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Zweyter Brief.

Fortfahren mus ich freylich; und Ihnen darthun, daß keinesweges ich der einzige war oder bin, und daß folglich der Haß wider Herrn D. Bahrdt entweder, auch noch andern neben mir, gemein gemacht werden mus; oder auch bey mir allein nicht nothwendig so heißen konnte. Ich will Ihnen keine Erzählung machen, von sehr angesehenen Juristen; mit denen ich theils selbst über die äußerst unrechte Lage dieses Bekenntnisses gesprochen, theils auch ihr Urtheil mir schriftlich ausgebeten habe. Der Verstos war in der That nicht klein gegen das ius publicum ecclesiasticum; daß ein solches Bekenntniß, dessen Verfasser sich noch dazu gar zum Repräsentanten unserer Kirchen eigenmächtig macht, an Kayserl. Majestät, mit der besondern Aeußerung gerichtet worden war, daß eine ganz andre Religionsform in Teutschland möchte eingeführet werden; dis sollte gar ein Beweis besondrer göttlichen Auswahl des |d123| glorwürdigsten jetzigen Oberhaupts des teutschen Reichs heißen. – Und diese Schrift, worinn solche den Protestanten äußerst nachtheilige Grundsätze, ohne alle Bedenklichkeit, bejahet und angewendet wurden, war noch dazu in der königlich preußischen Residenz selbst gedruckt und verkauft worden. In mehrern auswärtigen Zeitungen hatte man ausgebreitet, dieser Verfasser eines so irregulären Bekenntnisses, seye Professor in Halle, wie ich noch Briefe aus einem Theile der Schweiz zeigen kann, daß es Herr D. Bahrdt dahin geschrieben habe, ob ich gleich es gehindert hätte, daß er das Institut nicht bekommen hätte. Sagen Sie, Lieber Freund, mußte es dennoch nur mein Haß seyn, wenn ich auf der königl. Universität, nun ebenfalls frey und ohne Furchtsamkeit, dieses Bekenntnis durch und durch widerlegte? Hatte ich etwa weniger Recht, unsre protestantischen Rechte ernstlich zu behaupten; unsere Lehrsätze, die eben so unwahr entstellet worden waren, zu vertheidigen; und also bey Auswärtigen allerley nachtheilige Eindrücke dieser seltsamen Erscheinung zu schwächen? Ich denke doch, daß kein Haß erst nöthig ist, die freye und dreiste Antwort eines Professors, in dieser Lage, sich zu erklären; der noch dazu in der theolog. Facultät der Aelteste ist, und schon hiernach verbunden ist, dis oder jenes zu thun, welches andre, der Reihe nach, noch nicht anzugehen scheinen kann. Aber warum mus ich denn durchaus so öffentlich verunglimpfet werden? Hat irgend ein gelehrter rechtschaffener Mann |d124| im ganzen teutschen Reiche, es auf sich genommen, das Bahrdtische Bekenntnis zu rechtfertigen? Was hat denn dieser Recensent für Gründe, es nicht nur so künstlich und angelegentlich zu thun, sondern auch mich in die so bekannte Bahrdtische Denkungsart über die Religion überhaupt herabzuwürdigen? Dennoch soll ich ja stille schweigen, nicht – nicht. – Sind wir denn in Halle aller gelehrten Freyheit beraubet? Seit kurzen müßte dis doch erst geschehen seyn.
