<div xml:id="st_chapter_II" type="chapter">
<head type="main" xml:id="st_II_head_a"><pb edRef="#a" n="21"/>
<pb edRef="#b" n="23"/>
<pb edRef="#c" n="23"/>
<pb edRef="#d" n="20"/> Zweiter Abschnitt.</head>
<head type="sub" xml:id="st_II_head_b">
<choice>
<orig>Von der Empfänglichkeit und den Anlagen der Menschen zur
Seligkeit.</orig>
<supplied reason="toc-title">Zweiter Abschnitt. Von der Empfänglichkeit und
den Anlagen der Menschen zur Seligkeit</supplied>
<supplied reason="column-title">Zweiter Abschnitt</supplied>
</choice>
</head>
<div type="section-group" xml:id="st_II_11-15">
<div type="section" xml:id="st_section_11">
<head>§. 11.</head>
<p>Wenn wir deutlich einsehen <app>
<lem>wollen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">wollen</rdg>
</app> zu welchem Grade der <index indexName="subjects-index">
<term>Seligkeit</term>
</index>Seligkeit, das ist, nach der bisher erwiesenen <app>
<lem>Erklärung,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Erklärung;</rdg>
</app> zu welchem Grade des fortdaurenden <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyns von dem wachsenden <index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht der Vollkommenheiten</term>
</index><app>
<lem>Uebergewicht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Uebergewichte</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vollkommenheiten</term>
</index>Vollkommenheiten unsres gesamten Zustandes über die
Unvollkommenheiten, wir theils uns selbst, theils andre im gegenwärtigen
Leben bringen können, so müssen wir zweierley vorher untersuchen.</p>
<p><hi>Erstlich:</hi> Ob überhaupt in der jetzigen Lage des Menschen ein <index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht des Guten</term>
</index>Uebergewicht des Guten, besonders in Beziehung auf die <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft, und ein <app>
<lem>fortgehender</lem>
<rdg wit="#c" type="v">fortgehendes</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Wachsthum</term>
</index>Wachsthum desselben anzutreffen oder hervorzubringen möglich
sey.</p>
<p><hi>Zweytens:</hi> Was für <app>
<lem>allgemeine</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> Hindernisse des <app>
<lem>grössern</lem>
<rdg wit="#a" type="v">größern</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">größeren</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Wachsthum der Vollkommenheiten</term>
</index>Wachsthums der <index indexName="subjects-index">
<term>Vollkommenheiten</term>
</index>Vollkommenheiten und des fortdaurenden <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyns von dem <app>
<lem>wirklichen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">vorhandenen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht des Guten</term>
</index><app>
<lem>Uebergewicht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Uebergewichte</rdg>
</app> des Guten im gegenwärtigen Zustande <app>
<lem>vorhanden</lem>
<rdg wit="#a" type="v">anzutreffen</rdg>
</app> sind.</p>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_12">
<head>§. 12.</head>
<p>Um das Gute und Böse in dem jetzigen Zustande der Menschen gehörig gegen
einander zu berechnen, wollen wir zuvörderst auf die <hi>körperlichen
Veränderungen unsrer</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>thierische Natur</term>
</index><hi>thierischen Natur</hi> sehen. Hier fället es sogleich in die
Augen, daß der weit <app>
<lem>grössere</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">größere</rdg>
</app> Theil der Menschen von ihrer Geburt an bis zu ihrem Tode un<pb n="24" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="24"/>bestimbar mehr Stunden in <index indexName="subjects-index">
<term>angenehme Empfindungen</term>
</index>angenehmen <index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen, als im <index indexName="subjects-index">
<term>Gefühl</term>
</index><app>
<lem>Gefühl</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gefühle</rdg>
</app> lebhafter <index indexName="subjects-index">
<term>Schmerzen</term>
</index>Schmerzen durchleben; und daß selbst <pb edRef="#a" n="22"/> die
meisten <app>
<lem>Arten</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Arten,</rdg>
</app> besonders langwieriger Krankheiten, den <pb edRef="#d" n="21"/>
<index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index>Genuß vielerley <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Vergnügen</term>
</index>sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügens annoch verstatten. Dieses wohlthätige Loos haben wir
überhaupt mit den Thieren <app>
<lem>gemein:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gemein,</rdg>
</app> aber die <app>
<lem>grössere <index indexName="subjects-index">
<term>Mannigfaltigkeit</term>
</index><app>
<lem>Manigfaltigkeit</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Mannigfaltigkeit</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#a #d" type="pp">größere Mannigfaltigkeit</rdg>
</app> so wol unsrer Bedürfnisse, als der sich uns darbietenden Mittel sie
zu befriedigen, giebt auch schon hierin dem Menschen <app>
<lem>grosse</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">große</rdg>
</app> Vorzüge vor den übrigen lebendigen Wesen. Empfänden wir nicht Hunger,
nicht Durst, nicht Kälte, nicht Hitze, so würde die Körperwelt <app>
<lem>ausser</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außer</rdg>
</app> uns keine <app>
<lem>Reize</lem>
<rdg wit="#a" type="v"><choice corresp="#st_a_corr_3">
<sic>Stütze</sic>
<corr type="authorial">Reitze</corr>
</choice></rdg>
</app> für uns haben, und der Aufenthalt auf der Erde uns <app>
<lem>äusserst</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">äußerst</rdg>
</app> langweilig seyn. Aber jetzt ist uns alles interessant, weil es eine
Beziehung auf unsre Bedürfnisse <app>
<lem>hat;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">hat,</rdg>
</app> und eben dadurch, daß wir vieles bedürfen, werden wir zu <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b24"/><index indexName="subjects-index">
<term>Nutzungsherren der Erde</term>
</index>Nutzungsherren der Erde. Anstatt einfacher Nahrungsmittel von
einerley Gattung, welche uns, wie die meisten Thierarten, zu ernähren
hinlänglich wären, bietet die Natur dem Menschen unzählbare Gattungen der
Speisen und Getränke dar, sich mit dem mannigfaltigsten <app>
<lem>Wohlgeschmack</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Wohlgeschmacke</rdg>
</app> zu sättigen. Mit eben so vieler Freygebigkeit ist für <index indexName="subjects-index">
<term>angenehme Empfindungen</term>
</index>angenehme <index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen der übrigen Sinne gesorgt. Ja selbst der Schmerz ist
ein wohlthätiges Erinnerungsmittel, den Zerstörungen unsres Körpers entgegen
zu arbeiten; nur selten heftig, und dann von weniger Dauer; meistens
erträglich, und wenn er <app>
<lem>nachläßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">nachlässet</rdg>
</app>, eine Quelle des Frohseyns und desto lebhafterer Vorstellung des
Guten in der Gesundheit. So strömen also von allen Seiten sinnliche Freuden
ohne Zahl gegen wenige und kurze Leiden auf den Menschen zu, <app>
<lem>wenn wir auf die natürliche Einrichtung der Dinge sehen. Die
meisten langwierigen und die schmerzhaftesten Krankheiten sind
unnatürliche <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel, die aus Zerrüttungen der Natur, welche die Menschen
selbst <pb n="25" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="25"/> verursachen, entstehen. Wenn die zur
Stärkung des Körpers bestimten Weine von der <app>
<lem>Gewinsucht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gewinnsucht</rdg>
</app> durch Bleyzucker vergiftet werden; wenn der Krieg die
festesten Theile gesunder Menschen zerschmettert; wenn junge Leute
ihre <index indexName="subjects-index">
<term>Ehre</term>
</index>Ehre darin suchen, ihre Natur mit Verachtung aller Regeln
der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesundheitslehre</term>
</index>Gesundheitslehre und aller Warnungen der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft zu bestürmen; wenn Habsucht und <app>
<lem>Geitz</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Geiz</rdg>
</app> dem Leibe die nöthige Ruhe, Erquickung und Ge<pb edRef="#d" n="22"/>nesungsmittel <app>
<lem>versagt:</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">versagt;</rdg>
</app> wer ist dann schuld an der Menge der <index indexName="subjects-index">
<term>physische Uebel</term>
</index>physischen <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel, welche das Leben so vieler Menschen verbittern? Nicht
die Natur, sondern die Empörungen gegen ihre leicht zu erkennende
wohlthätige Ordnungsgesetze. Dem ohngeachtet aber <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b25"/><app>
<lem>bleibt <app>
<lem>es</lem>
<rdg wit="#c" type="v">es,</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">bleibet es,</rdg>
</app> trotz aller in der Welt herrschend <app>
<lem>gewordner unnatürlichen</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">gewordener unnatürlicher</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel noch immer wahr, daß die allermehresten Menschen
ungleich mehr Stunden ihres Lebens schmerzlos und im <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index><app>
<lem>Genuß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Genusse</rdg>
</app> vieles <index indexName="subjects-index">
<term>sinnlich Gutes</term>
</index>sinnlichen Guten verbringen können, und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">daß</rdg>
</app> also ein <index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht des Guten</term>
</index>Uebergewicht des dem Körper bestimten Guten über die <index indexName="subjects-index">
<term>physische Uebel</term>
</index><app>
<lem>physische</lem>
<rdg wit="#d" type="v">physischen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel noch im Ganzen vorhanden <app>
<lem>ist</lem>
<rdg wit="#d" type="v">sey</rdg>
</app>: folglich Gründe zu einer herrschenden <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index>Zufriedenheit und <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügtseyn</term>
</index>Vergnügtseyn für die <app>
<lem>mehresten</lem>
<rdg wit="#d" type="v">mehrsten</rdg>
</app>. Die wenigen <app>
<lem><choice>
<sic>Beklagenswürdige</sic>
<corr type="editorial">Beklagenswürdigen</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#d" type="typo-correction">Beklagenswürdigen</rdg>
</app>, welche mit einem siechen Körper geboren <app>
<lem>worden</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">werden</rdg>
</app>, oder in ihrem <app>
<lem>Beruf</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Berufe</rdg>
</app> und durch nicht verschuldete Zufälle elend gemacht sind, so
daß sie den <app>
<lem>grössern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">größern</rdg>
</app> Theil ihrer Stunden unter <index indexName="subjects-index">
<term>Schmerzen</term>
</index>Schmerzen verseufzen müssen, können freylich nicht, indem
sie Schmerz befürchten, in dieser Beziehung <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index>Zufriedenheit <app>
<lem>empfinden;</lem>
<rdg wit="#d" type="v">empfinden,</rdg>
</app> und noch weniger damit sich trösten, daß doch die meisten
übrigen Menschen sich wohl <app>
<lem>befinden:</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">befinden;</rdg>
</app> allein es ist auch das körperliche und <index indexName="subjects-index">
<term>sinnlich Gutes</term>
</index>sinnliche Gute nicht <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">das</rdg>
</app> einzige und größte Gut des Menschen, und wir werden im
folgenden zeigen, daß dennoch ein <index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht des Guten</term>
</index>Uebergewicht des Guten in andern Bestimmungen und <app>
<lem>in</lem>
<rdg wit="#c" type="om"/>
</app> ihren <index indexName="subjects-index">
<term>Hofnungen</term>
</index>Hofnungen <app>
<lem>vorgestellt werden kan</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">statt finden könne</rdg>
</app>, welches ihr <index indexName="subjects-index">
<term>Gemüth</term>
</index>Gemüth aufrichten, und getrost erhalten kan, so <app>
<lem>bald</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">oft</rdg>
</app> nur der etwas <pb n="26" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="26"/> nachlassende Schmerz ihnen verstattet ihre
Aufmerksamkeit auf <app>
<lem>andre</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">andere</rdg>
</app> Gegenstände zu heften.</lem>
<rdg wit="#a" type="ppl">und so hat demnach das <index indexName="subjects-index">
<term>sinnlich Gutes</term>
</index>sinnliche Gute in dem gegenwärtigen Zustande des Körpers
unläugbar ein großes Uebergewicht über die sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel. Hieraus folgt: der Mensch kann wenigstens in dieser
Absicht, zu herrschender <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index>Zufriedenheit und Vergnügtseyn gelangen, wenn er nur
will.</rdg>
</app></p>
<note place="end"><ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b26"/>Es ist
Undankbarkeit gegen Gott, <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app> Leben <app>
<lem>überhaupt</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> ein Jammerthal zu nennen. Die Leiden und das <app>
<lem>Kreutz</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Kreuz</rdg>
</app>, wovon die <pb edRef="#a" n="23"/> Schriftsteller des <choice>
<abbr>N. T.</abbr>
<expan>Neues Testament</expan>
</choice> und <index indexName="persons-index">
<term>Jesus Christus</term>
<term type="alternative">Christus</term>
</index><persName ref="textgrid:255cd">Christus</persName> selbst redeten,
waren etwas <app>
<lem>ausserordentliches</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außerordentliches</rdg>
</app>, welches nur die ersten Verkündiger der <index indexName="subjects-index">
<term>Lehre Jesu</term>
</index>Lehre <index indexName="persons-index">
<term>Jesus Christus</term>
<term type="alternative">Christus</term>
</index><persName ref="textgrid:255cd">Jesu</persName>, in so fern sie eine
neue den herrschenden <index indexName="subjects-index">
<term>Vorurtheile</term>
</index>Vorurtheilen entgegenstehende <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion verkündigten, zu ertragen hatten. Jetzt, da so gar mit dem
<index indexName="subjects-index">
<term>Bekentniß</term>
</index>Bekentniß des Christenthums in unsren Gegenden <index indexName="subjects-index">
<term>bürgerlich</term>
</index>bürgerliche Vortheile verknüpft sind, befindet sich der Christ, in
so fern er <app>
<lem/>
<rdg wit="#a" type="pt">äußerlich</rdg>
</app> sich <app>
<lem><app>
<lem>äusserlich</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> dazu</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">äußerlich zu <index indexName="persons-index">
<term>Jesus Christus</term>
<term type="alternative">Christus</term>
</index><persName ref="textgrid:255cd">Christo</persName></rdg>
</app> bekennet, besser als jeder Unchrist. Daß aber die gewissenhaftere
Ausübung der Vorschriften des <index indexName="subjects-index">
<term>Evangelium</term>
</index>Evangeliums auch schon hier mehr glücklich als un<pb edRef="#d" n="23"/>glücklich mache, wird im folgenden ins helleste <index indexName="subjects-index">
<term>Licht</term>
</index>Licht <app>
<lem>gesetzet</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gesetzt</rdg>
</app> werden. Hier ist also nur zu bemerken, daß es keine Lehre der Schrift
sey, daß <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app> Leben mehr <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel als Gutes <app>
<lem>enthielte</lem>
<rdg wit="#d" type="v">enthalte</rdg>
</app>, wenn wir <app>
<lem>blos</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bloß</rdg>
</app> auf die <app>
<lem>natürliche</lem>
<rdg wit="#d" type="v">natürlichen</rdg>
</app> von <app>
<lem>aussen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außen</rdg>
</app> in unserm Körper <app>
<lem>veranlaßte</lem>
<rdg wit="#d" type="v">veranlassten</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen sehen. Daher <index indexName="persons-index">
<term>David</term>
</index><persName ref="textgrid:2z6t1">Davids</persName> Aussprüche hieher
gehören, die Erde ist voll der <index indexName="subjects-index">
<term>Güte</term>
</index>Güte des Vaters der Welt. <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Ps:33:5">Ps. 33, 5.</citedRange></bibl>
<bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Ps:119:64">119,
64.</citedRange></bibl>
<app>
<lem>Gottes <index indexName="subjects-index">
<term>Güte</term>
</index>Güte</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Sie</rdg>
</app> breitet sich so weit aus als der <index indexName="subjects-index">
<term>Himmel</term>
</index>Himmel, über Menschen und Vieh, denn Gott erbarmet sich aller seiner
Werke. <app>
<lem>Alle</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Sie</rdg>
</app> werden trunken von den reichen Gütern des göttlichen Magazins und mit
Wollust als mit einem Strom <app>
<lem>getränket.</lem>
<rdg wit="#a" type="v">getränket</rdg>
</app> Ps. 36, <app>
<lem><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Ps:36:7 Ps:36:9">7.
