|a[165]| |b157| |c157| Evangelium am 12 Sontage nach Trinitatis.
Marci 7, 31–37 verbunden, mit Epheser 5, 20.
In der Gegend der heidnischen Städte,
Tyrus und
Sidon hatte
Jesus an der
cananäischen Frau ein sehr rürendes Exempel eines so demütigen als festen Vertrauens auf
Gottes Uneingeschränkte Macht und Allgemeine Güte, seinen Schülern und der Nachwelt zur Nachahmung aufgestellet.
{vers 24 f.
} Es schickt sich nicht, sagte
Jesus zu
ihr als sie ihn um die Gesundmachung ihrer kranken Tochter bat,
daß man den Kindern das Brodt nehme und es den Hunden gebe. – Ja! versezte sie,
Aber ein mächtiger und gütiger Hausherr hat Reichthum und Güte genug, auch für seine Thiere zu sorgen. – – Christliche Leser! Solche Gemüter giebt es unter den
Heiden! Und diese wolten wir verdammen?
{vers 31. 32.} Nun kehret
Jesus , wie der
Text erzälet, wiederum nach
Galiläa zurück, in die Gegend der
Zehn-Städte. Da bringt man zu ihm, einen Tauben der stumm war, mit Bitte daß er die Hand auf ihn lege. – Denn
Jesus hatte
in diesem volkreichen und blühenden Lande, schon so viele Wunder gethan, daß man von seinem blossen Macht-Wort alles erwartete.
|a166| |b158| |c158| {v.
33} Und Jesus nahm ihn aus der Menge heraus und stellete ihn allein dahin, damit ein jeder desto besser sehen könte was geschahe.
Nun legte er ihm die Finger in die Ohren, und benezete seine Zunge mit Speichel. Diese Handlungen konten, wie jeder siehet, nicht das allergeringste dazu thun diesen Elenden zu seinem Gehör und Sprache zu verhelfen. Aber sie dieneten dazu; – die Zuschauer aufmerksam zu machen, und zu
überfüren, daß kein natürliches Mittel, keine Hülfe böser Geister, sondern lediglich das
Macht-Wort Jesu den Unglücklichen gesund gemacht. – Zugleich ist hieraus klar, daß dieser Mensch
nicht etwa bloß stotterte, oder sonst einen Fehler an der Sprache hatte; sondern
gänzlich Stumm, oder wie es
v.
37 heißt,
Sprachlos war. Denn
Jesus leget ihm die Finger in die
Ohren, zu
zeigen daß er ihm das gänzlich fehlende Gehör geben wolle. Und gleicherweise benezet er auch seine
Zunge, zu
zeigen daß er ihm die gänzlich fehlende Sprache geben werde.
{v.
34. 35} Jezt sahe er gen Himmel hinauf; Seufzete; und – Sprach, Hephatha! (das heißt im
hebräischen,
Sey eröfnet!) – Und
alsbald wurden seine Ohren geöfnet, und das Band seiner Zunge ward gelöset, und er sprach fertig und vollkommen verständlich wie andre Menschen. Bemerket hier den Wohlstand, die Würde womit
Jesus dieses Wunder verrichtet! Keine geheimnisvolle Handlungen, räthselhafte Aussprüche,
affectirte Geberden, und änliche Gaukeleien
sehen wir da. – Er
Seufzet|a167| zu
Gott. Thut den Macht-
|b159||c159|Spruch,
Sey eröfnet! Und – augenblicklich
höret und
spricht der
Taube und
Stumme!
{v.
36.} Jesus aber verboth diese Geschichte weiter zu erzälen: um Unnüzes Aufsehen, Fruchtloses Bewundern und Rümen, vornehmlich aber, um
Aufrur zu verhüten. Denn dieses
irdisch gesinnte Volk war nur gar zu geneigt Partheien zu stiften, und
unter allerlei eitlen Hofnungen sich gegen seine damahlige Obern, die
Römer zu empören.
{v.
36. 37.} Je mehr er aber verboth, desto mehr breiteten sie es aus, und verwunderten sich über alle Maasse und sprachen,
Er macht alles wohl; denn die Tauben macht er hören und die Sprachlosen reden. Nur das
Wundervolle bei dieser That, zwang dem in Unwissenheit auferzogenen Volk ein solches rümliches Bekentniß ab. Bloß an diese
Wohlthat die sie vor Augen
sehen geheftet, und durch das
Wundervolle dabei in Erstaunen
gesezt brechen sie in das feurige, aber auch sehr bald wiederum vergessene Bekentniß aus, –
Er Macht alles Wohl!
