/z|a[VII]| |b[VII]| |c[XLIV]| |d1| |e[1]| |f[1]| Vorrede /abzur ersten Auflageab\.
Es kömmt zum richtigen Verständniß eines jeden Schriftstellers ungemein viel darauf an, ihm seine Sprache in ihren Hauptwörtern und vornehmsten Wendungen abzulernen.
ab1 Ein jeder hat seinen eignen Ausdruck, wie seine eigne
ab2 /efSitten
ef\ ∥ef3; und je denkender der Mann ist, der seine Einsichten allgemein macht, je neuer der Gegenstand ist, den er
/abbehandelt, um so
ab\ ∥ab4 häufiger findet er die Sprache, in welcher
ab5 er schreibt, für sich zu
/aenge;
b7a\ ∥a6 er sieht sich also genöthiget,
c8 die in derselben schon vorhandenen
a9 Wörter auf die bequemste Weise zu Zeichen seiner
abc10 Gedanken zu machen. Dieß
a11 ist so allgemein zugestanden, daß man auch schon längst
|aVIII||bVIII| die Nothwendigkeit erkannt hat,
c12 in besondern Büchern den eigenthümlichen Sprachgebrauch der besten Schriftsteller unter den Griechen und Römern zu erklären.
ab13 Und nicht uneben hat man sie den Schlüssel
abcef14 zu ihren Werken genannt
a15, weil sie gleich
|cXLV|sam den Zugang zu ihrer ganzen gelehrten Denkungsart öfnen
f16.
|d2| |e2| |f2| Dieselbe Nothwendigkeit kann
b17 ich nun wohl
∥f18 bey den Schriften des neuen Testaments voraussetzen, ohne mich lange bey ihrer Beweisung aufzuhalten. Gleichwohl
abc19 ist mir noch zur Zeit kein solches Wortregister desselben bekannt, dessen Verfasser es recht eigentlich zur Absicht gehabt hätte, die Ausdrücke und Redarten
/funsrer christlichen Religionsbücher
f\ ∥f20 in Einem Verzeichniße
abef21 zu erklären, von denen die richtige Einsicht in das ganze Christenthum abhängt,
ef23 und aus welchen
ab24 |aIX| |bIX| man den Kern der Religion herausnehmen muß. Ich kann bey
f25 diesem Urtheil es um so weniger zur Absicht haben,
c26 den Werth dessen, was man schon lange durch sogenannte
Concordanzen geleistet hat, zu verringern
abf27 oder diesen ihre
∥ab29 Brauchbarkeit abzusprechen, da sie mir selbst bey dem gegenwärtigen Unternehmen ein so großes Erleichterungsmittel gewesen sind. Allein die Verfasser derselben wollten mehr den Mängeln des Gedächtnisses durch Sammlung aller Schriftstellen, in denen ein Wort vorkömmt, abhelfen, als Urtheile über den Inhalt der Religion selbst veranlassen, und schon das ist eine sehr dankwerthe Mühe gewesen; oder ihr
|cXLVI| Plan war zu groß und zu weitläuftig, als daß sie den Wörtern, die ich hier meyne, eigne Zeit zur Untersuchung und Aufklärung hätten widmen können. –
|aX| |bX| Nur ganz neuerlich haben einige Männer von Einsicht und bekannten Verdiensten angefangen,
c30 die Bahn, die ich betreten habe, selbst mit
|d3| |e3| zu brechen; ich meine
abcf31 Herr D.
/abcCru|f3|sius zu
f32abc\ ∥abc33 Leipzig,
inabc34 den Erläuterungen des Briefs an die Römer, und besonders der Bedeutungen des Worts Gesetz; Herr D.
/abcZachariä in Göttingen,f35 inabc\ ∥abc36 seinen Paraphrasen über die Briefe Pauli, und Herr
Schrader, Prediger in der Grafschaft Ravensberg,
inabc37 der Erklärung des Briefesabf38 an die Römer; die beyde
f39 ihren Auslegungen eine kurze Erklärung der in jedem Briefe
abc40 vorkommenden classischen Wörter vorgesetzt haben. Diese Wahrnehmung hat auch wirklich den Vorsatz, welchen
ab41 ich bereits auf der Universität Helmstädt
ab42 gefaßt hatte, eine solche Erklärung der Hauptwörter des neuen Testaments her
|aXI||bXI|auszugeben, in mir von neuem so lebhaft gemacht, daß nun daraus das Wörterbuch entstanden ist,
f43 welches ich hiermit bekannt mache.
c44
Ich liefere also keine eigentliche Concordanz, kein vollständiges Spruch- Namen-
|cXLVII| und Wortregister, und verweise deswegen auf diejenigen, die man bereits hat. Das alles lag
/aaußer
a\ ∥a45 meinem
/abErklärungskreise
c46, welcher
ab\ ∥ab47 nach meiner Hauptabsicht nur so weit
/agehen sollte
a\ ∥a48, so weit ein jeder des Originals unkundiger Leser geführt werden muß, um es aus eigner deutlichen
abc49 Einsicht zu erkennen, was er als
/aein
a\ Christ zu glauben und zu thun hat. Man wird also keinen Ausdruck, der in
abc50 dieser Absicht erklärt werden muß, vermissen, auch wohl finden, daß ich zuweilen andre
f51, die eben nicht da
|d4||e4|zu gehörten, beyläufig mitge
|aXII||bXII|nommen habe, um unsre
f52 deutsche Uebersetzung auch in solchen, nach
|f4| meinen Einsichten, zu berichtigen,
a53 ohne mich doch hierinn
f54 zu etwas gewissem anheischig zu machen. Da auch die eignen Reden Christi
ab55 und die Schriften der Apostel die unmittelbare Erkenntnißquelle des Christen sind, so habe ich mich zur Zeit nur auf diese eingeschränkt,
ab56 durchaus aber mich der Kürze beflissen, die man, um nicht unbillig
a57 oder gar unverschämt zu seyn, Lesern und Käufern schuldig ist; niemand von noch jetztlebenden
a58 Gelehrten für mich genannt, um die nicht zu beleidigen, die ich nicht nennen konnte; die Sprachbeweise jedem zur eignen Prüfung so faßlich als möglich zu machen
|cXLVIII| gesucht; und alles mit der Offenherzigkeit geschrieben, durch die ich in allen
f59 Gott und Menschen gefällig zu werden
|aXIII| |bXIII| trachte. Doch hat jene Kürze hin und wieder einige Dunkelheit im Ausdruck verursacht, die ich zu spät bemerkt habe, so wie diese Offenherzigkeit mich manchen harten Beurtheilungen aussetzen wird. Aber, Gottlob
a60, daß ich den Einschränkungen des menschlichen Verstandes nicht unterworfen bin, die man sich nach hergebrachten Landesverfassungen gefallen lassen muß, oder zu denen sich ein mehr für seine Finanzen, als für die Wahrheit,
ab61 besorgter
/abGelehrter erniedriget.
ab\ ∥ab62 Ich mag es daher auch noch jetzt
abc63 gar nicht verheelen,
f64 daß ich mit dem Vorsatz
f65 zu Werke gegan
|d5||e5|gen bin, selbst in meinen gegenwärtigen Verbindungen
f66 als Schriftsteller
f67 das Meinige dazu beyzutragen, mehr Klarheit und Reinigkeit in den
|f5| Lehrbegriff zu bringen, die Reli
|aXIV||bXIV|gion Jesu von Menschensatzungen, die es mir nach
∥abc68 gesetzter Prüfung sind, zu scheiden, und uneingenommenen Gemüthern im Lehrstande es immer wichtiger zu machen,
f69 die Religion nicht als eine gelehrte
/abWissenschaft
ab\ ∥ab70 ∥c71 zu behandeln,
f72 und ihr Studium derselben nicht auf
|cXLIX| Spitzfindigkeiten
a73 des Verstandes
ab74 oder Spiele der Einbildungskraft, sondern auf ihre heilsame Anwendung bey ihren Gemeinen zu richten. Hierzu
f75 steht nun aber kein andrer
ef76 Weg offen, als daß man selbst die Schrift verstehe, nach der man andere
f77 zur Glückseligkeit anweisen soll. Chronologische, geographische, historische Untersuchungen mögen immer die Beschäftigung einiger wenigen Gelehrten bleiben. Es würde
/efso gar
ef\ ∥ef78 dem Besten der Religion sehr zuträglich gewesen seyn, wenn man es von
|aXV| |bXV| /efje her
ef\ ∥ef79 mit diesen so gehalten hätte,
f80 statt
∥abcef81 es Zeiten gegeben hat, da alle Auslegungsbücher, academische Streitschriften und Sammlungen verschiedener einzelnen Erklärungen davon wimmelten, und niemand sichs auch nur einfallen ließ, Wörter und Redarten zu berühren, die
/bgeradezu
/aden Inhalt der Religion selbst angehen
a\ ∥a82b\ ∥b83. Mit dem
f84 allen ist dem Lehrer der Religion so wenig
ab85 als dem Schüler geholfen; aber beyden ganz gewiß durch eine genaue Auflösung der Sprache, in
|d6| |e6| welcher die Religion zuerst vorgetragen wurde, in die einfachsten Vorstellungen,
f86 die dabey zum Grunde liegen, die jener für diesen in der Stille anstellt
abef87 und dann ihm öffent
|f6|lich in seiner Muttersprache wiederholt. „Man muß nicht
ef88“ dieß sind die eignen Worte
e89 ∥ab90 Luthers |cL| im Briefe
abc92 vom
Dollmetschen, „die
Buchstaben in der
|aXVI| |bXVI| lateinischen (und
/abcwie ich hinzusetze
abc\ ∥abc93 in der griechischen und hebräischen
abc94) Sprache fragen, wie
/fman soll
f\ ∥f95 deutsch reden, sondern man muß die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt
f96 fragen, wie sie reden, und darnach dollmetschen, so verstehn
abc97 sie denn und merken,
daßa98 man deutsch mit ihnen redet,“ – „das
abcf99 habe ich mich geflißen
abf100, aber leider allewege
f102 nicht erreicht noch troffen.“ So sollten wir
∥ab103, die wir
/abvon Zeit zu Zeit
f104ab\ das Lehramt verwalten,
/abuns
ab\ nur als berufene
a105 Dollmetscher der Reden Christi
ab106 und der Vorträge seiner Apostel betrachten, die in dem zu jeder Zeit gültigen
c107 Deutsch ihren Zuhörern sagen sollen, was der damaligen Welt in ihrer Sprache zuerst verkündiget worden,
f108 und
/adarauf sie
a\ ∥a109 aufmerksam machen. Das würde durch die eben gedachte Wortanalyse
/abgeschehen. Man
ab\ ∥ab110 würde
/fbald da
|aXVII||bXVII|bey finden,
f\ ∥f111 welches
ab112 Redarten sind, die die Apostel selbst nach den verschiedenen Fähigkeiten
b113 und übrigen Umständen ihrer Gemeinen verändern, an welche
ab114 sie
/abselbst sich
ab\ ∥ab115 nicht binden, ohne daß die Hauptsache dadurch verändert wird, und was
|d7| |e7| dagegen stets wesentlich zu dieser gehört; welches
ab116 eigentlich die unveränderliche
Lehre des Evangeliums selbst,
|cLI| und welches
ab117 im Gegentheil die bey den ersten Boten desselben nach ihren verschiedenen Gaben
/abund Um
|f7|ständen
ab\ verschiedene
Lehrart ist; wie wahr es endlich sey, daß nach allen und noch so vielen Erklärungen schwerer Schriftstellen die Summe der Lehren der Religion immer dieselbe bleibt, die der ungelehrte Christ schon in den zehn, zwanzig, klaren und körnigten Sprüchelgen
f118 zusammengezogen findet, die sein Schatz im Leben
ab119 und sein Trost im Tode sind.
/abUnd o
ab\ ∥ab120 wie weit angenehmer und nützlicher wür
|aXVIII||bXVIII|de ihm die Lesung der Schrift werden, wenn man ihm aller Orten das wiederfinden lehrte, was dieses sein kleines Spruchregister enthält! Dieß
ab121 alles ist wenigstens bey mir der Erfolg gewesen, da ich diesen Gang
/abgenommen. Ich
ab\ ∥ab123 wünschte also auch, daß niemand, der künftig die Religion lehren soll, sich die Mühe verdrießen ließe, eben so beym Buchstabiren anzufangen, um die Schrift mit der Zeit ungehindert
abc124 lesen zu können,
f125 und gebe nun dazu in diesem Wörterbuche
ab126 einige Anleitung.
⌇⌇f Die Sache betrift
f127 die richtige vollständige Sammlung und Erkenntniß der Lehren des allgemeinen Christenthums, die genaue Erklärung der Schrift, die dabey zum Grunde liegen muß, und die Deutlichkeit der Uebersetzungen. Dieß
a128 veranlasset mich also von dem einen wie
|cLII| von dem andern noch einige Erinnerungen
e129 beyzufügen.
|aXIX| |bXIX| |d8| |e8| Ich bin zuerst eben
ab130 nicht dafür, daß die Uebersetzung des seligen Luthers jemals ihr kirchliches Ansehn
abcef131 unter uns verliere. Aber von Zeit zu Zeit sie in einzelen
abf132 Wörtern und Redverbindun
|f8|gen zu berichtigen,
ef134 das sollte, dünkt mich, geschehen, hätte schon längst geschehen sollen, und hätte man so fortgefahren, wie man anfing, so wäre nun die Sache vollendet. Wenigstens kann
b135 es keinem Gelehrten unbekannt seyn, wie viel man in den ersten Ausgaben von Zeit zu Zeit darinn
f136 verändert hat.
∥b137 Luther
f138 selbst hat
∥a139, nur nach der
/fvorher angeführten
f\ ∥f140 Stelle, seine Uebersetzung nie für unverbesserlich ausgegeben; er hat gewarnet
ab141 und gebeten,
c142 sie stets nach den Grundtexten zu prüfen, und viele Stellen in der ersten Ausgabe wirklich so übersetzt, wie es ihr eigentlicher Sinn erfodert
f143, oder auch die bessere
a144 Verdeutschung eines
|aXX| |bXX| Worts und eine
abcef145 Redart in den später übersetzten Büchern noch gefunden. Mehrere Beyspiele der letzten Art habe ich schon im Buche selbst
/abgegeben. So
ab\ ∥ab146 /fhat Luther
f\ /abz. E.
ab\ ∥f147 die
/aganz
bc148 hebräische
a\ ∥a149 Redform,
f150 in
abc151 Christo Jesu,
∥f152 richtig deutsch,
/abdurch
ab\ ∥ab153 christlichc154 –
Gemeine in Christo Jesu,
/c/abdurch,
ab\ christliche Gemeinec\ – über
|cLIII|setzt.
ab155 Was hindert es
∥ab156, die von mir angeführten Sprachbeweise dazu genommen, unsre Uebersetzung in ähnlichen Stellen dieser
∥abc157 gleichförmig zu machen,
f158 daß
∥abc159 es nun auch Eph. 3, 21. für
abc160 dem sey Ehre in der Gemeine, die in Christo Jesu ist, heiße
abc161,
dem sey Ehre in der christli|d9||e9|chen Gemeine?