9.</citedRange></bibl></lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Ps:36:6" to="Ps:36:9">6–9.</citedRange></bibl></rdg>
</app>
<app>
<lem>Uebrigens kan in dieser kleinen Schrift nicht füglich auf einzelne
und seltene Fälle Rücksicht genommen werden, da in derselben nur
überhaupt die <app>
<lem>vorhandne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">vorhandenen</rdg>
</app> Quellen der Glückseligkeit <app>
<lem>angezeigt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">angezeiget</rdg>
</app> werden sollen. Ist <app>
<lem>ein</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eine</rdg>
</app> oder die <app>
<lem>andre <app>
<lem>einigen</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">derselben manchem</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">andere derselben manchem</rdg>
</app> Menschen vertrocknet oder verschlossen, so muß er aus den
übrigen desto angelegentlicher zu schöpfen suchen.</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app></note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_13">
<head>§. 13.</head>
<p>Betrachten wir ferner den Menschen nach seiner <index indexName="subjects-index">
<term>geistige Natur</term>
</index><app>
<lem><hi>geistigen Natur</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="pp">geistigen Natur</rdg>
</app>, und zwar zuvörderst in so fern er <pb n="27" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="27"/> durch freye <index indexName="subjects-index">
<term>Selbstthätigkeit</term>
</index>Selbstthätigkeit seiner <app>
<lem>Erkentnißkräfte</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Erkenntnißkräfte</rdg>
</app> die Reihen seiner Vorstellungen selbst anordnen, seine Aufmerksamkeit
nach <app>
<lem>eignem</lem>
<rdg wit="#a" type="v">eignen</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">eigenem</rdg>
</app> Belieben von einem Gegenstande auf den andern richten, das Abwesende
sich gegenwärtig machen, das <app>
<lem>Vergangne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Vergangene</rdg>
</app> erneuern, und durch Vergleichung des <app>
<lem>Vergangnen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Vergangenen</rdg>
</app> mit dem Gegenwärtigen sich Aussichten in die <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft eröfnen <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>; so ist es abermals in die Augen fallend, daß die kleine Anzahl der
unangenehmen Vorstellungen, welche sich dem Menschen aufdringen, gegen die <app>
<lem>grosse</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">große</rdg>
</app> Summe der angenehmen, die er selbst in sich <pb edRef="#a" n="24"/>
hervorbringen und unterhalten <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>, gar nicht in Anschlag zu bringen sey. Denn <list>
<item><label>1.</label> das <app>
<lem>eigne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigene</rdg>
</app> Denken ist der Seele schon an und für sich angenehm, wie auch
die Gegenstände beschaffen seyn mögen. <app>
<lem>Denn wir</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">Wir</rdg>
</app> finden, daß so gar betrübte und melancholische Menschen sich
ungern in ihren Selbstbetrachtungen unterbrechen lassen. Vermöge des
Grundtriebes des <app>
<lem>Geistes</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Geistes,</rdg>
</app> seine Vorstellungen immerfort zu erweitern, bringt jede neue
Entdeckung, jede <index indexName="subjects-index">
<term>Aufklärung</term>
</index>Aufklärung, jede Ver<pb edRef="#d" n="24"/>mehrung der
Gewißheit, wenn die Gegenstände auch gleichgültig sind, <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen hervor. Im Gegentheil ist jede Einschränkung des
selbstthätigen Denkens, jedes Hinderniß der Erweiterung, <index indexName="subjects-index">
<term>Aufklärung</term>
</index>Aufklärung, Vergewisserung unsres Erkentnisses uns
unangenehm. Da aber nur selten Fälle vorkommen, wo wir gehindert
werden zu <app>
<lem>denken,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">denken</rdg>
</app> was wir wollen, und da es von uns selbst <app>
<lem>abhängt,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">abhängt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">abhänget,</rdg>
</app> unsre Aufmerksamkeit von Gegenständen, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> unsern <app>
<lem>Erweitrungstrieb</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Erweiterungstrieb</rdg>
</app> nicht befriedigen, auf andre zu lenken; so erhellet, daß die
Summe des <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügens, welches aus dem Denken erwächst, überaus sehr <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">das</rdg>
</app> sich dann und wann einmischende <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen <app>
<lem>überwiege</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice corresp="#st_a_corr_4">
<sic>überwege</sic>
<corr type="authorial">überwiege</corr>
</choice></rdg>
</app>.</item>
<item><label>2.</label> Wenn wir auf die Gegenstände unsrer Erkentniß
sehen, so ist theils die Anzahl derselben ganz unbegränzt, <pb n="28" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="28"/> daß es dem <app>
<lem>Erweiterungstriebe</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Erweitrungstriebe</rdg>
</app> der Seele <app>
<lem>nie</lem>
<rdg wit="#d" type="v">niemals</rdg>
</app> an vergnügender Nahrung gebrechen <app>
<lem>kan;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann,</rdg>
</app> theils ist unläugbar der weit <app>
<lem>grössere</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">größere</rdg>
</app> Theil <app>
<lem>derselben,</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">derselben</rdg>
</app> in Beziehung auf uns, <app>
<lem>gut;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gut,</rdg>
</app> und also übertrift das aus ihrer Vorstellung entstehende
mögliche <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen abermals das <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen <app>
<lem>sehr weit</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">bey weiten</rdg>
</app>. Wenn aber <app>
<lem>dieses</lem>
<rdg wit="#a" type="v">dis</rdg>
</app> bey einzelnen Personen bisweilen nicht wirklich statt findet,
so sind nicht die <app>
<lem><app>
<lem>äussern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">äußern</rdg>
</app> Objekte</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">äußern Objecte</rdg>
</app>, sondern die fehlerhafte Erkentniß von der wahren <index indexName="subjects-index">
<term>Güte</term>
</index>Güte derselben im <app>
<lem>Zusammenhange</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Zusammenhange,</rdg>
</app> an dem Mangel des <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügens schuld. <pb edRef="#a" n="25"/></item>
<item><label>3.</label> Das Vermögen, die ehemals gehabten Vorstellungen
zu erneuern, <app>
<lem>vergrössert</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">vergrößert</rdg>
</app> das Uebergewicht des <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügens ungemein, ohne die Unannehmlichkeiten merklich zu
vermehren. Denn es ist uns nicht nur die Erinnerung ehemals
genossener Freuden angenehm, sondern auch der <app>
<lem>überstandnen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">überstandenen</rdg>
</app> Widerwärtigkeiten; <app>
<lem>da</lem>
<rdg wit="#a" type="v">indem</rdg>
</app> wir bemerken, daß jeder eben so gern seine <app>
<lem>erlittne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">erlittene</rdg>
</app> Unglücksfälle als seine <app>
<lem>genoßne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genossene</rdg>
</app> Ergötzlichkeiten erzählt.</item>
<item><label>4.</label> Die Aussichten in die <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft gewähren <app>
<lem>ebenfals</lem>
<rdg wit="#d" type="v">ebenfalls</rdg>
</app> mehr angenehme als unangenehme Vorstellungen. Nicht nur in
der Jugend, sondern auch in den männlichen Jahren, bis nahe an die
Gränzen des hohen Alters, sind alle ge<pb edRef="#d" n="25"/>sunde
Menschen geneigt, mehr zu hoffen als zu fürchten. Auch ist es eine
besonders wohlthätige Einrichtung unsrer Natur, daß sich das Bild
des gewiß bevorstehenden Todes nur selten unsrer <index indexName="subjects-index">
<term>Einbildungskraft</term>
</index>Einbildungskraft aufdringt, und die Vorstellung davon wegen
der Ungewißheit der Zeit und <app>
<lem>der</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> Art desselben nicht <index indexName="subjects-index">
<term>anschauend</term>
</index>anschauend <app>
<lem>wird;</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">wird, und</rdg>
</app> folglich die <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index>Zufriedenheit und der <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index>Genuß der Annehmlichkeiten des Lebens durch <index indexName="subjects-index">
<term>Todesgedanken</term>
</index>Todesgedanken wenig verhindert zu werden pflegt. Eben so <app>
<lem>erfolgt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">erfolget</rdg>
</app> die Abnahme der Kräfte im Alter so <app>
<lem>allmählig</lem>
<rdg wit="#a" type="v">allmälig</rdg>
</app>, daß das <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen darüber <pb edRef="#b" n="29"/>
<pb edRef="#c" n="29"/> nie eine <app>
<lem>grosse</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">große</rdg>
</app> Intension erhalten <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>, weil die Verschlimmerung des körperlichen Zustandes zu
unmerklich ist. <app>
<lem>Indes</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Indessen</rdg>
</app> ist nicht zu läugnen, daß in ruhigen Stunden der Ueberdenkung
unsres gesamten Zustandes in Beziehung auf die <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft, die Aussicht ins Alter und Grab alle <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index>Zufriedenheit über die guten Bestimmungen unsres Daseyns <app>
<lem>unterbreche</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unterbricht</rdg>
</app>, und uns, so lange keine überwiegende <index indexName="subjects-index">
<term>Hofnung</term>
</index>Hofnung zu einem Leben nach dem Tode vorhanden ist,
kleinmüthig und niedergeschlagen <app>
<lem>mache;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">macht,</rdg>
</app> so daß eine höhere fortdaurende Glückseligkeit bey dem
Gedanken, daß nach einigen Jahren sich unser Zustand ver<pb edRef="#a" n="26"/>schlimmern und endlich selbst das Daseyn auf
immer verloren gehen werde, schlechterdings nicht statt finden <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>.</item>
</list></p>
<note place="end"><ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b29"/>Das
Ende zu bedenken, wenn es so viel <app>
<lem>heißt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">heißet</rdg>
</app>, als bey allen Unternehmungen auf die Folgen und den Ausgang
derselben vorher Bedacht zu nehmen, ist gut und eine vortrefliche Lehre der
<index indexName="subjects-index">
<term>Weisheit</term>
</index><app>
<lem>Weisheit</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Weißheit</rdg>
</app>: <app>
<lem>versteht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">verstehet</rdg>
</app> man aber darunter Todesgedanken, so würde ich eben nicht anrathen,
solches als ein kräftiges Hülfsmittel zur <index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index>Tugend allgemein zu <app>
<lem>empfehlen;</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">empfehlen,</rdg>
</app> da weit <app>
<lem>reinere</lem>
<rdg wit="#a" type="v">reitzendere</rdg>
</app> Beweggründe aus ihrer <index indexName="subjects-index">
<term>Liebenswürdigkeit</term>
</index>Liebenswürdigkeit und dadurch zu erhaltenden <index indexName="subjects-index">
<term>Aehnlichkeit mit Gott</term>
</index>Aehnlichkeit mit Gott <app>
<lem>entlehnt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">entlehnet</rdg>
</app> werden können, welche auch weit fruchtbarere Mittel sind, einen <app>
<lem><hi>willigen</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="v">willigen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Gehorsam</term>
</index>Gehorsam gegen göttliche Vorschriften, <app>
<lem>der</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">welcher doch</rdg>
</app> nur eigentlich <index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index>Tugend ist, hervorzubringen. Wen das Gespenst des Todes hofmeistern
soll, der wird es in der <index indexName="subjects-index">
<term>Weisheit</term>
</index>Weisheit nicht hoch bringen<app>
<lem>, ob er gleich von groben Thorheiten und Ausschweifungen dadurch <app>
<lem>zurückgeschreckt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">zurückgeschrecket</rdg>
</app> werden kan</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app>. Es ist Wohlthat Gottes, daß wir von <app>
<lem>lebhaften</lem>
<rdg wit="#a" type="v">den</rdg>
</app> unsrer Natur immer fürchterlich bleibenden Todesgedanken nicht oft <app>
<lem>geplagt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">geplaget</rdg>
</app> werden.</note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_14">
<head><pb edRef="#d" n="26"/> §. 14.</head>
<p>Die <index indexName="subjects-index">
<term>gesellschaftliche Triebe</term>
</index><app>
<lem><hi>gesellschaftlichen Triebe unsrer Natur</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="pp">gesellschaftlichen Triebe unsrer Natur</rdg>
</app> machen uns neuer mannigfaltiger <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> ihre <pb n="30" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="30"/> Befriedigung gewähret, empfänglich. Dahin <app>
<lem>gehört,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gehört</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">gehöret:</rdg>
</app>
<list>
<item><label>1.</label> der Trieb zum Umgange überhaupt ist allen
Menschen von <index indexName="subjects-index">
<term>Kindheit</term>
</index>Kindheit an gemein, und schon mit der <app>
<lem>blossen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bloßen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Mittheilung</term>
</index>Mittheilung unsrer Gedanken an <app>
<lem>andre</lem>
<rdg wit="#d" type="v">andere</rdg>
</app> ist <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen verbunden.</item>
<item><label>2.</label> Das <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlwollen</term>
</index>Wohlwollen gegen alle <app>
<lem>andre</lem>
<rdg wit="#d" type="v">andere</rdg>
</app> Menschen, die wir nicht als unsrer <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfarth hinderliche Personen ansehen, ist ebenfals ein
natürlicher Hang zur <index indexName="subjects-index">
<term>Theilnehmung</term>
</index>Theilnehmung an ihrem Wohl, zum Mitleiden, zur
Hülfsleistung; und die Befriedigung dieses <index indexName="subjects-index">
<term>gesellig</term>
</index>geselligen Triebes <app>
<lem>gewährt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gewähret</rdg>
</app> viele sanfte <app>
<lem>süsse</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">süße</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen. Noch mehrere und stärkere Vergnügungen bieten
die <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Grade</term>
</index><app>
<lem>höhern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">höheren</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade dieses <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlwollen</term>
</index>Wohlwollens dar. Ich rechne dahin <pb edRef="#a" n="27"/>
<list>
<item><label>a)</label> die <index indexName="subjects-index">
<term>Freundschaft</term>
</index>Freundschaft, welche theils aus der <app>
<lem>grössern</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">größern</rdg>
</app> Aehnlichkeit der Gesinnungen, theils aus fruchtbarern
Gelegenheiten zu gegenseitiger Abhelfung der Bedürfnisse
entsteht, und nach unzähligen Stufen der <app>
<lem>innern Zuneigung</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Intension</rdg>
</app> auch viele <index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade geistiger Vergnügungen gewähren <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>.</item>
<item><label>b)</label> die väterliche und mütterliche Triebe,
deren Befriedigung mit einem ungemein <app>
<lem>grossen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">großen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen begleitet seyn muß, weil wir sehen, daß
Aeltern die damit verknüpften Beschwerden gar nicht dagegen
achten.</item>
<item><label>c)</label> die <index indexName="subjects-index">
<term>Liebe</term>
</index>Liebe zwischen <app>
<lem>beyderley Geschlecht</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">beyden Geschlechtern</rdg>
</app>, deren <app>
<lem>Lebhaftigkeit</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Intension</rdg>
</app> aus dem, was zu ihrer Befriedigung oft gewagt und
aufgeopfert wird, erhellet, und welche <app>
<lem>so</lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="om"/>
</app> so wol überhaupt Annehmlichkeiten über den Umgang <app>
<lem>beyder Geschlechter</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app>, als auch die feinsten Freuden der ehelichen
Freundschaft <app>
<lem>erzeugt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">erzeuget</rdg>
</app>.</item>
<item><label>d)</label> die dankbare <index indexName="subjects-index">
<term>Liebe</term>
</index>Liebe, wozu jeder einen natürlichen Hang hat, und
die uns in jeder <app>
<lem>Bemühung,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Bemühung</rdg>
</app> unsren Wohlthätern gefällig zu werden, ein <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen empfinden <app>
<lem>läßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">lässet</rdg>
</app>. <pb edRef="#b" n="31"/>
<pb edRef="#c" n="31"/>
<pb edRef="#d" n="27"/></item>
</list></item>
<item><label>3.</label> Der Trieb <app>
<lem>zu</lem>
<rdg wit="#d" type="v">zur</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Ehre</term>
</index>Ehre und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">zur</rdg>
</app> Nacheiferung, welcher die Geschäftigkeit aller Menschen, <app>
<lem>obwol</lem>
<rdg wit="#a" type="v">ob wol</rdg>
</app> in verschiedenen <index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Graden belebt, und gegen Lob und <app>
<lem>Achtungsbezeugung</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Achtungsbezeugungen</rdg>
</app> empfindsam macht. Dieser ist eine der fruchtbarsten Quellen
sehr <app>
<lem>lebhafter</lem>
<rdg wit="#a" type="v"><choice corresp="#st_a_corr_5">
<sic>intensirer</sic>
<corr type="authorial">intensiver</corr>
</choice></rdg>
</app> und dauerhafter Vergnügungen.</item>
</list></p>
<p>Einen oder den andern dieser <index indexName="subjects-index">
<term>gesellschaftliche Triebe</term>
</index>gesellschaftlichen Triebe findet man überall und täglich Gelegenheit
zu befriedigen, und sich dadurch angenehme Stunden zu <app>
<lem>verschaffen;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">verschaffen,</rdg>
</app> und die mehresten Menschen befinden sich in der Lage, alle daraus
entstehende Freuden den <app>
<lem>größten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">grösten</rdg>
</app> Theil ihres Lebens hindurch zu <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießen</rdg>
</app>. Der Kränkungen dieser Triebe, auch selbst des Triebes zur <index indexName="subjects-index">
<term>Ehre</term>
</index>Ehre, sind vergleichungsweise sehr wenige. Die meisten derselben
veranlassen wir uns <app>
<lem>selbst,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">selbst</rdg>
</app> oder <app>
<lem>könten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">könnten</rdg>
</app> sie doch durch Klugheit zum öftern ver<pb edRef="#a" n="28"/>meiden.
