|a[407]| |b385| |c418| Evangelium am Neujahrs Tage
Lucä 2, 21
Verbunden mit Philipper 2, 5–11. und 1 Buch Mose 22, 1–19
Am achten Tage (nach seiner Geburt)
da man ihn beschneiden muste; (nach dem Gesez 1 Buch Mos. 17, 12. 3 Buch Mose 12, 3)
ward ihm der Nahme, JESUS , beigelegt; welcher ihm von dem Engel, noch vor seiner Empfängniß gegeben worden. Lucä 1, 30. 31.
vergl.
Matthäi 1, 20. 21.
Dies ist der Nahme, der schon seit Jahrtausenden, so vielen Millionen Menschen, über alles in der Welt theuer gewesen! So viel sichere Sünder sind durch Ihn gebessert, und aus Geisseln der Welt die sie waren, zu Wohlthätern des Menschen Geschlechts gemacht worden! So viel von dem aufwachenden Gewissen Gepeinigte, beruhiget! So viele auf den Weg der Tugend gebracht und darauf erhalten! So viele Leidende, sind durch ihn getröstet; so viel Unwissende belehret; so viel Irrende zu rechte gefüret; so viel Schwache gestärkt; so viel Sterbende unterstüzet und aufgeheitert. – Millionen Menschen sind durch Ihn zu Gott, und dem Glück gefüret, und dadurch Millionen Denkmahle in der Welt aufgestellet worden; daß Er der ist wofür ihn der Text erkläret: – JESUS , der Erretter, der Beglücker der Welt!
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{Lucä 1, 26–38} Ein Engel ward vom Himmel gesandt, der Jungfrau
Maria anzukündigen, daß
Gottes Allmacht, einen Menschen, durch ein Wunderwerk bilden werde, welchen sie als Mutter tragen, und zur gewönlichen Zeit zur Welt gebären solle.
Diese
Menschen Natur verband der Sohn
Gottes mit sich aufs genaueste zu Einer Person; um zum Glück der Menschen, als Mensch zu leben, zu lehren, zu
leiden und zu sterben. Und darum ward dieser Sohn
Mariä ,
JESUS genant;
{Matthäi 1, 20. 21} der
Heiland, der
Erretter, der
Beglücker, weil er
sein Volk, das ihm anvertraute Geschlecht der
Menschen Hebräer 2, 10–Ende,
von ihren Sünden erretten, von den Straffen und der Herrschaft der Sünde befreien; von Irrthum und Laster zur Wahrheit und Tugend füren; dadurch in die verlohrne Gunst und Vaterliebe
Gottes sezen; hier mit Ruhe und Freude beseeligen; und durch den Todt in ein Glück ohne Maaß und Ende leiten solte. – Unser Verstand erstaunt und schwindelt bei diesen
Abgründen der Weisheit.
Unbegreiflich, Geheimnis, ist ihm das. Ihm, dem schwachen Verstande, dem jezo noch in seinen Kinder-Jahren,
Alles, von dem
Unendlichen an, bis herunter auf das kleinste Gräschen,
Unbegreiflich, Geheimnis ist!
Wie der Geist der in uns denkt auf unsern Leib, und dieser hinwiederum auf jenen wirkt;
wie es möglich ist daß aus einem kleinen durchsichtigen Bläschen, ein menschlicher Leib mit allen diesen, vielen, mannigfaltigen, harmonischen Gliedern wird;
wie es zugeht daß Brodt,
Wasser und was wir sonst von täglicher Nahrung zu uns nehmen, sich in Blut, Milch,
|a409||b387| |c420| Knochen, Fleisch verwandelt;
die Laufbahn der Sonne und das Brennen des Lichts das unsre Zimmer erleuchtet;
der Bau der zahllosen Welten die am Himmel
glänzen und der Gräser welche unsre Wiesen zieren: alles was an, und in, und um uns ist, alles
bc√ ist uns eben so sehr
Unbegreiflich, eben so sehr
Geheimnis, als die Menschwerdung des Sohnes
Gottes. – Hier
ehrfurchtsvoll glauben, ist Vernunft:
c√ kün verwerfen bloß darum weil wir es nicht begreifen können, ist Unverstand!
