|a[535]| |b515| |c565| Evangelium am ersten Fasten-Sontage.
Matthäi 4, 1–11.
und in
den Parallel Stellen, beim
Marcus 1, 12. 13. und
Lucas
4, 1–13.
Drey Geschichtschreiber erzälen uns hier, eben dieselbe Begebenheit, auf eine so freie, ungezwungen-verschiedene Art, daß man es fülen muß, keiner von ihnen hat den andern gelesen und abgeschrieben. Ein jeder ist also, ein für sich geltender Zeuge. Und diese Geschichte von der Versuchung Jesu um so viel zuverlässiger.
{vers 1} Da – nämlich gleich
nach der feierlichen Taufe
Kapitel 3,
13–17 und bei Luca vers 1 –
ward Jesus durch den Geist in die Wüste gefüret, damit er vom Teufel versuchet würde.
Durch den Geist, das ist,
auf Antrieb, Eingebung des
heil.
Geistes, begab er sich in die
Wüste. Lucas nennet ihn
ausdrücklich den heiligen Geist. Und
Marcus sagt,
der Geist habe ihn in die Wüste
getrieben. –
Es ist also gar nicht, an eine
Entzückung, an ein
Gesicht zu denken. Die
Versuchung Jesu geschahe nicht im
Geist, in einem Gesicht; sondern ausser ihm; und zwar durch Einwirkungen und Reden des
Teufels.
|a536|
Das griechische Wort, welches hier durch,
Teufel, gegeben worden, bedeutet eigentlich, wie
|b516| |c566| das hebräische
Satan, einen
{z. E.
Matthäi 25, 41} Verleumder, Ankläger. Aber
auch die bösen Geister, werden mit diesem Nahmen belegt; und zwar
vermuthlich, weil sie
Hiob 1 und 2, als
Verleumder der Tugend
Hiobs vorgestellet werden. In dieser lezten Bedeutung muß man es hier nehmen; denn
im 11ten vers, werden die
Guten Engel entgegengesezt. Die Versuchung Christi
geschahe
also, von
einem bösen Geist. Und das kan uns auch, aus keinem vernünftigen Grunde, Unglaublich dünken. Die Erde ist nur ein Winkel in
Gottes Reich, den
unzälichen Welten die wir des Nachts am Himmel glänzen sehen: es giebt also ausser uns Menschen, noch unzäliche
andre Geister in
Gottes Staat; davon eine
Klasse in der Bibel,
Engel, heißt.
Unter
uns Menschen giebt es
Gute und böse: warum denn nicht auch unter den Engeln? Unsre Seele hat einen Körper, redet durch ihn, gehet in ihm, und handelt durch ihn. So kan ja auch ein Engel einen Körper
annehmen, und dadurch wie ein Mensch, wirken.
In welcher
Wüste aber diese Versuchung
Jesu geschehen, wissen wir nicht. Gewiß ist es,
daß es eine wahre, rauhe Wildniß war, wo sich wilde Thiere aufhielten. Siehe bei
Marco vers 12. Und wahrscheinlich, daß sie nahe bei
Jerusalem gelegen, weil
Jesus vom Teufel in diese Stadt und von da wiederum zurück in die Wüste gefüret ward. Vermuthlich war es also,
die Wüste von Jericho. (Siehe oben
Seite 185 .) Eine
|a537| fürchterliche Wildniß, mit hohen Bergen und dicken Gebüschen, wo sich Räuber und Mörder aufhielten.
|b517||c567| Hier nun solte
Jesus , von dem Teufel
versucht werden.
Das Wort hat eine zwiefache Bedeutung. Von Menschen oder dem Teufel gebraucht, heißt es,
zur Sünde reizen. Siehe
Jacobi 1, 13–15. So muß man es auch hier verstehen: denn alles dieses, wozu der Teufel
Jesum reizen will, waren
Sünden. – Von
Gott gebraucht aber, heißt es,
auf die Probe stellen. 1 Buch
Mose 22, 1.
