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|b[I]|D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Joh. Sal. Semlers
Antwort auf das Bahrdische Glaubensbekentnis.
Halle, im Verlag der
Hemmerdeschen Buchhandlung, 1779.
|b[II]|
|b[III]| Vorrede.
Es ist wol nicht nötig, mich weitläuftig und künstlich erst zu rechtfertigen, daß ich auf das
bahrdische Glaubensbekentnis
eine öffentliche Antwort ertheile. Ich wil also auch nicht umständlich anfüren, daß ich von mehrern dazu ersucht worden bin; die nicht sowol erst erfaren wolten, ob ich auch unter den
angeblichen Tausenden seie, welche eben diese Lehrsätze vorziehen, und sogar eine neue algemeine Religionsform zu wünschen für wichtig halten; als vielmehr hoffeten, daß ich zu einer ehrlichen Untersuchung und eben so freien |b[IV]| Beurtheilung ganz gewis bereit und willig seyn würde; wonach allerdings kein unansehnlicher Nutzen für unsre Zeitgenossen in mehr als einer Absicht, zu erwarten seyn könte. Eben so freie Beurtheilung des Bekäntnisses, ohne Zurückhaltung, muß doch wenigstens eben sowol auf unserer Seite rechtmäßig heissen: als der Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser sich eine in der That sehr grosse Freiheit erlaubet hat. Alle billigen und noch unparteiischen Leser werden es also nicht übel deuten, daß gerade ich, hier,
an eben dem Orte, meine Beurtheilung öffentlich bekant mache, wo sich der Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser für jetzt aufhält; es konte dis in mehr als einer Rücksicht wirklich vortheilhaft oder nötig heissen, da ohnehin manche seltsame Gerüchte sich ausgebreitet haben, denen man sogar eine furchtbare Stellung oder einen solchen Zusammenhang geben wolte, der
unserer Universität nachtheilig heissen solte. Je gewisser es ist, daß eine rechtmäßige wünschenswerthe
Toleranz bey uns, und besonders, |b[V]| was unsere theologische Lehrart betrift, sich schon lange ausgezeichnet hat, vor vielen andern teutschen Universitäten, wenn auch ich insbesondre schon eben so lange von manchen Eiferern übel und unfreundlich darüber beurtheilet worden bin: desto ausgemachter ist es wol auch, daß niemand unter uns den Hrn.
Abkürzungsauflösung von "Hrn.": Herrn
Verfasser um dieses Uebertrits willen zur
socinianischen Partey, zu drücken und zu verfolgen gesonnen seie; wir behalten alle Menschenliebe und Achtung, die wir in änlichem Falle uns je wünschen mögen. Indessen wird auch dis
kein Beweis einer Verfolgung heissen können, wenn man geradehin und öffentlich dieses Bekentnis historisch unrichtig, unzuverläßig, und in Absicht des geäusserten Widerspruchs wider
die augspurgische Confeßion, und wider alle feierliche Grundsätze der
drey Religionsparteien im römischen Reiche, ungegründet nent; auch die Wünsche für eine ganz andre Vereinigung dieser drey Parteien, durch eine
vierte Religionsform, als |b[VI]| unthunliche, und unnötige, übereilte ansiehet. Gerade diese Freiheit, solchen öffentlichen Aufsätzen, eben so öffentlich zu widersprechen, gehört noch mehr zu den Rechten dieser Kirchen, als zu der Pflicht, die man der Untersuchung des Wahren, oder vorzüglich Wahren schuldig ist. Wenn also sonst es unsern höchsten Obern nicht zuwider ist, und sie es der öffentlichen Geselschaft nicht nachtheilig erachten: wird es mir und andern öffentlichen Lehrern gar nicht entgegen seyn, daß der Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser nun mit mehrern sich über seine übereilte Sätze und Aufgaben, oder Behauptungen, gelegentlich erklärt; damit auch andre Zeitgenossen Gelegenheit haben, Gründe von beiden Seiten zu lesen und zu beurtheilen; so wenig auch, auf Seiten des Hrn.
Abkürzungsauflösung von "Hrn.": Herrn
Verfassers irgend etwas neues vorgebracht worden ist oder werden kan.
Ich wil mich hier nicht insbesondre darüber heraus lassen, daß ich alle Entwürfe ei|b[VII]|nes algemeinen Systems, oder Lehrbegrifs für alle Christen, ganz und gar für ungegründet halte; es ist meine Beurtheilung, der ich mich nicht schäme; indem solche Entwürfe stets local sind und bleiben; aller gute Unterricht aber darauf mitgehet, den fähigen Zeitgenossen in Absicht eigener Einsichten und Urtheile beförderlich zu seyn; folglich ihre Gewissensfreiheit in immer grössere Uebung zu setzen; und nun werden diese wol aus ihrer eigenen Erfarung wissen, wie es mit eigenen Erkentnissen zugehet, und werden niemanden, der mitdenken kan, ihre moralische Geschichte oder ihre Einsicht aufdringen. Mit vieler Aufmerksamkeit habe ich daher stets Studiosos Theologiä davon zu überzeugen gesucht, daß sie die Mannichfaltigkeit und Ausdenung der moralischen Welt, nach Ost und West, Süden und Norden, nach allen Strichen und Climatibus, und die Mannichfaltigkeit aller ihrer Veränderungen hinlänglich überdenken, und danach ihr Lehramt gewissenhaft und mit |b[VIII]| Zuversicht einst füren möchten. Alles, was zur eigentlichen Theologie gehört, seie Vorbereitung zu ihrer besondern Geschicklichkeit und Gewissenhaftigkeit; beides müsse sie, als Lehrer, von den andern Zeitgenossen gar sehr unterscheiden. Alle geschickte und gewissenhafte Lehrer aller drey grossen Kirchenparteien kämen darin überein, daß die eigentlichen unmittelbaren Grundartikel des christlichen Glaubens, oder der christlichen Religion, wie sie eine christliche Fertigkeit und Glückseligkeit gewähret, allen Parteien wirklich gemein seien und bleiben, obgleich in sehr verschiedenen Gesichtspuncten; und darauf gründe sich theils eine wahre Verträglichkeit und redliche geselschaftliche Verbindung, theils auch die feierlichen öffentlichen Religionsrechte, nachdem man der
Unionsarbeiten müde geworden. Die besondern Bestimmungen, in sogenanten
symbolischen Büchern seit dem 16ten Jahrhundert, beschrieben die jetzige wirkliche Verschiedenheit aller dieser Christen, |b[IX]| in Absicht der bey ihnen, wirklich eingefürten, localen Denkungsart und Lehrart; mit ausdrücklicher neuen äusserlichen Verbindung einer jeden solchen besondern Religionspartey. Diese äusserliche Verbindung beruhe auf den obrigkeitlichen Rechten, und könne in Absicht des einheimischen Gebrauchs und Verhältnisses so und so von der Obrigkeit und Kirchengeselschaft streng fortgesetzt, oder aber etwas abgeändert werden; wenn sie gleich in dem ersten Verhältnis, gegen Juden und Heiden, und gegen gewesene Kirchengewalt der Päbste, ein für allemal unveränderlich bleibe. Unter dieser Anleitung bleibe das noch so verschiedene Gewissen der Christen ungekränket und unbeeinträchtiget; die Abwechselung der historischen Erkentnis frey und vor GOtt unsündlich; entstehende Zweifel würden leicht gehoben, oder so weit zurück gesetzt, daß sie den Christen nicht in moralische Gefar und Unordnung füren könten. Ein Lehrer könne also, ohne geradehin gleichgültig oder gottlos zu denken, gar |b[X]| wohl einsehen, daß
auch Socinianer, Arianer, Sabellianer wirklich zu Christen gehörten, und keinen Haß oder Abscheu um der Religion willen bey andern Christen verdienten; ob sie gleich in der öffentlichen Geselschaft der im Staate grössern oder schon aufgenommenen Partey, eben so wenig mit diesen Christen einerley äusserliche Rechte hätten und haben könten, die ihnen auch Gewissens wegen gar nicht nötig seien, als Juden und Muhammedaner, und heidnische Völker, die auch christliche Unterthanen seyn könten. Diese meine Lehrart ist so wenig der Intoleranz bisher beschuldiget worden, daß ich vielmehr häufig nachtheilige und widrige Urtheile mir damit zugezogen habe. Ich fürchte also nicht, daß meine Antwort an sich selbst als ein Beweis der Intoleranz mit einigem Schein möge angesehen werden; da es zu den im römischen Reich ausgemachten Rechten aller drey Parteien, also auch der lutherischen Kirche gehört, über ihre symbolischen Bücher und Lehrschriften von Zeit zu Zeit schriftliche Er|b[XI]|läuterungen, Bestätigungen und Vertheidigungen öffentlich drucken zu lassen; wodurch Lehrer und Mitglieder gewis sind, daß sie noch zu derselben äusserlichen Kirchengeselschaft gehören, und ihre feierlichen Rechte behaupten. Desto besondrer ist mein Schicksal, daß mich manche so leicht zu ihrer Partey rechnen; zu einer Partey, die von vielen für eine neue, gleichsam aufwachsende bessere Geselschaft angesehen wird, weil sie die augspurgische Confeßion nicht behalten, sie für ein Hindernis einer Universalreligion, und die Wünsche und Beförderungen für diese Universalreligion, als ein grosses Verdienst um die ganze Menschenwelt, ansehen und anrechnen. So setzte mich erst vor kurzem
Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Lavater , in grossem heftigen Eifer, auf der letzten Zürchischen Synode in eine Klasse mit Hrn.
