|a213| |b257| Dritter Abschnitt.
Geschichte a√.
216.
Philosophie c√, so wie alle menschliche Kenntnisse, gründet sich auf Wahrnehmung dessen, was wirklich ist, und, bey den steten Abwechslungen der Dinge, auf die Beobachtung der verschiednen Ereignisse. Wenn diese Kenntniß uns nutzbar, und c√ das Allgemeine abgezogen werden soll, um uns weiser und dadurch glücklicher zu machen: so müssen wir einzelne Ereignisse mit andern vergleichen, die zugleich oder vor- oder nachher erfolgten, kurz, sie im Zusammenhang übersehen, um zu entdecken: was war die Ursach und was die Folge eines Ereignisses? und, wenn es Veränderungen waren, die von vernünftigen Wesen bewirkt wurden, was war die Absicht? Jedes Geschehene, wenn es mit den begleitenden und auf einander folgenden Ereignissen erkannt wird, ist eine Geschichte; und eben diesen Namen legt man einer Wissenschaft bey, die uns von den Veränderungen in der Welt im Zusammenhange benachrichtigt.
|b258| |c236| 217.
Aber nicht alles, was geschiehet, ist wissenswürdig, und der ungeheure Umfang der Verän|a214|derungen in der Welt macht ohnehin eine Auswahl des Merkwürdigern nothwendig, welches entweder nach dem bestimmt werden muß, was größere und weitgreifendere Veränderungen hervorgebracht hat, oder nach dem, was denjenigen, der sich mit Aufsuchung dieser Ereignisse beschäftigt, nach seinen besondern Absichten, wozu er diese Kenntniß brauchen will, am meisten interessirt. Daher hat man angefangen, die verschiednen Arten der Ereignisse in der Welt von einander abzusondern, und daraus entstehen so viele verschiedne Theile der Geschichte. Schränkt sich diese auf solche Thaten und Veränderungen der Menschen ein, die in das Glück und Unglück der menschlichen Gesellschaft einen Einfluß haben, so heißt sie im eigentlichen Verstande Geschichte oder Historie.
Hiedurch unterscheidet sie sich von der Naturgeschichte überhaupt, und von der Naturgeschichte des Menschen insbesondere.
218.
Jedermann, wer die Geschichte kennt, muß zugestehen, daß sie eine sehr unterhaltende und höchst nützliche Wissenschaft seyn könne, und sie wird es in dem Grade wirklich seyn, in welchem sie, nebst der deutlichen und treuesten Darstellung der Begebenheiten, dem vorhin angegebnen|b259| Zweck entspricht, das heißt, zusammenhängend, und auf die Vorstellung des Einflusses derselben auf die menschliche Wohlfahrt und deren Gegentheil ge|a215|richtet ist. Sie vertritt 1) die Stelle der eignen Erfahrung, und erweitert die Kennt|c237|niß der Welt und der Menschen ungemein. So fern giebt sie die brauchbarsten Materialien, welche die Philosophie verarbeiten kan; sie macht aufmerksam auf Umstände, die dem spekulativen Kopf, der immer nach dem Allgemeinen hinsieht, gar zu leicht entwischen, und somit die Vollständigkeit der Induction, wie die Sicherheit der Analogie, verhindern; sie beugt dadurch der Unfruchtbarkeit allgemeiner Untersuchungen über die Welt und den Menschen, nebst den zu einseitigen Vorstellungen vor; sie ist eine herrliche Uebung im Untersuchen und Vergleichen; ein reiches Magazin für Philosophie der Welt und des Lebens.
219.
Doch nicht
bloßes Magazin – sondern 2) auch
Schule – der Weisheit und Klugheit, die nur
bey zufälligen oder veränderlichen Dingen
statt finden, und immer
auf Verbindung geschickter Mittel
zu guten Absichten
sehen. Die Geschichte lehrt uns, was gewisse Absichten, die sich Menschen vorsetzten, wenn sie sie auch erreichten, für gute und üble Folgen, also was für Einfluß sie auf wahre menschliche Glückseligkeit hatten; sie zeigt, wodurch gewisse Absichten bewirkt worden sind, und wie viel Grund zu diesem glücklichen
|b260| Ausschlag oder zu dem Gegentheile, entweder in den Umständen oder in dem Benehmen der Menschen
dabey, lag. Sie macht uns mit Menschen von sehr
verschiedner|a216| Art und unter sehr
verschiednen Lagen bekannt, zeigt uns die Triebfedern ihrer Handlungen, und die
Mittel, Andre am besten zu gewissen Absichten zu lenken. Kurz, sie versieht uns nicht nur mit einem
großen Reichthum nützlicher Kenntnisse, und macht uns die Umstände in der Welt und ihren Einfluß auf einander
anschaulich, sie schärft auch den praktischen Verstand,
|c238| ohne welche
drey Stücke keine Weisheit und Klugheit möglich ist. Durch den Fleiß, den man auf die Geschichte wendet,
gewöhnet man sich zur Aufmerksamkeit auch auf die
kleinste Umstände, und selbst ihren unmerklichern Einfluß, zu einer schnellen Uebersicht
derselben, und einen festen und sichern Blick auf das, was man jedesmal zu thun habe; man wird mit so vielen sonderbaren Ereignissen bekannt, daß uns
a√ unerwartete
Umstände
weit weniger befremden, und
bey vorkommenden Fällen weniger
ausser Fassung setzen; und eben
hiedurch gewöhnen wir uns, vermittelst der Geschichte, uns wirklich klug zu betragen. Es mag seyn, daß man auch ohne sie, in gewissen Arten von Geschäften, zu welchen man vorzüglich aufgelegt ist, und mit welchen man am meisten, oder
beynahe allein, umgeht, Klugheit genug erlangen könne; aber zur Klugheit für jede Art zu
handlen, zumal für die Geschäfte,
wobey uns schon viel und lange vorgearbeitet ist,
kan man schwerlich, ohne Bekanntschaft mit der Ge
|b261|schichte, gelangen, wenigstens wird die Weisheit und Klugheit, die man sich durch das Studium der Geschichte erwirbt, weiter reichen, sichrer seyn, und
|a217| mit weit weniger
eignen Schaden erworben werden, als ohne Kenntniß
der Geschichte.
