<div xml:id="st_chapter_III" type="chapter">
<head type="main" xml:id="st_III_head_a"><pb edRef="#a" n="46"/>
<pb edRef="#b" n="52"/>
<pb edRef="#c" n="52"/>
<pb edRef="#d" n="46"/> Dritter Abschnitt.</head>
<head type="sub" xml:id="st_III_head_b">
<choice>
<orig>Von den natürlichen Hindernissen der <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Glückseligkeit</term>
</index>höhern Glückseligkeit bey den Menschen.</orig>
<supplied reason="toc-title">Dritter Abschnitt. Von den natürlichen
Hindernissen der höhern Glückseligkeit bey den Menschen</supplied>
<supplied reason="column-title">Dritter Abschnitt</supplied>
</choice>
</head>
<div type="section-group" xml:id="st_III_22-29">
<div type="section" xml:id="st_section_22">
<head>§. 22.</head>
<p>Wir können die wahren Gründe, warum ein lebhaftes <app>
<lem>Bestreben</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Bestreben,</rdg>
</app> täglich weiser und tugendhafter zu werden, und das <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyn des wirklichen <index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht des Guten</term>
</index>Uebergewichts des Guten in unsrem <app>
<lem>Zustande,</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Zustande selbst</rdg>
</app> unter <app>
<lem>unserer</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app>
<app>
<lem>kultivirten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">cultivirten</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Nation</term>
</index><app>
<lem>Nation</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Nationen</rdg>
</app> nicht allgemeiner ist, unter zwey <app>
<lem>Hauptklassen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Hauptclassen</rdg>
</app> bringen. Zur ersten <app>
<lem>Klasse</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Classe</rdg>
</app> rechne ich diejenigen, welche ohne Rücksicht auf die <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion blos aus unserer Natur, und aus der <index indexName="subjects-index">
<term>Entwickelung</term>
</index>Entwickelung ihrer Kräfte in der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index><app>
<lem>Gesellschaft</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gesellschaft,</rdg>
</app>
<app>
<lem>erkant</lem>
<rdg wit="#a #c" type="v">erkannt</rdg>
</app> werden können. In die <app>
<lem>zweite Klasse</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">zweyte Classe</rdg>
</app> stelle ich diejenigen, welche der unter uns herrschende <index indexName="subjects-index">
<term>öffentlich</term>
</index>öffentliche Vortrag der <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion enthält. Die erstern gehören in die gegenwärtige Reihe der
Betrachtungen. Die Gründe der zweiten <app>
<lem>Klasse</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Classe</rdg>
</app> werden dagegen erst im fünften Abschnitte deutlich dargestellet
werden können.</p>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_23">
<head>§. 23.</head>
<p>Zu den Hindernissen eines <app>
<lem>schnellen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">schnellern</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Wachsthum</term>
</index>Wachsthums der <index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index><app>
<lem>Tugend,</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Tugend</rdg>
</app> und eines fortdaurenden <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyns des überwiegenden Guten, welche in der Natur des Menschen<app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">selbst</rdg>
</app>, und in der <index indexName="subjects-index">
<term>Entwickelung</term>
</index>Entwickelung unsrer <index indexName="subjects-index">
<term>Talente</term>
</index>Talente angetroffen werden, gehöret <app>
<lem>zuvörderst</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v"><hi>erstlich</hi></rdg>
</app>: daß der Mensch mit <app>
<lem>blossen</lem>
<rdg wit="#c" type="v">blossem</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">bloßem</rdg>
</app> Vermögen und ohne alle wirkliche <app>
<lem>Erkentniß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Erkentnisse</rdg>
</app> zur Welt <app>
<lem>komt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kommt</rdg>
</app>. Sämtliche <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe müssen durch <index indexName="subjects-index">
<term>Empfindung</term>
</index><app>
<lem>Empfindung</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v"><index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen</rdg>
</app> eingesamlet werden, und der <index indexName="subjects-index">
<term>Verstand</term>
</index>Verstand <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> nicht die kleinste Idee aus sich selbst erzeugen, wovon nicht <app>
<lem>wenigstens</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>wenigsten</sic>
<corr type="editorial">wenigstens</corr>
</choice></rdg>
</app> die Bestandtheile vorher durch den innern oder die <app>
<lem>äussern</lem>
<rdg wit="#a" type="v">äußern</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">äußeren</rdg>
</app> Sinne ihm dargeboten worden wären: ob er <pb n="53" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="53"/> gleich <pb edRef="#a" n="47"/> nachher die von <app>
<lem>aussen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außen</rdg>
</app> eingesamleten <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe verschiedentlich zusammensetzen, thei<pb edRef="#d" n="47"/>len und von einzelnen Seiten betrachten <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>. Es <app>
<lem>hängt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">hänget</rdg>
</app> daher vom Menschen nicht ab, wie er sich die Dinge vorstellen will,
sondern die <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe werden durch die Eindrücke der Gegenstände in die Sinne
gebildet <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b53"/>(<foreign xml:lang="lat">qualis idea impressa talis expressa</foreign>). So <app>
<lem>hängt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">hänget</rdg>
</app> auch die Reihe oder Folge der <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe, die sich uns aufdringen, nicht von uns, sondern von der
Lage des Körpers und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">von</rdg>
</app> dessen Verhältniß gegen die <app>
<lem>ausser</lem>
<rdg wit="#d" type="v">außer</rdg>
</app> uns befindlichen Dinge ab. Hierdurch aber werden zugleich die <index indexName="subjects-index">
<term>Begierden</term>
</index>Begierden <app>
<lem>bestimt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bestimmt</rdg>
</app>, und diese sind bey Kindern ganz unmoralisch, indem sie nothwendig
nach dem, was ihnen sinnlich angenehm ist, ein Verlangen, und gegen das, was
ihnen sinnlich unangenehm <app>
<lem>vorkomt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">vorkommt</rdg>
</app>, einige Widrigkeit empfinden müssen. Bliebe nun ein Kind lediglich
sich selbst überlassen, so würde es <app>
<lem>nie</lem>
<rdg wit="#d" type="v">niemals</rdg>
</app> anders als sinnlich begehren und verabscheuen, und sich wenig über <app>
<lem>witzige oder</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">die</rdg>
</app> mit einem <app>
<lem>vernunftähnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Witz</term>
</index><app>
<lem>Witz</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Witze</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Analogon von <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft</rdg>
</app>
<app>
<lem>versehene</lem>
<rdg wit="#d" type="v">versehenen</rdg>
</app> Thiere erheben. Der Mensch bedarf also, weil er mit <app>
<lem>blossen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bloßen</rdg>
</app> Anlagen zur Welt <app>
<lem>komt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kommt</rdg>
</app>, einer Hülfe von <app>
<lem>aussen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außen</rdg>
</app>, wenn er zum <app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft gelangen, und ein moralisches Wesen werden soll. <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt"><bibl type="biblical-reference"><citedRange n="Joh:3:6">Joh. 3, 6.</citedRange></bibl></rdg>
</app> Da <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app> nun eine von keinem Menschen abhängende Einrichtung unsrer Natur <app>
<lem>ist;</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">ist,</rdg>
</app> so erhellet, daß wer diesen Weg der Darstellung des Menschen für
verderbend hält und tadelt, den <index indexName="subjects-index">
<term>Urheber</term>
</index>Urheber der Natur lästert. Indes hat Gott nun auch dafür <app>
<lem>gesorgt</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">gesorget</rdg>
</app>, daß allen Menschen, die <app>
<lem>ihnen</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> nöthige Hülfe zur <index indexName="subjects-index">
<term>Entwickelung</term>
</index>Entwickelung ihrer <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität</lem>
<rdg wit="#d" type="v"><index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft</rdg>
</app> wirklich <app>
<lem>angedeihet;</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">angedeihet:</rdg>
</app> indem vermöge der <index indexName="subjects-index">
<term>Erfahrung</term>
</index>Erfahrung, theils bey menschlichen Aeltern der natürliche Trieb der
wohlthätigen <index indexName="subjects-index">
<term>Liebe</term>
</index>Liebe gegen ihre Kinder weit länger fortdauert, als bey den Thieren
gegen ihre <app>
<lem>Jungen,</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Jungen;</rdg>
</app> theils Kinder weit hülfsbedürftiger zur Welt kommen, und weit länger
die Verpflegung der Aeltern bedürfen, als junge Thiere, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> in <app>
<lem>wenig</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">wenigen</rdg>
</app> Tagen ihre Mutter verlassen, <pb n="54" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="54"/> und sich selbst ernähren können. Durch <pb edRef="#a" n="48"/> diese dem Anscheine nach unter die Thiere uns
erniedrigende Schwächlichkeit bey <app>
<lem>unserer</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unsrer</rdg>
</app> Geburt werden wir genöthiget, uns dem <index indexName="subjects-index">
<term>Wille</term>
</index>Willen erwachsener <app>
<lem>im Gebrauch der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft stehender</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> Personen zu unterwerfen, und hierdurch erhalten wir die Erweckungen
zum <app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft, und <pb edRef="#d" n="48"/> lernen über die Dinge im
Zusammenhange nachdenken, und sie uns auch von denen Seiten vorstellen, wie
sie sich den Sinnen nicht darbieten. So wie nun hieraus überhaupt erhellet,
daß der <app>
<lem>Mensch,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Mensch</rdg>
</app> um der <index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität fähig zu werden, einer <app>
<lem>äussern</lem>
<rdg wit="#a" type="v">äußern</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">äußeren</rdg>
</app> Hülfe bedürfe, so ist auch nicht schwer einzusehen, wie sehr vieles
in der nachmaligen <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Denkart</term>
</index>Denkart</lem>
<rdg wit="#d" type="v"><index indexName="subjects-index">
<term>Denkungsart</term>
</index>Denkungsart</rdg>
</app> eines Menschen von den ersten Entwickelungen durch die <app>
<lem>Sinne;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Sinne</rdg>
</app> von der <index indexName="subjects-index">
<term>Association</term>
</index>Association der <app>
<lem>Ideen;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Ideen</rdg>
</app> von dem <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterrichte der Aeltern und <index indexName="subjects-index">
<term>Lehrer</term>
</index><app>
<lem>Lehrer;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Lehrer,</rdg>
</app> von den Beyspielen, die man <app>
<lem>siehet;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">siehet,</rdg>
</app> vornemlich aber von den Fertigkeiten, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> man vor dem <app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft <app>
<lem>annimt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">annimmt,</rdg>
</app> und die durch Gewohnheit zur andern Natur werden, abhänge. Hieraus <app>
<lem>folgt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">folget</rdg>
</app> ferner, daß bey der mangelhaften Beschaffenheit des <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterrichts und der <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehung</term>
</index><app>
<lem>Erziehung</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Erziehung,</rdg>
</app> es manchem Menschen weit schwerer werden müsse, als andern, gute
moralische Fertigkeiten nachher zu überkommen, und daß bey einigen gewisse
bösartige Handlungen, als <app>
<lem>blosse</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bloße</rdg>
</app> Folgen der ihnen von den Aeltern beigebrachten schlechten <app>
<lem><choice>
<sic>Grunosätze</sic>
<corr type="editorial">Grundsätze</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="typo-correction">Grundsätze</rdg>
</app> und Gewohnheiten, bisweilen eine sehr geringe Moralität <app>
<lem>haben;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">haben,</rdg>
</app> indem solche Leute, vermöge der in sie ohne <app>
<lem>eigne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigene</rdg>
</app> Wahl gebrachten Vorstellungen und Fertigkeiten, nicht anders handeln
können. Endlich <app>
<lem>fließt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">fließet</rdg>
</app> hieraus noch, daß ganze <app>
<lem>Nationen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Nationen</rdg>
</app> so wie einzelne <app>
<lem>Kinder, <app>
<lem>äusserer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">äußerer</rdg>
</app> Erweckungen</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Kinder äußerer Erweckungen,</rdg>
</app> und einer immer <app>
<lem>mehrern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">mehreren</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Aufklärung</term>
</index>Aufklärung durch <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterricht zur <index indexName="subjects-index">
<term>Verbesserung</term>
</index>Verbesserung <index indexName="subjects-index">
<term>Verbesserung der Moralität</term>
</index>der <index indexName="subjects-index">
<term>Moralität</term>
</index>Moralität von Zeit zu Zeit bedürfen, und <app>
<lem>dis alsdenn</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">alsdann</rdg>
</app> vorzüglich, wenn gewisse unrichtige Erkentnisse und praktische <index indexName="subjects-index">
<term>Vorurtheile</term>
</index>Vorurtheile unter einem <app>
<lem>Volk</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Volke</rdg>
</app> herrschend geworden sind. Es ist demnach <pb n="55" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="55"/> der <index indexName="subjects-index">
<term>Plan Gottes</term>
</index>Plan Gottes, daß der Mensch sich vom Thiere durch <app>
<lem>eigne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigene</rdg>
</app> An<pb edRef="#a" n="49"/>wendung seiner Kräfte zu einer <app>
<lem>höhern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">höheren</rdg>
</app> Gattung mehr geistiger Wesen erheben, und daß die <index indexName="subjects-index">
<term>Aufklärung</term>
</index>Aufklärung der <index indexName="subjects-index">
<term>Nationen</term>
</index>Nationen nach und nach geschehen <app>
<lem>soll</lem>
<rdg wit="#d" type="v">solle</rdg>
</app>. Auch lehret die <index indexName="subjects-index">
<term>Geschichte</term>
</index>Geschichte, daß die göttliche Vorsicht von Zeit zu Zeit neue
Hülfsmittel der Erleuchtung unter den Völkerschaften veranstaltet habe.
