|d[111]| Erster Brief.
Warum, Werther Freund, sollte eine öffentliche
Revision jener
Recensionen nicht sehr nützlich seyn? Wäre es auch nur in dieser einzigen Absicht, daß manche
Recensionen vorsichtiger eingerichtet würden, und nicht ein
Recensent in seinem localen Gesichtspunct so viel äußerte, das andern Zeitgenossen, in ihren auch
localen Umständen, sehr anstößig seyn mus. Sie wissen es noch mehr, in dortigen Gegenden, als wir in unserm
moralischen Clima es empfinden können, was für öffentlichen Anstos das
Bahrdtische Bekenntnis
nach sich gezogen hat; was für Folgen noch immer fortdauern, und was für Gedanken vollend sich immer mehr erzeugen, wenn gleich manche Leser es lange vergessen haben sollen; andre aber es lange verachten, und noch andere gar nicht daran denken wollen. Diese
Recension hat freylich diesen Erfolg, den viele auch gern sähen, und die Mittel dazu recht gut kennen, nicht befördern und erleichtern wollen; sie vergißt es fast, daß viele Leser dieser Bibliothek
, am allerwenigsten über Begebenheiten dieser Art, sich ihr Urtheil, ihre eigenen Gedenken über allerley bisherige Erscheinungen, nicht nehmen lassen.
|d112| Es ist wahr, daß
manche meiner Schriften oft in dieser Bibliothek ausgezeichnet worden sind; daß mancher neue Versuch von mir, als zu seiner Absicht gut angesehen, oder gar mit Beyfall, beurtheilet worden ist. Aber ich habe die indes entstehende Veränderung viel zu richtig eingesehen, als daß ich nicht schon im Voraus hätte erwarten sollen, eine
Recension meiner Antwort auf das
Bahrdtische Bekenntnis, würde dieser einsweiligen Veränderung ganz gewis sich völlig anpassen. Meine
Antwort
hat mich um alle Zuneigung, um allen Beyfall gebracht, bey einer Parthey, deren besondre Absichten ich weiter nicht gekannt habe. Die Sünde, welche ich, ohne allen Vorsatz, in der täglichen Ordnung meines gelehrten Berufs, begangen habe, soll und mus unverzeihlich heißen. Der Unwille ist so gros, daß man mein ganzes bisheriges rechtschaffenes Leben, meinen unermüdeten Fleis, meine gelehrten Versuche, deren manche sogar von römischen Gelehrten begünstiget wurden, ein für allemal gar nicht mehr rechnet. Dieser
Recensent ist noch unbilliger; übernimmt einen recht bedächtigen Angrif wider – – meine Gelehrsamkeit, in sofern sie zum Urtheil des Bekenntnisses gehört? nein – sondern
wider meine Ehrlichkeit und theologische Rechtschaffenheit. Sehr ungern, in der That, sehr ungern, lasse ich mich dazu bringen, auf dergleichen
Recension zu antworten; aber ich mus antworten, und
den
Recensenten, sey er wer er wolle, öffentlich
|d113| bitten, sich nun seinem Namen nach zu erkennen zu geben. Sehr annehmungswürdig ist der Vorschlag in den
Frankfurter gelehrten Anzeigen,
N.
XIII. XIV. daß
Recensenten, die mit gutem Grunde etwas sehr tadeln zu müssen, meinen, sich allezeit nennen sollten. Die Unpartheylichkeit dieser
Frankfurtischen Zeitungen kann auf grossen Beyfall, und in diesem Vorschlage auf öffentliche
Attention Anspruch machen. Es betrifft diese Sache von nun an den
moralischen Character von uns beyden; es ist
der Sache selbst, die der
Recensent vertheidiget und ich bestreite, von nun an daran gelegen, daß man in dem
katholischen und
protestantischen Teutschland es wisse, wer der so eifrige, so künstliche, so partheyische Vertheidiger des Herrn
D[.]
Bahrdts ist, daß er darüber auch einen Professor in königlichen Landen, der 30 Jahre lang unbescholten war, preis giebt; und ihn als einen
untreuen politischen
Theologus öffentlich aufstellen will. Da ich mich öffentlich genennt habe, und das Publicum nun es frey hat, über mich zu urtheilen: so liegt auch viel daran, den Mann zu kennen, der sich dieses Geschäfte gab, oder geben lies, mich öffentlich um
Hrn.
D.
Bahrdts willen, in übeln Ruf zu bringen.
Ich kann Ihnen also, mein Freund, nicht folgen; Sie mögen aber Recht haben, wenn Sie glauben, Herr
D.