{vers 2} Und nachdem er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. – Alle diese vierzig Tage hindurch, ward
Jesus , wie
Marcus V.
13 und
Lucas V.
1. 2. ausdrücklich sagen, versucht. Es war also eine
zwiefache Versuchung, die er hier ausstand. –
Zuerst, eine
Innere. Diese dauerte vierzig Tage. Da ward
Jesus , durch Einwirkung des Satans auf seine Seele, von allerlei sündlichen Gedanken und Trieben angefallen. Denn man muß sich erinnern, solche
Unwillkürliche Regungen sündlicher Begierden sind nur alsdenn Sünde, wenn man sie durch sein voriges Betragen
verursacht. So sind dergleichen Anfälle des Neides, bei einem Menschen der sich vom Neide beherrschen läßt, eben darum Sünde. Und das ist bei uns Menschen, gemeiniglich der Fall. Aber bei
Jesu waren jene
unwillkürliche Regungen sündlicher Gedanken und
Triebe, auf keine Weise selbst
verursacht:
|a538| folglich
auch auf keine Weise, Sünde. Der Satan verursachte sie, durch seine geheime, unsichtbahre Einwirkung.
Er schleuderte sie gleichsam, in die heiligste Seele
Jesu . Solte dieses mit der Unsündlichkeit
Jesu streiten; so hätte er, gar
|b518| |c568| überall nicht können versucht werden.
Gott versuchen, und den Teufel anbeten; diese sündliche
Gedanken, musten doch nothwendig von der Seele
Jesu gedacht werden, da ihm der Teufel diese Vorschläge that. – „
Aber er
wieß sie alsbald mit Unwillen ab!“ – Und das that er auch bei jenen
Innern Versuchungen. – Als diese Innere Versuchungen vierzig Tage gedauert, da zeigte sich ihm der Satan in
sichtbahrer Gestalt; und beschloß seine Anfälle, mit einigen
Aeussern Versuchungen.
vers 3 f.
– In
beiden Arten wich
Jesus nicht einen Augenblick. Alle diese Eingebungen des Teufels wies er alsbald, mit Verachtung und Unwillen ab. So zeigte er denn auch hier, daß er
Heilig, ganz Unbefleckt, und Reiner als die erhabensten Geister sey.
Hebräer 7, 26.
„
Warum aber ließ
Gott zu, daß eine so heilige Person, von dem Satan, zu allerlei Sünden,
Innerlich und
Aeusserlich gereizet ward?“ –
Paulus antwortet
Hebräer 2, 17. 18.
Kapitel 4, 15. 16.
Damit Er ein barmherziger Hohepriester würde; und versucht in jeder Art unsündlicher Leiden wie wir, mit unserer Schwachheit sympathire. – Um Ihn also,
durch eigene Empfindung des menschlichen Elendes, zu einem recht mitleidigen und güti
|a539|gen Regenten der Menschen zu bilden! – – Hier, in diesen Versuchungen lernte
Jesus durch eigene Empfindung,
wie schwer, wie peinlich der Kampf gegen die Sünde, unserer menschlichen Seele?
Und wie angreifend, wie schmerzlich dieses Leiden, für fromme Seelen ist? – – Sol
|b519||c569|che mächtige hinreissende Triebe bändigen! Einem heftigen Triebe zur Rache, zum Neid, zur Feindschaft, zur Ungerechtigkeit, zur Unzucht widerstehen. Ihn
unterdrücken, ihm
zuwider handeln. Das ist für eine
menschliche Seele, in diesem Stande der Schwachheit und des Verfalls, sehr Peinlich. Das alles noch dazu,
ohne sichtbahre Zeugen thun; ohne durch Aufsehen und Lobsprüche der Welt aufgemuntert zu werden; dies machet jenen Kampf viel schwerer als den Kampf gegen Kugeln und Schwerdter; und eben darum auch, den Sieg viel rümlicher. Eine unwürdige Lust überwinden, ist Schwerer, und Ruhmvoller, als eine Schlacht gewinnen!