∥f162 – Aber er hat auch nicht selten in der ersten Ausgabe richtiger übersetzt; ganz, wie es seyn
|aXXI| |bXXI| sollte. Ich habe
∥ab163 gezeigt, wie man den Ausdruck,
thut Buße,
|f9| für deutsche Leser sogleich in den verständlichern,
bessert euch, verwandeln solle, und (welches zwar minder wichtig ist, aber doch zur Genauigkeit einer guten Uebersetzung
/abgehört)
ab\ ∥ab164 das Amt zu führen,
a165 in
dienen;
∥ab166 Wort, in
christliche Lehre, Evangelium. Eins wie das andre hat nun in der ersten Ausgabe von 1522
ab167 schon gestanden:
a168 Matth.
c169 3, 2. 4, 17. Marc. 1, 15.
bessert euch; 6, 12.
man soll sich bessern /ab(wie dieß
Bessern auch in den spätern Ausgaben
∥f170 beybehalten worden, Matth. 11, 20. Luc. 13, 3.)
ab\ – Apostg. 8, 4.
und predigte das Evangelion – 2 Cor. 3, 6. welcher uns – gemacht hat,
Diener zu seyn des
/abneuen
c171 Testaments.
ab\
abNeuen Testaments: Und eben so hatte er, wie ich
S. 251. anrathe, Eph. 3, 15. anfänglich,
über alles, was Vater heißt, übersetzt.
ab – Es verdiente überhaupt noch eine genauere Untersuchung, durch welche
|aXXII| |bXXII| Veranlassungen
f172 die spä
|cLIV|tern Ausgaben der Lutherschen Uebersetzung in einzelen
abf173 Stellen, die gar keiner Verbesserung bedurften,
/fdem ungeachtet
f\ ∥f174 /absind
ab\ verändert worden. Von wirklichen Verbesserungen lassen sich die Ursachen leicht angeben, wenn man bedenkt, daß auch Luther und seine Freunde, wie Melanchthon, in der
f175 richtigen Schrifterklärung immer mehr Einsicht und Stärke gewannen. Sie ists, die dem Uebersetzer stets neue Kraft giebt, wie ohne sie
/abniemand sich
ab\ ∥ab176 das Recht anmaßen sollte, über Lehren der Religion zu urtheilen.
|d10| |e10| Aber nun auch hiervon etwas zu sagen:
abc177 so ist zuerst das Auslegungsgesetz,
Schrift aus Schrift zu erklären, zwar längst gemacht und angenommen,
f178 /abnur scheinet es mir
ab\ ∥ab179, daß man sich noch nie recht darüber vereiniget hat, was man
|aXXIII| |bXXIII| darunter verstehen wolle. Denn es recht verstanden und
/fangewendet, wüste
e180f\ ∥f181 ich kein allgemein kräftigers
f182 Hülfsmittel der Auslegung der Schrift. Ich denke mir nemlich dabey eine solche Erklärung, wobey man
entweder auf die ausdrücklichen Zeugnisse Jesu und der Apostel von der Bedeutung, in der sie gewisse Wörter genommen, das meiste Gewicht legt, und
/fsie
f\ also vor allen Dingen
∥f183 aufsucht;
oder den jüdischen Gebrauch einer Redart, eines Ausdrucks, den sie bey ihren Anweisungen zum
|cLV| Grunde legen, den sie als damals allgemein bekannt nicht weiter erklären, sich aus den Sitten dieses Volks nach den Beschreibungen des alten
abc184 Testaments erst verständlich zu machen sucht;
oder endlich Wörter und Ausdrücke, mit denen sie im Vortrag derselben Sache abwechseln, so lange
ab185 /fgegen einander
f\ ∥f186 vergleicht, bis man den all
|aXXIV||bXXIV|gemeinen Begriff aus allen zusammen genommen völlig ausgezogen hat. Immer wird hier Schrift aus Schrift erklärt, und wenn die mittelste Gattung mehr Sprachgelehrsamkeit und Bekanntschaft mit den
e187 Alterthümern erfodert
ef188; so ist die Anwendung der ersten und letzten eine um so leichtere Sache
abc189 für jeden
f190, dem sie selbst wichtig genug ist. Um kurz zu seyn, will
|d11| |e11| ich die Erläuterung desselben
abc191 aus meinem Wörterbuche
abc192 selbst hernehmen. Ich erkläre
Fülle, in Briefen an die Epheser und Colosser, von der Kirche.
ab193 Der
|f11| Sprachgebrauch läßt so etwas vermuthen; aber das eigene
a194 Zeugniß des Apostels, daß er so verstanden seyn wolle, Eph. 1, 23. und die ganze Vergleichung seiner Phraseologie in beyden Briefen, wie ich sie angestellt habe, entscheidet.
a195 Und so gehen mir zu meinem Verständniß der Redart,
an Jesum glau|aXXV||bXXV|ben, seine eignen
/fAussagen, dieß
a196f\ ∥f197 heiße, sein
abc198 Wort halten, seinef199 Freund seyn, und
thun, |cLVI| was er gebiete,
f200 über alles.
ab201 So erkläre ich Schrift aus Schrift in der zweyten Bedeutung, wenn ich bey der Wahrnehmung, daß Jesus
Hoherpriester und
Prophet genannt wird, die ursprüngliche Bedeutung beyder Benennungen aufzufinden
ef202 bis aufs Entstehen des Israelitischen Hohenpriesterthums und der Prophetenwürde unter diesem Volk zurückgehe. Ich erwarte also von einem jeden
f203, der mir seine Erinnerungen über dieses Wörterbuch mittheilen will, mir vor allen Dingen kurz und gut zu sagen, ob er in diesem Verstande Schrift aus Schrift mit mir erklären wolle: Sonst gehen wir, der eine zur Rechten, der andre
f204 zur Linken, und können unmöglich an einem Orte zusammentreffen.
|aXXVI| |bXXVI| Hiernächst gestehe ich, daß mir viele Stellen des neuen
abc205 Testaments gar keiner Erklärung zu
/abedürfen,
a\ ∥a206 durch eine jede, die man versucht, nur
|d12| |e12| mehr verdunkelt
/azu
a\ werden
/ascheinen
a\; und man also auch darinn
f207 sich mehr vereinigen sollte, was
ef208 ∥a209 als aufs deutlichste gesagt, nun auch geradeweg so
/aanzunehmen sey
a\ ∥a210. Es ist mir die unbegreif
|f12|lichste Sache, wie man oft andern den Vorwurf machen könne,
f211 daß sie der Schrift entgegen erklärten, die ihr offenbar die meiste Ehre anthun, und das mit willigstem Beyfall an
|cLVII|nehmen, was in derselben mit dürren Worten gesagt wird. Sie beharret z. E. immer auf der Versicherung, daß
Jesus der Herr sey; sie nennt ihn durchaus
den Herrn; sie erklärt sich darüber an so vielen Orten, wie ich das alles
bey diesem Artikel kurz angezeigt habe.
ab212 Warum sucht man noch eine gezwungne
ef213 |aXXVII| |bXXVII| Erklärung, daß dieß
a214 /fso viel
f\ ∥f215 als
Jehova sey? Josephus sagt ausdrücklich das Gegentheil
∥ab216, und wenn die griechischen Uebersetzer für diesen Namen ihr
κυριος brauchen, so kam es eben daher, weil sie den Namen
Jehovaf217 als Juden
f218 nie aussprachen, und also auch so übersetzten, als ob
Adonai stünde. Was
ab219 ist unbedingter gesagt, als 1 Cor. 15, 28.
abc220 daß der Sohn dereinst das Reich übergeben und selbst unterthan
f221 seyn werde – der ganze Sohn – daß ich so reden mag;
ef222 warum ehrt man die Schrift nicht
ab223 und läßt es dabey bewenden, statt daß man nun eine vorausgefaßte
ab224 Theorie hinein zu zwingen sucht?
Wie viel nun bey solchen Uebersetzungen und Erklärungen der Schrift
dieabcef225 Erkenntniß und der heilsame Unterricht der Religion gewinnen würden
ab226,
|d13| |e13| ist unnö
|aXXVIII||bXXVIII|thig weitläuftig zu sagen. Nur die einzige Erklärung, die ich von dem Schriftge
|cLVIII|brauch
ef227 des Ausdrucks,
Furcht Gottesabc228, gegeben habe, angenommen
a229 und recht durchdacht,
|f13| müste
f230 wahrhaftig auch die Kraft und Würde des Christenthums ganz anders geschätzt und im täglichen Wandel verherrlichet werden.
ab231 Und dieß
a232 ist es, was ich mit aller Aufrichtigkeit des Herzens,
ab233 als den edelsten Zweck des christlichen Lehramts,
ab234 auch durch diese Arbeit zu befördern gesucht habe.
⌇⌇f /abBerlin
cef235 den 13. März
ef236 1772.
ab\z\
/ab|c[LIX]| |d14| |e14| |f14| |z[3]| Vorrede /zzu den Zusätzen der zweyten Auflagez\.
Um den Besitzern der ersten Auflage meines Wörterbuchs nicht beschwerlich zu fallen, habe ich die zweyte bis auf einige
∥z1 meistens die Zahlen angehende Berichtigungen des Drucks unverändert gelassen,
z2 und dafür die folgenden Zusätze besonders ausgearbeitet. Ich bedaure nur, daß ich der Unbequemlichkeit, die durch eine solche Trennung in dem Gebrauch
/zentstehen mußte
z\ ∥z3, nicht eben so gut habe abhelfen können,
z4 und sie zum Theil dadurch vermehrt worden ist, daß in der Correctur der ersten Bogen das
/zSternzeichen ausgelassen
z\ ∥z5 worden, wodurch sich in den letzten
z6 die Beziehungen auf die Zusätze von
∥cz7 Zurückweisungen auf das Wörterbuch selbst unterscheiden.
Sonst enthalten diese Zusätze einigemal
∥cz8 wirkliche Verbesserungen; zuweilen Nachholungen von Wörtern,
z10 auf die ich schon im Wörterbuch hingewiesen hatte, wie
Stachel , Spiegel ; noch öfter Bestätigungen, wie bey
Furcht Got|cLX|tes ,
Fülle ,
cefz11 u. a. m. größtentheils aber
/ffreywillige Beyträge
f\ ∥f12 von
|f15| Wörtern und Redarten, als,
andächtig , hochherfahren , Griechen , Handel u. d. durch
|d15| |e15| deren Auslegung die Lesung des neuen Testaments jedem, der sich nicht selbst helfen kann, erleichtert wird. Bey diesen konnte ich um so kürzer seyn, da die Einsicht in das eigentliche Christenthum davon eben nicht abhängt,
z13 und ich mich hierüber schon in der Vorrede zum
/zWörterbuche
c14z\ ∥z15 erklärt habe. Nur die Bestätigungen erfoderten
f16 mehr Umständlichkeit,
f17 welche
z18 sich freylich
/fauch
f\ eher für einen Commentar als für ein Wörterbuch schickt, aber gleichwohl wegen der besondern Veranlassungen, welche
z19 ich dazu gehabt, nicht zu vermeiden war.
Es kann nun dem Leser einerley seyn, welches
/fdieselben
f\ ∥f20 gewesen.
z21 Mir kam es zu,
z22 den besten Gebrauch für ihn und mich selbst davon zu machen,
fz23 und dieß
z25 habe ich nicht nur gelegentlich gethan, was die Hauptsache anlangt, sondern will es auch
/czjetzt
cz\ ∥cz26 wegen gewisser
z28 dabey vorgefallener Misverständnisse
f29 thun.
|z5| Ich bin völlig überzeugt, daß Religion und Theologie, das Christenthum nach der Schrift und das Christenthum nach dem System
/funendlich
f\ weit voneinander
efz30 unter
|cLXI|schieden sind. Ich sehe dieses für ein Gebäude an, welches dem Scharfsinne
cz31 des menschlichen Verstandes Ehre macht, an welchem
cz32 viele Kunst verschwendet ist, und welches man also wohl ein und das andremal
cz33 zur Bewunderung der Kunst besehen kann, aber gewiß nicht beziehen muß, wenn man gesund und ruhig
|f16| wohnen will. Dieß
z34 würde auch zuverläßig das Urtheil der meisten
ef35 |d16| |e16| seyn, wenn sie nicht das System sich eher geläufig gemacht
/zhätten
z\, ehe sie aus eignem Antriebe
cz36 und mit allen dazu gehörigen Hülfsmitteln die Schrift gelesen. Es würde dann schlechterdings unmöglich seyn,
cz37 daran einen Geschmack zu gewinnen, oder, wenn nicht noch nachher die Bekanntschaft mit demselben dazu käme, von selbst auf solche mühsame Zurüstungen zu verfallen. Diese Ueberzeugung nun war bey mir im ersten Aufkeimen, da ich vor zehn Jahren die Verfertigung meines Lehrbuchs
f38 /zunternahm; und
z\ ∥z39 sie ist seitdem zu einer solchen Größe und Stärke gewachsen
ef40, daß ich vor einiger Zeit mich entschloß,
cz41 in einem Wörterbuche
czf42 die Bearbeitung merklich zu machen, unter welcher sie bey mir zugenommen
/czhat
cz\. Ich fürchtete
/czalso zwar
cz\ ∥cz44 keine augenblickliche Wegwerfungen oder ungeziemende Anschwärzungen von gesetzten
z45 und billigen Männern; aber ich er
|cLXII|wartete auch eben so wenig den Beyfall derer, die auf andern Wegen die gegenseitige Ueberzeugung sich schon längst in frühern Jahren zu eigen gemacht,
f46 und ich sehe klar ein, wie beynahe unmöglich es für solche seyn muß, wenn besonders Geschäfte oder andre Hindernisse einer ruhigen Prüfung dazukommen
ef47, den Rückweg zu nehmen
ef48 und den Weg,
z49 den ich gegangen bin,
z50 einzuschlagen. Ich schrieb also für solche, die noch für kein System eingenommen sind, wie es billig am wenigsten Anfänger in der
|f17| Erlernung theologischer Wissenschaften seyn sollten,
fz51 und ihnen vornehmlich widme ich
|d17| |e17| auch diese Zusätze. Sie stehen noch am Scheidewege; bey ihnen steht es noch,
z53 sich der Hülfsmittel aus der Kirchengeschichte und
/zeiner philosophischen
z\ Kenntniß der alten Sprachen zu bemächtigen, durch welche man in den Stand gesetzt
z54 wird,
f55 das reine Metall des Christenthums von den Schlacken einer sectirischen Philosophie oder abergläubischen Schwärmerey zu scheiden.
z56 |z7| An sie will ich mich also noch mit folgenden Vorstellungen und Bitten wenden.
