjects-index">
<term>Rente</term>
</index>Renten verzehren, aus dem Bette auf das <app>
<lem>Ruhe Polster</lem>
<rdg type="pp" wit="#c">Ruhe-Polster</rdg>
</app>, von der Tafel in Gesellschaften und Lustbahrkeiten, und von
Lustbahrkeiten zur Tafel gehen! <app>
<lem>Diese</lem>
<rdg type="pp" wit="#c">Diese –</rdg>
</app> sind <hi>Ungehorsam gegen Gott</hi>: denn sie
<hi>vergraben</hi> ihr Talent, an statt damit zu wuchern. <ptr target="#sept_erl_4" type="editorial-commentary"/><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:25:14" to="f"><hi>Matthäi</hi> 25, 14 <choice>
<abbr>f.</abbr>
<expan>folgend</expan>
</choice></citedRange></bibl> Sie sind <hi>Ungerecht
und</hi>
<app>
<lem><hi>Treulos</hi></lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Treuloos</hi></rdg>
</app>
<hi>gegen die menschliche Gesellschaft</hi>; welcher sie ihre Zeit
und Kräfte schuldig sind. <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="1Petr:4:10 1Petr:4:11">1 Petri 4, 10.
11.</citedRange></bibl>
<bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Röm:12:4" to="Röm:12:6"><hi>Römer</hi> 12, 4–6.</citedRange></bibl>
Sie sind <hi>Undankbahr gegen ihre <index indexName="subjects-index">
<term>Nebenmensch</term>
</index>Nebenmenschen</hi>; deren Hände für sie täglich
geschäftig sind. Sie sind – ein häslicher, schädlicher Auswuchs an
dem Körper der menschlichen Gesell<pb n="505" edRef="#a"/><pb n="485" edRef="#b"/><pb n="535" edRef="#c"/>schaft! Eine unnüze
Last des Erdbodens! – O daß diese Frage unsers Hausherren, <hi>Was
stehet ihr hier den ganzen Tag müssig!</hi> sie jezo heilsam
beschäme: damit sie nicht dereinst, bei dem ewig entscheidenden
Gericht, für sie ein Verdammungs-Urtheil werde!</p>
<p><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:20:10" to="f"><app>
<lem>vers 10</lem>
<rdg type="pp" wit="#c">v. 10.</rdg>
</app>
<choice>
<abbr>f.</abbr>
<expan>folgend</expan>
</choice></citedRange></bibl></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Insbesondre</hi></hi>
<app>
<lem>ermuntere</lem>
<rdg type="v" wit="#b">ermunterte</rdg>
</app> uns der lezte Auftritt in der Geschichte unsers Textes, zu
der <hi>theilnehmenden Freude</hi>: dieser grossen Absicht des
Christenthums, und sichersten Kenzeichen des wahren Christen!</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Täglich</hi></hi>, und stündlich ergiesset
sich ein Meer von Wohlthaten <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app> über unsre Nebenmenschen. Der <app>
<lem>eine</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Eine</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>genießen</term>
</index>geniesset die blühendste Gesundheit. Dort freuet sich ein <app>
<lem>andrer</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Andrer</rdg>
</app> in dem Ueberfluß des <index indexName="subjects-index">
<term>irdisches Vermögen</term>
</index>irrdischen Vermögens. Einem <app>
<lem>dritten</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Dritten</rdg>
</app> gelinget alles was er nur unternimt. Seine Arbeiten und
Geschäfte gehen ihm leicht von Statten, finden allenthalben Beifall,
haben den glücklichsten Erfolg. So können wir <app>
<lem>täglich</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>täglich</hi></rdg>
</app>, wenn wir nur wollen, <app>
<lem>viele</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>viele</hi></rdg>
</app> unsrer Nebenmenschen die Güte <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app> frölich schmecken; oder in dem Bilde unsers Textes zu reden,
<hi>ihren Groschen von Gott empfangen sehen</hi>.</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Da</hi></hi> nun sollen wir, wie unsre
Religion will, an diesen Vergnügungen unserer Nebenmenschen einen
herzlichen Antheil nehmen, oder nach <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Röm:12:15"><hi>Römer</hi> 12, <app>
<lem>15</lem>
<rdg type="v" wit="#c">15.</rdg>
</app></citedRange></bibl>
<hi>uns mit den Frölichen freuen und mit den Weinenden weinen</hi>.