Aber noch mehr schwindelt der Verstand, bei diesen Abgründen – der Liebe! So viel Anstalten; so viel Wunder, um eine Welt zu retten, deren Untergang in dem Unermeslichen Staat des UNENDLICHEN gar nicht bemerkt würde; wie wenn eine schimmernde Lampe unter Millionen flammender Fackeln verlöscht! Für uns Menschen, die wir als die nächsten Nachbahren der Thiere, nur auf der untersten Stufe der vernünftigen Geschöpfe stehen. Tief unter den Engeln, Erzengeln, und Millionen anderer Classen von Geistern; die immer höher und höher an Vollkommenheit, sich dem Throne des EWIGEN nähern! – Ewige, Unermesliche Liebe! So soll denn Alles, was du geschaffen, Glücklich seyn! Von dem nächsten Geist an deinem Thron bis zum Menschen, und von diesen bis zum Wurm im Staube herab, sättigest Du alles mit Freude! Deine Allmacht schaffet, deine Weisheit sorget, nur damit deine Liebe beglücken könne. Wie wohl ist uns, daß wir, Ganz von Dir abhängen; daß alle unsre Schicksahle in Deinen Händen stehen!
|a410||b388||c421| Damahls als
Jesus gebohren ward, galt noch das Gesez
Mosis , welches erst mit der Zerstörung des jüdischen Staats solte abgeschaffet werden.
Daniel 9, 24–27. Er ward also, von einer jüdischen Mutter gebohren, gleich andern Juden am achten Tage beschnitten. Wie der allerniedrigste
unter ihnen unterwarf er sich allen menschlichen und göttlichen Anordnungen
, die in ihrem Lande galten. Aber dies alles war nur das Geringste – des
Gehorsams gegen Gott, wovon Er ein Beispiel gab, dergleichen Welt und Nachwelt nie gesehen, noch sehen werden.
{Philipper 2, 5–8} Jesus Christus , ob er gleich in göttlicher Gestalt war, prahlte dennoch nicht mit dieser Gleichheit Gottes als mit einer Beute. Nie brauchte Er seine göttlichen Vorzüge, damit bloß zu glänzen; den Weihrauch
die Anbetungen anderer anzunehmen; die Welt seine Hoheit schwer
fülen zu lassen; oder gar andre, nach dem aus der Hölle unter die Menschen eingefürten Recht des Stärkeren, zu unterdrüken und zu quälen.
Vielmehr erniedrigte er sich, nahm die Gestalt eines Sclaven an; ward wie der allerniedrigste Mensch gebohren; und fürete sein ganzes Leben als der Niedrigste, Verachteste,
unter den Menschen. Er erniedrigte sich und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. „Aus Liebe zu den Menschen, um diese zu retten und zu beglücken,
legte er allen Glanz seiner göttlichen Herrlichkeit ab!
Ward in so niedrigen, so armseeligen Umständen gebohren, wie ein
Sclave!
|a411| Uebernahm ein Leben, das aus lauter Niedrig
|b389| |c422|keit, Verachtung,
Müseligkeit, und
Elend zusammengesezt war!
Starb gar für die Welt!
Starb für sie, als der verächtlichste und gröbste Missetäter,
am Kreuz!“
{vers 9–11 } Darum hat ihn auch Gott unaussprechlich erhöhet. Er hat ihm eine über alles erhabene Würde gegeben. Denn vor Jesu sollen sich alle Knie beugen, der im Himmel und auf Erden Lebenden, und der Verstorbenen. (welche Er dereinst auferwecken und richten wird)
Und jede Zunge soll die Herrschaft Jesu Christi bekennen, zur Ehre Gottes des Vaters. – Sein Glück also, und die Ehre
Gottes; das war der
Ausgang, der Lohn seines Gehorsams. Ein Gehorsam, den
die Willigkeit, der Uebernehmung,
die Grösse der Selbst-Aufopferung;
die Vollkommenheit der Leistung; und
die Beständigkeit der Vollziehung, über alles weit hinaussezen, was man sich je von Vollkommenheit im Gehorsam gegen
Gott gedenken kan!