Zuerst werden sie hoffentlich es der Mühe werth achten,
z57 zu untersuchen,
/zwie viel
z\ ∥z58 Zeit man eigentlich in
/fbeynahe siebzehn
f\ ∥f59 Jahrhunderten,
z60 oder nur, um nicht
/zso weit
z\ ∥z61 |cLXIII| zurückzugehen, seit der Reformation, auf die Auslegung der Schriftstellen verwendet
ef62 hat, aus denen die Lehrsätze des Christenthums herauszuziehen sind; unter welchen äußerlichen Umständen man dabey zu Werke gegangen ist; und welche Hülfsmittel man dazu angewendet
ef63 /czhat
cz\. Ich will,
z65 um ihrem
z66 Urtheil nicht vorzugreifen,
z67 nicht sagen, wie günstig oder ungünstig das Resultat dieser Untersuchung für die herrschend gewordne
czf68 Erklärungen ausfallen muß, wenn sie gehörig angestellt wird:
ef70 aber
z71 ich bitte darum so sehr, so lieb es ihnen seyn wird, und zum mannigfaltigsten
f72 Gebrauch nützlich
z73, sie mit Fleiß geendiget zu haben.
Hiernächst ist es nöthig,
f74 daß sie aus eigner
f75 Lesung und Vergleichung bey sich entscheiden, ob
|f18| die Sprachart des neuen Testaments wirklich hebräisch-griechisch oder rein-griechisch sey. Seit
|d18| |e18| ohngefähr
z76 dreyßig
c77 Jahren hat zwar
|z8| jene Meinung
f78 ein merkliches Uebergewicht gewonnen,
z79 und sie wird wohl ietzt
czf80 in Deutschland von den angesehensten Schriftauslegern durchgängig behauptet. Allein ich wünschte doch, daß es immermehr
ef82 in der Folge keine bloße Ueberlieferung aus dem Verstand
f83 des einen in das Gedächtniß des andern würde, sondern eine durch eigne
f84 Versuche gewirkte Ueberzeugung. Mir ist
|cLXIV| dazu sehr nützlich
z85 gewesen, wenn ich in meinen academischen
e86 Jahren am Morgen einen Abschnitt,
z87 ohne mich nach Kapiteln zu richten, aus dem
/zA. T.,
z\ ∥z88 den Grundtext und die Alexandrische
cz89 Uebersetzung
/zverglichen, gelesen,
z\ ∥z91 und nachher Abends einige Absätze aus dem N. T.
z92 Da war der Eindruck von den früh gefaßten hebräisch-griechischen Redformen der Alexandriner noch so lebhaft in mir, daß ich von selbst merkte,
fz93 es sey einerley Sprachart,
z95 und mir in Gedanken manche Erklärung machte, die ich nachher angenommen. So hatte ich z. E. in den Psalmen gelesen die
z96 Erde und ihre ganze Fülle mit demselben griechischen Wort, das Paulus in den Briefen an die
/fEpheser und
f\ Colosser braucht, gerieth kurz nachher über die Stelle Col.
f97 1, 19. und machte also die Anwendung davon.
|z9| Aber die hebräisch-griechische Sprachart recht kennen zu lernen, ist es, dünkt mich, noch Kleinigkeit
f98 sie bloß in einzelnen
Worten,z99 Redarten |f19| und
Redverbindungen aufzusuchen.
z100 Hier ist
|d19| |e19| auch beynahe von einem
Vorstius und andern nichts mehr zu thun übrig gelassen
z101.
/efDarinn, Freunde,
ef\ ∥ef102 liegt ein fast noch unentwikkelter
ef104 Keim der Erklärungsart des
/efzN. T.
efz\ ∥efz105 die ins Große
c107 geht,
f108 daß es auch eine ganz hebräisch-griechische
Den|cLXV|kungsart in demselben giebt, die Nationalphilosophie, Nationalsitten, und Nationalgebräuche zum Grunde hat. Z. E. Seite
171. efz109 habe ich für ein Wörterbuch zureichend die Redart
in Sünden gebohren seyn erklärt; ich hätte aber noch hinzusetzen können, daß es, wie man auch aus der Frage der Jünger und der Antwort Jesu Joh. 9, 2. 3. wahrnehmen kann, eine herrschende Meynung
z111 unter den Juden war, nur sündhafte Eltern brächten gebrechlich Gebohrne zur Welt. So ist S.
305. efz112 die Beschreibung eines gottgefälligen Almosens als eines
angenehmen Opfers Gott zum süssenefz114 Geruch, nicht bloß hebräisch geredet, sondern gedacht. Und so denke ich, verhält
/czsichs
cz\ ∥cz115 mit allen den Vorstellungen von
Himmel und
Erde , Ge|z10|setz und
Werke , Hoherpriester , Versöhnung u. s. w. Ich wünschte also, daß diejenigen, für die ich dieß
z116 schreibe, auch hierauf ihre unpartheyische Untersuchung verwenden möchten.
z117
Diese Erklärungsart, sagte ich, geht mehr ins Große. Aber auch die Schrifterklärung selbst, auf welche
z118 sich der künftige Lehrer der Religion vorzubereiten hat, um die er sich ohnstreitig
f119 am meisten bekümmern sollte, muß mehr aufs Große
|f20| ge
|d20||e20|richtet seyn; auf die Aussprüche Jesu und seiner Boten,
|cLXVI| die jedem Hauptstücke
cz120 der christlichen Wahrheit, wie sie im systematischen Vortrag gelehrt wird, zur Grundlage dienen. Ich beziehe mich hier auf das, was ich schon zum Theil hierüber
/zin
z\ ∥z121 der
Vorrede /czzur ersten Auflagecz\ ∥cz122 erinnert habe
f123 und setze nur noch folgendes hinzu.
z124 Es ist einerley, mit wechem Hauptstücke
cz125 der christlichen Lehre man diese Vorbereitung anstellen will
ef126 und zur Vorbereitung ist auch
ef127 ein einziges zureichend. Jeder neue Aufschluß in dem
z129 einen enthält die Anlagen zur Aufklärung des andern. Wenn man einmal weiß, das ist
Gesetz ohne Zusatz und das ist
Gesetz mit
|z11| dem Zusatz
Gottes,
ef130 so ist man schon auf der
e132 Spur
Werke und
gute Werkecz133 richtiger von einander zu unterscheiden,
f134 genauer zu bestimmen, was
Evangelium ist, was
Glaubencefz135 an Christum ist, wie Er der
Herr ist,
f136 und wie Luther schon im Catechismus gesagt, man darauf bestehen, darauf hauptsächlich sein eigenes Wissen von ihm einschränken müße
f137. Und so etwas sollte nicht die ernsthafteste Angelegenheit für einen jeden seyn, der andre
f138 dereinst lehren soll, was Christenthum ist? Er sollte
/czals Volkslehrer
cz\ sich eher oder wohl ganz allein darum bekümmert haben, weches in der Apostelgeschichte die
Ausländer von Rom sind, ob man beym Lucas
Schatzung |cLXVII| oder
Zählung übersetzen müße
f139; ehe er bey sich ausgemacht hat, was das heiße
an Jesum glauben und wohl diese Unter
|d21||e21|suchung
|f21| ganz
z140 liegen lassen? Wenn es hierauf ankömmt
cz141, sollte der ganze
z142 gewissenhafte Ernst der seyn, daß man mit einem
z143 Seitenblick auf die Gegend,
z144 in der man lehren soll, auf den Gönner,
z145 durch den man sein Glück machen will, die in jener und
f146 bey diesem
z147 geltende Erklärung nimmt und sie mit allem
cz148 polemischen Gepränge aufstutzt
z149? Nun wer das
/czsich erlauben kann, den bedaure ich und überlasse ihn seiner eignen
f150 unpartheyischen Beurtheilung.
cz\
czfür recht und billig hält, der thue es auf seine
|z12| Gefahr; bilde sich aber ja nicht ein, daß andre die Lücken und Schwächen in seinem Unterrichte
z151 nicht merken werden.
cz
Beynahe möchte ich nun auch Anfängern rathen lieber gar keine Regeln der Auslegungskunst sich bekannt zu machen, nur mit ihrem
z152 gesunden Verstande
z153 ihre Sprachkenntniße
ef154 auf einzelne Stellen anzuwenden; als jene Regeln kunstmäßig
f155 zu erlernen und sie doch nicht am rechten Orte gebrauchen wollen. Es ist ein altes Sprüchelchen
z156 und von allen für wahr angenommen: „Man muß genau beobachten,
z157 wer etwas sagt, zu
wem erz158 es sagt,
unter welchen Umständen und in
welchen Zeiten er
f159 es sagt.“ Aber wie stehts
ef160 mit der Anwendung? Nun das sehe man! Jesus
/zbefiehlt
z\ ∥z162 seinen Aposteln,
∥z163 in
sei|cLXVIII|nemz164 Namen /zzu beten; er
z\ ∥z165 sagt es zu einer Zeit,
cz166 da er mit ihnen von
/zseinem Abschiede
c167z\ ∥z168 redet, sie in ihrem
z169 öffentlichen Lehramte
cz170 bestätiget, ihnen noch Muth und Freudigkeit dazu einsprechen
/efwill: Er
ef\ ∥ef171 setzt
z172 hinzu, daß sie es
bisher noch nicht gethan hätten
/f, ungeachtet sie ihm so treu und ergeben gewesen waren
f\; er verweiset ihnen
f173 |d22| |e22| das auch nicht; und er versichert endlich,
|z13| daß ihnen dergleichen Bitten allezeit würden
|f22| gewähret werden. Hier wäre also ja wohl der Ort,
cz174 die gedachte Regel in Ausübung zu bringen, und zu sagen,
f175 es sey
das apostolische Amtsgebet gemeint
f176! Aber nein! sagt man, dieß
z177 ist nicht der rechte Ort. Nun wo ist er denn? Ich will mich weisen lassen.
z178 Etwa wo Paulus ein
jüdischer Gelehrter, mit Christen aus dem
Judenthum, die nicht von ihren Gebräuchen ablassen
z179 wollten, von der Beschneidung am Geist, dem Opfer Jesu, dem Hohenpriesteramt desselben, dem Sabbath des N. T. redet? Nein da auch nicht! Nun so ist jene Vorschrift zwar sehr gegründet, in der Natur aller Sprachen und in dem Gebrauch aller guten Schriftsteller gegründet,
fz180 aber sie ist in der Anwendung zu nichts nütze. Man gebe mir also eine andre
ef182, die ich besser brauchen kann! „Frage zunächst den Schriftsteller selbst, den du erklären willst
c183, in wel
|cLXIX|chem Sinn er ein Wort, eine Redart,
z184 genommen hat; dieses Zeugniß, welches er durch Selbsterklärungen seines Sprachgebrauchs ablegt, ist von großem
c185 Gewichte.“ Nun ja, das sollte ich auch meynen
z186; und also wird wohl
Füllef187 Col. 2, 9. die Gemeine bedeuten, weil Paulus Eph. 1, 23.
z188 sagt,
|z14| daß er sie darunter verstehe? Es wird wohl einerley seyn
z189 Fülle des, der alles in allen erfüllet, die ganze Fülle der Gottheit, die Fülle Gottes, die Fülle Christi, der aus |d23| |e23| zweyen gemachte neue Mensch, der ganze Bau, die ganze Familie im Himmel und auf Erden? einerley;
ef190 in Christo wohnet die |f23| ganze Fülle der Gottheit, und,
er ist das Haupt der Gemeine? einerley;
ef191 sie wohnet in ihm leibhaftig, oder,
Er hat beydef192 Juden und Heidenc193 versöhnt zu einem Leibe? – Nein
z194 das folgt nicht; so ungewöhnlich und unbestimmt und willkührlich konnte der Apostel nicht reden, wenn er vernünftig schreiben
/efwollte;
cz195 Wie
ef\ ∥ef196 würde ihn der ungelehrte Haufe
f197 verstanden haben? Aber was ists ungewöhnliches, unbestimmtes, wenn er
∥f198 sich erklärt,
so will ich verstanden seyn?
/czwo ist hier etwas willkührliches
cz\ ∥cz199, und wie konnte er anders schreiben, wenn er kein anders
cz200 eben so ausdrückendes einzelnes Wort in seiner Sprache hatte? Nun genug es folgt
|cLXX| nicht; Col. 2. ist
Christusf201 Eph. 1. die
Kirche zu verstehen. Erlaube mir denn also einen andern Versuch an dieser Regel zu machen, ob er dir besser gefallen möchte. Ich denke nemlich
|z15| nach derselben,
an Jesum Christum glauben, sey soviel als seine Lehre annehmen und befolgen: Er sagt doch selbst,
ihr seyd meine Freunde, wenn ihr thut, was ich euch gebiete; so ihr bleiben werdet in meiner /zLehre, (Rede
z\ ∥z202)
so seyd ihr meine rechtecfz203 Schüler (Jünger); er sagt das einemal,
f204 wer da glaubet,z205 der wird selig werden, und ein andermal
cfz206,
die den Willen thun meines Vaters im Himmel, indem
|d24| |e24| sie mich
/fHerr, Herr
f\ ∥f208 nennen, d. i. ihren Meister und Lehrer,
werden in das Himmelreich kommen.
z209 Hier habe ich also, wies
f210 nach jener Regel seyn soll, seine eignen
f211 Erklärungen. – Wieder falsch
|f24| geschlossen! Wo hat dir Jesus gesagt, daß du dabey einerley denken sollst? Er legt mirs doch so nahe, indem er mit diesen Ausdrücken und Redarten
f212 abwechselt! Auch Paulus erklärt das Wort
Glaube dahin; es ist seine eigene ausdrückliche Definition
z213 Röm. 10, 8.