– <app>
<lem>Christen!</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Christen!</hi></rdg>
</app> Wir sollen die frohen Schicksahle unsrer Nebenmenschen nicht
kalt und gleichgültig ansehen. Nicht sagen, <hi>was gehet mich das
an? Ich habe genug mit mir und</hi>
<pb n="506" edRef="#a"/>
<pb n="486" edRef="#b"/>
<pb n="536" edRef="#c"/>
<hi>den Meinigen zu thun.</hi> Noch weniger sie deswegen gar
beneiden; darüber verdrüslich, aufgebracht werden, daß es unsern
Nebenmenschen besser gehet als uns. <app>
<lem>–</lem>
<rdg type="om" wit="#c"/>
</app> Am allerwenigsten aber, ihnen ihre Freude <hi>misgönnen</hi>.
Darüber unwillig seyn, obgleich uns nicht einmahl etwas dadurch
abgehet. – <app>
<lem>Da</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Da,</rdg>
</app>
<hi>Christen</hi>, sollen wir, jede solche rechtmässige Freude
unsrer Nebenmenschen, <app>
<lem>als die Unsrige, uns zueignen</lem>
<rdg type="pp" wit="#c"><hi>als die Unsrige, uns
zueignen</hi></rdg>
</app>! Sie <app>
<lem>gern</lem>
<rdg type="v" wit="#c">gerne</rdg>
</app> sehen! Uns darüber innig freuen! Sie ihnen durch aufrichtige
Versicherung unsrer Mitfreude, durch liebreiche Warnung <app>
<lem>für</lem>
<rdg type="v" wit="#c">vor</rdg>
</app> allem Schaden, durch Vereitelung böser Anschläge gegen sie,
durch rümliche Urtheile, Empfehlungen; und kurz durch jedes uns
mögliche Mittel welches Wahrheit und Gewissen billiget, unsern
Nebenmenschen, <app>
<lem/>
<rdg type="pt" wit="#c">diese</rdg>
</app> ihre Freude zu <hi>sichern</hi>, und zu <hi>vermehren</hi>
trachten. Das ist die Gemüts-Art und Betragen, welche uns unsre
Religion, und unser Text anbefiehlet! – Ja! Welche selbst unser
<index indexName="subjects-index">
<term>Gefühl, inneres</term>
</index>inneres Gefül, <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Röm:7:22"><app>
<lem>Röm.</lem>
<rdg type="v" wit="#b #c">Römer</rdg>
</app> 7, 22.</citedRange></bibl></seg>
<hi>unser inwendige Mensch</hi>, uns als sehr reizend und
liebenswürdig darstellet.</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Selbst</hi></hi> unser inneres Gefül
empfiehlet sie uns! Denn diese <app>
<lem>christliche Mitfreude</lem>
<rdg type="pp" wit="#c"><hi>christliche Mitfreude</hi></rdg>
</app>, ist eine von denen Tugenden, die in <hi>der
Betrachtung</hi>, ganz ausserordentlich Reizend, <app>
<lem>Einnehmend</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Einnehmend,</rdg>
</app> und Anziehend sind. Die selbst dem Bösewicht, Achtung, <index indexName="subjects-index">
<term>Bewunderung</term>
</index>Bewunderung, Lob <app>
<lem>abdringen.</lem>
<rdg type="v" wit="#c">abdringen!</rdg>
</app> – Aber, o <app>
<lem>gütiger Gott</lem>
<rdg type="pp" wit="#c"><hi>gütiger Gott</hi></rdg>
</app>, wie tief, tief sind wir verfallen! Wie schwer wird uns diese
reizende Tugend in der Ausübung! Desto nötiger ist es, daß wir uns
mit jeder Vorstellung, jedem Mittel bewafnen, welches uns jener
schändlichen Gemüts-Art entreissen, und diese reizende Tugend
sichern und erleichtern kan.</p>
<p><pb n="507" edRef="#a"/>
<pb n="487" edRef="#b"/>
<pb n="537" edRef="#c"/>
<hi><hi rend="spaced-out">Zunächst</hi></hi> also lasset es uns,
tief der Seele eindrücken, was unser Text lehret. <index indexName="subjects-index">
<term>Neid und Missgunst</term>
</index><hi>Neid und Misgunst sind für sich selbst schon, Etwas <hi rend="spaced-out">sehr Häsliches, Schimpfliches, und
Schändliches</hi></hi>.</p>