220.
Wie sich aber die Geschichte hauptsächlich mit den Handlungen der Menschen, mit den zu ihrer Ausführung genommnen Maaßregeln, und mit deren Erfolge sowohl, als mit den Folgen des Betragens der Menschen beschäftigt: so kann sie c√ 3) sehr viel beytragen, Tugend zu befördern, und von Ausschweifungen zurückzuziehen. Denn sie zeigt die unausbleiblichen Folgen von beyden, sie |c239| macht unsre Pflichten durch so viele Beyspiele einleuchtender und eindrücklicher, als es alle Regeln und Beweise vermögen, und erhebet dadurch den Menschen zu edlen Empfindungen. Indem sie aber zugleich 4) den Gang der göttlichen Regierung der Welt vor Augen legt, und gleichsam die Jahrbücher derselben eröffnet, indem sie die Eitelkeit der menschlichen Anschläge, den steten Wechsel der Dinge und die wundersame Art zeigt, wie Gott überall seine weisesten Absichten durchgeführt hat, giebt sie nicht nur den Menschen Muth, Gutes zu thun, und selbst bey den größesten Hindernissen und anscheinendem mißlichen Ausgang, nie müde zu werden, sondern sie macht auch bey dem, der diesem Gang der göttlichen Vorsehung nachspüren will, einen tiefen Eindruck und Ueber|b262|zeugung von Gottes höchster Macht, Weisheit und Güte, worin der Grund zur wahren Beruhigung des Gemüths und Zufriedenheit mit allem liegt, was uns |a218| begegnet. Sofern daher alle wahre Glückseligkeit des Menschen theils auf stetem Bestreben nach Tugend, theils auf gegründeter Zufriedenheit des Gemüths beruht, und diese eigentlich von wahrer Weisheit abhängt: ist ihr ganzer Einfluß auf unsre wahre Glückseligkeit unverkennbar.
221.
Ueberhaupt aber ist
c√ 5)
Kenntniß der Geschichte bey jeder Wissenschaft unentbehrlich, so fern man entweder das benutzen
muß, was schon vor uns in einer Wissenschaft entdeckt worden ist, oder
so fern eine Wissenschaft den zu verarbeitenden Stoff, wenigstens Erläuterungen, aus der Geschichte entlehnen muß. Jenes muß man aus der Geschichte der Wissenschaften schöpfen, und wenn gleich das Studium dieser Geschichte entbehrlich scheinen möchte, weil die Ent
|c240|deckungen, wovon uns die Geschichte benachrichtigt, nach und nach schon in
den Wissenschaften selbst aufgenommen worden sind, und man das Entdeckte benutzen
kan, ohne gerade zu wissen, wie alt es
sey, oder woher es komme: so
kan doch auch die Geschichte der Entdeckungen vieles Licht auf
die Entdeckungen selbst werfen,
so fern sie uns zeigt, wie man auf
die Entdeckungen gekommen
sey, unter welchen Einschränkungen man sie gemacht, wie mit andern Lehrsätzen verbunden habe
u. d. gl.
|b263| In einigen Wissenschaften, als der Philologie, zumal
bey Lesung alter Schriftsteller, der Theologie, der Rechtsgelahrtheit, Staatswissenschaft
u. |a219| s. f.
kurz, wo sich der Inhalt, zum Theil wenigstens,
auf nicht nothwendige Dinge, sondern auf menschliche Vorstellungen und willkührliche Anstalten gründet, leuchtet der Nutzen, ja bisweilen die Unentbehrlichkeit von selbst ein; und je mehr überall die Geschichte zu Hülfe genommen wird, je anschaulicher können auch die Lehrsätze
a√, und je näher
kan ihre Verbindung mit dem gemeinen Leben gemacht werden.
222.