Also hat auch von dieser Seite, nach den vom <index indexName="subjects-index">
<term>Urheber</term>
</index>Urheber der Natur gemachten Anlagen, das uns zum <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index>Genuß <app>
<lem>bestimte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bestimmte</rdg>
</app> Gute ein in die Augen fallendes Uebergewicht über die <app>
<lem>anscheinende</lem>
<rdg wit="#d" type="v">anscheinenden</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel.</p>
<note place="end">Wir können auch das Verlangen geliebt zu werden, als einen
allgemeinen <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtrieb</term>
</index>Naturtrieb der Menschheit betrachten, dessen Befriedigung die <app>
<lem>Süssigkeiten</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">Süßigkeiten</rdg>
</app> des Lebens überaus <app>
<lem>vermehrt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">vermehret</rdg>
</app>. Ein armer Mann <app>
<lem>hatte</lem>
<rdg wit="#c" type="v">empfing</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">empfieng</rdg>
</app> von dem <index indexName="subjects-index">
<term>Prediger</term>
</index>Prediger des <app>
<lem>Dorfs</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Dorfes</rdg>
</app>, worin er sich aufhielt, wöchentlich eine gewisse Portion <index indexName="subjects-index">
<term>Brodt</term>
</index>Brodt, die zu seiner genüglichen Sättigung zureichend war<app>
<lem>, erhalten</lem>
<rdg wit="#c #d" type="om"/>
</app>. Nach geraumer Zeit fing er an, sich eine <app>
<lem>größre</lem>
<rdg wit="#d" type="v">größere</rdg>
</app> Quantität zu erbitten, und öfter als vorher wiederzukommen. Dem
<index indexName="subjects-index">
<term>Prediger</term>
</index>Prediger schien es unmöglich, daß der Arme so viel <index indexName="subjects-index">
<term>Brodt</term>
</index>Brodt, als er sich abholte, selbst verzehren <app>
<lem>könte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">könnte</rdg>
</app>, und er sagte ihm daher sehr ernstlich, daß er sich der Wohlthat
verlustig machen würde, wenn er solche mißbrauchte, und das <index indexName="subjects-index">
<term>Brodt</term>
</index><app>
<lem>Brodt</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Brod</rdg>
</app> anderwärts <app>
<lem>hin</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> austheilte oder verkaufte. Der Arme <app>
<lem>bekante</lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="v">bekannte</rdg>
</app> hierauf, daß sich ein Hund zu ihm gefunden, und sich so freundlich an
ihn heran geschmeichelt hätte, daß es ihm unmöglich gewesen wäre, <pb n="32" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="32"/> ihn fortzuprügeln, und mit diesem theile er sein
<index indexName="subjects-index">
<term>Brodt</term>
</index>Brodt. Ja, sagte der <index indexName="subjects-index">
<term>Prediger</term>
</index>Prediger, das gehet aber nicht an, daß ich euch von dem blos für
dürftige Menschen <app>
<lem>bestimten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bestimmte</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Brodt</term>
</index>Brodt aus der gemeinen <app>
<lem>Armenkasse</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Armencasse</rdg>
</app> für euren Hund etwas geben <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>: ihr <app>
<lem>müßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">müsset</rdg>
</app> ihn schlechterdings abschaffen. Ach lieber Herr <index indexName="subjects-index">
<term>Prediger</term>
</index>Prediger, erwiederte der Arme, und Thränen flossen von seinen Wangen
herab, wenn ich den Hund von mir jagen <app>
<lem>solte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sollte</rdg>
</app>, so hätte ich ja <app>
<lem>denn</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">dann</rdg>
</app> gar nichts mehr in der Welt, <pb edRef="#d" n="28"/> was mich liebte!
Der <index indexName="subjects-index">
<term>Prediger</term>
</index>Prediger <app>
<lem>ward</lem>
<rdg wit="#a" type="v">war</rdg>
</app> gerührt, und legte dem empfindsamen Alten von seinem <app>
<lem>eignen</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Brodt</term>
</index>Brodte von der Zeit an so viel zu, als er brauchte, um das Bedürfniß
geliebt zu werden, zu befriedigen. Wer von meinen Lesern nicht auch gerührt
wird, und nicht den Augenblick in sich selbst fühlt, daß er es eben so
gemacht haben würde, wie dieser <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Prediger</term>
</index>Prediger,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Prediger;</rdg>
</app> für den habe ich diese Schrift nicht <pb edRef="#a" n="29"/>
<app>
<lem>geschrieben;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">geschrieben,</rdg>
</app> und hat er ein <app>
<lem>öffentlich</lem>
<rdg wit="#d" type="v">öffentliches</rdg>
</app> christliches <index indexName="subjects-index">
<term>Lehramt</term>
</index>Lehramt, so lege ers <app>
<lem>nieder,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">nieder</rdg>
</app> und betrüge die Welt nicht durch das Vorgeben, daß er die Menschen zu
<index indexName="subjects-index">
<term>höhere Glückseligkeit</term>
</index>höherer Glückseligkeit zu leiten verstehe. <app>
<lem><app>
<lem>1.</lem>
<rdg wit="#d" type="v">1</rdg>
</app> Joh. 4, <app>
<lem><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="1Joh:4:8">8.</citedRange></bibl></lem>
<rdg wit="#c #d" type="v"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="1Joh:4:20">20.</citedRange></bibl></rdg>
</app>
<bibl type="biblical-reference"><citedRange n="1Joh:4:21">21.</citedRange></bibl></lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app></note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_15">
<head>§. 15.</head>
<p>Es ist noch das Wichtigste zu betrachten übrig, nemlich <app>
<lem><hi>die</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>moralische Natur</term>
</index><hi>moralische Natur</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="pp">die moralische Natur</rdg>
</app> der Menschen. <index indexName="subjects-index">
<term>Lehrer</term>
</index>Lehrern der Glückseligkeit ist eine recht ausführliche deutliche
Einsicht in die moralische Natur des Menschen, wenn sie nicht blinde Führer
seyn wollen, unentbehrlich. Hier ist nur überhaupt folgendes im allgemeinen
zu bemerken. <list>
<item><label>1.</label> Wir nennen in Handlungen moralisch, was von der
<index indexName="subjects-index">
<term>Freiheit</term>
</index>Freiheit unsres <index indexName="subjects-index">
<term>Wille</term>
</index>Willens <app>
<lem>abhängt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">abhänget</rdg>
</app>, oder wobey eine Wahl nach <app>
<lem>eigner</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigener</rdg>
</app> Einsicht statt findet. Nach dem <app>
<lem>Grundgesetz</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Grundgesetze</rdg>
</app> des Begehrens, dem alle <app>
<lem>selbstthätige</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">denkende</rdg>
</app> Wesen unterworfen sind, können wir nur begehren und wollen,
was sich uns als gut, unter <app>
<lem>mehrern</lem>
<rdg wit="#c" type="v">mehrerm</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">mehrerem</rdg>
</app> Guten als das beste, unter <app>
<lem>mehrern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">mehreren</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebeln <app>
<lem>als das geringste</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice corresp="#st_a_corr_6">
<sic>das geringste</sic>
<corr type="authorial">als das geringste</corr>
</choice></rdg>
</app> und erträglichste, und zwar <hi>in dem</hi>
<app>
<lem><hi>Augenblick</hi></lem>
<rdg wit="#d" type="v"><hi>Augenblicke</hi></rdg>
</app>
<hi>der Erwählung</hi>, vorstellet. <pb edRef="#b" n="33"/>
<pb edRef="#c" n="33"/></item>
<item><label>2.</label> Vieles stellet sich bey dem ersten <app>
<lem>Anblick</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Anblicke</rdg>
</app> sinnlich <app>
<lem>als</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> gut und angenehm vor, wovon aber unsre <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft bey <app>
<lem>weiterm</lem>
<rdg wit="#d" type="v">weiterem</rdg>
</app> Nachdenken erkennet, daß es im Zusammenhange schädliche
Folgen haben <app>
<lem>würde</lem>
<rdg wit="#d" type="v">werde</rdg>
</app>: und eben so stellet sich vieles sinnlich als unangenehm vor,
was aber von der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft als ein Mittel zu <app>
<lem>grösserm</lem>
<rdg wit="#a" type="v">größerm</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">größerem</rdg>
</app> Guten <index indexName="subjects-index">
<term>anerkennen</term>
</index><app>
<lem>anerkant</lem>
<rdg wit="#a" type="v">anerkannt</rdg>
</app> wird. <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b33"/>Hieraus <app>
<lem>entstehet</lem>
<rdg wit="#a" type="v">entsteht</rdg>
</app> oft ein Streit zwischen den vernünftigen und <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Begierden</term>
</index>sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Begierden</term>
</index>Begierden, welcher in der <index indexName="subjects-index">
<term>heilige Schrift</term>
</index>heiligen Schrift der Streit zwischen Geist und <index indexName="subjects-index">
<term>Fleisch</term>
</index>Fleisch genennet wird. <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Gal:5:17">Gal. 5,
17.</citedRange></bibl></rdg>
</app></item>
<item><label>3.</label> Wenn wir nach dem sinnlichen <app>
<lem>Schein</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Scheine</rdg>
</app> das Böse für das Gute, ein kleines vorübergehendes <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen statt <pb edRef="#d" n="29"/> eines <app>
<lem>grössern</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">größern</rdg>
</app> dauerhaftern <app>
<lem>erwählet;</lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="v">erwählet,</rdg>
</app> oder ein erträgliches kleines <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel nicht übernommen, und uns dadurch <app>
<lem>grössere</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">größere</rdg>
</app> langwierige <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel zugezogen <app>
<lem>haben;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">haben,</rdg>
</app> so <app>
<lem>entsteht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">entstehet</rdg>
</app>, <pb edRef="#a" n="30"/> wenn wir solches aus den Folgen
bemerken, theils aus der Vorstellung, daß unser Zustand
verschlimmert worden <app>
<lem>sey</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app>, noch mehr aber aus dem Gedanken, daß wir uns selbst betrogen
haben, ein sehr lebhaftes <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen.</item>
<item><label>4.</label> Sind wir uns nun bewußt, daß wir den <index indexName="subjects-index">
<term>Selbstbetrug</term>
</index>Selbstbetrug leichtlich hätten vermeiden können, so <app>
<lem>entstehet</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">entspringet</rdg>
</app> weiter hieraus eine starke Unzufriedenheit und Verdruß gegen
uns selbst: und <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app> ist das moralische <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen überhaupt, welches sehr verschiedene <index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade der <app>
<lem>innern Stärke</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Intension</rdg>
</app> und Fortdauer haben <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>.</item>
<item><label>5.</label> Ein jeder im <app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft stehende Mensch <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> in ruhigen Stunden des Nachdenkens sehr leicht zu der
Einsicht gelangen, daß gewisse Arten des Verhaltens, wie <choice>
<abbr>z. B.</abbr>
<expan>zum Beispiel</expan>
</choice>
<app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">Mäßigkeit,</rdg>
</app> Arbeitsamkeit, <app>
<lem>Ehrlichkeit,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Ehrlichkeit</rdg>
</app> grade hin dazu abzielen, unser <app>
<lem>eignes</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigenes</rdg>
</app> und das gemeinsame Wohl der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft, wovon wir Glieder sind, zu <app>
<lem>befördern;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">befördern,</rdg>
</app> und daß andre Gattungen der Handlungen <choice>
<abbr>z. B.</abbr>
<expan>zum Beispiel</expan>
</choice> Betrug, Diebstal, <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">Heftigkeit,</rdg>
</app> nach ihren Folgen nothwendig Störung der <index indexName="subjects-index">
<term>gesellschaftliche Wohlfart</term>
</index>gesellschaftlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart <pb n="34" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="34"/> bewirken müssen. Hierdurch bieten sich also
der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft eines jeden Menschen gewisse allgemeine <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralische Vorschriften über <app>
<lem>das,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">das</rdg>
</app> was <app>
<lem>rechtmässig</lem>
<rdg wit="#a" type="v">rechtmäßig</rdg>
</app>, billig und anständig ist, dar. Die <app>
<lem>Ueberzeugung, daß</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">Einsicht, wie</rdg>
</app> man zur Beförderung seiner <app>
<lem>eignen <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index><app>
<lem>Wohlfart</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Wohlfart,</rdg>
<rdg wit="#a" type="v">Wohlfahrt</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">eigenen Wohlfahrt</rdg>
</app> dieselbe beobachten müsse, wird dadurch besonders verstärkt,
daß man überall in der menschlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft diejenigen tadeln <app>
<lem>hört, die</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">höret, welche</rdg>
</app> sie verletzen. <app>
<lem>Daß</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Ja daß</rdg>
</app> auch die Ueberzeugung von der Verbindlichkeit sie zu befolgen
allgemein sey, erhellet daraus, daß jeder, wenn er <app>
<lem>beleidigt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">beleidiget</rdg>
</app> worden ist, sich gegen andre darüber beklagt, und also voraus <app>
<lem>setzt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">setzet</rdg>
</app>, daß sein Beleidiger etwas gethan habe, welches nach dem <app>
<lem>Urtheil</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Urtheile</rdg>
</app> aller Menschen Tadel verdiene. Hieraus erhellet nun, daß <app>
<lem>kein</lem>
<rdg wit="#a" type="v">ein jeder</rdg>
</app> Mensch <app>
<lem>ohne</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> Erweckungen zu richtigen <pb edRef="#d" n="30"/> Erkentnissen
von den in seiner Lage zu beob<pb edRef="#a" n="31"/>achtenden
<index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften <app>
<lem>bleibe</lem>
<rdg wit="#a" type="v"><choice>
<sic>erhalten</sic>
<corr type="authorial">überkomme</corr>
</choice></rdg>
</app>, und daß in so fern ein gewisser Grad <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">der <index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index>Tugend und daraus fließender</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>moralische Glückseligkeit</term>
</index>moralischer Glückseligkeit <app>
<lem>jederman</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">jedermann</rdg>
</app> zu erhalten möglich sey.</item>
<item><label><app>
<lem>6.</lem>
<rdg wit="#c" type="typo-correction"><choice>
<sic>6</sic>
<corr type="editorial">6.</corr>
</choice></rdg>
</app></label> Nun <app>
<lem>läßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">lässet</rdg>
</app> sich das moralische <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen nach seinem Entstehen und den verschiedenen
<index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Graden der <app>
<lem><app>
<lem>innern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">inneren</rdg>
</app> Stärke</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Intension</rdg>
</app> und Fortdauer deutlicher erklären.<list>
<item><label>1.</label> So oft wir gewahr werden, daß wir durch
eine Handlung unsern <app>
<lem>Zustand,</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Zustand</rdg>
</app> anstatt ihn zu verbessern, verschlimmert haben, so
denken wir <app>
<lem>zurück</lem>
<rdg wit="#d" type="v">zurük</rdg>
</app> und untersuchen, wodurch wir bewogen worden sind, die
Handlung vorzunehmen. Finden wir, daß wir keine uns <app>
<lem>bekante</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bekannte</rdg>
</app> moralische Vorschrift dabey verletzet, und <app>
<lem>überdis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">überdies</rdg>
</app> nach unsrer besten <app>
<lem>uns damals</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice corresp="#st_a_corr_8">
<sic>und damals</sic>
<corr type="authorial">uns damals</corr>
</choice></rdg>
</app> möglichen Erkentniß gehandelt <app>
<lem>haben;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">haben,</rdg>
</app> so machen wir uns selbst keinen <app>
<lem>Vorwurf,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Vorwurf</rdg>
</app> und trösten uns über den erlittenen Schaden als über
einen Unglücksfall, weil wir nach <app>
<lem>unsern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">unsren</rdg>
</app> Einsichten nicht anders <app>
<lem>hätten</lem>
<rdg wit="#d" type="v">hatten</rdg>
</app> handeln können. <app>
<lem>Hierbey</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Hiebey</rdg>