Bahrdt seye von dieser
Recension auszuschliessen; mehrere Leser hatten ihn selbst für den Verfasser gehalten. Destomehr ist es nun
|d114| nöthig, daß der wahre Urheber sich nenne; das Zutrauen gegen diese
Bibliothek im theologischen Fache in unserer Zeit, wird sonst sich noch mehr vermindern; und es wäre wirklich einiger Nachtheil für die Ausbreitung der Gelehrsamkeit, wenn man in noch mehrern teutschen Provinzen es auch für das beste Mittel halten müste, die so genannte Aufklärung der Einsichten, lieber wieder einzuschränken, als ferner zu erleichtern. Ihnen darf ich es vorsagen, mein Freund, daß selbst
katholische Gelehrte manche meiner Schriften ohne Anstos gelesen, und meinen Fleis, meine Rechtschaffenheit in Absicht der Wahrheitsliebe, gelobet haben. Noch mehrere waren auf dem Wege, der weiter vorwärts führet; aber diese schönen Entschliessungen – – werden nun ernstlich untersucht, und nun – gemisbilliget; in der That nicht um meiner Schriften willen, wenn gleich die
freyburgische Bibliothek sich eben darum heldenmäßig wider mich aufgemacht hatte. Es ist auch kein Gelehrter im ganzen teutschen
Reiche über meine Antwort unwillig worden; wohl aber haben sehr viele das Bekentnis, und seine Bekanntmachung ganz frey und ernstlich beurtheilet. Und hat wohl jemand ein Recht dis zu hindern? Kann man es je sich vorsetzen es zu hindern? Was hatte nun der
Recensent für eine wichtige Absicht, da er sich hinsezte, und mich in meiner damaligen Lage, die er vielleicht weis,
gar als einen
Politicker aufstellen wollte? Ich habe wohl in meinem Leben mir diese Geschicklichkeit schaffen wollen! Und wie viel
|d115| richtiger urtheilen Sie, mit recht vielen meiner Freunde, daß ich
gerade ganz unpolitisch, recht ohne alle Klugheit, in sofern diese allerley eigenen Nachtheil vermeiden will, stets gehandelt habe! Wie so sehr gros mus also die
Sache seyn, die ich durch eine Politik soll gehindert haben? Das sonderbarste hiebey ist, daß ich gar keinen weitern Zusammenhang weis und kenne; daß ich blos hintennach, aus denen mir allein nachtheiligen Folgen das Daseyn eines grossen Vergehens, haben kennen lernen.
Nehmen sie dazu, daß
in eben dieser Bibliothek, in eben diesem Stück,
S.
17, ein anderer viel billigerer
Recensent dis Urtheil niederschreibet, „ein Namenloser Recensent kann viel eher eine kleine Beleidigungen hingehen lassen, als ein Schriftsteller der sich genennt hat; auf den leztern sehen alle, die ihn kennen; zumal seine Feinde.“ Sie werden nun zugeben, daß dis wirklich mein Fall ist; wenn ich gleich sie nicht meine Feinde nennen will, die iezt über meine Antwort, über mich also, sehr unwillig worden sind, und ihren Unwillen noch durch eine solche
Recension fortsetzen.
Hätte Herr
Basedow die elende Schrift nicht drucken lassen,
Urkunde, mit so viel
angeblichen Mitleiden über meine wohlverdiente grosse
Strafe, daß er gar mich und die Meinigen ernähren wollte – – so hätte ich weiter nichts über dis Bekentnis zu sagen nöthig gehabt. Hätte der
Urheber des
Almanachs
mich nicht so muthwillig abermals als den
Verfolger, als den Heuchler beschrieben, aus
|d116| jenem Sendschreiben, das – – mehr nichts ist, als es ist: so hätte ich in der
Vorrede zu meinem Leben nicht Ursache gehabt, so viel zu sagen. Hätte nun dieser
Recensent sich nicht vorgesezt gehabt, Herrn
D.
Bahrdt durchaus zu
rechtfertigen, und mich dafür zu beschreiben, ich hätte eben so wenig eigene Hochachtung für die Grundwahrheiten der christlichen Religion: so hätte ich gewis nicht weiter geantwortet. Aber meine Rechtschaffenheit lasse ich mir nicht nehmen; ich kann nichts leichter retten und vertheidigen, als diese unentberliche Eigenschaft eines würdigen Menschen; und es ist der Menschenwelt an nichts so viel gelegen, als an Rechtschaffenheit. Grössere Ausbreitung der
Religion, und Erleuchtung der Menschenwelt, Aufklärung – man rede wie man wolle, ist uns alles entberlich, wenn es beym
Reden bleibet, und diese Eigenschaft den Menschen geringschätzig wird; wenn man sie aufopfert, oder der Kopf das Herz unterdrücken darf.
