Die interaktive textkritische Ansicht setzt eine
Bildschirmbreite von mind. 768px voraus.
Bitte verwenden Sie einen entsprechend breiten Bildschirm,
um diese Ansicht in vollem Umfang nutzen zu können.
Dritter Brief.
Nun mus ich die Recension von vorn an durchgehen, um keine Gelegenheit zu lassen, zu Einbildungen, daß ich dis und jenes mir als gemachten Vorwurf wirklich anrechnen ließe; denn es gehet jetzt blos auf meinen moralischen Grund und Boden los, den mus ich freylich beschützen.
Wer sollte nicht mit uns wünschen, sagt der Recensent, eine kaltblütige Untersuchung? Mus ich nicht wenigstens hier die Anmerkung machen, daß diese κοινοποιϊα, wonach es allgemeiner Wunsch wäre, blos eine rhetorische Figur ist? Sie wissen doch, daß dis Bekenntnis in vielen teutschen Provinzen
auf obrigkeitlichen Befehl, geradehin verboten und confiscirt worden ist, ohne es für so wichtig anzusehen, eine kaltblütige Untersuchung aus Berlin zu erwarten
Editorische Korrektur von: erwarteu (digital)
. Ich habe auch im vorigen Briefe
des Ungenannten Urtheile angeführet, |d132| von gänzlicher Untauglichkeit, Zwecklosigkeit, Nachtheiligkeit dieses Bekenntnisses; und der Verfasser behielt das Prädicat, er habe davon freymüthig, bescheiden und vernünftig geurtheilet; ob er gleich den theologischen Inhalt, der historischen Wahrheit nach, zu untersuchen, sich nicht vorgenommen hatte.
Editorische Korrektur von: hatte, (digital)
Nun komme ich zu der Untersuchung des Bekenntnisses; ich finde es mit so viel Hitze und Uebereilung, recht declamatorisch eingerichtet: daß ich wirklich nicht eben ein Muster der Kaltblütigkeit vor mir fand; den Solöcismus,
in Ansehung des iuris publici sacri protestantium gar nicht gerechnet, der doch in der That einen Protestanten, einen Professor sehr ärgern mus; den Zusammenhang,
antecedentia und consequentia bey dem Herrn D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Bahrdt , auch nicht sehr gerechnet, der doch nicht wohl auszulöschen war,
nach der alten Ordnung, quis, quid, ubi – so ist der Inhalt als historische Erzählung des Lehrbegriffs der drey großen Kirchen, durch und durch unwahr;
die Anmassung, Repräsentant unserer Kirchen hiemit zu seyn, so unerträglich; die Aufgabe von einer
Religionsform, für alle Palläste und Hütten – innerlich so unmöglich: daß es doch sehr wohl begreiflich ist, ein Professor in Halle kann in seinem locali ganz anders denken, und wirklich unwillig und empfindlich über einen so unerhörten Auftritt seyn, und folglich das Bekenntnis, wie es sich gehört, ganz ernstlich beurtheilen; wenn gleich der Recensent, der indes einigen kleinen Historien zugesehen hat, in einer |d133| eben so ernstlichen und viel mehr censorischen Stellung sich hinsetzt, und nun ein sehr hartes Urtheil wider mich, aber für Herrn D[.]
Abkürzungsauflösung von "D": Doctor
Bahrdt eine Absolution niederschreibet. Er tadelt,
daß ich nicht eine Zeile, kaum ein Wort, noch weniger ganze Sätze erträglich finde; meinen eigenen bisher behaupteten Grundsätzen ganz ungetreu,
in dem wahren Geist eines Göze und
Piderit , alle weitere Berichtigung des kirchlichen Lehrsystems für unnöthig, lächerlich und verhaßt zu machen. – –
Hier müssen Sie schon etwas mehr Achtung geben; denn Sie sollen einsweilen Richter seyn; die Befugnis kann ich Ihnen mit allen Recht ertheilen, über mich zu richten. – Nicht eine Zeile – kaum ein Wort – dis ist wieder Rhetorication. Ich habe die ganzen Absätze N.
Abkürzungsauflösung von "N.": Nummern
8. 9. 10. Seite 104. 105. meiner Antwort,
für lange bekannt erklärt; sie hätten aus einem Glaubensbekenntnisse wegbleiben müssen; der Herr Verfasser habe es nicht überlegt; es seyen diese Dinge kein Theil der Glaubenslehre. Sagen Sie, bin ich nicht sehr billig und gerecht? In den übrigen Artikeln habe ich eben so die theologische Lehrart, Lehrbestimmung, außer den Kreis des christlichen Glaubens hinaus gerückt, wie alle gelehrte Theologen, sogar
Bossuet , und andre Catholici, lange gethan haben. Ich kann aber nun nichts dafür, daß also Herr D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Bahrdt , statt große Eroberungen zu machen, in die Luft streitet, und freilich darinn nicht Recht hat, wenn er diese Dinge bey uns anschuldiget, als Glaubensleh|d134|ren –
Menschenopfer, und dergleichen Barbarismos will ich wieder schenken. Aber die besondre Kunst des Recensenten, die er so kaltblütig anwendet, 3–4 Seiten lang, in kleinem Druck, mich als einen
Wetterhan vorzustellen, damit Herr D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Bahrdt nun etwas mehr Luft bekäme: Diese Kunst kann ich dem Recensenten nicht schenken;
mag er es wieder grämliche Laune – nennen. Es ist doch gar zu viel gefordert, wenn man einem die Beine beschädigt, und verlangt noch dazu, er solle fein lustig hüpfen und springen. Wo sollte mir denn diese Fröhlichkeit herkommen, welche freilich mein Gegentheil, Herr Bahrdt , Basedowetc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
zur täglichen Ordnung ihres menschlichen Zustandes schon lange haben? Erlauben Sie mir also einige Zahlen; 1) meine Grundsätze werde ich nimmer mehr verleugnen; es ist also eine grobe Partheilichkeit, mir auf dieser Seite Schaden bey den Zeitgenossen zuzuziehen.