</app> dauert also die <index indexName="subjects-index">
<term>Selbstzufriedenheit</term>
</index>Selbstzufriedenheit fort, und das <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen über <pb n="35" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="35"/> die Verschlimmerung unsres Zustandes
ist eigentlich kein moralisches <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen, und gehet mit dem <app>
<lem>Entschluß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Entschlusse</rdg>
</app>, Klugheit fürs Künftige daraus zu erlernen,
vorüber.</item>
<item><label>2.</label> Finden wir dagegen bey <app>
<lem>angestelter</lem>
<rdg wit="#a" type="v">angestellter</rdg>
</app> Selbstprüfung, daß wir uns bey <app>
<lem>unserm Entschluß übereilt</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">unsrem Entschlusse
übereilet</rdg>
</app> haben, und den <app>
<lem>Fehltrit</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Fehltritt</rdg>
</app> durch <app>
<lem>mehre</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">mehrere</rdg>
</app> Ueberlegung hätten vermeiden können, so werden wir
gegen uns selbst <app>
<lem>unzufrieden:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unzufrieden,</rdg>
</app> und dieser Verdruß ist desto eindringender und <app>
<lem>fortdaurender</lem>
<rdg wit="#d" type="v">fortdauernder</rdg>
</app>, je mehr üble Folgen unsres Versehens uns sichtbar
werden, und je leichter es uns gewesen seyn würde, solche
vorher zu sehen. Eine jede Rückerinnerung <app>
<lem>davon</lem>
<rdg wit="#a" type="v">davon,</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">daran</rdg>
</app> macht <app>
<lem>uns</lem>
<rdg wit="#d" type="v"><hi>uns</hi></rdg>
</app> gegen uns selbst beschämt.</item>
<item><label>3.</label>
<app>
<lem>Dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Dieses</rdg>
</app> moralische <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen erhält <app>
<lem>einen noch höhern</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">noch einen höhern</rdg>
<rdg wit="#d" type="pp">noch einen höheren</rdg>
</app> Grad, wenn wir uns bewußt <app>
<lem>werden,</lem>
<rdg wit="#c" type="v">werden</rdg>
</app> daß <pb edRef="#a" n="32"/> wir nicht nur gegen uns
selbst thöricht gehandelt, sondern auch dabey eine
moralische Vorschrift in Beziehung <pb edRef="#d" n="31"/>
auf andre <app>
<lem>verletzt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">verletzet</rdg>
</app> haben. Hier entstehet in der Seele <list>
<item><label>a)</label> der Gedanke, daß wir die
Verachtung <app>
<lem>andrer verdient</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">anderer verdienet</rdg>
</app> haben.</item>
<item><label>b)</label> die Besorgniß, daß es <app>
<lem>entdeckt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">entdekt</rdg>
</app> werden möchte; und die <app>
<lem>verworrne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">verworrene</rdg>
</app> Vorstellung von den üblen Folgen, die es <app>
<lem>alsdenn</lem>
<rdg wit="#d" type="v">alsdann</rdg>
</app> haben könne.</item>
<item><label>c)</label> die fortdaurende ängstliche
Bestrebung, die Entdeckung zu <app>
<lem>verhindern,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">verhindern</rdg>
</app> und zu dieser Absicht auf unsre Minen, <app>
<lem>Worte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Worte,</rdg>
</app> und Handlungen bey allen Gelegenheiten
aufmerksam zu bleiben<app>
<lem>, um uns nicht zu verrathen</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app>.</item>
<item><label>d)</label>
<app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">der</rdg>
</app> immer wiederkehrende <app>
<lem>Verdrüßlichkeit</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Verdruß</rdg>
</app> über uns selbst, wenn nach der Entdeckung
eine üble Folge nach der andern, und die Vorwürfe
unsrer <app>
<lem>Bekanten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Bekannten</rdg>
</app> uns empfindlich fallen. <pb edRef="#b" n="36"/>
<pb edRef="#c" n="36"/></item>
</list>
</item>
<item><label>4.</label> der höchste Grad der <app>
<lem>innern Stärke</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Intension</rdg>
</app> des moralischen <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügens <app>
<lem>entsteht</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">entstehet</rdg>
</app>, wenn die <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften zugleich als <index indexName="subjects-index">
<term>göttliche Gesetze</term>
</index>göttliche Gesetze gedacht werden, und <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">schwehre</rdg>
</app> von einer göttlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Strafgerechtigkeit</term>
</index>Strafgerechtigkeit zu besorgende <app>
<lem>Ahndungen</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v"><index indexName="subjects-index">
<term>Strafen</term>
</index>Strafen</rdg>
</app> sich <app>
<lem/>
<rdg wit="#c" type="pt">in dunkeln Ahndungen oder
sinnlichen Schreckbildern</rdg>
<rdg wit="#d" type="pt">in dunklen Ahndungen oder
sinnlichen Schreckbildern</rdg>
</app> dem <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Gemüth</term>
</index>Gemüth <app>
<lem>in verworrnen Vorstellungen aufdringen</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">vorspiegeln</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">Gemüthe vorspiegeln</rdg>
</app>. Zu welchem hohen Grade die innere Beängstigungen <app>
<lem>alsdenn</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">alsdann</rdg>
</app> hinansteigen können, beweisen die Beyspiele solcher
Missethäter, welche, da sie unentdeckt bleiben <app>
<lem>konten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">konnten</rdg>
</app>, sich selbst der <index indexName="subjects-index">
<term>Obrigkeit</term>
</index>Obrigkeit überliefert und <app>
<lem>Scheiterhaufen <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">und Rad</rdg>
</app>,</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Rad und Scheiterhaufen</rdg>
</app> als wohlthätige Befreyungsmittel <app>
<lem><app>
<lem>ihrer</lem>
<rdg wit="#c" type="v">von ihren</rdg>
</app>
<app>
<lem>Gewissensqualen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Gewissensquaalen</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">von ihren
Gewissensquaalen,</rdg>
</app> freywillig <app>
<lem>gewählet</lem>
<rdg wit="#a #c" type="v">gewählt</rdg>
</app> haben.</item>
</list></item>
</list></p>
<note place="end"><ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_a32f"/>Um
weise und glückselig zu <app>
<lem>leben</lem>
<rdg wit="#d" type="v">leben,</rdg>
</app> ist es nicht <app>
<lem>nothwendig,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">nothwendig</rdg>
</app> von der menschlichen <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Freiheit</term>
</index>Freiheit</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Freyheit</rdg>
</app> die gelehrten Erklärungen der <index indexName="subjects-index">
<term>metaphysisch</term>
</index>metaphysischen <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Lehrer</term>
</index>Lehrer</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Lehren</rdg>
</app> einzusehen, und die zwischen den größten <index indexName="subjects-index">
<term>Philosophen</term>
</index>Philosophen darüber noch <app>
<lem>herrschende</lem>
<rdg wit="#d" type="v">herrschenden</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Streitfragen</term>
</index>Streitfragen entscheiden zu können. Ich habe die vorhandnen <index indexName="subjects-index">
<term>Hypothesen</term>
</index>Hypothesen nach allen ihren Folgen <app>
<lem>geprüft,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">geprüft</rdg>
</app> und kenne die Schwie<pb edRef="#a" n="33"/>rigkeiten, welche eine
jede derselben hat. In dieser Beziehung rathe ich einem <app>
<lem>jeden</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Jeden</rdg>
</app>, sich an sein <index indexName="subjects-index">
<term>Selbstgefühl</term>
</index>Selbstgefühl zu halten, welches ihn <foreign xml:lang="lat">in
praxi</foreign> weit sicherer, als irgends ein <index indexName="subjects-index">
<term>transcendent</term>
</index>transcendentes <index indexName="subjects-index">
<term>System</term>
</index>System führen wird. Ein jeder <pb edRef="#d" n="32"/> wird durch
sein <app>
<lem>eignes</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigenes</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyn überzeugt, daß wir bey vielen Handlungen wahre <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Freiheit</term>
</index>Freiheit</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Freyheit</rdg>
</app> haben, und daß es <app>
<lem>alsdenn</lem>
<rdg wit="#d" type="v">alsdann</rdg>
</app> von uns <app>
<lem>selbst</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>seblst</sic>
<corr type="editorial">selbst</corr>
</choice></rdg>
</app>
<app>
<lem>abhängt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">abhänge</rdg>
</app>, ob wir nach vernünftiger oder sinnlicher <app>
<lem>Erkentniß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Erkenntniß</rdg>
</app> handeln wollen. Dieses in jedem Menschen hinlänglich klare <app>
<lem>Erkentniß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Erkenntniß</rdg>
</app> von der <index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität unsrer Handlungen ist durchaus <app>
<lem>praktisch,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">praktisch</rdg>
</app> und führet uns sicherer als jede Theorie über die <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Freiheit</term>
</index>Freiheit</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Freyheit</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">Freiheit,</rdg>
</app> zu <app>
<lem>mehrerer</lem>
<rdg wit="#a" type="v">mehrer</rdg>
</app> Vorsichtigkeit und <app>
<lem>mehrerem</lem>
<rdg wit="#a" type="v">mehrern</rdg>
</app>
<app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> des <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissens an.</note>
</div>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b24">
<label>Nutzungsherren der Erde</label>
<p>Anspielung auf das alttestamentliche, für die neuzeitliche Anthropozentrik
der Aufklärung anschlussfähige Motiv des göttlichen Herrschaftsauftrags an
den Menschen über die Natur (<hi>dominium terrae</hi>; vgl. Gen 1,28). Die
spezielle Formulierung findet sich auch bei dem in Frankfurt/Oder einige
Jahre vor Steinbart lehrenden Philosophen und Juristen Joachim Georg Darjes
(1714–1791), der im Rahmen seiner „Gedanken von der Stadt Gottes und dem
Gebiete derselben“ zu der Einsicht gelangt, dass die Geschöpfe die Erde nur
als „Nutzungs-Herren“ unter dem Regiment Gottes und damit als „subordinirte
Befehlshaber“ bewohnen (vgl. Darjes, <hi>Erste Gründe der philosophischen
Sitten-Lehre auf Verlangen und zum Gebrauche seiner Zuhörer
entworfen</hi>, <hi rend="superscript">3</hi>1762, [605]–668, hier
613).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b25">
<label>bleibt es trotz aller in der Welt herrschend gewordner unnatürlichen
Uebel noch immer wahr, daß die allermehresten Menschen ungleich mehr Stunden
ihres Lebens schmerzlos und im Genuß vieles sinnlichen Guten verbringen
können</label>
<p>Die Frage, ob mehr Gutes oder Schlechtes in der Welt ist, dürfte spätestens
seit Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716; vgl. b98) zu den
anthropologischen Grundproblemen der Aufklärungsphilosophie gezählt haben.
Im Rahmen der Neologie wird sie beispielsweise auch verhandelt bei Gottfried
Leß, der im Rahmen seiner Sontags-Evangelia ebenfalls Kritik an der
pessimistischen Charakteristierung des Lebens als Jammertal (s.u.) äußert
(vgl. Leß, <hi>Sontags-Evangelia übersezt, erklärt und zur Erbauung
angewandt</hi>, <hi rend="superscript">1</hi>1776–<hi rend="superscript">3</hi>1781, hg. von Bastian Lemitz [BdN IV], 2021, 117–122 [= 1.
Zusatz: „Ist mehr <hi>Freude</hi> oder mehr <hi>Elend</hi> in der
Welt?“]).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b26">
<label>Es ist Undankbarkeit gegen Gott, dis Leben überhaupt ein Jammerthal zu
nennen.</label>
<p>Die Rede vom Jammertal wurzelt in der alttestamentlichen Überlieferung vom
wandernden Gottesvolk auf seinem Weg durch die Wüste (vgl. Ps 84,7). Luther
übersetzte das lateinische <hi>vallis lacrimarum</hi> der Vulgata mit
„Jammertal“ und verwendete den Ausdruck darüber hinaus bei der Auslegung der
siebten Bitte des <hi>Vaterunser[s]</hi> („Sondern erlöse uns von dem übel“)
im dritten Hauptstück: „das uns der Vater im Himel [...] mit gnaden von
diesem jammerthal zu sich neme in den Himel“ (BSELK 880,15f.). Es bedarf
keiner tiefergehenden Analyse, um zu sehen, dass Steinbart dieser Anschauung
ein deutlich optimistischeres Welt- und Menschenbild entgegensetzt.
Beachtung verdient allerdings sein Hinweis, dass mit der
<hi>Glückseligkeitslehre</hi> nicht mehr geleistet werden soll, als die
radikalpietistische Annahme zu widerlegen, „daß dis Leben mehr Uebel als
Gutes enthielte“ (b26). Der Abschnitt enthält zudem eine Anspielung auf den
aufgeklärten Absolutismus Preußens, wonach „[j]etzt [...] mit dem Bekentniß
des Christenthums in unsren Gegenden bürgerliche Vortheile verknüpft
sind“ (ebd).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b29">
<label>Das Ende zu bedenken</label>
<p>Mögliche Anspielung auf die antike Tradition des <hi>Memento mori</hi> („Sei
dir der Sterblichkeit bewusst“) oder die jüdisch-christliche
<hi>Vanitas</hi>. Ein Bewusstsein von der Vergänglichkeit alles
Irdischen vermittelt die Bibel an verschiedenen Stellen (vgl. etwa Ps 90,12:
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ oder
Jes Sir 7,36: „Was du auch tust, bedenke das Ende, so wirst du nicht
sündigen in Ewigkeit“). Im Zuge des geistes- und naturwissenschaftlichen
Fortschritts der Aufklärung und der damit verbundenen Aufwertung
innerweltlicher Güter musste der Tod des sündigen Menschen als Beweggrund
guten Handelns ausscheiden, weshalb denn auch Steinbart den Ausdruck mit
grundsätzlichen Distinktionen belegt, ohne ihn gleichwohl zu verabschieden
(vgl. auch die Überlegungen zum ewigen Leben in § 81).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b33">
<label>Hieraus entstehet oft ein Streit zwischen den vernünftigen und sinnlichen
Begierden, welcher in der heiligen Schrift der Streit zwischen Geist und
Fleisch genennet wird. </label>
<p>Waren „Geist“ und „Fleisch“ in den alttestamentlichen Schriften eher noch
komplementäre als oppositionelle anthropologische Bezeichnungen, so bildete
sich ein Dualismus wahrscheinlich erst unter hellenistischem Einfluss in
zwischentestamentlicher Zeit aus, sodass die Begriffe im Neuen Testament
keineswegs mehr einheitlich gebraucht werden: „Fleisch“ kann eine
versklavende Macht bezeichnen (vgl. Gal 5,16) und dennoch (oder gerade
darin) die Identität bzw. Existenz des Menschen bestimmen (vgl. Phil 3,3–6),
wohingegen der „Geist“ als eschatologisch wirksame Kraft Gottes den
Zusammenhang von Sünde, Gesetz und Tod unterbricht und neues Leben
ermöglicht (vgl. Röm 8,10f.). Spätestens mit der augustinischen Lehre von
der <hi>concupiscentia</hi> (vgl. <ptr type="page-ref" target="#st_comm_b96"/>) war der Fleischbegriff belastet, insofern er die Körperlichkeit des
Menschen ausschließlich negativ zu bewerten schien. Auch vor diesem
Hintergrund erneuerten Aufklärungstheologen das alttestamentliche Postulat
des ganzen Menschen, indem sie – nicht zuletzt gegenüber spätpietistischen
Tendenzen – Einsicht und Gefühl religionstheoretisch in Einklang zu bringen
suchten (vgl. etwa Spalding, <hi>Gedanken über den Werth der Gefühle in dem
Christenthum</hi>, 1761, <hi rend="superscript">5</hi>1784 sowie zur
zeitgenössischen exegetischen Diskussion u.a. Wilhelm Friedrich Hezel,
<hi>Entwickelung der schweren biblischen Begriffe: Geist und
Fleisch</hi>, in: Ders. (Hg.), Schrifftforscher, Bd. 2, 1792,
17–108).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_a32f">
<label>Um weise und glückselig zu leben ist es nicht nothwendig, von der
menschlichen Freiheit die gelehrten Erklärungen der metaphysischen Lehrer
einzusehen und die zwischen den größten Philosophen darüber noch herrschende
Streitfragen entscheiden zu können</label>
<p>Auch wenn die aufklärungsphilosophische Theorie der menschlichen Freiheit mit
Kants 1781 publizierter und 1787 neu aufgelegter <hi>Kritik der reinen
Vernunft</hi> ihren Höhepunkt (und zugleich ihre reflexive Begrenzung)
erreichte, erscheint es nicht ganz unwahrscheinlich, dass Steinbart hier
(bereits 1778) u.a. auf Kant anspielt, der schon in seiner vorkritischen
Phase den metaphysischen Verstandesgebrauch von der sinnlichen
Erscheinungswelt abgegrenzt hatte (vgl. etwa Kant, <hi>De mundi sensibilis
atque intelligibilis forma et principiis</hi>, 1770) und daraufhin
transzendentale und praktische Freiheit unterschied. Steinbarts
popularphilosophische Empfehlung, sich in der „glückseligen“ Lebenspraxis
eher an das „Selbstgefühl“ als an „irgends ein transcendentes System“ (a33)
zu halten, verteidigt in gewisser Weise jene empiristischen Einflüsse, die
Kant gerade überwinden will, und kann für dessen tiefgreifende Reflexionen
über die Bedingungen der Erkenntnis bzw. den Unterschied von „transzendent“
und „transzendental“ kaum Verständnis aufbringen. Die von Steinbart
erwähnten (und relativierten) metaphysischen „Streitfragen“ sind in ihrer
philosophiegeschichtlichen Breite an dieser Stelle nicht zusammenzufassen:
Angesichts seiner Partizipation an der Staatszweckdebatte wird aber
zumindest auf den politischen Aspekt des aufklärungsphilosophischen
Freiheitsbegriffs hinzuweisen sein, mit dem nicht zuletzt die Vorstellung
eines Unterwerfungsvertrags (vgl. Thomas Hobbes, <hi>Leviathan</hi>, 1651)
hinter den naturrechtlich fundierten Gedanken der Volkssouveränität (vgl.