Soll die Geschichte wirklich die angezeigten Vortheile
verschaffen: so
muß sie 1) der strengsten Wahrheit, so weit sich diese entdecken
läßt, nachgehen, mithin auf geprüfter
Aechtheit und Lauterkeit der Quellen, woraus man schöpft, und auf geprüfter Glaubwürdigkeit der Schriften oder
Denkmahle über gewisse Ereignisse,
d. i.
darauf beruhen, ob ihre Verfasser hinlängliche Fähigkeiten und guten Willen, die gemeldeten Sachen kennen zu lernen, und sie Andern wieder
a√ mitzutheilen, besessen haben; mit
einem Wort, sie muß
kritisch seyn. Fehlt es an solchen Quellen, oder sind sie
bey einzelnen Begebenheiten mangel
|c241|haft, oder läßt sich ihre
Aechtheit, Unverdorbenheit und Glaubwürdigkeit nicht
darthun: so hat der
Geschichtforscher das Recht, durch Vergleichung der Natur der
Sachen oder durch Zusam
|b264|menhaltung glaubwürdiger
historischen Anzeigen, Vermuthungen zu wagen, die,
bey gebrauchter Vorsicht, und wenn er nicht weiter geht, als die
|a220|se
zwey Hülfsmittel ihn leiten, den Zeugnissen
an Werth nichts nachgeben, ja öfters auf die Entdeckung des
Unrichtigen oder doch Unsicheren in ausdrücklichen Nachrichten führen.
c√ Je mehr der Geschichtschreiber verräth, daß er zu gefallen und zu unterhalten suche, je weniger er sich Mühe giebt, seine Erzählung zu bewähren, und je rascher er bey Muthmaßungen verfährt: je mehr hat er den Verdacht gegen sich, daß er nicht nach Erkenntniß genauer Wahrheit gestrebt, oder sie nicht treu mitgetheilt habe.
223.
Eine
zweyte Eigenschaft der guten historischen Erzählung
würde die
Deutlichkeit seyn. Sie
wäre aber
alsdann deutlich, wenn die Begebenheiten mit ihren besondern
Umständen vorgestellet würden – wenn nichts
erwähnet würde wovon der Leser nicht einen klaren
Begriff hätte, oder ihn aus der Erzählung selbst bekommen
könnte – und wenn selbst durch die Darstellung die
Wahrheit des Erzählten
begreiflich würde.
c√ Das erste Stück, die Umständlichkeit, muß nicht mit Weitschweifigkeit oder mit Mikrologie verwechselt werden, und wäre nur so weit nöthig, als die erwähnten Umstände ein Licht auf das Ganze werfen. – Das zweyte hängt von der Bekannt|b265|schaft mit der Zeit, mit dem Ort, wo etwas geschehen, mit dem Charakter der aufgestellten Personen, und mit der Verfassung, c√ Sit|a221|ten und Gebräuchen derer ab, unter welchen etwas vorgegangen ist. Wäre |c242| dieses nicht bey dem Leser als bekannt vorauszusetzen, so müßte es ausdrücklich erläutert, oder das Erzählte so eingerichtet werden, daß man es daraus selbst abnehmen könnte. – Wenn alle Umstände so gut zusammenhängen, daß einer den andern ins Licht setzt, und sich, so zu reden, der eine aus dem andern ergiebt: so wird die Wahrheit der Erzählung einleuchtend, und der Geschichtschreiber erspart dem Leser die Ermüdung durch a√ sonst nöthige Belege, oder gar durch eine umständliche Auseinandersetzung der Gründe, warum er eine Vorstellungsart der Sache für wahrscheinlicher als die andere halte. Nur sind die Umstände selten so genau bekannt, oder so nothwendig in einander gegründet, daß man so erzählen kan, und der Geschichtschreiber muß die Gabe der Darstellung sehr in seiner Gewalt haben, wenn er so erzählen will.
224.
Sehr viel
kömmt auch
3) bey der Geschichte darauf an, daß alle Ereignisse und deren Umstände
im Zusammenhange,
d. i.
so vorgestellt werden, daß man die Ursachen und Folgen derselben einsehen
kan. Dieses setzt nicht nur den Leser in den Stand, die Sachen besser zu behalten – eine Schwierigkeit, über die so oft
bey|b266| der Geschichte geklagt
wird –; es befördert selbst die
Deutlichkeit; die Prüfung des Wahren, Falschen und
Verdächtigen; es macht die Geschichte
unterhaltend, und zur Nahrung und Uebung des Geistes.
|a222| 225.
Hiedurch wird zugleich die
vierte Tugend der Geschichte befördert, die in dem
Pragmatischen besteht.
Pragmatisch ist sie,
in so fern sie zur Weisheit und Klugheit bilden
kan. Dies kan sie aber, wenn der Geschichtschreiber immer das Interesse der Gesellschaft, deren Geschichte er liefert,
d. i.
dasjenige, wozu sie sich vereinigt hat, theils vor
|c243| Augen behält, theils
alles in Beziehung auf dasselbe vorträgt, und die Mittel bemerken läßt, wodurch sie der Vollkommenheit, wonach sie streben soll, immer näher, oder davon weiter abgebracht worden
c√. Da sich
indessen der Gebrauch dieser Mittel nach der verschiedenen Lage der Gesellschaft und
nach den nicht von ihr abhängenden Veränderungen richten, und eben danach der Werth dieser Mittel beurtheilt werden muß: so
müßte sie diese Veränderungen vorzüglich nach allen ihren Umständen darlegen; zeigen, wie man dieselben abzuwenden oder zu befördern, und wie zum Besten oder Schaden der Gesellschaft zu lenken
gesucht? wie sich
dabey die Gesellschaft durch Gesetze oder
andre Anstalten, durch deren strenge oder fehlerhafte
Beobachtung, oder auch Abänderung
genommen? und was sie
dabey für Absicht
gehabt? wie, wie weit und wodurch sich
|b267| der Geist und Charakter der Gesellschaft
gezeigt? was
einzelne Personen
dabey für
nachahmungs- oder
vermeidungswürdige Beyspiele gegeben? und was alles
dieses und wie weit es auf die Wohlfahrt oder die Verschlimmerung
|a223| der Gesellschaft überhaupt oder
einzelner Theile
derselben, gewirkt
habe?
