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|e[3]| Ich habe bereits in einer kurzen Erklärung , welche ich in des Herrn Mylius Verlag, im vorigen Jahr, auf einen halben Bogen, bekannt gemacht habe, mich über die Absichten meines Glaubensbekenntnisses herausgelassen, und dieselben gegen zudringliche Beschuldigungen nothdürftig vertheidigt. Diese Erklärung mußte für den damaligen Zwek kurz seyn, und ich habe nicht geglaubt, jemals einer längern und weitläuftigern zu bedürfen: zumal da es mein herzlicher Wunsch war, |e4| daß jenes mir durch einen Reichsbefehl abgedrungene Bekenntniß, als eine Sammlung theologischer Vorstellungsarten eines unbedeutenden Privatmanns, eben so schnell vergessen werden möchte, als es war gelesen worden. Denn es war nichts weniger als meine Absicht, mit jenem Bekenntniß einiges Aufsehen bey der Nation zu erregen. Und es hat dieser abgenöthigte Schritt auch gewiß nicht durch mich selbst, weder durch meine Person, noch durch die Art, wie ich ihn gethan, sondern vielmehr durch den öffentlichen Befehl der höchsten Reichsgerichte seine Publicität erhalten, und die Aufmerksamkeit meiner Zeitgenossen rege gemacht.
Gleichwohl scheint das deutsche Publikum, zu meiner wahren Bekümmerniß, noch immer jene unwichtige Schrift, nicht nur als einen Gegenstand zu betrachten, an welchen man |e5| seine Gabe zu ahnden und zu weissagen üben muß, sondern sie auch als eine unvermeidliche Veranlassung zu wichtigen Schritten von Seiten meiner, und zu merkwürdigen Folgen von Seiten der Nation zu betrachten – weil einige, denen es nicht genügen will, mich durch die Geständniße meiner Privatmeinungen unglücklich zu sehen, durchaus fortfahren, mir die Absicht schuld zu geben, als ob ich mich aus Leichtsinn und Uebereilung von der lutherischen Kirche losgesagt, und die Stiftung einer neuen Secte erzielet hätte.
Dieser kränkende Vorwurf, den ich so oft und öffentlich hören muß, nöthigt mich, noch einmal, und – meinem festen Vorsatze nach – zum leztenmale die Feder zu ergreifen; und mich über mein genanntes Glaubensbekenntniß bestimmt und freymüthig zu erklären.

|e6| 1.

Ich bezeuge also zuvörderst, daß jene Schrift nicht Folge des Leichtsinns und der Uebereilung war. – Ein höchstes Reichsgericht hatte geurtheilt, ich müsse wegen meiner Uebersetzung des neuen Testaments, aller meiner Aemter entsezt werden; und dabey ausdrücklich anbefohlen, daß ich in einer, an den Reichsbücherkommissarius einzuschickenden, Druckschrift, mich über die meiner Uebersetzung schuldgegebenen Irrthümer erklären, oder aus dem deutschen Reiche weichen solle. Nun war es zwar weder überhaupt, noch durch die eingeholten Responsa erwiesen, daß ich, in gedachter Uebersetzung, Hauptlehren der Kirche angegriffen, oder Grundirrthümer ausgestreuet hätte: vielmehr zeugen jene Responsa zur Genüge, daß eine eigentliche Verwerfung wesentlicher Lehren des Christenthums, aus meiner Uebersetzung schlechterdings nicht zu erzwingen sey: indessen mußte ich mich, da diese Richter mir keine Vertheidigung gestatten, noch meinen damaligen Landesherrn, den durchlauchtigsten Fürsten von Leiningen , die ihm allein gebührende |e7| Untersuchung der Sache überlassen wolten, jenem Urtheil unterwerfen, mir meine Absetzung *) gefallen lassen, und die Verlegenheit, in die mich jene mir überdem noch abgesonderte Erklärung versezte, eine überströmende Quelle meines Unglücks werden sehen. Denn bisher hatte ich, nach dem allgemeinen Recht der Menschheit, von den Lehrsätzen der Kirche denken können, was ich gewolt. Aber jezt – mußte ich entweder, wider meine Ueberzeugung, Sätze, die ich im Herzen verwarf, öffentlich bekennen, oder mich (nach einer gewissen doppelten Lehrart) hinter zweydeutige Ausdrücke verstecken, oder, der Wahrheit ein Opfer bringen. Mancher Andrer würde freylich in meiner Stelle den Mittelweg gewählt haben. Und es fanden sich auch einige unter meinen Bekannten, welche mir riethen, nicht gerade