Ich habe ja in der Antwort den Herrn D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Bahrdt selbst auf die schmalkald.
Abkürzungsauflösung von "schmalkald.": schmalkaldischen
Art.
Abkürzungsauflösung von "Art.": Artikel
verwiesen;
wo Luther selbst die Ueberschrift gemacht hatte, über diesen Artikel mögen unsre Gelehrte handeln – Luther hat auch selbst, wie es bekannt ist, eine Probe gemacht, von der Taufe und der Erklärung ihrer Kraft; da er
Thomistische und Skotistische Theorie verwirft, und eine neue annimmt. Wahrlich nicht als Theil des gemeinen christlichen Glaubens, sondern als Versuch, und Gang seiner eigenen gelehrten Einsicht. Da ich den reinen Grund der protestantischen Gelehr|d135|samkeit schon lange eingesehen habe: so habe ich selbst an Berichtigung der Lehrordnung bey einzelnen Artikeln, immer gearbeitet; (verstehen Sie
articulis ipsis saluis) ich höre auch nicht auf, Studiosos hiezu recht ernstlich anzuleiten. Aber alle diese Arbeiten sollen die Lehrgeschicklichkeit über die Grundwahrheiten der christlichen Religion, in unsrer Kirche befördern, vermehren, und erweitern; die Gegenstände, die Artikel selbst, bleiben. Kann dis der Recensent nicht verstehen? Aber ich soll und mus Unrecht, gros Unrecht gethan haben, um mit Recht straffällig zu seyn, und Herrn BahrdtsAbsolution zu erleichtern. Diese Arbeit wird dem Recensenten sehr schlecht gelingen.
2) Herr Bahrdt wolte eine ganz neue Religion;
ohne jene Lehrsätze, ohne Sachen, die Erbsünde, Genugthuung, Gottheit Christi – heissen, darinn zu behalten. Wie reimet sich nun dieses? Habe ich etwa auch diese Merite, Stiftung einer neuen Secte, denn mehr ist es nicht und wird es nicht, haben wollen? Warum will der Recensent uns den Gebrauch unserer Augen und Unsers Urtheils de Facto nehmen, und uns erzählen, Herr D.Bahrdt meine nur die allergröbsten Vorstellungen?
Daher soll kaiserl.
Abkürzungsauflösung von "kaiserl.": kaiserliche
Majestät – – dis mag doch recht sichtbar unbescheiden gegen die ganze teutsche Welt gehandelt heissen; nur um Herrn Bahrdt zu helfen, ihm gar eine Merite zu bereiten; und mich umgekehrt in den Verdacht eines Heuchlers zu bringen! 3)
Ich habe in der |d136| Antwort auf dis Bekenntnis in dem wahren Geiste eines Piderit und Göze geschrieben! Sagen Sie, lieber Freund, ob sie dieses sehen und urtheilen können? es ist mein Glück, daß Ihnen Politik und eine gewisse Menschenfurcht keine Brille leihen kann. Ich kann doch nicht leiden, daß man diesen Männern hier unrecht thut; es ist der Fall gar nicht so, wie der Recensent ihn vormahlen will.
Diese Männer haben nicht geradehin alle Versuche – – gemisbilliget;
das, was sie an mir, Herrn Telleretc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
tadelten, sahen sie wirklich als Bestandtheile der christlichen Religion an, und wollten also keine Aenderung in der Religionslehre leiden. Und wenn ich geantwortet habe,
so habe ich stets majorem eingestanden; und nur minorem geleugnet, atqui diese Vorstellungen von Besessenen, von Reinigkeit des Textes etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
etc.
Abkürzungsauflösung von "etc.": et cetera
sind, keine Theile der christlichen Religionslehre; nego minorem. Eine solche Verkehrung der Sache, ein Knif, ist der rechte Nahme von dieser Art, sollte in der berlinischen Bibliothek ja nicht vorkommen; ich will die Gründe nicht weiter aufstellen.
Berichtigung des Lehrsystems, kirchlichen Systems, ist stets Eigenthum und Beruf der Gelehrten, und hängt mit der christlichen Lehre, für den gemeinen Mann, gar nicht zusammen; hier ist der Zweck seine moralische Besserung und wahre Wohlfahrt; und diesen Zweck hat der Gelehrte auch als Christ. Aber als Gelehrter unterweiset er, z. E.