Abkürzungsauflösung von "Hrn.": Herrn
Steinbart ; und beschrieb mich vornemlich, als einen arglistigen höchst gefärlichen
Naturalisten. Andere aber glaubten schon lange, ich wäre doch wol ein Socinianer, oder |b[XII]|Arianer, (manche denken noch dazu, es seie, beides beisammen, desto ärger; um mich desto gräulicher zu beschreiben.) Ich bin aber weder ein Naturalist, was es auch für grosse Ansprüche auf Einsicht begreifen mag; noch ein Socinianer oder Arianer; ich bin ein ehrlicher treuer lutherischer Professor, der seinen
Eid zu bereuen oder zu brechen gar keine Ursache hat; es mag manchem lieb seyn oder nicht. Ich lehre und schreibe mit und in gutem Gewissen, und bestrebe mich, daß mein Leben und Wandel auch selbst gut christlich seie und andern nützlich werde. Ich denke, wenn unter allen Parteien alle Lehrer und Mitglieder ebenfals ein gut christlich gemeinnütziges Leben beweisen: so wäre dis für sie alles, und für andre so viel, daß niemand Ursache hätte, die Unarten und wissentlichen Laster der Menschen, in der Religionslehre zu suchen; worin der Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser dieses Bekentnisses ganz gewis sich völlig irret; und wie ich hoffe, den grossen Irtum geständig seyn wird.
|b[XIII]| Ich kan aber diese Vorrede nicht schliessen, ohne
unsre und alle Studiosos Theologiä öffentlich mit aller Aufrichtigkeit und Herzensöfnung zu ermahnen, wie ich es so herzlich gerne, und ohne Affectation, bey aller Gelegenheit in Vorlesungen thue: daß sie des Berufs ja wohl wahr nehmen mögen, in den sie einwilligen, wenn sie sich zum öffentlichen Lehramt für unsre Zeitgenossen zubereiten lassen wollen. Schon
Epictetus sahe das Lehramt eines Philosophen für so wichtig an, daß er forderte: ein solcher muß eine so grosse Sache ja nicht ohne GOtt sich vorsetzen; er muß sich durchaus immer mehr übertreffen; er ist ein Bote GOttes, der den Menschen bekant machen sol, in was für grossen Irtümern sie stecken – er muß alles durch sein gutes Beispiel klar machen; sein Gemüt muß reiner seyn als die Sonne – Wie groß! wie stark gesagt!
Mag Epictet , wie manche glauben, dis aus der christlichen Forderung und Belehrung entlehnet oder gelernet und selbst aufrichtig gebil|b[XIV]|liget haben; unter Christen muß die Anforderung an einen, der ein christlicher öffentlicher Lehrer werden wil, wahrlich doch nicht geringer seyn. Der gewisse Einflus GOttes, der die christliche Religion in der Welt zu einem besondern Mittel grosser Absichten gebrauchet, lebendige starke Vorstellung davon, muß den Jüngling bewahren für aller sinlichen Unordnung und Zerrüttung, für schändlicher Wollust und Frechheit, für aller Verunreinigung des Gewissens in Werken der Finsternis! Wo wil sonst der Mann entstehen und gebildet werden, den der Lehrer an sich untadelhaft zeigen muß,
wie Paulus forderte, er muß ἀνεπιληπτος seyn. ἀνεπιληπτος fordert alle Zeitgenossen, alle Bekanten, alle Freunde auf, die unserm Leben auf der Universität und in der Geselschaft zugesehen haben. Wie klug, wie bedächtig muß alle Zeit eingetheilet werden, um den ganzen Grund einer solchen Gelehrsamkeit und moralischen Ordnung so gewis zu legen, als zur Festigkeit des Charakters und des würdigen Ver|b[XV]|haltens nötig ist! Wie selbst bekant muß man seyn mit den wirklichen moralischen Folgen der gesunden Ueberlegung und treuen Betrachtung
der christlichen Wahrheiten, um diese grosse so nötige Erfarung nicht selbst zu entberen, und nicht auf Mittel einst zu fallen, sich fortzuhelfen, welche weder
Socrates noch Epictet sich verstattet oder zu gute gehalten hätten; um nicht sich wiegen und wägen zu lassen von allerley Wind der Lehre. Wer die Universitätszeit nicht volkommen zweckmäßig anwendet, und für Kopf und Herz so sorget, als es einst die redlichen Zeitgenossen voraussetzen: wird zu spät seinen Trost oder Beystand aus Büchern oder Zufällen suchen.
Und nun wünsche ich, daß Studiosi Theologiä, da sie jenes neue Glaubensbekentnis gelesen haben, auch mit eignen Nachdenken meine Antwort lesen; ihre gewissenhafte Beurtheilung üben, ohne sich zu übereilen, um mit reinem guten Gewissen einst treue fruchtreiche |b[XVI]| Lehrer der protestantischen Kirche zu seyn und zu bleiben; selbst
himmelfest gewis davon, daß sie nicht
Heuchler sind, die ums Brots willen ihrem Regenten lügen, und mit Verletzung des Gewissens Menschengunst zu erschleichen suchen; wie in diesem Bekäntnis sehr unbilliger und unglimpflicher Weise andere Lehrer beschrieben werden, die nicht so ungewis und wankend in ihrer gelehrten Einsicht zu seyn Ursache haben, als dessen Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser haben muste. In dem Falle, worin ich bin, und ein jeder treuer Lehrer ist, der seiner Religionsgeselschaft nicht lügen wil, ist an Menschengunst nicht zu denken; da gilt kein schleichen oder erschleichen; wir wollen nicht schleichen und heucheln,
οὐκ ἐσμεν ὑποστολης. Halle den 17ten Aug. 1779.
D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Joh. Sal. Semler.
|b[1]| Nachricht an den Leser.