herauszugehn, |e8| sondern mich, in gemilderten Ausdrücken, so zu erklären, daß man mir nicht beykommen könnte. Allein dieser Weg schien mir, – vielleicht habe ich mich geirrt, vielleicht auch nicht – genung mir schien dieser Mittelweg eine niederträchtige Heucheley zu seyn. Denn so lange mich keine Obrigkeit um meinen Glauben, in Absicht auf das Detail einzelner und besonderer Begriffe und Vorstellungsarten, befragt hat, so lange habe ich freylich meine Privatmeinungen für mich behalten und verhelen können, ohne mein Gewissen zu verletzen – weil mir die Religion ein so weites Feld des Unterrichts zum Trost und zur Belehrung meiner Gemeinen eröfnete, daß ich im Volksunterricht nie nöthig hatte, jene streitigen Punkte zu berühren, wo ich von den Vorstellungsarten des grossen Haufens abwich. – Aber, da ich jezt von dem höchsten Richterstuhle des Reichs aufgefordert ward, Lehrsätze, die ich nicht so glaubte, wie sie der große Haufe glaubt, nicht nur öffentlich zu bekennen, sondern auch in einer Druckschrift zu erklären, daß ich sie nie zu leugnen willens gewesen, – da, sage |e9| ich, meine Richter nach meiner innern, geheimen Ueberzeugung ausdrücklich fragten – da konnte ich, bey dem Vorschlage, mich hinter Zweydeutigkeiten zu verstecken, mein Gewissen ohnmöglich beruhigen. Ich hielt es für Pflicht, meine Privatmeinungen freymüthig herauszusagen. Vielleicht daß Andre anders urtheilen. Genung ich urtheilte so, und mein Urtheil ist noch jezt das nemliche. Ich war schuldig, die Wahrheit, so nackend und rein, wie sie in meiner Seele lag, darzustellen. Und ich habe sie gesagt, das heißt, ich habe meine Ueberzeugungen, wie sie damals in meinem Gemüthe sich vorfanden, offenherzig gestanden. Ich habe mich dabey sorgfältig geprüft. Ich habe alle Winkel meines Herzens durchsucht, um wahre, feste Ueberzeugung, von heimlicher Prädilection zu Lieblingsmeinungen, wohl zu unterscheiden. Ich habe das Resultat einer funfzehnjährigen ehrlichen Wahrheitforschung in meiner Seele aufzufassen und meiner Feder mitzutheilen gesucht. Kurz, was ich geschrieben habe, habe ich in keinem Betracht aus Leichtsinn |e10| oder Uebereilung geschrieben. Und ich schmeichle mir, daß wenn ich einst Gelegenheit haben solte, mich über mein Glaubensbekenntniß näher zu erklären, die Worte desselben genauer zu bestimmen, und von diesen so bestimten Worten meine Gründe der Welt vor Augen zu legen, jedermann werde gestehen müssen, daß sehr, sehr viel Ueberlegung vor Abfassung dieser Schrift angestellt worden sey. Habe ich es, in Ansehung der Art des Vortrags, in welchen ich dieß abgenöthigte Geständniß meiner Ueberzeugungen eingekleidet habe, einem oder dem andern nicht nach seinem Sinne gemacht, so ist das meine Schuld nicht. Denn dieß ist das unvermeidliche Schicksal aller menschlichen Handlungen, daß keine den Beyfall aller hat: weil jeder einen andern Maasstab hat, nach dem er sie mißt – jeder eine andre Wage, auf der er sie wiegt – jeder einen andern Gesichtspunkt, aus welchem er sie begaft oder – beurtheilt. Genung, daß die Bekanntmachung selbst mir nicht zu schulden kommen kann. Denn sie war Folge des Gehorsams. – Aus freyem An|e11|triebe hätte ich vielleicht – gewiß weiß ich es nicht, so wenig ein Mensch in der Welt es weiß, was er in der Zukunft thun wird – vielleicht nie so laut und deutlich gesprochen, wenigstens bey meinem Leben nicht. Aber auf Befehl des Reichsrichterstuhls mußte ich; was auch Gott für Folgen über diesen Schritt des willigen Gehorsams zu verhängen beschlossen haben mochte. Und was aus einem solchen Gehorsam entsteht, wären es auch die allerwichtigsten Ereignisse, kann nur der Befehlende, nie der Gehorchende, zu verantworten haben.
*) Welche natürlicherweise mein mit Credit angefangenes Erziehungsinstitut zu Heidesheim niederstürzte, und mich nöthigte, Schulden, die nach und nach getilgt werden solten, unbezahlt zu lassen, und mich meinen Gläubigern mit Hab und Gut Preiß zu geben.