<p><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:20:9" to="Mt:20:12"><app>
<lem>v.</lem>
<rdg type="v" wit="#c">vers</rdg>
</app> 9–12.</citedRange></bibl></seg>
<hi><hi rend="spaced-out">Da</hi> kamen,</hi> sagt unser <app>
<lem>Text</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Text,</rdg>
</app>
<hi>die um die elfte Stunde gemiethet waren, und empfieng ein
jeglicher seinen Groschen.</hi>
<app>
<lem><hi>Da</hi></lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Als</hi></rdg>
</app>
<hi>aber die ersten kamen, meineten sie, sie würden mehr empfahen;
und sie empfiengen auch ein jeglicher seinen Groschen. Und da
sie den empfiengen, murreten sie wider den Hausvater. Und
sprachen: Diese lezten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du
machst sie uns gleich, die wir des Tages Last und Hize getragen
haben!</hi> – – Und was war es denn, du <app>
<lem>Misgünstiger</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Misgünstiger</hi></rdg>
</app>! das dich dergestalt aufwiegelte? Hatten etwa diese deine
Mitarbeiter, einen Theil von dem Deinigen genommen? Oder deine Ehre
verlezet? Oder dich sonst beleidiget? Ward denn die Last und Hize
des Tages, die du schon getragen hattest, dadurch vermindert, wenn
deine Mitarbeiter weniger als einen Groschen empfiengen? Konte deine
Beschwerde, und Mühe, durch nichts versüsset werden, als durch
taurige Gesichter deiner Nebenmenschen? – – – Wer kan einen solchen
<index indexName="subjects-index">
<term>Menschenhass</term>
</index><hi>Menschenhaß</hi>! Einen so <hi>Ungereizten</hi>
Menschenhaß, ohne <app>
<lem>innigen</lem>
<rdg type="v" wit="#b">einigen</rdg>
</app> Abscheu betrachten!</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Aber</hi></hi>, unser Herz betrüge uns
hiebei nur nicht! Gerade so Abscheulich, ist <hi>auch bei uns</hi>
der Neid! – Was thun wir, wenn wir unsern Nebenmenschen ihre
Einnahme, ihre Nahrung, ihren Beifall, ihren Ruhm, ihre Beförderung,
ihre Reich<pb n="508" edRef="#a"/><pb n="488" edRef="#b"/><pb n="538" edRef="#c"/>tümer und jedes andre rechtmässige Vergnügen
beneiden oder gar misgönnen? – – Wir sind verdrüslich und
aufgebracht. Und worüber? <hi>Daß ein Mensch sich freuet!</hi> – Wir
wünschen und suchen das Vergnügen in der Welt zu verringern. Wir
suchen gar, an dessen Stelle Kummer, Traurigkeit und Elend zu sezen.
– Und so hegen, und üben wir <app>
<lem>denn</lem>
<rdg type="v" wit="#c">denn,</rdg>
</app> wahren <hi>Menschenhaß</hi>. – Und noch dazu; so
<hi>Ungereizt</hi>, gegen einen Menschen, der uns durch nichts
beleidiget, als daß er froh ist! Der vielleicht bereit ist, uns
Liebes-Dienste zu leisten! Der vielleicht uns herzlich liebet! Kan
wohl <ptr target="#sept_erl_5" type="editorial-commentary"/>der
<index indexName="subjects-index">
<term>Teufel</term>
</index>Teufel, dieser <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenmörder</term>
</index>Menschen-Mörder von Anfang, schändlicher, und schwärzer
denken und handeln?</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Kein</hi></hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Wunder</term>
</index>Wunder demnach, daß Neid und Misgunst, uns auch ferner,
<hi>zu den schwärzesten Lastern füret</hi>: und <hi>von je her,
die Eigenschaft der schlechtesten Menschen gewesen</hi>.</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Was</hi></hi> war die Wirkung jener
Misgunst der Juden zu <hi>Christi</hi> und seiner Apostel Zeiten?