Ohnerachtet es keinen sonderlichen Zusammenhang und Einflus haben kann, auf den richtigen Verstand und die billige Aufname dieser kleinen Schrift, unter was für Umständen und Gründen ich mich entschlossen haben möchte, sie drucken zu lassen: so halte ich doch dafür, es werde den meisten Lesern sogar lieb seyn, wenn ich auch hiervon einige Nachricht mittheile. Ueberhaupt ist gar nicht die bahrdische Schrift selbst, in Absicht meiner, von einigem wichtigen Zusammenhange, der mich dazu gleichsam bringen könte; wenn ich gleich mich gar wohl erinnere, in der letzten Zeit, als der Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser noch in
Heidesheim war, unvermutet ein kurzes Schreiben von ihm erhalten zu haben, worin die so unangenehme Lage angezeigt war, welche nach dem kaiserlichen Reichshofrathsconcluso entstehe, und eine baldige |b2| Entfernung mit sich bringe. Zugleich wurde darin angezeiget, daß der Hr.
Ich habe sogleich wieder geantwortet, und meine grosse Befremdung geäussert, über eine so unerwartete Entschliessung; und dawider kürzlich vorgestellet, daß ja die ganze ehemalige Uneinigkeit der christlichen Parteien über die Vorstellung von Christo damalen und nur daher entstanden seie, als die wirklichen christlichen Urkunden oder die Schriften der Apostel noch nicht beisammen gewesen, die wir nun alle haben; wonach eben, nach allen diesen Schriften, die Lehrsätze der katholischen Kirchen, in Absicht ihrer Lehrer und Diener, wider andre Parteien abgefasset und fortgesetzet worden – daß manche vorige Schriften dem Hrn.
Abkürzungsauflösung von "Hrn.": Herrn
Verfasser die Gestalt der Heucheley, und dieser öffentliche Schritt, die vorher nicht erwiesene Anklage und Beschuldigung ganz klärlich wahr machen würde. Ich würde unter den ersten seyn, welche Gegner einer solchen Schrift abgäben, und beiläufig habe geäussert, daß es eine ganz andre Frage wäre, ob der kaiserliche Reichshofrath Recht habe, in solchen protestantischen Kirchensachen sich auf diese Art einzumischen; welches ich stets leugnen würde, wie dergleichen Benehmen oder Betragen schon lange unter Religionsgravamina gebracht und stets von Protestanten mit Recht widersprochen worden *) . Bald nachher erschien dieses Be|b3|kentnis im Druck; der Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser traf hier in
Halle ein, ohne daß wir, ich wenigstens, davon etwas gewust haben. Er besuchte mich; ich bedaurete die Veranlassung dieser Erscheinung, und wünschte, daß sich im Königreiche Preussen, oder in andern Staaten, die mit dem teutschen Reiche in nähern Zusammenhange nicht stün|b4|den, ein Platz finden möchte, für seine sonstigen Talente – Ich gab zu erkennen, daß es hier, (wo eine lutherische der augspurgischen Confeßion zugethane Universität ist,) grosse Schwierigkeiten eines steten und erleichterten Aufenthalts geben würde, auch was das vorhabende Lesen betrift. Indes schlug ich einige nützliche Arbeiten nochmals vor;
eine eigene gute Lebensbeschreibung;
Uebersetzung aus dem Philo ,
Eusebii Vorbereitung etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
Nach einiger Zeit habe ich diesen Zuspruch noch einmal gehabt; und einige Hefte von dem Anfang einer Lebensbeschreibung gesehen, die mir allerdings fruchtbar und gemeinnützig vorkamen; nur an zwey Orten etwa habe ich einige lateinische Anmerkungen geschrieben. Bey der übrigen Unterredung, wo ich darauf bestand, der historische Verstand solcher Stellen, von Christo , könne der gleichzeitigen vielen Zeugnisse wegen, nicht geleugnet werden, nach aller meiner Einsicht; ein anders seie, ob ein Socinianer ihn für sich, bejahe und selbst auch annehme; ein anders aber, ob es dort der historisch erweisliche sensus seie, wurde der Zweifel vorgebracht, ob auch wol der |b5|
erste Anfang des 1sten Kapitel Johannis ächt seie? da antwortete ich: es seie für mich gar kein Zweifel da; aus der ganzen alten Kirchengeschichte wüste ich gar keinen Wink davon aufzufinden; und wenn ich selbst
die sogenanten Aloger als eine Partey wolte gelten lassen: so seie doch ihre Behauptung geradehin aufs ganze Buch, und nicht auf einige Verse des ersten Kapitels gegangen – Indessen wurde in der Stadt unter Studiosis immer mehr geredet, von öffentlichen Lectionibus, die der Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser des Bekäntnisses bald anfangen werde, wozu er auch ein Auditorium schon suche; wogegen ich ohne Zurückhalten bey aller Gelegenheit äusserte, daß ich nicht glaubte, daß dazu würde die
nötige Erlaubnis ertheilet werden. Ich wurde darauf vom 12ten Jul.
Abkürzungsauflösung von "Jul.": Juli
an
Decanus, und da wurde mir
von einem hiesigen Buchdrucker ein geschriebenes Avertissement vorgezeiget, zur Censur; worin auf ein grösseres Werk, zur Bestätigung dieses Bekäntnisses Pränumeration gesucht, und 4000 Exemplarien im Druck zu liefern versprochen wurde. Ich schrieb, nach Communication mit der Facultät, mit eigner Hand darauf, daß dieses und dergleichen Avertissement, und noch mehr ein solches Werk, hier nicht mit unserer Censur gedruckt werden möge.
*) Ich wil dieses einigermassen erläutern, weil manche Leser es sonst unrecht verstehen und misdeuten könten. Statt vieler andern klaren Beispiele, wil ich nur aus der volständigen
Samlung aller Conclusorum, Schreiben und anderer übrigen Verhandlungen des hochpreislichen
Corporis Euangelicorum (Eberhard Christian Wilhelm von Schauroth ) 1sten tomus
, S.
Abkürzungsauflösung von "S.": Seiten
706 f.
Abkürzungsauflösung von "f.": folgende
Gläsnerische Processache etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
so viel mittheilen. 1. Schreiben an Ihro römisch-kaiserliche Majestät vom Corpore Euangelicorum sub dato den 4ten April 1750. dictatum Regenspurg den 13ten May. Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
Kaiserliche |b3*| Majestät geruhen allergnädigst aus der Anfüge zu ersehen – „Nachdem nun die in ermeldetem (königl.
Abkürzungsauflösung von "königl.": königlich
preußischen und königl.
Abkürzungsauflösung von "königl.": königlich
grosbritannischen)
pro memoria angegebene, auf die Religionsfriedensschlüsse selbst, auch Reichsverfassung sich gründende argumenta und principia, die nemlichen sind, welche das gesamteCorpus Euangelicorumvon seinem ersten Anfange bis hieher unverändert fort, gegen alle anmasliche Iurisdiction derer höchsten Reichsgerichte in Evangelischen Kirchen- und geistlichen Sachen, behauptet und geheget hat; wie solches die bey diesem Corpore so vielfältig ausgefallene conclusa, und allerehrerbietigste Vorstellungsschreiben an Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
Kaiserl.
Abkürzungsauflösung von "Kaiserl.": Kaiserliche
Majestät glorreicheste Vorfaren am kaiserlichen Thron, hinlänglich bewäret; solchemnach aber sämtliche höchste und hohe Evangelische Churfürsten, Fürsten und Stände, die von dem kaiserlichen Reichshofrath in sothaner Gläsenerischen unstreitigen Kirchen- und Consistorialangelegenheit sich angemassete Gerichtsbarkeit um so minder gleichgültig ansehen mögen, da hiedurch einem der edelsten Rechte evangelischer statuum in Ansehung der Iurisdictionis ecclesiasticae, welche dieselben, nach den obhandenen pactis publicis, priuatiue exerciren, offenbar zu nahe getreten worden – als ergehet an Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Eure, Euer
Kaiserl.