Endlich bin ich auch davon gewis, daß ich so gar manche Dinge oder Gegenstände noch mehr und gewisser aufklären kann; auch die Hauptsache auf der rechten Stelle halten werde, um darüber richtig zu urtheilen. Es ist mir eine angenehme, große, würdige Vorstellung, daß das aufmerksame Publicum nun so sehr leicht über uns beyde, und die Bahrdtische Sache, urtheilen und absprechen kann.
Die
Recension enthält eine
Anklage wider mich, und eine sehr weit getriebene
Rettung und
|d117| Entschuldigung des
Bahrdtischen Bekenntnisses; diese meine Antwort soll meine eigene, mir in der That abgedrungene Vertheidigung und Ehrenrettung enthalten. Und nun haben teutsche Leser gerade die bisherigen Acten beysammen, um über – – zu entscheiden.
Teutschland kann ganz und gar nicht Ursachen haben, partheyisch zu urtheilen; und warum müßte es meine
Politik seyn, wenn ich ganz gewis hoffe, meine Gegenparthey, seye
sie noch so unwillig, könne mich nicht in der Absicht unterdrücken, um nur sich selbst und
Hrn.
D.
Bahrdt aufzuhelfen.
Ich gestehe es Ihnen, daß dis eine lange Vorrede zu einem Briefe ist; aber ich werde gewis so bescheiden seyn, ihn abzubrechen, so bald er gar zu lang wird; Sie lesen es doch nach einander, wenn Sie Lust haben; oder Sie brechen das Lesen ab, ohne dem Brief selbst ein Gebiet über Ihre Neigung einzuräumen. Ich fange also die Revision an, über die Recension.
Sie macht es zum Eingange, daß
ich möge Gründe gehabt haben, mich wider das Bahrdtische Glaubensbekenntnis zu manifestiren, und allen Verdacht als ob die theologische Facultät in Halle die Heterodoxie desselben begünstige etc
.
Ist es nicht wahr, das Wort, ich hätte mich
manifestiret –
gehört sonst eigentlich auf einen
pohlnischen Reichstag? Ich bin wenigstens kein Magnat, und weis nicht, warum meine Antwort so besonders beschrieben werden soll. Aber wir wollen auf die Sache selbst sehen; die
Zeit|d118|rechnung ist hier ganz unbestechlich; der will ich folgen, und die
Heterodoxie – das soll sich auch recht gut finden.
Die
Universität hat zuerst eine Vorstellung eingeschickt, als in
Halle davon geredet wurde, Herr
D.
Bahrdt würde oder wolle, oder werde – – Sie können denken, daß die Aufmerksamkeit ganz andrer Leute sehr geschäftig gewesen ist, diese
futura zu bestimmen; und in
diesem öffentlichen Gerede, das aus allerley Briefen sich täglich vermehrte, ist die Veranlassung zu suchen, daß nun die
Universität diese allerley Aufgaben nicht länger circuliren lassen wollte; es wurde also einstimmig beschlossen, hierüber allerunterthänigste Anzeige zu thun; und es wurden die Dinge erzählet, wie sie hier schon angesehen, und herum geschrieben wurden. Die meisten Professores kannten
eine besondere nachtheilige
Localität, von der Zeit an, da in der gelehrten
Hallischen Zeitung, welche
der Professor und Geheime Rath
Klotz ehedem hier angefangen hat,
eine hier überall bekannte Erzählung aus Leipzig, öffentlich im Druck bekannt gemacht worden war. Ist es Ihnen wohl unbegreiflich, daß
Professores aufmerksam sind auf alles, was ihrer Universität so oder so nachtheilig gedeutet werden könnte? Wir haben alle es in unserm Eid, so weit unser Gesichtskreis reichet, dis ehrlich in Acht zu nehmen. In Acht zu nehmen, schreibe ich; nicht, zu entscheiden; sondern höhern Orts von solchen Dingen Anzeige zu thun, wenn sie auch am Ende unnöthig und unerheblich seyn mag. Dis letzte können
|d119| wir nicht ausmachen. Es ist nicht für ganz unnöthig angesehen worden;
wir bekamen den Bescheid, Herr
D.
Bahrdt solle keine
lectiones theologicas halten. Die
theolog.
Facultät bekam weitere Ursache, es für nöthig zu halten, in einem unterthänigen
privat Schreiben an
Sr.
Excellenz, den Freyherrn von
Zedliz , mehrere Umstände vorzustellen; und
wenn der Recensent Recht hat, daß ich schon vor Herrn
D.