Sie empörten sich wider <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
</app>. <hi>Als</hi>, sagt der Text <ptr target="#sept_erl_6" type="editorial-commentary"/><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Mt:20:10"><hi>Vers</hi>
10</citedRange></bibl>, <hi>die <app>
<lem>ersten,</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>ersten</hi></rdg>
</app> kamen, meineten sie, sie würden mehr empfahen; und sie
empfiengen auch ein jeglicher seinen Groschen. Da murreten sie
gegen den Hausherren.</hi> – <seg type="margin">Siehe <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Apg:13:45"><app>
<lem>Apostelgeschicht</lem>
<rdg type="pp" wit="#b #c">Apost. Gesch.</rdg>
</app> 13, <app>
<lem>45</lem>
<rdg type="v" wit="#b #c">45.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg> Sie verwarfen gar die
ganze Religion, mit allen ihren Vortheilen; und wolten nicht
glücklich seyn, bloß darum, weil andre es auch seyn solten! – – Ja
sie wurden endlich bei wachsendem Neide, die Schändlichsten,
Verworfensten Menschen von der Welt. – Die Juden, so beschreibet uns
<index indexName="persons-index">
<term>Paulus</term>
</index><persName ref="textgrid:251kf"><hi>Paulus</hi></persName>
ihren Character zu seiner Zeit, <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="1Thess:2:15 1Thess:2:16">1 Thessalonicher 2, <app>
<lem>15. <app>
<lem>16</lem>
<rdg type="v" wit="#c">16.</rdg>
</app></lem>
<rdg type="pp" wit="#b">15 16.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<hi>sind Feinde Gottes und der Menschen</hi>. <hi>Sie</hi>
<pb n="509" edRef="#a" id="less_509"/>
<pb n="489" edRef="#b"/>
<pb n="539" edRef="#c"/>
<hi>wehren uns den Heiden zu predigen damit sie glücklich
werden.</hi></p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">So</hi></hi> ist es zu allen Zeiten
gewesen! – Neid war es, der den <ptr target="#sept_erl_7" type="editorial-commentary"/><index indexName="persons-index">
<term>Kain</term>
</index><app>
<lem><persName ref="textgrid:3rz69"><hi>Cain</hi></persName></lem>
<rdg type="v" wit="#c"><persName ref="textgrid:3rz69"><hi>Kain</hi></persName></rdg>
</app>, zum ersten Bruder-Mörder machte. – – Neid war es, welcher
<ptr target="#sept_erl_8" type="editorial-commentary"/>den
israelitischen König <index indexName="persons-index">
<term>Saul</term>
</index><persName ref="textgrid:3rqf4"><hi>Saul</hi></persName>;
sein ganzes Leben hindurch, mehr folterte als ein <index indexName="subjects-index">
<term>Henker</term>
</index>Henker; in <app>
<lem>eine</lem>
<rdg type="v" wit="#b">einer</rdg>
</app> Reihe von Niederträchtigkeiten, treuloosen Thaten, und
mörderischen Handlungen gegen den <index indexName="persons-index">
<term>David</term>
</index><app>
<lem><persName ref="textgrid:2z6t1">David</persName></lem>
<rdg type="v" wit="#c"><persName ref="textgrid:2z6t1"><hi>David</hi></persName></rdg>
</app> stürzte; und endlich gar antrieb, aus Verzweifelung sich
selbst zu ermorden. – – Neid war <app>
<lem>es,</lem>
<rdg type="v" wit="#b #c">es</rdg>
</app> welcher jene <ptr target="#sept_erl_1" type="editorial-commentary"/>entsäzliche Blutbäder des Königes
<index indexName="persons-index">
<term>Herodes d. Gr.</term>
</index><persName ref="textgrid:3rtjg"><hi>Herodis</hi></persName>
verursachte; vor denen die Menschheit zurückebebt. Er versteinerte
das Herz dieses <index indexName="subjects-index">
<term>Wüterich</term>
</index>Wüterichs in dem Grade, daß er seine eigene Gemahlin, und
zwei seiner besten <app>
<lem>Söhne</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Söne</rdg>
</app>, aus der Welt schafte; <app>
<lem/>
<rdg type="pt" wit="#c">Siehe oben Seite</rdg>
</app> und den Müttern zu Bethlehem, ihre zarten, unschuldigen,
einjärigen Kinder, von der Brust, und aus den Armen wegreissen, und