Abkürzungsauflösung von "Kaiserl.": Kaiserliche
Majestät, im Namen und auf Befel unserer höchsten und hohen Principalen, auch Obern und Committenten, das geziemende und respective allerunterthänigste Ersuchen, und devoteste Bitten, bey mehrermeldeten Dero Reichshofrath unter ernstlicher Verweisung des in gegenwärtiger Angelegenheit angemaßten Erkentnisses, die allergerechteste Verfügung dahin ergehen zu lassen, daß derselbe fernerhin aller cognition in disseitiger geistlichen und Kirchensachen, ohne Ausnahme und schlechterdings sich zu enthalten habe. Da übrigens zu sorgfältigster Verwahrung derer hierunter unsern höchsten und hohen Herren Principalen, Obern und Committenten zustehenden Befugnisse, wir noch diese Declaration hier allerehrer|b4*| bietigst beifügen sollen, wie man evangelischer Seits, des kaiserlichen Reichshofraths Iurisdiction in ecclesiasticisnimmermehr erkennen, weniger die Execution derer in solcherley Fällen incompetenter ergangenen Iudicatorum, geschehen lassen könne noch werde; vielmehr alle von daher erfolgende derley Erkentnisse, als mit der Reichsverfassung incompatible, mithin von keinen Kräften zu seyn und für nicht ertheilet zu halten, anzusehen sich gemüßiget finde.[“]
Da nun in diesem Falle, worin sich der Hr.
Abkürzungsauflösung von "Hr.": Herr
Verfasser dieses Bekäntnisses befindet, noch dazu nicht einmal Appellationen von ihm an den kaiserlichen Reichshofrath gebracht worden, wie doch damalen D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Gläsener gethan: so hatte er noch weniger Ursache einem solchen Befel zu Folge dergleichen Bekentnis von sich zu geben, und konte seiner Obrigkeit, und den protestantischen höchsten und hohen Reichsständen es ruhig überlassen; wenn er nicht selbst etwa diese Gelegenheit, zu einer lang gehegten Absicht, sogleich gebrauchen wollen.
In allen diesen Umständen würde ich noch nicht für nötig geachtet haben, mich öffentlich über dis Bekenntnis, dessen Inhalt ohnehin sehr mangelhaft und unbedeutend ist, herauszulassen; wenn nicht mehrere Briefe von Auswärtigen, und manche von sehr erheblichen Inhalte, mich gleichsam mit Augen sehen liessen, wie nachtheilig dieser von Auswärtigen so ungleich erzälte und beschriebene Aufenthalt nun beurtheilt würde, wie man so gar mich selbst mit unter diejenigen zälen wolle, von denen Seite 23. stehet:
Nun muste ich auf einmal mich entschließen, dieser Vermutung, welche man wirklich gar zu gerne ausbreiten möchte, öffentlich zu widersprechen, und zu zeigen, daß ich allerdings Freymütigkeit und Verbindlichkeit ganz gerne vereinige, damit die Kirche, zu deren academischen Lehrern ich so viele Jahre gehöre, wenigstens mich nicht unter diese angeblich vielen Tausende zälen möge, die so leicht den ganzen untreuen Inhalt dieses nicht augspurgischen Bekenntnisses, und so gar den seltsamen Wunsch billigen und genemhalten sollen,
daß kaiserl.
Abkürzungsauflösung von "kaiserl.": kaiserliche
Majestät mit Zuziehung der Stände des Reichs ein Mittel ausfindig machen möchten, wodurch die beiden Stützen der öffentlichen Glückseligkeit, Gewissensfreyheit und Kirchenfriede – vereinigt und in ewiger Verbindung erhalten werden könnten.
Ich gestehe es gerne, ich habe mich nicht so viel gewundert über den so sehr unrichtigen und schlechten Inhalt des Bekenntnisses selbst, indem es der augspurgischen Confession und allen öffentlichen Religionsurkunden widersprechen soll; als über diese Aeusserung, die ich, bey allem Gutmeinen, doch für ganz und gar ungegründeten Einfal halten muß, ich mag auf innere oder äussere Gründe eines so sonderbaren und unerwarteten Wunsches sehen. Ich glaube, und erkenne es mit recht vielen meiner Zeitgenossen mit lebhaftester dankvollen Empfindung, daß wir weder an Gewissensfreiheit noch an Kirchenfrieden Mangel haben; nachdem die geheiligten Grundgesetze über den öffentlichen Religionsfrieden schon so viele lange Zeit, und zumal jetzt, in den gerechtesten Händen so unvergleichlicher höchsten Regenten, öffentlichen Friede und Sicherheit und gegenseitige Rechte so aufrichtig gewären, daß auch Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit überall so glücklich genossen und genützt werden kann. Ich verstehe Gewissensfreiheit als ein heiliges Recht eines einzel|b7|nen Menschen, der über die Urkunden der christlichen Religion oder die heilige Schrift, und die daraus gemachten Bekenntnisse, selbst nachdenken wil, um seinem Gewissen zu folgen; der sich also aus den daseienden so vielen Lehrbüchern selbst den Stof und Inhalt seiner eigenen christlichen Erkenntnis zusammen setzen, und mit ganzem Herzen sie nun ausüben will, weil er kann. Ich brauche nicht zu erzälen, daß er in allen drey öffentlichen Religionen, sich zu der besondern Partey darin wenden kann, welche ihm am meisten mit der Lehre Jesu , und mit gewisserer eigner Vollkommenheit und Erbauung, einzustimmen scheinet; er kann
Jansenist seyn und ein strenger Schüler Augustini ; er kann zur Gegenpartey gehören; er kann die practische Religion aus
Speners oder andern Schriften, gar aus
Böhmen ,
Dippel ,
Herrnhutetc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
für sich annemen; er kann ein Arianer, Socinianer, – seyn; ja gar, wenn er sich dazu verbunden achtet, ein Jude werden; nur muß er in den letzten genannten Parteien diese seine eigenen Gewissensrechte nicht weiter ausdehnen, und nicht in öffentliche, die der ganzen besondern Gesellschaft gehören, verwandeln. Er kann sich von der herrschenden Landesreligion gar lossagen; er mus aber ihre Rechte nun sich nicht zueignen, indem er alsdenn sichtbar die Gewissensfreiheit mit der äußerlichen Freiheit, die zu dem Staat und zur Gesellschaft gehört, verwechselte. Noch weniger muß er sich anmaßen, das kirchliche eingefürte Staatsrecht abzuändern, und in die gesetzgebende höchste Gewalt, in Ansehung der öffentlichen Kirch- und Lehrverfassung, mit seinen Forderungen eingreifen. Wer dis thut, muß nicht sagen, daß er es aus Gewissensfreiheit zu thun recht hätte; denn dis sind Gegenstände, die sein Gewissen und sein Verhältniß gegen GOtt, gar nicht anrüren können; so wenig als ein Unterthan seine ihm so gewis versicherte Freyheit über seinen rechtmäßigen Kreis ausdehnen darf. Ich kann also nicht einsehen, mit was für historischen oder sonst wahren Grun|b8|de, der Herr Urheber des Bekenntnisses, öffentlich versichern und vorgeben möge:
Ich gestehe es nochmals, ich kann nicht den geringsten wahren Grund hievon einsehen. Rechte der Menschheit felen uns im teutschen Reiche! welche übertriebene Sprachart! Hat die Menschheit alsdenn Anspruch auf die christliche Religion, wenn ein einzelnes gewesenes Glied einer bürgerlichen und kirchlichen Gesellschaft sich öffentlich aufstellet, und wider diese öffentliche Gesellschaft, zu ihrer abermaligen Beunruhigung, jene alten, längst dem eigenen Gewissen freistehenden, Begriffe und Lehrsätze so beschreiben will, daß es selbst eine Lehrformel einer algemeinen Verbrüderung allerReligionsparteien öffentlich zu empfelen sich herausnimmt? Sind Wünsche für eine solche Reforme, aus dem Rechte der Menschheit zu rechtfertigen? Kann das Gewissen wol mit Recht sich anmassen über andere Gewissen, und über die öffentliche Regierung der christlichen Staaten, eine Vorschrift zu entwerfen? Ich habe noch nie dergleichen Behauptung gesehen, und von ihrem Grunde kann ich nichts finden. Wenn wir die Historie fragen: so belehret sie uns schon lange über solche Projecte; daß gar nicht zu erwarten ist, es werde irgend ein Staat seine guten Unterthanen in solche ganz unmögliche Aufgaben einleiten lassen. Alle Religionsparteien sind schon so weit verbrüdert, als es mit dem Staat bestehen kann, als es die Menschheit erfordert; es beruhet aber diese Beschreibung, daß eine algemeine Religionsverbrüderung, so gar in kurzem, gestiftet werden könne und solle, auf einem sehr großen Vorzuge von Einsichten und Urteilen, die manche Liebhaber von neuen Vorschlägen sich sehr leicht anmassen, aber keinesweges aus den Rechten der Menschheit und des Gewissens rechtfertigen oder empfehlen können. Wenn jeder Christ und Unterthan gewissenhaft seinem Berufe folget: so hat er so |b9| viel zu thun, daß er sich um eine algemeine Religionsverbrüderung schwerlich eher bekümmern, oder die Zeit darauf verwenden wird, bis es ihm von den Schutzherrn der Religionsparteien aufgetragen wird. Es ist gar wohl glaublich, daß es manche gutmeinende Zeitgenossen giebt, die eine äußerliche Vereinigung aller Parteien sich vorstellen, sie wünschen und für thunlich halten; aber ob ihnen wirklich die Menschheit und Gewissen einen Beruf dazu gebe, müssen sie nicht eigenliebig allein entscheiden wollen. Lange genug hat man in und seit dem 16ten Jahrhundert an dieser äußerlichen Vereinigung, und zwar nur der 3 größern Religionsparteien in Teutschland oder Europa gearbeitet; aber die weisesten erfarensten Männer haben endlich eingestanden, daß es an innerer und äußerer Obliegenheit wirklich ermangele; daß Frieden und feierliche gegenseitige Versprechung der Regenten, Schlüsse über die äußerlichen Religionsrechte, alles und das einzige seien, was mehrere Staaten einander deshalb gewären können. Ich gestehe es, daß diese Zeitgenossen, welche so liebreiche Projecte machen, für sich ihre Gedanken frey haben; sie können sich vergnügen, über den eingebildeten Erfolg und über größern Segen oder Wohlfart der Menschen; aber wer mehr sich anmaßet, mus nun nicht sein Gewissen oder Rechte der Menschheit vorschützen; er tadelt die höchsten Regierungen, und schmälert das Zutrauen ihrer Unterthanen, und darum bleiben solche Schriften landesherrlicher Hoheit und allen Obern unterworfen, welche den äusserlichen Religionszustand ihrer Unterthanen, nach ihren Einsichten, besorgen. Wir werden es aus dem Erfolge, aus der Aufnahme sehen: ob Landesherren solche Schriften bey einer vorgeschlagenen ganz neuen Kircheneinrichtung so oder so weit zum Grunde legen. Wenn sie es nicht thun: sollen sie alsdenn solchen Bitten die Rechte der Menschheit und des Gewissens versaget haben? Dieser ganze Vortrag ist höchstens mit einem Affect und einer Aufwallung zu entschuldigen.
Hemmerdeschen Buchhandlung
Carl Hermann Hemmerde (1708–1782) übernahm 1737 die Verlagsbuchhandlung seines Schwiegervaters Johann Georg Klemm (1666–1737). Hemmerde verlegte neben Semler auch andere wichtige Theologen der Halleschen Fakultät. Ab 1788 wurde Carl August Schwetschke (1756–1839) Mitbesitzer der Verlagsbuchhandlung, die bis ins frühe 19. Jh. unter dem Namen „Hemmerde & Schwetschke“ existierte.
bahrdische Glaubensbekentnis
Gemeint ist Text a .
angeblichen Tausenden
Anspielung auf a23 .
an eben dem Orte
Gemeint ist Halle (Saale), vgl.
. Bahrdt war nach seiner Flucht am 27. Mai 1779 in Halle eingetroffen, wo Semler seit 1753 lehrte.
unserer Universität
Die Friedrichs-Universität zu Halle war nach einigen früheren Anläufen offiziell 1694 vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. (1657–1713) gegründet worden. Während des 18. Jh.s entwickelte sie sich schnell zu einer der führenden und fortschrittlichen Universitäten des Reichs, die sowohl durch Vertreter des Pietismus (Hermann August Francke) als auch der Aufklärung (Christian Wolff) geprägt war. Neben Semler lehrten auch andere wichtige Neologen wie etwa Johann August Nösselt (1734–1807) in Halle.
Toleranz
Religiöse Toleranz und ihre etwaigen Grenzen waren ein wichtiges Thema der Zeit. Einen Meilenstein bildete John Lockes A Letter Concerning Toleration (1689, dt. 1710), dessen zentrales Argument sich auch bei Semler wiederfindet (vgl.
). Im Unterschied zu Pierre Bayle (Pensées diverses sur la Comète, 1682; 1741 von Gottsched übersetzt) nahm Locke Atheisten und Katholiken von Toleranz aus. Auch Semler deutet hier durch Hinzusetzung der Adjektive „rechtmäßig“ und „wünschenswerth“ eine deutliche Reserve an (vgl. b54 ). Einen Vorbehalt ganz anderer Art äußert Kant in „Was ist Aufklärung?“ (1784): Ein Fürst sei gerade dann „aufgeklärt“, wenn er „den hochmüthigen Namen der Toleranz von sich ablehnt“ und es stattdessen „für Pflicht halte, in Religionsdingen den Menschen nichts vorzuschreiben, sondern ihnen darin volle Freiheit zu lassen“ (AA 8, 40); vgl. auch
.
socinianischen Partey
Benannt nach dem italienischen Reformator Lelio (1525–1562) und seinem Neffen Fausto (1539–1604) Sozzini, der vor allem Einfluss auf die unitarischen „Polnischen Brüder“ hatte. Im 18. Jh. bezeichnete „Sozinianismus“ häufig pauschal eine Infragestellung der Trinitätslehre, besonders der altkirchlichen Wesensgleichheit von Gottvater und Sohn sowie der Personhaftigkeit des Heiligen Geistes. Das Reichshofratsconclusum vom 27. März 1779 hatte Bahrdt ein „deutliches Bekenntniß von der wahren Gottheit Christi sowohl, als von der Heiligen Dreyeinigkeit, auch dass er solche in Zweifel zu ziehen, niemals gemeynet gewesen“ aufgetragen.
kein Beweis einer Verfolgung
Anspielung auf a15 .
die augspurgische Confeßion
Vgl.
.
drey Religionsparteien im römischen Reiche
Gemeint sind Katholiken, Lutheraner und Reformierte. Im Augsburger Religionsfrieden (1555) waren erstmals Protestanten im Reich geduldet worden. Im Westfälischen Frieden (1648) wurden dann offiziell nicht nur Lutheraner als Anhänger des Augsburger Bekenntnisses (1530), sondern auch die durch die oberdeutsche Reformation (Zwingli, Calvin) geprägten Reformierten reichsrechtlich gleichgestellt. Alle übrigen christlichen Gruppen, wie etwa Täufer, besaßen keinerlei Rechte und mussten auch noch gegen Ende des 18. Jh.s häufig mit Verfolgung rechnen.
vierte Religionsform
Semler unterstellt hier, Bahrdt wolle eine neue, vierte Konfession gründen, was reichsrechtlich verboten war. Vgl. dazu auch das kaiserliche Kommissionsdekret vom 6. Dezember 1779 gegen Bahrdts „eigenmächtig verbreiten wollende neue Religions-Secte“. Bahrdt nimmt zu diesem Vorwurf wiederholt Stellung, vgl. c5 und e5 .