Aber damit ich nicht allein rede, lesen Sie, mein Freund, selbst nach, was ein (ganz andrer) Recensent in eben dieser Bibliothek S. 59. über das Schreiben an einen Freund in G. den Herrn D. Bahrdt und sein Glaubensbekentnis betreffend, ganz laut gesagt hat; obgleich nur als Politikus, noch gar nicht als Theologe; welchem leztern es doch noch mehr auffallen mus, wenn er diese neuen Anstalten überdenket. Es heißt hievon, dis ist [„]ein freimüthiges, bescheidenes, und vernünftiges Urtheil; nicht sowohl über den Inhalt, als über die öffentliche Bekanntmachung desselben[“]. Ehe ich weiter abschreibe, bemerken Sie doch, diese neue Unterscheidung; es werde nur die Bekanntmachung des Bekenntnisses so derb und platt beurtheilet, nicht der Inhalt. Der Politicus überlies es freilich den Theologen über den Inhalt eben so ihre Einsichten zu eröfnen, als der Politicus es hier that; ich habe den Inhalt auch so entblösset, daß gewis niemand dies Bekentnis von dem Vorwurfe retten kann, es seye historisch |d125| unwahr, es seye injuriös gegen die 3 Kirchen, es seye zu gar nichts nütze, als in gewissen noch unbekannten Aussichten mancher Leute, denen diese Lage der christlichen Religion nicht länger gefallen will. Nun will ich Ihnen einige Zeilen weiter abschreiben: „daß sich dieser Schritt des Herrn D. Bahrdts nicht billigen lasse“ – [„]es konnte der Beförderung der Wahrheit, oder der Toleranz auf keine Weise Vorschub thun[“]; (der Inhalt wird doch wohl hier beurtheilet!) [„]Herr D. Bahrdt könne auch nicht sagen, daß er irgend eine innere oder äussere Verbindlichkeit gehabt, sein Glaubensbekenntnis auf diese Weise abzulegen; da ihm, als einem der Rechte der Protestanten kündigen Doctor der Theologie, die Unbefugtheit des Reichshofraths, ihm dergleichen abzufordern, nicht unbekannt seyn konnte,[“] (sollte, hätte ich geschrieben!) – – [„]er erklärte sich demohngeachtet. Wozu? Und in welcher Absicht? Hier zeigt der Verfasser, daß Herr D. Bahrdt weder eine Verbesserung seiner eigenen Lage, noch irgend einen absichtlichen Nutzen für andre, durch diese Bekanntmachung vermuthen oder hoffen können; nicht einmal diesen, keinem Menschen im geringsten nutzenden Erfolg, daß nun seine wahre Meinung der Welt vorgelegt würde. – – ohne Noth thut ein weiser Mann nichts ungemeines, blos weil es Aufsehen erreget. Noch weniger ist die Art und Weise zu entschuldigen, wodurch diesem Glaubensbekenntnisse ein so viel grösserer Grad von Wichtigkeit hat gegeben werden sollen. Wenn er als |d126| Privatmann seine Meinung vorgetragen, so möchte dis hingehen; da er sich aber an die Gesezgebende Macht gewendet, Gesetze und Verfassungen, die ihm nachtheilig geworden, abgestellt wissen will; wenn er vor dem Throne selbst, kirchliche Lehrsätze, die, mögen sie gleich, nach seiner Versicherung, vielen Tausenden anstößig seyn, doch gewis eben so vielen Tausenden heilig und Schriftmäßig dünken, als Vernunft und Schriftwidrige und der Gottseligkeit schädlich anklagt, wenn er endlich im feierlichsten Tone bittet, die alte Ordnung aufzuheben, ohne jedoch Vorschläge zu einer bessern zu thun – – ich gestehe es, mir scheinet es wenigstens so, man müsse auf sein kleines persönliches Ich einen ganz ungemeinen Werth, setzen, um sich so etwas nur einkommen zu lassen! So im Gleichgewicht steht doch warlich die Waage noch nicht, daß es nur ein Stäubgen in die eine Schaale brauche, um den Ausschlag zu geben.[“]