vor ihren Augen, in Stücken zerhauen ließ. – Und in welche
Schand-Thaten stürzte <app>
<lem>nicht</lem>
<rdg type="om" wit="#c"/>
</app> der Neid, <ptr target="#sept_erl_9" type="editorial-commentary"/>die <hi>Brüder</hi>
<index indexName="persons-index">
<term>Josef</term>
</index><persName ref="textgrid:3rp6s"><hi>Josephs</hi></persName>;
die sich dadurch, bei der Nachwelt auf ewig gebrandmahlet! Die
vorzügliche Gunst, welche dieser <app>
<lem><app>
<lem>Unschuldige</lem>
<rdg type="v" wit="#b">unschuldige</rdg>
</app>, Liebenswürdige</lem>
<rdg type="pp" wit="#c">unschuldige, liebenswürdige</rdg>
</app> Jüngling, seinem Vater gleichsahm abzwang; machet ihren Neid
rege! Und nun ist keine Bosheit mehr für sie zu groß. Sie hassen und
verfolgen den <app>
<lem>tugendhaften</lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#b"><choice>
<sic>tngendhaften</sic>
<corr type="editorial">tugendhaften</corr>
</choice></rdg>
</app>
<hi>Joseph</hi>! Sie wollen ihn selbst mit eignen Händen ermorden;
lassen sich aber, doch mit Mühe, noch bereden, ihn in eine Grube zu
werfen daß er da umkomme. Doch auch dies Opfer war noch zu klein für
den Neid. Sie reissen ihn auf <pb n="540" edRef="#c"/> immer aus dem
Schoosse seines Vaters und seiner <pb n="510" edRef="#a"/>
<pb n="490" edRef="#b"/> Familie; geben ihn allem Elende eines
jämmerlichen Lebens Preiß, und welches einem <index indexName="subjects-index">
<term>Mensch, freigeborener</term>
</index>freigebohrnen Menschen mehr Quaal verursachen mußte als der
Todt, sie verkaufen ihn vorbeireisenden Fremden, zum <app>
<lem>Sclaven</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Sklaven</rdg>
</app>! Und dies alles, – – so zum Felß verhärten, kan der Neid das
menschliche Herz! – sie thaten dies alles, <app>
<lem>ganz unbeweglich</lem>
<rdg type="pp" wit="#c"><hi>ganz unbeweglich</hi></rdg>
</app> gegen die Bitten, Seufzer, <app>
<lem>und</lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#b"><choice>
<sic>unb</sic>
<corr type="editorial">und</corr>
</choice></rdg>
</app> Thränen des jungen, unschuldigen, liebenswürdigen <index indexName="persons-index">
<term>Josef</term>
</index><persName ref="textgrid:3rp6s">Josephs</persName>! Lasset
uns hierbei bedenken; wir sind gerade auch nur Menschen, wie <app>
<lem><index indexName="persons-index">
<term>Kain</term>
</index><persName ref="textgrid:3rz69">Cain</persName>,
<index indexName="persons-index">
<term>Saul</term>
</index><persName ref="textgrid:3rqf4">Saul</persName>,
<index indexName="persons-index">
<term>Herodes d. Gr.</term>
</index><persName ref="textgrid:3rtjg">Herodes</persName></lem>
<rdg type="pp" wit="#c"><index indexName="persons-index">
<term>Kain</term>
</index><persName ref="textgrid:3rz69"><hi>Kain</hi></persName><hi>,</hi>
<index indexName="persons-index">
<term>Saul</term>
</index><persName ref="textgrid:3rqf4"><hi>Saul</hi></persName><hi>,</hi>
<index indexName="persons-index">
<term>Herodes d. Gr.</term>
</index><persName ref="textgrid:3rtjg">Herodes</persName></rdg>
</app> und die Brüder <index indexName="persons-index">
<term>Josef</term>
</index><app>
<lem><persName ref="textgrid:3rp6s">Joseph</persName></lem>
<rdg type="v" wit="#b"><persName ref="textgrid:3rp6s">Josephs</persName></rdg>
<rdg type="v" wit="#c"><persName ref="textgrid:3rp6s"><hi>Josephs</hi></persName></rdg>
</app>. Und ehe sie diese <index indexName="subjects-index">
<term>schreckliche Laster</term>
</index>schrecklichen Laster verübet hatten, glaubten sie ohne
Zweifel, ihrer nimmermehr fähig zu seyn!</p>
<p>Mit noch einer Betrachtung bewafnet uns unser Text – – <seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Mt:20:13" to="Mt:20:15">vers
13–15.</citedRange></bibl></seg>