Warum solches nicht allgemeiner, nicht mit <app>
<lem>schnellerm</lem>
<rdg wit="#d" type="v">schnellerem</rdg>
</app> Erfolge geschieht? warum ganze Gegenden, wo schon ehedem helle
Erkentnisse herrschten, wieder finster geworden sind? davon können wir <pb edRef="#d" n="49"/> die wahren Gründe nicht angeben, weil unser
Standpunkt zu niedrig und unser Vorhersehungsvermögen zu kurzsichtig ist,
als daß wir den Zusammenhang aller Folgen in alle <index indexName="subjects-index">
<term>Ewigkeit</term>
</index>Ewigkeit überschauen <app>
<lem>könten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">könnten</rdg>
</app>. So viel fället uns aber in die Augen, daß es zum <app>
<lem>Plan</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Plane</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vorsehung</term>
</index>Vorsehung gehöre, daß das gesamte <index indexName="subjects-index">
<term>menschliches Geschlecht</term>
</index>menschliche Geschlecht, so wie einzelne Nationen und einzelne <app>
<lem>Menschen,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Menschen</rdg>
</app> nur sehr <app>
<lem>allmählig</lem>
<rdg wit="#a" type="v">allmälig</rdg>
</app> zu <app>
<lem>höhern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">höheren</rdg>
</app> Stufen der Einsichten und <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">der</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>moralische Glückseligkeit</term>
</index>moralischen Glückseligkeit gelangen sollen. Fräget man aber noch
weiter, warum eben diesem <app>
<lem>Volk</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Volke,</rdg>
</app>
<choice>
<abbr>z. B.</abbr>
<expan>zum Beispiel</expan>
</choice> anjetzt den <index indexName="subjects-index">
<term>Europäer</term>
</index>Europäern, die vorzüglichern Hülfsmittel der <index indexName="subjects-index">
<term>Aufklärung</term>
</index>Aufklärung zugetheilet <app>
<lem>worden</lem>
<rdg wit="#d" type="v">werden</rdg>
</app>? warum eben diese Menschen als Christen, und jene unter Wilden
geboren worden <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">sind</rdg>
</app>? endlich warum jener Unglückliche, dessen <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b55"/>Körper auf dem
Rabensteine uns Grausen erweckt, von Aeltern, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> ihn zum <app>
<lem>Betriegen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">betrügen</rdg>
</app> und <app>
<lem>Stehlen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">stehlen</rdg>
</app> anhielten, in die Welt <app>
<lem>gesetzt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gesetzet</rdg>
</app> worden, und dieser, der sein Todesurtheil gefället hat, von
wohldenkenden Aeltern zu einem ehrenvollen Leben erzogen worden sey? <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b55_2"/>so lege ich die
Hand auf den Mund, und <app>
<lem>bewundre</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bewundere</rdg>
</app> mit <index indexName="persons-index">
<term>Paulus</term>
</index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName> ehrerbietigst den
unbegreiflichen Reichthum der <index indexName="subjects-index">
<term>Weisheit</term>
</index>Weisheit Gottes in der <index indexName="subjects-index">
<term>Mannigfaltigkeit</term>
</index>Mannigfaltigkeit seiner uns unerforschlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Wege</term>
</index>Wege, bin aber auch mit diesem Apostel fest überzeugt, daß so wie
alles von Gott ist <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b55f"/>(<foreign xml:lang="grc">εξ αυτου</foreign>), alles nach seinem <app>
<lem>Plan</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Plane</rdg>
</app> sich entwickelt (<foreign xml:lang="grc">δἰ αυτου</foreign>), eben so
auch alles zu dem Gott <pb n="56" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="56"/> allein würdigen <index indexName="subjects-index">
<term>Ziel</term>
</index><app>
<lem>Ziel</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Ziele</rdg>
</app> der allgemeinen Glückseligkeit <app>
<lem>zuletzt</lem>
<rdg wit="#c" type="v">zulezt</rdg>
</app> zusammen treffen werde, <foreign xml:lang="grc">εις αυτον τα
παντα</foreign>! Nur <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app>
<pb edRef="#a" n="50"/>
<app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> nach den von <app>
<lem>Gott</lem>
<rdg wit="#a" type="v">GOtt</rdg>
</app> in unsern Geist gelegten Empfindungsgesetzen, uns bestimmen, auch mit
<index indexName="persons-index">
<term>Paulus</term>
</index><persName ref="textgrid:251kf">Paulus</persName> zu sagen: Ihm
gehöret <index indexName="subjects-index">
<term>Ehre</term>
</index>Ehre und Ruhm in <index indexName="subjects-index">
<term>Ewigkeit</term>
</index>Ewigkeit! <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt"><bibl type="biblical-reference"><citedRange from="Röm:11:33" to="Röm:11:36">Röm. 11,
33–36.</citedRange></bibl></rdg>
</app></p>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_24">
<head>§. 24.</head>
<p>Das <hi>zweite</hi> in unserer Natur selbst gegründete Hinderniß des
schnellern Anwachses <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Glückseligkeit</term>
</index>moralischer Glückseligkeit ist <app>
<lem>folgendes.</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">folgendes:</rdg>
</app> Der Mensch wird mit solchen <app>
<lem>positiven</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Naturtriebe</term>
</index>Naturtrieben geboren, als ihm zu seiner Erhaltung und körperlichen
<index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart in dem Zustande der <app>
<lem>blossen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bloßen</rdg>
</app> Natur (worin er kein Mitglied einer <app>
<lem>kultivirten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">cultivirten</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft <app>
<lem>ist)</lem>
<rdg wit="#a" type="v">ist),</rdg>
</app> nöthig seyn wür<pb edRef="#d" n="50"/>den, um ihm die dazu
erforderliche Thätigkeit zu geben. Wenn ein Kind einen jeden, <app>
<lem>der</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welcher</rdg>
</app> ihm etwas <app>
<lem>nimt,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">nimmt,</rdg>
<rdg wit="#c #d" type="v">nimt</rdg>
</app> oder sonst wehe thut, ins Gesicht schlägt, <app>
<lem>kratzt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">krazt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">kratzet</rdg>
</app> oder <app>
<lem>beißt,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">beißt;</rdg>
</app> so ist <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app> nichts moralisch Böses; denn in dem <app>
<lem>blossen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bloßen</rdg>
</app> Zustande der Natur müßte das Kind sich selbst vertheidigen, und also
von <index indexName="subjects-index">
<term>Kindheit</term>
</index>Kindheit an sich üben, seine Kräfte zur Abtreibung der Beleidigungen
anzuwenden. Daß wir nach der jetzigen Verfassung unserer <index indexName="subjects-index">
<term>bürgerlich</term>
</index><index indexName="subjects-index">
<term>bürgerliche Gesellschaften</term>
</index>bürgerlichen Gesellschaften die <app>
<lem>grosse</lem>
<rdg wit="#d" type="v">große</rdg>
</app> Bequemlichkeit <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießen</rdg>
</app>, von andern <app>
<lem>beschützt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">beschützet</rdg>
</app> zu werden, ohne uns den Gefahren eines <app>
<lem>Zweikampfes</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Zweykampfes</rdg>
</app> oder <app>
<lem>sonstigen</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">einer</rdg>
</app> Schlägerey aussetzen zu dürfen; daß Richter verordnet sind, und eine
Hauptwache auf dem Markte ist, davon brauchte dem Knaben im
Brandenburgischen kein Erkentniß angeboren zu werden, weil einem jeden in
derjenigen <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft, darin er geboren wird, alle zum <index indexName="subjects-index">
<term>Genuß</term>
</index><app>
<lem>Genuß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Genusse</rdg>
</app> der besondern <app>
<lem>grössern</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">größern</rdg>
</app> Vortheile in derselben nöthige <app>
<lem>Erkentnisse</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Erkentnisse,</rdg>
</app> durch die <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehung</term>
</index>Erziehung beygebracht werden können. Gleiche <app>
<lem>Bewandniß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Bewandnis</rdg>
</app> hat es mit allen andern Trieben, nach welchen die Kinder handeln, und
welche man aus Unverstand für sündliche Neigungen ansiehet. Sie sind alle
gut, ohne sie würde man im blos natürlichen Zustande sich gar nicht erhalten
können. Aber <pb n="57" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="57"/> sie <app>
<lem>müssen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">müssen,</rdg>
</app> durch die <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehung</term>
</index>Erziehung <app>
<lem>modificirt,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">modificirt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">gebildet,</rdg>
</app> nach Maaßgabe <pb edRef="#a" n="51"/> der gesellschaftlichen
Einrichtung, <app>
<lem>in</lem>
<rdg wit="#a" type="v">vermöge</rdg>
</app> welcher wir zu <app>
<lem>grösserer</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">größerer</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart gelangen <app>
<lem>sollen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">können</rdg>
</app>, und in Beziehung auf die <index indexName="subjects-index">
<term>Bestimmung</term>
</index>Bestimmung zu einem gewissen Posten in solcher <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft <app>
<lem>gemässiget</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">gemäßiget</rdg>
</app>, und nach den Gesetzen derselben sich zu <app>
<lem>bequemen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bequemen,</rdg>
</app> gewöhnet werden. Sie auszurotten ist unmöglich; und auch <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app> ist gut, indem sie uns unter solchen Umständen, wo der Schutz der
<index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft uns verläßt, in der nöthigen Thätigkeit unterstützen
müssen. Ja selbst die aus ihnen <app>
<lem>entstehende</lem>
<rdg wit="#d" type="v">entstehenden</rdg>
</app> Leidenschaften, ob sie gleich bisweilen Fehltritte veranlassen,
gehören zur Schnellkraft unserer <index indexName="subjects-index">
<term>Selbstthätigkeit</term>
</index>Selbstthätigkeit, und ohne sie ist kein Mensch zu Handlungen, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> Muth, Standhaftigkeit und Kraft erfordern, aufgelegt. Hieraus lässet
sich nun das wahre <index indexName="subjects-index">
<term>principium</term>
</index>Principium der <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehungskunst</term>
</index>Erziehungskunst herleiten. Kinder werden mit lauter an sich guten
Trieben geboren, durch deren Be<pb edRef="#d" n="51"/>folgung sie sich aber