Abkürzungsauflösung von "z. E.": zum Exempel
der Professor, Studiosos; denen mus er die Succeßion der Kenntnisse und ihrer Ver|d137|knüpfung in Lehrbüchern, um ihrer Gelehrsamkeit willen, vortragen; ihre Talente dadurch auffordern, durch die Entwickelung der Begriffe, Sachen, Seligkeit, Verdienst Christi etc. etc. allen Anstos wegschaffen, und also den Unterschied zwischen Mittel und Erfolg, christliche Besserung behalten. Nun hätte Herr Bahrdt dis alles auch wissen müssen, so gut, als ich; aber er hatte eine besondre Absicht auszuführen sich entschlossen, mit Herrn Basedow ; eine Universalreligion, natürliche einzige Religion; da waren alle jene Begriffe, die Sache selbst, hinderlich; denn sie sezten den christlichen Character noch fort, und schlossen den allgemeinen Naturalismus aus. So bald ich diese Anstalten merkte, wozu freilich das bahrdtische Bekenntnis gleichsam das Signal gab, habe ich (nicht meinen so guten so rechtmäßigen Grundsätzen entsagt; sondern) mich ganz gerade in den Weg gestellt, um diesen neuen schlechten Arbeitern es zu zeigen,
Editorische Korrektur von: zeigen. (digital)
daß die christliche Religion kein alter Plunder sey; daß alle 3 Religionspartheyen in Teutschland viele gelehrte und ehrliche Männer im Lehrstande haben, welche das göttliche unverlezliche Ansehen der christlichen Begriffe und Lehrsätze, richtig unterscheiden, von der succeßivischen theologischen Gelehrsamkeit. Alle unsre Zeitgenossen müssen nun selbst urtheilen, ob der Recensent recht natürlich handle, wenn er schliesset: weil D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Semler dem so schlechten Bekenntnisse des Herrn D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Bahrdts sich so gar ernstlich widersezt, und die historische ehrliche Wahrheit zur Ehre der 3 |d138| grossen christlichen Partheyen, so ernsthaft rettet, wider solche Verdrehungen und Verzerrungen: so folget,
daß D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Semler in dem wahren Geiste eines P. und G. schreibet, und alle Versuche zur Aufklärung des kirchlichen Lehrsystems – lächerlich und unnöthig machen will. Ich sage, wenn der Recensent sich unterstehet, dieses noch einmal zu schreiben, so mus er freilich sehr wichtige Ursachen haben, den Herrn D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Bahrdt und sein Bekenntnis noch immer zu rechtfertigen,
πυξ και λαξ.
Noch mehr soll ich jezt Befremdung erregen,
„ich, der sonst so kühne Theologe, der sich durch die freie Untersuchung des Canon, so gar an die in allen christlichen Partheien heilig gehaltenen Urkunden gewagt, und einige Bücher, hauptsächlich weil sie nichts zur Vollkommenheit beitragen, bestritten, wenigstens zweifelhaft gemacht hat.“ Ich bitte schon im Voraus um recht viel Gedult, mein lieber Freund, ich habe recht viel zu antworten; und ich verspreche es, ich will mir Mühe geben, daß es Sie nicht reuen soll, diesen Brief völlig ausgelesen zu haben. 1) Sonst so kühne – – also wäre ich jezt dieses Prädicats, so weit es einen würdigen Sinn hat, nicht mehr werth? Ich dächte, daß ich gar vielmehr ernstliche entschlossene Kühnheit eben hiemit bewiesen hätte, daß ich so einen starken Einfall einiger Leute, in das Gehege der wirklichen christlichen Religion, so unerschrokken aufhielte, und damalen ganz allein so sehr ernstlich mich entgegen stellete. Sie sehen es, mein |d139| Freund, an dem Zorn des Herrn Basedow , in jener Urkunde, was von meiner Kühnheit, so weit sie Beweis der guten Sache ist, beurkundet wird. Aber, können Sie etwas ersinnen, in meinem so öffentlichen Betragen, was da zeigete, ich wäre feige und den Grundsätzen nach flüchtig worden? Wenn aber der oder jener so für sich auf
Consensum praesumtum gerechnet hat, und dieser will nun bey mir nicht erfolgen: heißt das etwa, ich hätte mich aus Feigheit zurück gezogen? Gern möchte ich Ihnen noch dazu sagen, daß es mit der wahren ernstlichen Gelehrsamkeit eines guten Professors in der That so eine Sache ist, wo eben nicht ein jeder, in seiner täglichen lustigen Lebensart sogleich fortkommen kann; und daß es eine sehr unempfohlen Künheit ist, wenn der und jener etwas von meinem sauern gelehrten Schweis erwischt, und nun quer Feld mit dahin gehet, um grosse Thaten zu thun. Es ist mir aber schon mehrmalen so vorgekommen, und ich dachte oft an das alte Wort,
Sic vos non vobis – – damit ich mich aber nicht selbst preise, wie es manche jezt thun, so will ich 2) auch noch darauf antworten, was der Recensent so pathetisch hier einkleidet, ich hätte mich so gar an den Canon – – gewagt; und nun soll dis zuvörderst auffallen, daß ich wider dis Bekenntnis so ernstlich geschrieben habe. Das würde so viel heissen, wie die Rabinen sagen
kal ve chomer;
meine Untersuchung über den Canon wäre das majus, und Herrn Bahrdts , Versuche zur Aufklärung (Aufhebung, |d140| mus es heissen) des kirchlichen Systems, in diesem Bekenntnis, wären das Minus. Der Recensent mus sehr unwillig gewesen seyn, über meine jetzige so entschlossene Kühnheit, sonst könnte er so unrichtig
Editorische Korrektur von: umrichtig (digital)
und verkehrt nicht gedacht haben. Auf einer Seite stehen also
meine Anleitungen ad liberalem theologicam eruditionem, auch über den Canon, und was man immer herbey ruffen will. Auf der andern Seite aber stehet dis Bekenntnis; dessen Inhalt soll nun entweder eben dieses seyn, was ich so mühsam alles, Korn für Korn, selbst aufgesucht und erarbeitet habe, in dem Felde der Gelehrsamkeit; ohne jemand etwas zu entwenden; oder es soll dis Bekenntnis gar noch weniger tadelhaft seyn; und daher soll es eine
Befremdung erregen, daß ich wider dieses Bekenntnis so gar ernstlich geschrieben habe. Ich weis diesen Kunstgriff sehr wohl, wodurch man mich höhern Orts schwarz zu malen gesucht hat; ich kann es aber leiden, bis die Zeit kommt, welche diese armseligen Künste ohnehin ganz gerade für das aufstellen wird, was sie sind. Ich will aber doch jezt dem Recensenten die nöthige Antwort geben.