2.

Ich bezeuge zweytens, daß ich mich durch mein Glaubensbekenntniß, welches – ich sage es noch einmal, nichts, als abgenöthigtes Geständniß meiner Privatmeinungen war – keinesweges von der lutherischen Kirche habe lossagen wollen. Denn
  • a) erstlich, hört niemand auf ein Glied der Kirche zu seyn, der, im |e12| Stillen, den oder jenen Lehrsatz der Kirche sich anders vorstellt, als der große Haufe. Sonst müßten gar viele Lutheraner, Reformirte und Katholiken aufhören, das zu seyn, was sie sind. Denn der innere Glaube wird, durch die äußere Gesellschaft, zu der man sich hält, nicht bestimmt. Jeder selbstdenkende Christ hat seine Religion für sich, das heißt, er folgt innerlich seiner Ueberzeugung, und äußerlich hält er sich, – weil er zu einer sich halten muß – zu einer Kirche, welche ihm vergleichungsweise die Beste dünkt, oder – gewöhnlichermassen zu der, in welcher er geboren ist. Und da die innere Religion zu den Rechten der Menschheit gehört, so ist leicht begreiflich, daß darüber weder Fürst noch Consistorium zu gebieten hat. Die Obrigkeit wacht nur über das Aeußerliche, so fern die Kirche eine Gesellschaft ist. Und ob einer zu einer Kirche gehöre, und, zu welcher er gehöre, das kann nicht nach den Meinungen und innerlichen Vorstellungen der Seele, sondern nach den äußerlichen Handlungen beurtheilt werden. Wer sich also äußerlich zur lutherischen Kir|e13|che hält, ihre Gottesdienste besucht, ihre Sakramente gebraucht etc. der ist ein Lutheraner, er mag innerlich glauben, was er will. – Und das habe ich bisher gethan. – Ueber die äußere Religion mögen Menschen richten, über die innere kann nur Gott Richter seyn. – Und man sage hier nicht etwa, daß durch mein Bekenntniß meine Religion aufhöre, eine bloß innerliche zu seyn, und daß sie folglich dadurch, daß ich meine Meinungen laut gesagt habe, ein Object der weltlichen Obrigkeit werde. Denn dieser Einwurf fällt augenblicklich in sein Nichts, wenn man erstlich überlegt: daß Privatmeinungen, die auf höchsten Befehl laut gesagt werden, dadurch nicht aufhören, Privatmeinungen zu seyn; – zweytens: daß auch derjenige, der einzelne Vorstellungsarten seiner Kirche bezweifelt, auch wenn er seine Zweifel laut sagt, deswegen noch nicht aufhört, Glied seiner Kirche zu seyn. Denn es kommt ja darauf an, wie er es sagt. Wenn ich z. B. über das Gesetzbuch meines Königs meine Meinung sagte, und ein oder anderes Gesetz, in einem gewissen vorausgesez|e14|tem Sinne, in Absicht auf seine Güte oder Nuzen bezweifelte, würde ich dadurch ein Rebell werden? Und wenn ich so gar in einer Druckschrift, über einzelne Gesetze, Bedenklichkeiten äußerte, und dem Landesherrn einige gründliche Verbesserungen ehrerbietig vorlegte: würde ich dadurch aufhören, ein Unterthan meines Regenten zu seyn? Würde man mir um deswillen schuld geben, daß ich mich vom Staate losgesagt hätte? Oder würde mein Wahrheitliebender König nicht vielmehr diese Vorschläge prüfen lassen, und mich, wenn sie gründlich und dem Lande heilsam wären, dafür belohnen? Also – kann ich ja hundert Religionszweifel haben, auch diese Zweifel, und meine vermeintlich bessern Vorstellungsarten laut anzeigen, – so lange ich Gottes Wort und die Sakramente meiner Kirche beybehalte, und mich nicht selbst, öffentlich, – mit deklarirter Resistenz gegen alle Belehrung, – von ihr lossage, so lange bleibe ich Mitglied meiner Kirche. Und so berufe ich mich nun
  • |e15| b) auch auf den Augenschein – in meinem Glaubensbekenntniß selbst, welcher jeden, der nur sieht, was er sieht, nicht, was er sehn will, zu dem Geständniß nöthigen wird, daß nicht eine Spur von jener Lossagung darinnen zu finden sey – und – wem damit noch nicht genüget, den erinnere ich