nur eine blos thierische <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart im <app>
<lem>unkultivirten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">uncultivirten</rdg>
</app> Zustande der Natur verschaffen <app>
<lem>könten;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">könnten;</rdg>
<rdg wit="#c" type="v">könten:</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">können:</rdg>
</app> sollen sie der <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Wohlfart</term>
</index>höhern <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart, welche Mitglieder einer <app>
<lem>wohleingerichteten</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">wohl eingerichteten</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießen</rdg>
</app>, theilhaftig werden; so müssen ihre <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtriebe</term>
</index>Naturtriebe sich nach den <index indexName="subjects-index">
<term>Regeln der Ordnung</term>
</index>Regeln der Ordnung in der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft zu bequemen gewöhnet, und sie zu solchen Erkentnissen
und Fertigkeiten angeleitet werden, die sie der vorzüglichen
Bequemlichkeiten, welche nur brauchbaren Gliedern des <index indexName="subjects-index">
<term>Staatskörper</term>
</index>Staatskörpers zu Theil werden, empfänglich machen. Kinder der Natur
überlassen, heißt sie zu <app>
<lem>Raubthieren</lem>
<rdg wit="#d" type="typo-correction"><choice>
<sic>Raub thieren</sic>
<corr type="editorial">Raubthieren</corr>
</choice></rdg>
</app> bestimmen, welches dem <app>
<lem>Plan</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Plane</rdg>
</app> der Vorsicht nicht gemäß ist, die eben darum Menschenkinder so spät
zu genungsamen Kräften, sich selbst ernähren zu können, gelangen <app>
<lem>läßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">lässet</rdg>
</app>, damit sie erzogen und zu einer gesellschaftlichen und moralischen
<index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart gebildet werden sollen. Eben so ist es nicht gut, wenn man
bey der <app>
<lem>Privaterziehung</lem>
<rdg wit="#a" type="v">privat Erziehung</rdg>
</app> und auch wol in <index indexName="subjects-index">
<term>öffentlich</term>
</index>öffentlichen Anstalten sich möglichst nach den Kindern zu richten,
und ihren <pb n="58" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="58"/> Neigungen nachzugehen sucht. Sie werden <app>
<lem>verwöhnt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">verwöhnet</rdg>
</app>, <pb edRef="#a" n="52"/> und kommen nicht so gut in der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft fort, als wenn sie sich in allerley Personen und <app>
<lem>Denkarten</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Denkungsarten</rdg>
</app> zeitig schicken gelernet haben. In so <app>
<lem>fern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">ferne</rdg>
</app> ist oft ein eigensinniger und wunderlicher Hofmeister <app>
<lem>besser,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">besser</rdg>
</app> als ein gar zu nachgebender und gar zu kunstweiser Mann. Ich muß hier
beyläufig auch noch des rechten <index indexName="subjects-index">
<term>principium</term>
</index>Principiums für die Aufmunterungs und Zuchtmittel gedenken. Kinder
können, wie schon <app>
<lem>gezeiget</lem>
<rdg wit="#c" type="v">gezeigt</rdg>
</app> worden ist, die Gegenstände nicht <app>
<lem>anders,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">anders</rdg>
</app> als nach der <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Empfindung</term>
</index>sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Empfindung</term>
</index>Empfindung und nach der Beziehung auf ihre <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtriebe</term>
</index>Naturtriebe beurtheilen, und es ist ihnen daher nicht möglich
einzusehen, wie das, was ihren Sinnen angenehm ist, im Zusammenhange oder in
der <index indexName="subjects-index">
<term>Zukunft</term>
</index>Zukunft <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">ihnen</rdg>
</app> schädlich, und was ihnen unangenehm ist, dereinst in seinen Folgen <app>
<lem>ihnen</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> nützlich werden <app>
<lem>solte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sollte</rdg>
</app>. Man muß <app>
<lem>daher,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">daher</rdg>
</app> statt der ihnen noch nicht <app>
<lem>sichtbaren</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sichtbaren,</rdg>
</app> und begreiflich zu machenden künftigen guten oder übeln Folgen ihres <app>
<lem>Verhaltens,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Verhaltens</rdg>
</app> willkührliche <index indexName="subjects-index">
<term>angenehme Empfindungen</term>
</index>angenehme <index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen mit den zur künftigen <index indexName="subjects-index">
<term>gesellschaftliche Wohlfart</term>
</index>gesellschaftlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart abzielenden Handlungen, und willkührliche <index indexName="subjects-index">
<term>unangenehme Empfindungen</term>
</index>unangenehme <index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen, mit <pb edRef="#d" n="52"/> der ihnen künftig zum
Schaden gereichenden Aufführung verknüpfen, und durch diese <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Association</term>
</index>Association</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Vergesellschaftung</rdg>
</app> der Ideen die Neigungen <app>
<lem>zweckmässiger</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">zweckmäßiger</rdg>
</app> lenken. Ein Kind wird zum Beyspiel, auch wenn es ihm verboten worden
ist, von Obst und <app>
<lem>andern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">andren</rdg>
</app> Eßwaaren naschen; <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app> ist <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtrieb</term>
</index>Naturtrieb. Daß es künftig sich dadurch in der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft <app>
<lem>entehren</lem>
<rdg wit="#a" type="v">entehren,</rdg>
</app> und um viele Vortheile bringen <app>
<lem>würde, läßt</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">werde, lässet</rdg>
</app> sich ihm noch nicht <index indexName="subjects-index">
<term>anschauend</term>
</index>anschauend machen. Muß es aber dafür einen halben Tag hungern, oder <app>
<lem>bekomt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bekommt</rdg>
</app> es die <app>
<lem>Ruthe;</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Ruthe,</rdg>
</app> so <app>
<lem>überwiegt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">überwieget</rdg>
</app> künftig die Vorstellung dieses sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebels den sinnlichen Trieb zum Naschen, und es wird derselbe <app>
<lem>hiemit <app>
<lem>gemässiget</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gemäßiget</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">hiermit gemäßiget</rdg>
</app>, daß in der Folge die <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft, so bald sie allgemeine Vorschriften und deutliche
Beweggründe einzusehen im Stande ist, denselben zu lenken vermag. Soll <pb n="59" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="59"/> ein Kind lesen <app>
<lem>lernen;</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">lernen,</rdg>
</app> so muß es durch sinnliche Beloh<pb edRef="#a" n="53"/>nungen zum <app>
<lem>Fleiß erweckt <app>
<lem>werden. Denn</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">werden, denn</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">Fleiße erwecket werden, denn</rdg>
</app> an sich ist diese Beschäftigung ihm natürlich <app>
<lem>unangenehm,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unangenehm</rdg>
</app> und von dem künftigen <index indexName="subjects-index">
<term>Nutzen</term>
</index>Nutzen <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> es keine klare und wirksame Vorstellungen haben. Hieraus ergeben sich
folgende <index indexName="subjects-index">
<term>allgemeine Regeln</term>
</index>allgemeine Regeln: <list>
<item><label>1.</label> Man muß gute Handlungen nicht durch <index indexName="subjects-index">
<term>Strafen</term>
</index>Strafen erzwingen, sondern <app>
<lem>möglichst</lem>
<rdg wit="#c" type="typo-correction"><choice>
<sic>möglich</sic>
<corr type="editorial">möglichst</corr>
</choice></rdg>
</app> durch <index indexName="subjects-index">
<term>Belohnungen</term>
</index>Belohnungen zu befördern suchen; weil sie <app>
<lem>alsdenn</lem>
<rdg wit="#d" type="v">alsdann</rdg>
</app> mit <app>
<lem>mehrerer</lem>
<rdg wit="#a" type="v">mehr</rdg>
</app> Lust, und folglich mit Anwendung mehrerer <app>
<lem>Kraft</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Kraft,</rdg>
</app> und demnach <app>
<lem>vollkomner</lem>
<rdg wit="#a" type="v">vollkommner</rdg>
</app> verrichtet werden, auch <app>
<lem>leichter</lem>
<rdg wit="#c" type="v">leichtter</rdg>
</app> eine Fertigkeit in ähnlichen Fällen auf ähnliche Art sich zu
verhalten erweckt wird.</item>
<item><label>2.</label> Bey Züchtigungen sind so <app>
<lem>viel</lem>
<rdg wit="#d" type="v">viele</rdg>
</app> und so starke <index indexName="subjects-index">
<term>unangenehme Empfindungen</term>
</index>unangenehme <index indexName="subjects-index">
<term>Empfindungen</term>
</index>Empfindungen zu veranlassen, als bey jedem einzelnen Kinde
nöthig sind, dem sinnlichen <app>
<lem>Reize</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Reitze</rdg>
</app> zu Unarten das Gegengewicht bis zur Reife des <index indexName="subjects-index">
<term>Verstand</term>
</index>Verstandes zu halten, damit solche nicht vorher schon zu
bösen Gewohnheiten werden.</item>
<item><label>3.</label> Man muß <index indexName="subjects-index">
<term>Belohnungen</term>
</index>Belohnungen und Züchtigungen möglichst den guten und üblen
Folgen, welche gewisse Handlungsarten in der <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Societät</term>
</index>Societät</lem>
<rdg wit="#d" type="v"><index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft</rdg>
</app> haben, <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>analogisch</term>
</index>analogisch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">ähnlich</rdg>
</app> und <app>
<lem>proportionirt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">angemessen</rdg>
</app> einrichten. <choice>
<abbr>Z. E.</abbr>
<expan>Zum Exempel</expan>
</choice> Gewaltthätigkeit gegen andere Kinder durch schmerzhafte
<index indexName="subjects-index">
<term>Strafen</term>
</index>Strafen; Lügen <pb edRef="#d" n="53"/> durch Beschämung und <app>
<lem>Aeusserung</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">Aeußerung</rdg>
</app> eines fortgesetzten Mißtrauens gegen des Kindes Aussagen<app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt"><choice>
<abbr>u. s. w.</abbr>
<expan>und so weiter</expan>
</choice> bestrafen</rdg>
</app>.</item>
<item><label>4.</label> Niemals muß man das Erlernen oder sonst eine
nützliche Uebung Kindern zur Strafe machen, weil hierdurch ein
Widerwille gegen das Gute <app>
<lem>erregt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">erreget</rdg>