Wir aber, christliche Leser! wir wissen es, belehrt durch unsre Religion, daß
Gottes Macht und Güte,
eben so, ja
noch mehr Groß ist in den
alltäglichen Dingen, als in den
Wundern. Eben so groß, ja noch grösser in dem
Regelmässigen Lauf der Flüsse und Seen, als in jener
|a168| {2 Buch Mose 14} wundertätigen Austrocknung des rothen Meers und
{Josua 3} des
Jordans. Eben so groß, ja noch grös
|b160||c160|ser in dem täglichen Auf- und Untergange der Sonne, als in jener
{Matth. 27, 45. Lucä 23, 44. } wundervollen Verfinsterung derselben. In dem järlichen Wachsthum des Korns, der Feld- und Garten-Früchte; als in jener
{Johannis 6} wundertätigen Speisung. Eben so groß, ja noch grösser in dem
täglichen Gebrauch unsrer Ohren und Zunge, als in dieser wundervollen Gesundmachung des Tauben und Stummen. Denn, alles dieses was wir in der Natur, täglich an und um uns sehen, ist ein
eben so grosser Beweiß der
Allmacht Gottes; aber auch zugleich, ein
weit grösserer Beweiß seiner
Allweisheit, als die erstaunlichsten Wunderthaten.
{Psalm 19, 1–5} Die Himmel erzälen die Ehre Gottes, und das Himmel-Gewölbe seine Macht. Ein Tag sagt es dem andern; und eine Nacht thut es kund der andern. Ihre Sprache ist allen Völkern bekandt; und ihre Predigt verstehet die ganze Welt. (Das Daseyn und die Eigenschaften
Gottes zeigen sich so deutlich in den Werken der Natur, daß auch der Einfältige, auch der
Wilde und das Kind sie bemerken
muß.) – So dürfen wir denn nicht erst Wunder
erwarten um in die Lobpreisung unsers
Gottes,
Er macht alles wohl! mit einzustimmen. Alles was an und um uns ist, fordert uns dazu, fordert uns täglich, und stündlich dazu auf.
{Epheser 5, 20} „Saget Dank
Allezeit, und
Für alles,
Gott unserm
Vater,
durch den Herren Jesum Christum !“
|a169| |b161| |c161| Mit unsern Umständen in der Welt, auch den mässigsten, zufrieden seyn, ist eine wichtige Tugend. Bei herben schweren Leiden Geduld üben, ist schon viel wichtiger. Aber einen noch weit höheren Rang in dem Chor der Tugend hat die Gesinnung, die Fertigkeit die uns Paulus empfiehlet, Gott Allezeit und Für alles zu danken. – Allezeit sollen wir Gott danken: diese Dankbahrkeit gegen unsern Schöpfer uns zur herrschenden Neigung, zur andern Natur machen. Ihm Für alles was uns Freude bringt; auch für unsre Beschwerden und Leiden Ihm danken. Und ihm für das alles danken, durch Jesum Christum . Dies ist die Gesinnung, welche den höchsten Adel und die höchste Seligkeit der menschlichen Natur ausmachet.
Gott danken, dies muß bei uns, die regierende Neigung der Seele, die Neigung werden, woraus alle unsre Begierden fliessen. Denn und wenn, etwa alle Sontage, oder bei ganz ausserordentlichen Freuden die uns den Dank gleichsam abdringen, Gott preisen, wer wird das schon ein dankbahres Gemüt nennen? Empfindungen des Danks, die auch wohl tief rüren und Thränen auspressen, aber alsbald gleich einem Dampf verrauchen; feurige Lobgesänge und Gebete die gleich einem Strohm stark daher-rauschen, aber auch eben so geschwind vorbei-rauschen: das sind Aufwallungen des Temperaments, bloß natürliche Triebe; nicht aber Dankbahrkeit, und Tugend. In festgesezte, herrschende Gesinnungen, müssen die Empfindungen der Wohl|a170|tätigkeit Gottes bei uns übergehen. Sie müssen uns so geläufig werden daß sie täglich, ja |b162| |c162| stündlich, daß sie ofte und leicht, und bei jeder Gelegenheit sich in uns regen. Und so kräftig müssen sie bei uns werden, daß sie sich in allen unsern Begierden und Handlungen zeigen, uns immer mehr nach Gottes Muster und Gesezen bilden; und auf diese Art – unser ganzes Denken, Reden, und Thun, zu lauter Ruhm und Preiß der Güte unsers Gottes machen.