John Locke, <hi>Two Treatises of Government</hi>, 1690) zurücktreten
sollte.</p>
</note>
</div>
<div type="section-group" xml:id="st_II_16-21">
<div type="section" xml:id="st_section_16">
<head>§. 16.</head>
<p>Aus diesen Bemerkungen erhellet nun, daß alles <hi>moralische</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen von dem <app>
<lem>Menschen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Menschen</rdg>
</app> an sich, <pb edRef="#b" n="37"/>
<pb edRef="#c" n="37"/> vermieden werden <app>
<lem>kan;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann,</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">könne;</rdg>
</app> weil es natürlich nur in so <app>
<lem>fern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">ferne</rdg>
</app> statt findet, als wir uns bewußt werden, daß wir besser hätten
handeln können. Allein <app>
<lem>dem ohnerachtet</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">demohnerachtet</rdg>
</app> werden viele <app>
<lem>Menschen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Menschen</rdg>
</app> ganz wider den <index indexName="subjects-index">
<term>Plan Gottes</term>
</index>Plan <app>
<lem>Gottes,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Gottes</rdg>
</app> in die Quaalen eines moralischen <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügens ohne ihre Verschuldung <app>
<lem>versenkt,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">versenkt</rdg>
</app> und dieses geschiehet durch den fehlerhaften <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterricht in einer <index indexName="subjects-index">
<term>positive Religion</term>
</index>positiven <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion. Hierher <app>
<lem>gehört</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gehöret</rdg>
</app>
<app>
<lem>insonderheit:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">insonderheit</rdg>
</app>
<list>
<item><label>1.</label> Wenn man willkührliche Regeln des Verhaltens, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> wider die Naturtriebe, wider <app>
<lem/>
<rdg type="pt" wit="#c #d">die</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft und <index indexName="subjects-index">
<term>Billigkeit</term>
</index>Billigkeit streiten, dem Gewissen der Menschen als göttlich
geoffenbarte Gesetze aufbürdet.</item>
<item><label>2.</label> Wenn wahre <index indexName="subjects-index">
<term>göttliche Gesetze</term>
</index>göttliche Gesetze nicht nach ihrem <app>
<lem>Zweck</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Zwecke</rdg>
</app>
<app>
<lem>begrenzt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">begränzt</rdg>
</app>, sondern die Anforderungen derselben über solche <app>
<lem>Grenzen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Gränzen</rdg>
</app>, auch wol über die natürlichen Kräfte des Menschen, <app>
<lem>ausgedehnt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">ausgedehnet</rdg>
</app> werden, <choice>
<abbr>z. B.</abbr>
<expan>zum Beispiel</expan>
</choice>
<app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">wenn</rdg>
</app> die <index indexName="subjects-index">
<term>Pflicht</term>
</index>Pflicht der Wahrhaftigkeit, nicht durch die <index indexName="subjects-index">
<term>Pflicht</term>
</index>Pflicht der <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenliebe</term>
</index>Menschenliebe <app>
<lem>eingeschränkt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eingeschränket</rdg>
</app>, oder eine ganz reine <index indexName="subjects-index">
<term>Liebe</term>
</index>Liebe gegen Gott, ohne <app>
<lem>Rücksicht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Rüksicht</rdg>
</app> auf wohlthätige Gesinnungen <app>
<lem>desselben</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> gegen <app>
<lem>uns</lem>
<rdg wit="#d" type="v">uns,</rdg>
</app> gefordert wird. <pb edRef="#a" n="34"/></item>
<item><label>3.</label> Wenn die <app>
<lem>göttliche</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>göttltche</sic>
<corr type="editorial">göttliche</corr>
</choice></rdg>
</app> Gerechtigkeit nicht als eine proportionirte <index indexName="subjects-index">
<term>Güte</term>
</index>Güte, sondern als ein der <index indexName="subjects-index">
<term>Liebe</term>
</index>Liebe entgegengesetztes <index indexName="subjects-index">
<term>principium</term>
</index>Principium vorgestellet, und die zu erwartenden <index indexName="subjects-index">
<term>willkührliche Strafen</term>
</index>willkührlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Strafen</term>
</index>Strafen, ohne <app>
<lem>Grenzen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Gränzen</rdg>
</app> und Verhältniß gegen die wirkliche <index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität der <app>
<lem>Handlungen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Handlungen,</rdg>
</app> geschildert werden. <pb edRef="#d" n="33"/></item>
<item><label>4.</label> Wenn so gar das, was gar nicht vom <index indexName="subjects-index">
<term>Wille</term>
</index>Willen des Menschen <app>
<lem>abhängt,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">abhängt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">abhänget,</rdg>
</app> und blos Schwachheit der Natur ist, dem Menschen als <index indexName="subjects-index">
<term>Sünde</term>
</index>Sünde und <app>
<lem>eigne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigene</rdg>
</app> Verschuldung angerechnet wird.</item>
</list></p>
<p>Dergleichen falsche <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsbegriffe</term>
</index><app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe von der <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">Religionsbegriffe</rdg>
</app> verwirren die <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index><app>
<lem>Gewissen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Gewissen</rdg>
</app> und verbreiten ganz wider den <index indexName="subjects-index">
<term>Plan Gottes</term>
</index>Plan Gottes ein unverschuldetes moralisches Elend, welches besonders <app>
<lem>alsdenn</lem>
<rdg wit="#d" type="v">alsdann</rdg>
</app> sichtbar wird, wenn gewisse Disposi<pb n="38" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="38"/>tionen des Körpers einen Menschen zur <app>
<lem>applikativen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">applicativen</rdg>
</app> Ueberdenkung dieser finstern <index indexName="subjects-index">
<term>Lehrsätze</term>
</index>Lehrsätze veranlassen.</p>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_17">
<head>§. 17.</head>
<p>Das <index indexName="subjects-index">
<term>moralisches Vergnügen</term>
</index>moralische <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> sich jeder Mensch überall und <app>
<lem>gewisser <app>
<lem>massen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">maßen</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#c" type="pp">gewissermassen</rdg>
<rdg wit="#d" type="pp">gewissermaßen</rdg>
</app> jeden Augenblick des Lebens verschaffen. Hierbey ist zu bemerken: <list>
<item><label>1.</label> Schon das <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index><app>
<lem>Bewußtseyn,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Bewußtseyn</rdg>
</app> daß man so <app>
<lem>denkt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">denket</rdg>
</app> und zu handeln geneigt ist, wie es die <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index><app>
<lem>moralische</lem>
<rdg wit="#d" type="v">moralischen</rdg>
</app> Vorschriften erfordern, bringt in der Seele ein <index indexName="subjects-index">
<term>Gefühl</term>
</index>Gefühl von <app>
<lem>innerer</lem>
<rdg wit="#a" type="v">innrer</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Würde</term>
</index>Würde hervor. Man empfindet hierbey, wenn man <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">es</rdg>
</app> sich <app>
<lem>es</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> auch nicht deutlich macht, daß man die Hochschätzung der
ganzen Welt <app>
<lem>verdiene</lem>
<rdg wit="#a" type="v">verdient</rdg>
</app>, und daß uns niemand, so bald unsre <app>
<lem>innerste</lem>
<rdg wit="#a" type="v">innersten</rdg>
</app> Gedanken sichtbar werden <app>
<lem>könten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">könnten</rdg>
</app>, seine Achtung und Beyfall versagen würde.</item>
<item><label>2.</label> Diese <app>
<lem>innre</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">innere</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Selbstzufriedenheit</term>
</index>Selbstzufriedenheit und eigne Werthschätzung wird noch <app>
<lem>lebhafter,</lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="v">lebhafter</rdg>
</app> nach jeder Verrichtung einer gewissenhaften und mit
Ueberlegung <app>
<lem>vorgenommnen <app>
<lem>Handlung,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Handlung</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">vorgenommenen Handlung</rdg>
</app> empfunden. Die angenehme Vorstellung <app>
<lem>der</lem>
<rdg wit="#d" type="v">von den</rdg>
</app> zu erwartenden guten <app>
<lem>Folgen,</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Folgen</rdg>
</app> wird durch den Gedanken, daß wir selbst die Urheber unsrer <app>
<lem><app>
<lem>vergrösserten</lem>
<rdg type="v" wit="#d">vergrößerten</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart</lem>
<rdg type="pp" wit="#a">vergrößerten Wohlfahrt</rdg>
</app> sind, ungemein erhöhet. <pb edRef="#a" n="35"/></item>
<item><label>3.</label> Insonderheit haben die edlen, großmüthigen und
wohlthätigen Erweisungen der <index indexName="subjects-index">
<term>Menschenliebe</term>
</index>Menschenliebe diese belohnende Beylage, daß <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">sich</rdg>
</app> der Mensch durch sie <app>
<lem>sich</lem>
<rdg wit="#c #d" type="om"/>
</app> gleichsam zu einer <app>
<lem>höhern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">höheren</rdg>
</app> Gattung der Geister erhöhet fühlt. Wer jemals die reine und
erhabene damit verknüpfte Freude empfunden hat, der wird <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">dafür</rdg>
</app> keinen weitern Beweis fordern, daß es des Menschen <index indexName="subjects-index">
<term>Bestimmung</term>
</index>Bestimmung sey, sich durch edel<pb edRef="#d" n="34"/>müthige Wohlthätigkeit der Gottheit ähnlich zu machen, und dadurch
einer göttlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Seligkeit</term>
</index>Seligkeit theilhaftig zu werden.</item>
<item><label>4.</label> Die Intension <app>
<lem>der</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">des</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>moralisches Vergnügen</term>
</index>moralischen <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Vergnügens</rdg>
</app> wird dadurch verstärkt, wenn wir uns bewußt werden, daß eine
gewissenhafte <app>
<lem>Entschliessung</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Entschließung</rdg>
</app> uns Anstrengung der <pb n="39" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="39"/> Geisteskräfte gekostet hat, und wir
derselben <app>
<lem>grosse</lem>
<rdg wit="#d" type="v">große</rdg>
</app> sinnliche Annehmlichkeiten <app>
<lem>aufgeopfert,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">aufgeopfert</rdg>
</app> oder viele sinnliche Beschwerden deshalb übernommen
haben.</item>
<item><label>5.</label> Das <index indexName="subjects-index">
<term>moralisches Vergnügen</term>
</index>moralische <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen erhält den höchsten Grad, wenn sich reine <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsbegriffe</term>
</index>Religionsbegriffe damit verbinden, und die Vorstellung
erzeugen, daß wir uns dem höchsten Wesen wohlgefällig und ähnlich
gemacht, und dadurch <app>
<lem>unsere</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unsre</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>höhere Wohlfart</term>
</index>höhere <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index><app>
<lem>Wohlfart</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Wohlfahrt</rdg>
</app> auf immer gesichert haben: denn hier eröfnet sich uns eine
Aussicht in gute Folgen ohne Ende. Insonderheit belohnen diese
Gedanken uns auch wegen <app>
<lem>blosser guten</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">bloßer guter</rdg>
</app> Vorsätze und Wünsche, deren Ausführung durch <app>
<lem>äußre</lem>
<rdg wit="#d" type="v">äußere</rdg>
</app> Umstände unmöglich ward, und <app>
<lem>die <app>
<lem>niemand</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Niemand</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">welche keinem</rdg>
</app> als dem Allwissenden in dem Innern der Seele offenbar sind.