</app> wird. Aller <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterricht muß ihnen stets als Wohlthat erscheinen.</item>
</list></p>
<p>Aus diesen Betrachtungen erhellet nun abermals, wie Versäumnisse und Fehler
in der <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehung</term>
</index>Erziehung bösartige Gewohnheiten vor dem <app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> des <index indexName="subjects-index">
<term>Verstand</term>
</index>Verstandes veran<pb n="60" edRef="#b"/>lassen können, und daß daher
in Absicht der Erwachse<pb edRef="#c" n="60"/>nen ein <index indexName="subjects-index">
<term>öffentliches Lehramt</term>
</index><app>
<lem>öffentlich</lem>
<rdg wit="#d" type="v">öffentliches</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Lehramt</term>
</index>Lehramt nützlich sey, um jeden durch Unter<pb edRef="#a" n="54"/>richt und Erinnerung bey der nachmals schwer fallenden <index indexName="subjects-index">
<term>Besserung</term>
</index>Besserung zu Hülfe zu kommen. In dieser Beziehung <app>
<lem>solten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sollten</rdg>
</app> sich die <index indexName="subjects-index">
<term>Prediger</term>
</index>Prediger, als <index indexName="subjects-index">
<term>freundschaftlich</term>
</index>freundschaftliche von den Häuptern <app>
<lem>der <index indexName="subjects-index">
<term>Societät</term>
</index>Societät</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">des <index indexName="subjects-index">
<term>gemeines Wesen</term>
</index>gemeinen Wesens</rdg>
</app> verordnete Rathgeber des <app>
<lem>Volks</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Volkes</rdg>
</app> betrachten, und in ihren <index indexName="subjects-index">
<term>öffentliche Vorträge</term>
</index>öffentlichen <app>
<lem>Vorträgen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Vorträgen,</rdg>
</app> die <index indexName="subjects-index">
<term>allgemeine Regeln</term>
</index>allgemeinen Regeln des gesellschaftlichen Wohlverhaltens ins <index indexName="subjects-index">
<term>Licht</term>
</index>Licht setzen, Beweggründe und Hülfsmittel der Ausübung an die Hand <app>
<lem>geben,</lem>
<rdg wit="#c" type="v">geben</rdg>
</app> und zur willigen Beobachtung der zum allgemeinen Besten abzielenden
<index indexName="subjects-index">
<term>Landesgesetze</term>
</index>Landesgesetze aufmuntern; damit niemand allererst durch <app>
<lem>positive</lem>
<rdg wit="#d" type="v">äußere</rdg>
</app> Zwangsmittel, <app>
<lem>wie</lem>
<rdg wit="#a" type="v">als</rdg>
</app> ein unartiges Kind, von der <index indexName="subjects-index">
<term>Obrigkeit</term>
</index><app>
<lem>Obrigkeit</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Obrigkeit, gut zu werden,</rdg>
</app> genöthiget werden dürfte <app>
<lem>gut zu seyn</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app>.</p>
<note place="end">Aus dem hier angegebenen wahren <index indexName="subjects-index">
<term>principium</term>
</index>Principium der <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehung</term>
</index>Erziehung erhellet, <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b60"/>in wie <app>
<lem>fern <index indexName="persons-index">
<term>Rousseau, Jean-Jacques</term>
</index><persName ref="textgrid:40tdd"><hi>Roußeau</hi></persName></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">ferne <index indexName="persons-index">
<term>Rousseau, Jean-Jacques</term>
</index><persName><hi>Rousseau</hi></persName></rdg>
</app> Recht habe, wenn er die <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtriebe</term>
</index>Naturtriebe für gut <app>
<lem>erklärt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">erkläret</rdg>
</app>, und in wie fern er bey den daraus gefolgerten Regeln für die <index indexName="subjects-index">
<term>Erziehung</term>
</index>Erziehung sich geirret habe. <app>
<lem/>
<rdg wit="#c" type="ptl">Mehr Entwickelung über die Erziehungsregeln
findet man theils <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_c60"/>in der Nachricht von der jetzigen
Verfassung der Erziehungsanstalten in <index indexName="subjects-index">
<term>Züllichau</term>
</index>Züllichau von 1786. theils im 3ten Heft meiner
philosophischen Unterhaltungen.</rdg>
</app></note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_25">
<head>§. 25.</head>
<p>Der <hi>dritte natürliche Grund</hi>, warum das von allen in der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft erzogenen Menschen so leicht zu erlangende Erkentniß
der <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften, doch nicht eine so allgemeine und
fortdaurende Wirksamkeit auf die Gesinnungen und Handlungen beweiset, als
man vermuthen <app>
<lem>solte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sollte</rdg>
</app>, ist dieser: daß zwar die <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft leicht und oft veranlasset wird einzusehen, wie die <index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index>Tugend auf die Ver<pb edRef="#d" n="54"/>besserung des gemeinsamen
und <app>
<lem>privat</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">des persönlichen</rdg>
</app> Wohls, so wie das Laster zu allgemeinen Zerrüttungen und <app>
<lem>unsrem</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unserm</rdg>
</app> eigenen Schaden <hi>abzielet</hi>, daß aber nach dem <app>
<lem>Lauf</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Laufe</rdg>
</app> der Welt es öfters Fälle giebt, wo die <index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index>Tugend uns nachtheilig zu <app>
<lem>werden,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">werden</rdg>
</app> und eine nicht allzugewissenhafte Beobachtung der <app>
<lem>Moral</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gesetze</rdg>
</app> uns leichter und geschwinder glücklich <pb edRef="#c" n="61"/> machen
zu können scheinet. So lange nun der Mensch <pb n="61" edRef="#b"/> die <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">sittlichen</rdg>
</app> Vorschriften nicht für so allgemein hält, daß sie ihn in allen
einzelnen Fällen richtig leiten, son<pb edRef="#a" n="55"/>dern unter
einigen Umständen Ausnahmen davon zu machen für erlaubt ansiehet, so <app>
<lem>gehört</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gehöret</rdg>
</app> nicht viel dazu, ihn nach und nach zu gänzlicher <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissenlosigkeit</term>
</index>Gewissenlosigkeit zu verleiten. Es ist kein Dieb, <app>
<lem>der</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welcher</rdg>
</app> nicht die Ehrlichkeit für etwas ihm und andern nützliches ansehen <app>
<lem>solte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sollte</rdg>
</app>. Allein er glaubt von Zeit zu Zeit <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">sich</rdg>
</app> in dem <app>
<lem>Fall</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Falle</rdg>
</app> zu <app>
<lem>seyn</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">befinden</rdg>
</app>, wo eine Ausnahme von der Regel gemacht werden müsse. Hieraus folget,
daß der Mensch um <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">stets</rdg>
</app> gewissenhaft zu seyn, <app>
<lem><app>
<lem>erst</lem>
<rdg wit="#c" type="v"><hi>erst</hi></rdg>
</app> überzeugt</lem>
<rdg wit="#d" type="pp"><hi>erst</hi> überzeuget</rdg>
</app> werden müsse, die <index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index>Tugend mache <app>
<lem><hi>in</hi></lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">in</rdg>
</app>
<hi>allen Fällen</hi> glücklicher, als ein Vergehen gegen die Gesetze, und
es sey keine Ausnahme von den Vorschriften des <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissens in <app>
<lem>irgends einem</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">keinem</rdg>
</app> Falle <app>
<lem>uns</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">ihm</rdg>
</app> unschädlich. Diese Ueberzeugung von selbst in einem solchen Grade zu
erhalten, daß sie allen Versuchungen widerstehen <app>
<lem>könte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">könnte</rdg>
</app>, erfordert eine sehr geübte <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft, und es ist offenbar, daß die meisten Menschen sich solche
nicht verschaffen können. Hieraus erhellet abermals der <index indexName="subjects-index">
<term>Nutzen</term>
</index>Nutzen eines <index indexName="subjects-index">
<term>öffentliches Lehramt</term>
</index>öffentlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Lehramt</term>
</index>Lehramtes, wenn dieses auch nur die <app>
<lem>Probabilität von der Allgemeinheit</lem>
<rdg wit="#d" type="pp"><index indexName="subjects-index">
<term>Wahrscheinlichkeit</term>
</index>Wahrscheinlichkeit</rdg>
</app> des Nutzens der <index indexName="subjects-index">
<term>Tugend</term>
</index>Tugend in allen einzelnen Fällen verstärkte, und die <app>
<lem>Ausnahmen</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>Ausnahmeu</sic>
<corr type="editorial">Ausnahmen</corr>
</choice></rdg>
</app>, welche das Volk von <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften zu machen sich erlaubt, nach und nach immer
mehr verringerte.</p>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_26">
<head>§. 26.</head>
<p>Ein <hi>vierter Grund</hi> des natürlichen Mangels <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Grade</term>
</index>höherer <index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade der Glückseligkeit <app>
<lem>liegt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">lieget</rdg>
</app> darin, <app>
<lem>daß,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">daß</rdg>
</app> indem wir durch den Grundtrieb unserer <index indexName="subjects-index">
<term>Selbstthätigkeit</term>
</index>Selbstthätigkeit immerfort <app>
<lem>gereizt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gereitzt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">gereizet</rdg>
</app> werden, auf <index indexName="subjects-index">
<term>Verbesserung</term>
</index>Verbesserung unseres Zustandes zu sinnen, <app>
<lem>unsre</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">unsere</rdg>
</app> Aufmerksamkeit fast gänzlich blos auf die <app>
<lem><hi>Veränderungen</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="v">Veränderungen</rdg>
</app>
<app>
<lem>unsres</lem>
<rdg wit="#d" type="v">unseres</rdg>
</app> Zustandes gezogen wird, und wir <pb edRef="#d" n="55"/> darüber die <app>
<lem><hi>bleibenden</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="v">bleibenden</rdg>
</app> und <app>
<lem><hi>fortdaurenden</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="v">fortdaurenden</rdg>
</app> Bestimmungen desselben ganz aus der Acht lassen. Vieles von dem
Guten, was Menschen von <index indexName="subjects-index">
<term>Kindheit</term>
</index><app>
<lem>Kindheit</lem>
<rdg wit="#d" type="typo-correction"><choice>
<sic>Kinheit</sic>
<corr type="editorial">Kindheit</corr>
</choice></rdg>
</app>
<pb edRef="#c" n="62"/> an besitzen, wird von ihnen gar nicht als etwas
Gutes <pb n="62" edRef="#b"/> beahndet, und erst dann, wann sie es
verlieren, fangen sie an, den Werth dessel<pb edRef="#a" n="56"/>ben zu