<hi>Jede rechtmässige Freude unserer Nebenmenschen ist – ein <hi rend="spaced-out">Geschenk Gottes</hi>!</hi> Der Neidische
siehet darum scheel, <hi>weil Gott gütig</hi>
<app>
<lem><hi>ist</hi>.</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>ist</hi>!</rdg>
</app> – Neid und Misgunst ist also, <hi>eine Friedens-Störung in
Gottes Reich, eine wirkliche Empörung gegen Gott</hi>. Denn
dieser Zuwachs von Gewinn und Ruhm, diese Freude unsrer <app>
<lem>Nebenmenschen</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Nebenmenschen,</rdg>
</app> ist kein Zufall oder blindes Schicksahl. Sondern ein Werk der
Alles regierenden Vorsehung <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app>! Der Neidische lebet also in einem beständigen Aufruhr gegen <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
</app>. Jede Gütigkeit <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app> beleidiget ihn. Bei jedem Geschenk <app>
<lem>Seiner</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Seiner</hi></rdg>
</app> Huld siehet er scheel. Jeder <index indexName="subjects-index">
<term>Beweis</term>
</index>Beweiß <app>
<lem>Seiner</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Seiner</hi></rdg>
</app> unpartheiischen unermeslichen Liebe wiegelt ihn auf. – Der
Neidische <hi>lebet auch, in einem unaufhörlichen Kriege gegen seine
Mitunterthanen in Gottes Reich</hi>. <pb n="541" edRef="#c"/>
Ihr Vergnügen machet ihm Verdruß; und sezet <pb n="511" edRef="#a"/>
<pb n="491" edRef="#b"/> ihn zur Störung desselben in
Geschäftigkeit. Liebloose Urtheile, bittere <app>
<lem>Spöttereien</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Spottereien</rdg>
</app>, Zank, Zwietracht, offenbahre <app>
<lem>Gewalttätigkeiten</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Gewaltthätigkeiten</rdg>
</app>, sind die täglichen unseeligen Geburthen seines Neides! Und
so bleibet denn, für den Neidischen, da ihn die Freude seiner
Nebenmenschen quälet, und nur ihre Traurigkeit erfreuet, nichts
weiter <app>
<lem>übrig,</lem>
<rdg type="v" wit="#c">übrig;</rdg>
</app> als <hi>entweder</hi> aus der Zahl der Geschöpfe <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app> gänzlich <app>
<lem>vertilget;</lem>
<rdg type="v" wit="#c">vertilget,</rdg>
</app>
<seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Jak:3:13" to="Jak:3:16"><app>
<lem>Jacobi</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Jakobi</rdg>
</app> 3, <app>
<lem>13–16</lem>
<rdg type="v" wit="#c">13–16.</rdg>
</app></citedRange></bibl></seg>
<hi>oder</hi> in jenen dunkeln <index indexName="subjects-index">
<term>schwarzer Aufenthalt der neidischen Geister</term>
</index>schwarzen Aufenthalt der neidischen Geister verwiesen zu
werden, woraus alle Heiterkeit und Freude für ewig verbannt ist!</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Doch</hi>!</hi> Lasset uns edlern Gründen
Plaz geben. – Jede rechtmässige Freude unsrer Nebenmenschen ist ein
Geschenk <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app>. – <app>
<lem>Des Gottes</lem>
<rdg type="pp" wit="#c"><hi>Des Gottes</hi></rdg>
</app>, dem auch wir, jede Kraft des Leibes und der Seele, und alles
was uns Freude macht, zu danken haben. Soll denn das nicht unser
Herz erweichen? Wie <app>
<lem>wohl</lem>
<rdg type="v" wit="#c">wohl,</rdg>
</app> wie unaussprechlich wohl thut es uns, daß <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
</app> so gütig ist! <app>
<lem>Nun</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Wohlan</rdg>
</app>! So müssen auch wir; nur im Vergnügen und Wohlthun unsre
Freude suchen. Jede Freude unsrer Nebenmenschen ist ein neuer
Beweiß, daß unser Gott die <hi>Liebe selbst</hi>, der <hi>Vater
Seiner Menschen</hi> ist. <app>
<lem>Ey! So</lem>