Daher <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> der Gerechte auch im <app>
<lem>Unglück</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Unglük</rdg>
</app> getrost und heiter seyn.</item>
</list></p>
<note place="end"><index indexName="subjects-index">
<term>gute Werke</term>
</index>Gute Werke erfordern <app>
<lem>äusserliche</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">äußerliche</rdg>
</app> Gelegenheiten solche zu <app>
<lem>verrichten,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">verrichten</rdg>
</app> und diese Gelegenheiten hängen oft nicht von uns selbst ab; aber
<index indexName="subjects-index">
<term>gute Gesinnungen</term>
</index>gute Gesinnungen können immer in uns fortdauern. Ein Mensch im
Kerker, der alles <app>
<lem>äussern</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">äußern</rdg>
<rdg wit="#b" type="typo-correction"><choice>
<sic>änssern</sic>
<corr type="editorial">äußern</corr>
</choice></rdg>
</app> Vermögens etwas gutes zu thun, <app>
<lem>beraubt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">beraubet</rdg>
</app> ist, <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> innerlich <app>
<lem>der</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">die größte <index indexName="subjects-index">
<term>Heiterkeit</term>
</index>Heiterkeit und die</rdg>
</app> erhabensten moralischen Freuden im <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyn edler Gesinnungen <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießen</rdg>
</app>, insonderheit wenn er seiner <pb edRef="#a" n="36"/>
<index indexName="subjects-index">
<term>Unsterblichkeit</term>
</index>Unsterblichkeit und <app>
<lem>grossen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">großen</rdg>
</app> Bestimmung zu immer wachsender Glückseligkeit gewiß ist.</note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_18">
<head>§. 18.</head>
<p>Nun <app>
<lem>läßt</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">lässet</rdg>
</app> sich ohne Schwierigkeit deutlich machen, daß alle <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Grade</term>
</index>höhere <index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade menschlicher <app>
<lem>Glückseligkeit</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Glükseligkeit</rdg>
</app> ganz eigentlich auf der <index indexName="subjects-index">
<term>Güte</term>
</index>Güte der <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Gesinnungen</term>
</index>moralischen <app>
<lem>Gesinnungen,</lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="v">Gesinnungen</rdg>
</app> oder <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">auf</rdg>
</app> der <app>
<lem><choice>
<sic>Fertigkeit</sic>
<corr type="editorial">Fertigkeit,</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#c #d" type="typo-correction">Fertigkeit,</rdg>
</app> nach allgemeinen <index indexName="subjects-index">
<term>Regeln der Ordnung</term>
</index>Regeln der Ordnung zu handeln, beruhen; und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">daß</rdg>
</app> man daher mit Recht die <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Seligkeit</term>
</index>höhere <index indexName="subjects-index">
<term>Seligkeit</term>
</index>Seligkeit schlechthin <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Glückseligkeit</term>
</index>moralische Glückseligkeit nennen könne. Denn <pb edRef="#d" n="35"/>
<list>
<item><label>1.</label> wenn wir uns einen Menschen ohne <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterricht und <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehung</term>
</index>Erziehung den rohen Naturtrieben allein überlassen ge<pb n="40" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="40"/>denken, so wird
derselbe nach der wohlthätigen Einrichtung des Schöpfers zwar auch
in diesem thierischen Zustande mehr angenehme als <index indexName="subjects-index">
<term>unangenehme Empfindungen</term>
</index>unangenehme <index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen <app>
<lem>in seiner ganzen</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">seine ganze</rdg>
</app> Dauer <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">hindurch genießen</rdg>
</app>, dennoch aber bey dieser ganz unmoralischen Wohlfart von
niemand selig gepriesen oder beneidet werden.</item>
<item><label>2.</label> Der in der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft erzogene Mensch wird durch jeden Grad der
<index indexName="subjects-index">
<term>Kultur</term>
</index><app>
<lem>Kultur</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Cultur</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">Ausbildung</rdg>
</app> seiner obern Seelenkräfte zum <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index><app>
<lem>Genuß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Genusse</rdg>
</app> immer feinerer und mannigfaltigerer <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen <app>
<lem>fähig;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">fähig,</rdg>
</app> in eben dem <app>
<lem>Maaß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Maaße</rdg>
</app> aber auch zur Erkentniß immer mehrerer <app>
<lem>allgemeinen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">allgemeiner</rdg>
</app> Regeln des rechtmäßigen und anständigen <app>
<lem>Verhaltens,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Verhaltens</rdg>
</app> und zu immer genauerer Beurtheilung seiner Handlungen nach <app>
<lem>denselben</lem>
<rdg wit="#d" type="v">denselben,</rdg>
</app> geschickt gemacht und erweckt. Da nun die moralische Gesetze
bestimmen, was wir zu <app>
<lem>unserm</lem>
<rdg wit="#d" type="v">unsrem</rdg>
</app> wahren Besten zu thun haben, so ist offenbar, daß jede
Uebertretung derselben <app>
<lem>unsern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">unsren</rdg>
</app> Zustand <app>
<lem>verschlimmert</lem>
<rdg wit="#d" type="v">verschlimmere</rdg>
</app>, und bey jeder <app>
<lem>Vernachlässigung</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Vernachläßigung</rdg>
</app> derselben ein <app>
<lem>grösseres</lem>
<rdg wit="#a" type="v">größeres</rdg>
</app>
<app>
<lem>Gute</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gutes</rdg>
</app>, welches wir hätten erhalten können, verloren <app>
<lem>geht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gehe</rdg>
</app>; daß ferner die nachmalige Wahrnehmung unsres <app>
<lem>Fehltritts <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Misvergnügen</rdg>
</app> erweckt</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">Fehltrittes Misvergnügen erwecke</rdg>
</app>, und wenn wir uns bewußt werden, daß wir ihn hätten vermeiden
können, noch <app>
<lem>überdis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">überdies</rdg>
</app> bittrer Verdruß gegen uns selbst <app>
<lem>entsteht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">entstehe</rdg>
</app>. Je mehr moralisch <pb edRef="#a" n="37"/> gute Handlungen
daher ein Mensch <app>
<lem>vollführt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">vollführet</rdg>
</app>, desto mehr verbessert sich sein gesamter <app>
<lem>Zustand;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Zustand,</rdg>
</app> und daher <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> nur allein bey der Fertigkeit moralisch gut zu denken und zu
handeln, das <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyn <app>
<lem>des</lem>
<rdg wit="#d" type="v">von dem</rdg>
</app> wachsenden <index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht der Vollkommenheiten</term>
</index><app>
<lem>Uebergewichts</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Uebergewichte</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vollkommenheiten</term>
</index>Vollkommenheiten unsres gesamten Zustandes, und das ist,
<index indexName="subjects-index">
<term>höhere Glückseligkeit</term>
</index>höhere Glückseligkeit auf eine fortdaurende Art statt
finden.</item>
</list></p>
<note place="end"><app>
<lem>Um zu beweisen, daß lediglich von der <index indexName="subjects-index">
<term>Kultur</term>
</index><app>
<lem>Kultur</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Ausbildung</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft der Grad der <index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität, <app>
<lem>und demnach</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">folglich</rdg>
</app>
<app>
<lem><choice corresp="#st_b_corr_1">
<sic>nur</sic>
<corr type="authorial">auch</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#c #d" type="typo-correction">auch</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Glückseligkeit</term>
</index><app>
<lem>höhern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">höheren</rdg>
</app> Glückseligkeit und Unglückseligkeit, deren ein Mensch
empfänglich ist, abhange,</lem>
<rdg type="pp" wit="#a">Es</rdg>
</app> ist gar nicht nöthig hier <pb n="41" edRef="#b"/> Bey<pb edRef="#c" n="41"/>spiele von solchen Menschen, die <app>
<lem>ausser</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außer</rdg>
</app> aller menschlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft aufgewachsen und nachher als wilde Raubthiere
eingefangen worden sind, anzuführen, oder die <pb edRef="#d" n="36"/>
Glaubwürdigkeit der davon vorhandenen Erzählungen zu beweisen. Mitten unter
uns finden sich bisweilen Leute, welche beym Viehhüten ohne <app>
<lem>alle absichtliche <app>
<lem>Kultur</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Cultur</rdg>
</app> ihres <index indexName="subjects-index">
<term>Verstand</term>
</index>Verstandes</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">allen <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterricht</rdg>
</app>
<app>
<lem>aufgewachsen</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>anfgewachsen</sic>
<corr type="editorial">aufgewachsen</corr>
</choice></rdg>
</app> sind, und sobald sie aus <app>
<lem>diesem</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dem</rdg>
</app> Zirkel ihrer täglichen Geschäfte herausgezogen werden, wenig
Menschenvernunft und die gröbste Unwissenheit der allgemein <app>
<lem>bekanten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bekannten</rdg>
</app> moralischen Gesetze der <index indexName="subjects-index">
<term>bürgerlich</term>
</index><index indexName="subjects-index">
<term>bürgerliche Gesellschaften</term>
</index>bürgerlichen Gesellschaften zeigen. Doch man darf auch nicht einmal
hierauf <app>
<lem>zurück</lem>
<rdg wit="#d" type="v">zurücke</rdg>
</app> gehen, <app>
<lem/>
<rdg wit="#a" type="pt">um zu beweisen, daß von der Cultur des <index indexName="subjects-index">
<term>Verstand</term>
</index>Verstandes der Grad der <index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität und daher auch der <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Glückseligkeit</term>
</index>moralischen Glückseligkeit abhängt,</rdg>
</app> da jederman schon geneigt und gewohnt ist, einerley Vergehen bey dem
einen Menschen mit seiner schlechten <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehung</term>
</index>Erziehung und Dummheit zu entschuldigen und einem andern desto höher
anzurechnen, je mehr desselben <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Denkart</term>
</index>Denkart</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Verstand</rdg>
</app> von Jugend auf <app>
<lem>kultivirt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">cultivirt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">gebildet</rdg>
</app> worden ist.</note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_19">
<head>§. 19.</head>
<p>Wenn man sich ausführlich klar machen will, wie von jedem einzelnen im <app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft stehenden Menschen das nach seiner besondern <index indexName="subjects-index">
<term>Individuation</term>
</index><app>
<lem>Individuation</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Lage</rdg>
</app> ihm zu geniessen mögliche <app>
<lem>Gute,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Gute</rdg>
</app> nur nach dem <app>
<lem>Maaß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Maaße</rdg>
</app> seiner moralisch guten <index indexName="subjects-index">
<term>Denkart</term>
</index><app>
<lem>Denkart,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Denkart</rdg>
</app> wirklich genossen werde, oder wie die gesamte extensive, intensive
und protensive <app>
<lem>Grösse</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">Größe</rdg>
</app> des <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügens lediglich von der <index indexName="subjects-index">
<term>Güte</term>
</index>Güte moralischer Fertigkeiten <app>
<lem>abhange;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">abhange,</rdg>
</app> so muß man nicht, wie es gewöhnlich <app>
<lem>geschieht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">geschiehet</rdg>
</app>, <pb edRef="#a" n="38"/> einen im <app>
<lem>äussern</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">äußern</rdg>
</app> Elende schmachtenden Tugendhaften und einen im <app>
<lem>Schooß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Schooße</rdg>
</app> des <index indexName="subjects-index">
<term>Glück</term>
</index>Glücks prassenden Bösewicht mit einander vergleichen, sondern 2
Personen von <app>
<lem>ähnlichen</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">einerley</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Talente</term>
</index>Talenten und Glücksumständen neben einander aufstellen, davon der
eine <app>
<lem>leichtsinnig</lem>
<rdg wit="#d" type="v">leichtsinnig,</rdg>
</app> ohne Rücksicht auf <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralische Vorschriften, ohne Ueberlegung, sich blos den <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Begierden</term>
</index>sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Begierden</term>
</index>Begierden <app>
<lem>überläßt;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">überläßt,</rdg>
</app> der <app>
<lem>andere</lem>
<rdg wit="#a" type="v">andre</rdg>
</app> dagegen keine Handlung von Erheblichkeit <app>
<lem>vornimt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">vornimmt</rdg>
</app>, ohne <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft und <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissen zu rathe <pb edRef="#b" n="42"/>
<pb edRef="#c" n="42"/> zu ziehen. Hier wird der Einfluß der <index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität auf den <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index>Genuß aller Arten des Guten <app>
<lem>jederman</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">jedermann</rdg>
</app> sichtbar werden. <list>
<item><label>I.</label> In Absicht der <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Vergnügen</term>
</index>sinnlichen oder körperlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen, wird <list>
<item><label>A.</label> der Leichtsinnige <list>
<item><label>1)</label> durch übertriebnen <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index>Genuß bald an vielem Guten Eckel und
Ueberdruß empfinden, folglich wird <app>
<lem>dasselbe</lem>
<rdg wit="#d" type="v">es</rdg>
</app> aufhören, für ihn etwas angenehmes oder gutes
zu seyn.</item>
<item><label>2)</label> durch Unmäßigkeit seine
Gesundheit schwächen, und sich hierdurch zum <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index><app>
<lem>Genuß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Genusse</rdg>
</app> für die künftigen Tage sei<pb edRef="#d" n="37"/>nes Lebens unfähig machen, auch wol <app>
<lem>überdis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">überdies</rdg>
</app> sich schmerzhafte Krankheiten
zuziehen.</item>
<item><label>3)</label> durch Unbesonnenheit und
Unordnung sein Vermögen schwächen, folglich sich in <app>
<lem>kurzem</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kurzen</rdg>
</app> der Mittel zu sinnlichen Vergnügungen und
endlich selbst zur Befriedigung der Bedürfnisse
beraubt sehen.</item>
<item><label>4)</label>
<app>
<lem>selbst</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Selbst</rdg>
</app> im <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index><app>
<lem>Genuß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Genusse</rdg>
</app> der vorbeyrauschenden Freuden durch <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft und Gewissen <app>
<lem>beunruhigt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">beunruhiget</rdg>
</app> werden, und nachher den lebhaftesten Verdruß
über sich selbst <app>
<lem>empfinden,</lem>
<rdg wit="#d" type="v">empfinden</rdg>
</app> und hierdurch auf viele Stunden zu allem
<index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen unfähig werden. Je mehr <index indexName="subjects-index">
<term>Kultur</term>
</index><app>
<lem>Kultur</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Cultur</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">Ausbildung</rdg>
</app> des <index indexName="subjects-index">
<term>Verstand</term>
</index>Verstandes jemand hat, je mehr <index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität haben seine <app>
<lem>Ausschweifungen;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Ausschweifungen,</rdg>
</app> aber desto mehr wird er auch in sich selbst
darüber <app>
<lem>beunruhiget:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">beunruhiget,</rdg>
</app> so daß kein mit <app>
<lem>heiterm</lem>
<rdg wit="#d" type="v">heiterem</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyn verknüpfter Ge<pb edRef="#a" n="39"/>nuß der unmoralischen Ergötzungen statt
finden <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>, sondern die Seele sich blos in einer Art der
Trunkenheit dabey erhalten muß.</item>
</list></item>
<item><label>B.</label> der Weise oder nach <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft und Ueberlegung handelnde Mann wird dagegen <list>
<item><label>1)</label> durch <app>
<lem>Mässigung</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">Mäßigung</rdg>
</app> im <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index><app>
<lem>Genuß,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Genuß</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">Genusse</rdg>
</app> und durch Abwechselung mit ernstlichen
nützlichen <app>
<lem>Geschäften</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Geschäften,</rdg>
</app> alles <index indexName="subjects-index">
<term>sinnlich Gutes</term>
</index>sinnliche Gute mit immer erneuertem <app>
<lem><app>
<lem>Reiz</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Reitz</rdg>
</app> geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">Reize genießen</rdg>
</app>. <pb edRef="#b" n="43"/>
<pb edRef="#c" n="43"/></item>
<item><label>
<app>
<lem>2)</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>2.</sic>
<corr type="editorial">2)</corr>
</choice></rdg>
</app></label> durch sein <app>
<lem>regelmässiges</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">regelmäßiges</rdg>
</app> Verhalten seine Gesundheit verstärken und
noch bis ins Alter zum <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index><app>
<lem>Genuß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Genusse</rdg>
</app> vieler sinnlichen Freuden fähig und aufgelegt
bleiben.</item>
<item><label>3)</label> durch Ordnung und klugen
Gebrauch der Glücksgüter dieselben vermehren, und
sich immer mehrere Bequemlichkeiten verschaffen
können.</item>
<item><label><app>
<lem>4)</lem>
<rdg wit="#c" type="typo-correction"><choice>
<sic>4.</sic>
<corr type="editorial">4)</corr>
</choice></rdg>
</app></label> durch die innere <index indexName="subjects-index">
<term>Selbstzufriedenheit</term>
</index>Selbstzufriedenheit gegen alle <app>
<lem>äussere</lem>
<rdg wit="#a" type="v">äussern</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">äußere</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen empfindsamer gemacht werden, sie
mit vollem <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyn <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießen</rdg>
</app>, und auch nach dem <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index>Genuß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Genusse</rdg>
</app> sich ihrer mit Genehmigung erinnern. Mit <app>
<lem>jemehr</lem>
<rdg wit="#d" type="v">je mehrerer</rdg>
</app> Ueberlegung und <app>
<lem>Cirkumspektion</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Circum spection</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">Vorsicht</rdg>
</app> wir unsre <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Vergnügen</term>
</index>sinnliche Vergnügen veranstalten, desto mehr <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> die Seele auch nach ihren obern Kräften daran
Theil nehmen, desto voller ist der <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index>Genuß; und je <app>
<lem>innerlich</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> vergnügter das <index indexName="subjects-index">
<term>Gemüth</term>
</index>Gemüth <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">innerlich</rdg>
</app> durch das Be<pb edRef="#d" n="38"/>wußtseyn
verrichteter edler Handlungen bereits ist, desto
empfindsamer wird es gegen alle angenehme <app>
<lem>Eindrücke</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Eindrüke</rdg>
</app> von <app>
<lem>aussen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außen</rdg>
</app> seyn: ja selbst der Körper erhält <app>
<lem>gewisser <app>
<lem>massen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">maßen</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#c" type="pp">gewissermassen</rdg>
<rdg wit="#d" type="pp">gewissermaßen</rdg>
</app> mehr Empfänglichkeit zu angenehmen <index indexName="subjects-index">
<term>Gefühle</term>
</index>Gefühlen, wenn von innen aus der Seele
Freude hervorströmt. Hieraus erhellet demnach, daß
von dem guten moralischen Verhalten die Menge,