Das Wort ist dir nahe in deinem Munde und in deinem Herzenz214; dein Gewissensgefühl sagt dirs, was recht und unrecht ist und Gott gefällt;
z215 und dies ist das Wort vom |cLXXI| Glauben, das wir predigen; er sagt das
/feinemal
z216 Gal.
f\ ∥f217 5, 6.
|z16| in Christo Jesu gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe thätig ist; und ein zweytesmal
f218 1 Cor. 7, 19.
diecz219 Beschneidung ist nichts, und die Vorhaut ist nichts, sondern
cz220 Gottes Gebot halten.
z221 Hier ist also, denke ich, seine eigne
f222 Erklärung, daß
glauben und
rechtthun ihm gleichviel gelten. Aber hat er ausdrücklich gesagt, daß es ihm gleichviel gelte? Ich
z223 sehe denn wohl, daß auch diese Regel sehr gegründet ist, aber durchaus nicht für den Gebrauch. Oder vielmehr, theuerste Jünglinge an jedem Ort
f224, wo euch dieses zu Gesichte
cz225 kommt, sehet,
cz226 ich habe euch mehr denn eine wahre Geschichte erzählt,
ef227 lernet daraus festere Tritte thun und wenn
|d25| |e25| ihr einmal sicheren Regeln bey Erklärung der Schriften des N. T. ihren Werth in der Betrachtung zugestehen müßet
f228, so bringet sie auch ehrlich
czf229 und
/fstandhaft
f\ ∥f231 in Ausübung.
|f25| Von solchen lehrbegierigen Schülern der Wahrheit müße
f232 nun auch
f233 nach meines Herzens-Wunsch
z234 es ewig ferne seyn, eine Erklä
|z17|rung bloß deswegen
c235 sogleich zu verwerfen, weil sie ihnen
neu, oder
unerwiesen, oder
ungewöhnlich, oder
gekünstelt, oder endlich
fremdgläubigf236 vorkömmt. Sich aus
|cLXXII| irgend einer von diesen Ursachen von
/feiner Erklärung
f\ ∥f237 wegscheuchen lassen
ef238 und dafür gleichsam zurückprallen, ist dem Sucher
ef239 des Wahren, der noch
/fZeit und
f\ ∥f240 Kräfte und Gelegenheit hat, nicht anständig. Aber sie werden auch dafür genug gesichert seyn, wenn sie sich gewöhnen in jedem Falle
cz241 die Ursache ihrer Abneigung sich deutlich zu machen und den Nebel
/czdunkler Vorstellungen
cz\ ∥cz242 zu zerstreuen.
Was nennst du
neu? müssen
z243 sie sich fragen.
z244 Was
dir neu ist, was
du noch nicht gelesen oder gehört hast! So laß es denn seyn; vielleicht ist es andern
f245 nicht so neu, die länger gedacht, mehr gelesen haben.
Eben so: Was
ef246 nennst du
unerwiesen? Vermengst du es etwa mit dem,
z247 was
/zunerweisbar ist, oder
z\ ∥z248 hältst das
c249 dafür, was nur
dir noch nicht genug
erwiesen ist,
/efoder
ef\ ∥ef250 nach
|z18| den Einschränkungen und
/czder frühen Richtung
cz\ ∥cz251 deiner Vorstellungskraft
/fvielleicht auch
f\ nur
dir und denen, die dir gleichen,
|d26| |e26| nicht erweislich gemacht werden
kann? Ja! so ists.
z252 Rede also wie es die Sache mit sich bringt bestimmter: Das ist
mir /czneu, das
cz\ ∥cz253 ist
für mich unerwiesen. – –
|f26| So habe ich in den Zusätzen bewiesen, daß die Erklärung des Worts
Fülle nicht neu
∥czf254 und sogar schon bey Col. 1, 19.
cz256 von einem
z257 |cLXXIII| der größten ältesten Ausleger ohne allen Anstoß gemacht worden
/czist
cz\; nicht neu die Erklärung von
unterste Oerter der /zErden,z\ ∥z258 Engel des Satans,z259 und sogar kein älterer Ausleger an eine wirkliche leibliche Besitzung hierbey gedacht hat.
z260 Und so hoffe ich auch bey
Fülle ,
z261 die in einer solchen Sache möglichsten Beweise für die angenommene Erklärung gegeben und die Richtigkeit derselben in ein solches Licht gestellt zu haben, daß es geflissentlicher Eigensinn, oder wohl gar noch etwas ärgeres
ef262 in jedem
f263 seyn müßte, der noch ferner sagen wollte,
f264 sie sey unerweislich.
|z19| Weiter: Man frage sich, was nennst du
ungewöhnlich? Eine ungewöhnliche Erklärung was heißt das? Doch wohl nur eine solche, die in die Reihe
z265 deiner gewohnten Vorstellungen nicht einpaßt,
z266 und die du noch zur Zeit in deinem
z267 Gedankenregister nicht unterbringen kannst. Wenn denn auch das ist, wie es ist, so wird man leicht sehen, daß man
/zdieß ungewöhnliche
cf268z\ ∥z269 nicht dem andern zum Vorwurf machen sollte, bey dem es aus dem Keim andrer
f270 Ideen entsprossen
z271 ist; man wird sich bescheiden, daß,
z272 wo andre
f273 vorläufige Vorstellungen aus
|d27| |e27| andern Auslegungsgründen Platz genommen, die uns so ungewöhnlich scheinende Erklärung mit denselben in der genausten
f274 Harmonie stehen kön
|cLXXIV|ne. Man nehme
|f27| das Wort
Gottesfurcht :
ef275 Ich verwerfe es,
z276 von christlichen
f277 Gesinnungen
/zgebraucht,
/cals
c\ ∥c278z\ ∥z279 unbiblisch, und finde darinn
ef280 gar nichts fremdes. Das macht,
z281 alle diese Ideen sind bey mir vorhergegangen:
z282 Furcht und
Ehrfurcht, oder Ehrerbietung, werden in jeder Sprache unterschieden; die Religion der Christen,
fz283 mit allen ihren Erweisungen und Uebungen,
z285 soll kindesartig
z286 |z20| seyn, zum Unterschied der jüdischen; daher soll man sich Gott immer als Vater der Menschen, den höchsten und besten Vater, denken, ihn lieben, ihm ergeben seyn, ihn mit aller Freudigkeit des Herzens verehren. Nun nehme man aber einen,
z287 dem es an allen diesen Vorstellungen und Wahrnehmungen bisher gefehlt hat; der in allen öffentlichen Vorträgen nur immer
/zvon
z\ ∥z288 Gottesfurcht gehört,
/czoder sichs
cz\ ∥cz289 selbst bey solchen Gelegenheiten
∥cz290 geläufig gemacht hat:
cz291 er wird jene Erklärung ungewöhnlich schelten, und am Ende ist sie es doch nur in seiner Denkungsart.
Ganz so ist es mit dem
Gekünstelten in Erklärungen, worüber ich
/fmich
f\ schon einmal in der Vorrede zur
Uebersetzung des Segenc292 Jacobs u. s. w.
∥f293 erklärt habe. Hielte man auch hier Rücksprache mit sich,
ef294 was verstehst du darunter? Verwirrst du nicht
|cLXXV| etwa die ganz verschiedenen Begriffe einer
kunstmäßigen (
artificiosae) und einer
ge|d28||e28|künstelten (
coactae), oder einer
nicht gleich offen lie|z21|genden (
minus obviaez295, exquisitae) und
erzwungenen (
nimis quaesitae) Er
|f28|klärung
/zmit einander
z\ ∥z296? Scheint dir das nicht etwa gezwungen, so daß der damalige Leser das unmöglich dabey habe denken können, weil du
/fdir
f\ ihn mit deinem
z297 ganzen System
∥f298 vorstellst, welches er doch nicht hatte? Ist es dir nicht vielleicht so, weil dir
ef299 das Sehrohr,
z300 mit welchem
z301 er
ef302 die Rede betrachtete,
z303 verrückt, oder durch die Staubwolken so vieler Fragen und Streitigkeiten verdunkelt worden
/zist
z\? Gienge man, sage ich, so bis auf den Grund einer als gekünstelt empfundnen
f304 Erklärung, wie oft würde man sich eines andern besinnen? Es ist vortreflich gesagt, wenn man verlangt,
z305 der Ausleger solle sich in die Lage
cz306 derer setzen, zu welchen ein Schriftsteller zunächst geredet:
ef308 Es kann wohl niemand diese Regel so hoch schätzen,
z309 als ich, und ich sollte meynen
z310, daß ich bey den Artikeln
c311,
bekehren , Ebenbild , Christus , Gesetz , Glaube , heilig , Hoherpriester u. a. m. sie deutlich genug zum Grunde gelegt hätte. Aber das ist eben die verzweifelte Täuschung
z312, daß man bey die
|z22|ser Gedankenversetzung doch sein ganzes Ich wieder
/fmit nimmt
f\ ∥f313, die Ge
|cLXXVI|gend verändert, aber seine Denkungsart, Sitten und Gebräuche beybehält.
Endlich:
z314 was heißt es,
z315 die Erklärung ist
fremdgläubig? Sie ist falsch? Und hast sie noch nicht geprüft! Also etwa:
z316 sie kann nicht wahr
|d29| |e29| seyn, weil sie von der Kirchengesellschaft,
f317 in der ich mich befinde, nicht angenommen wird? Aber sollte denn auch kein Funke von Wahrheit bey
|f29| andern seyn? Oder soll es gar
/zso viel
z\ ∥z318 heißen
c319, ich werde kein Amt darauf kriegen? Schäme dich,
z320 und habe mehr Vertrauen zu Gott!
z321 Habt, will ich also noch überhaupt bitten, habt, die ihr dereinst Andre
czf322 lehren wollt, eine unwandelbare
z324 große Ehrerbietung für euer Gewissen,
z325 und damit für den Gott, von dessen Willen und Wohlgefallen es ein beständiger Wiederhall ist. Ehret es in Untersuchung, Annehmung und steter Befolgung der Wahrheit, daß ihr
|z23| nichts dafür haltet, was ihr nicht geprüft habt; jeder Ueberzeugung euer
/zHerz offenstehen,
ef326z\ ∥z328 und dann nichts in der Welt euch davon abbringen lasset.
Kaufe die Wahrheit, nach dem Rathe
z329 des Weisen,
∥f330 wenn du auf die Universität gehst, und
verkaufe sie nicht, wenn du ein Amt suchest,
fz331 und so lange du es
/zverwaltest!
z\ ∥z333 ⌇⌇f Berlin, am 5ten October
ef334 1773.
|z[24]| ab\
/abz|c[III]| |d30| |e30| |f30| Vorerinnerungen zur dritten Auflage.
Ich selbst habe diese Auflage als eine durchaus verbesserte und vermehrte auf dem Titel angekündiget, und halte es daher für Pflicht, hierüber sogleich die nöthige Erläuterung zu geben. Beyde
f1 die Verbesserungen und Vermehrungen sind verschiedener Art,
ef2 aber auch in Beyden habe ich meinen Hauptzweck bey diesem Wörterbuch unverrückt beybehalten.
Verbesserungen sind es, wenn ich einigemal den Sinn eines Worts, wie
Satan , oder einer Redart
f3, wie
reines Herzc4 seyn , Gott suchen , ihn schauen , noch genauer bestimmt habe,
f5 häufiger meinen eigenen Ausdruck oder Fehler im Abdruck berichtiget,
f6 endlich einige unbedeutende Wortbemerkungen
f7 so wie andere mir zweifelhaft gewordene Erklärungen ganz weggelassen. Ich mag z. E. nicht weiter entscheiden, was das
Abendmahl des Lammes , das gemeinschaftliche mit Christo in der so genannten Johanneischen Offenbarung
ef8 ist, weil es wohl seyn
|cIV| kann, daß
|f31| der Verfasser ein eigentliches Essen und Trinken damit hat andeuten
|d31| |e31| wollen – und übrigens das ganze Ansehen
c9 des Buchs mir höchst bedenklich, noch mehr seine Bestimmung für alle Zeiten des Christenthums mir überwiegend zweifelhaft ist. Die Verbesserungen der ersten Art betreffen also nicht die Wörter und Redarten
f10, um deren dogmatische Auslegung es mir hauptsächlich zu thun gewesen und noch ist, worüber ich mich in den Vorreden zu der ersten Auflage und den Zusätzen schon umständlich erklärt habe. Was dahin gehört, dabey habe ich es aus fortdauernder und vermehrter Ueberzeugung gelassen. Ich werde auch gleich darauf wieder zurückkommen, so angelegentlich es mir ist, auf dieß
f11 hohe Ziel des Schriftauslegers im Großen noch einmal den Blick meiner Leser zu richten. Itzt
f12 muß ich noch offenherzig gestehen, daß es aus wahrer Bescheidenheit geschehen ist, wenn ich bey diesen Verbesserungen so gar keinen Gebrauch von den Anmerkungen des Herrn Superintendenten
Lang gemacht habe, so weit er damit in dem unten angezeigten Werke
*) gekommen ist,
ef13 |cV| so groß der eigene Beyfall ist, mit welchem ich viele seiner Er
|f32|in
|d32||e32|nerungen und Zurechtweisungen in Ansehung einer richtigern Erklärung oder genauern Uebersetzung annehme
ef14 und so sehr überhaupt ich selbst die Einsichten des Herrn Verfassers ehre und ihm recht viele Leser wünsche. Aber um eben diesen die Fehler und Mängel, welche er an mir gerügt hat, in der neuen Auflage nicht zu verheimlichen und für sie den Werth seiner Bemühungen nicht zu verringern,
ef15 überlasse ich es nun einem jeden, welchem es um die kleinsten Feinheiten der Schrifterklärung zu thun ist, bey dem Gebrauch meines Wörterbuchs seine Revision zur Hand zu nehmen und dann zwischen uns Beyden, auch da wo ich mich nicht schuldig erkenne, Richter zu seyn! Wir könnten zwar wohl Beyde uns der
∥c16 Mühe überheben für die richtigere Verdeutschung des N. T. zu sorgen, da noch so geringer Anschein ist, daß jemals für die Luthersche Uebersetzung auch nur in einzelnen Worten, Redarten
f17 und Redverbindungen
f18 Gebrauch davon werde ge
|cVI|macht
/fwerden; es
f\ ∥f19 sey denn aber auch dieß, gleich allen menschlichen Unternehmungen im Gegenwärtigen, Arbeit auf Hofnung
f20 irgend eines künftigen Gewinns. Und wenn ich also selbst die Fortsetzung dieser so bescheiden angekündigten als ausgeführten gelehrten Arbeit des Herrn Superintendenten wünsche, so wünschte ich doch auch noch folgendes. Einmal
ef21 daß er sich nicht so oft an die Kürze meiner Bemerkungen stossen
ef22 möchte, da sie auch oft nur Winke seyn sollten, nur An
|f33|stöße
|d33| |e33| an den trägen sorglosen Schriftleser für sich mehr
∥f23 zu denken
f24 und ich mich überhaupt so lang
f25 als möglich innerhalb der Schranken eines Gloßator
f26 erhalten wollte, der kurz für ein dunkles Hauptwort ein deutlicheres angiebt und darnach die Bestimmung der übrigen dem Leser anheimstellt. So sage ich beym Wort
Geschichte , richtiger,
c27 Begebenheit:
ef28 Der Herr Superintendent bemerkt dabey – aber eine Begebenheit
sehen kann man auch nicht u. s. w. – Dieß
f29 als die Nebenidee
f30 konnte
/fsich
f\ ja aber jeder selbst mit dem Wort
untersuchen, oder einem ähnlichen verdeutschen
f31. Hiernächst bitte ich durchaus nicht zu vergessen,
f32 daß ich mich zu nichts gewissen verbindlich gemacht habe, was nicht den Geist und Sinn des Christenthums in der Sprache Christi und seiner
|cVII| Boten darstellen sollte, und dann,
c33 wo an sich meine Bemerkung richtig ist, doch auch nicht zu sehr – zu grübeln, wie er es selbst nennt. Ich fasse sonst wahrhaftig
/fso gleich
f\ ∥f34 Verdacht, er wolle ihr doch wieder von der Seite etwas anhängen aus Unlust, daß er sie nicht ganz aus dem Wege räumen kann. Er mag wohl nicht in Abrede seyn, daß das Wort
Buße für Sinnesänderung nicht so bequem sey; gleichwohl aber ist ihm dieß auch noch zweydeutig (ungeachtet ich das
/fAusdrückendere Sinnesbesserung
f\ ∥f35 zugleich vorgeschlagen hatte) und so meynt
c36 er
c37 zu Gott könne auch mißverstanden werden. Dieß will ich nun nicht leugnen
ef38 und ich erkenne vielmehr, daß
bessere |d34| |e34| Gesinnung |f34| gegen Gott Apostg.