Unionsarbeiten
Seit der Reformation gab es immer wieder Versuche, die konfessionellen Differenzen zugunsten einer irenischen Wiedervereinigung zu entschärfen. Gegen Ende des 17. Jh.s führte etwa der spanische Adlige und katholische Priester Christoph de Royas y Spinola (1626–1695) im Auftrag des Kaisers Unionsgespräche mit protestantischen Fürsten und Theologen im Reich, u.a. am Hannoverschen Hof mit dem lutherischen Loccumer Abt Gerhard Wolter Molanus (1633–1722) und dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716). Um 1700 versuchte der Berliner Hofprediger Daniel Ernst Jablonski (1660–1741) eine Union zwischen Lutheranern und Reformierten herzustellen und korrespondierte darüber ebenfalls mit Leibniz. All diese Versuche der um konfessionellen Frieden bemühten Ireniker führten jedoch zu keinen langfristigen theologischen oder politischen Lösungen.
symbolischen Büchern seit dem 16ten Jahrhundert
Gemeint sind die konfessionellen Bekenntnisschriften (lat. symbola), wie etwa das lutherische Augsburger Bekenntnis (1530) und das Konkordienbuch (1580), die im Zuge der nachreformatorischen Konfessionsbildung entstanden und dann im Augsburger Religionsfrieden (1555) und vor allem im Westfälischen Frieden (1648) die Grundlage der reichsrechtlichen Lösung einer gegenseitigen Duldung der drei großen Konfessionskirchen bildeten.
auch Socinianer, Arianer, Sabellianer [...] als Juden und Muhammedaner
Anspielung auf unterschiedliche christliche Gruppen sowohl der frühen Kirche (Arius, Sabellius, s.
) als auch der Reformationszeit (Sozzini, s.
), die wie Juden und Muslime die christliche Trinitätslehre infrage stellen.
Hr. Lavater [...] auf der letzten Zürchischen Synode in eine Klasse mit Hrn. Steinbart
Johann Caspar Lavater (1741–1801), reformierter Theologe und Dichter, Diakon (später Pfarrer) in Zürich, war eine wichtige Figur des damaligen Geisteslebens. Er stand mit vielen Größen der Zeit in Kontakt (Goethe, Mendelssohn, Hamann, Spalding u.v.w.m.) und trat auch als Wiederbegründer der Physiognomik in Erscheinung, was ihm u.a. den Spott Lichtenbergs eintrug. Auf der Zürcher Frühlingssynode 1779 wetterte Lavater gegen den Einfluss tatsächlich oder vermeintlich deistischer Lehren aus Deutschland. Hauptangriffsziele waren der Verfasser (Hermann Samuel Reimarus) der von Lessing herausgegebenen Fragmente eines Ungenannten (1774–1778), Steinbart und seine Glückseligkeitslehre (s.
), ferner Wilhelm Abraham Tellers Wörterbuch des Neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre (1772; 1805, BdN IX) sowie Semler. Etwa zeitgleich veröffentlichte Lavater eine wütende Rezension von Steinbarts Buch im Christliche[n] Magazin 1 (1779), 2. St., 63–80. Semler dürfte von der Synodalrede, die erst nach Lavaters Tod in Auszügen publiziert wurde, über seinen in Zürich beheimateten Schüler Hans Heinrich Corrodi (1752–1793) erfahren haben. Corrodi verfasste auch eine anonyme Verteidigungsschrift Hrn. Caspar Lavaters und eines Ungenanten Urtheile über Hrn. C.R. Steinbarts System des reinen Christentums (1780), zu der Semler „Zusätze“ beisteuerte. Steinbart selbst bemerkte in der zweiten Auflage seiner Schrift trocken, Lavater habe ihn, „nach seiner Art, mit mehr Inbrunst eines gutherzigen Enthusiasmus, als mit kaltblütiger Scharfsinnigkeit“ angegriffen, das Buch sei jedoch für Leute geschrieben worden, „die nicht nach Gefühlen, sondern nach Weisheit fragen“ (1780, XLIVf.).
Naturalisten
Im Sprachgebrauch des späten 18. Jh.s bezeichnet der Ausdruck die Verfechter natürlicher Religion, d.h. einer Religion, deren Praxis und vernünftige Rechtfertigung unabhängig ist von göttlicher Offenbarung, der Autorität heiliger Schriften oder den kontingenten Traditionen positiver Religionen wie dem Christentum. Der Ausdruck „Naturalist“ wurde oft synonym mit „Deist“ (s.
) verwendet.
Eid
In der Regel leisteten protestantische kirchliche Amtsträger zur Absicherung ihrer konfessionellen Loyalität (ähnlich wie katholische Geistliche die Professio fidei tridentinae abzulegen hatten) einen Eid gegenüber dem Landesherrn. Auch bei der Promotion war der Doktoreid zu leisten, meist auf die Confessio Augustana. Bahrdt leistete mehrfach einen solchen Eid und äußerte sich vielfach kritisch zum Juramentum religionis. In Preußen, wohin Bahrdt geflohen war, gab es hingegen ab 1713 keine eidliche Symbolverpflichtung mehr.
unsre und alle Studiosos Theologiä
An dieser Stelle lässt Semler besonders deutlich erkennen, dass die Halleschen Theologiestudenten sein anvisiertes Publikum sind. Bahrdt hielt dort zu diesem Zeitpunkt bereits erste Vorlesungen an der philosophischen Fakultät.
Epictetus [...] Sonne
Epiktet (ca. 55–135) war ein der Stoa (vgl.
) zuzurechnender Philosoph. Erhalten sind von seinem Schüler Arrian (vgl.
) zusammengestellte Lehrgespräche (Diatribai), auch als Unterredungen bekannt, sowie ein ebenfalls von Arrian besorgter Auszug, das Handbüchlein (Encheiridion). Insbesondere das letztere Werk erwies sich nach seiner Wiederentdeckung in der Renaissance als äußerst wirkmächtig (Lipsius, Pascal, Goethe u.v.w.m.). Rezipiert wurde vor allem die Ethik Epiktets. Der Schlüssel zu einem guten Leben besteht für ihn in der Unterscheidung von Sachverhalten, die in unserer Macht stehen (v.a. Tugend), und solchen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen (z.B. Reichtum, Gesundheit). Wahres Glück lässt sich erlangen, indem man aufhört, sein Herz an Dinge zu hängen, die sich nicht beeinflussen lassen. Die Zitate, die Semler hier in bearbeiteter Form anführt, entstammen dem 22. Kapitel des dritten Buchs der Lehrgespräche.
Mag Epictet, wie manche glauben dis aus der christlichen Forderung und Belehrung entlehnet oder gelernet und selbst aufrichtig gebilliget haben
Die augenscheinlichen Parallelen zwischen der Ethik Epiktets und christlichen Vorstellungen sowie die prominente Rolle, die Gott in seinem Denken spielt, haben manche Autoren des 16. und 17. Jh.s bewogen, in Epiktet einen heimlichen Christen zu sehen, oder sie wenigstens annehmen lassen, er habe unter starkem christlichen Einfluss gestanden. Heute wird eine solche Abhängigkeitsthese einhellig abgelehnt.
wie Paulus forderte
Anspielung auf 1Tim 3,2.