<index indexName="subjects-index">
<term>Mannigfaltigkeit</term>
</index>Mannigfaltigkeit, Dauer und <app>
<lem>Intension</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">innere Stärke</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Vergnügen</term>
</index>sinnlichen Vergnügen bey vernünftigen
Menschen <app>
<lem>abhängt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">abhange</rdg>
</app>.</item>
</list></item>
</list></item>
<item><label>II.</label> In Absicht der Vergnügen aus der <app>
<lem>Erkentniß,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Erkentniß</rdg>
</app>
<list>
<item><label>1)</label> der Leichtsinnige seinen körperlichen
<index indexName="subjects-index">
<term>Begierden</term>
</index>Begierden sich überlassende Mensch, ist schon
überhaupt wenig <pb edRef="#a" n="40"/> aufgelegt, die
Annehmlichkeiten des stillen Nachdenkens und ausgebreiteter
Erkentnisse zu suchen, welche dem vernünftigen <app>
<lem>Manne</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Mann</rdg>
</app> ein desto reelleres <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen gewähren, <app>
<lem>weil</lem>
<rdg wit="#d" type="v">je mehr</rdg>
</app> er den <index indexName="subjects-index">
<term>Nutzen</term>
</index>Nutzen der beständigen <index indexName="subjects-index">
<term>Verbesserung</term>
</index>Verbesserung der Einsichten aus angenehmer <index indexName="subjects-index">
<term>Erfahrung</term>
</index>Erfahrung kennet. <pb edRef="#b" n="44"/>
<pb edRef="#c" n="44"/></item>
<item><label>2)</label> der Ausschweifende findet <app>
<lem>wenig</lem>
<rdg wit="#d" type="v">wenige</rdg>
</app>
<app>
<lem>Objekte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Objecte</rdg>
</app> der Erkentniß, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> ihm angenehm <app>
<lem>wären;</lem>
<rdg wit="#c" type="v">wären:</rdg>
</app> denn da er alles nur in Beziehung auf seine <index indexName="subjects-index">
<term>Begierden</term>
</index>Begierden betrachtet, und überall durch die
natürliche Einrichtung und Ordnung der Dinge denselben <app>
<lem>Grenzen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Gränzen</rdg>
</app> gesetzt sind, so <app>
<lem>mißfällt</lem>
<rdg wit="#c" type="v">mißfält</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">mißfället</rdg>
</app> ihm die Welt auf allen Seiten. Der moralisch gut
Denkende findet dagegen überall Ordnung und <index indexName="subjects-index">
<term>Harmonie</term>
</index>Harmonie, und weil er diese <app>
<lem>liebt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">liebet</rdg>
</app>, und zur Ueberdenkung des Zusammenhanges aufgelegt
ist, so findet er selbst vieles von dem, was dem ersten <app>
<lem>Anblick</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Anblicke</rdg>
</app> nach böse und schädlich zu seyn scheinet, in der
allgemeinen Verknüpfung gut. Er hat also unzählig mehr
angenehme Gegenstände der Erkentniß und <app>
<lem>geniesset</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießet</rdg>
</app> das <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen ihrer Betrachtung in einem weit <app>
<lem>grössern Maasse</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">größerm Maaße</rdg>
<rdg wit="#d" type="pp">größeren Maaße</rdg>
</app>.</item>
<item><label>3)</label> Bey der Rücksicht in das Vergangene
erblickt der Ausschweifende <app>
<lem>lauter</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">eine Menge</rdg>
</app> Thorheiten, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> er begangen <app>
<lem>hat;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">hat,</rdg>
</app> und die daraus entstehende Verschlimmerung seiner <app>
<lem>Umstände</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Umstände,</rdg>
</app>
<app>
<lem>nöthigt</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">nöthiget</rdg>
</app> ihn solche zu verab<pb edRef="#d" n="39"/>scheuen,
und sich selbst darüber Vorwürfe zu machen. Er entschlägt
sich daher möglichst aller Gedanken an die <app>
<lem>vergangene</lem>
<rdg wit="#d" type="v">vergangenen</rdg>
</app> Zeiten. Dagegen siehet der verdienstvolle Tugendhafte
mit <app>
<lem>heiterm Blick</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">heiterem Blicke</rdg>
</app> in die verflossenen Tage zurück; jede gute moralische
Handlung, deren er sich erinnert, <app>
<lem>vermehrt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">vermehret</rdg>
</app> seine <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index>Zufriedenheit mit sich selbst, und überall findet er
sich des <app>
<lem>Beyfals</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Beyfalls</rdg>
</app> und der Werthschätzung <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">seiner Mitmenschen</rdg>
</app> würdig.</item>
<item><label>4)</label> Vor der Aussicht in die <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft muß der Bösewicht und der Leichtsinnige
zurück beben. Bange Ahn<pb edRef="#a" n="41"/>dungen von den
noch <app>
<lem><choice>
<sic>zuerwartenden</sic>
<corr type="editorial">zu erwartenden</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#c #d" type="typo-correction">zu
erwartenden</rdg>
</app>
<app>
<lem>übeln</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">üblen</rdg>
</app> Folgen gewissenloser und thörichter Handlungen
bemächtigen sich der Seele, und hier wird das moralische
Elend in seiner ganzen <app>
<lem>Grösse</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">Größe</rdg>
</app> fühlbar. Da<pb n="45" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="45"/>her findet man, daß dergleichen Personen um der
folternden Gedanken an die <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft los zu werden, sich in beständiger
Zerstreuung zu erhalten, auch wol durch Saufen <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">sich</rdg>
</app> des <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyns zu berauben suchen, bis sie zum <app>
<lem>Vieh erniedrigt</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">Viehe erniedriget</rdg>
</app>, oder in wütender Verzweiflung ein Ende mit Schrecken
nehmen. Aber der Tugendhafte <app>
<lem>genießt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießet</rdg>
</app> bey den Aussichten in die <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft des wonnevollsten <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügens. Jede seiner edlen Handlungen ist eine
Quelle von <index indexName="subjects-index">
<term>Hofnungen</term>
</index>Hofnungen, jede <app>
<lem>derselbe</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">derselben</rdg>
</app> hat ihre immer fortwirkende <app>
<lem>Folgen,</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Folgen;</rdg>
</app> und die <index indexName="subjects-index">
<term>Erfahrung</term>
</index>Erfahrung hat nicht blos unter Christen, sondern
unter allen <index indexName="subjects-index">
<term>Nationen</term>
</index>Nationen <app>
<lem>gelehrt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gelehret</rdg>
</app>, daß der Gerechte auch in Gefahren, in wirklichen
Bedrängnissen und selbst im Tode getrost und heiter ist. Es
ist also unläugbar, daß nur die <index indexName="subjects-index">
<term>Güte</term>
</index>Güte der <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Gesinnungen</term>
</index>moralischen Gesinnungen die Summe der Freuden,
welche aus der Erkentniß des gegenwärtigen, vergangenen und
zukünftigen entstehen, bey Personen, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> in <app>
<lem>aller</lem>
<rdg wit="#d" type="v">jeder</rdg>
</app> andern Beziehung als <app>
<lem>einander</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> gleich angenommen werden, <app>
<lem>bestimt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bestimmt</rdg>
</app>.</item>
</list></item>
<item><label>III.</label> In Absicht des <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügens, welches die Befriedigung der <index indexName="subjects-index">
<term>gesellig</term>
</index>geselligen Triebe <app>
<lem>gewährt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gewähret</rdg>
</app>, fället es sogleich in die <app>
<lem>Augen,</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>Augen.</sic>
<corr type="editorial">Augen,</corr>
</choice></rdg>
</app>
<pb edRef="#d" n="40"/>
<list>
<item><label>1)</label> daß durch jede wider die <index indexName="subjects-index">
<term>Moral</term>
</index>Moral laufende Handlung gegen andre die Befriedigung
der <index indexName="subjects-index">
<term>gesellig</term>
</index>geselligen Triebe allezeit auf einer Seite gehindert
wird. Selbstsucht, Stolz, Eigennutz, Betrug, Schadenfreude
und alle ungerechte und lieblose Handlungsarten, machen zu
aller <index indexName="subjects-index">
<term>Freundschaft</term>
</index>Freundschaft und deren <app>
<lem>süssen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">süßen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Gefühle</term>
</index>Gefühlen unfähig. Allein nicht blos der Verlust der
vorzüglichen <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index><app>
<lem>Vergnügen</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Vergnügungen</rdg>
</app>, welche aus der <index indexName="subjects-index">
<term>Freundschaft</term>
</index>Freundschaft, <index indexName="subjects-index">
<term>Liebe</term>
</index>Liebe, Achtung, <index indexName="subjects-index">
<term>Dankbarkeit</term>
</index>Dankbarkeit und Dienst<pb edRef="#a" n="42"/>beflissenheit <app>
<lem>andrer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">anderer</rdg>
</app> gegen uns, und aus den daraus weiter erwachsenden <app>
<lem>Vortheile</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Vortheilen</rdg>
</app> des Le<pb n="46" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="46"/>bens entstehen, sondern auch unzähliges positives <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen der Verachtung, des Spottes und der
Verfolgung von allen Beleidigten, verbittern <app>
<lem>den</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">dem</rdg>
</app> Uebertreter der <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften das Leben.</item>
<item><label>2)</label> daß der ehrliche, billige, großmüthige
und wohlthätige Menschenfreund sich schon hier ein <app>
<lem>himlisches</lem>
<rdg wit="#a" type="v">himmlisches</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Elysium</term>
</index>Elysium <app>
<lem>bauet</lem>
<rdg wit="#d" type="v">baue</rdg>
</app>. Durch jede gute Handlung erwirbt er sich einen Grad
der Achtung, des <index indexName="subjects-index">
<term>Vertrauen</term>
</index>Vertrauens, und der Zuneigung seiner <app>
<lem>Bekanten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Bekannten</rdg>
</app>. Er <app>
<lem>nimt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">nimmt</rdg>
</app> an <app>
<lem>andrer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">anderer</rdg>
</app> Wohlergehen <app>
<lem>Theil</lem>
<rdg wit="#a" type="v">theil</rdg>
</app>, und vervielfältiget dadurch sein eignes <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen. Er <app>
<lem>fühlt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">fühlet</rdg>
</app> andrer Elend, aber <app>
<lem>dis <app>
<lem>Mittleiden</lem>
<rdg wit="#a #c" type="v">Mitleiden</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">dies Mitleiden</rdg>
</app> ist nicht Pein, es ist <app>
<lem>süsse</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">süße</rdg>
</app> belohnende Schwermuth. Er scheint blos für andre zu <app>
<lem>sorgen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sorgen</rdg>
</app> und alle vereinigen sich mit dankbarer <index indexName="subjects-index">
<term>Liebe</term>
</index><app>
<lem>Liebe</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Liebe,</rdg>
</app> für seinen <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlstand</term>
</index>Wohlstand wieder geschäftig zu seyn. Er findet sich,
welch unschätzbares <index indexName="subjects-index">
<term>Glück</term>
</index>Glück! geliebt von allen, <app>
<lem>hochgeschätzt</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">hochgeschäzt</rdg>
</app> von allen, beneidet von keinem <app>
<lem>derer, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> ihn näher kennen</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app>. In sich empfindet er den höchsten Grad der
Werthschätzung seiner Selbst, weil er sich bewußt ist, so <app>
<lem>gesinnt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gesinnet</rdg>
</app> zu seyn, daß jeder Gedanke seines <index indexName="subjects-index">
<term>Herz</term>
</index>Herzens, wenn er sichtbar werden <app>
<lem>solte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sollte</rdg>
</app>, ihm <index indexName="subjects-index">
<term>Ehre</term>
</index>Ehre bringen <app>
<lem>würde;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">würde,</rdg>
</app> und <app>
<lem>überdis genießt</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">überdies genießet</rdg>
</app> er die göttliche Wollust, womit großmüthige
wohlthätige Handlungen allemal belohnen. <app>
<lem>Dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Dieses</rdg>
</app> ist zum Beweise <app>
<lem>genug</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genung</rdg>
</app>, daß in allen Beziehungen der <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index>Genuß des Lebens und die <index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade jeder Art des <pb edRef="#d" n="41"/>
<index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügens von den <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Gesinnungen</term>
</index>moralischen Gesinnungen des Menschen, in was für
Umständen er sich auch befinden mag, abhangen.</item>
</list></item>
</list></p>
<note place="end">So oft jemand moralisch schlecht handelt, <app>
<lem>befriedigt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">befriediget</rdg>
</app> er einen Naturtrieb zum <app>
<lem>Nachtheil</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Nachtheile</rdg>
</app> der übrigen. Hieraus entstehet <app>
<lem>innrer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">innerer</rdg>
</app> Widerspruch gegen sich <app>
<lem>selbst, <choice>
<abbr>z. B.</abbr>
<expan>zum Beispiel</expan>
</choice></lem>
<rdg wit="#a" type="pp">selbst. <choice>
<abbr>Z. B.</abbr>
<expan>Zum Beispiel</expan>
</choice></rdg>
</app> der Wollüstling <app>
<lem>kränkt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">kränket</rdg>
</app> durch jede Ausschweifung theils die Ehrliebe, <pb edRef="#b" n="47"/>
<pb edRef="#c" n="47"/> theils die Begierde nach Eigenthum und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">der</rdg>
</app> damit <app>
<lem>ver<pb edRef="#a" n="43"/>knüpfte</lem>
<rdg wit="#d" type="v">verknüpften</rdg>
</app> Unabhängigkeit von andern, welche er doch auch natürlich zu
befriedigen <app>
<lem>wünscht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">wünschet</rdg>
</app>. Der Geitzige <app>
<lem>entzieht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">entziehet</rdg>
</app> sich durch jede eigennützige Handlung einen Theil der <index indexName="subjects-index">
<term>Liebe</term>
</index>Liebe und Achtung anderer, die er doch auch gern <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießen</rdg>
</app> möchte. Es ist daher <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index>Tugend <app>
<lem>eine</lem>
<rdg wit="#a" type="v">die</rdg>
</app> Kunst oder Fertigkeit alle Naturtriebe harmonisch zu
befriedigen.</note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_20">
<head>§. 20.</head>
<app type="structural-variance">
<lem>
<p xml:id="st_20_p1">Es <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> kein selbstthätiges moralisches Geschöpf gedacht werden,
welches in jeder Handlung seine <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft und <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissen <app>
<lem>beleidigte:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">beleidigte,</rdg>
</app> und mir ist es gewiß, daß der verworfenste Bösewicht unter
den <app>
<lem>Menschen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Menschen,</rdg>
</app> hundert gute Handlungen gegen eine <app>
<lem>böse vornimt;</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Böse vornimmt,</rdg>
</app> ja daß in den verschrieensten Missethaten, welche
mehrentheils sehr zusammengesetzte Handlungen zu seyn pflegen, oft
das Gute noch ein <app>
<lem>grosses</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">großes</rdg>
</app> Uebergewicht über das Böse hat. <app>
<lem>Ein allgemeiner Beweis hiervon würde zu viele tiefsinnige
Entwickelungen vorauszuschicken erfordern, und von einem <app>
<lem>grossen Theil</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">großen Theile</rdg>
</app> der Leser, denen ich nützlich zu werden wünsche, doch
nicht völlig <app>
<lem>gefaßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gefasset</rdg>
</app> werden können. Ich will mich also begnügen an einem
einzigen <app>
<lem>Beyspiel</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Beyspiele</rdg>
</app> zu zeigen, wie Handlungen, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> im ganzen betrachtet, Abscheu erregen, doch von ihrer
eigentlich moralischen Seite sehr edel und groß seyn können.
Man zählet es unter die <app>
<lem>ungeheuresten</lem>
<rdg wit="#d" type="v">ungeheuersten</rdg>
</app> Greuel und Schandthaten des Heidenthums, daß Aeltern
ihre eigne <app>
<lem><choice>
<sic>ununschuldige</sic>
<corr type="editorial">unschuldige</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#c #d" type="typo-correction">unschuldige</rdg>
</app> Kinder in die Arme eines glühend gemachten
Götzenbildes <app>
<lem>gelegt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">geleget</rdg>
</app>, und sie unter <app>
<lem>feyerlicher</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">feierlicher</rdg>
</app> Musik den Göttern zum Wohlgeruch haben braten und
verbrennen lassen. Wenn man aber diese sehr zusammengesetzte
Handlung zergliedert, und sie von ihrer moralischen Seite
betrachtet, so <app>
<lem>liegt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">lieget</rdg>
</app> darin so viel edles, als in <app>
<lem>wenig</lem>
<rdg wit="#d" type="v">wenigen</rdg>
</app> Hand<pb edRef="#d" n="42"/>lungen der Christen, die
für Heilige <app>
<lem>erklärt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">erkläret</rdg>
</app> worden sind, zu finden ist. Wenn sich ein Fürst <app>
<lem>entschloß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">entschloß,</rdg>
</app> seinen erstgebornen vielleicht noch einzigen Sohn dem
Moloch <pb edRef="#b" n="48"/>
<pb edRef="#c" n="48"/> zu opfern, so geschahe es zu Folge
nachstehender Religionsprincipien: <list>
<item><label>1.</label> Es giebt eine <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Regierung</term>
</index>moralische Regierung der Gottheit über
einzelne Menschen und ganze Völker; und die Gottheit <app>
<lem>straft</lem>
<rdg wit="#d" type="v">strafet</rdg>
</app> die <index indexName="subjects-index">
<term>Nationen</term>
</index>Nationen, wenn sie sich gegen ihre Gesetze
gröblich vergehen. (Ein wahrer Satz.)</item>
<item><label>2.</label>
<app>
<lem>Aeussere</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Aeußere</rdg>
</app> allgemeine Unglücksfälle sind Beweise des
Unwillens der Gottheit über Völkerschaften, und da
jetzt <app>
<lem>grosse</lem>
<rdg wit="#d" type="v">große</rdg>
</app> Landplagen vorhanden sind, so muß die
Gottheit über unsre <index indexName="subjects-index">
<term>Nation</term>
</index>Nation zürnen. (Ein Satz, den die Heiden mit
den Juden gemein hatten, und viele Christen
annehmen.)</item>
<item><label>3.</label> Der Fürst einer Familie und
eines <app>
<lem>Volkes</lem>
<rdg wit="#c" type="v">Volks</rdg>
</app> ist schuldig, sich allenfals selbst und alles
was ihm das <app>
<lem>theureste</lem>
<rdg wit="#d" type="v">theuerste</rdg>
</app> und liebste ist aufzuopfern, wenn er das
allgemeine <index indexName="subjects-index">
<term>Verderben</term>
</index>Verderben seines <app>
<lem>Volks</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Volkes</rdg>
</app> dadurch verhindern kan. (Ein <app>
<lem>grosser</lem>
<rdg wit="#d" type="v">großer</rdg>
</app>, edler und wahrer Grundsatz.)</item>
<item><label>4.</label> Nun fordert die Gottheit reine
unbefleckte <index indexName="subjects-index">
<term>Opfer</term>
</index>Opfer und das beste was wir haben, zum
Beweise unsrer Demüthigung und Ehrfurcht. Mein Kind
ist noch rein und schuldlos und mir das <app>
<lem>theureste</lem>
<rdg wit="#d" type="v">theuerste</rdg>
</app>, folglich muß ich <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app> den Göttern opfern. Und da <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dies</rdg>
</app> Opfer nicht anders zu den Wolken empor
gebracht werden kan, als wenn es im Feuer hinauf
dampft, so muß ich es zur Rettung meines Volks im
Feuer aufopfern. (Auch dieses sind Sätze, welche die
Juden mit den Heiden gemein hatten, und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">die bey jenen</rdg>
</app> vielleicht auch die Opferung der Erstgebornen <app>
<lem>veranlaßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">veranlasset</rdg>
</app> haben würden, wenn <index indexName="persons-index">
<term>Mose</term>
</index><persName ref="textgrid:2z6t7"><app>
<lem>Moses</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Mose</rdg>
</app></persName> nicht menschenfreundlich
verordnet hätte, daß gewisse Thiere <app>
<lem>dafür substituirt</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">an statt derselben zum
Tempel gebracht</rdg>
</app> und durch deren Schlachtung die Erstgeburt
gelöset werden <app>
<lem>könne</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">sollte</rdg>
</app>. <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Ex:13:12 Ex:13:15">2 Mos. 13, 12.