Anm.
1. Ich bin in Bestimmung des
Pragmatischen dem Begriffe der
Alten gefolgt, und habe ihn nur etwas erweitert, um ihn nicht bloß der bürgerlichen Gesellschaft anzupassen, sondern auch auf
andre Gesellschaften, auf die Menschheit, auf die Kirche
u. s. f.
auszudehnen.
S.
Isaaci Casauboni Commentar. in
Polybium Tom.
I.
p.
742
seq.
und 721
sqq.
Was hier von der Geschichte der Gesellschaft gesagt ist, gilt auch in seiner Art von der Geschichte der Religion und der Wissenschaften. Uebrigens versteht sichs, daß der Geschichtschreiber nicht
c√ Weisheit und Klugheit und
c√ damit
verbundne übrige Tugend müsse vorerklären wollen, sondern die Begebenheiten so
c√ stellen
c√, daß
c√ der Leser sie
c√ daraus
schöpfen lerne. Höchstens darf er durch
schickliche angebrachte
Sentenzen – die der Würde der Geschichte um so angemessener sind, je weniger sie ins Gemeine
fallen – oder durch
Winke, welche oft, wie
bey dem
Tacitus zum Beyspiel, in
einzelnen Worten liegen können,
oder, – wenn die
bloße Erzählung der Begebenheiten nicht deutlich genug die Uebersicht des Ganzen befördern, oder zu sehr durch allgemeinere Anwendungen unterbrochen werden würde,
– durch
|b268| besondre ausführliche Abschweifungen
(Digressionen), des Lesers Aufmerksamkeit auf das lenken, was zu dieser Absicht
dienet.
Anm.
2. ⌇⌇c Was einige Neuere
Philosophie der Geschichte nennen, scheint im Grunde nichts Anderes als dieses
Pragmatische zu seyn;
und was man
historische Kunst
nennt, ist eben die Geschicklichkeit, die bisher angeführten Tugenden oder Haupteigenschaften, wenigstens die
|a224| drey letztern, einer Geschichte zu geben. Die erste Tugend, Wahrheit, ist mehr der Gegenstand der
Geschichtsforschung.
226.
Die Geschichte hat einen ungeheuren Umfang. Wollte man nicht auf ihre einzelne Theile einen ganz besondern Fleiß wenden: so würde immer ein sehr dürftiges Ganze herauskommen; man könnte vieles nicht deutlich machen, noch das Merkwürdigste ausheben, wo man nicht das Auslesen hätte, und also vieles und vielerley von der Geschichte wüßte; und wenn vollends die Geschichte zusammenhängend und pragmatisch vorgestellt werden soll: so gehört c√ nothwendig eine ausführliche und selbst ins Kleine gehende Erkenntniß dazu. Aber aus den Theilen muß man doch auch ein wohl concentrirtes Ganze bilden können, um sich eine allgemeine Uebersicht der Weltveränderungen zu verschaffen, um die Geschichte der menschlichen Gesellschaft überhaupt zu verstehen, um einen allgemeinen Faden zu ha|c245|ben, daran |b269| man die besondere Geschichte knüpft. Dieses alles hat Gelegenheit zu gewissen Abtheilungen der Geschichte gegeben.
227.
Man
kan diese
theils nach den besondern Arten der Veränderungen machen, deren Geschichte man sucht,
theils nach dem weitern oder engern
Umfang der Geschichte. In jener Rücksicht ist die
|a225| Abtheilung in
bürgerliche, Religions- und Kirchengeschichte, und in
Literärgeschichte entstanden, je nachdem man
dabey auf die Veränderungen der bürgerlichen Gesellschaft, oder der
Religion, und der zur Aufklärung und Uebung derselben zusammengetretenen Gesellschaften, oder der
Wissenschaften, seine Absicht gerichtet hat. Alle
drey laßen sich wieder nach gewissen Hauptperioden,
z. B.
die uns bekannte Geschichte in die
ältere, (bis auf den Anfang des 9ten Jahrhunderts nach Christi
Geburt, oder
besser, bis auf die
große Völkerwanderung im 4ten
c√ Jahrhundert), in die
mittlere (bis auf den Anfang des 16ten
Jahrhunderts) und in die
neuere, theilen. Nach dem weitern oder engern Umfang
aber pflegt man, wenigstens
bey der bürgerlichen Geschichte, die
allgemeine Weltgeschichte (Universalhistorie) und die
besondre zu unterscheiden, welche
letztre freylich, nach
den verschiedenen
Umfang der Zeit oder der Gesellschaft und Wissenschaft, wieder sehr viele Abtheilungen leidet.
|b270| 228.