1) Niemalen bin ich so unverschämt gewesen, meine privat Kenntnis und sehr locale Gelehrsamkeit, so gar wider die Grundsätze des Staats, so aufzustellen, daß alle Religionspartheyen von mir für blinde oder ungewissenhafte Leute darum gehalten worden wären: weil ich täglich mehr zulernte, was ich gestern noch nicht |d141| wuste. Meine Arbeiten sind besonders für angehende Gelehrte bestimmt gewesen, meinem Berufe zu Folge. Die unumgängliche Succeßion und fortschreitende Ab- oder Zunahme der theologischen Gelehrsamkeit, habe ich als eine ausgemachte Sache behauptet, und daher habe ich bey meinen Zuhörern nicht allein Erkenntnisse für den Kopf, sondern auch Anwendungen für ihr Herz täglich mehr anzubringen gesucht. Nun mögen denkende Leser es beurtheilen, ob es möglich sey, daß ich auf solche Dinge und stolze Grillen fallen könne, zu behaupten: man müsse alle drey Religionssysteme caßiren; man müsse
das Gold der Christusreligion suchen, oder
wie Herr Basedow uns vorgaukelte, die Urreligion erforschbar machen – an die Gewaltthätigkeit und Unterdrückung der eigenen Religionsfreyheit, womit jeder Christ jetzt zufrieden ist, nicht zu denken; welche diese Eroberer und Stifter einer neuen Religionsordnung, begehen mußten;
wovon Herr Basedow lehrte, es müßte das gute Werk einmal gethan, und das Exempel an mir statuirt werden, er habe auch die Werkstätte, Akademien, gezeiget. Ich will wider diese Vorläufer der neuen Christusreligion nichts weiter erinnern; von
David Joris an – es giebt doch denkende Leute, die genug daran haben,
ex ungue Leonem.
Es ist also recht ausgemacht, wenn Herr Bahrdt , Basedow , und wer dazu gehört, ein mehreres nicht sich vorgesetzt hätten, in der theologischen Gelehrsamkeit und Kirchensystems-Be|d142|rechtigungswerke, als ich ganz notorisch in 20–30
Editorische Korrektur von: 20--30 (digital)
Jahren nun gethan habe; so hätten sie an die Umänderung aller drey Religionssysteme auch so wenig gedacht als ich; hätten aber eben so saure Arbeit Tag und Nacht getrieben, als ich und meines gleichen, die wirklich gelehrte Männer und treu in ihrem unbedankten Berufe sind; sie hätten aber freylich nie ein so lustiges Leben führen können. Herr D.
Abkürzungsauflösung von "D.": Doctor
Bahrdt konnte sich z. E.
Abkürzungsauflösung von "z. E.": zum Exempel
an die annales dogmaticos, exegeticos, der Christen machen, und in der That große Verdienste einerndten; er konnte die nun ungründlichen Theorien im
Hutterus ,
Quenstädt ,
Haffenreffer ,
Calov , beurtheilen und bessere an die Stelle setzen; zeigen, daß schon vor mehr als hundert Jahren Iustificatio, Satisfactio – sehr gelehrt und gründlich untersucht worden, wenn gleich nicht von teutschen Lehrern – Sehen Sie, da wären wir immer gelehrte Gesellschafter gewesen; auf unsere verschiedene Lebensart sehe ich hier nicht; aber es ist Zeit, daß ich es sehe, daß mein Brief zu lang wird.
Wer sollte nicht mit uns wünschen [...] eine kaltblütige Untersuchung?
Leicht abgewandeltes Zitat z46.
auf obrigkeitlichen Befehl, geradehin verboten und confiscirt worden ist
So berichten etwa die Gothaische[n] gelehrte[n] Zeitungen, 63. St. (7.7.1779), 519f.: „Herrn D. Bahrdts Glaubensbekenntniß ist in den chursächsischen Landen bey 50 Rthr. Strafe für jedes Exemplar zu verkaufen verboten worden.“
des Ungenannten Urtheile angeführet
Gemeint ist Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817), Sohn des Neologen August Friedrich Wilhelm Sack (1703–1786), dem der oben erwähnte anonyme Traktat Schreiben an einen Freund in G. den Herrn Doctor Bahrdt und sein Glaubensbekenntniß betreffend (1779) zugeschrieben werden kann.
in Ansehung des iuris publici sacri protestantium
Vgl.