Socrates
Athenischer Philosoph (469–399 v. Chr.), der selbst zwar kein Werk hinterlassen hat, dessen Denken jedoch in den Schriften seiner Schüler Xenophon und vor allem Platon überliefert ist. Sokrates war eine der wichtigsten Identifikationsfiguren der Aufklärung. Man sah in ihm ein Muster intellektueller Bescheidenheit, einen Bloßsteller sophistischer Wortklaubereien, vorbildlichen Bürger und aufrechten Märtyrer des Geistes, der lieber den Tod wählte als gegenüber der korrupten Priesterschaft seiner Heimatstadt klein beizugeben. In noch stärkerem Maße als Epiktet oder Spinoza galt Sokrates der Zeit als das Sinnbild eines tugendhaften Nicht-Christen; vgl. z.B. das Werk des von Bahrdt hoch geschätzten Semler-Schülers Johann August Eberhard, Neue Apologie des Sokrates, oder Untersuchung der Lehre von der Seligkeit der Heiden (I, 1772, 1776; II, 1778).
himmelfest
Im heutigen Sprachgebrauch von der synonymen Bezeichnung „felsenfest“ verdrängter Ausdruck, in dem sich noch die überkommene Vorstellung spiegelt, der Himmel bestehe aus einem massiven Material, an das die Himmelskörper befestigt seien (vgl. „Himmelsgewölbe“, „Himmelsfeste“, „Firmament“).
Heuchler sind, [...] erschleichen suchen
Leicht bearbeitetes Zitat a9.
οὐκ ἐσμεν ὑποστολης
Hebr 10,39: „Wir sind nicht von denen, die da weichen“.
Heidesheim
Vgl.
.
Ich habe sogleich wieder geantwortet
Der Brief hat sich nicht erhalten. Bahrdt erwähnt ihn in der Geschichte seines Lebens III (1791), 397.
Samlung aller Conclusorum [...] von Schauroth
Eberhard Christian Wilhelm von Schauroth, Vollständige Sammlung aller Conclusorum, Schreiben und anderer übrigen Verhandlungen des hochpreißlichen Corporis Evangelicorum, 3 Bde., 1751–1752.
Corporis Euangelicorum
Das Corpus Evangelicorum war der Zusammenschluss aller protestantischen Reichsstände im Alten Reich, um ihre Interessen gegenüber dem Kaiser und der katholischen Reichstagsmehrheit besser durchsetzen zu können. Wie im Westfälischen Frieden (1648) festgelegt, sollten auf dem Reichstag fortan Religionsfragen konfessionell getrennt beraten und abgestimmt werden („de corpore ad corpus“; „itio in partes“).
Gläsnerische Processache
Semler spielt hier auf einen viel diskutierten Fall an: Der lutherische Pastor Justus Martin Gläsener (1696–1750) war nach Auseinandersetzungen mit dem Magistrat der Stadt Hildesheim 1746 vom Pfarramt suspendiert und 1749 endgültig entlassen worden. Gläsener hatte sich in dieser Angelegenheit an den Reichshofrat gewandt. Im Nachgang entspann sich eine grundsätzliche Diskussion darüber, ob es dem Reichshofrat erlaubt sei, in geistlichen Angelegenheiten gegen Protestanten zu entscheiden, oder ob dies ausschließlich Sache des Corpus Evangelicorum (vgl.
) sein solle.
Halle
Bahrdt war nach seiner Flucht am 27. Mai 1779 in Halle (Saale) eingetroffen; vgl.
.
pro memoria
Pro memoria (dt. „zur Erinnerung“) sind formale Stellungnahmen einer Streitpartei, wie sie vor dem Corpus Evangelicorum oder den Reichsgerichten vorgebracht wurden.
eine eigene gute Lebensbeschreibung
Bahrdt veröffentlichte seine vierbändige Autobiographie zwar erst über ein Jahrzehnt später (Geschichte seines Lebens, seiner Meinungen und Schicksale, 4 Bde., 1790/1791), doch sei er, so teilt er der Leserschaft zu Beginn mit, bereits seit geraumer Zeit zu ihrer Abfassung „aufgemuntert, und zum Theil auch recht dringend darum gebeten worden. [...] Schon seit zehn Jahren bin ich damit umgegangen, meine eigne Geschichte zu beschreiben“ (Geschichte seines Lebens I, 1790, 1f.).
Uebersetzung aus dem Philo
Philo(n) von Alexandrien (zwischen 20 und 10 v. Chr.–nach 41 n. Chr.) war ein jüdischer Theologe und Philosoph. Er ist der wichtigste Vertreter des antiken griechischsprachigen Diasporajudentums. Sein umfangreiches Werk ist gekennzeichnet durch eine Vermählung von jüdischen und hellenistischen Traditionen und Ideen, die auch für das frühe Christentum charakteristisch werden sollte. Die ersten Lehrer der Kirche (u.a. Clemens von Alexandrien, Origenes, Gregor von Nyssa) rezipierten Philo in erheblichem Maße, u.a. die von ihm mustergültig praktizierte allegorische Schriftauslegung. Eine deutsche Übersetzung von Philos Werken lag Ende des 18. Jh.s nicht vor.
Eusebii Vorbereitung
Eusebius von Caeserea (zwischen 260 und 264–339/40) war ein spätantiker Historiker, Theologe und Bischof, der oft als „Vater der Kirchengeschichte“ bezeichnet wird. Er verfasste auch geographische, exegetische sowie polemisch-apologetische Schriften. Die Verlässlichkeit des in die (kirchen-)politischen Kämpfe seiner Zeit verstrickten Historikers Eusebius wird heute als eher gering eingeschätzt. Die Hauptwerke – Kirchengeschichte (10 Bücher) und Leben Konstantins – waren 1777 von Friedrich Andre(a)s Stroth (1750–1785) in neuer deutscher Übersetzung herausgegeben worden. Mit der „Vorbereitung“ meint Semler hier die apologetische Schrift Praeparatio evangelica (gr. Εὐαγγελικὴ προπαρασκευή), deren Abfassung Eusebius vermutlich im Jahre 313 begann. – Bahrdt scheint Semlers Rat, an der Übersetzung eines Klassikers zu arbeiten, übrigens beherzigt zu haben, entschied sich aber gegen Philo und Eusebius für die Herausgabe einer zweibändigen deutschen Ausgabe des Tacitus (1781).
erste Anfang des 1sten Kapitel Johannis ächt
Bahrdts Unbehagen am Prolog des Johannesevangeliums und seinen trinitätstheologischen Implikationen wird auch in beiden Auflagen der [N]eusten Offenbarungen (s.
) deutlich. In der ersten (1773) übersetzt er Joh 1,1: „Der Logus war schon bey dem Entstehen dieser Welt. Er war bey Gott: [...] denn es war nur Gott und der Logus.“ Bahrdt erläutert den letzten Satz mit: „Ich lese für ο λογος, και λογος“. In der zweiten Auflage (1777) ändert er den Schluss des Verses zu dem üblicheren „und Gott war der Logus“, fügt aber den Kommentar hinzu: „Ich bin fest überzeugt: daß die Leseart falsch ist: und daß es heissen müsse: ‚Denn es war nur Gott und der Logus‘ – Logus aber ist so viel als Gesandter, Sprecher Gottes, der im Namen Gottes mit den Menschen redet.“
die sogenannten Aloger
Christliche Gruppierung um das Jahr 200, insbesondere in Kleinasien vertreten, von der wir nur durch ihre Gegner, vor allem Epiphanius von Salamis (zwischen 310 und 320–403), wissen. Laut Epiphanius verwarfen die Aloger das Johannesevangelium und die Offenbarung des Johannes, die sie beide dem Gnostiker Cerinthus (um 100) zuschrieben. Sie lehnten die sog. „Gaben des Heiligen Geistes“ ab und betrachteten Jesus Christus als einen zwar sittlich vollkommenen, jedoch natürlich gezeugten Menschen. Der Name „Aloger“ geht auf ein Wortspiel des Epiphanius zurück, das sowohl die Opposition gegen die johanneische Logos-Vorstellung als auch die angeblich unvernünftige Denkweise der Vertreter dieser Richtung ausdrücken sollte. Es ist allerdings zweifelhaft, ob die Aloger von ihren Zeitgenossen überhaupt als einheitliche heterodoxe Gruppe angesehen wurden, d.h., ob sie überhaupt als „Partey“ gelten sollten (Semler).
nötige Erlaubnis
Auswärtige Zeitungen berichteten bereits über Vorlesungen oder gar eine Professur an der Universität Halle; vgl. die harsche Antwort darauf in den Hallische[n] Neue[n] Gelehrte[n] Zeitungen, 60. St. (29.7.1779), 480. Der zuständige preußische Minister v. Zedlitz (vgl.