schätzen. Ein Mensch, der tausend Bequemlichkeiten besitzet, und eine davon
verlieret, <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> Tage lang sich für unglücklich halten, und sich dem rohesten <index indexName="subjects-index">
<term>Mißvergnügen</term>
</index>Mißvergnügen überlassen, ohne die 999 Gründe zur <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index>Zufriedenheit, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> ihm noch übrig sind, zu überdenken. Hierzu <app>
<lem>komt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kommt</rdg>
</app>, daß indem wir immerfort nach <index indexName="subjects-index">
<term>Verbesserung</term>
</index>Verbesserung streben, wir oft mehr wünschen und zu <app>
<lem>erhalten</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">erlangen</rdg>
</app> uns <index indexName="subjects-index">
<term>Hofnung</term>
</index>Hofnung machen, als nach der Ordnung der Dinge von uns erlangt
werden <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>. Wenn sich <app>
<lem>alsdenn</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">alsdann</rdg>
</app> auch wirklich unser Zustand <app>
<lem>verbessert:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">verbessert;</rdg>
</app> so sind wir doch wol noch <app>
<lem>misvergnügt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">mißvergnügt</rdg>
</app>, blos weil die <index indexName="subjects-index">
<term>Verbesserung</term>
</index>Verbesserung nicht so groß ist, als wir erwartet hatten. Hieraus
erhellet nun abermals sehr deutlich, daß die <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtriebe</term>
</index>Naturtriebe an sich gut sind, daß aber, wenn man sich denselben
lediglich überläßt, die <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Grade</term>
</index><app>
<lem>höhern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">höheren</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade der Glückseligkeit nicht entstehen können. Denn es ist
ohnstreitig besser, daß wir mit dem stets regen Triebe <app>
<lem>unsren</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unsern</rdg>
</app> Zustand <app>
<lem>vollkomner</lem>
<rdg wit="#a" type="v">volkommner</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">volkomner</rdg>
</app> zu machen geboren werden, als wenn wir mit der Neigung zur Welt
kämen, uns mit dem, was wir schon Gutes haben, zu begnügen, und mit der <app>
<lem>Einerleiheit</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Einerleyheit</rdg>
</app> unsrer Bestimmungen zufrieden zu seyn. Alle Thätigkeit würde dabey
ermatten, und wir würden nach Art einiger faulen Leute nicht eher unsre
Kräfte anwenden, etwas zu <app>
<lem>unsrem</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unserm</rdg>
</app> Besten zu thun, bis alles, was wir anfänglich hatten, aufgezehret
wäre, und uns die Noth zur Arbeit zwänge. Allein <app>
<lem>ob gleich</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">obgleich</rdg>
</app> der Trieb uns immer zu verbessern gerade zu auf Vermehrung der
Vollkommenheit, und also <app>
<lem>auf Vermehrung</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> der wahren Gründe zur Glückseligkeit, <app>
<lem>abzielt</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">abzielet</rdg>
</app>, so werden wir doch nur dadurch <app>
<lem>gereizt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gereitzt</rdg>
</app>, Mittel zu dauerhafter <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index><app>
<lem>Zufriedenheit</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Zufriedenheit,</rdg>
</app> und <index indexName="subjects-index">
<term>Vergnügen</term>
</index>Vergnügen wirklich zu machen, nicht aber <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">bis</rdg>
</app> zum <app>
<lem>Zweck</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Zwecke</rdg>
</app> selbst, das <app>
<lem>vorhandne</lem>
<rdg wit="#d" type="v">vorhandene</rdg>
</app> und <app>
<lem>erworbne</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">erworbene</rdg>
</app> Gute mit vollem <index indexName="subjects-index">
<term>Bewußtseyn</term>
</index>Bewußtseyn zu <app>
<lem>geniessen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genießen</rdg>
</app> und eine fortdau<pb edRef="#c" n="63"/>rende <index indexName="subjects-index">
<term>Zufriedenheit</term>
</index>Zufriedenheit in uns zu erhalten, <app>
<lem>geführt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">geführet</rdg>
</app>. <pb edRef="#d" n="56"/> Es <pb n="63" edRef="#b"/> bedarf also der
Mensch auch von dieser Seite einer <app>
<lem>äussern</lem>
<rdg wit="#a" type="v">äußern</rdg>
</app> Hülfe, um zu <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Glückseligkeit</term>
</index>höherer Glückseligkeit zu gelangen. Das <pb edRef="#a" n="57"/>
öftere Ueberdenken aller Bestimmungen unsres Zustandes, die gehörige
Schätzung und Zusammenrechnung alles des Guten, was wir besitzen, <app>
<lem>dessen</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">die</rdg>
</app> richtige Abwägung <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">desselben</rdg>
</app> gegen die wirklich vorhandenen <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel, endlich das beständige Bewußtbleiben des <app>
<lem>grossen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">großen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht des Guten</term>
</index>Uebergewichts des <app>
<lem>Guten,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Guten;</rdg>
</app>
<app>
<lem/>
<rdg wit="#c" type="pt">dis alles</rdg>
<rdg wit="#d" type="pt">dieses alles</rdg>
</app> sind Geistesgeschäfte, zu welchen wir durch keinen <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtrieb</term>
</index>Naturtrieb <app>
<lem>gereizt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gereitzt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">gereizet</rdg>
</app>, sondern erst <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">durch <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index>Unterricht</rdg>
</app> angeleitet werden müssen, und wozu öftere Erweckungen zur Uebung, ehe
wir zu einer Fertigkeit in denselben gelangen, von <app>
<lem>aussen</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außen</rdg>
</app> her nöthig sind. Man <app>
<lem><app>
<lem>sieht</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">siehet</rdg>
</app> hieraus abermals,</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">siehet hieraus, abermals</rdg>
</app> wie sehr das <index indexName="subjects-index">
<term>öffentliches Lehramt</term>
</index>öffentliche <index indexName="subjects-index">
<term>Lehramt</term>
</index>Lehramt zur Verbreitung mehrerer Glückseligkeit in einer <index indexName="subjects-index">
<term>Nation</term>
</index>Nation nützlich werden <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">könne</rdg>
</app>, wenn es die <app>
<lem>Menschen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Menschen,</rdg>
</app> auf die Menge des Guten, was sie ohne es zu beahnden besitzen,
aufmerksam <app>
<lem>macht;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">macht,</rdg>
<rdg wit="#c" type="v">macht:</rdg>
</app> den Werth desselben ins <index indexName="subjects-index">
<term>Licht</term>
</index>Licht <app>
<lem>setzt;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">setzt,</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">setzet;</rdg>
</app> die anscheinenden <index indexName="subjects-index">
<term>Uebel</term>
</index>Uebel, als Mittel zu <app>
<lem>grösserer Vollkommenheit,</lem>
<rdg wit="#a #d" type="pp">größerer Vollkommenheit</rdg>
</app> im Zusammenhange <app>
<lem>vorstellt;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">vorstellt,</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">vorstellet;</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>anschauend</term>
</index>anschauende Erkentnisse des <index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht des Guten</term>
</index>Uebergewichts des Guten, zum öftern <app>
<lem>veranlaßt;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">veranlaßt,</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">veranlasset;</rdg>
</app> und endlich Mittel sich derselben immer bewußt zu bleiben <index indexName="subjects-index">
<term>öffentlich</term>
</index>öffentlich <app>
<lem>bekant</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bekannt</rdg>
</app> macht, und zum <app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> derselben <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">kräftig</rdg>
</app> ermuntert.</p>
<note place="end">Wir werden im folgenden zeigen, daß die vom Christenthum so
angelegentlich empfohlne <index indexName="subjects-index">
<term>Pflicht</term>
</index>Pflicht des <index indexName="subjects-index">
<term>Gebet</term>
</index>Gebets, und insonderheit des <index indexName="subjects-index">
<term>Dankgebet</term>
</index>Dankgebets, das natürlichste und wirksamste Mittel sey, ein öfteres
Bewußtwerden des <index indexName="subjects-index">
<term>Uebergewicht des Guten</term>
</index>Uebergewichts des Guten in <app>
<lem>unsrem</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unserm</rdg>
</app> gesamten Zustande zu veranlassen, und daß die öftere Uebung des
<index indexName="subjects-index">
<term>Gebet</term>
</index>Gebets nach und nach die <app>
<lem>Fertigkeit</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Fertigkeit,</rdg>
</app> uns unserer vortheilhaften Verhältnisse und Aussichten bewußt zu
bleiben, nach den <index indexName="subjects-index">
<term>psychologische Gesetze</term>
</index>psychologischen Gesetzen des Denkens hervorbringen müsse.</note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_27">
<head>§. 27.</head>
<p>Der <hi>fünfte Grund</hi>, warum Menschen zum öftern nicht so gut handeln,
als es nach ihren Einsichten <pb n="64" edRef="#b"/>
<pb edRef="#c" n="64"/> möglich wäre, und sich hierdurch <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Grade</term>
</index>höherer <index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Grade der Glückseligkeit verlustig machen, ist schon mehr allgemein <app>
<lem>erkant</lem>
<rdg wit="#a" type="v">er<pb edRef="#a" n="58"/>kannt</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">anerkant</rdg>
</app>, als die vorhergehenden. Es ist dieser: <app>
<lem>die äussern</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Die äußern</rdg>
</app> Eindrücke bringen in unsrer Seele, auch wenn wir schon im völligen
<pb edRef="#d" n="57"/>
<app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft stehen, blos sinnliche <app>
<lem>Erkentniß</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Erkentnisse</rdg>
</app> hervor, und dabey verhält sich die Seele mehr leidentlich, als
selbstthätig. Mit jeder sinnlichen Vorstellung <app>
<lem>entsteht</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">entstehet</rdg>
</app> eine derselben <app>
<lem>gemässe</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">gemäße</rdg>
</app> Begierde, ohne daß wir es verhindern können, und wir sind natürlich
geneigt, derselben gemäß uns zu bestimmen. Ob nun gleich jeder im <app>