.
antecedentia und consequentia
D.i. Ursachen und Folgen.
nach der alten Ordnung, quis, quid, ubi –
Die vollständige, in der Schulrhetorik der damaligen Zeit geläufige Aufzählung lautet: „quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando“ (Wer, was, wo, mit welchen Hilfsmitteln, warum, wie, wann?); bereits nachweisbar bei Matthäus von Vendôme (geb. um 1130): Ars versificatoria, 150, vgl. schon Cic. inv. 1, 21.
die Anmassung, Repräsentant unserer Kirchen hiemit zu seyn
Anspielung auf a22 , vgl. auch b112–114 .
Religionsform, für alle Palläste und Hütten
Anspielung auf a13 („Höfen bis in die Hütten“), vgl. b42 .
daß ich nicht eine Zeile [...] lächerlich und verhaßt zu machen. – –
Gekürztes Zitat z46.
in dem wahren Geist eines Göze
Johann Melchior Goeze (1717–1786), Vertreter der lutherischen Spätorthodoxie, seit 1755 Hauptpastor in Hamburg, war einer der streitlustigsten Autoren der Zeit (vgl. auch
), berühmt ist seine Auseinandersetzung mit Lessing im Fragmentenstreit. In den Freywillige[n] Beyträge[n] zu den Hamburgischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit 5, 71. St. (17.3.1778), 567f., begrüßte Goeze das Reichshofratsconclusum gegen Bahrdt und drohte unverhohlen: „Vielleicht wird der Herr Doctor Semler und seine Anhänger und Nachbeter auch auf dieses Wort merken. Und der Herr Leßing wird anfangen zu glauben, daß es keine Kleinigkeit ist, Fragmente drucken zu lassen, in welchen die heil. Apostel [...] als die ärgsten Bösewichter, Leichenräuber und Lügner gelästert werden.“ – Der erste Streit zwischen Goeze und Semler entzündete sich bereits 1765 an der Complutensischen Polyglotte, die u.a. die erste gedruckte Ausgabe des griechischen Neuen Testaments (1514) enthält und in Konkurrenz zu Erasmus’ textus receptus stand. Goeze, der das complutensische NT verteidigte, und Semler lieferten sich in mehreren Schriften und Gegenschriften einen erbitterten Schlagabtausch. Noch weit größeren Zorn erregte Semler aber dadurch, dass er in seinem Versuch einiger moralischen Betrachtungen über die vielen Wundercuren und Mirackel in den ältern Zeiten (1767), 64–72, eine Predigt Goezes kritisierte, in der dieser Zweifel an den biblischen Berichten über Besessene und Teufel für „Gotteslästerung“ erklärt hatte. Semler hielt mit seiner Akkommodationstheorie (vgl.
; auch
) dagegen. In der „Vorrede“ der von ihm herausgegebenen Neue[n] Samlung auserlesener Canzel-Reden verschiedener berümter und verdienter Lehrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche 3 (1768), [3]–86 schoss Goeze scharf zurück. Es folgten u.a. Semlers Abhandlung über die rechtmäßige Freiheit der academischen theologischen Lehrart, in bescheidener Antwort auf Herrn Professor Danovs Sendschreiben (1771), zu Goeze vgl. z.B. 144, und Goezes Eine Probe von der Art, wie der Herr D. Semler seine Zeugen anzuführen pflegt (1771), in der er den Vorwurf der Gotteslästerung erneuerte.
Piderit
Johann Rudolph Anton Piderit (1720–1791), Wolffianer (vgl.
), seit 1766 Professor für morgenländische Sprachen und Philosophie am Collegium Carolinum in Kassel. In den Jahren 1775/76 veröffentlichte er die zweibändigen Beyträge zur Vertheidigung und Erläuterung des Canons der Heil. Schrifft und der christlichen Religion überhaupt, in denen er u.a. Michaelis, Griesbach, Semler, Spalding, Teller, Basedow und Bahrdt der Heterodoxie bezichtigte. Den zweiten Band adressierte er explizit an das Corpus Evangelicorum (vgl.
) und verlangte die „Steurung des überhand nehmenden Unfugs, wie er selbst von Lehrern der Kirche zum äussersten Verderben der Jugend betrieben wird“ (Beyträge II, CLX). In einem „ungedruckten Begleitungs-Schreiben“ (Piderit, Antwort [s.u.], 60) verklagte er Semler im Besonderen. Dieser reagierte mit einem polemischen Artikel (gestückelt wiederabgedruckt in: Piderit, Antwort [s.u.]) in der Kaiserlich privilegirte[n] Hamburgische[n] neue[n] Zeitung. Darin forderte er seinen Kontrahenten zu einer öffentlichen Disputation heraus. Piderit replizierte mit der Antwort auf Herrn D. Semlers zu Halle Seit. 16. der gelehrten Beyträge zur Hamburgischen neuen Zeitung bekannt gemachten Erklärung und darin an ihn geschehenen Herausfoderung (1776), in der er Semler abermals scharf attackierte, die vorgeschlagene Disputation jedoch als „vermessen“ ablehnte („Ich bin nicht die Evangelische Kirche“, 116). Semler hatte das letzte Wort in [A]usfürliche Erklärung über einige neue theologische Aufgaben, Censuren und Klagen (1777), 1–136. Piderits Agitation bewirkte das Gegenteil des Gewollten, im September 1776 wurde er – wenn auch nur kurzzeitig – des Amtes enthoben. Die obrigkeitliche Auflage, sich der theologischen Schriftstellerei gänzlich zu enthalten, scheint bis an sein Lebensende gegolten zu haben, wurde von Piderit, der sich in späteren Jahren für eine Union von katholischer und evangelischer Kirche (vgl.