<rdg type="pp" wit="#c">Nun, so</rdg>
</app> muß sie uns auch, in dem <app>
<lem>innersten</lem>
<rdg type="v" wit="#c">Innersten</rdg>
</app> unsrer Seele erfreuen!</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Diese</hi></hi> Betrachtungen lasset uns
denn, in unsrer täglichen <index indexName="subjects-index">
<term>Andacht, geheime</term>
</index>geheimen Andacht ofte anstellen! Uns ofte daran erinnern;
daß Neid und Misgunst etwas so überaus schändliches ist; zu den
schwärzesten Lastern füret; und daß jede rechtmässige Freude unsrer
Nebenmenschen ein Geschenk <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi></rdg>
</app> ist. <pb n="542" edRef="#c"/> – <hi><hi rend="spaced-out">Jede</hi></hi> Regung des Neides lasset uns, <hi>so</hi>
<pb n="512" edRef="#a" id="less_512"/>
<pb n="492" edRef="#b"/>
<hi>gleich in ihrer Geburth ersticken</hi>. Zwar über diese
unwillkürliche Regungen uns nicht ängstigen, sondern sie mit
Verachtung bekämpfen. Aber ihnen nicht einen Augenblick in unsrer
Seele Plaz gestatten. – <hi><hi rend="spaced-out">Jede</hi></hi>
Uebereilung wozu uns der Neid
hinreisset, lasset uns mit unerbittlicher Strenge an uns bestrafen,
und sie <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
</app> mit Ausdrücken des innigsten Abscheus bekennen! – <hi><hi rend="spaced-out">Lasset</hi></hi> uns für den Beneideten
beten! <hi><hi rend="spaced-out">Und</hi></hi> besonders, <app>
<lem>uns</lem>
<rdg type="pp" wit="#c">– uns</rdg>
</app> die Empfindung der Liebe <app>
<lem>Gottes</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gottes</hi>,</rdg>
</app> und der <app>
<lem>Ewigkeit</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Ewigkeit</hi></rdg>
</app>, recht tief einprägen. <ptr target="#sept_erl_16" type="editorial-commentary"/>Lasset uns da, ofte zu uns
sprechen: „Mit welchem Abscheu muß mich <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
</app>, der die Liebe selbst ist, betrachten, wenn ich Neid bei mir
hege? Was werden mir alle diese Güter, worüber ich den und den
beneide, beim Tode; was in der Ewigkeit helfen? – Quälen werden sie
mich, wenn ich sie mit Neid beflecket. Wie beglückend dagegen,
ewig-beglückend wird es für mich seyn; wenn ich mich hier
befliessen, über jedes Vergnügen meiner Nebenmenschen, auch da mich
zu freuen, wo es meinen eigenen zeitlichen Ruhm verdunkelt, und
meinen eigenen <index indexName="subjects-index">
<term>irdischer Vorteil</term>
</index>irrdischen Vortheil verringert!“</p>
<p><hi><hi rend="spaced-out">Diese</hi> Uebungen</hi> anhaltend
fortgesezt, werden uns sicherlich immer mehr, von dieser <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg type="v" wit="#c"><hi>Gott</hi></rdg>
</app> so sehr abscheulichen Gemüts-Art befreien. Und uns wie es
Christen gebüret, mit allen unsern Nebenmenschen <ptr target="#sept_erl_10" type="editorial-commentary"/><seg type="margin"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Eph:4:1" to="f">Ephes. 4, <app>
<lem><choice>
<sic>1,</sic>
<corr type="editorial">1</corr>
</choice></lem>
<rdg type="typo-correction" wit="#b #c">1</rdg>
</app>
<choice>
<abbr>f.</abbr>
<expan>folgend</expan>
</choice></citedRange></bibl></seg>
<hi>zu</hi>
<hi>Einem Herzen und Einer Seele</hi> machen.</p>
</div></lem>
<rdg type="om" wit="#z"/>
</app>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_1"><label>entsäzliche
Blutbäder des Königes Herodis [...] in Stücken zerhauen ließ.</label>
<p>Gemeint ist die Hinrichtung Mariamnes (I) (vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:textgrid:25dfn.5#z3_erl_3"/>) im Jahr 29 v. Chr. sowie
der gemeinsamen Söhne Alexandros und des Aristobulos IV. (vgl. c439 Anm.
<ref type="note" target="#less_z3_note5">**</ref>) im Jahr 7 v. Chr. (vgl. Jos.