<lem>Gebrauch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Gebrauche</rdg>
</app> der <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft stehende Mensch an sich das Vermögen hat, ehe er sich nach
den <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Begierden</term>
</index>sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Begierden</term>
</index>Begierden entschließt, vorher zu überlegen, ob das ihm sinnlich als
gut erscheinende, auch nach seinen Folgen im Zusammenhange, und nach <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften gut <app>
<lem>sey;</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">sey:</rdg>
</app> so findet sich doch, diese Ueberlegungen anzustellen, in uns kein
natürlicher Trieb, sondern die Geneigtheit und Fertigkeit zu überlegen, muß
blos durch Uebung hervorgebracht werden. So lange sie daher noch schwach
ist, wird der Mensch sich oft, ehe er <app>
<lem>überlegt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">überleget</rdg>
</app> hat, von den <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Begierden</term>
</index>sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Begierden</term>
</index>Begierden <app>
<lem>hinreissen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">hinreißen</rdg>
</app> lassen, etwas zu thun, was er bey nachheriger Ueberdenkung
mißbilligen muß. Ueberdis giebt es Fälle, worinnen auch <app>
<lem>geübte</lem>
<rdg wit="#a" type="v">geübte,</rdg>
</app> von ihren <index indexName="subjects-index">
<term>sinnliche Begierden</term>
</index>sinnlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Begierden</term>
</index><app>
<lem>Begierden</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Begierden,</rdg>
</app> überrascht werden, und wo die <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft nicht stark genung ist, dem sinnlichen <app>
<lem>Reize</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Reitze,</rdg>
</app> und den <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtriebe</term>
</index>Naturtrieben zu <app>
<lem>widerstehn</lem>
<rdg wit="#d" type="v">widerstehen</rdg>
</app>. Dahin <app>
<lem>gehört</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gehöret</rdg>
</app> zum Beyspiel: wenn in dem Augenblicke des Entschlusses das <app>
<lem>sinnlich</lem>
<rdg wit="#d" type="v">sinnliche</rdg>
</app> Gute sich sehr klar, und durch <app>
<lem>Begleitung</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">starke Bewegung</rdg>
</app> der materiellen Ideen <app>
<lem>im Körper</lem>
<rdg wit="#c #d" type="om"/>
</app> sehr lebhaft, die <app>
<lem>gegenseitige</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gegenseitigen</rdg>
</app> Beweggründe aber sich eben deswegen nur schwach und blos symbolisch
vorstellen, auch wol die üblen Folgen im Zusammenhange noch sehr entfernt,
ungewiß und vermeidlich <app>
<lem>erscheinen;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">erscheinen:</rdg>
</app> oder auch, wenn der Entschluß schnell <app>
<lem>gefaßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">gefasset</rdg>
</app> werden muß, weil die Gelegen<pb n="65" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="65"/>heit zu handeln vorbey eilt, und also zu überlegen nicht Zeit <app>
<lem>ist:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">ist;</rdg>
</app> in allen diesen Fällen wird auch der <app>
<lem>klügste,</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Klügste</rdg>
</app> und <app>
<lem>tugendhafteste</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">Tugendhafteste</rdg>
</app> straucheln, und unter ihnen derjenige <pb edRef="#a" n="59"/> am
ersten, der die meiste Thätigkeit und Schnellkraft besitzet. Dieser
Fehltritte werden von selbst immer weniger, weil man durch die Folgen eines
jeden derselben zu mehrerer Vorsichtigkeit <app>
<lem>erweckt</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">erwecket</rdg>
</app> wird. Allein wer blos durch die Menge <app>
<lem>eigner</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigener</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Erfahrungen</term>
</index>Erfahrungen <app>
<lem>diese</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">die</rdg>
</app> Behutsamkeit erlernen soll, <app>
<lem>verliert</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">verlieret</rdg>
</app> einen <app>
<lem>allzu grossen</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">allzugroßen</rdg>
</app> Theil <pb edRef="#d" n="58"/> seiner <index indexName="subjects-index">
<term>Wohlfart</term>
</index>Wohlfart; weil oft eine einzige <app>
<lem>leidenschaftliche</lem>
<rdg wit="#a" type="v">leidentschaftliche</rdg>
</app> Handlung, eine einzige Uebereilung, uns den Verlust eines sehr
ansehnlichen Theils <app>
<lem>unsres</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unsers</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Glück</term>
</index><app>
<lem>Glücks</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Glückes</rdg>
</app> zuziehen <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app>. Auch hier muß man daher <app>
<lem>dem</lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="v">den</rdg>
</app> Menschen zu Hülfe kommen. <app>
<lem>Dis <app>
<lem>geschieht</lem>
<rdg wit="#c" type="v">geschiehet</rdg>
</app></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">Dieses geschiehet</rdg>
</app>, indem man theils die <index indexName="subjects-index">
<term>moralische Vorschriften</term>
</index>moralischen Vorschriften und alle Beweggründe zu ihrer <app>
<lem>Beobachtung</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Beobachtung,</rdg>
</app> ihnen zum öftern <app>
<lem>vorhält</lem>
<rdg wit="#a" type="v">vorhält,</rdg>
</app> und hierdurch die Vorstellung derselben bey ihnen <app>
<lem>habitueller</lem>
<rdg wit="#d" type="v">geläufiger</rdg>
</app> macht; theils wenn man die gewöhnlichsten Beyspiele der <app>
<lem>leidenschaftlichen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">leidentschaftlichen</rdg>
</app> Uebereilungen und derselben üble Folgen ins Licht <app>
<lem>setzt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">setzet</rdg>
</app>; theils indem man die Veranlassungen zu denselben und die Mittel
solche zu vermeiden, und ihnen, wenn sie uns überraschen, dennoch zu
entrinnen, <app>
<lem>bekant</lem>
<rdg wit="#a" type="v">bekannt</rdg>
</app> macht, und zur täglichen Vorausüberdenkung der Gelegenheiten, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> uns zum Uebereilen verleiten <app>
<lem>könten</lem>
<rdg wit="#a" type="v">könnten</rdg>
</app>, <app>
<lem>erwecket</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">erweckt</rdg>
</app>.</p>
<p>Wird das <index indexName="subjects-index">
<term>öffentliches Lehramt</term>
</index>öffentliche <index indexName="subjects-index">
<term>Lehramt</term>
</index>Lehramt dazu verwandt, so ist es in die Augen fallend, daß es
Klugheit und Vorsichtigkeit befördert, und mithin die Glückseligkeit um so
viel <app>
<lem>vermehrt</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">vermehre</rdg>
</app>, als es die Uebereilungen zum <app>
<lem>Nachtheil</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Nachtheile</rdg>
</app>
<app>
<lem><choice>
<sic>der derselben</sic>
<corr type="editorial">derselben</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="typo-correction">derselben</rdg>
</app> vermindert.</p>
<note place="end">Es verhält sich mit den <index indexName="subjects-index">
<term>Geistesfertigkeiten</term>
</index>Geistesfertigkeiten des Menschen, wie mit den körperlichen.
Beyderley Fertigkeiten erwachsen lediglich aus eignen Uebungen. So wie ein
Kind, ehe es gehen und laufen lernt, öfters fället, aber eben hierdurch
immer vorsichtiger wird, so strauchelt auch unser Geist bey <app>
<lem>dem</lem>
<rdg wit="#d" type="v">den</rdg>
</app> ersten selbstthätigen <app>
<lem>Versuch</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Versuchen</rdg>
</app> auf der <index indexName="subjects-index">
<term>Laufbahn</term>
</index>Laufbahn zur <app>
<lem><choice>
<sic>Glück<pb n="66" edRef="#b"/>seligkeiten</sic>
<corr type="editorial">Glück<pb n="66" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="66"/>seligkeit</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="typo-correction">Glück<pb edRef="#c" n="66"/>seligkeit</rdg>
</app> zuvörderst sehr oft, nach und nach <app>
<lem/>
<rdg wit="#a" type="pt">aber</rdg>
</app> immer <app>
<lem>weniger</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">seltener</rdg>
</app>. Jeder Fehltritt macht uns <app>
<lem>behutsamer. Und</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">behutsamer, und</rdg>
</app> wie ein lebhafter Mensch bey <app>
<lem>der grössern Fertigkeit</lem>
<rdg wit="#c" type="pp">grösserer Schnelligkeit</rdg>
<rdg wit="#d" type="pp">größerer Schnelligkeit</rdg>
</app> im Laufen <pb edRef="#a" n="60"/>
<app>
<lem>öfter</lem>
<rdg wit="#d" type="v">öfters</rdg>
</app> in Gefahr <app>
<lem>komt</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kommt</rdg>
</app> zu fallen, und wirklich fällt, als ein mit <app>
<lem>phlegmatischer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">kalter</rdg>
</app> Langsamkeit alle Schritte abzählender <app>
<lem>Mensch;</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Mensch,</rdg>
</app> der erste aber, ob er gleich öfter fället, doch gewiß viel weiter
kommen <app>
<lem>wird,</lem>
<rdg wit="#a" type="v">wird</rdg>
</app> als der <app>
<lem>letztere:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">letztere,</rdg>
</app> so können auch <app>
<lem>oft</lem>
<rdg wit="#c #d" type="om"/>
</app> die thätigsten Geister durch ihre Lebhaftigkeit zu <app>
<lem>schwerern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">schwereren</rdg>
</app> Fällen <app>
<lem>veranlaßt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">veranlasset</rdg>
</app> werden, als schwache Köpfe, demohnerachtet aber <app>
<lem>zu <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Grade</term>
</index><app>
<lem>höhern</lem>
<rdg wit="#a" type="v">höheren</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Graden</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">höhere Grade</rdg>
</app> der Glückseligkeit <app>
<lem>hinanklimmen</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">vor jenen ersteigen</rdg>
</app>.</note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_28">
<head>§. 28.</head>
<p>Zu den Hindernissen des schnellern <index indexName="subjects-index">
<term>Fortgang</term>
</index>Fortganges zu <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Grade</term>
</index><app>
<lem>höhern</lem>
<rdg wit="#d" type="v">höheren</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Grade</term>
</index>Graden der Glückseligkeit gehöret <app>
<lem><app>
<lem><hi>sechstens</hi></lem>
<rdg wit="#d" type="v"><hi>sechstens,</hi></rdg>
</app>
<hi>die</hi>
<pb edRef="#d" n="59"/>
<hi>Geneigtheit aller Menschen, sich nach andrer Beyspiel zu
richten, und sich nach den herrschenden praktischen</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Meinungen</term>
</index><hi>Meinungen ihrer</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Nation</term>