Wenn es dem, der Theologie studieren will, andre Beschäftigungen, die seinen Fleiß fordern, nicht erlaubten, sich in das so gar weite Feld der Geschichte zu wagen: so sollte er doch, als cultivirter Mensch, als Christ und Reli|c246|gionslehrer, als Gelehrter und Bürger, in der allgemeinen Weltgeschichte, der Religions- Menschen- und Li|a226|terärhistorie und in der Geschichte seines Vaterlandes, kein Fremdling seyn; zumal wenn, wie billig scheint, jeder, der Anspruch auf Cultur macht, wenigstens überhaupt und in dem Theil der Geschichte, die ihn am nächsten angeht, nicht ganz unwissend seyn darf, und gemeiniglich der Unterricht darin denen anvertrauet wird, die sich dem Studium der Theologie gewidmet haben.
c√ Alle Menschen wollen gern wissen was geschehen, woher das gekommen, was daraus geworden sey? Dieser natürliche Trieb zur Geschichte und zur Philosophie darüber zeigt sich schon bey Kindern und bey dem gemeinen Mann. Hierin liegt der Grund zu aller Cultur; so wie diese zunimmt: so wächst auch die Begierde, diese Kenntniß zu erweitern; nur daß freylich jeder nach dem wißbegierig ist, was ihn am meisten interessirt. Ganz gleichgültig also gegen Geschichte, und auch nicht einmal begierig nach Kenntniß Einer Art der wahren Geschichte seyn, verräth einen Menschen, der entweder sich um nichts bekümmert, als um sich und seine Bedürfnisse, nicht um Andre, um ihr Schicksal und ihre Unternehmungen, die doch selbst auf sein eignes|b271| Glück und Unglück einen Einfluß haben können, a√ kurz, der keinen rechten Sinn für das menschliche Leben und die Gesellschaft hat, oder der wirklich überall keiner wahren Cultur fähig ist.
229.
Wie man die Geschichte und deren
angegebne Theile am vortheilhaftesten studieren
solle? – das heißt entweder, auf
welche Eigenschaften der
|a227| Geschichte
man sehen, zu welchem
Zweck man sie studieren
müsse? oder wodurch man
sich dieses Studium erleichtern könne? – In jenem Fall
muß die Absicht
nicht bloß auf die Befriedigung der Neugier, der Eitelkeit und des Triebes nach
Vielwissen, oder
auf angenehme
Zeitkürzung und Unterhaltung der Einbildungskraft gehen,
c√ sondern auf Erreichung des höhern Nutzens, der §.
218 f.
angegeben
ist; und alsdenn wird man aus dem, was gesagt worden ist, leicht abnehmen können,
aus welchem Gesichtspunct man sie studieren müsse.
Mit diesen Regeln muß man das Studium guter Geschichtschreiber
verbinden. Als
Geschichtsforscher (§.
225 Anm.
2.), in Absicht auf
Wahrheit, und selbst Deutlichkeit,
möchten deutsche Geschichtschreiber schwerlich übertroffen werden; in Absicht auf historische Kunst sind die Alten,
Thukydides , Polybius , Livius , Plutarch , Tacitus , und unter den
Neuern
Sleidan ,
de Thou, (Thuanus),
Voltaire ,
Hume ,
Robertson ,
Gibbon ,
Raynal ,
Barthelemy ,
Johann c√ Müller , c√
Schiller und wenige
Andre, freylich bessere
|b272| Muster, wenn nur einige unter ihnen eben so sorgfältig nach Wahrheit, der eigentlichen Seele der Geschichte, gestrebt,
c√ und sie
nicht der angenehmern Unterhaltung so oft aufgeopfert hätten.
230.
Hat aber die Frage den andern Sinn: so betrift sie mehr die Methode und die Hülfsmittel, und dabey möchten folgende Vorschläge nicht undienlich seyn.
Anm.
1. Man sieht aber wohl, daß dieses nicht eine Anweisung für Geschichtsforscher
, oder für
|a228| solche seyn solle, die sich mit vorzüglichem Fleiß dem Studium der Geschichte widmen, und, wie
alsdann nöthig ist, aus den Quellen schöpfen wollen; sondern für die, welche entweder den ersten Grund hierin legen müssen, oder sich mit der Geschichte mehr als einem Nebenwerke, oder nur so weit beschäftigen, als zur bessern Kenntniß der übrigen, namentlich der theologischen Wissenschaften, nöthig ist.
Anm.
2. Die Religions- und Kirchengeschichte wird hier ganz übergangen; weil ihr unten in einem andern Abschnitt ein
besondrer Platz bestimmt ist.
Anm.
3. Ueberhaupt muß derjenige, der sich mehr auf die Geschichte
einlaßen kan und will, zuerst diejenigen Schriftsteller zu Rathe ziehen, welche ein Verzeichniß der dahin gehörigen allgemeinen und besondern Werke und Schriften geliefert haben. Hat er dadurch die besten Geschichtschreiber in den
|b273| verschiedenen Arten der Geschichte kennen gelernet, so muß er sich, wenn er weiter gehen will, an diejenigen halten, die von diesen als gebrauchte Quellen oder Hülfsmittel sind angegeben worden. Für Geschichte überhaupt, oder eigentlich für bürgerliche Geschichte, ist das vollständigste Werk die Bibliotheca historica, instructa a
Burc. Gotthelf Struvio , aucta a
Christ. Gottlieb Budero , nunc vero a
Jo. Georg. Meuselio - - amplificata, wovon bis jetzt
5 Volumina, jedes von 2 Theilen, Lipsiae 1782 bis 1791
in
gr.