Fromme Menschen, das heißt, Menschen die kein grösseres, kein andres Unglück kennen, als die Sünde, denen nichts abscheulicher ist als Sündigen, haben daher auch keine peinlichere Leiden. Von solchen unwillkürlichen Regungen der Rachsucht, des Neides und anderer Sünden angefallen, und zur Sünde heftig hingetrieben werden: das macht ihnen die bittersten Stunden, das erweckt in ihnen am stärksten, die Sehnsucht nach jenem
vollkomnern, ganz unbefleckten und Engel-reinen Leben. – Dies nun solte unser
Mittler, selbst
erfahren, so weit es ohne Sünde geschehen konte. Und Er
hat es erfahren. Ohne Zweifel hat der Satan seinen
|a540| Versuchungen alle die äusserste Stärke gegeben. Mit dem ganzen
Gewicht, der höllischen Macht fiel
er auf die Seele
Jesu . Er unser Mittler und Regent weiß nun aus eigener Empfindung, wie uns dabei zu Muthe ist.
{Hebräer 2, 10–Ende} Desto Gütiger und Zärtlicher ist er nun gegen uns, seine Anvertrauete ge
|b520||c570|worden. Und wir können nunmehro,
{Hebräer 4, 14–16} desto zuversichtlicher uns seinem Throne nähern; und von ihm desto grösseres Mitleiden, kräftigere Hülfe, und reichere Belohnung erwarten! – –
So dienet ein Prinz von unten an; er steigt vom gemeinen Soldaten bis zum Feldherren hinauf; alle Beschwerden, Lasten, Gefahren des untersten Dienstes erfäret, schmecket, duldet er selbst, um sich zu einem desto bessern Befehlshaber zu bilden!
{Erste Aeussere Versuchung vers 3. 4} Am Ende dieser vierzig Tage
trat der Versucher zu ihm, nämlich in sichtbahrer Gestalt. Ohne Zweifel aber, hat ihn
Jesus nicht gekandt. Denn sonst wäre es keine Versuchung gewesen.
Er nahm Anlaß von dem Hunger, der Jesum
plagte, und
sprach zu ihm,
bist du Gottes Sohn (der Messias)
so gebeut diesen Steinen daß sie Brodte werden. Jesus aber antwortete; Es ist geschrieben, der Mensch lebt nicht bloß vom Brodt, sondern auch durch jeden Befehl Gottes. – Die Stelle ist aus 5 Buch
Mose 8, 3 genommen, wo
Moses die Israeliten an die Wohlthaten Gottes in der Wüste,
insbesondre an das Manna erinnert.
Gott, sagt er,
speisete dich mit Manna, das weder du noch deine Väter kanten, um dich zu lehren, daß der Mensch nicht bloß vom|a541| Brodt lebet, sondern durch jeden Befehl Gottes. – Schon in diesem Sinn lebt der Mensch nicht bloß vom Brodt, weil
Gott unsern Unterhalt nicht bloß an dieses Mittel gebunden
c√. Unzäliche Dinge hat
Er in der Natur erschaffen, die uns in Ermangelung des Brodts nären können. Das
Pflanzen- und
Thier-Reich biethet uns
|b521| |c571| einen unermeslichen Reichthum von Kräutern, Früchten, Fischen, und andern Dingen zu unsrer Nahrung dar.
Er, die
Unermesliche Güte, giebt keinem
Seiner Geschöpfe bloß die Nothdurft. Mit Freigebigen Händen schüttet
Er, einen unermeslichen Aufwand von Pracht und Ueberfluß aus. Und
wenn wir nicht eigensinnig, uns gerade an die gewönlichen Speisen binden wollen: so werden wir nie sagen dürfen, daß uns
Gott verhungern lasse. – Dieser Sinn aber,
scheinet hier nicht in den Zusammenhang zu passen. Das würde den Teufel nicht widerlegt, sondern ihm immer noch die Antwort übrig gelassen haben;
So verwandele denn die Steine in Fische, Kräuter oder andre Nahrungs-Mittel! – „Der Mensch lebet
nicht bloß vom Brodt sondern durch jeden Befehl
Gottes“ das heißt hier also,
Gott bedarf gar keiner Mittel den Menschen zu erhalten.