Sagt nicht, „dies sey auch nicht der Gehorsam eines blossen Menschen. So könne nur der Sohn Gottes Gehorsam seyn!“ Freilich können wir diesen Gipfel der Vollkommenheit nicht erreichen. Aber diejenigen die nach dem höchsten streben, kommen doch immer höher: da hingegen die Verzagten sich nie aus dem Staube erheben. Abraham war ein blosser Mensch wie wir: von allen den Verblendungen getäuscht, durch alle die Unwissenheit in die Irre geleitet, und von allen |a412| den Schwachheiten unterdrükt, wie wir. Ja! er war in Absicht der Kentnisse von der Religion weit unter uns. Lasset uns das Beispiel seines Ge|b390| |c423|horsams gegen Gott, jenem Muster des Sohnes Gottes an die Seite stellen. In der That komt es ihm auch am nächsten. Und diese beiden grossen Muster lasset uns denn anschauen, abermahls und abermahls anschauen. Das Beispiel unsers schwachen Neben-Menschen wird unsern Gehorsam anfeuren: und das Muster des Sohnes Gottes wird ihn unterstüzen und adeln.
{1 B.
Mos. 22, 1. 2.} Hierauf – dies ist die Erzälung
Mosis , welche durch jeden Zusaz und Veränderung, von ihrer Kraft und Leben verliehren
würde –
Hierauf übte Gott den Abraham , und sprach zu ihm, Abraham ! Er antwortete, hier bin ich. Nim, sprach Gott, deinen Sohn, deinen einzigen Sohn, deinen zärtlich geliebten, den Isaac , und gehe in das Land Moriah, und opfere ihn dort als Brandopfer, auf einem der Berge, den ich dir anzeigen werde.
{vers 3 } Und Abraham stand frühe auf, sattelte seinen Esel, nahm zwey Bediente mit sich, nebst Isaac seinem Sohn, und spaltete Holz zum Brandopfer, und gieng an den Ort den ihm Gott angegeben.
{vers 4} Am dritten Tage hub er seine Augen auf, und sahe den Ort von Ferne. Da sprach er zu seinen Bedienten, bleibet hier mit dem Esel. Ich aber und der Knabe wollen dort|a413|hin gehen, und opfren, und alsdenn zu euch zurück kommen. Abraham nahm also das Holz zum Brandopfer und legte es auf Isaac seinen Sohn. Er selbst aber trug das Feuer nebst dem Opfermesser in seiner Hand. So giengen sie beide mit einander. – Unterwe|b391| |c424|gens rief Isaac seinen Vater Abraham , Mein Vater! Er antwortete, hier bin ich mein Sohn! Siehe, sprach Isaac , da ist das Feuer und Holz, wo aber ist das Lamm zum Brandopfer? Abraham antwortete, Gott wird für das Lamm zum Brandopfer sorgen, mein Sohn! Nun setzten sie beide ihren Weg fort. Als sie an den Ort kamen den ihm Gott angewiesen hatte, bauete Abraham einen Altar, und legte das Holz zurechte, und band den Isaac seinen Sohn, und legte ihn auf den Altar auf das Holz. Da streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Opfermesser seinen Sohn zu opfern. Alsbald rief ihn ein Engel vom Himmel, Abraham ! Abraham ! – hier bin ich, sprach er. – Und der Engel sprach, lege deine Hand nicht an den Knaben, und thue ihm kein Leid. Denn jezt habe ich bekant gemacht, daß du Gott gehorchest; indem du deinen Sohn, deinen einzigen Sohn mir nicht verweigert. Da sahe Abraham einen Widder, der sich in der Hecke mit seinen Hörnern verwickelt, den nahm er und opferte ihn zum Brandopfer, anstatt seines Sohnes; und den Ort nante er:
Jehovah Jireh (Gott sorget)
|a414| weswegen man noch heute sagt, auf dem Berge Jehovah Jireh. Der Engel aber rief dem Abraham zum zweitenmal vom Himmel; und redete also zu ihm. Bei mir schwöre ich, spricht Gott. Weil du dieses gethan, und deinen Sohn, deinen einzigen|b392| |c425| Sohn nicht verweigert hast: so will ich dich sehr seegnen. Deine Nachkommenschaft will ich sehr zahlreich machen, wie die Sterne am Himmel, und den Sand am Ufer des Meers; und sie sollen das Reich ihrer Feinde besizen. Und durch deine Nachkommenschaft (oder deinen Nachkommen Siehe Galater
3)
sollen alle Völker der Erde beglücket werden. Dies alles darum, weil du – mir gehorchet. Hierauf kehrete Abraham wiederum zurück.