Täglich und immer also, auch nicht bloß mit dem Munde, sondern mit unserm ganzen Herzen und Leben müssen wir Gott danken. Denn, nennet einen Tag, ja nur einen Augenblick, wo wir keine Wohlthaten von Gott empfangen! Seine Gunstbezeugungen umringen uns gleichsam allenthalben. Beim Schlafengehen und Erwachen; beim Sizen und Aufstehen; in der Einsamkeit und Gesellschaft; an jedem Tage, zu jeder Stunde, mit jedem Athemzuge geniessen wir neue Beweise seiner Wohltätigen, Uns und Alles Beglückenden Liebe.
Ihm müssen wir denn allenthalben, und darum
auch ferner,
{Epheser 5,}Für alles danken was uns Freude macht.
Paulus redet in der
angeführten Stelle, von dem christlichen Verhalten bei unsern frohen Gesellschaften, in dem angenehmen Umgange mit unsern
Bekanten und Freunden. Da nun giebt er uns diesen Befehl,
{vers 18–20} Füllet euch nicht mit Wein. Füllet euch aber mit Andacht. Und ermuntert euch unter einander|a171| mit Lob-Gesängen und geistlichen Liedern. Singet und spielet dem Herren mit Inbrunst des Herzens, und danket allezeit für alles, Gott und dem Vater, durch unsern Herrn Jesum Christum .
|b163| |c163| Alles das, was uns Freude macht, von wem kömt es? von wem anders, als
von Gott? Die Sicherheit vor so viel tausend Gefahren und Unglücks-Fällen, worin wir so einen Tag nach dem andern fortleben. Der Gebrauch unsrer Augen, Ohren, wie der übrigen Sinne, und der Sprache: die tausend,
tausenfachen Annehmlichkeiten und Freuden, die durch einen jeden unsrer Sinne täglich in die Seele fliessen. Der Gebrauch unsrer Vernunft; alle die höheren, reinen,
erquikkenden Freuden, welche sie uns durch jeden Zuwachs unsrer Kentnisse, jede Ausbesserung unsrer
Seelen-kräfte verschaffet. Der Umgang mit unsern Ehegatten, Eltern, Kindern, Verwandten, Freunden. Die weise und gütige Obrigkeit unter der wir leben, welche unser Vermögen, Gemächlichkeit, Freiheit und Wohlstand sichert. Der tägliche freie Gebrauch der Bibel, und der tausendfache Trost, Aufheiterung, Freude, himmlische Freude die er uns verschaft. Die herzlabenden
Hofnungen der seeligen Ewigkeit. Selbst unser Vermögen froh zu seyn. – Wem haben wir das alles zu verdanken, als
Gott? Ihm
{Jacobi 1, 17} dem Vater alles Glücks, von welchem jede Gute und frohe Gabe herabkomt.
|a172| Doch! hier wird selbst unser Herz, und die in unsre Seele tief
gelegte Triebe der Dankbahrkeit sprechen.
Aber –
auch für unsre Beschwerden und Leiden Gott danken, solte das nicht übertrieben seyn? – Bibel und Erfahrung lehren uns, daß unsre Leiden immer mit vielen andern Wohlthaten verbunden; ja, wenn wir es nur nicht hindern, selbst diese Leiden, für uns
Wohlthat
sind. Auch die Leiden
des Aller
|b164||c164|geplagtesten werden auf so mancherlei Art
erleichtert. Daß sie nicht früher
angefangen, daß sie nicht noch öfter uns
befallen, daß sie nicht noch weit schwerer sind: das
c√ ist ja kein Ohngefär, sondern Anordnung der gütigen Vorsicht
Gottes. Auf so mancherlei Art werden sie uns
versüsset. Die Pflege bei unsrer
Krankheit: die Gesundheit bei
unsrer Armuth; die häusliche Ruhe, der glückliche Fortgang, der süsse Schlaf bei unsern sauren Arbeiten; und das so mannigfaltige frohe Gute, womit immer, auch das schwereste Leiden vergesellschaftet ist, sind ja Gaben der
Vaterhand die unsre Leiden regieret. Ja!