) einsetzte, jedoch vermittelst anonymer Veröffentlichungen unterlaufen.
für lange bekannt erklärt [...] kein Theil der Glaubenslehre
Sinngemäße Wendungen finden sich für Bahrdts Nr. 8 (a21 ) bereits in b103 , für die beiden folgenden Abschnitte, wie von Semler angegeben, in b104f.
Bossuet
Vgl.
.
Menschenopfer, und dergleichen Barbarismos
Anspielung auf a14. 18 .
Wetterhan
Seit dem 14. Jh. nachweisbare Bezeichnung für einen Opportunisten.
mag er es wieder grämliche Laune – nennen
Der Rezensent spricht von einer „verdrießlichen mürrischen Laune“ (z46 ).
Ich habe ja in der Antwort den Herrn D. Bahrdt selbst auf die schmalkald. Art. verwiesen
Vgl. b107 ; s. auch unten d170 .
wo Luther selbst die Ueberschrift gemacht hatte, über diesen Artikel mögen unsre Gelehrte handeln
Der dritte Teil der Schmalkaldische[n] Artikel (vgl.
) wird von Luther mit der Bemerkung eingeleitet: „Folgende Stücke oder Artikel mögen wir mit gelehrten, vernünftigen oder unter uns selbst verhandeln“ (BSLK 433).
Thomistische und Skotistische Theorie
Luther wendet sich im dritten Teil der Schmalkaldische[n] Artikel, Art. 5 explizit gegen die Taufauffassungen des Thomas von Aquin (vgl.
) und Johannes Duns Scotus (1266–1308); vgl. der Sache nach schon De captivitate Babylonica (1520), WA 6, 531, 31–37.
articulis ipsis saluis
Wörtlich „unter Wahrung der Artikel selbst“; gemeint ist „ohne die (Glaubens-)Artikel substanziell zu verändern“; s.u. d263[!] Semlers Wiederaufnahme dieses Gedankens: „ohne den Inhalt der Lehren zu ändern“.
ohne jene Lehrsätze, ohne Sachen, die Erbsünde, Genugthuung, Gottheit Christi – heissen
Anspielung auf a10.
Daher soll kaiserl. Majestät – –
Anspielung auf a24 , vgl. auch a15 .
Ich habe [...] in dem wahren Geiste eines Piderit und Göze geschrieben!
Zitat z46; vgl.
(Goeze);
(Piderit).
Diese Männer haben nicht geradehin alle Versuche – – gemisbilliget
Bezieht sich auf z46 („alle dahin zielende Versuche“ etc.).
das, was sie an mir, Herrn Teller etc. etc. tadelten
Zu Semler vgl.
(Goeze);
(Piderit). Wilhelm Abraham Teller (1734–1804), zunächst Professor in Helmstedt, ab 1767 Propst und Oberkonsistorialrat in Berlin (Cölln), gehört zu den profiliertesten Aufklärungstheologen und war u.a. Gründungsmitglied der Berliner Mittwochsgesellschaft. Neben seinem Lehrbuch des Christlichen Glaubens (1764) erregte insbesondere das Wörterbuch des Neuen Testaments (1772; 1805, BdN IX) nicht nur unter orthodoxen Theologen Widerspruch; vgl. auch
. Piderit bezeichnete Teller in seinen Beyträge[n] zur Vertheidigung und Erläuterung des Canons (vgl.
) als „Berliner Wörterkrämer“ (Beyträge II, CXIV) und zählte ihn zu den „Protestantische[n] Jesuiten“, die uns „geradezu ins Gesichte [sagen], daß sowohl das Athanasianische Glaubens-Bekänntniß und die Augspurgische Confeßion, Unsinn und Wahnwizz unsrer Zeiten, als die Schrift selbst, ein Buch sey, für das nur noch, die Dummheit und der Aberglaube, die Ehrerbietigkeit hegen kann, die ihr bisher alle Augspurgische Confessions-Verwandten geheiliget haben“ (XXIV–XXVI; vgl. Aufzählung: XXIX). Goeze erwähnt Teller hingegen kaum. In Leßings Schwächen, 3. St. (1778), 117, zitiert er zunächst Lessings Behauptung, der Hamburger Hauptpastor habe „die Ehre und das Vergnügen [...], den Herrn Basedow, Teller, Semler, Bahrdt, den Verfassern der allgemeinen Bibliothek, und seiner Wenigkeit die Verdammung anzukündigen, und solches deswegen, weil sie nicht gerade dasjenige glaubten, was [er] glaubte“, um dann mit unvermuteter Ironie festzustellen: „Der Verfasser [Lessing] bleibt so lange der unverschämteste Lügner, bis er mir diese Verläumdung erweiset, bis er mir in meinen Schriften die Seite zeigt, wo sie stehet, und wo ich des Hn. Tellers Nahmen genant habe.“ Vgl. Lessing, Anti-Goeze 3 (1778), [3]f.
so habe ich stets majorem eingestanden; und nur minorem geleugnet
Die lateinischen Bezeichnungen für Ober- und Untersatz (vgl.