Ohne Zweifel blutet dein Herz, Leser! Die besten, die edelsten, die zärtlichsten und stärksten Triebe unsrer Natur kommen hier in Bewegung. Und eben diese machen uns geneigt, jenen Befehl an einen Vater, wo nicht für ungerecht zu erklären, so doch für hart zu halten. Lasset uns daher, auf einige Zeit diesen süssen Empfindungen unsres Herzens ein Stillschweigen auferlegen, um die Aussprüche der külen, ruhig überlegenden Vernunft zu hören!
Daß der Befehl Gerecht sey, läßt sich gar nicht vernünftig bezweifeln. Wer zweifelt, daß Gott das Recht hat,
einem Menschen das Leben abzufordern
? In jeder Minute sterben
|a415| c√ Menschen. Auch die
nützlichsten und besten
Menschen. Auch der Arzt den eine lange Erfahrung die er andern nicht einflössen kan, zum Trost der Menschheit
gemacht. Und endlich, was heißt das,
Gott fordert einem Menschen das Leben ab? Nichts anders als,
Er versetzet ihn aus
Einer Gegend
Seines Gebiets in eine Andere. Wie wenn, um in
einem menschlichen, schwachen Bei
|b393| |c426|spiel zu reden, ein König von
England seinen Unterthan, aus
Hannover nach
London abruft. – Daß
Er es ihm,
durch die Hand eines Menschen, mit Recht nehmen kan, ist eben so einleuchtend.
Kan ein Soldat im Kriege, auf Befehl seines Generals der ein Mensch ist wie er, Menschen zu hunderten ums Leben bringen, ohne sich zu versündigen: so wird ja die
{Römer 13, 1} Gottheit, durch die allein die Könige und Regenten herrschen, einen solchen Befehl geben können. – Aber!
durch die Hand des Vaters? Wenn der General, seinen Sohn auf
Canonen commandiren; wenn ein Vater gegen seinen eignen Sohn, der in dem Heere des Feindes ist, fechten
muß;
wenn
Brutus oder sonst ein Regent seinen Söhnen das Todesurtheil sprechen und es vor seinen Augen vollziehen lassen muß: das macht zwar unser Herz bluten. Aber welcher Vernünftige wird sich einen Augenblick weigern, zu bekennen, obgleich mit Thränen in den Augen,
das ist gerecht! – Keine Zunge kan es aussprechen was
Abrahams Vaterherz bei diesem Befehl gelitten. Aber Leiden sind das
Loos Sterblicher! Auch sehr, sehr peinliche
c√! Die Leiden des Vaters, der Mutter, denen
Gott ihr einziges, hofnungsvolles, ge
|a416|liebtestes Kind nimt; es ihnen in der Blüthe des Lebens; es ihnen gar durch eine äusserst peinliche und langwierige Krankheit
nimt. Kan
Gott dieses thun, kan
Er zulassen, daß ein Vater durch einen unglücklichen Schuß sein liebstes Kind ums Leben bringt; ohne im geringsten
seine Gerechtigkeit, Heiligkeit und Güte zu
verletzen; so kan er auch dem
Abraham diesen Befehl geben.
|b394| |c427| Und wie? Wenn
Gott den zärtlich geliebten
Isaac um eben diese Zeit sterben ließ? Wenn
Er ihn gar durch eine schmerzhafte Krankheit,
wobey jeder Augenblick das Herz der
Sara und des
Abraham aufs neue verwundet, aus der Welt gefordert? Oder wenn
Er zugelassen, daß sein Vater oder Mutter, durch eine unvorsichtige That,
schuld an seinem Tode geworden?
Also, gerecht war dieser Befehl ohne Zweifel. Auch hatte Gott, nicht einmahl die Absicht, ihn wirklich vollziehen zu lassen. Nicht, als wenn das Unrecht gewesen. Aber hier würde das Vaterherz Abrahams seyn zerrissen worden. Darum ward die Vollziehung gehindert. Den Abraham {vers 1} zu üben, in seiner Tugend, besonders c√ seinem Vertrauen auf Gott zu stärken: und die {vers 12} Grösse seiner Tugend der Welt zu zeigen; und beides ihr und der Nachwelt zum Muster aufzustellen, dies war Gottes Absicht; – c√ väterliche Absicht!
Abraham wuste gewiß, daß dieser Befehl von Gott komme. {1 Buch Mosis 12 f.
} Schon seit funfzig Jahren war er an den Umgang
Gottes gewönt:
|a417| mehr als einmahl
hatte er schon, Offenbahrungen von
Gott empfangen.
{Siehe 1 Buch Mosis 18, 23–Ende} Seine richtigen Begriffe von
Gottes Heiligkeit, Gerechtigkeit und Güte sezten ihn in den
Stand, und seine zärtlichste Liebe zum
Isaac trieb ihn an, diesen Befehl mit aller Strenge zu untersuchen. Zeit genug hatte er auch dazu, in den
{vers 4} drey Tagen, welche die Reise an den schrecklichen Ort forderte.
{vers 4 vergl.
vers 2} Selbst dieser Ort,
ward ihm durch ein in die Augen fallendes Zeichen, von
Gott angewiesen.
|b395| |c428| Noch mehr! Er war versichert, daß der Befehl, der seinem Vaterherzen alles kostete, dem Isaac nicht anders als heilsam seyn werde. Belehret daß Gott auch Todte auferweckt, und dem das nicht ist befiehlt zu seyn, sahe er schon im Geist, seinen Sohn auf eben dem Altar wiederum aufleben der ihm das Leben gekostet. Siehe Röm. 4, 17. c√
Ueble Folgen konte auch, ein solcher Befehl nicht haben. Könten etwa Schwärmer, dadurch veranlasset werden, ihre Kinder zu ermorden, in der Einbildung
Gott zu gefallen? Dies könten sie aber eben sowohl, wenn auch ein solcher Befehl nie gegeben worden. Es ist hier nicht die Frage, was Unverstand und Unsinn für Misbrauch davon machen kan. Denn auch Wahrheit und Tugend können misverstanden und gemisbraucht werden. Sondern, ob
vernünftiger weise ein solcher Misbrauch zu besorgen sey? Und wie wäre das möglich?
Abraham war keine Privat-Person, sondern ein souveräner Fürst, folglich
|a418| keinem Gesetz, als
den göttlichen unterworfen. Schon so ofte hatte er einen
unmittelbahren Umgang mit
Gott gehabt. Und endlich, ward die Vollziehung ausdrücklich untersagt, und der ganze
Befehl, für eine blosse
Uebung erklärt. –
Die
Menschen-Opfer aber sind viel älter als Abraham. Nie sind sie unter seinen Nachkommen gebräuchlich gewesen. Vielmehr war gerade diese Geschichte die allerkräftigste Verabscheuung der Menschen-Opfer. Hier wo der Befehl schon ertheilt war, wo wie es scheint die wirkliche Vollziehung, der Tugend
Abrahams einen noch grösseren Glanz
|b396| |c429| würde gegeben haben; hier
ward dennoch die Vollstreckung
gehindert. Durch ein
Wunder gehindert. Und ein
Thier zum Opfer angewiesen.
Wohl aber hatte dieser Befehl die heilsamsten Folgen. Er veranlaßte einen der traurigsten Auftritte, der den allerfrölichsten Ausgang hatte; beides für den
Abraham und
die Welt. – Für den
Abraham war dies die gröste Stärkung seines Vertrauens
auf
Gott. Nun nach diesem allerfürchterlichsten
Fall konte keine Verlegenheit, kein Leiden mehr, ihn in seiner Ueberzeugung, daß
Gott alles wohl macht, schwächen. Und wie groß muß die innere Freude über diese edle so unaussprechlich edle That bei ihm gewesen seyn? Die Bezwingung einer sündlichen Begierde, die Vergebung einer groben Beleidigung, unternommen aus dankbahrer Liebe zu
Gott, erquicket uns mehr als alle die besten Freuden der Welt. Urtheilet nun, mit welchem Vergnügen das Bewustseyn einer solchen That, die edle Seele
Abra|a419|hams erfüllet! Er hatte dabei, auch in Absicht seiner Ehre vieles gewagt. Und nun ward er
{Römer 4,} der Vater der Gläubigen, und seine grosse That, ein Ehren-Denkmahl für ihn, bei der
Welt und der Nachwelt.
Denn diese hat dadurch ein sehr rürendes und glänzendes, das gröste Beispiel des Gehorsams gegen
Gott erhalten; das sich von einem Sterblichen
denken läßt. – Der Befehl füret dem zärtlichen Vater, gerade alle die peinliche Ueberwindung zu Gemüt die er sich anthun soll.
{vers 9} Nimm
deinen Sohn!
deinen Einzigen Sohn! Deinen
Liebling!
den Isaac
! Und
opfre ihn als|b397| |c430|Brandopfer! Darum schweigt auch
Moses von dem, was
Abraham dabei empfunden, weil dies für alle Beschreibung zu stark war.
Er sezet ihn in die Nothwendigkeit, seine zwei liebsten Dinge auf der Welt,
{vers 2 verglichen vers 3–8} seinen Sohn, und seinen
Guten Nahmen mit
Einem Streiche aufzuopfern. Von seinen Bekandten, von seinen Freunden, von der Vertrauten seines Herzens so gar, hatte er die herbesten Vorwürfe zu erwarten. – Diesem Befehl gehorchet
Abraham ohne Ausflucht, ohne Widerrede, ohne Verzug. „Aber dies ist ja der
Isaac ,
durch den ich die zahlreiche Nachkommenschaft erhalten soll, wie kan damit
Gottes Zusage bestehen? Ihn meinen einzigen Sohn, sollen die Hände des Vaters umbringen? Die ganze Welt, meine eigenen Freunde, meine beste Freundin, wird mich immer mit Abscheu als einen Barbaren
betrachten“. Mit solchen Einwendungen konte er sich dem Gehorsam entziehen.
|a420| Aber
Gott hatte geredet. Dies wuste
Abraham . Und so bald er dies sicher wuste, so war
Wissen und
Gehorchen augenblicklich verbunden.
{vers 2. 3} Nim deinen Sohn, den Einzigen, deinen Liebling, den Isaac und gehe hin, opfere ihn zum Brand-Opfer. Und Abraham – stand frühe auf und zog hin. – Er gehorcht, ohne vorher sein Herz, gegen irgend einen Freund hierüber ausschütten zu dürfen. Gerade seinen Vertrauten,
denen die seinem Herzen die wichtigsten waren, deren Zuspruch bei ihm das meiste galt, dem
Isaac und der
Sara , muste er die Sache am meisten verbergen. – Die Vollziehung ward
drey ganze Tage verschoben. Wä
|b398||c431|rend dieser Zeit hatte er, verlassen von allen Freunden, gleichsam verwaiset, den geliebten Gegenstand immer vor Augen.
Gott! Was muß da in dieser fürchterlichen Zeit, bei
Tag und bei Nacht das Vaterherz gelitten haben! Welche herzzerreissende Anblicke! Welche peinliche Kämpfe! Sein Sohn. Sein Einziger. Sein Liebling. Sein
Isaac . Der Altar. Das Holz. Das Opfermesser. Die aufgehabene Vaterhand um – – Und
denn,
jener Gang, desgleichen nie ein Mensch gegangen!
zweimahl sagt Moses
,
v.
6 und
8, So giengen sie beide mit einander! Isaac folgt so willig, so zuversichtlich an den
schreklichen Ort. Der Vater geht voran mit dem Opfermesser.
Isaac folgt, das Holz auf dem Rükken das ihn verbrennen soll.
Mein Vater! ruft er.
Wo ist denn, das Lamm zum Opfer! – Nach diesem allen was muß es den
Abraham gekostet haben, den Sohn zu – Denn was kostet es uns nicht, dieses nur zu lesen!
|a421| Aber unser Schmerz wird reichlich belohnt; durch die wichtigen
Lehren und grossen
Kräfte welche schon so viele tausend Menschen, daraus geschöpfet, und wir noch immer schöpfen; und bis ans Ende der Welt, Menschen schöpfen werden. – Nicht nach
Trieben. wenn gleich den unschuldigsten, den besten, müssen wir handeln; sondern immer nach
Grundsäzen. Und diese Grundsäze sind die Lehren und Gebote
Gottes. – Ehrfurchtsvolle, dankbahre Liebe zu
Gott, erleuchtet und geleitet durch jene Grundsäze, das muß die Quelle und Regel aller unsrer Begierden und Handlungen seyn. – Insbesondere aber, wie deutlich
|b399| |c432| belehret, und wie kräftig
erweket uns dieses Beispiel;
Gott auch da zu gehorchen, wo es uns die peinlichsten Ueberwindungen kostet.
Gott fordert vielleicht
in diesem angefangenen Jahre, das beste von uns das wir auf der Welt haben. Unser Amt. Unser Ansehen. Unser Kind. Unsern Ehegatten der mit uns
Ein Herz und Eine Seele ist. Wie wird da unser Herz bluten! Wie wird da ein herznagender
Gram uns
abzehren. Wie viele tausend heisse Thränen wird uns das kosten. – Aber was ist
dies alles gegen jenes
Opfer! Und doch gehorcht
Abraham .
Gott will es: die
Ewige, die
Allweise, die
Unermesliche Liebe! Das ist ihm genug. Ihm, der bei weitem nicht so
viel, von
Gottes Eigenschaften,
Seiner Vorsehung, dem Leben nach dem Tode,
Seinem Eingebohrnen Sohn den
Er für die Welt gab, wuste! – So reize, so stärke uns das Beispiel
Abrahams zu der Seelen-Grösse, wo wir schlechterdings keinen andern Willen haben als den
|a422| Willen
Gottes! Es lehre uns denn auch,
daß Gott, selbst in den äussersten, ganz unabsehlichen Verlegenheiten und Verwickelungen, alles wohl endiget. Wir seufzen unter einer langwierigen Krankheit. Die menschliche Hülfe ist aus. Entblößt von
zeitlichem Vermögen und ungeschickt zu unsren Geschäften fangen wir schon an Mangel zu leiden. Und in der Zukunft, da sehen wir, Uns auf dem Krankenlager Jahrelang seufzen, in die äusserste Dürftigkeit versezt, für alle Geschäfte unvermögend, unsre zahlreiche Familie schlecht bekleidet und von Noth abgezehrt.
Gott! Wo hier Ausgang in diesem La
|b400||c433|byrinth! Wo hier nur ein Strahl
von Licht, in dieser Finsterniß! Getrost
, Getrost
Brüder! Schon war die Vaterhand
Abrahams aufgehaben. Hier sahe ein menschliches Auge nichts, schlechterdings nichts als den lezten Streich, der Sohn und Vater hingerichtet hätte. Und nun gerade, war auch schon die
Vaterhand im Himmel aufgehaben, um Sohn und Vater zu
retten.
Ihr unsre leidende Mitbrüder! Macht nur
Gott euch zum Freunde! Sodenn seyd versichert.
Das Auge,
{Psalm 139, 11. 12} dem auch die Finsterniß der
Mitternacht, Glanz des Mittages ist, wacht für euch.
Die Hand, welche das Ruder der Welt lenkt, ist stets
Ueber euch aufgehaben, um euch zu retten, euch zu beglücken!
Den Abraham
rettete
Gott durch ein
Wunder: und Wunder thut
Er freilich
jetzt nicht mehr. Aber
Wunder sind es auch gerade
nicht, die
kleinsten, geringsten Begebenheiten, die
|a423| unansehnlichsten Werkzeuge sind es gemeiniglich, wodurch
Er der
Allgewaltige die grösten Errettungen stiftet, die erstaunlichsten Dinge ausrichtet.
Er, der dem Nichts gebeut, daß es sey! Römer 4,
17 –
Archimedes sagte,
Gieb mir einen
Platz wo ich stehen kan, so will ich die
ganze Erdkugel bewegen! Und der Sache Kundige wissen, daß dieses durch die simpelste Maschine geschehen kan. So verrichtet
Gott in der Körper-Welt, durch die
kleinsten Dinge die
grösten Wirkungen. Sehet da
Seine Art zu verfahren! Was wir Sterbliche in unsrer Sprache
Ohngefär, und
Kleinigkeit nennen: das ist in der Himmels-Sprache,
Ewiger|b401| |c434| Plan, und das
Triebrad der grösten Begebenheiten!
An dieser Geschichte lernen wir auch,
was ein Einziges Gutes Beyspiel kan! Schon seit mehr als
dreitausend Jahren, lehret, tröstet, erquicket, stärket dieses Beispiel die Menschen. So viele Millionen Menschen! Und ganz unzälich sind die Vortheile welche sie davon erlanget. Und eben das wird nun noch bis ans Ende der Welt geschehen. Es ist, als wenn
Abraham , von Jahr zu Jahr, von Jahrhundert zu Jahrhundert unter den Menschen wandelte, sie zu lehren, zu trösten, auf alle Weise zu beglükken! Sehet das vermag ein
Einziges Gutes Beispiel! Schweigt gleich
die Geschichte von unsrer That: darum ist sie nicht verlohren. Wir helfen mit einem Herzen voll von
Gottes- und Menschen-Liebe,
einen Armen zu
Brod und zu besserer Religions-Kentniß, und füren ihn auf
|a424| den Weg der Tugend. Er wird Ehemann; und Vater einer Familie von sechs Kindern. Auf diese pflanzt er, oder vielmehr
wir durch ihn Kentniß der Religion, Tugend und Glück fort. Jedes von diesen Sechs, übergiebt das alles wiederum seiner Familie. Diese eben also der ihrigen. Und so –
verewiget sich unsre
gute That. Noch nach Jahrhunderten leben wir auf der Erde, und
{Hebräer 11, 4.} reden, und
beglücken durch
sie unsre Nachkommen
.
Auf diese zwei allergrösten Beispiele des Gehorsams gegen Gott, lasset uns gleich am |b402| |c435| Anfange des jezigen Jahres unsre Augen heften. Mit den grossen Lehren und Entschliessungen, die sie uns einflössen bewaffnet, lasset uns das Jahr anfangen, und so lange fortsetzen, als es Der will {Römer 14, 8.} durch den wir leben und sterben. – So werden auch wir in jedem Augenblick desselben, jene Stimme Gottes hören, {1 B. Mos. 22, 16. 17.} weil du das gethan, so will ich dich sehr seegnen! – So wird es am Ende unsrer Laufbahn, wenn wir also wie unser Herr und Heiland Jesus Christus , dessen göttlichem Verdienst wir alles zu danken haben, wenn wir wie Er, bis zum Tode gehorsam gewesen, so wird es auch von uns, wie von Ihm heissen, – darum hat ihn auch Gott erhöhet. Und hier schlägt mein Herz für euch alle meine Zuhörer und Leser! Tausend inbrünstige Wünsche steigen aus demselben gen Himmel, daß doch jenes alles an Euch, und mir erfüllet, reichlich erfüllet, überschwenglich erfüllet werde! Amen! Amen!
Abkürzungsauflösung von "vergl.": vergleiche, verglichen