f39 20, 21. eine deutlichere Uebersetzung seyn würde. Aber immer bleibt doch Buße
c40 das unbequemste, das man wählen kann,
c41 und Sinnesänderung, Sinnesbesserung führt dem Verstande sogleich eine richtigere vollere Idee zu. Ungemein angenehm wird es mir auch seyn, wenn es dem Herrn Verfasser gefallen sollte,
c42 bey der Fortsetzung auf das, was ich noch in der Folge für die Allgemeinheit der Leser sagen will, seine besondre
f43 Aufmerksamkeit und
/fscharfsinnige
f\ Beurtheilung zu richten.
*) Zur Beförderung des nützlichen Gebrauchs des Wilhelm Abraham Tellerschen Wörterbuchs des neuen
c44 Testaments – Erster Theil. A–F.
f45 –
|cV*| Anspach 1778. gr. 8. Zweyter
f46 Theil G. von George Heinrich Lang, Hochfürstl. Oettig-oettingschen
c47 Special-Superintendenten und Pfarrer zu Hohenaltheim. Anspach 1780.
c48 gr. 8.
|cVIII| Ich komme nemlich auf die
Vermehrungen. Sie bestehen nicht nur in den zur zweyten Auflage besonders abgedruckten Zusätzen, welche ich nun, obschon mit vielen Abkürzungen, an den gehörigen Orten eingeschaltet habe,
f49 sondern auch
/cin
c\ ∥ef50 hin und wieder beygefügten mehrern Schriftstellen,
/foder Redarten
f\ ∥f51, oder Sprachbeweisen, und einigen ganz neuen Artikeln
c52 wie
Schlange , die Sünde tragen , besonders
Melchisedeck . Nehme man diese auch nur für das an, was sie wenigstens für alle seyn können, nemlich Beweise, wie viel noch der denkende Geist bey der Schrift zu forschen übrig hat,
f53 so werde ich schon in so weit nicht ohne Nutzen geschrieben haben.
Von der
/fRedart, die
f\ ∥f54 Sünde tragen, als das
Lamm Gottes, heißt es in einer neuern Schrift, welche ich in dieser Verbindung nicht kenntlicher machen will: „
mir ist es gleichgültig,
c55 ob Jo
|d35||e35|hannes hier auf das bey den Juden ge
|f35|wöhnliche tägliche Opferlamm, oder auf das Osterlamm, oder auf Jes. 53. gesehen habe. Aber so wie Grotius in seiner Anmerkung darüber darf man doch nicht exegesiren, wenn er sagt:
/fDas
e56 griechische
f\ ∥f57 tragen könne eben
/fso wohl
f\ ∥f58 von Besserung des Herzens als von Erwerbung der Begnadigung verstanden wer
|cIX|den und er ziehe die erste Bedeutung vor, weil 1
c59 Pet. 1, 18. gesagt werde, wir seyn von dem eiteln
f60 Wandel erlöset
cf61 durch das Blut des unbefleckten Lammes. Das hat der allzunachgebende Mann von Crellen
ef63 gelernt, welcher ihm das nemliche geantwortet hatte. Johannes, fährt der Verfasser fort, redete mit Israeliten, welche die Verbindung der Worte: Lamm und Sünde tragen, zu denken gewohnt waren – – – überhaupt aber mit der Redart
f64:
Sünde tragen,
c65 aus ihren levitischen Anstalten
ef66 eine
Uebertragung ihrer Sünde auf das Opferthier durch Handauflegung /efsich dachtenef\ ∥ef67. Wenn nun der Mann Gottes auftrat und Jesum das Lamm nennte
f68, das die Sünde trage, was konnte dabey ein Israelite anders denken,
als daß er sie wie das Osterlammc69 auf sich nehmen und die Welt von ihren Sünden versöhnen werde. Die Rede schickt sich auch nur hierauf. Von dieser Art hatten die Leute ein göttlich vorgängiges Institut. Aber
ef70 um die Menschen zu bessern, Jesum ein Lamm /fzu nennen
f\ ∥f71, das wäre sehr wi
|d36||e36|dersinnisch
f72 geredet; denn ein
Thier bessert, lehrt die Men|f36|schen nicht
ef73, aber einen Tod kann es ausstehen und in der Absicht kann es an die Stelle des Menschen gesetzt
|cX| werden. Aber es ist
f74 als wenn gerade die
witzigsten Köpfe in dieser Sache die
unbegreiflichsten Fehler machen könnten. Harwood
ef75 ein sehr modischer englischer Schriftsteller
ef76 umschreibt die Rede Johannis also: Siehe
f77 das ist das liebenswürdige Object
ef78 der göttlichen Liebe, welches
zur Besserungc79 des menschlichen Geschlechts bestimmt ist. Das heißt Johannem und seine Zuhörer ins sechszehnte der Welt versetzen und ihn socinianisch reden lehren.“
Ich habe mir die Mühe nicht verdrießen lassen,
c80 diesen Commentar des Ungenannten zu wiederholen. Dafür sey es mir nun erlaubt,
c81 mit anständigem Ernst gegen jede Zeile mich zu erklären,
f82 und damit es denn auch bescheidener Ernst bleibe,
c83 will ich den Johannes selbst reden lassen. Er könnte etwa sagen:
ef84 „Freund! du redest da vieles untereinander
ef85, das mir gar nicht gefällt, und wenn das socinianisch, wie ich höre, bey euch eine Schmähung
c86 ist, so hast du in Wahrheit mich sehr beleidiget; denn ich muß dir nur gestehen, daß ich nichts anders habe sagen wollen, als was
/efGrotius, was
ef\ ∥ef87 Harwood mich sagen lassen. Ich habe denn nur es in meiner eigenen Sprache gesagt. Aber das kommt daher, daß man
|cXI| euch Jüngern Christi
|d37||e37| von Jugend auf diesen meinen Zuruf an meine ehemaligen Zeitge
|f37|nossen hat wiederholen lassen bey der Lehre von seinem Versöhnungstod,
cf88 daß man euch dann nur das
Strafübel dabey
/chat
c\ denken lehren,
c90 welches freylich auf einen, als ein Lamm gelegt, von ihm getragen, nur
Wegnehmung der Strafe bedeuten kann. Aber du hättest doch auch hintennach bedenken sollen, wie wenig ich etwas dergleichen nach dem Maaße
c91 meiner Erkenntniß von der Amtswürde des Meßias
f92, nach meinen anderweitigen ausdrücklichen Bezeugungen,
/cund
f93c\ als ein gebohrner Jude, meynen konnte. Mir hatte Gott, nach seiner den menschlichen Verstand nur allmählich fortleitenden Offenbahrungsgnade, nichts weiter kund gethan, als daß dieser Jesus eine große wünschenswerthe Veränderung in den Gesinnungen seiner Nation bewirken sollte, ganz wie euer Harwood soll gesagt haben. Dafür kündigte ich ihn also an, ich erweckte zur willigen Annehmung seiner, als eines geistlichen Meßias
cf94; verwies die Menschen von meiner
Wassertaufe, einem bloßen Symbol der innern Herzensreinigung, auf seine
Taufe mit dem heiligen Geistec95; und da ich ihn einmal von ferne
f96 sah, ergriff ich auch diese
|cXII| Gelegenheit mit veränderten Worten das zu wiederholen,
/cin gleichem
c\ ∥c97 Sinn auf ihn zu weisen:
Siehe!f98 das ist Gottes Lamm (der Liebling des Höchsten),
welches der Welt Sünde trägt (welcher
/csie |d38| |e38| selbstc\ ∥c99, als das größte
Uebel, durch seine kräftigen Belehrungen und Erweckungen aus dem Le
|f38|ben der Menschen wegschaffen wird, daß der Allsehende mit Wohlgefallen uns begegnen könne; wie jene Opferlämmer sie täglich aus dem Lande des Jehovah von seinem Angesichte wegschaffen mußten). Siehe, dieses
Uebel der Sünde wurde durch Handauflegung auf das Opferthier gleichsam gelegt und mit ihm verzehrt. Du hast ganz recht, daß es widersinnig wäre
f100 zu denken, ein
Thier könne bessern, lehren, aber von dem
Thier an sichf101 war mir ja auch nicht die Rede, sondern den
Sündenc102, die es trägt, und
warum, in welcher Bedeutung? Da
f103 hättest
/fdu
f\ dir also
ef104 am wenigsten gleich zu Anfang
ef105 sollen gleichgültig seyn lassen, auf welchen Umstand der alten Volksgeschichte ich mich bezogen. Dann würdest du bald wahrgenommen haben, daß ich den Jesaias nicht im Sinne haben konnte; denn der redet nicht von einem Lamme, welches geopfert, sondern welches geschoren wird, von einem
Tragen |cXIII| der Krankheit, der
f106 Schmerzen für andref107, und das heißt denn nichts anders als, für einen sich der Krankheit und den Schmerzen
/cunterwerfen –
c\ ∥c108 am wenigsten an das Osterlamm denken, dem ja nichts aufgelegt wurde, welches nur geschlachtet, gebraten und gegessen wurde, und zwar als eine Gedächtnißmahlzeit; auch eben so wenig an die Redart
f109 unserer Religionsschriften,
|d39| |e39| die Missethat, die Sünde der Väter tragen; denn die können auch die Nachkommen nicht anders als nach ihren traurigen Folgen tragen.
|f39| Von einem
Lamm, und
welches sie trägt, nicht die Strafe, sondern
/csie selbstc\ ∥c110, redete ich. So erkenne denn, daß Grotius und Harwood sich im Geiste
f111 weislich achtzehnhundert Jahre in meine Zeiten und Umstände zurückgesetzt haben, und wenn ihr weiter nichts gegen euren Socinus zu klagen habt, ihr ihn immer in Friede lassen könnet,
f112 oder wissen möget, daß ich in so weit vor ihm gewesen bin.“
c113
So könnte, dünkt mich, Johannes
/csagen, nach dem, was ich auch schon bey dem Worte
Tragen bemerkt habe. Aber auch
c\ ∥c114 nur die Möglichkeit dieser Erklärung angenommen, mag dieß zu einem Beyspiele des Untersuchungsgeschäftes zureichend seyn, welches der unbefangene Wahrheitsforscher immer noch bey Auslegung der Schrift zu übernehmen hat. So ist es nun
|cXIV| auch wenigstens meine Absicht gewesen,
c115 es selbst mit zu übernehmen, es ohne Seitenblicke auf hergebrachte Lehrformen zu thun, und geradesweges fortzugehen, ohne zu besorgen, was ich hinter mir zurückliesse
f116; ohne zu zweifeln, daß ich auch vor mir eine bleibende Ruhestätte finden würde. Ich
f117 habe
/fsie
f\ ∥f118 auch gefunden, daß ich überzeugt bin, wie ich schon in der
Vorrede zur ersten Auflage versichert habe,
f119 es sey ein noch lange nicht genug angewendeter
ef120 Unterschied unter der
Lehre |d40| |e40| und
Lehrart des Christenthums von jeher gewesen, nur jene also das, was den Christen im Bekenntnisse ausmacht;
cf121 und wie ich auch schon kurz in der
Vorrede zu den Zusätzen |f40| angedeutet habe, das ewige Evangelium Gottes leuchte heller am Mittage, als am Morgen, oder bey früher Dämmerung – der Christ des achtzehnten Jahrhunderts, zu einer ordentlichen großen
f122, zahlreichen Nation aufgewachsen, müße
f123 um
/fetwas vieles
f\ ∥f124 weiter seyn, als Juden und Heyden, da sie sich erst zu einem eignen
f125 Christenvolk sammelten. Doch so bin ich von den Wenigsten verstanden worden, oder man hat Ursachen gehabt,
c126 mich nicht so verstehen, sich darauf nicht mit mir einlassen zu wollen. Da man in so vielerley größern und kleinern Schriften meines Wörterbuchs ge
|cXV|dacht hat, so wäre es doch wohl der Mühe werth gewesen,
c127 mit mir genauer zu untersuchen,
f128 wie viel auf die besondre
f129 Vorstellungsarten derselben Lehren in den Büchern des N. T. abzurechnen sey, und was dann übrig bleibe? Aber auch in den zwey Schriften,
*) wo ich dieß am ersten erwartete, ist es nicht geschehen, und selbst der Herr Superintendent
Lang scheint nicht seinen
|d41| |e41| Plan darauf angelegt zu haben. Nur was die immer weiter zu entwickelnde
Christusreligion anbelangt, läßt sich einmal der scharfsichtige Mann die Frage entfallen (S. 162.
c130 des
/f2. Th.)
e131f\ ∥f132 „oder
|f41| soll das Gerechtwerden im Paullinischen Verstande, das Nichtzurechnen der vorigen Sünden
ef133 nur auf diejenigen eingeschränkt werden, welche aus dem Judenthum und Heydenthum zum Christenthum übertraten?“ So fragt er; will mir aber diese Meynung als ohnfehlbar ungegründet nicht beylegen, wenn gleich nicht zu leugnen sey, daß die Apostel die Lehre von
|cXVI| der Rechtfertigung so vorgetragen, wie es besonders den Umständen der ersten Proselyten angemessen gewesen. Eben so schien mir in der zweyten nur eben bemerkten Schrift ein ähnlicher Gedanke von dem männlichen
c134 Alter der Gottes- und Christus-Erkenntniß in der Seele des Verfassers aufzukeimen, wenn er S. 154. sagt: „man müsse
c135 freylich den Glauben für uns, die wir gleichsam
von Geburt an Christen wären, etwas genauer bestimmen,“ aber er reifte am Ende zu einer ganz andern
/cFrucht
f136 –
c\ ∥c137 S. 389. „Soll man wenigstens ietzt
cf138 die Beschreibung des Glaubens ändern? Soll man dieser Gefahr mit Veränderung der Grundbegriffe der Lehre entgegen gehen? – – Freylich dieß nicht.“ So will ich denn noch einige Blätter dieser Vorrede zu einem Wörterbuche
c140 der Schrift anwenden,
/cum
c\ zur Probe eines theologischen Wörterbuchs und
/czur
c\ richtigern
|d42| |e42| Beurtheilung meiner Vorstellungen noch etwas über die
Lehrart Christi und der
Apostel, wie über das
schon nationell gewordene Christenthum, oder
das reifere Alter desselben, zu sagen. Was es
|f42| aber seyn wird, mag andern noch so schwache Vermuthung scheinen; sie werden sie doch, von Wahrheitsliebe belebt,
∥e141 der Prüfung nicht unwerth halten, und mir, dem es
f142 etwas
|cXVII| mehr scheint, freylassen
ef143, auch darinn
ef144 die mannigfaltige
f145 Weisheit Gottes zu finden, die auf tausenderley Wegen alles zu Einem Ziele größerer Vollkommenheit hinleitet.