8. erschienen
sind. Die Budersche
Ausgabe des ganzen Werks war Jenae
1740
in 2 Bänden in
groß Oktav herausgekommen.
231.
Vor allen Dingen müßte man sich zu orientiren suchen, d. i.
sich bekannt machen wo? und |a229| wenn die Veränderungen, welche die Geschichte lehren soll, vorgegangen wären, also zuvörderst den Schauplatz kennen lernen. Ohne vorläufige Kenntniß der
Geographie sollte man nie wollen Geschichte
studieren. Diese vorläufige
Arbeit brauchte nur auf das
Allgemeinere zu gehen; weil sonst die Menge der Sachen zerstreuen, oder unnöthig aufhalten,
vieles auch nicht einmal verständlich, oder dessen Nutzbarkeit begreiflich seyn würde, was erst durch die Geschichte aufgeklärt werden muß. Vorzüglich
müßten unter den wichtigsten Oertern die
natürlichen Abtheilungen der Erde durch Meere, Flüsse und
Gebürge bemerkt werden, als welche die beständigsten sind, woran
|b274| sich auch größtentheils die Abtheilungen der Völker und die wichtigsten Städte geschlossen haben, von wo aus selbst die Verbindungen und die Ausbreitung der Völker gegangen sind.
c√ Weil die neuere Beschaffenheit der Länder uns näher angeht, und man von ihr mehr wissen
kan als von der vorhergehenden: so
würde man
c√ von der
neuern Geographie anfangen, und
c√ so zur
mitlern und
ältern fortgehen. Es versteht sich, daß
man stets die besten Landcharten, die man bekommen
kan, vor sich haben müsse.
Bey der
neuern Geographie könnte man der vollständigern Kürze wegen
J. E. Fabri Handbuch der neuesten Geographie,
dritte umgearbeitete Aufl.
Halle
1790
gr.
8. und zur Erweiterung in Absicht auf Europa und einen Theil von Asien,
A. F. Büschings Auszug aus seiner Erdbeschreibung, 5te vermehrte Auflage, Hamburg 1780 in 2 Theilen in 8. und 6ste
Aufl.
des ersten Theils,
1785
, zum Grunde legen
; noch mehr aber, wenn die Geographie vorzüglich zum Behuf der Völkergeschichte studiert werden soll, J. C. Gatterers kurzen Begriff der Geographie, Göttingen 1789
in 2 Oktavbänden, weil er sich neben der Land- auch auf Völkerkenntniß erstreckt, und sie mit großer Sorgfalt classificirt. – In der
mittlern Geographie haben
|a230| wir
eigentlich noch
gar nichts
Allgemeines, das einigermaßen, nebst Richtigkeit, vollständig heißen könnte. D'Anville Handbuch der
mittlern Erdbeschreibung - - nebst einer Landcharte von der
mittlern Geographie, Nürnberg
1782
|b275| in
gr.
8.
ist bis jetzt das einzige zuverläßige, um sich in den für die Geschichte wichtigsten europäischen Staaten, seit der großen Völkerwanderung, überhaupt orientiren zu lernen, ob es gleich kaum über das achte Jahrhundert hinausgeht. – In der
ältern Geographie kan für den Anfang das §.
140 erwähnte Handbuch zum Gebrauch der d'Anvillischen Landcharten dienen,
womit man stets den vortreflichen Atlas antiquus
Danvillianus verbinden muß, welcher, mit Inbegriff der Tabulae medii aevi, 12 Charten in sich
faßt. – Von dieser vorläufigen geographischen Kenntniß muß freylich vieles erst hinterher durch die Geschichte vollständiger und deutlicher, und der Abgang solcher Landcharten, welche die Länder nach gewissen besondern Zeiten vorstellen, durch die ersetzt werden, die sich bey manchen genauern Abhandlungen über die Geschichte
einzelner Reiche zu gewissen Zeiten
befinden, und hier nicht
können besonders angegeben werden
a√.
232.
Nach dieser vorläufig erlangten Kenntniß
müßte der Anfang von Erlernung der Geschichte selbst mit einer allgemeinen Uebersicht derselben, also mit der
allgemeinen Weltgeschichte (§.
227 ) gemacht werden
, wenn man einen Unterricht finden kan, der dieses Namens würdig ist. Liegt
bey dem Studium der Geschichte keine solche allgemeine Geschichte zum
Grunde: so
kan man sich in Absicht auf
Zeit (§. 231 ), wohin jedes ge
|a231|hört, nicht wohl finden, ja selbst oft nicht einmal
|b276| in Absicht auf die Länder, wo etwas vorgefallen ist, weil diese, nach verschiedenen Veränderungen in der Geschichte, auch
andre Namen, einen andern Umfang,
andre Cultur
u. s. f.
bekommen haben.
Ueberdies greift
jede besondre Geschichte in
andre, ohne deren Kenntniß auch jene nicht deutlich ist, zumal wenn man die Ursachen von besondern Veränderungen in Einem
Staat wissen will, die Ursachen mögen vorhergehende oder mitwirkende seyn. Denn dazu ist Kenntniß vorhergehender oder gleichzeitiger Staaten nöthig, und, da man die Geschichte dieser
einzelnen Staaten doch nicht auf
einmal lernen
kan: so ist keine
andre Hülfe als von der
allgemeinen Weltgeschichte zu erwarten. Auch muß man sich gleich
Anfangs an Bemerkung des Zusammenhangs in der Geschichte gewöhnen (§.