Er darf nur Sprechen, so ist der Mensch genärt! Der Satan fordert,
Jesus solle bei dieser dringenden Bedürfniß, seine Wunderkraft brauchen und Steine in Brodte verwandeln.
Jesus antwortet „
Sich zu erhalten muß man nicht
Sündigen, und
Den Gott beleidigen, von dem unser ganzes Daseyn abhängt.
Ihn der nichts mehr als
Ein Wort|a542| bedarf uns zu nären; und ohne dessen Willen, die Ganze Natur uns nicht nären kan!“ –
So war auf einmahl die ganze Sophisterei des Versuchers zernichtet!
Aber, was war denn unrechtes in dem Vorschlage? In dieser rauhen Wildniß fand sich ja nichts, Jesum zu nären. Die Wunderkraft|b522| |c572| hatte er von Gott empfangen, so wie wir unsre Verstandes-Kräfte. Was konte denn sündliches darin seyn? Oder vielmehr, war es nicht Vernünftig und Gerecht, sie zur Erhaltung seines Lebens zu brauchen? So müssen wir ja, unsre Verstandes-Kräfte anwenden, bei einem Brodt-Mangel andre Mittel zu unsrer Nahrung auszufinden! – Allein, die Wunderkraft war Jesu nur dazu gegeben, die Wahrheit seiner Lehre und göttlichen Absendung zu beweisen. Johannis 5, 36. Sie also zu seiner Nahrung brauchen, das war, sie Gottes Absichten zuwider brauchen. Folglich Sünde. Gerade so, als wenn ein Reicher seinen Reichthum, bloß sich zu vergnügen, oder der Gelehrte seinen Verstand, c√ zur Untersuchung rarer und ganz unnüzer Fragen anwenden wolte!
Eher müssen wir also, Wunder von Gott erwarten, oder Umkommen, als eine Sünde thun um uns beim Leben zu erhalten. Wenn wir
durch einen ungerechten
Urtheils Spruch, wie die Richter des
Naboth ; oder wie
Joseph durch eine unzüchtige That; oder wie
Stephanus durch Verleugnung der Religion, uns von dem nahen Untergange retten, und zu ei
|a543|nem ansehnlichen Glück emporschwingen können: da müssen wir eher Umkommen, als Sündigen. Im Vertrauen auf
Den Gott, welcher nur
Sprechen darf um uns zu erhalten, und selbst unsern Todt in Leben verwandelt! – Das ist die Lehre, die wir aus dieser
Ersten Aeussern Versuchung
Jesu zu lernen haben!
|b523| |c573| {Zweite Aeussere Versuchung vers 5–7} Hierauf nahm ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt, nach
Jerusalem, welche der Siz des Tempels war, und darum diesen Nahmen füret.
Nehemiä 11, 1.
Lucä 4, 9. Der Text sagt nichts vom aufheben, und durch die Luft füren. Sie giengen beide in Gesellschaft nach
Jerusalem. Hier
fürete er Jesum
auf einen Flügel der Tempel-Gebäude. Diese lagen auf einem so hohen Berge; daß man nicht ohne Schwindeln hinabsehen konte. Ein Sprung von dort herunter in den Abgrund, muste also natürlicher weise,
Jesu das Leben kosten. –
Bist du Gottes Sohn, sprach der Teufel zu ihm, so stürze dich hinab. Denn es ist geschrieben,
{Psalm 91, 11 } Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben. Auf den Händen werden sie dich tragen, daß du deinen Fuß an keinen Stein stossest. Jesus
antwortete ihm,
Hinwiederum stehet geschrieben, {5 Buch Mose 6, 16} Du solst den Herren deinen Gott nicht versuchen.