  • c) an jene unzählbare Menge von Beyspielen und Vorgängern, welche lange vor mir, ihre Privatmeinungen über einzelne Vorstellungsarten des Kirchensystems, laut genung gesagt haben, ohne deswegen für Abtrünnige erklärt worden zu seyn. Ich bin zwar nicht im Stande, jezt ein vollständiges Register derselben aufzustellen, dazu eine sehr große Bibliothek erfordert würde: und es würde auch dieß für Kenner überflüßig, und für Unwissende nicht hinreichend seyn, weil diese doch die historischen Quellen nicht benutzen können, aus denen man die Untersuchung über die Aechtheit eines solchen Registers ableiten müßte. Allein ich will doch einige der wichtigsten anfüh|e16|ren, deren Untersuchung fast allen meinen Lesern leicht werden wird, und die mir um so mehr zu meiner Absicht hinlänglich scheinen, je gewisser es ist, daß in diesem Falle etliche Beyspiele so viel beweisen als tausend, nämlich: daß deklarirte Abweichungen von den herrschenden Lehrsätzen der Kirche keine Lossagung von der Kirche selbst in sich schliessen. – Hat nicht der Herr Abt Jerusalem in seinen Betrachtungen über die Religion den gewöhnlichen Begrif der Erbsünde, vermöge welchen sie eine concupiscentia habitualis, oder wohl gar eine natürliche Abneigung gegen Gott seyn soll, so wie die gemeine Lehre von ihrer moralischen Zurechnung verlassen? Hat nicht Herr Consistorialrath Steinbart in seinem Lehrbuche der Religion, betitelt, Glückseeligkeitslehre etc. den systematischen Begrif von der Genugthuung Christi so wohl, als die Athanasianische Dreyeinigkeitslehre, nebst andern sonst gewöhnlichen theologischen Vorstellungsarten, eben so wie ich, als unbiblisch verworfen? Hat sich nicht der Herr Oberconstitorialrath |e17|sching über die Endlichkeit der Höllenstrafen ( die auch Origenes glaubte) und andere solche Punkte, an mehr als einem Orte, eben so wie ich erklärt? Hat nicht der Herr Senior Urlsperger in Augspurg, vor kurzem, in seinen Schriften über das Geheimniß des Vaters und Sohnes, die Lehre der Kirche von der Dreyeinigkeit als falsch und unbiblisch vorgestellt, und eine andre vorgeschlagen, die bis jetzt noch kein Mensch völlig verstanden hat, und von welcher ehemals in Göttingen Recensent urtheilte, daß sie sich dem Sabellianismus nähere? Hat nicht Herr Oberconsistorialrath und Probst Teller in Berlin, in seinem Wörterbuche denselben Begrif des Glaubens schon vor mir, und andere damit verwandte Begriffe, als schriftmäßig zu beweisen übernommen – den auch die symbolischen Bücher durch den Ausdruck: fides est obedientia erga Evangelium, zu bestätigen scheinen? Hat nicht Herr Doctor Semler in seiner neusten Schrift gegen die Wolfenbüttlischen Fragmente, über Geist, Wunder, |e18| Auferstehung Jesu , Dreyeinigkeit etc. im Grunde eben solche Gesinnungen geäußert, wie aus meinem Glaubensbekenntniß hervorleuchten? Hat er nicht die Lehre von der Inspiration der Bibel eine neue Theorie genannt, die man erst in spätern Zeiten erfunden hat? Sagt er nicht in dem angeführten Buche Seite 94. ausdrücklich: „Es ist ganz entschieden, ganz ausgemacht, daß eben diese wörtliche Beschreibung – eine Lehre von dreyen verschiednen Personen, in dem einem göttlichen Wesen – gar nicht zu den Grundlehren der christlichen Religion oder des Christenthums gehöre. Ich habe schon (setzt er hinzu) Gerhards Kritik über die Dreyfaltigkeit und Hunnius Anzeige aus dem Epitome credendorum angeführt, der es gerade heraussagt, daß diese Beschreibung, von dreyen Personen gar nicht nöthig ist, für die Christen?“ – Und wie viel rechtschafne Lehrer der Kirche liessen sich anführen, welche wie ich, über Gewissenszwang geklagt, die symbolischen |e19| Bücher den Gewissen für lästig gehalten, und eine ausgebreitetere Toleranz gewünscht haben? Ist aber je ein einziger darüber, wie ich, für einen Abtrünnigen angesehen worden? – Und geschieht es nicht noch jetzt in der englischen Kirche, daß einzelne Lehrer und Bischöfe, gewisse Lehrstücke der 39 Artikel öffentlich bezweifeln, einiges davon für schädlich, irrig, u. s. w. erklären, ja so gar die Abschaffung derselben vorschlagen? ohne daß ihnen irgend jemand dieß als Lossagung von der Kirche anrechnet, oder sie ihres Amts für unfähig erklärt.