) hatte jedoch deutlich darauf gedrungen, dass Bahrdt keine theologischen Vorlesungen halten dürfe. Er erteilte nur eine Weisung, dass er an der philosophischen Fakultät lesen dürfe (s.
).
Decanus
Die turnusmäßig vergebene Stellung des Dekans ist nicht zu verwechseln mit der Position des Direktors des Theologischen Seminars, die Semler seit 1757 ununterbrochen innehatte. Infolge seiner Querelen mit Bahrdt und Ernst Christian Trapp wurde Semler im Dezember 1779 des Direktorpostens enthoben; s.
. Der Dekan der theologischen Fakultät war auch mit der Zensur theologischer Werke betraut.
von einem hiesigen Buchdrucker [...] Pränumeration
„Pränumeration“ meint ein im späten 18. Jh. gängiges Finanzierungskonzept von Druckwerken, die schon vor Drucklegung bezahlt wurden (vergleichbar mit der noch heute üblichen verbindlichen Vorbestellung bei einer Subskription). Teils wurden Pränumeranten dann namentlich im Titelbogen des Werks aufgeführt. Semler äußert sich zum gleichen Sachverhalt nochmals in seinen Theologische[n] Briefe[n] I (1781), 37: „Herr Bahrdt wolte ein Avertissement bey dem Buchdrucker H. hier drukken lassen, worinn eine weitläufftige Bestätigung seines Glaubensbekentnisses versprochen wurde; 5000 mal sollte es gedruckt werden. Es ist doch wohl natürlich, daß eine lutherische theologische Facultät die Censur zu einer solchen abermaligen bedächtig fortgesetzten Beschimpfung der 3 öffentlichen Religionspartheyen nicht geben konnte; ich gab es also zurück, mit der schriftlichen Anzeige, daß hier in Halle dergleichen nicht gedruckt werden könnte.“ Eine ähnliche Absage an Texte, die Bahrdt unterstützen, findet sich in den Hallische[n] Neue[n] Gelehrte[n] Zeitungen, 60. St. (29.7.1779), 480. Das Avertissement selbst konnte nicht ermittelt werden, doch belegen verschiedene Briefe aus der Zeit, dass Bahrdt die Veröffentlichung eines ausführlichen Kommentars zum Glaubensbekenntniß plante. Basedow erwähnt in einem Schreiben an Bahrdt vom 15. Juli 1779 die von der Hallischen Universität verwehrte „Ankündigung des Commentars“ (Pott, Briefe II, 62).
„Tausend und aber Tausend [...] es laut zu sagen.“
Zitat a23.
daß kaiserl. Majestät mit Zuziehung der Stände des Reichs […] erhalten werden könnten
Zitat a24.
Jansenist seyn und ein strenger Schüler Augustini
„Jansenist“ meint einen Anhänger des katholischen Theologen Cornelius Jansen (1585–1638), der seit 1636 Bischof von Ypern war. Jansen legte eine strenge Interpretation des spätantiken Kirchenvaters Augustinus vor: Augustinus, sive doctrina Sti. Augustini de humanae naturae sanitate, aegritudine, medicina adversus pelagianos et massilienses, 3 Bde., Löwen 1640. Hauptgegner waren die Jesuiten (vgl.
), die wiederholt eine römische Verurteilung von Jansens Thesen und seinen Anhängern erzielen konnten. Im Gegenzug konnten Jansenisten 1773 die zeitweilige Aufhebung des Jesuitenordens erwirken. Der Jansenismus gilt als wichtigste innerkatholische Oppositions- und Frömmigkeitsbewegung nach dem Tridentinum, die den älteren innerkirchlichen Gnadenstreit fortsetzte und weit über das 18. Jh. fortwirkte. Der Jansenismus hatte großen Einfluss auf die katholische Aufklärung und ist strukturell betrachtet gleichsam das Pendant zur Neologie auf katholischer Seite.
Speners
Der lutherische Theologe Philipp Jakob Spener (1635–1705) war ab 1666 in Frankfurt und später ab 1686 in Dresden tätig. Spener förderte seit 1670 die Stärkung häuslicher Frömmigkeit in den sog. collegia pietatis. 1675 erschien sein Hauptwerk Pia desideria oder Herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche, in dem er ein weitreichendes Reformprogramm seiner Kirche entwirft. Spener gilt daher als wichtigster deutscher Vertreter, wenn nicht gar als Gründer der religiösen Erneuerungsbewegung des Pietismus.
Böhmen
Gemeint ist der Görlitzer Schuster und mystische Autor Jacob Böhme (1575–1624). Zwar erschien zu seinen Lebzeiten nur eine einzige Schrift im Druck. Gleichwohl verbreiteten sich Abschriften seiner Werke und erregten Widerstand in Person des Görlitzer Hauptpastors Gregor Richter (1560–1624), der gegen Böhme vorging. Einflussreiche Patrone sammelten jedoch seine Schriften und publizierten sie postum. Seine Leserschaft wuchs seitdem an und Böhme avancierte weit über Deutschland hinaus zur Symbolfigur und zum Referenzpunkt einer christlichen Theosophie, die ältere Traditionen des mystischen Spiritualismus und der Naturphilosophie eines Paracelsus (1493/94–1541) vereint.
Dippel
Johann Konrad Dippel (1673–1734) radikalisierte sich während seines Theologiestudiums in Gießen und Straßburg unter dem pietistischen Einfluss von Spener (s.
) und Gottfried Arnold (1666–1714). Dippel publizierte fortan gegen die lutherische Orthodoxie und interessierte sich zunehmend für Medizin und Alchemie. 1704 flüchtete er aus Berlin in die Niederlande, wo er 1711 in Leiden in Medizin promoviert wurde. Nach einigen Jahren im toleranten dänischen Altona, wo er gleichwohl politisch aneckte und inhaftiert wurde, lebte er später zeitweise in Schweden. Seine letzten Lebensjahre brachte er ab 1729 im Wittgensteinischen Berleburg zu, das ein Zufluchtsort vieler Radikaler war. Dippel publizierte viele seiner Schriften unter dem Pseudonym „Christianus Democritus“ .
Herrnhut
Der Ortsname „Herrnhut“ (Oberlausitz) steht stellvertretend für die sich seit 1722 formierende Brüdergemeine auf dem Gut von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760), der Impulse des Halleschen Pietismus weiter radikalisierte. Die Herrnhuter Brüdergemeine stand zudem in der Tradition der Mährischen/Böhmischen Brüder, die Anhänger des Jan Hus (1370–1415) waren.
Tausend und aber tausend [...] und des Gewissens –
Zitat a24.
Zitat aus a) D. Carl Friedrich Bahrdts
Glaubensbekenntniß:
den Heuchler, der,
um des Brods willen, seinem Regenten leugt, und mit Verletzung
seines Gewissens Menschengunst zu erschleichen sucht
Zitat aus a) D. Carl Friedrich Bahrdts
Glaubensbekenntniß:
daß Ew.
Abkürzungsauflösung von "Ew.": Euer, Eure
Kayserl.
Abkürzungsauflösung von "Kayserl.": Kayserliche
Majestät, mit
Zuziehung der Stände des Reichs, ein Mittel ausfindig machen möchten, wodurch die
beyden Stüzen der öffentlichen Glückseeligkeit – Gewissensfreyheit und Kirchenfriede – vereinigt und in ewiger Verbindung erhalten werden
könnten.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor