|a[29]| |b26| |c26|Evangelium am 3 Sontage nach Trinitatis.
Lucä 15, vers 1−11. verbunden
mit vers 12−
Ende.
Das Christenthum will aus seinen Anhängern nicht Philosophen machen die Systeme ausspinnen; nicht Schwärmer die Gesichter sehen; sondern − Gute Menschen! welche die menschliche Gesellschaft, und hiemit auch sich selbst, auf alle Weise beglücken − Freunde Gottes und Wohltäter des menschlichen Geschlechts! Darum beschäftiget es sich, nicht mit raren Fällen aus andern Welten, nicht mit glänzenden Disputationen; sondern mit Anordnung des häuslichen, alltäglichen Lebens: es leitet die Religion, Furcht und Liebe Gottes, in das Cabinet des Fürsten, die Arbeits-Zimmer des Kaufmanns und Gelehrten, die Werkstäte des Handwerks-Manns, die Hütte des Tagelöners.
|a30| Hier sehen wir Jesum in Gesellschaft, an der Tafel der Zolleinnehmer, welche für die Römer die Abgaben eintrieben; auch ofte Betrüger, Unterdrücker, c√ Lasterhafte waren. Die Juden verachteten und haßten sie deswegen aufs äusserste; Zöllner, und Bösewicht war bey ihnen einerlei. {vers 1} Diese Zolleinnehmer, und |b27| |c27| Sünder, (Bösewichter) naheten sich Jesu , (suchten seine Bekandschaft, seinen Umgang) daß sie ihn höreten. (seine Lehre, und Unterricht anzuhören). Und Jesus erfüllete ihr Gesuch, da es ihm Anlaß gab, sie durch Lehre und Beispiele zu bessern. − {vers 2} Die Pharisäer (eine Secte, die den Ruhm der Heiligen durch allerlei Fasten, Waschen und andere körperliche Handlungen zu erschleichen suchte,) und Schriftgelehrten, (Leute welche sich mit Auslegung des Gesezes Gottes beschäftigten) also die Gözen des Volks, die vermeinten grossen Kenner des göttlichen Gesezes, murreten und sprachen, dieser nimt die Sünder an und isset mit ihnen. (ist ein Freund der Bösewichter, und gehet bei ihnen zu Gaste) − So ward die Weisheit von den Thoren verdamt! Freilich würde das Jesus nicht gethan haben, wenn er Menschen die durch allerlei glänzende Systeme und Prahlereien Aufsehen machen, wenn er Pharisäer und Gesezgelehrte hätte ziehen wollen! − Dies war die Veranlassung zu der {vers 3−Ende des Kapitels} Rede Jesu , welche eines der schönsten und wichtigsten Stücke der Bibel ist, und die prächtigste erhabenste Beschreibung von der Gottheit macht.
|a31| Er beschreibet Gottes väterliche Gesinnung, gegen alles was Mensch ist, unter den so schönen, als rürenden Bildern,
eines Hirten der sein
Schaaf, einer Frau, die ihren verlohrnen Groschen
sucht, und
eines Vaters der seinen sich bessernden Sohn mit Freuden aufnimt.
{vers 3−7} Er sagte aber zu ihnen dies Gleich|b28||c28|niß, und sprach. Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schaafe hat, und so er der Eines verleuret; der nicht lasse die neun und neunzig in der Wüsten.
(das griechische Wort bedeutet nicht bloß
Wüste, eine ganz unfruchtbahre, nur von wilden Thieren bewohnte Gegend; sondern auch
Weide; eine Gegend die nicht von Menschen bewohnet wird, weil sie bequem
zur
Viehweide ist. 1
Buch Mos. 21, 20. 21. 2
Buch Mos. 3, 1. 5. 6. Neun und neunzig Schaafe in der
Wüste lassen; das hiesse, sie alle Preis
geben um Eines
wiederzufinden. Aber er ließ sie auf der
Weide; also in völliger Sicherheit und
Wohlstande.) Und wenn ers funden hat, so leget ers auf seine Achseln mit Freuden. Und wenn er heim kommt, rufet er seinen Freunden und Nachbarn, und spricht zu ihnen: Freuet euch mit mir, denn ich habe mein Schaaf funden, das verloren war. Ich sage euch: Also wird auch Freude im Himmel seyn über einen Sünder, der Busse thut, vor neun und neunzig Gerechten, die der Busse nicht bedürfen. v.
3−7. −
Gerechte, (besser,
Tugendhafte) sind hier
eingebildete tugendhafte, Menschen die, wie die
|a32| stolzen, heuchlerischen Pharisäer, von der unwissenden betrogenen Welt, für tugendhafte gehalten werden; auch sich selbst es einbilden. Denn, diese Rede
Jesu ist eine Antwort an die Pharisäer, auf
ihre Schmähung,
vers 1. 2. „Im Himmel, sagt also
Jesus zu diesen Heuchlern, ist mehr Freude über einen solchen von euch verachteten, sich bessernden Zöll
|b29||c29|ner; als über neun und neunzig
solche stolze, heuchlerisch-tugendhafte, dergleichen ihr seyd.“
{vers 8−10} Oder welch Weib ist, die zehen Groschen hat, so sie der einen verleuret: die nicht ein Licht anzünde, und kehre das Haus, und suche mit Fleiß, bis daß sie ihn finde. Und wenn sie ihn funden hat, rufet sie ihren Freundinnen und Nachbarinnen, und spricht; freuet euch mit mir, denn ich habe meinen Groschen funden, den ich verloren hatte. Also auch sage ich euch, wird Freude seyn vor (bei)
den Engeln Gottes, über einen Sünder der Busse thut (der sich
bessert) −
Bei den Engeln
Gottes? und
c√ Seeligen im Himmel?
vers 7. Wissen denn diese, was auf der Erde vorgehet? − Warum nicht? Gott kan es ihnen ja kund machen; die Geister können in einer uns ganz unbekanten Verbindung stehen; und tausend andere Wege sind
möglich dieses zu ihrer Wissenschaft zu bringen. − − Aber, so kan man sie ja
anbeten! − Aber wissen sie denn
alles, was unter uns vorgeht? Und wo hat uns
Gott an ihre Fürsprache gewiesen?
Er will ja vielmehr ausdrücklich,
daß wir uns
unmittelbahr an
Ihn wenden sollen. Matth. 4, 10.
|a33| {vers 11−Ende des Capitels.} Und er sprach (Ferner sprach
er) Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngste sprach zum Vater. Gib mir, Vater, das Theil der Güter das mir gehöret. (vermuthlich
wollte er damit einen Handel
anfangen) Und der Vater theilete −
Und nicht lange darnach samlete der jüngste Sohn alles zusammen
, und zog ferne über Land: daselbst brachte er sein Gut durch mit Prassen. (durch Schwelgen und Unzucht v.
30.) Da er nun alle das seine verzehret hatte: ward eine grosse Theurung durch dasselbige ganze Land, und er fing an zu darben. Und ging hin, und hengete sich an einen Bürger (genauer, er vermiethete sich, er gieng in Dienst)
desselbigen Landes, der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. (dies zeigt, wie groß seine Noth war. Denn die Juden hatten,
wie auch noch, einen Abscheu
für den
Schweinen) Und er begehrete seinen Bauch zu füllen mit Trebern, (genauer,
Hülsen von Bohnen oder
Erbsen); und niemand gab sie ihm. Da schlug er in sich, (da kam er zum Besinnen; zu sich selbst. Das Lasterleben hatte ihn ausser sich gesezt: die Noth fürte ihn in sich selbst
zurück) und sprach: wie viel Taglöhner hat mein Vater, die Brodt die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger (sterbe
Hungers.) Ich will mich aufmachen, und zu meinem Vater gehen, und zu ihm sagen:
Vater, ich habe gesündiget in den Himmel, und vor dir. (habe mich an
Gott, und dir
versündigt) Ich bin fort nicht werth, daß ich dein Sohn heisse; mache mich als|a34| einen deiner Taglöhner. Und er machte sich auf, und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war: sahe ihn sein Vater, und jammerte|b31| |c31| ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals, und küssete ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündiget in den Himmel und vor dir; ich bin fort nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heisse. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: bringet das beste Kleid hervor, und thut ihn an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand, und Schuh an seine Füsse; und bringet ein gemästet Kalb her, und schlachtets, lasset uns essen und frölich seyn; denn dieser mein Sohn war todt, und ist wieder lebendig worden; er war verloren, und ist funden worden.
Und fingen an frölich zu seyn (genauer, und man gieng zur
Tafel)[.] Aber der älteste Sohn war auf dem Felde; und als er nahe zum Hause kam, hörete er das Gesänge und den Reigen; und rief zu sich der Knechte einen, und fragte, was das wäre? Der aber sagte ihm: dein Bruder ist kommen; und dein Vater hat ein gemästet Kalb geschlachtet, daß er ihn gesund wieder hat. Da ward er zornig, und wolte nicht hinein gehen. Da ging sein Vater heraus, und bat ihn. Er antwortete aber, und sprach zum Vater: siehe, so viel Jahr diene ich dir, und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden frölich wäre; Nun|a35| aber dieser dein Sohn kommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemästet Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: mein|b32| |c32| Sohn, du bist allezeit bey mir; und alles, was mein ist, das ist dein; du soltest aber frölich und gutes Muthes seyn; (du hättest aber frölich zur Tafel kommen
sollen) denn dieser dein Bruder war todt, und ist wieder lebendig worden; er war verloren, und ist wieder funden.
Kan etwas rürender seyn als dieses Bild von Gott! diese Beschreibung seiner Liebe zu den Menschen! Innigst wünschet er das Glück jedes Menschen. Mit unaussprechlicher Langmuth trägt er ihre Sünden, ihre Bosheiten. Mit unermüdeter Treue arbeitet er an ihrer Besserung; er braucht alle nur ersinliche Mittel, mit aller nur ersinlichen Geduld, um den Sünder zu bessern, und dadurch zu beglücken. Mit unermeslicher Gnade vergiebt er dem sich bessernden Sünder, alle seine vorigen, noch so grobe und noch so zahlreiche Sünden. Und mit einer Zärtlichkeit die alle Vorstellung übersteiget, freuet er sich wenn nun dem also gebesserten Menschen für Zeit und Ewigkeit wohl ist. − Gleich einem Hirten, welcher dem verirreten Schaafe nachgehet, es allenthalben sucht, nicht eher aufhöret als bis er es gefunden; und wenn er es gefunden, es froh auf seine Achseln legt, und zur Heerde trägt, und nun seine Freunde herbeiruft sich mit ihm zu freuen! − Gleich einer Frau die ein Geldstück verlohren woran ihr viel gelegen. Sie zündet ein Licht an, durchschauet jeden Winkel des Hauses, und sucht; |a36| und ruhet nicht eher als bis sie es gefunden. Nun rufet sie ihre Freundin|b33||c33|nen und Nachbarinnen sich mit ihr zu freuen! − − Gleich einem zärtlichen Vater, welcher seinem sich bessernden Sohn, entgegen eilet; − ihn in seine Arme schließt; ins Hauß zurück füret, − und nun Freuden-Feste anstellet, weil dieser sein Sohn todt war und wieder lebendig geworden, verlohren war und wieder gefunden worden! − − − Ihr liebreiche Väter! Ihr Mütter die ihr lauter Zärtlichkeit gegen euer einziges, hofnungsvolles Kind seyd! Gestehet hier, daß das alles nichts ist gegen − die Liebe unsers Gottes!
Kan etwas
majestätischer, anbetungswürdiger seyn, als
diese Beschreibung der Liebe
Gottes! Seine Liebe ist unermeslich, ganz unermeslich. Aber immer unzertrenlich gepaart mit Weisheit. Eine
weise Liebe. „Er sucht den Sünder, um ihn zu
bessern. Er freuet sich über sein Glück[“],
aber nur alsdenn wenn er sich bessert.
vers 7. 10.
vers 17−21. 24. Wäre
Gott eben so gegen den Lasterhaften gesinnet als gegen den Tugendhaften; wäre
ihm jener eben so viel werth als dieser; beglückte
er jenen wie diesen: so würde das keine Liebe sondern
blinder Trieb, thierischer Affect seyn; wie die Zärtlichkeit eines Thieres gegen seine Jungen, welches keinen Unterschied zu machen weiß. So würde das keine
Menschen-Liebe seyn, sondern
Laster-Liebe; Härte und Grausamkeit! − So müste uns seine Liebe
verächtlich seyn und
abscheulich: wie die Zärtlichkeit einer unverständigen
Mutter die blind
|a37| ist gegen alle Thorheiten und Laster ihres
Kindes, oder
c√ die Zärtlichkeit eines Richters, der den Betrüger, Räuber und
|b34| |c34| Mörder in Freiheit sezet, und dadurch hundert würdige Menschen seinen Betrügereien und Grausamkeiten Preis giebt! − − − Wenn denn nun, Menschen sich einbilden,
Gott strafe nicht weil
er gütig
ist,
es sey keine Hölle, weil
Gott die Liebe
ist, er lasse
sich durch Seufzer und Thränen erweichen den Sünder bei allem fortwärenden
Sünden Leben zu beglücken, oder nach einem schändlichen, Gemein-schädlichen Leben von zwanzig, funfzig Jahren in den Himmel zu nehmen; wenn sie
seine Straf-Gerechtigkeit durch
seine Liebe tödten: so heben sie in der That die Liebe, bei
Gott auf; so verwandeln sie
seine Liebe in blinden, thierischen Trieb, und Laster-Liebe; so machen sie
Gott − zu einem Unweisen, Ungerechten, zu einem Tyrannen und Grausahmen! − − Entsezliche Gotteslästerung! Entsezlicher als die Gottesverleugnung des gröbsten Atheisten!
Unser Heiland gieng mit den Zolleinnehmern um, sie zu bessern. Und sein Betragen zu rechtfertigen, stellet er
Gottes Verfahren gegen die Sünder vor.
Gott wünschet die Besserung und das Glück der Sünder. Unermüdet suchet
er sie. Und wenn sie sich bessern; so nimt
er sie zu
seiner Liebe auf; so ist Freude im Himmel, bei
Gott und
seinen Engeln. − Getrost denn, ihr reuvolle, die ihr eure Sünden betrauert, sie verabscheuet, und zur Besserung redlich zurücke
keh|a38|ret. Getrost, kein Sünder, und wären seine Sünden noch so schwer und zahlreich darf verzagen. Immer stehet ihm der Weg zu
Gott und
seiner Vaterliebe offen,
wenn er nur sich
|b35| |c35| redlich bessert
Johan. 3, 16.
Römer 3, 24. 25.
Und worin bestehet diese
Besserung, worüber sich die
Engel und
Gott, der ganze Himmel freuet? − 1)
Seine Sünden lebhaft erkennen;
Vater ich habe mich an
Gott, und dir versündiget
vers 18.; 2)
sie schaamvoll bereuen, ich bin nicht werth daß ich dein Kind heisse, v.
19; 3)
sehnlich nach der verlohrnen Gunst Gottes verlangen;
wie viel Tagelöner hat mein
Vater die Brodt die Fülle haben, und ich verderbe im
Hunger. Ich will mich aufmachen, und zu meinem Vater gehen, und zu ihm
sagen; Vater, ich habe mich an
Gott und dir versündiget; und bin fort nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heisse; mache mich als einen deiner
Taglöhner vers 17−19; 4)
seine Sünden mit gebeugtem Herzen Gott bekennen, Vater ich habe mich an
Gott und dir versündiget, ich bin fort nicht werth daß ich dein Sohn
heisse, v.
21.; 5)
und sich redlich entschliessen und so gleich den Anfang machen, ein ganz neues Leben nach Gottes Gesezen zu füren, und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen
war: sahe ihn sein Vater, und jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals, und küssete ihn. Der Sohn aber sprach zu
ihm: Vater, ich habe gesündiget in den Himmel und vor dir; ich bin fort nicht mehr werth, daß ich
|a39| dein Sohn heisse.
v.
20.
21. − − Dies, nur dies ist die
Bekehrung, welche uns Gnade bei
Gott verschaffet, und Freude im Himmel macht!
|b36| |c36| Lasset uns hier
die Art bewundern,
wie das Christenthum den Menschen bessert. Es eröfnet ihm
gleichsahm das Vaterherz
Gottes; stellet ihm
seine unermesliche Liebe, besonders in der Erlösung,
Begnadigung und Beglückung durch
Jesum , lebhaft vor Augen. Wohlthaten
und Liebe wirken nothwendig
Dankbahrkeit und Gegen-Liebe. Diese dankbahre Liebe zu
Gott,
machet dem Menschen
alles angenehm und leicht, was dem Gott gefällt, den seine ganze Seele liebt. Und nun
hasset der Mensch
jede Sünde, da sie
Gott verhaßt ist; nun bestrebet er sich aus allen Kräften,
Gottes Geseze zu gehorchen, weil dieses
Gott gefällt.
{1 Johann 4, 19} Lasset uns unsern Nebenmenschen lieben, (dies ist das Hauptgesez Gottes
Jacob 2, 10.
Römer 13,
8)
denn Gott liebet uns. −
{2 Petri 1, 3−11} Da uns Gottes Allmacht alles was zum gottseligen Leben nötig ist, und so grosse Verheissungen schenket: so lasset uns allen Fleiß darauf wenden, Gott änlich zu werden; und darreichen (als
Früchte unsers Glaubens, wie ein guter Baum seine Früchte darreichet)
nebst unserm Glauben Heldenmuth, nebst dem Heldenmuth Klugheit, nebst der Klugheit Enthaltsamkeit, nebst der Enthaltsamkeit Geduld, nebst der Geduld Furcht Gottes, nebst der Furcht Gottes Bruderliebe, nebst der Bruderliebe allgemeine Menschenliebe.|a40| −
{Römer 8, 38. 39} Ich bin gewiß daß weder Tod noch Leben, weder Mächtige noch Potentaten, weder das Gegenwärtige noch die Zukunft, weder das höchste Glück noch das tiefste |b37| |c37| Leiden, noch irgend eine Kreatur mich trennen kan von der Liebe zu Gott durch Jesum Christum unsern Herrn. − −
Dankbahre Liebe zu Gott durch Jesum , gewirkt durch die unermesliche
Liebe welche
Er uns durch
Christum bewiesen: dies ist also das Mittel, wodurch das Christenthum den Menschen zur Tugend füret! − − Nie hat ein endlicher Verstand eine Besserungs-Art ersonnen, welche der menschlichen Natur so angemessen; so edel;
Gott so anständig; und so kräftig ist! Und wie hätten denn
die Apostel und Propheten, welche ohne Wissenschaft und Gelehrsamkeit, bei den Heerden und
Fischerhandwerk aufgewachsen waren, darauf kommen können, wenn es ihnen nicht von
Gott selbst eingegeben worden!
Desto schändlicher und strafbahrer ist nun aber,
bei uns Christen die Sünde. Auch bei Juden, Heiden und
NichtChristen ist die Sünde immer schändlich und strafbahr. Aber bei uns Christen, die wir
Gott und
seine unermesliche Liebe kennen, wird sie nun der
niederträchtigste, allerschwärzeste und folglich auch der
allerstrafbahrste Undank! − Gleichgültig gegen einen
Wohltäter seyn, seine Wohlthaten gar mit Beleidigungen erwiedern: das erklären wir alle für sehr niederträchtig,
schimpflich und strafbahr. Und was sind alle irrdische
Wohltäter und alle ihre Wohlthaten
|a41| zusammgenommen, gegen unsern
allmächtigen Wohlthäter! − O
meine Mitchristen, nichts für
den Gott thun der so unermeslich viel
bc√ uns gethan, immerfort thut,
|c38| und
|b38| ewig thun will; uns entschliessen böse zu
seyn darum weil
Gott Gut ist, desto sicherer zu
sündigen weil
Er so viel Geduld hat,
Ihn immer mehr zu
beleidigen darum weil
Er uns so viel Gutes thut: nie, nie müsse ein solches Betragen eine christliche Seele
schänden. {Hebräer 2, 1−4. vergl.
mit Kap.
10, 26−29.} Lasset uns Seine Lehre gehorsahm befolgen. Denn, wenn wir jezo noch vorsäzlich sündigen; (durch Verleugnung der Religion, es sey mit dem Munde, oder mit dem Wandel)
so haben wir nichts als Sein strenges Gericht zu erwarten. Als Menschen, die den Sohn Gottes mit Füssen treten, sein Blut des Bundes für unrein erklären, und den Geist den Seine Gnade gesandt schmähen. −
{2 Cor. 6, 16 − 7, 1} Da wir solche Verheissungen haben: so lasset uns von aller Befleckung des Leibes und der Seele uns säubern, und Gott mit kindlicher Furcht durch Heiligkeit dienen.
Nimmermehr dachte der
verlohrne Sohn, als er seinen Vater verließ, daß er nach kurzer Zeit im Abgrund des Lasters stecken, darben, und die Säue hüten werde. Was schien ihm geringer zu seyn, wo er es anders gar für Sünde hielt, als sich der beschwerlichen Aufsicht und den steten Erinnerungen des Vaters entziehen
? Und gleichwol fürete ihn dieser Leichtsin, zur ausschweifenden Pracht; diese in böse Gesellschaft; diese zur Schwelgerei; und diese endlich zu einem ganz
|a42| zügellosen, schändlichen, unzüchtigen Leben.
Er der
anfangs nur glaubte, in der Entfernung von der lästigen Aufsicht des
Vaters, gemächlich von dem Seinigen zu leben; brachte nun sein Gut mit den Huren
durch. − −
So füret eine Sünde alsbald zur andern; diese zur dritten; und ehe wir uns besinnen, sind wir in Laster versunken, deren wir uns nie fähig geglaubt.
Der Weg zur Tugend gehet
Berg-auf und ist noch dazu steil. Nur mit Mühe klimmen wir zu ihrem Tempel hinauf: nur mit Mühe gehen wir von der Sünde zur Tugend über, und auf dem Wege derselben fort. Aber der Weg zum Laster gehet Berg-hinab, und ist noch
darzu schlüpfrig. Haben wir erst Einen Schritt darauf gethan: so können wir uns nicht mehr erhalten, wir gleiten auch wider unsern Willen, und stürzen in Abgründe hinab. Gleich einem reissenden Strohm, der Felsen wegwälzt, und keine Brücken leidet, und sich neue Ufer macht, reißt uns die Sünde voll-strömend, auch wider unsern Willen hinweg, und zwinget uns zu gehen wohin sie will. − So zittere denn ein jeder, zittert besonders Jünglinge,
für der ersten Sünde!
Das Beispiel Jesu lehre uns, ferner, das rechte Betragen gegen Gottlose und offenbahr Lasterhafte! Sie zu unsern Vertrauten machen, mit ihnen beständigen und genauen Umgang pflegen: dies würde Verdacht gegen uns erregen, andern anstößig seyn, und selbst unsre Tugend ohne Noth in Gefahren stürzen. Unser Heiland gieng zu den Zöllnern, nur als sie ihn such|a43|ten, und aaß mit ihnen um an ihrer Besserung zu arbeiten. So müssen auch wir unsre |b40| |c40| lasterhafte Nebenmenschen nicht verachten, nicht hassen. Lieben müssen wir sie; ihr Elend tief zu Herzen nehmen; und wenn uns die göttliche Vorsehung mit ihnen in genauere Verbindung füret, oder sie selbst ein Verlangen nach unserm Umgange und Unterricht äussern; da keine Mühe, keine üble Nachrede scheuen, sondern nach unsers Herren Muster mit ihnen umgehen und an ihrer Besserung arbeiten. Denn, welch ein Glück − {Jacobi 5, 19. 20} eine Seele vom Tode retten, und eine Menge von Sünden hindern!
Und wenn sie sich denn gebessert, da müssen wir ihnen nie ihre
vorige Sünden
vorrücken, noch weniger diese
unbedachtsam und
liebloß in Gesellschaften ausbreiten. Sondern
sie bedecken, verbergen, wie
Gott es
thut, ihrer nicht mehr gedenken und
sie auf ewig in die Tiefe des Meeres werfen. Wie unschicklich, verwegen, wie gottloß ist es,
den kränken und der Verachtung
aussezen, welcher −
{vers 7. 10} dem ganzen Himmel,
Gott und
seinen Engeln Freude macht!
Endlich, welch ein Segen für die Welt ist unsre christliche Religion! Durch ihre unendlich trostvolle Lehre von der unermeslichen Liebe
Gottes, und
seiner Geneigtheit jeden sich bessernden Sünder aufzunehmen, ermuntert sie den Sünder zur
Besserung, machet ihm Muth dazu, und flößet ihm Kraft ein den Weg der Tugend zu betreten, und darauf standhaft von Vollkommenheit zu Voll
|a44|kommenheit fortzugehen. So viele hundert und tausend Ungerechte, Unzüchtige,
|b41| |c41| Rachbegierige, grausahme Menschen werden dadurch zu Gerechten, Keuschen, Versönlichen, zu Menschen-Freunden, und aus Geisseln, zu
Wohltätern der menschlichen Gesellschaft umgebildet! So viele tausend Tugendhafte werden dadurch erhalten, und zu immer höherer Tugend fortgefüret! So viele tausend Trostlose aufgerichtet und erfreuet! Eine solche
Ruhe; Heiterkeit und Freude in die Seele jedes ihrer redlichen Anhänger geleitet! − Ist nun der
Mordbrenner welcher Dörfer und Städte anzündet, wohl ein solcher
Menschen-Feind; als der Ungläubige, welcher mit der Fackel des Unglaubens, Christenthum, und damit alle Tugend, Ruhe,
Trost und Glück in der
Welt gleichsam zur Lust zernichtet! − −
{Colosser 1, 10−11.} Wir aber, liebe
Mit Christen,
wollen Gott dem Vater danksagen, welcher uns von der Macht der Finsterniß errettet und in das Reich seines geliebten Sohnes versezet; und nun würdig unsrer Religion, und unserm Gott zum höchsten Wohlgefallen leben, indem wir immer mehr und mehr in allen Tugendthaten fruchtbahr werden!