Ich will nicht noch mehr abschreiben; vielleicht haben Sie ohnehin jene kleine Schrift des Ungenannten selbst; aber bemerken Sie die unverzeihliche Partheylichkeit meines Recensenten, der uns bereden will, dieser rechtschaffene Verfasser habe nur über die öffentliche Bekanntmachung dieses Bekenntnisses geurtheilet; nicht über den Inhalt. Mus man nicht wirklich von nun an der berlinischen Bibliothek eine grobe Partheylichkeit beylegen, so oft die Rede ist von Herrn Bahrdt , oder von Anstalten einer neuen Religionsform? Wenn dis nur über die öffentliche Be|d127|kanntmachung gehet, so müssen wir dem Ungenannten Urheber nicht glauben, der ausdrücklich die Gradation anbringt: noch weniger ist die Art und Weise zu entschuldigen – – das doch unleugbar gerade den allerschlechtesten Theil des Bekenntnisses angehet. Das freie Urtheil, eben diese Lehrsätze seyen auch Tausenden noch heilige und schriftmäßige – die Waage steht noch nicht so im Gleichgewicht – ist ja ebenfalls blos und unmittelbar über den Inhalt, nachdem von der Bekanntmachung schon lange war geredet worden, daß sie selbst gar keinen Zweck hatte. Nun nehmen Sie den unwilligen Ton dazu, der wider mich in dieser Recension recht wissentlich ausgesucht ist; und vereinigen es mit der Sache, die jener Ungenannte und ich völlig einstimmig beurtheilen; und loben Sie alsdenn die Unpartheilichkeit dieser Recension in einer Begebenheit, die das ganze christliche Teutschland angehet. Mus nicht der Recensent seinen Vorsaz recht bedächtig ausführen wollen, dennoch diesen bahrdtischen Solöcismus so zu mildern, daß wir alle zur Noth nur sagen sollen, Herr Bahrdt hätte sich vorsichtiger ausdrücken sollen; er habe aber in dem Inhalte Recht; Sie werden es sehen, daß der Recensent mich nun selbst angreift, um Herrn D. Bahrdt zu vertheidigen.
Ich bin, erlauben Sie mir es zu sagen, der erste gewesen, der die gänzliche Untauglichkeit und Nullität dieses Bekenntnisses öffentlich angeklagt hat; actenmäßig, um die heiligen Rechte der pro|d128|testantischen Kirchen, wider diesen groben Verstos, zu behaupten; warum haben aber Herrn Bahrdts Gönner, die dis so ganz untaugliche Bekentniß in den Druck beförderten, nicht auf diese wichtige Uebereilung gesehen? Verdiene ich deswegen alle diese nachtheiligen Folgen, weil manche in Berlin ein ziemlich Grosses Versehen begangen haben? Noch immer wünsche ich, Herr Bahrdt möge mir gefolget, und eine Retractation mancher Uebereilungen bekannt gemacht haben; ich wünsche es noch; denn diese Behelfe, womit der Recensent das Bekenntnis entschuldigen will, vermehren das Mistrauen der Leser dieser Recension, weit mehr, als der Recensent in seiner so ruhigen Lage diese Dinge, die Gährung, die Consequentien und Entschliessungen bey andern Zeitgenossen, sich vorstellen mag. Mir hat ein durchreisender rechtschaffener Prediger Herr W. es ehrlich gestanden, daß mein Brief nach Heidesheim den Herrn D. Bahrdt wirklich in ein Nachdenken gesezt hätte; denn er muste meine Rechtschaffenheit kennen; daß aber Vorstellungen von Standhaftigkeit, die man ihm aus Berlin zur Antwort mitgetheilet hatte, den so guten Eindruck wieder ausgelöschet haben.