</index><hi>Nation zu bestimmen.</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="pp"><hi>sechstens</hi>, die Geneigtheit aller
Menschen, sich nach andrer Beyspiel zu richten, und sich nach den
herrschenden praktischen <index indexName="subjects-index">
<term>Meinungen</term>
</index>Meinungen ihrer Nation zu bestimmen.</rdg>
</app> Da die Begierde nachzuahmen ein <index indexName="subjects-index">
<term>Naturtrieb</term>
</index>Naturtrieb ist, so muß an sich mehr Gutes als Böses dadurch <app>
<lem>bewirkt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bewirket</rdg>
</app> werden; und <app>
<lem>dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">dieses</rdg>
</app>
<app>
<lem>lehret</lem>
<rdg wit="#c" type="v">lehrt</rdg>
</app> auch die <index indexName="subjects-index">
<term>Erfahrung</term>
</index>Erfahrung, indem unsre <index indexName="subjects-index">
<term>Vernunft</term>
</index>Vernunft und <index indexName="subjects-index">
<term>Sitten</term>
</index><app>
<lem>Sitten</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>Sittten</sic>
<corr type="editorial">Sitten</corr>
</choice></rdg>
</app> am meisten durch Umgang <app>
<lem>gebildet</lem>
<rdg wit="#a" type="v">cultiviret</rdg>
</app> werden. Allein da oft schlechte Muster gewählt, und ohne <index indexName="subjects-index">
<term>Unterschied</term>
</index>Unterschied das Böse so <app>
<lem>wol,</lem>
<rdg wit="#d" type="v">wol</rdg>
</app> wie das Gute <app>
<lem>nachgeahmt</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">nachgeahmet</rdg>
</app> wird, so ist offenbar, daß hier abermals auch erwachsene Menschen
noch oft der Hülfe des <index indexName="subjects-index">
<term>Unterricht</term>
</index><app>
<lem>Unterrichts</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Unterrichts,</rdg>
</app> und der Warnungen vor üblen Beyspielen bedürfen. Eben so ist die
allgemeine Geneigtheit, sich nach den herrschenden praktischen <index indexName="subjects-index">
<term>Meinungen</term>
</index>Meinungen seiner <index indexName="subjects-index">
<term>Nation</term>
</index>Nation zu richten, mehr <app>
<lem>vortheilhaft</lem>
<rdg wit="#a" type="v">vortheilhaft,</rdg>
</app> als schädlich, indem alle so <app>
<lem>genante</lem>
<rdg wit="#a #c #d" type="v">genannte</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Vorurtheile</term>
</index>Vorurtheile <app>
<lem><foreign xml:lang="lat">a potiori</foreign></lem>
<rdg wit="#d" type="pp">in Beziehung auf die meisten Fälle (oder
<foreign xml:lang="lat">a potiori</foreign>)</rdg>
</app> wahr sind, und also öfter richtig als unrichtig führen<app>
<lem>; weil sie nur bey der Anwendung auf die wenigen Fälle, von welchen
sie nicht abstrahiret sind, auf Abwege leiten</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app>. <ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b66f"/>Es ist in
dieser Absicht für jede <index indexName="subjects-index">
<term>Nation</term>
</index>Nation ein <app>
<lem>grosses</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">großes</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Beförderungsmittel</term>
</index>Beförderungsmittel der Glückseligkeit, wenn weise Männer in <index indexName="subjects-index">
<term>öffentliche Vorträge</term>
</index>öffentlichen Vor<pb n="67" edRef="#b"/><pb edRef="#c" n="67"/>trägen
die herrschenden <index indexName="subjects-index">
<term>Maximen</term>
</index><app>
<lem>Maximen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Verhaltungsregeln</rdg>
</app> berichtigen, das Gute der <index indexName="subjects-index">
<term>Vorurtheile</term>
</index>Vorurtheile benutzen, und die Fälle, wo sie irre führen, deutlich
ins <index indexName="subjects-index">
<term>Licht</term>
</index>Licht setzen.</p>
<note place="end"><pb edRef="#a" n="61"/>
<index indexName="subjects-index">
<term>Vorurtheile</term>
</index>Vorurtheile sind <app>
<lem><app>
<lem>partikuläre</lem>
<rdg wit="#a" type="v">particuläre</rdg>
</app> wahre</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> Sätze, <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">die größtentheils wahr sind,</rdg>
</app> welche <app>
<lem>aber</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">aber,</rdg>
</app> in so fern sie als allgemeine Wahrheiten <app>
<lem>zu <index indexName="subjects-index">
<term>Prämissen</term>
</index>Prämissen unsrer Schlüsse gebraucht</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">bey unsren Schlüssen zum Grunde gelegt</rdg>
</app> werden, bisweilen einen falschen Schlußsatz veranlassen. <choice>
<abbr>Z. B.</abbr>
<expan>Zum Beispiel</expan>
</choice> der <app>
<lem>Satz:</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Satz,</rdg>
</app> was ein gelehrter und frommer Mann <app>
<lem>versichert,</lem>
<rdg wit="#d" type="v">versichert:</rdg>
</app> das ist wahr; wird diejenigen, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> nicht selbst die innern Gründe des wahren und falschen einer
Behauptung prüfen können, in den meisten Fällen <app>
<lem>richtig,</lem>
<rdg wit="#c #d" type="v">richtig</rdg>
</app> und nur bisweilen irre führen. Aber eben diese Leute würden bey dem
<index indexName="subjects-index">
<term>Unvermögen</term>
</index>Unvermögen selbst zu untersuchen ganz ohne Einsichten bleiben, wenn
sie nicht geneigt wären, diesen Satz für allgemein wahr zu halten. Im Ganzen
sind daher <index indexName="subjects-index">
<term>Vorurtheile</term>
</index>Vorurtheile mehr nützlich als schädlich, besonders in praktischen
und in solchen Fällen, wo keine <app>
<lem>Suspension</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Verzögerung</rdg>
</app> des Urtheils und Entschlusses statt findet. <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="ptl">Nur Gelehrte müssen in dem Felde der
menschlichen <app>
<lem wit="#c">Kentnisse, darin</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">Kenntnisse, in welchem</rdg>
</app> sie Führer der Layen seyn wollen, alles selbst erforscht
haben, und sich nicht von ihren Vorgängern blindlings leiten
lassen.</rdg>
</app></note>
</div>
<div type="section" xml:id="st_section_29">
<head><pb edRef="#d" n="60"/> §. 29.</head>
<p>Zuletzt und <hi>siebentens</hi> gehören zu den <app>
<lem>allgemeinen</lem>
<rdg wit="#d" type="typo-correction"><choice>
<sic>allgemeiuen</sic>
<corr type="editorial">allgemeinen</corr>
</choice></rdg>
</app> Hindernissen der <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Glückseligkeit</term>
</index>höhern <app>
<lem>Glückseligkeit <hi>die falschen</hi>
<index indexName="subjects-index">
<term>Religionsbegriffe</term>
</index><hi>Religionsbegriffe</hi></lem>
<rdg wit="#a" type="pp">Glückseligkeit, die falschen
Religionsbegriffe</rdg>
</app>, durch welche theils die richtige Anleitungen des <index indexName="subjects-index">
<term>natürliches Gewissen</term>
</index>natürlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissens vereitelt, theils ungegründete moralische Beängstigungen
veranlasset werden. Ich rechne alle falsche <index indexName="subjects-index">
<term>Religionsbegriffe</term>
</index>Religionsbegriffe insgesamt, ob sie gleich bey den <app>
<lem>verschiednen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">verschiedenen</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>Nationen</term>
</index>Nationen <app>
<lem>und <index indexName="subjects-index">
<term>Religionspartheyen</term>
</index>Religionspartheyen</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">einzeln genommen</rdg>
</app> sehr verschieden sind, doch unter die natürlichen allen Menschen
gemeinen Hindernisse <index indexName="subjects-index">
<term>höhere Glückseligkeit</term>
</index>höherer Glückseligkeit; weil sie alle darauf hinauslaufen, <hi>daß
man der Gottheit eine willkührliche</hi>
<app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Denkart</term>
</index><hi>Denkart</hi></lem>
<rdg wit="#d" type="v"><index indexName="subjects-index">
<term>Denkungsart</term>
</index><hi>Denkungsart</hi></rdg>
</app>
<hi>zuschreibt</hi>, und sich daher überredet, daß sie den Menschen
willkührliche Gesetze vorschreibe, und <index indexName="subjects-index">
<term>willkührliche Strafen</term>
</index>willkührliche <index indexName="subjects-index">
<term>Strafen</term>
</index>Strafen mit <pb edRef="#c" n="68"/> deren Uebertretung verbinde. Auf
diese <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe aber kommen die Menschen <app>
<lem>alle</lem>
<rdg wit="#d" type="v">sämtlich</rdg>
</app> auf einem und demselben Wege, indem <app>
<lem><choice corresp="#st_b_corr_2">
<sic>natürlicher Weise</sic>
<corr type="authorial">wir natürlich</corr>
</choice></lem>
<rdg wit="#a" type="pp">wir natürlicher Weise</rdg>
<rdg wit="#c #d" type="pp">wir alle natürlicher Weise</rdg>
</app> nur durch <index indexName="subjects-index">
<term>analogisch</term>
</index>analogische <pb n="68" edRef="#b"/> Schlüsse zu Erkentnissen <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">von</rdg>
</app> der Gottheit gelangen können. Der erste Grundbegrif von dem höchsten
Wesen, worinnen alle Völker übereinkommen, ist der Begrif von <pb edRef="#a" n="62"/> einer alles überwältigenden Macht. Nun <app>
<lem>abstrahirt sich</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">entlehnet</rdg>
</app>
<app>
<lem>ein</lem>
<rdg wit="#a" type="om"/>
</app> jeder entweder von der Handlungsart der Mächtigsten seines Landes die <app>
<lem><index indexName="subjects-index">
<term>Denkart</term>
</index>Denkart</lem>
<rdg wit="#d" type="v"><index indexName="subjects-index">
<term>Denkungsart</term>
</index>Denkungsart</rdg>
</app>, welche er der Gottheit <app>
<lem>beymißt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">beymisset</rdg>
</app>, oder er urtheilt nach seinem <app>
<lem>eignen</lem>
<rdg wit="#d" type="v">eigenen</rdg>
</app>
<app>
<lem>Charakter</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Character</rdg>
</app>, und glaubt, die Gottheit handle so, wie er selbst handeln würde,
wenn er eine allgewaltige Kraft <app>
<lem>besässe</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">besäße</rdg>
</app>. Es ist hier der Ort nicht, ausführlich vorzustellen, was für
unbeschreiblichen Schaden alle <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe von etwas <app>
<lem>willkührlichem</lem>
<rdg wit="#a" type="v">willkührlichen</rdg>
</app> in der <index indexName="subjects-index">
<term>Denkart</term>
</index>Denkart und dem Verfahren der Gottheit gegen die Menschen von je her
angerichtet haben. Wem <app>
<lem>kan</lem>
<rdg wit="#a" type="v">kann</rdg>
</app> es aber <app>
<lem>auch</lem>
<rdg wit="#d" type="om"/>
</app> aus der <index indexName="subjects-index">
<term>Geschichte</term>
</index>Geschichte <app>
<lem>unbekant</lem>
<rdg wit="#a" type="v">unbekannt</rdg>
</app> seyn, wie die Menschen, um sich der Gottheit wohlgefällig zu machen,
bald sich des Genusses der unschuldigsten Vergnügungen des Lebens beraubt,
bald sich den Geschäften in der <index indexName="subjects-index">
<term>Gesellschaft</term>
</index>Gesellschaft ganz entzogen, und durch allerley lächerliche Uebungen
und Selbstpeinigungen ihr Leben für sich und andre unnütz und elend gemacht;
bald Schandthaten zur <index indexName="subjects-index">
<term>Ehre</term>
</index>Ehre der Gottheit begangen; <app>