*) Die wahre Lehre des heil. Pauli vom Gesetze
f146 aus dem Brief an die Römer vorgetragen und mit den neuen Deutungen derselben verglichen. Zwote
f147 vermehrte und
/fverbesserte Auflage
ce148f\ ∥f150 Tüb. 1779.
Versuch über den eigentlichen neutestamentischen Begriff des Glaubens, dessen richtige Bestimmung u. s. w. Tübingen 1779.
Lehrart Christi und der Apostel.
Ich müßte nun sehr unwissend seyn, wenn ich glauben wollte, daß ich überhaupt damit etwas neues sagte, indem ich behaupte,
f1 es sey ein großer Unterschied zwischen der
Lehre des Christenthums und der verschiedenen
Art des Vortrags desselben in den Unterweisungen Christi und der Apostel. Freylich hat man im Allgemeinen das längst erkannt, und wer weiß wie viel von einem Tropos Pädeias gesprochen. Nur hat es von jeher an einer eigentlichen Anweisung gefehlt
c2, um nach sicheren Grundsätzen beurtheilen zu können, was bloß zur Lehrart gehöre und was dann die Lehre selbst sey.
/fNur
f\ Herr D.
Semler ∥f3 hat sich auch hier das große Verdienst gemacht darauf in der Menge seiner Schriften aufmerksam zu machen, immer darauf zu dringen. Aber auch Er hat nie ein Urtheil dar
|d43||e43|über nach bestimmten Regeln fällen gelehrt. Und doch
f4 was ist nöthiger?
c5 wie sollte nicht darinn
f6 vor allen Dingen etwas gewisserers
ef7 festgesetzt werden, man sich darüber
/fmehr
f\ vergleichen, ehe man jeden Theil der Lehre selbst festsetzte? Ich
|f43| unterfange mich nun
|cXVIII| wohl nicht
f8 diesem großen Bedürfniß
f9 abzuhelfen; nur will ich versuchen
f10 zur allgemeinen
c11 Prüfung einige hieher
/fgehörige Vergleichspuncte
e12f\ ∥f13 in Vorschlag zu bringen.
Zugestanden ist also eine
verschiedene Lehrart derselben Religionswahrheit nach Zeiten, Umständen und Personen des Schriftstellers
c14 wie der Leser, und eben so, daß sich Christus und die Apostel mit
f15 ihm in sinnlicher Darstellung der Wahrheit nach den
Fähigkeiten und der Fassungskraft ihrer Zuhörer oder Leser gerichtet haben. Weniger eingeräumt
c16 hat man, daß sie auch gewissen
Volksideen in ihren Belehrungen nachgegeben. Da ist es nun mir gar nichts bedenkliches,
c17 auch diesen Schritt weiter zu thun. Giebt man es doch da zu, wo im A. T. Gott menschliche Affecten
f18 des Zorns und dergleichen zugeschrieben werden, und dieß nicht weiter eine Herablassung zu dem schwachen menschlichen Vermögen
f19 sondern Bequemung nach den Begriffen eines zu mehr geistiger Denkungsart noch nicht erhobenen Volks
c20 war, welches
/cz. E.
c\ den strafenden Gott sich als einen aufgebrachten Regenten vorstellte. Leidet also nur
f21 die Sache selbst nicht bey einer solchen Nachgebung im Vortrag
f22, warum
|d44| |e44| will man sie nicht zugeben? Und sollte man sie nicht zugeben müssen, wenn sich fin
|cXIX|det, daß Christus selbst offenbar sich bey einer gewissen Gelegenheit, nach der Denkungsart seiner Zuhörer
f23 gerichtet hat? Wie und wo werde ich gleich zeigen. Das wäre also mir für mein
f24 |f44| Theil das erste
Erforderniß der auch im N. T. anzunehmenden herablassenden Lehrart zu menschlichen Vorstellungen, daß die Sache selbst dadurch nicht verlohren
f25 gehe; und dann ein zweytes, daß ein großer, wichtiger,
c26 Gottes würdiger dadurch erhalten werde. Und so käme es nur auf sichre
f27 Merkmale an, wo sie eigentlich anzunehmen ist, daß man sagen könne: so viel ist Zeiten und Umständen angefügte Vorstellungsart und so viel soll man sich wirklich dabey denken.
Hier scheint mir nun wieder das
erste sicherste zu seyn,
f28 wenn der Redende selbst nicht undeutliche Winke giebt, er richte sich nach Umständen, füge sich nach diesem und jenem herrschenden Begriffe. Ein solcher Wink ist mir aus den eignen
f29 Unterweisungen Christi folgender. Die Juden erwarteten die Wiederkunft des Elias, ehe der Meßias
f30 selbst eintreffen würde; Christus belehrt
ef31 sie,
c32 er sey schon gekommen in der Person des Johannesf33 Matth. 17, 10–12. Dagegen versicherte Johannes selbst
f34 Joh. 1, 21.
er sey nicht Elias. War nun da nicht
|cXX| die Erklärung Christi hierüber eine Anschmiegung an einem
/fVolksbegrif
|d45| |e45| in einer Sache
f\ ∥f35, wo es darauf ankam, daß Johannes für
seinen Vorläufer erkannt wurde, nicht aber darauf, bey welchem
f36 Namen man ihn etwa nennen wollte. Aber nun sehe man den deutlichen Wink! Da er bey einer andern Gelegenheit
f37 Matth.
/f11.
f\ ∥f38 zu dem Volke von der Person des Johannes redete, so versicherte er zwar ausdrücklich, er sey
|f45| mehr als irgend einer der ehemaligen Propheten, ließ indeß
jedem die Freyheit,c39 ihn für den Elias anzunehmen. Und so wäre denn dieß zugleich ein, wie ich denke, unwiderlegliches Beyspiel dieser von Christo selbst beobachteten Lehrweisheit.
Das
zweyte Merkmal dessen, was mir besondere Vorstellungsart ist und woraus man nicht sogleich einen Lehrsatz der Religion machen sollte, würde mir das
/fseyn,
wenne40f\ ∥f41 sie nicht angenommen, eine oder mehrere von der Schrift selbst bestätigte Vernunftwahrheiten würden aufgehoben werden; allgemeinen Grundsätzen, welche die Schrift selbst festsetzt, auf welche die Propheten, die Apostel, Christus selbst immer wieder zurückkamen, widersprochen werden. Nach einer solchen Einschränkung darf ich wohl nicht besorgen, durch den Gebrauch
|cXXI| des Worts Vernunftwahrheit Jemand anstößig zu werden. Eher könnte man Bedenken tragen
f42 unter diese
ef43 Wahrheiten folgende mit mir zu rechnen, obgleich ich gar nicht begreife, wie man sie aus der Reihe derselben herausheben
|d46| |e46| will, wenn nicht das ganze Gebäude
/cfmenschlicher Religionserkenntniß
cf\ ∥cf44 in seinen Gründen erschüttert werden soll. Das sind sie mir also, und ich will sie sogleich mit den eignen
f46 Worten der Schrift angeben:
Opfer (blutige)
und Gaben (von Thieren und Früchten des Landes)
will Gott nichtf47 (er verlangt Herz und Gesinnungen zu seiner wahren Verehrung); er
f48 wird vergelten einem jeden nach seinen Werken; wenn sich der Sün|f46|der bekehret, so soll aller seiner Sünden nicht mehr gedacht werden (es soll ihm wieder wohlgehen
c49);
wer recht thut, der ist gerecht – Gott hat Geduldf50 mit uns (er sieht unfreywilligen Fehlern, Schwachheiten, Uebereilungen nach Vatersart
f51 nach, sichert uns für den Folgen derselben);
er fodert von Niemandef52 mehr, als ihm gegeben ist, hat sich aber auch keinem ganz unbezeugt gelassen; wir fehlen alle mannigfaltigf53, aber wir sollen die Sünde nicht herrschen lassen in unserm sterblichen Leibe. Wenn denn nun etwas gegen diese
/fsichern Wahrheiten
f\ ∥f54 anstößt, kann
|cXXII| es ein Lehrsatz des Christenthums selbst seyn, etwas mehr als Lehrart? etwas mehr als das Gerüste, welches zu seiner Zeit wieder weggenommen werden soll, nicht das Gebäude selbst, um welches dem Bauherrn es eigentlich zu thun ist? So sollt es ja aber auch nicht Lehrart seyn! So wird ja immer selbst durch dieses Nachgeben im Vortrag, ein falscher Begriff noch in dem Verstande der Men
|d47||e47|schen erhalten! Wenn nun aber ein ganzes System irriger Begriffe wegzuschaffen ist, willst
c55 du es mit einmal niederreissen
f56? wirst du nicht nach und nach einen nach dem andern zu verbessern suchen;
c57 die den
schädlichsten Einfluß in das sittliche Verhalten, und dadurch das Glück der Welt und
∥f58 Gesellschaft haben
f59 zuerst, dann die
minder schädlichen und so fort? Wirstu
f60 nicht immittelst diese minder schädlichen selbst mit zum Werkzeug brauchen, um jene vor allen Dingen
|f47| auszurotten? So nimmt auch wohl der Baumeister manches Stück Holz aus dem alten Hause, und verbraucht es zum Gerüste, nimmt aber auch dieses in der Proportion wieder weg, in welcher das Gebäude in die Höhe steigt; es wird die Schuld der Maurer, Zimmerleute und Handlanger, oder derer seyn, welche das neue Haus bewohnen und an dem Gerüste ihr
cf61 Wohl
|cXXIII|gefallen haben, so dieß nicht geschieht. Aber
ef62 ich muß mich schon deutlicher erklären, und warum sollt
f63 ich es nicht gern thun, wo es auf Wahrheit, wie ich sie erkenne, ankömmt,
c64 und
/cda
c\ ich schon in den Hauptartikeln dieses Wörterbuchs mich genug darüber herausgelassen habe.
/efAber ich
ef\ ∥ef65 kann und muß
∥ef66 es auch, als in einer Vorrede, sehr kurz thun.
⌇⌇f Denke man sich also den jüdischgesinnten Christen, der die ganze Gottesverehrung durch gute Gesinnungen und Erweisungen, diesen ersten
f67 Zweck des Christenthums, immer wieder in
seinen Opferdienst umkehren wollte; bey dem also itzt
ef68 die Hauptsache
|d48| |e48| war,
c70 ihm
seine Opfer vergessend zu machen; konnte dem nicht ein Paulus den Tod Christus als einen Opfertod vorstellen, – wenn er doch immer dabey erinnerte, er
f71 gebe ihnen Milch, nicht starke Speise, das vollkommnere Erkenntniß werde sich schon finden? Nahm nun jener Christ dieß an, so war er für die edlere, reinere Gottesverehrung gewonnen, daß er einsahe,
f72 er selbst müsse nun geistliche Opfer Gott
|f48| darbringen. Und war das nicht etwas Großes, Massives an dem Christenthumsbau
f73?
Aber
ef74 wenn du selbst meynst, dieß sey eine der Hauptsache unschädliche Lehrart gewesen, warum wollten wir es nicht dabey
|cXXIV| lassen? Hiervon denn gleich ein Mehreres, wenn ich noch dieses als das
dritte Merkmal der
/fzu erkennenden und
f\ nicht mit der Lehre selbst zu verwechselnden Lehrart
f75 N. T. werde angegeben haben.
Wenn die Apostel mit tropischen Ausdrücken und Vorstellungen so abwechseln, daß die Bedeutung von allen auf einen Einzigen Lehrsatz angewendetf76 werden kann, und nun dennf77 auch jene biblischenc78 Vorstellungen alle aus der Landesöconomie des Volks, bey welchem sie dieselben brauchen, hergenommen sind;ef79 so ist dieser Lehrsatz die allgemeine Wahrheit,f80 und jenes Bildliche gehört zu ihrer besondern Lehrart nach Zeiten und Umständen. So urtheilt man in der Physik; man hält die Hypothese für die wahrscheinlichste,
|d49| |e49| mit welcher die meisten Phänomenen übereinstimmen. Warum auch und wofür hat man doch die Auslegungsregel,
f81 daß man vornehmlich tropische Ausdrücke mit den eigentlichen Vorstellungen, welche dadurch in dem Verstande veranlaßt werden sollen, verwechseln müsse; so lange man sie nicht auch im Größern anwenden will? Was heißt alle exegetische Treue im Kleinen, wenn sie im Großen
f82 nicht die Probe hält? Nun die Apostel wechseln so mit den bildlichen
|cXXV| Darstellungen Christi ab,
|f49| als eines
Lammes,
/cwelches geschlachtet, als
c\ Opferse83, welches dargebracht wird
f84 und des
Priesters,
c85 der es darbringt; als einer
trocknen Gabe; dann als eines
Mittlers eines neuen Bundes, eines
Haupts des
c86 Leibes, eines
/cHirten,c\ Erzhirten, eines
Königs, und vor Juden, die an alle diese sichtbaren Gegenstände nach der Einrichtung
/cihres Landes,
c\ ihrer Regierung und ihrer Gottesdienste gewöhnt waren, daß sie alle eine Einzige Hauptvorstellung von seinem Erlösungsgeschäfte übrig lassen, wenn man sie gehörig entkleidet;
ef87 soll nun nicht diese die Wahrheit, jenes alles das unwesentliche seyn? Lehrart nicht die Lehre selbst? Oder sollen wir aus einem jeden einzelnen Tropus einen eignen
f88 Artikel machen? Doch nein! die christliche Wahrheit und Weisheit ist simpel und sehr einfach; sie beschwert nicht das Gedächtniß; sie ermüdet nicht die Denkkraft; sie läßt sich im Grundriß in einer Periode entwerfen und sie ist keine Wissenschaft, welche nicht ganz wohl der
|d50| |e50| gläubige Vater und die gläubige Mutter beym vertraulichen Zusammensitzen des Abends oder beym erheiternden Spatziergange ihrem Kinde an der Seite beybringen könnten. Bewahrt will sie seyn in einem feinen guten Herzen; geübt will sie seyn in einem guten Gewissen: das ist die große Kunst, an der wir fürs ganze Leben zu lernen haben.
|cXXVI| Aber, noch Einmal, so könnten wir es doch bey
deref89 Lehrart lassen, bey welcher
/f/egleich wohl
e\ ∥e90 unsre
f\ ∥f91 Gemeinen das Wahre mit haben und welche das Ansehen so ehrvoller und ehrwürdiger Lehrer für sich hat! Irre ich nicht, so ist dieß
f92 der Gedanke Vieler.
c93 – Nun auch um des Schlußgedankens willen, der wieder bey einigen
f94 dazu kömmt, daß also Unser Einer wohl etwas klügers
f95 thun könne, will ich doch auch hierüber mich kurz erklären.
Lehrart, das begreife ich sehr wohl,
verschiedene Vorstellungsart der Religionsweisheit wird immer bleiben und bleiben müssen. Wer kann das gute
f96 edle Metall ohne Zusatz mit geringerm verarbeiten und welcher Geldliebende hält nicht
/fdem ungeachtet
f\ ∥f97 sein Gold werth? Aber wenn dieses Zusatzes zu viel wird,
f98 wenn dadurch die in einem Lande gangbare Münze über die Helfte
f99 des innern Werths verliert, daß wilder Streit darüber in Handel und Wandel entsteht, und Kenner die geringhaltige Münze doch durchaus für vollwichtig annehmen sollen;
f100 können und werden diejenigen, die noch ein Wort sprechen dürfen, sich nicht dar
|d51||e51|über laut beschweren?
c101 Oder
f102 nach dem vorher gebrauchten Gleichniß
f103, wenn die Bewohner des einen Flügels oder untersten Stockwerks eines neuaufgeführten Gebäu
|cXXVII|des
f104 das Gerüste um dasselbe her, aus besonderm Wohlgefallen daran, wollen stehen lassen und auch die Policey
f105 sichs gefallen läßt, was gehts andern an? Wenn sie aber auf ihr Gerüste so pochen, daß sie die Mitbewohner im andern Flügel oder höhern Stockwerke zum Hause heraus jagen wollen; wenn lauter Unfug
|f51| daraus entsteht; oder wenn diesen der freye Eingang ins Haus dadurch
/fversperret wird;
e106f\ ∥f107 sollen sie nicht sagen dürfen und müssen:
euer Gerüste gehört nicht weiter hieher? Ich will mich ohne Bild erklären. Einmal mag ja wohl jeder die eigentlich der jüdischen Denkungsart angepaste
f108 Lehrart des N. T. für sich beybehalten, wenn er es so gut findet. So denn aber Sectengeist und Secteneifer
f109 daraus entsteht; sie für so wichtig und wesentlich angesehen
c110 wird, daß man sich in verschiedene Partheyen theilet und eine die andre
f111 verläumdet und hasset;
f112 so ist ja nun die Nothwendigkeit da zu sagen:
f113 dieß ist
Lehrart, darüber ihr euch nicht streiten müsset; und dieß ist die
Lehre selbst, welche ihr festzuhalten habt. Wie viel nun ein jeder zur Lehrart rechnen will; ob er darinn
f114 zu viel oder zu wenig thue;
ef115 muß dann wohl jedes eigner
f116 Einsicht und eignem
f117 Gewissen überlassen werden. Ich habe nichts dagegen, wenn mancher gutdenkende Christ sich
|cXXVIII| auf
|d52| |e52| seinem Haupte eine Krone denken muß, um seines erhöheten und verbesserten künftigen Zustandes in der Vorempfindung froh zu werden; ich würde selbst als Lehrer in Privatunterredungen mirs zum Gewissen machen,
c118 ihm diese Nebenidee zu benehmen. Sobald man sich aber in großen Haufen zusammenthäte,
c119 jenes Kronedenken zum Mahlzeichen der Auserwählten unter den Christen zu machen, Prediger ganzer Gemeinen das unterstützen wollten, und denn
ef120 gar mancher Schurke sich dessen bedien
|f52|te, dem armen
f121 einfältigen Mann sein bisgen Geld abzuschwatzen, um der Krone willen, die ihm auch dafür aufgehoben sey;
ef122 weß Herz und Muth sollte sich nicht dagegen empören? So,
∥c123 dünkt mich, dachte Paulus. Er hatte ungezweifelt seine eigne
f124 Lehrart, widersetzte sich aber auch mit großem
f125 Ernst,
/fso bald
f\ ∥f126 Spaltungen daraus entstehen wollten, rufte da einmal über das andre:
es soll nicht also seyn; ihr seyd alle Christenc127; lasset uns einerley gesinnet seyn! ⌇⌇f Ich will
/fnun
f\ zweytens eben nicht sagen, daß die Lehrart verändert werden müsse,
/fso bald
f\ ∥f128 überhaupt mehr Schaden als Nutzen fürs wahre Christenthum damit gestiftet wird. Denn da schallt es wieder aus einer andern Gegend her;
ef129 kommt ihr weiter mit eurer
|cXXIX| Tugendlehre? Ob nun gleich sich noch antworten liesse
f130: wir wissen nicht, was ihr meinet
f131, ihr thut, als wenn es nur um das bloße
f132 magere Gerippe der Tugend, ohne Saft und Kraft der Erkenntniß und Verehrung
|d53| |e53| Gottes, zu thun wäre;
/fes wäre
f\ auch
∥f133 die Frage,
f134 wie viel mehr Frucht daraus erfolgen würde, wenn alle vereint ruften (welches bisher noch gar nicht der Fall gewesen),
Gott ehren, Liebe üben, und in gleichförmigen guten Gesinnungen voll guter froher Erwartungc135 für Zeit und Ewigkeit seyn, dieß ist die Hauptsache
f136 aller Christuslehre; so will ich doch darauf nicht beharren. Ich denke selbst, daß bey jeder Lehrform die wahre fruchtbringende Weisheit der Religion immer das Theil Weniger
|f53| seyn und bleiben wird, in einer Welt, in welcher der Hohe und Reiche im steten Flug daherfährt, der Pöbel kriecht, und nur der Mittelmann seinen Weg auf der Ebene bedächtig fortgeht. Dieß will ich also, wie gesagt, mit Stillschweigen übergehen, und nur noch so viel zu überlegen geben,
f137 wie nöthig es doch sey,
c138 die Vorstellungsarten abzuändern, wenn nach Zeiten und Umständen ihre Beybehaltung wenigstens einen erstaunenden Umweg im Unterricht
f139 verursacht. Kurz zu seyn;
f140 ist es nicht ein solcher Umweg, wenn wir unsre
f141 |cXXX| Christenkinder durch den Fortgebrauch der Ausdrücke und Redarten
f142, welche bloß für die zum Christenthum ehemals zuerst übergehenden Juden waren, nun noch itzt
f143 erst bald mehr, bald weniger zu Juden machen, statt daß wir sie
f144 geradezu das simple
f145 Evangelium lehren sollten? That das Paulus in seinen Vorträgen an die Nichtjuden der damaligen
/fZeit Apostg. 14. 19. 24.
f\ ∥f146 – redete er da auch von Opfern,
|d54| |e54| Priestern und Hohenpriestern, der Unmöglichkeit durchs Gesetz selig zu werden u. s. w.? That es der Erlöser in der mit dem Pinsel eines göttlichen Meisters ausgemalten Vorstellung von dem verirrten Sohne? Es ist
∥c147 ziemlich unter den Auslegern ausgemacht, daß dieser
c148 unglückliche Mensch
c149 im Gegenbilde die in Ohngötterey, Abgötterey und allen moralischen Verderbnissen tief verfallenen Völker darstellen sollte, und also auch die Rückkehr jenes die Zukehr dieser zu dem Einen Gott in Liebe und Ge
|f54|horsam, nach einer durch Jahrtausende immer mehr zugenommenen Entfernung von seiner wahren Anbetung. Wie verfährt er nun da? Läßt
f150 er sie viele Angstgebürge (ich frage dieß in dem Geiste eines
/funsrer vortreflichsten
f\ ∥f151 und ansehnlichsten theologischen Schriftstellers)
f152 erst übersteigen, ehe sie sich wieder zu dem allgemeinen Vater der
|cXXXI| Menschen nahen dürfen?
f153 /cund ich antworte: nein
c\ ∥c154, das nicht; er läßt den Sohn den edlen
f155 Entschluß fassen:
ef156 ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen, und das Maaß der Zwischenangst überläßt er ihm.
c157 – Müssen sie Jemand voraussenden, welcher den beleidigten Vater bewege,
c158 sie wieder aufzunehmen, ihm das Herz erweiche? O, diese Vorstellung würde zu klein, zu niedrig und menschlich für den Allgütigen seyn; nur das Bedürfniß für den, welcher lange in der Vorstellung von Gott, als einem harten Beherrscher, wäre auferzogen worden! Reuevolles, demüthiges Geständniß, mit
|d55| |e55| /fden sichtbarsten Bezeugungen
f\ ∥f159 eines geänderten Sinnes, ist alles, was er den Sohn thun läßt. Und ich halte mich versichert, Paulus habe einen Abgötter im Privatunterricht bey seinem Missionswerke nicht anders zur christlichen Wahrheit angeführt – ihm so den
/ffreyen ofnen
f\ ∥f160 Zutritt zu Gott gelehrt.
f*) Den sel. Abt Jerusalem meynte ich; wollte aber in einem solchen Zusammenhange aus Schonung ihn nicht nennen.f
|f55| Haben wir endlich nicht wirklich schon manches, nach dem Bedürfniß unsrer
f161 Zeiten, von der
Lehrart der Apostel fahren lassen? Wer macht noch einen besondern Lehrartikel aus der
Einschreibung ins Buch des
Lebens, wie es wohl ehemals gewöhnlich war? Wer einen besondern
von der Wiedergeburt, wenn er von Bekehrung und Heili
|cXXXII|gung genug gesprochen hat? und wer würde gern dem Schuld geben, er habe eine ganze
Lehre untergeschlagen, der, um seine Unterweisung noch mehr unter
/feinem Gesichtspunkt
f\ ∥f162 zu vereinigen, bloß von Heiligung, oder Erneuerung, oder Besserung sprechen wollte,
/cda
/fauch
f\ selbst der Gute
c\ ∥c163 immer
∥f164 etwas im Erkenntniß oder in der Ausübung des Guten an sich zu bessern findet? – –
Das nationellgewordne
ef1 Christenthum, oder das männliche Alter desselben.
Hiervon nun auch so viel zu sagen, als es der Umfang einer Vorrede verstattet und
/cals
c\ zureichend ist,
c3 die Aufmerksamkeit denkender Männer darauf zu lenken
c4 und weitere Prüfungen zu veranlassen,
|d56| |e56| was ists? was sollte es seyn, selbst nach dem eignen ersten Unterricht seines hohen Stifters? Sollte es etwas anders seyn, als, die beste Weisheitslehre zu einer immer höher steigenden Glückseligkeit; mithin vielleicht unser Unterricht damit anfangen, womit Christusc5 und /cdie Apostelc\ ∥c6 selbst den ihrigen endigten?
|f56| Es ist das alles doch gewiß der Frage werth, und zuerst unleugbar, daß das Christenthum in seinen
Gebräuchenc7 schon das
|cXXXIII| nicht mehr ist und seyn kann
e8, was es zuerst war. Die ersten Christen feyerten noch, wie bekannt, den Sabbath
f9, gleich den Juden; mit zunehmender Erkenntniß der wahren
f10 nicht eben an diesen Tag gebundenen öffentlichen Gottesverehrung, und um sich auch darinn
f11 sichtbarlicher von den Juden zu unterscheiden, bestimmte man dazu den Sonntag
f12. Eben so wurde die Beschneidung noch von Vielen beobachtet, und daher der Ernst des Paulus in Verweisung dieser Vermischung des Judenthums mit dem Christenthum; mit zunehmender Erkenntniß fiel nun auch diese weg. Wenn
f13 denn das
f14 Erkenntniß noch gereinigter und verbesserter wird, sollte denn
ef15 nicht noch manches andre
f16, als die Vorübung der Kinder, wegfallen? Die Taufe
f17 geschah in dem ersten Jahrhundert durch Untertauchen unter das Wasser, und man muß gestehen, bedeutungsvoller, als sie itzt
f18 geschieht und geschehen kann; aber die hellere Einsicht in das Wesen der Religion hat gelehrt, daß es dabey auf das mehr oder weniger Abbildende
c19 |d57| |e57| nicht ankomme, wenn nur das Abgebildete
c20, die Reinigung des Herzens und Lebens, das Hauptgeschäfte des Menschen ist. – – Das Abendmahl
f21 wurde ehemals bey sogenannten Liebesmahlen gefeyert, so lange die Christen noch ein klei
|cXXXIV|nes zerstreutes Häuflein ausmachten,
f22 und es ist wieder nicht zu verkennen,
|f57| daß so auch die Gemüther zu allen christlichen Wohlwollen feyerlicher
f23 dadurch verpflichtet wurden,
ef24 vielleicht auch nach ihrem grössern
f26 Bedürfniß, da sie aus verschiedenen Völkerschaften, welche nicht lange vorher sich gehaßt und verfolgt hatten, zusammen kamen und die Belehrung von dem Einen Geiste, der alle beseelen sollte
ef27 als Kinder des Einen Vaters der Menschen
ef28 ihnen noch ganz neu war, die Ueberzeugung dessen noch keine tiefe Wurzel gefaßt hatte. Nach und nach hörten nun
∥c29 auch diese Liebesmahle
/fauf; es
f\ ∥f30 mußte geschehen, weil der Christen-Staat sich vergrösserte
f31 und grosse
ef32 ärgerliche Unordnungen zu besorgen waren,
f33 und es konnte geschehen, da theils jene Belehrung wirksamer und die Ueberzeugung davon allgemeiner, theils die engere
f34 festere Verbrüderung und äußerliche Verpflichtung dazu
f35 wegen des grösseren
cef36 bürgerlichen Ansehens der Christen
f37 als einer eignen
f38 großen
c39 Gesellschaft
f40 unnöthiger wurde.