Und warum war denn dieses eine
Versuchung Gottes? Vielmehr scheinet ein solcher Sprung im Angesicht der Stadt, ein sehr feierlicher und starker Beweis seines Messianischen Ansehens und
|a544| göttlichen Sendung zu seyn. – – So scheint es. In der That aber, war dieses
der Würde eines göttlichen Gesandten Unanständig. Luft-Sprünge thun, Wettermachen, und änliche Gaukeleien treiben; das schickt sich für einen Taschen-Spieler. Ein Gesandter
Gottes muß Wunder thun, die in allen ihren Umständen
Ernsthaft, Anständig, Ehrwürdig, Wichtig sind. Kranke durch einen Machtspruch gesund machen,
|b524| |c574| Aussäzige durch ein,
Sey Rein! auf der Stelle heilen, Todte mit einem,
Stehe auf! ins Leben zurückrufen. Solche Wunder schicken sich für einen Gesandten der Gottheit! Und nur solche hat
Jesus gethan! – „
Man muß[“],
so wieß er die Forderung des Teufels
ab, „man muß auf
den Wegen seiner Pflicht seyn, wenn man den Schuz der
Allmacht mit Grunde erwarten
will![“] – – –
Also, sich ohne Noth in Gefahr stürzen,
Dinge wagen wozu man keine Pflicht hat,
Mittel vernachlässigen die man brauchen solte; das heißt
Gott versuchen;
Ihn gleichsam auf die Probe stellen, ob
Er Allmächtig, Allweise
, Allgütig sey? Das ist –
Thörichtes Vertrauen auf Gott.
{Dritte Aeussere Versuchung vers 8–11} Abermahls fürete ihn der Teufel auf einen sehr hohen Berg; in die Wüste zurück
vers 1.
Matthäus bezeichnet auch die
Zeit-Ordnung dieser drei Versuchungen.
Zuerst die Forderung, Steine in Brodte zu verwandeln.
Alsdenn vers 5; die Versuchung auf der Tempelhöhe.
Wiederum vers 8, die auf dem Berge.
Lucas versezet sie, weil es ihm nur um die Sache,
|a545| nicht um die Zeit-Ordnung zu thun war – Auf diesem Berge
zeigete er ihm alle die mächtigen Reiche der Welt; indem er nämlich, sie nannte, und ihre Lage mit der Hand bezeichnete.
„Hier[“], sprach er etwa, – „gegen Mittag liegt das fruchtbahre
Aegypten. Dort gegen Morgen, das goldreiche
Arabien. Da gegen Mitternacht, das schöne
Syrien. Dort das mächtige
Rom. Alle diese Reiche sind mein; mir von
Gott gegeben, ohne daß
Er Sich ferner darum bekümmert (Sie
|b525||c575|he bei
Luca vers 6)“ –
Er fuhr fort, diese alle will ich dir geben, wenn du niederfälst und mich anbetest. – Durch diese höchst unverschämte Forderung eines förmlichen Gözendienstes, verrieth sich der Teufel.
Jesus merkte nun, wer sein Gesellschafter sey. Daher folgte auch die muthige Antwort, –
Weg von mir Satan! Denn es ist geschrieben,
{5 Buch Mose 6, 13} Den Herren, deinen Gott solst du anbeten, und Ihn allein verehren. – Da, nach allen diesen
vierzigtägigen Innern und Aeussern Versuchungen,
da verließ ihn der Teufel.
Die Engel aber (nämlich die heiligen)
brachten ihm Speise. vergl.
vers 2 und
Matthäi 8, 15.
{Lucä 3 und 4} Mit diesem vierzigtägigen Fasten und Entfernung in die Einsamkeit einer Wildniß, eröfnete
Jesus sein Lehramt. –
Die Fasten war etwas
Wundertätiges. Vierzig Tage und vierzig Nächte enthielt er sich
aller Speise. Sie war also ein Stück seines
Mittler Amtes.