selbst unsre Leiden, wenn wir es nur nicht hindern,
sind für uns wahre Wohlthat. Denn, nicht selten ziehen sie uns von thörigten Unternehmungen zurück, die uns auch im Zeitlichen, ins Unglück würden gestürzet haben. Ofte entreissen sie uns fürchterlichen und unüberwindlichen Versuchungen zur Schwelgerei, Lieblosigkeit, Stolz, Unzucht und andern Sünden, die uns das lachende Glück bereitete. Immer aber üben sie uns in der Tugend; sie befestigen und vermehren unsre
tugendhafte Gesinnungen, geben uns Gelegenheit und Antrieb vorzügliche edle Tu
|a173|gend-Thaten auszurichten. – Der Sünde entreissen
sie uns, die unsre einzige und äusserste Schande und Unglück; zur Tugend füren sie uns, die unsre einzige und höchste Ehre und Glückseligkeit ist.
Es verrät immer eine geringe Kentniß oder Stärke im Christenthum, dieser göttlichen Weisheit, wenn wir für das Irrdische so ängstlich besorgt sind, und über die Beschwerden und Leiden in solche mürrische, peinliche Klagen ausbrechen.
|b165| |c165|
Die Theurung
z. E.
welche vor kurzer Zeit viele Länder bedrückte, wie viel Gutes hat sie uns nicht gestiftet? Und wie viel mehr hätte sie, wenn wir sie recht gebraucht, stiften können? So manche
Hände die sonst für die menschliche Gesellschaft todt waren, sind nun geschäftig geworden. So mancher ist dadurch von der Unordnung, Schwelgerei, Verschwendung zurücke gezogen, und zur Sparsamkeit gewönet, die vielleicht noch seinen Kindeskindern zu gute kommen wird. Verträglichkeit, Gefälligkeit, Dienstfertigkeit, Ehrfurcht gegen
Gott, Begierde nach
seiner Gnade, Liebe zu
seinem Wort, wohnen nun in mancher Seele der sie sonst ganz Fremde waren. Wolten wir wohl behaupten, daß alle Güter der ganzen Welt, auch nur so viel werth seyn als diese Wohlthaten?
So fordern denn auch die
Leiden unsern Dank,
c√ den herzlichsten Dank!
Wir verdanken es ja unsern Eltern, daß sie uns gezüchtiget. Wir lieben den Arzt und danken ihm, der uns bittre und schmerzliche aber heilsame Arzeneien und
Curen|a174| verordnet. Ferne sey es denn von uns, daß wir die bittren, aber ewig heilsamen Arzeneien, welche uns die Hand des Allweisen Arztes reicht, ungerürt, oder gar mit Murren übernehmen solten! Auch hier wollen wir uns versichert halten, daß
Gott Alles wohl macht, indem diese
Trübsahl, {Hebräer 12, 5. 6.} ob sie gleich jezo traurig ist, uns am Ende die
Seeligsten Früchte der Tugend schaffet. Auch hier wollen wir zum Preise unsers
Allweisen und
Allgütigen Vaters mit dankvollem Herzen sagen,
{Psalm 119, 67. 72.} Ich danke dir, o Gott, daß du mich züchtigest, denn nun lerne ich deine Gebothe halten.
|b166| |c166| Aber danken müssen wir Gott auch endlich, durch Jesum Christum . „Saget Dank - - durch unsern Herrn Jesum Christum .“ – Durch Jesum Christum , das heißt, aus Glauben an sein Verdienst, und Gehorsam gegen seine Lehre und Exempel. Ihm allein sind wir es schuldig, daß wir zu dem Allerheiligsten und Gerechtesten mit kindlichem Vertrauen hinaufsehen; von Ihm, bei redlicher Besserung, die Vergebung aller unsrer vorigen Sünden, und die väterliche Nachsicht bei allen noch fortwärenden Schwachheiten erwarten; Ihn den Allmächtigen, unsern Freund und Vater nennen dürfen. Ohne das Verdienst Jesu müste die Furcht vor der strafenden Gerechtigkeit Gottes, oder doch wenigstens die Verlegenheit, die Ungewisheit in Absicht seines Beifalls, alle unsre Freuden auch im zeitlichen vergällen. Nun aber, durch Jesum Christum versönt und belehrt, dürfen wir bei einem tugendreichen Glauben an sein Verdienst, alles |a175| was uns Freude macht, so wie jedes Leiden, als Unterpfänder der Vaterliebe des Allmächtigen betrachten. Durch diese Ueberzeugung und Empfindung, durch diesen Glauben gerürt und belebt Gott für alles danken, das heißt, Ihm durch Jesum Christum danken.