So ist es nun aber auch ferner gewiß, daß viele
Ideen, welche dem ersten Kindesalter der neutestamentischen Religion anklebten, verschwinden mußten, nachdem das reine Licht sich immer mehr verbreitete und zum
|cXXXV| größten Theile wirklich
|d58| |e58| verschwunden sind. Ich meine
f41 die Vorstellungen von einer irrdischen
f42 Größe und Oberherrschaft des Meßias
f43, dem von ihm im kurzen anzurichtenden tausendjährigen Reich, seiner ausschliessungsweise
ef44 nur für die jüdische Nation bestimmten Sendung, der
c45 leiblichen teuffelischen
ef46 Besitzungen; und ich entscheide hier nicht, ob es damals wirklich
|f58| solche gegeben, da es mir zu meiner gegenwärtigen Absicht genug ist zu bemerken, wie die Idee nach und nach verlohren
f48 gehen müssen, je mehr der Lehrsatz in seinem völligen Umfang erkannt wurde:
Christus sey gekommen die Werke des Teufels zu zerstören. Und
f49 ich halte es
/efür ganz
e\ ∥e50 antichristisch (ein Ausdruck, den man mir verzeihen wird, weil er die Stärke meiner Ueberzeugung ausdrücken
f51 soll) wenn man irgendwo noch daran glaubt; für eine Umkehrung aller Religion.
Noch weiter kann ich als ausgemacht annehmen,
f52 daß die Vorstellungen vom
Glauben an Christum, von
Bekehrung, von
Seligwerdung oder
Seligmachung, Heiligung, mit den mehr reifenden Religions-Einsichten und den äussern
cf53 Umständen ihrer Bekenner
/csind
c\ verändert worden und verändert werden mußten
c54. Was den
Glauben an Christum anlangt, meynt zwar der Ver
|cXXXVI|fasser des
/fvorher angeführten
f\ ∥f55 Versuchs vom Begriff des Glaubens, es habe doch immer dabey die Idee des
Zutrauens zum Grunde gelegen. Dieß kann ich ihm hier unbeschadet meiner Behauptung zugeben, habe auch selbst im Wörterbuch
|d59| |e59| viele Stellen von dieser Bedeutung ausgezeichnet. Nur hätte ich gewünscht, daß er besonders bey Beurtheilung des Glaubens Abraham
f56 Röm. 4. mehr Rücksicht auf meine Zusätze zum Wörterbuch genommen hätte, wo ich bemerkt habe, daß
Glaubenef57 oft soviel
ef58 als die ganze Gottergebenheit (wie ich mich nun
∥f59 kürzer ausgedrückt habe) des Menschen, die völlige herzliche
|f59| Richtung des Gemüths auf Gott, bedeute. Und so stelle ich mir den Glauben Abrahams
/fvor; er
c60f\ ∥f61 war inniger
Gehorsam in ruhiger Erwartung und Hofnung
f62 zu Gott, daß Jacobus 2, 22. sehr wohl sagen konnte, „er sey mit seinem Glauben zusammengeflossen
c63, habe mit dazu gewirkt, sein Glaube sey dadurch vollkommen geworden;“
c64 insofern nemlich dieser blosses
ef65 Zutrauen bedeuten soll
f66 – So also konnte Jacobus sagen und Paulus diesen gläubigen Mann dem entgegensetzen, der
mit Werken, Beschneidung, Opfern,
/cwie auch zum Theil selbst
c\ ∥c67 Abraham
∥c68,
umgeht; und es ist schlechterdings unerweisbar, daß der Apostel das Wort
ἐργαζεσθαι, wenn
|cXXXVII| er auch kein Reingriechisch verstanden hätte, von sittlichen Wohlverhalten könne gebraucht haben. Im Reingriechischen wie
∥c69 im Hebräisch-Griechischen, in welchem
/cdas Wort
c\ פעל /cso übersetzt wird
c\ ∥c70, wird es allezeit von niedrigen Geschäften, knechtischen Diensten der Fröhner und Handlanger gebraucht,
f71 zeigt im Gottesdienstlichen das
opus operatum der Römisch-Catholischen
ef72 an; und hätte das immer der Herr Verfasser dem Herrn D. Barth zu
|d60||e60|geben sollen. Mir ist es überhaupt eine Sache, für die
f73 ich zurückschaudere, wenn noch in so vielen Gegenden es für rechtsinnig und den Geist des Evangeliums verherrlichend angesehen wird,
c74 Tugend, rechtschaffene Gesinnungen und Erweisungsarten mit einem solchen Ausdruck zu verwechseln. – Ich muß denn aber wohl wieder zur Hauptsache zurückkehren – Sie war diese, daß
Glaube |f60| an Christum etwas ganz anders
c75 in den Tagen Christus
f76 und einige Zeit nachher war, als was er uns ist; in dem Einen Zutrauen zu ihm als einen Arzt und großen
c77 mächtigen Helfer in Krankheiten, in dem Andern Hofnung
f78 auf eine National-Rettung durch ihn u. s. w. Die
Bekehrung war der äusserliche
ef79 Uebertritt zur Kirche,
f80 schon das war ein
Seligseyn , ein
Heiliggewordenseyn , wie ich
|cXXXVIII| unter diesen und mehrern
f81 Artikeln im Wörterbuche
c82 bemerkt habe. Dieß war damals die kirchliche Sprache, welche nun nebst den Ideen selbst hat verändert werden müssen, nachdem das Christenthum eine Nationalsache geworden ist
f83 und so der gebohrne
f84 Christ ganz andre
f85 damit verbinden muß.
Man wird nun noch weiter eben so wenig in Abrede seyn können und
c86 wollen, daß aus dem
/fUnterricht unsrer
f\ ∥f87 Christen in diesem reifern Zeitalter der Religion, eben weil es dasselbe ist, das wegfallen muß, was die Apostel, nach seinem damaligen Kindesalter, zur ersten Forderung an die Juden machten,
f88 daß sie von blutigen Opfern abstünden
e89, zum ersten Lehrpunct
ef90, daß die Beschneidung weiter keinen Nutzen
|d61| |e61| habe;
f91 und bey den Heyden, daß sie den Götzendienst verliessen
f92 mit allen Anhängseln desselben. Wir beweisen nicht einmal weiter unsern Anfängern im Religionsunterricht die Einheit Gottes, setzen sie mehr als bekannt und zum christlichen Gemeinsinn gehörig voraus.
So giebt es
/cnun auch
c\ ∥c93, nach allgemeinem Zugeständniß,
in einer schon christlichen Nation |f61| keine totale Rechtfertigung mehr, keine Ankündigung eines feyerlichen Generalpardons, daß ich mich so ausdrücke. Sie könnte
c94 nur noch gedacht
/cwerden, wenn etwa
c\ ∥c95 noch itzt
f96 /ceine ganze Völkerschaft mit einmal
c\ zum Christenthum
/cüberträte und dieser nun auch ein für allemal ihre Begnadigung bey Gott angekündigt würde
c\ ∥c97. Und daher, dünkt mich, ist es gekommen, daß auch viele unsrer
f98 eben nicht zu weit gehenden Theologen nach und nach die Vorstellung der noch fortgehenden einzelnen Rechtfertigungen der Christen, als eines feyerlichen Akts in Gott, haben fahren und sichs genug seyn lassen,
cf99 das dem Menschen wieder zugewendete
ef101 göttliche Wohlgefallen dabey denken zu lehren.
Diese bisherigen Inductionen beweisen denn schon, daß das immer zu höherer Vollkommenheit fortschreitende Christenthum das nicht mehr
istef102 und seyn
kann, was es in seinen ersten Anfängen war.
Das soll es nun aber auch nicht mehr seyn; christliche Nationen und jeder Christ sollen zu immer hellern Einsichten und würdigern Uebungen in der Gottesverehrung wachsen. Der
Grund ist gelegt, und einen andern soll niemand legen; aber man soll ein immer festeres, geräumigeres, für den innwohnenden
|d62| |e62| geistigen Anbeter bequemeres, anständigeres Gebäude auf denselben aufführen; oder nach einer andern apostolischen Vergleichung,
f103 es muß eine Zeit kommen in dem Leben eines Jeden, da er aufhört die Muttermilch
c(von welcher nemlich Paulus die
|cXL| Vergleichung eigentlich hernahm, und welches ich noch bey dem Worte
Milch hätte erinnern sollen)
c des Evangeliums zu trinken, da man sich an stärkere Speise gewöhnet;
f104 oder man bleibt ein Kind. Und
|f62| was soll ich alle die apostolischen Vorstellungen und Erinnerungen von dem
ef105 vollkommnern Alter der Christenheit herschreiben? Genug, so ists, und dazu sollen wir Lehrer in dem Geiste Gottes und Christi mit fortwirken. Wenns aber so ist, so kann ich mich nicht enthalten, zu denken,
f106 daß Glaube an Christum, Zurechnung seines Verdienstes, Rechtfertigung für ein
cf107 schon längst in ihren Vorfahren begnadigte Christennation nicht weiter die gewöhnliche Anwendung verstatte. Wenn irgendwo rebellische Unterthanen
/fvor tausend Jahren
f\ wieder zum Gehorsam wären gebracht worden
f108 nach versicherter völliger Begnadigung, welches würde nun ihre Hauptsache seyn müssen? Ists nicht wahr, die Erweisung neuer Treue und Unterthänigkeit? Oder was wäre es, wenn sie es so recht drauf
ef109 anlegten, daß sie immer neuer Begnadigung bedürften; die Vorsteher und Häupter der Familien den Ihrigen einmal über das andre
f110 sagen müßten,
/fsuchet Begnadigung,
f\ ∥f111 und unausgesetzt nöthig fänden, sie zur Zurückkehrung
f112 unter die Herrschaft des Regen
|cXLI|ten zu ermahnen? Gewiß ist mirs, daß der Unterricht der Religion in diesem Stücke
c113 noch eine mit dem nationellen Christenthum schwer zu vereinigende Ungleichheit hat, wenn
|d63| |e63| doch unsre
f114 Christen gewöhnt werden,
c115 sich von einem Jahre zum andern, von einer Communion zur andern, auf eine fremde Gerechtigkeit zu berufen? Man erwäge doch einmal, was etwa in einer solchen Beziehung der Apostel könnte haben sagen wollen mit der ernsten Erinnerung, Ebr. 10, 26.
so wir muthwillig
f116 fortsündigen, haben |f63| wir ferner kein Opfer für die Sünde. Noch zur Zeit kommt es mir mit dem gedachten Unterricht
f117 eben so vor, als wenn man bey der Erzählung von dem stolzen Pharisäer im Gegensatz gegen den reuigen Zöllner, die Sache auch
/cimmer
c\ so vorstellt, daß man glauben sollte,
f118 es müße
f119 nothwendig durch alle Zeiten die zwey Hauptgattungen von Menschen geben,
selbstgefällige, verlarvte Heilige, und dann
inniger schaamvoller Reue bedürftige Sünder – es gereiche zur Ehre der Christenheit, keine dritte mitten innstehende Gattung anzunehmen. Wir wollen jedoch hoffen, daß es eine solche giebt, die wirklich guten Menschen, welche sagen können:
Nun halte ich, o Gott, dein Wort; verzeihe mir nur die verborgnenf120 Fehler! – –
|cXLII| Das sind denn meine Gedanken, oder, wenn man will, Vermuthungen, wie sie, als in eben so vielen Keimen,
f121 in diesem Wörterbuche
c122 und auch in den hinzugekommenen Artikeln eingeschlossen liegen. Ich kann sie nicht ausführen und in einem so eingeschränkten Raume
c123 unmöglich weitläuftiger auseinandersetzen
c124. Aber ich wünsche herzlich, daß sie bey aller ihrer Mangelhaftigkeit, die ich wohl selbst fühle, von allen, denen Religion und Christenthum werth ist, mit unpar
|d64||e64|theyischem Ernst in Ueberlegung mögen gezogen werden. Mir gereicht es zu einer fühlbaren Gemüthserhebung, so oft ich denke,
f125 daß der gutgesinnte Mensch, ohne eben schulgerecht zu seyn und wo er lebt, Gott gefällig, der Geist Christus in ihm, auch er ohne alle schwärmerische Nebenbegriffe von Gott gelehret
c126 sey;
/cdaß,
c\ |f64| wo er das äussere
f127 Wort nicht hat oder verstehen kann,
/cer
c\ durch das innere zu seiner Seligkeit geleitet werde, und das unsichtbare Reich der Freunde Gottes und des Guten größer sey, als es oft im Sichtbaren erscheinet
c128. Aber das soll mich doch nicht träge, nicht faul machen, für mein kleines Theil und so lange ich kann, mitzuwirken,
f129 daß solche gute Menschen nicht von jedem unnützen Namenchristen sich dürfen schänden lassen, und nicht
c130 der rohe Theil
/csich
c\ gegen
|cXLIII| sie nur immerhin seines nach Ländern und Provinzen so oder so gestempelten Bekenntnisses
/cerhebe
c\ ∥c131. Es ist die große Angelegenheit der Menschheit
f132 sich dagegen zu setzen, und so ist es auch Beruf,
/cselbst
c\ nach dem Evangelium, für alle Lehrer, mit auf diesen Endzweck ihre Bemühung zu richten.
Ein sehr
/fhochzuschätzender Freund
f\ ∥f133 hat mich an eine Stelle aus
Luthers Vorrede zum Brief an die Römer erinnert, welche
/fich doch dieser Vorrede will nachfolgen lassen, weil sie
f\ allen dergleichen Wörterbüchern zur Schutzwehr dienen kann,
f134 und so auch zum Beweise, daß ich wenigstens das Bedürfniß der Schriftsteller
cf135 gefühlt habe, wenn ich auch gleich ihm nur zum geringsten Theil abgeholfen hätte.
⌇⌇f Berlin, am 17. April 1780.
/fAufs erste müssen wir der Sprachec136 kundig werden und wissen, was St. Paulus meynet durch diese Worte, Gesetze, Sünde, Gnade, Glaube, Gerechtigkeit, Fleisch, Geist und dergleichen,
sonst ist kein Lesen nütz daran.
f\
f*) Der auch als Schriftsteller gleich seinem sel. Hrn. Vater, um die protestantische Kirche hochverdiente Herr Sam. Gottfr. Sack, Erster Hofprediger etc.f abz\