Man kan folglich daraus gar nicht schliessen, daß auch wir Christen fasten, oder vierzig Tage fasten müssen. –
Fa|a546|sten, eine
gänzliche Enthaltung aller Nahrung auf einige Zeit, um den Handlungen der Andacht obzuliegen, waren zwar unter den
Juden sehr gewönlich, und
wurden auch von den Aposteln, so wie andre jüdische Gebräuche beibehalten. Nie aber sind sie von
Christo , oder sonst im
N. T.
anbefohlen
worden. Unser Heiland fastete gewönlich
nicht. Matthäi
11, 18. 19. Er spricht vielmehr sehr geringe von dieser ganzen
Handlung.
Matthäi 9, 14–17. Und in der That, hat es auch ganz und gar keinen Nuzen für die Seele. Bei
|b526| |c576| einem
mässigen Genuß der Nahrung, sind wir
weit besser zum Gebet und andern Handlungen der Andacht aufgelegt, als beim Fasten, welches immer einige Unordnungen im Körper verursacht, und dadurch auch die Geschäfte der Seele störet
. Der Schwelger welcher den Magen so geschwächt, daß er einer Ruhe bedarf; der Kranke dessen Körper in Unordnung gerathen, die mögen fasten, um ihre Gesundheit wieder herzustellen. Aber aus Andacht fasten, ist
unnüz und der Andacht vielmehr nachtheilig. Fasten, so daß man sich nur einiger Arten von Speise enthält, und mit andern den Magen desto stärker anfüllt, ist lächerlich, 1
Cor. 10, 25. 26. 1
Timoth. 4, 3–5. Fasten um etwas bei
Gott zu verdienen, ist Aberglaube
.
Jesaiä 1 und 58. Fasten um sich zu peinigen und seinem Körper wehe zu thun, ist Beschimpfung Gottes.
Colosser 2, 16 –
Kapitel 3, 4. 1
Timotheum 4, 1–8. – – Mit einem Wort! Verordnung des Fastens, gehöret in das Gebieth des
Arztes; aber nicht in das Gebieth des
Sitten-Lehrers, und noch weniger der
Obrigkeit.
|a547| Denn, als Arzenei eines kranken Körpers, ist es sehr nüzlich. Für die Seele aber, ganz unnüz nicht allein, sondern auch hinderlich. – An
Buß- und andern feierlichen
Tagen, Fasten verordnen, das heißt in der That, verordnen daß sie ohne Andacht, mit Zerstreuung und Schwäche des Gemüts gefeiert werden.
In Absicht des Fastens also, kan uns diese Geschichte weder Belehrung, noch Beispiel seyn. Desto mehr ist sie es aber, in andern Stücken. Wir lernen daraus die
drei grossen Lebens-Re|b527||c577|geln, welche die Summe der
ächten Weisheit sind. – 1)
Thue deine Pflicht, und sodenn überlasse dein Glück der Vorsehung. vers 3. 4. und 6. Deine Pflicht, in
jeder Absicht. Denn
{Jacobi 2, 10. 11} das
Eine Gesez
Gottes thun und ein
Andres übertreten, das heißt
sie alle übertreten. Thun wir aber unsre ganze Pflicht: so sind wir unter
Gottes Beifall. Und sodenn
wird die Ganze Natur, für uns Schuzengel. Denn
Gott darf nur
Sprechen, um uns zu nären, zu erhalten, zu beglücken. – 2)
Brauche jedes rechtmässige Mittel der Klugheit, um der Gefahr auszuweichen. – Denn die vorsäzliche Vernachlässigung dieser
Klugheits Mittel, ist Ungehorsam gegen
Gott, der sie uns gegeben, und damit auch den Befehl sie zu brauchen ertheilet.
Ist
Versuchung Gottes. vers 5. 6. – – 3)
Gottes Gnade gehe dir über Alles. vers 8–10.
Ohne sie hast du
Nichts. Mit ihr hast du
Alles.