3.

Ich bezeuge endlich auch drittens, daß es mir nie in den Sinn gekommen ist, eine eigne Secte zu stiften. – Ich halte ein solches Vorhaben, bey jetziger Verfassung des deutschen Reichs an sich selbst für eben so abgeschmackt |e20| als unmöglich. Hiernächst darf ich mich wohl rühmen, so viel Menschenkenntniß zu besitzen, um einzusehn, daß, gesetzt auch, ich hielte meine Privatmeinungen für die alleinige absolute Wahrheit, dennoch für diese vermeinte Wahrheit, mit einer neuen Secte nichts ausgerichtet seyn würde: weil – so lange Menschen Menschen seyn, wenigstens so lange unter den Menschen der eigne Gebrauch ihrer Seelenkräfte fortdauern wird – auch Verschiedenheit des Glaubens, der Ueberzeugung, und der Vorstellungsarten in der Religion, fortdauern werden. Wozu sollte ich mir also eine neue Secte wünschen? – Nein, wahrhaftig, ich freue mich mit dankbarem Herzen, jedes Schimmers von Licht, dessen mich Gott in meiner Erkenntniß gewürdiget hat, und lebe meines Glaubens so, daß ich dabey das ganze Glück einer beruhigten Ueberzeugung schmecke: aber ich bin so fern von aller Proselytenmacherei, daß ich vielmehr wünsche, es möchten alle spekulativen Gegenstände des Glaubens, allen Menschen, zu eigner For|e21|schung frey gegeben, und gar niemanden eine bestimmte Vorstellungsart jener streitigen Lehrsätze mehr aufgedrungen werden.
Und ich fodere auch bey diesem Punkte alle Unpartheyische auf, mein Glaubensbekenntniß zu prüfen, und, zu untersuchen, ob auch nur die allermindeste Spur des Vorhabens, eine neue Secte zu stiften darinnen zu finden sey.
Eben so öffentlich und freymüthig kann ich mich endlich auch auf die nähern Zuschauer meiner bisherigen Handlungsweise berufen, und von ihnen das Zeugniß erwarten, daß ich nie, auch nur die entfernteste Veranlassung gegeben habe, mir ein so thörigtes Unternehmen zuzutrauen. Ich habe seit meinem |e22| Glaubensbekenntniß nichts geschrieben, welches das Publikum aufmerksam auf mich hätte machen können. Ich habe auch keinem geantwortet, der sich berufen fühlte, gegen mein Glaubensbekenntniß zu schreiben oder meinen Charakter durch boshafte Erdichtungen verdächtig zu machen. Ich habe nicht einmal nach der Zeit mit jemand über mein Glaubensbekenntniß korrespondirt, ohngeachtet häufige Anfragen und Veranlassungen dazu geschehen sind. – Ich habe nie Erlaubniß gesucht, eigentliche theologische Collegia zu lesen. Und ohngeachtet, bald nach meiner Ankunft in Halle, der allerhöchste Befehl an die Universität ergieng, daß man mich nicht hindern solle, den hier studierenden jungen Leuten durch Vorlesungen nützlich zu seyn, so habe ich doch von diesem Recht nicht gleich Gebrauch gemacht, sondern erst auf wiederholtes Anrathen meiner Freunde, und |e23| auf das Bitten vieler hier Studierenden, mich erst im vorigen Herbst dazu entschlossen, ein practisches Collegium über die Beredsamkeit nach den Grundsätzen des Quintilian und eines über die Anfangsgründe der hebräischen Sprache zu lesen; denen ich künftig nichts als kursorische Vorlesungen über die Klassiker der Griechen und Römer hinzufügen werde. – Mit einem Worte, meine ganze Handlungsweise sieht gewiß keinen Anstalten zu Stiftung einer neuen Secte ähnlich.
Ich suche nichts, und habe bisher nichts gesucht, als was ich schon habe, – und wofür ich dem weisen und duldsamen Monarchen, der alle fleissige und nützliche Unterthanen mit gleicher Vaterhuld nährt, und jeden im Stillen seines Glaubens leben läßt, hier öffentlich danke – Schutz |e24| und ruhige Existenz. Wer mir stolzere Wünsche und weitaussehende Absichten zugetrauet, hat mich verkannt.
Carl Friedrich Bahrdt .