Ant. XV 7; XVI 11; Bell. I 22.27); zum Kindermord zu Bethlehem vgl. Mt
2,1–18 (vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:25dfm.5#christtag_erl_2"/>). In der dritten Auflage findet sich der Einschub „Siehe oben Seite“, bei
dem für den späteren Nachtrag der Seitenzahl ein entsprechender Weißraum
gelassen wurde (vgl. dazu die <hi>Editorische[n] Hinweise und Siglen</hi>
unter <hi>Zur Beschaffenheit der Originaltexte</hi>). Zu ergänzen ist hier
vermutlich <ref target="textgrid:25dfn.5#less_441_c">c441</ref>.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_2"><label>{Römer 11,
1–5} Eliä Zeiten, sieben tausend</label>
<p>Vgl. 1Kön 19,10–18.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_3"><label>Bekehrung
auf dem Sterbebette [...] bis zum Tode zu verschieben</label>
<p>Vgl. G. Leß, Christliche Moral, 1777, 103f. (= § 76).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_4"><label>Matthäi 25,
14 f.</label>
<p>Gemeint ist das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern (Mt
25,14–30).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_5"><label>der Teufel,
dieser Menschen-Mörder von Anfang</label>
<p>Vgl. Joh 8,44 (vgl. dazu <ref target="textgrid:25dg9.5#less_598">a598</ref>).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_6"><label>Vers 10,
die ersten, kamen [...] gegen den Hausherren.</label>
<p>Wiedergegeben wird Mt 20,10f.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_7"><label>Cain, zum
ersten Bruder-Mörder machte</label>
<p>Vgl. Gen 4,1–16.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_8"><label>den
israelitischen König Saul [...] sich selbst zu ermorden.</label>
<p>Vgl. 1Sam 9–31.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_9"><label>die Brüder
Josephs [...] verkaufen ihn vorbeireisenden Fremden, zum Sclaven!</label>
<p>Vgl. Gen 37,25–28.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_10"><label>{Ephes. 4,
1 f.} zu Einem Herzen und Einer Seele</label>
<p>Vgl. Eph 4,1–6; dazu Apg 4,32 (vgl. <ref target="textgrid:25dfn.5#less_421">a421</ref>).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_11"><label>{Philipper
1, 11} mit Früchten der Tugend</label>
<p>An dieser Stelle ist von Phil 1,14 zu Phil 1,11 korrigiert (vgl.
<hi>Editorische Korrekturen</hi>, z. St.), da Phil 1,11 von der „Frucht
der Gerechtigkeit“ spricht und Leß die Vokabel <foreign lang="grc">δικαιοσύνη</foreign> als „Tugend“ versteht (vgl. <ptr type="page-ref" target="textgrid:259rn.5#sontr6_erl_17"/>).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_12"><label>Evangelium
am Sontage Septuagesima. Matthäi 19, 30 – Kapitel 20, 16</label>
<p>Vgl. dazu auch G. Leß, Christliche Lehre von den gesellschaftlichen Tugenden.
In Predigten, 1777, 556–573 (dort mit Verweis auf die
<hi>Sontags-Evangelia</hi>). Dass Leß Mt 19,30 mit einbezieht, ergibt
sich aus Mt 20,16.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_13"><label>Catechumenen</label>
<p>D.h. Taufanwärter.</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_14"><label>Denn viele
sind berufen, wenige aber ausgewälet.</label>
<p>In der Textgestalt des 18. Jh.s findet sich dieser Zusatz (vgl.
<hi>Wettstein</hi>, z. St.) (vgl. Mt 22,14).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_15"><label>Renten</label>
<p>Dabei handelt es sich ganz allgemein um Einkünfte aus Zinsen oder Abgaben
(Gülten), die auch in Naturalien entrichtet werden konnten (vgl.
<hi>Zedler</hi>, z. St.).</p></note>
<note type="editorial-commentary" place="end" id="sept_erl_16"><label>Lasset uns
da, ofte zu uns sprechen: „Mit welchem Abscheu [...] Vortheil
verringert!“</label>
<p>Gleichlautend formuliert wenig später J. G. Heym, Neue Sammlung von Predigten
auf alle Sonn- und Festtage des ganzen Jahres über selbst erwählte biblische
Schriftstellen, Bd. 1, 1781, 525.</p></note>
</div>