Matthäi 6, 19–
Ende.
|a548| Diese Geschichte beruhiget auch fromme Seelen bei den
unwillkürlichen Regungen sündlicher Gedanken und Begierden. Denn sie lehret uns
in
Jesu Beispiel, daß sie ganz und gar nicht Sünde sind.
Unwillkürliche,
das heißt solche Regungen und Antriebe, die von uns
nicht verursacht, sondern verbannet;
nicht geheget, mit Lust unterhalten, sondern verabscheuet werden. Sonst sind sie nicht
Unwillkürlich; sondern unsre Schuld. Aber wenn sie das wirklich sind, da dürfen wir uns nicht darüber ängstigen. Nicht uns quälen und schrecken, daß Gedanken gegen
Gott, Triebe zum Neide, zur Rache, zur Unzucht, ohne unsre vor
|b528||c578|hergegangene Verschuldung, plözlich, als in die Seele geworfen, sich in uns regen. Denn
{vers 2} Jesus
ward vierzig Tage lang, mit dergleichen
unwillkürlichen Regungen und Antrieben bald zu dieser, bald zu jener Sünde versucht. Und dennoch war, und blieb er, der Allerheiligste, den nie eine Sünde befleckt
c√ Hebräer 4, 15. 7, 26.
Sie zeiget uns ferner –
ein zwiefaches sicheres Mittel zum Siege über alle Versuchungen an. – 1)
Gott Unwandelbahr vertrauen. vers 4.
Gott darf nur
Sprechen so ist uns geholfen. Und Er
Wird, Er
Kan uns nimmermehr sinken lassen. Dieses Vertrauen auf
Gott flösset Muth ein.
Muth aber, ist schon der halbe Sieg. – 2)
Uns einige Kern-Sprüche der Bibel so einheimisch machen, daß wir sie stets in Bereitschaft haben. –
Kern-Sprüche, sind solche Stellen, die eine vorzüglich wichtige Wahr
|a549|heit,
Kurz, und auf eine
Angenehme oder
Nachdrückliche Art lehren. Die durch irgend ein angenehmes Bild unsre
Einbildungkraft interressiren, durch Kraft in Gedanken und Ausdruck unsre
Affecten in Bewegung sezen, durch Kürze das
Gedächtniß erleichtern, und durch Schärfe im Ausdruck, tief die Seele
durchdringen. Mit solchen
Kern Sprüchen wieß
{vers 4. 7. 10} Jesus jede Versuchung ab. Und diese werden auch uns gleiche Dienste thun. Sie erhalten uns unsre Pflicht stets im Andenken; und machen uns die grossen Bewegungs-Gründe dazu empfinden. Und dergestalt geben sie uns, beides
Licht und
Kraft. Ein
Solcher Spruch der Bibel über jede unsrer
|b529| |c579| Pflichten, und jede unsrer Tröstungen, dem Gedächtniß übergeben, ist gleichsam ein
beständiger Wächter unsrer Tugend. Hundert Menschen
sind durch einen einzigen
Kern Spruch der Bibel, der ihnen zur rechten Zeit einfiel, schon an dem Rande des Verderbens gerettet; aus einem Abgrunde von Laster und Elend gerissen worden.
Endlich giebt uns auch diese Geschichte von der Versuchung unsers Heilandes und Regenten, – Trost, mächtigen Trost, bei allen Kämpfen, Gefahren und Leiden. – Selbst vom |a550| Satan ward Jesus versucht. Auf die schrecklichste Art also, und vierzig Tage nach einander. Dennoch siegete er. So schüzet Gott seine treuen Verehrer! – Und Er, unser Regent weiß nun, aus eigener Empfindung, wie uns Menschen im Leiden zu Muthe ist. Er hat durch eigene Leiden gelernt, an den unsrigen ein desto zärtlicheres Antheil nehmen. So können wir denn, mit aller Freudigkeit, mit aller Zuversicht, zu seinem Thron gehn, um Hülfe zu empfangen, für alles, wo wir Hülfe bedürfen. Hebräer 4, 14–16.