) lauten propositio major und propositio minor. Es ist nicht völlig klar, an was für einen Syllogismus Semler hier denkt. Folgende Rekonstruktion erscheint jedoch plausibel: 1. (propositio major) Alles, was essentieller Bestandteil der christlichen Religion ist, sollte auch Bestandteil der Religionslehre sein. 2. (propositio minor) Vorstellungen von Besessenen, von Reinigkeit des Textes etc. sind essentielle Bestandteile der christlichen Religion. 3. (conclusio) Also: Vorstellungen von Besessenen, von Reinigkeit des Textes etc. sollten Bestandteil der Religionslehre sein. Nach dieser Deutung betont Semler, um dem Vorwurf des Deismus oder Naturalismus zu entgehen, dass er im Zuge seiner Zurückweisung von (3) lediglich (2), nicht jedoch (1) geleugnet habe.
Berichtigung des Lehrsystems
Vgl. z46.
daß D. Semler in dem wahren Geiste eines P. und G. schreibet, [...] unnöthig machen will
Verändertes Zitat z46. Mit „P. und G.“ sind Piderit (s.
) und Goeze (s.
) gemeint.
πυξ και λαξ
Mit Faust und Ferse („mit Händen und Füßen“).
„ich, der sonst so kühne Theologe, [...] gemacht hat.“
Leicht verändertes Zitat z46.
Consensum praesumtum
Begriff aus der Rechtslehre (vgl. z.B. Kant, Die Metaphysik der Sitten [1797], AA 6, 292). Gemeint ist ein stillschweigend unterstelltes (jedoch nicht explizit eingeholtes) Einverständnis in einer bestimmten Sache.
Sic vos non vobis – –
Anspielung auf die Aneignung fremden geistigen Eigentums, nach einer Episode aus dem Donatus auctus (DA), einer humanistischen Lebensbeschreibung Vergils aus dem 15. Jh., die die Schrift Vita Vergilii des Aelius Donatus (4. Jh.) erheblich anreicherte, welche wiederum in großen Teilen auf ein verlorengegangenes Werk Suetons (um 70–nach 122) zurückgehen dürfte. Vgl. DA 68–70: Vergil verfasste ein Lobgedicht auf den Kaiser Augustus, für dessen Autor sich jedoch der mittelmäßige Dichter Bacillus ausgab und Ehrungen und Geschenke erhielt. Daraufhin schrieb Vergil die Worte „sic vos non vobis“ viermal untereinander auf ein Blatt Papier. Augustus forderte dazu auf, sie sinnvoll zu vervollständigen. Nachdem andere an der Aufgabe gescheitert waren, ergänzte Vergil die Verse schließlich wie folgt: „sic vos non vobis nidificatis aves. sic vos non vobis vellera fertis oves. sic vos non vobis mellificatis apes. sic vos non vobis fertis aratra boves.“ (So baut ihr Nester, Vögel, nicht für euch. So tragt ihr Wolle, Schafe, nicht für euch. So macht ihr Honig, Bienen, nicht für euch. So zieht ihr Pflüge, Rinder, nicht für euch.).
kal ve chomer
Entspricht in der talmudischen Tradition dem lateinischen argumentum a fortiori. Eine Aussage wird unter Verweis auf eine stärkere, d.h. begründungslastigere, vom Hörer jedoch bereits akzeptierte Aussage gerechtfertigt: „Wenn die Wohnung für ein Ehepaar zu klein ist, dann erst recht (kal va chomer / a fortiori) für eine dreiköpfige Familie.“
meine Untersuchung über den Canon
Gemeint ist die Abhandlung von freier Untersuchung des Canon, 4 Bde. (1771–1775).
meine Anleitungen ad liberalem theologicam eruditionem
Der vollständige Titel lautet Institutio Brevior Ad Liberalem Eruditionem Theologicam, 2 Bde. (1765/66).
Befremdung
Anspielung auf z46 („Befremdend und auffallend muß [...] einem jeden seyn“).
das Gold der Christusreligion
Anspielung auf a15.
wie Herr Basedow uns vorgaukelte, die Urreligion erforschbar machen
Vgl.
.
wovon Herr Basedow lehrte, [...] das Exempel an mir statuirt werden [...], die Werkstätte, Akademien, gezeiget
Anspielung auf § 40 der Basedowschen Urkunde (vgl.