Unser Erlöser hat uns auch
Vorschriften und
Exempel gegeben, wie, auf welche Art wir
Gott für alles
danken sollen? Nicht in blossen flüchtigen Regungen des
Herzens und Lobpreisungen des Mundes soll unser Dank bestehen. Danken sollen wir
Gott, mit unserm
Herzen, Munde und
ganzem Wandel. Da muß unsre
Seele durch die Erinnerung der unaussprechlichen Liebe
|b167| |c167| Gottes, immer mehr mit der allertiefsten Ehrfurcht und Anbetung
seiner Majestät, und der innigsten Gegen-Liebe angefüllet werden. Unser
Mund muß
in der Einsamkeit, tägliche Lob-Gebete
Gott darbringen; und in dem Umgange mit andern, bei jeder schicklichen Gelegenheit
Gottes Güte erheben, und gleiche dankvolle Gesinnungen andern einzuflössen suchen. Unser ganze
Wandel muß
immermehr ein Abdruck des Musters und Gesezes unsers
Wohlthäters,
vornehmlich Seiner Allgemeinen und Grosmütigen Menschen-Liebe werden. Eine solche Menschen-Liebe hat
Gott, zu einem neuen Beweise der unaussprechlichen Grösse
Seiner Güte, so ofte für den
ihm wohlgefälligsten Dank, ja gar für eine Erwiederung
seiner Wohlthaten erkläret. In
{1 Johannis 4, 20. 21. Matth. 5, 45.} jedem der ein Mensch ist, Gott Selbst lieben; So wie Gott, nur im Vergnügen und Wohlthun|a176| unsre Ehre und Freude suchen: Dies, Christen! ist der
beste Gott gefälligste Dank; – der
rechte Dank durch Jesum Christum !
Diese edle, erfreuliche, seelige Gemüts Art wird uns immer leichter und gewohnter, immer mehr zur Fertigkeit werden, wenn wir es uns nur einen rechten Ernst darum seyn lassen, und folgende Mittel zu ihrer Uebung treulich gebrauchen.
Vor allen Dingen müssen wir zu diesem Ende,
Gott, und
Uns selbst, recht kennen lernen. Es unsrer Seele immer klärer, gewisser und geläufiger machen, daß
Gott, unser
Allerhöchster Liebreichster Grosmütigster und Freundlichster Wohltäter ist. Unser
Allerhöchste Wohltäter; der über uns unendlich weit erhaben, und
|b168| |c168| nicht die geringste Verpflichtung hat uns wohlzuthun. Unser
Liebreichste, ja unser
Einzige Wohltäter dem wir alles schuldig sind, was wir sind und haben. Der
Grosmütigste Wohltäter: der nicht einen Schatten von Vortheil bei
seinem Wohlthun
hat, nur darum
wohlthut um uns vergnügt und glücklich zu wissen. Unser
Allerfreundlichste Wohltäter, der uns mit solcher unaussprechlichen Herablassung und Gefällig
|a177|keit
wohlthut: uns giebt auch ohne unser Bitten: stets in jedem Augenblick ein geneigtes Gehör ertheilet: und für
seine unermesliche Wohlthaten keine sauren
Dienste, nichts fordert als
daß wir uns über
Ihn als
unsern Gott freuen, und
seine wohltätige Geseze aus Liebe und mit Vergnügen thun sollen. So müssen wir
Gott; und
denn auch
Uns Selbst recht kennen lernen. Wissen und bedenken, daß wir als Geschöpfe
Gottes, von
ihm gar nichts verdienen können, und
immer zufrieden und dankbahr seyn müsten, wenn unser Leben im Ganzen nur erträglich wäre. Insbesondere es lebhaft empfinden, daß wir
Sünder sind, die nichts als Strafe verdienen.