15.</citedRange></bibl>
<app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Ri:11:30" to="Ri:11:40">Richt. 11,
30–40.</citedRange></bibl></rdg>
</app><supplied>)</supplied></item>
</list></lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app></p>
<p xml:id="st_20_p2"><app>
<lem>Wenn wir nun dergleichen Handlungen von ihrer moralischen
Seite betrachten, so ist unläugbar, daß diese Hei<pb edRef="#d" n="43"/>den nach ihrem obwol irrenden <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissen religiös <pb n="49" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="49"/> und patriotisch gedacht und in so
fern sehr exemplarisch für Christen gehandelt haben, unter
denen viele ganz geringe Gegenstände ihrer
Lieblingsneigungen dem Wohl ihrer Mitmenschen <app>
<lem>aufzuopfern</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">aufzuopfern,</rdg>
</app> durch weit höhere <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsbegriffe</term>
</index>Religionsbegriffe <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">oft</rdg>
</app> nicht bewogen werden können. Die Irrthümer der
Erkentniß waren in <app>
<lem>ihrem</lem>
<rdg wit="#d" type="v">jenem</rdg>
</app> Zeitalter unüberwindlich, und also die Heiden in
dieser Absicht schuldlos. <bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Apg:17:30">Apost. Gesch. 17,
30.</citedRange></bibl> Uebrigens kan <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">auch selbst</rdg>
</app> die so gemeine Tadelsucht oder <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">die</rdg>
</app> Geneigtheit der Menschen das Fehlerhafte in <app>
<lem>andrer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">anderer</rdg>
</app> Handlungen zu rügen,</lem>
<rdg wit="#a" type="pp"><milestone edRef="#a" type="structure" unit="no-p"/> Selbst die unter <choice>
<sic>den</sic>
<corr type="editorial">dem</corr>
</choice> Namen der <index indexName="subjects-index">
<term>Medisance</term>
</index>Medisance nach jedermans Klagen überall herrschende
Tadelsucht, kann</rdg>
</app> ein Beweis seyn, daß gut und vernünftig zu handeln, weit
gewöhnlicher unter den Menschen sey, als Thorheiten und Laster
auszuüben. Niemand redet von dem, was gewöhnlich <app>
<lem>ist,</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">ist</rdg>
</app> und alle Tage von vielen Menschen <app>
<lem>geschiehet</lem>
<rdg wit="#a" type="v">geschieht</rdg>
</app>: daher wird von Personen, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> sich ordentlich und vernünftig betragen, wenig oder gar nicht
gesprochen. So bald aber jemand eine Thorheit begeht, so wird er zum
Märchen der Stadt, blos darum, weil es etwas <app>
<lem>ausserordentliches</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außerordentliches</rdg>
</app> und seltenes ist, dergleichen von einem Menschen von <app>
<lem>kultivirtem</lem>
<rdg wit="#a" type="v">cultivirtem</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">gebildetem</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Verstand</term>
</index>Verstande zu hören. Weil daher alle Menschen ungleich mehr
vernünftige und ihrem <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissen <app>
<lem>gemässe</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">gemäße</rdg>
</app>, als unbesonnene und boshafte Handlungen vornehmen, so <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießen</rdg>
</app> auch alle, die meisten Stunden ihres Lebens <app>
<lem>hindurch,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">hindurch</rdg>
</app> einer <app>
<lem>gewissen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gewissen,</rdg>
</app> ob wol zum Theil blos träumerischen <index indexName="subjects-index">
<term>Selbstzufriedenheit</term>
</index>Selbstzufriedenheit, welche nur <app>
<lem>alsdenn</lem>
<rdg wit="#d" type="v">alsdann</rdg>
</app> erst ganz <app>
<lem>wegfällt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">wegfället</rdg>
</app>, wenn unvermuthete üble Folgen einzelner <app>
<lem>Vergehungen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Vergehungen,</rdg>
</app> sie in ein Elend versetzen, aus welchem sie keinen Ausgang
gewahr werden. Hier<pb edRef="#a" n="44"/>aus erhellet abermals, daß
überhaupt nach den natürlichen Anlagen des <app>
<lem>Menschen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Menschen</rdg>
</app> der Trieb nach <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften zu handeln, mit der <index indexName="subjects-index">
<term>Kultur</term>
</index><app>
<lem>Kultur</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Cultur</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">Ausbildung</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft zugleich bey allen Menschen entstehe. <app>
<lem>Ueberdis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Ueberdies</rdg>
</app> aber ist die <app>
<lem>allgemeine</lem>
<rdg wit="#d" type="v">allgemeine,</rdg>
</app> nur bisweilen bey einzelnen Menschen zum Laster ausartende <app>
<lem>Geneigtheit</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Geneigtheit,</rdg>
</app>
<app>
<lem>andrer Menschen Handlungen strenge zu beur<pb n="50" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="50"/>theilen</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">zum medisieren</rdg>
</app>, ein sehr wirksames Mittel, das Ansehen der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft und <index indexName="subjects-index">
<term>Moral</term>
</index><app>
<lem>Moral</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">der sittlichen Gesetze</rdg>
</app> in der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Ein jeder, <app>
<lem>der</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welcher</rdg>
</app> Fehler tadelt, beruft sich auf Regeln des <pb edRef="#d" n="44"/> Rechts, der <index indexName="subjects-index">
<term>Billigkeit</term>
</index><app>
<lem>Billigkeit</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Billigkeit,</rdg>
</app> und des Anständigen, und erneuert also bey denen, mit welchen
er spricht, das Erkentniß derselben und kläret sie durch ein neues
interessantes Beyspiel auf. Hierdurch werden auch die Beweggründe
zur Befolgung der <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften vermehrt, indem die <app>
<lem>Furcht,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Furcht</rdg>
</app> in ähnlichen Tadel und üble Nachrede zu gerathen, viele zu <app>
<lem>mehrern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">mehrerem</rdg>
</app> Nachdenken und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">zur</rdg>
</app> Aufmerksamkeit auf ihr Verhalten erweckt und die Reizungen zu
Thorheiten besiegen hilft.</p></lem>
<rdg wit="#a" type="varying-structure"><join scope="branches" target="#st_20_p1 #st_20_p2" result="p"/></rdg>
</app>
<note place="end">Ich bin nicht nur <index indexName="subjects-index">
<term>a priori</term>
</index><foreign xml:lang="lat">a <app>
<lem>priori</lem>
<rdg wit="#d" type="v">priori,</rdg>
</app></foreign> aus den <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffen von den göttlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Vollkommenheiten</term>
</index><app>
<lem>Vollkommenheiten</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Vollkommenheiten,</rdg>
</app> fest überzeugt, sondern auch bisher bey allen Proben der Untersuchung
<foreign xml:lang="lat">a posteriori</foreign> vergewissert worden, daß
<ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b50"/>der Satz, <app>
<lem>welchen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">welchen</rdg>
</app> so viel ich <app>
<lem>weis</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">weiß</rdg>
</app>, Pope zuerst ausdrücklich behauptet hat: <hi>Was immer ist, ist
gut</hi>, ohne Einschränkung wahr sey, nemlich im Zusammenhange mit dem
Ganzen und dessen Fortdauer. Die Geneigtheit der Menschen <app>
<lem>über <app>
<lem>andrer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">anderer</rdg>
</app> Handlungen zu richten, welche man wohl von der Verläumdung
und Schmähsucht <index indexName="subjects-index">
<term>unterscheiden</term>
</index>unterscheiden muß, gehöret</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">zur <index indexName="subjects-index">
<term>Medisance</term>
</index>Medisance gehört</rdg>
</app> unter die <app>
<lem>Dinge,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Dinge</rdg>
</app> die immer sind. Ich habe hier <app>
<lem>gezeigt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gezeiget</rdg>
</app>, daß sie einen vortheilhaften Einfluß auf Beförderung der <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität</lem>
<rdg wit="#d" type="v"><index indexName="subjects-index">
<term>Sittlichkeit</term>
</index>Sittlichkeit</rdg>
</app> hat, und ich bitte meine <app>
<lem>Leser</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Leser,</rdg>
</app> darauf Acht zu haben, wie auch in der fernern Abhandlung sich manches
in einem ganz andern <index indexName="subjects-index">
<term>Licht</term>
</index><app>
<lem>Licht</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Lichte</rdg>
</app> ihnen zeigen wird, als es aus dem <app>
<lem>Gesichtspunkt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gesichtspunkte</rdg>
</app>, in <app>
<lem>welchen</lem>
<rdg wit="#a" type="v"><choice>
<sic>melchem</sic>
<corr type="editorial">welchem</corr>
</choice></rdg>
</app> wir durch den üblichen <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterricht gewöhnlich gestellet werden, uns erscheint. Es gehöret
gar sehr zur wahren <index indexName="subjects-index">
<term>Weisheit</term>
</index>Weisheit, sich immer ausführlicher zu überzeugen, daß in dem ganzen
<index indexName="subjects-index">
<term>Plan Gottes</term>
</index><app>
<lem>Plan</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Plane</rdg>
</app> Gottes lauter <index indexName="subjects-index">
<term>Harmonie</term>
</index>Harmonie sey, und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">daß</rdg>
</app>
<pb edRef="#a" n="45"/> auch unsre Naturtriebe an sich <app>
<lem>keine Dissonanz</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">keinen Mißklang</rdg>
</app> veranlassen. Je mehr man dieses einsehen lernet, je angenehmer ist
der Aufenthalt auf der Welt, und je leichter ist es, Gott über alles zu
lieben, mit ganzem <index indexName="subjects-index">
<term>Herz</term>
</index>Herzen alle <index indexName="subjects-index">
<term>Regeln der Ordnung</term>
</index>Regeln der Ordnung zu genehmigen, <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">und</rdg>
</app> unter <app>
<lem>allen</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">allem</rdg>
</app> anscheinen<pb n="51" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="51"/>den <app>
<lem>Mißklang</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Mißklange</rdg>
</app> der <app>
<lem>äusserlichen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">äußerlichen</rdg>
</app>
<app>
<lem>Veränderungen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Veränderungen</rdg>
</app> die Auflösung in die vollkommenste <index indexName="subjects-index">
<term>Harmonie</term>
</index>Harmonie ruhig in der <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft zu erwarten.</note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_21">
<head>§. 21.</head>
<p>Vermöge dieser Betrachtungen <app>
<lem>liesse</lem>
<rdg wit="#d" type="v">ließe</rdg>
</app> sich nun vermuthen, daß es den Menschen nicht schwer werden <app>
<lem>könte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">könnte</rdg>
<rdg wit="#c #d" type="v">könne</rdg>
</app>, täglich weiser, vorsichtiger und tugendhafter zu werden, da ihre
<index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft durch Uebung und <index indexName="subjects-index">
<term>Erfahrung</term>
</index><app>
<lem>Erfahrung</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Erfahrungen</rdg>
</app> immer mehr <app>
<lem>kultivirt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">cultivirt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">gebildet</rdg>
</app> wird, sie auch täglich in allen Gesellschaften <app>
<lem>moralisiren</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">über <pb edRef="#d" n="45"/> das, was anständig
und unanständig ist, urtheilen</rdg>
</app> hören. Die <index indexName="subjects-index">
<term>Erfahrung</term>
</index>Erfahrung <app>
<lem>lehrt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">lehret</rdg>
</app>, daß solches nicht bey allen Menschen statt <app>
<lem>habe;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">habe,</rdg>
</app> daß die guten moralischen Fertigkeiten nicht immer in <app>
<lem>gleicher Proportion</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">gleichem Verhältniß</rdg>
</app> mit den <app>
<lem>Erkentnißkräften</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Erkentnißfertigkeiten</rdg>
</app>
<app>
<lem>zunehmen;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">zunehmen,</rdg>
</app> daß bey <app>
<lem>manchen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">manchem</rdg>
</app> so gar die Gewissenhaftigkeit wiederum <app>
<lem>abnimt;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">abnimmt,</rdg>
</app> und daß auch die edelsten und besten unter den Menschen doch dann und
wann sich bewußt werden, nicht so gut gehandelt zu haben, als es nach ihren
Einsichten ihnen möglich gewesen wäre. Da nun nach den bisherigen <app>
<lem>Untersuchungen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Untersuchungen,</rdg>
</app> alle <index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade der menschlichen Glückseligkeit von der <app>
<lem>Moralität</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Regelmäßigkeit</rdg>
</app> der <app>
<lem>Denkungsart</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Regelmäßigkeit</rdg>
</app> abhangen; so ist für einen <index indexName="subjects-index">
<term>Lehrer</term>
</index>Lehrer der Glückseligkeit nichts so wichtig, als eine deutliche
Einsicht in die Schwächen des Menschen, und in die <app>
<lem>innern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">inneren</rdg>
</app> und <app>
<lem>äussern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">äusseren</rdg>
</app> Hindernisse, welche uns im <index indexName="subjects-index">
<term>Fortgang</term>
</index>Fortgange moralischer <index indexName="subjects-index">
<term>Besserung</term>
</index>Besserung <app>
<lem>aufhalten,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">aufhalten</rdg>
</app> und das <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyn des <app>
<lem>Uebergewichts</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Uebergewichtes</rdg>
</app> der guten Bestimmungen unsres Zustandes schwächen; <app>
<lem>weil</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">indem</rdg>
</app> eben diese eine <app>
<lem>äussere</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">äußere</rdg>
</app> Hülfe bey den Bestrebungen nach Glückseligkeit nothwendig machen, und
diese Hülfe von der <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion und deren <index indexName="subjects-index">
<term>Lehrer</term>
</index>Lehrern erwartet wird.</p>
</div>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b50">
<label>der Satz, welchen [...] Pope zuerst ausdrücklich behauptet hat: Was immer
ist, ist gut</label>
<p>Der englische Dichter Alexander Pope (1688–1744) formulierte diesen Satz in
seinem anthropologischen Lehrgedicht <hi>An Essay on Man</hi>, welches sich
mit der Rolle des Bösen in der Welt beschäftigt und im 18. Jahrhundert
international diskutiert worden ist. Am Ende des ersten Briefes heißt es im
freien Anschluss an Leibniz: „One truth is clear; ‚Whatever <hi>Is</hi> is
<hi>Right</hi>‘“ (Pope, <hi>An essay on man. In Epistles to a
Friend.</hi> Epistle I, 1733, 17). Die unter Friedrich II. (Preußen)
reorganisierte und in ihre erste Blütephase geführte Berliner Akademie der
Wissenschaften machte die Formel zum Thema ihrer Preisfrage für das Jahr
1755, wo sie polemisch diskutiert und im Grunde zum Ausgangspunkt einer
kritischen Auseinandersetzung mit Leibniz und seiner These von der besten
aller möglichen Welten gemacht wurde. Beide gerieten unter dem Eindruck des
Erdbebens von Lissabon (1755) in eine Glaubwürdigkeitskrise: Vor allem
Voltaire stellte die optimistische Weltsicht satirisch in Frage (vgl.
<hi>Poème sur le désastre de Lisbonne</hi>, 1756 sowie <hi>Candide ou
l’optimisme</hi>, 1759). Einige Jahre vor Steinbarts
<hi>Glückseligkeitslehre</hi> überführte der einflussreiche Neologe
Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709–1789) Popes Formel in die
geschichtsphilosophische These, „daß die Welt [...] nach dem jedesmaligen
Maaß ihrer verderbten Sittlichkeit so vollkommen ist, als sie seyn kann, und
daß nirgend überflüssige Uebel sind, die das menschliche Geschlecht ohne
Endzweck unglücklich machen“ (Jerusalem, <hi>Betrachtungen über die
vornehmsten Wahrheiten der Religion</hi>, Bd. 1, 1768, 178; Hervorhebung
gelöscht).</p>
</note>
</div>
</div>