): „Oeffentliche Freymüthigkeit der selbstdenkenden, und mit ihren Lehrformen unzufriedenen Kirchenlehrer, zu befördern, soviel ich dadurch kann, das ist einer der Hauptzwecke dieser Urkunde. Sie zeigt meinen Mitgenossen und Nachfolgern, welche eben dasselbe herzlich wünschen werden, an des H. D. Semlers Exempel, die Möglichkeit und Werkstatt des Mittels, welches oft und an Mehrern gebraucht werden muß, bis sich, hie und da, öffentliche Freymüthigkeit ohne Zurückhaltung zeigen wird.“ (32)
David Joris
David Joris (1501–1556), flämischer Glasmaler und täuferischer Laienprophet. Nach seiner Verbannung aus dem holländischen Delft empfing er um 1534 die Erwachsenentaufe und spielte eine wichtige Rolle unter den melchioritischen Täufern nach dem Fall des Münsteraner Täuferreiches (Bocholter Treffen 1536). Trotz schwerer Verfolgung seiner Anhänger hielt er sich bis 1544 in Antwerpen auf. Unter dem Namen „Johan von Brügge“ lebte er anschließend recht unbehelligt als Bürger in Basel, wo ihm erst postum der Ketzerprozess gemacht wurde. In den frühneuzeitlichen Häresiologien galt er seitdem als Erzketzer. Zahlreiche seiner spiritualistischen Schriften haben sich erhalten, die um 1700 in Teilen des radikalen Pietismus eine erneute Leserschaft fanden.
ex ungue Leonem
Von der Pranke auf den Löwen, d.h. vom Teil aufs Ganze, schließen. Plutarch, de defectu oracolorum 3, 410C schreibt eine entsprechende griechische Wendung dem Dichter Alkaios von Lesbos (ca. 630–580 v. Chr.) zu (fr. 113, Zählung Bergk). Anders der syrische Satiriker Lukian von Samosata (ca. 125–nach 180), der in dem griechischen Dialog Hermotimus, 54f. behauptet, der Bildhauer Phidias (5. Jh. v. Chr.) habe von einer Löwenpranke, die man ihm zeigte, erfolgreich auf die Größe des ganzen Tiers geschlossen.
Hutterus
Gemeint ist Leonard Hutter (auch: Hütter; 1563–1616), nach Studium in Straßburg, Heidelberg und Jena seit 1596 Professor der Theologie in Wittenberg. Hütter war als Verfechter und wirkmächtiger Interpret der Konkordienformel maßgeblich an der Ausbildung der lutherischen Orthodoxie beteiligt.
Quenstädt
Johann Andreas Quenstedt (1617–1688), nach Studium in Helmstedt ab 1649 Professor in Wittenberg, einflussreicher Vertreter der lutherischen Orthodoxie, bekannt für seine Polemiken gegenüber anderen theologischen Positionen.
Haffenreffer
Mathias Hafenreffer (1561–1619), nach Studium in Tübingen Hofprediger in Stuttgart, ab 1592 Theologieprofessor in Tübingen, 1617 Kanzler der Universität. Hafenreffer zählt zu den orthodoxen Verfechtern der Konkordienformel.
Calov
Gemeint ist Abraham Calov/Kalau (1612–1686), nach Studium in Königsberg und Rostock zunächst 1640 Extraordinarius in Königberg, 1643 Rektor und Pastor in Danzig, ab 1650 Ordinarius in Wittenberg. Calov gilt als Vertreter der lutherischen Orthodoxie, der sich gegen Sozinianer, aber auch gegen die aus seiner Sicht verfehlte Berliner Kirchenpolitik zur Wehr setzte.
Zitat aus a) D. Carl Friedrich Bahrdts
Glaubensbekenntniß:
wer wünschte nicht mit uns eine
kaltblütige ruhige Untersuchung
Zitat aus a) D. Carl Friedrich Bahrdts
Glaubensbekenntniß:
nicht erlaubt, nur irgend eine Zeile, kaum ein
Wort, noch weniger ganze Sätze in dem beantworteten Glaubensbekenntniß
erträglich zu finden, sollte er auch darüber seinen bisher behaupteten
Grundsätzen ungetreu widersprechen, in dem wahren Geiste seiner vormaligen
Gegner eines Goetze und Piederits ,
alle weitere Berichtigungen und Aufklärungen des kirchlichen Lehrsystems für unnöthig, und alle dahin zielende Versuche, so viel
an ihm ist, lächerlich und verhaßt machen.
Zitat aus a) D. Carl Friedrich Bahrdts
Glaubensbekenntniß:
Unter diese Lehrsätze rechne ich: Die – von der
Erbsünde – von der Zurechnung der Sünde Adams – von der
Nothwendigkeit einer Genugthuung – von der blos und allein durch den heiligen Geist in
dem sich leidend verhaltenden Menschen zu bewirkenden Bekehrung – von der ohne alle Rücksicht auf unsere Besserung und
Tugend geschehen sollenden Rechtfertigung des Sünders vor Gott – von der Gottheit Christi und des heiligen
Geistes
im Athanasianischen Sinn –
von der Ewigkeit der Höllenstrafen – und einige andere.
Zitat aus a) D. Carl Friedrich Bahrdts
Glaubensbekenntniß:
in dem wahren Geiste seiner vormaligen
Gegner eines Goetze und Piederits ,
alle weitere Berichtigungen und Aufklärungen des kirchlichen Lehrsystems für unnöthig, und alle dahin zielende Versuche, so viel
an ihm ist, lächerlich und verhaßt machen.
Zitat aus a) D. Carl Friedrich Bahrdts
Glaubensbekenntniß:
dieses kühnen Theologen, der sich durch
seine freye Untersuchung des Canons sogar an
die in allen christlichen Partheyen
heilig gehaltenen Urkunden der Religionslehre gewaget, und einige
dazu gerechnete Bücher, hauptsächlich, weil sie seinem Urtheile nach, nichts
zur christlichen Vollkommenheit beytragen, bestritten, wenigstens
zweifelhaft gemacht hat.