<lem>oder gegen einander</lem>
<rdg wit="#c #d" type="pp">und end<pb edRef="#d" n="61"/>lich
sogar</rdg>
</app> über Lehrformeln in der <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion <app>
<lem/>
<rdg wit="#c #d" type="pt">gegen einander</rdg>
</app>
<app>
<lem>gewütet</lem>
<rdg wit="#a" type="v">gewüthet</rdg>
</app> haben. Hier <app>
<lem>ist</lem>
<rdg wit="#a" type="typo-correction"><choice>
<sic>ist ist</sic>
<corr type="editorial">ist</corr>
</choice></rdg>
</app> nur überhaupt der sehr wichtige Satz <app>
<lem>zu</lem>
<rdg wit="#d" type="v">zur</rdg>
</app> recht <app>
<lem>genauer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">genauen</rdg>
</app> Prüfung und allgemeinen Anwendung allen <index indexName="subjects-index">
<term>öffentliche Lehrer</term>
</index>öffentlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Lehrer</term>
</index>Lehrern zu empfehlen: daß Gott nach seiner höchsten <index indexName="subjects-index">
<term>Weisheit</term>
</index>Weisheit den Plan in der Natur so vollkommen gemacht habe, daß es
keiner Abänderung <app>
<lem>oder</lem>
<rdg wit="#d" type="pp">und keiner</rdg>
</app> Zusätze zu dem Naturgesetze bedarf, sondern <app>
<lem/>
<rdg wit="#d" type="pt">daß</rdg>
</app> alle wahre <index indexName="subjects-index">
<term>göttliche Offenbarungen</term>
</index>göttliche Offenbarungen nur dazu nöthig <app>
<lem>sind</lem>
<rdg wit="#a" type="v">sind,</rdg>
</app> und wirklich abzielen, uns auf den <index indexName="subjects-index">
<term>Plan Gottes</term>
</index>Plan Gottes in der natürlichen Einrichtung unsrer selbst, und der <app>
<lem>ausser</lem>
<rdg wit="#a #d" type="v">außer</rdg>
</app> uns vorhandenen Dinge aufmerksam zu machen, solchen ins <index indexName="subjects-index">
<term>Licht</term>
</index>Licht <pb edRef="#c" n="69"/> zu setzen, und gleichsam näher, und in
gerader Linie uns vor die Augen zu stellen. Alles willkührliche <app>
<lem>führt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">führet</rdg>
</app> von dem natürlichen wahren Wege zur Glückseligkeit ab, ver<pb n="69" edRef="#b"/>wirret die <index indexName="subjects-index">
<term>Gewissen</term>
</index>Gewissen, und <app>
<lem>bringt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">bringet</rdg>
</app> nothwendig eine Menge <app>
<lem>Kollisionen</lem>
<rdg wit="#a" type="v">Collisionen</rdg>
<rdg wit="#d" type="v">Gewissenszweifel</rdg>
</app>, und daraus erwachsender moralischer Beängstigungen hervor. Ich trage
daher kein Bedenken <pb edRef="#a" n="63"/> geradehin zu behaupten, daß das
<index indexName="subjects-index">
<term>öffentliches Lehramt</term>
</index>öffentliche <index indexName="subjects-index">
<term>Lehramt</term>
</index>Lehramt nach dem <app>
<lem>Maaß</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Maaße</rdg>
</app> nützlich oder schädlich sey, nach welchem es die <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe von willkührlichen Forderungen Gottes verringert, oder
vervielfältiget, und daß es ein Hauptzweck der <index indexName="subjects-index">
<term>christliche Religion</term>
</index>christlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Religion</term>
</index>Religion sey, die <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe von aller Willkühr in Gottes Verhalten gegen uns völlig zu
vertilgen. Dieses wird im folgenden <app>
<lem>Abschnitt</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Abschnitte</rdg>
</app> zu immer <app>
<lem>größrer</lem>
<rdg wit="#d" type="v">größerer</rdg>
</app> Deutlichkeit entwickelt werden.</p>
<note place="end"><ptr type="editorial-commentary" target="#st_comm_b69"/><app>
<lem>Dis</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Dieses</rdg>
</app> ist das <foreign xml:lang="grc">πρωτον ψευδος</foreign>, die Urquelle
aller Unrichtigkeiten und aller <app>
<lem>Verwirrung</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Verwirrungen</rdg>
</app> im theologischen <index indexName="subjects-index">
<term>System</term>
</index><app>
<lem>System</lem>
<rdg wit="#d" type="v">Systeme</rdg>
</app>, daß man von einer göttlichen <index indexName="subjects-index">
<term>Offenbarung</term>
</index>Offenbarung Entdeckungen solcher <index indexName="subjects-index">
<term>Begriffe</term>
</index>Begriffe und Sätze erwartet, <app>
<lem>die</lem>
<rdg wit="#d" type="v">welche</rdg>
</app> nicht in der Natur der Dinge gegründet sind; daher hascht man nach
Geheimnissen und Unbegreiflichkeiten, welche den <index indexName="subjects-index">
<term>Verstand</term>
</index>Verstand doch mehr <app>
<lem>verfinstern als</lem>
<rdg wit="#a" type="pp">verfinstern, denn</rdg>
</app>
<index indexName="subjects-index">
<term>aufklären</term>
</index>aufklären, und kein <index indexName="subjects-index">
<term>Licht</term>
</index>Licht über den Weg zur Glückseligkeit verbreiten können.</note>
</div>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b53">
<label>qualis idea impressa talis expressa</label>
<p>Als Zitat nicht nachweisbar. Steinbart untermalt mit der Wendung die –
mindestens auf John Locke zurückgehende – These, dass im menschlichen
Verstand keine eingeborenen Begriffe vorhanden sind, sondern dass diese
durch die Eindrücke der Gegenstände in die Sinne allererst gebildet werden.
Übersetze demnach: „Wie die eingedrückte Idee, so die ausgedrückte.“ Lockes
Kritik an der Vorstellung eingeborener Ideen (<hi>ideae innatae</hi>)
artikuliert in sensualistischer Zuspitzung einen Grundkonsens
aufklärerischer Erkenntnistheorie: Erst durch Untersuchung der Dinge, nicht
aufgrund dogmatischer Autoritäten und Vorurteile kommt wirkliche Erkenntnis
zustande. Das menschliche Bewusstsein ist demnach eine <hi>tabula rasa</hi>,
die erst durch Erfahrung (<hi>experience</hi>) bzw. Wahrnehmung äußerer
Gegenstände (<hi>sensation</hi>) oder mentaler Gegebenheiten
(<hi>reflection</hi>) zu Begriffen gelangt (vgl. Locke, <hi>An Essay
concerning Humane Understanding</hi>, 1690).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b55">
<label>Körper auf dem Rabensteine</label>
<p>D.i. der gemauerte Richtplatz unter dem Galgen (vgl. Grimm,
„Rabenstein“).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b55_2">
<label>so lege ich die Hand auf den Mund</label>
<p>Vgl. Spr 30,32.</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b55f">
<label>εξ αυτου [...] δἰ αυτου [...] εις αυτον τα παντα [...] Ihm gehöret Ehre
und Ruhm in Ewigkeit!</label>
<p>Vgl. Röm 11,36 (ab der dritten Auflage als Bibelreferenz ausgewiesen).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b60">
<label>in wie fern Roußeau Recht habe, wenn er die Naturtriebe für gut erklärt,
und in wie fern er bey den daraus gefolgerten Regeln für die Erziehung sich
geirret habe</label>
<p>Der Aufklärungsphilosoph Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) ging von der
Vorstellung eines Naturzustandes aus, in dem der Mensch als von der
Selbstliebe (<hi>amour de soi</hi>) bestimmtes, wegen seiner
Mitleidsfähigkeit aber nicht aggressives (gegen Thomas Hobbes) Wesen lebt
und erst durch den irreduziblen Vergesellschaftungsprozess korrumpiert wird.
Die Vervollkommnungsfähigkeit (<hi>perfectibilité</hi>) der Menschen erweist
sich als ambivalent, insofern sie sich in der Dynamik von Konkurrenzkampf
und Selbstsucht (<hi>amour propre</hi>) entwickelt. In seinen
staatstheoretischen und pädagogischen Werken hat Rousseau dargelegt, wie vor
diesem Hintergrund ein menschheitsgeschichtlicher Neuanfang philosophisch
vorzustellen ist: So, wie der Bürger des Gesellschaftsvertrags seine
Eigeninteressen aufgeben und sich mit seiner ganzen Person hingeben muss, um
Teil des Gemeinwesens zu werden (vgl. Rousseau, <hi>Du contrat social ou
Principes du droit politique</hi>, 1762), kann der Zögling Émile seine
ursprüngliche Natur nur entfalten, weil er von den Einflüssen der
Gesellschaft seiner Zeit zunächst völlig ferngehalten wird (vgl. Rousseau,
<hi>Émile ou De l’éducation</hi>, 1762). Rousseau zweifelt letztlich an
der Möglichkeit einer sittlichen Gemeinschaft, konzentriert sich auf die
individuelle Mündigkeit und lässt das Verhältnis von Natürlichkeit,
Identität und Humanität im Unklaren (vgl. dagegen Kant, <hi>Über
Pädagogik</hi>, 1803, der dem Gehorsam in der Überwindung der
animalischen Natur Bedeutung zuspricht und die unbedingte Moralität als Ziel
aller Erziehung postuliert).</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_c60">
<label>in der Nachricht von der jetzigen Verfassung [...] in Züllichau von 1786
[...] im 3ten Heft meiner philosophischen Unterhaltungen</label>
<p>Vgl. cVII.</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b66f">
<label>Es ist in dieser Absicht für jede Nation ein grosses Beförderungsmittel
der Glückseligkeit, wenn weise Männer in öffentlichen Vorträgen die
herrschenden Maximen berichtigen, das Gute der Vorurtheile benutzen, und die
Fälle, wo sie irre führen, deutlich ins Licht setzen.</label>
<p>Der popularphilosophische Vorurteilsdiskurs wurde im letzten Drittel des 18.
Jahrhunderts zum entscheidenden Modus aufklärerischer Selbstreflexion: Gegen
die angeblich rationalen Gewissheiten, mit denen Vorurteile kritisiert und
durch Wahrheit ersetzt werden sollten, fragten sozialpragmatisch orientierte
Theorieentwürfe nach konstruktiven Umgangsformen und Funktionen von
Vorurteilen. So ging Georg Friedrich Meier (1718–1777) davon aus, dass alle
menschlichen Überzeugungen und selbst wissenschaftliche Erkenntnisse
großenteils aus bloßen Vorurteilen bestehen. Das Christentum (Meier war
gläubiger Lutheraner) bilde dabei keine Ausnahme – genauso der Atheismus.
Der wahre Wert jeder (religiösen) Erkenntnis beruhe auf dem Nutzen oder
Schaden, den sie für die Glückseligkeit des Menschen bringt, wobei Meier
nicht zuletzt den Nutzen des Glaubens an göttliche Strafen als Beispiel
anführte (vgl. Meier, <hi>Beyträge zu der Lehre von den Vorurtheilen des
menschlichen Geschlechts</hi>, 1766, v.a. § 51). – Dass Steinbart diese
Schrift und die genannte Passage vor Augen hatte, ist recht wahrscheinlich.
In Preußen war die Vorurteilsdebatte nicht selten auch Gegenstand
politischer Instrumentalisierungen, beispielsweise in der Platzierung der
Akademie-Preisfrage nach der Nützlichkeit des Volksbetrugs durch Friedrich
II. (1779/80, vgl. <ptr type="page-ref" target="#st_comm_cLII"/>) oder in
der Woellnerschen Religionspolitik. Erst Kants <hi>Kritik der
Urtheilskraft</hi> (1790) sollte die popularphilosophischen
Rehabilitierungen des Vorurteilsbegriffs wieder aufheben, indem sie das
aufklärerisch-reflexive Selbstdenken als „Maxime der vorurtheilfreien [...]
Denkungsart“ (AA V, 294) vorstellte.</p>
</note>
<note type="editorial-commentary" place="end" xml:id="st_comm_b69">
<label>Dis ist das πρωτον ψευδος, die Urquelle aller Unrichtigkeiten</label>
<p>Das <hi>Proton Pseudos</hi> bezeichnet in der aristotelischen Logik einen
Grundirrtum, aus dem im Rahmen einer logischen Schlussfolgerung weitere
falsche Aussagen folgen. Steinbart wendet den Begriff auf die Annahme der
„Willkühr in Gottes Verhalten gegen uns“ (b69) an, aus dem seiner Ansicht
nach jene theologischen Irrtümer folgen, die im Rahmen seiner
dogmengeschichtlichen Auseinandersetzung korrigiert werden (vgl. den fünften
Abschnitt der <hi>Glückseligkeitslehre</hi>).</p>
</note>
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