224 ), und lernen das Wichtigere von dem Unwichtigern
zu unterscheiden
c√, um über dieses nicht jenes zu
vernachläßigen; aber eben diesen Zusammenhang lehrt jene allgemeine
Geschichte, und sie macht uns auf das Gewicht und den Einfluß eines Staats und
|c251| dessen
Veränderungen auf gleichzeitige und spätere Veränderungen aufmerksam. Selbst der Blick erweitert sich durch dieses
eröffnete weite
Feld, und macht einen
größern Eindruck von
c√ der Wichtigkeit
der Geschichte überhaupt, welches die Lust,
sie zu
studieren, sehr befördert.
c√ Man kan einen solchen allgemeinen Entwurf entweder vorher zur Einleitung in die noch ganz unbekannte Geschichte, oder nachher, wenn man |a232| schon |b277| mehrere einzelne Theile derselben sich bekannt gemacht hat, zur deutlichern und zusammenhängendern Uebersicht brauchen. Hier ist er nur in der erstern Absicht angenommen. Freylich muß der, wer einen solchen guten Unterricht über die allgemeine Weltgeschichte geben soll, vorher die Spezialgeschichte kennen gelernet haben; aber das braucht der nicht, der sie, noch vor der Hand, nicht untersuchen, sondern lernen will, um c√ eine allgemeine Geschichtcharte zu besserem Verständniß der Spezialcharten zu haben.
233.
Es müßte aber eine Geschichte,
die diese Absichten erfüllen
sollte, a) bey allem Reichthum der Sachen,
a√ zweckmäßig kurz seyn,
d. i.
nichts enthalten, was nicht entweder zur Kenntniß eines ganzen Theils, Volks oder Staates und dessen
merkwürdigerer Veränderungen, oder zur Kenntniß des Einflusses desselben auf
andre ganze Theile, Völker oder Staaten,
diente, und
b) doch hinlänglich zur allgemeinen Kenntniß dieser
zwey Stücke. Sie
müßte sich
c) leicht im Zusammenhange übersehen, und
d) zum zukünftigen beständigen Gebrauch
bey der
Spezialgeschichte, sowohl als zur Festhaltung des Totaleindrucks, leicht behalten
laßen.
|c252| 234.
Unmöglich ist es, das Ganze deutlich zu übersehen, ehe man nicht vorher dessen
einzelne Haupt
|a233||b278|theile kennen
gelernt hat. Also sind gewisse Gränzen oder Abschnitte nöthig, und diese werden
bey der Geschichte
entweder durch die Zeit
oder durch die Gegenstände,
z. B.
durch die
verschiednen Völker, bestimmt, mit welchen sich die Geschichte beschäftigt. Jenes würde die
chronologische, dieses die
synthetische Anordnung seyn.
Bey der
erstern kan man die Weltveränderungen in die Länge oder Breite,
d. i.
entweder so stellen, wie sie
nach einander, oder wie sie
neben einander erfolgten; im erstern Fall
würden sie eigentlich
chronologisch, im
zweyten synchronistisch geordnet.
Bey der
andern aber
käme es
auf das an, was man zum
Hauptgegenstand machen will, ob das Schicksal der
Cultur, und was dazu gehört, oder der
Länder, oder der Völker. Alle diese Methoden
laßen sich verbinden. In einer allgemeinen Weltgeschichte, wo es am meisten auf leichte Uebersicht und Zusammenhang
ankommt, ists ohne Zweifel am besten, gewisse
Hauptveränderungen in der Welt
c√ als Epochen oder
Ruhepuncte anzunehmen, und darnach verschiedene
Perioden zu
machen, (die man nachher, wenn sie zu lang, und zu voll von merkwürdigen Revolutionen sind,
wieder, nach eben dem Fuß, abtheilen
kan), in jeder aber die wichtigsten Völker (im politischen
Verstande, oder in Einem Staatskörper vereint) und ihre
Geschichte, besonders, und daneben den Fortgang der Cultur
überhaupt, oder
bey jedem
insbesondre, aufzustellen.
- |a234| |b279|
Weltgeschichte von A. L. Schlözer , Erster Theil, a√ in der Einleitung, sonderlich S.
79–119.
Anm.
Um das
Vielerley bey diesem ersten anfänglichen Unterricht zu vermindern, sollte wohl die Geschichte der ei
|c253|gentlichen Cultur, wenigstens die Geschichte der Religion,
so fern sie nicht zur
äusserlichen Verfassung gehört,
c√ der Wissenschaften und der Künste, von der Geschichte der Völker und ihrer Verfassung geschieden, und eine Universalgeschichte der Religion
u. s. w.
besonders entworfen
werden. Indessen hängen
freylich auch die
Völkerverändrungen von den
Verändrungen ihrer Cultur ab, und die
Polizirung der Völker läßt sich schwerlich ohne die innere Cultur vorstellen; auch benimmt die Geschichte der Cultur der
bloßen Völkergeschichte das Trockne, und macht sie lehrreicher.
Ohnehin schränken sich die Entwürfe zur allgemeinen Weltgeschichte gemeiniglich nur auf die äussere Cultur ein.
235.