Um Gott stets und recht zu
danken müssen wir ferner,
unsern
himmlischen Sinn immer mehr stärken. Uns die grosse, christliche Weisheit immer bekanter und geläufiger machen, daß wir in
Gott und
Seiner Gnade, allein Alles haben, daß alles was uns
besser macht uns auch unfehlbahr
glücklich macht; daß nichts als ein durch Tugend wirksamer Glaube an
Jesum , unser Glück, hingegen nichts als die
Sünde, unser Unglück ist. Und
denn durch öftere, tägliche Betrachtung über diese grosse Wahrheiten, uns immer mehr in den
|a178| Sinn versezen, wo wir mit Zu
|b169||c169|stimmung unsers ganzen Herzens sagen können,
{Psalm 73, 23–25} Herr! wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. – Eine solche
Gemüts Art wird besonders unsre Beschwerden und Leiden uns als Wohlthaten zeigen, und die erhabenste Art des Danks,
den Dank für die Leiden, bei uns befördern.
Wollen wir stets dankbahr gegen Gott seyn, so müssen wir nothwendig Seine Wohlthaten recht kennen. Dies aber werden wir nie, woferne wir nicht in einer täglichen Bemerkung seiner Gunstbezeugung leben. Alle Tage müssen wir über Gottes Wohlthaten Rechnung halten. An jedem Morgen, und jedem Abende, und in dem Laufe des Tages ofte, zu uns sagen: „Abermahls hat mich Gott so gnädig geschüzet! Abermahls mir mein Gesicht, Gehör, Sprache, Vernunft geschenket! Abermahls meine Geschäfte gesegnet! Meine Leiden gemässiget! Mir diese neue Freude gegeben! So ist denn abermahls, die Sünde für mich noch schändlicher und strafbahrer, und meine Verpflichtung Gott durch redliche Tugend zu dienen noch grösser geworden!“
|a179| Insbesondere müssen wir
Gottes Wohlthaten unter gewisse Artikel bringen, und alsdenn,
über einen jeden, einzeln nachdenken. Ein
Kaufman der eine sehr ausgebreitete Handlung
füret und wohl hundert Arten von Einnahme und Ausgabe hat, bringet sich alles unter gewisse Artikel, um es erst einzeln zu betrachten, und sodenn im Ganzen ohne Verwirrung übersehen zu können. Gerade so müssen wir es auch bei
Gottes Wohlthaten machen. Sie unter gewisse
Classen ordnen; Wohlthaten an unserm Leibe, an der Seele, im Irrdischen, im
|b170| |c170| Geistlichen
u. s. f.
Und nach einer solchen Berechnung, über jeden einzelnen Artikel nachdenken. Da werden wir
sicherlich über
die Menge und Grösse der Wohlthaten
Gottes erstaunen.
Noch eine sehr heilsame Uebung! Wir müssen, nämlich, uns immer mehr zur Dankbahrkeit gegen unsre Neben Menschen gewönen. Auch an dem Geringsten, auch an unsern Untergebenen und Bedienten ihre Dienste und Hülfleistung schäzen. Jede, auch die kleinste Gefälligkeit, Höflichkeit und Dienstleistung, ja jeden guten Willen anderer gegen uns, bemerken, und ihnen auf eine oder die andere Art unsre Dankbahr|a180|keit dafür bezeugen. Dies wird unsrer Seele einen Hang, eine Fertigkeit dankbahr zu seyn geben. Und um so viel mehr, uns gegen unsern Unendlichen Wohltäter fülbar machen.
So wohl es indessen, uns hier immer gehen mag: so ist doch das alles nur
der kleinste Anfang unsers rechten Glücks dort in unserm Vaterlande.
Hierauf müssen denn unsre Augen mit
unverwanten Blicken geheftet seyn! Dies
wird bei allen Beschwerden und
Mühseeligkeiten dieses
Vorbereitungs Standes, uns kräftig trösten und aufheitern.
Bei unsern Freuden uns vor der Vereitelung bewahren und zu
{1 Cor. 3, 22.} Herren der Welt machen.
Dies wird uns in die seelige Verfassung sezen, wo wir dieses irrdische Leben, als ein Geschenk unsers
allmächtigen Vaters lieben, aber jenes himmlische als das
Rechte Leben noch unendlich mehr lieben, und mit Sehnsucht nach dem
Tage des Todes, als unserm Ehren- und
Freuden Tage aussehen.