Sie wissen den äußerlichen Erfolg meiner Antwort, zu meinem öffentlichen Nachtheil; der Recensent mußte ihn auch wissen; ich kann aber den Anspruch auf biedermännische Beurtheilung nicht zu weit treiben; der Recensent konnte es übergehen, obgleich der Abstand zwischen mir und |d129| Herrn D. Bahrdt in dieser Lage sehr kenntlich ist. Aber wie beurheilen Sie nun die zusammengehörigen Grundsätze, Hofnungen, politische Absichten, und eigene moralische Gesinnung des Herrn D. Bahrdts , wenn er nach Jahr und Tag, welche seit dem December 1779 in meiner neuen Historie ziemlich stille verflossen waren ( des Herrn Basedows Hülfstruppen ausgenommen, die den ersten Anfall auf meinen moralischen Character, zu Gunsten der bahrdtischen , oder der im Plane schwebenden Sache, thun wollten) in dem Almanach ( denken Sie immer daran, daß dem Herrn D. Bahrdt das Herz blutete, für die Religion Jesu !) so viele Seiten abschrieb aus jenem Sendschreiben, um diesen medius Terminus, meine Falschheit, zu unterstützen? Ich frage, wie beurtheilen Sie die moralische und politische Lage des Herrn D. Bahrdts , der wider einen so alten, so unbescholtenen Professor, als ich doch immer bin und bleibe, neben welchem Professor er seit vorigen Michaelis in dem Lectionscatalogus der königlichen Universität hier stehet, solche lange Seiten im öffentlichen Drucke abermals aufstellet? Muste ich wirklich nun vollend gar erschrecken, und mich noch mehr in duldendes Stillschweigen und geheime Klagen einhüllen? O nein, mein Lieber! ich weis Sie werden, wie manche andre schätzbare Freunde, es meinen neuen Fehler nennen; daß ich den Zeitgenossen nun in meiner Lebensbeschreibung viel zu viel Kleines erzählt habe. Ich will es doch er|d130|warten, ob die Thorheit, der man mich auch im Almanach beschuldiget, wirklich blos auf meiner Seite ist? Von je her habe ich die christliche und moralische Thorheit, der Klugheit derjenigen Menschen vorgezogen, welche sich und ihr Selbstgefühl einer ganzen moralischen Welt entgegen setzen; welche doch Gott wahrlich eben so gewis selbst handhabet und regieret, als die physische, deren Bewegungsgesetze noch niemand ohne eigenen Schaden zu überschreiten oder zu verachten, sich vorgenommen hat. Wir Christen sagen es einander noch mehr, da sie sich für Weise hielten etc. etc. und wir wollen auf die Erfahrung uns verlassen. Sie kennen mich schon ziemlich lange; und wissen es also, daß ich diese grossen Gedanken nicht blos jetzt erwische, um, wie man sagt, aus der Noth eine Tugend zu machen. Ich kann auch in der Anwendung fehlen; aber Sie werden auch selbst schon wissen, daß mich eben dis noch mehr mit guten Menschen verwandt macht, und stets von dem andern Theil der Menschen, die zu sehr gros sind, unterscheidet. Haben sie nicht selbst damalen, zu meiner Aufrichtung mir einige schöne Stellen aus dem Common sense zugeschickt? Wo Chesterfield , der edle große Mann, der die Menschenwelt besser kennt als ich und andre, so treffend redete, von manchen Leuten, die zuweilen ernstlich gebraucht werden, gerade zu Absichten. Ich glaube es war das 25ste Stück, und es folgte bald darauf die schöne Stelle, die eine göttliche, den guten Menschen unentbehrliche Wahrheit sagt – Der Graf |d131| druckte nemlich, nach mehrern damaligen localen Dingen, sich endlich so aus: Dis beweiset, daß in einem rechtschaffenen und aufrichtigen Betragen etwas seyn müsse, das es durch die Welt führet, und gegen alle giftige Erfindungen der Verläumdung vertheidigt. Dreimal glückseelig und würdig sind alle diejenigen unter meinen Lesern, die hiezu von Herzen sagen, Amen, Ja. Hier kann ich wohl diesen Brief am besten schliessen.
Zitat aus a) D. Carl Friedrich Bahrdts Glaubensbekenntniß:
als ein solcher bin ich ein Theil der repräsentirenden Kirche