Bahrdt eben diese
Sachen, diese ungerechten Urtheile über unsere Kirchenlehre, öffentlich geschrieben hatte: so mus es die Facultät nicht gewust haben, oder sie hat auf eine sehr gütige Weise dieses geheime Anliegen jetzt mit ausgedrückt; der Hauptinhalt war aber nicht, daß wir den Schein bekämen, an der
Heterodoxie Theil zu nehmen, indem hier ein jeder sich dem Urtheil der Zeitgenossen ruhig überlassen konnte, vermöge unserer schon langen Bekanntschaft in den teutschen Kirchen; es waren blos
locale Umstände, deren Einflüssen man sich freylich nicht so leicht entziehen kann, als andere, die nicht in dem
localen Kreise stehen. Um der oder jener Leute willen kann ich doch keine Unwahrheit sagen; ich will es hier nicht wieder abschreiben,
was ich in der Vorrede zu meiner Lebensbeschreibung schon erzählet habe.
Nun müssen es die Leser beurtheilen, ob es wirklich der Fall ist, wie es
S.
47 heißt:
„
blos gewisse politische Betrachtungen könnten mir diesen Eifer eingegeben haben. Dis sey noch glimpflich geurtheilet; sonst möchte man eine nähere |d120| Ursache finden, in dem Bestreben, sich so viel möglich von dem verhaßten D.
Bahrdt zu entfernen, nachdem man nicht so glücklich gewesen, ihn durch alle Bewegungen, worinn man sich und andre gesetzt hat, von sich zu entfernen.“ Sie und recht viel gute Menschen kennen mich lange. Sie kennen auch
Hrn.
D.
Bahrdt ; ich bin stets von ihm entfernt gewesen. Mus es nun wirklich
nur auf diese Art begreiflich werden, daß ich wider Herrn
D.
Bahrdt geschrieben habe? Ich hätte blos
politisch gehandelt; und der
Recensent erweise mir noch Glimpf, daß er nicht anders urtheile? Ich habe
patriotisch handeln wollen. Es können noch so gute Menschen auch in
patriotischen Betrachtungen irren, fehlen, und zu weit gehen; richtig, mein Beyspiel zeigt dis, und zeigt noch mehr. Aber habe ich alsdenn
aus Haß geschrieben? Sollte wohl Herr
D.
Bahrdt es selbst sagen, er glaube, daß ich ihn hasse? Beweise davon könnte er doch nicht anführen, weder aus
Erfurt, noch aus
Heidesheim, noch bey den zwey Besuchen, die er mir hier gab. Noch glaube ich, er werde mit der Zeit, wenn sich einige Dinge geändert haben, es öffentlich gestehen, daß ich ihm am allertreulichsten hätte rathen wollen. Ich rechne so sicher auf – – daß ich noch glaube, auch dieser Schritt des Recensenten werde ihn nicht abhalten, es einst zu gestehen. Wenn es also wahr ist, ein Professor kann in
patriotischer Neigung mehr thun, als die Klugheit anräth: so habe ich gerade umgekehrt gehandelt, nicht politisch; wie
|d121| ich schon gestanden habe. Aber dis würde eher helfen zu einer gütigen oder nachgebenden Beurtheilung meiner Historie; darum soll es ja nicht so angesehen werden.
Wär denn
Hr.
Bahrdt , dessen Historie wir alle wissen, durch dis Bekenntnis, das ich gleich weiter beurtheilen will, geradehin ein
so annehmliches Mitglied der Universität worden, daß es nur
Haß seyn mußte, wenn wir wünschten, ihn nicht in unserm
academischen Kreise zu haben? Oder ist es unbegreiflich, daß die Professores, welche nicht wider Herrn
D.
Bahrdt geschrieben haben, dennoch es gebilliget haben, daß ich es gethan habe? Und bin ich alsdenn doch immer der
Einzige, der also auch nur aus
Haß es that?
Der
Recensent gestehet es selbst am Ende, daß er eine Universalreligion, oder wie man es nennen will, für möglich und wünschenswerth hält; da ist ja Ursache genug, daß Gelehrte ihre ganz andern Urtheile ebenfalls bekannt machen können.
Haß gehört nicht erst dazu.
Ich kann es ihnen aber versichern, daß mehrere Professores die große Abweichung dieses Bekenntnisses von dem
westphälischen Frieden, noch stärker beurtheilet haben, als ich; und daß hier niemand ist, der so unedel wäre,
westphälischen Frieden und
westphälischen Schinken in einer Zeile mit einander zu verschlingen; wie Herr
Basedow sich dieses (viel zu bald) hat entwischen lassen. Nehmen Sie so viel Eltern dazu, die ihre Söhne hier studiren lassen; welche mit ihren dortigen
|d122| Nachbarn so viel Zusammenhang haben, daß sie schon prophezeyen – so werden Sie es gestehen, es war nicht nothwendig, daß Haß wider Herrn
D.
Bahrdt mich zu dieser Antwort brachte. Doch für einen Brief ist dis immer eine lange Erzählung, willigen Sie mir indessen diese Freyheit, daß historische Briefe so lang seyn dürfen, als der Verfasser will.