Eine solche bisher erwähnte allgemeine Uebersicht der Geschichte zu erlangen scheint vor dem ersten Anfang nichts dienlicher, als die schon genannte Schlözerische Weltgeschichte,
Erster Theil, Göttingen 1785, Zweyter 1789
in 8. oder, da
diese noch nicht vollendet ist,
Schlözers Vorstellung der Universalhistorie,
zwote Aufl. Göttingen
1775
in 8. Aber sie enthält doch mehr Plan zur allgemeinen
Weltgeschichte, als
eine eigentliche Darstellung derselben. Diese letztere |b280| findet man ganz vorzüglich in |a235| |c254| ⌇c Joh. Christoph Gatterers a√ Weltgeschichte in ihrem ganzen
Umfange, Erster Theil, Göttingen 1785, Zweyter 1787
in gr.
8, die sich, durch ihren großen zusammengedrängten Reichthum von Sachen und selbst vielen neuen Aussichten, durch den überall sichtbaren Forschungsgeist, durch eine ungemein lehrreiche Darstellung und stete Verbindung nicht nur der verschiednen Völker mit einander, sondern auch ihrer Cultur und Verfassung mit ihrer Geschichte, vor so vielen andern auszeichnet. Sie geht aber, so weit sie heraus ist, nur bis zur
Zertrümmerung des persischen Reichs durch Alexander , mit einem Entwurf des Ursprungs und der Verfassung der griechischen Staaten. Man müßte also das Uebrige aus dessen Abriß der Universalhistorie in ihrem ganzen Umfange,
zwote Ausgabe, Göttingen
1773
in 2 Octavbänden ⌇c ergänzen.
Da sich aber auch dieser Abriß mit der Entdeckung von Amerika endigt: so könnte man, in Absicht der neuesten Geschichte den ⌇a Grundriß einer Geschichte der merkwürdigsten Welthändel neuerer Zeit - - von Joh. Georg Büsch , zweyte und umgearbeitete Ausgabe, Hamburg 1783
in 8, oder den Krausischen Grundriß (§. 240 ) zu Hülfe nehmen. Das reichhaltigste und wohlgeordnetste Handbuch über die ganze Universalgeschichte scheint mir doch die ⌇c
Anleitung zur Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völkergeschichte, von Christian Daniel Beck , Erster Theil, Leipz. 1778, Zweyter 1788
in gr.
8, bis jetzt zwar nur bis auf die Theilung der Carolingischen Mo|b281|narchie fortgeführt, eben so wie ⌇c Desselben kurzgefaßte Anleitung zur K. d. a. W. u. V. Geschichte, ein Auszug aus dem grössern Werke, Erster Theil, 1789
in gr.
8, der, bey aller Vollständigkeit, zu einer kürzern Uebersicht noch brauchbarer ist. Aber das Zurückgebliebene kan man vor der Hand durch ⌇c Desselben Entwurf der allgemeinen W. u. V. Geschichte der drey letzten Perioden (bis auf die neueste Zeit), Leipzig 1790
in 8. ersetzen. ⌇⌇c Diese Beckische Anleitung, Auszug und Entwurf erstreckt sich nicht nur auf dem politischen, sondern auch auf dem moralischen und literarischen Zustand der Welt in verschiednen Zeiten und unter verschiednen Völkern; sie ist recht eigentlich für Stu|c255|dierende auf Akademien, freylich nicht für gemeine, geschrieben, ausnehmend reich an Begebenheiten, an den neuesten und besten Entdeckungen in der Geschichte, und an literarischen Notizen, und, wenn man sich erst einmal in die darin beobachtete Ordnung gefunden hat, sehr bequem, sich in dieses Buch oder nach demselben das einzutragen, was man nachher, bey dem weitern Studium der Geschichte, von Entdeckungen und dahin einschlagenden Schriften findet. c√
236.
Diese allgemeine Uebersicht kan ungemein erleichtert, anschaulicher gemacht, und der
|c256| Eindruck so
verschiedner Perioden und Völker, nebst ihrem Verhältniß gegen einander, lebhafter und dauerhafter
, zugleich aber die gar zu leichte Verwir|b282|rung in einer Wissenschaft von so ungeheurem und mannichfaltigem Inhalt verhindert werden, wenn man theils
bey jener kurzen allgemeinen Weltgeschichte, theils noch mehr nach Vollendung derselben, sowohl gute
chronologische Weltcharten, als auch
synchronistische Tabellen zu Hülfe nimmt.
Beyderley Arten enthält die
Gattererische ⌇c Synopsis historiae
vniuersalis sex
tabulis - - comprehensa, der verbesserten
Ausgabe, Göttingen
1769
gr. fol.
In der letztern Art ist
⌇c
Theodor Bergers synchronistische Universalhistorie der vornehmsten
europ. Reiche
etc.
|a236| nach der
6sten von
Wolfg. Jäger verbesserten Ausgabe, Coburg
1781
fol.
⌇c vorzüglich
nutzbar; noch weitreichender aber sind für die ganze Universalhistorie die
Blairschen Tafeln, die schon zu London 1756
, und wieder 1768
unter dem Titel ⌇c The Chronology and History of the World - - in LVI Tables, by John Blair , ⌇c in Kupfer gestochen, mit 14 Landcharten herauskamen, und nun endlich auch deutsch übersetzt: (J. Blairs synchronistische Tabellen für die allgemeine Weltgeschichte, von Erschaffung der Welt - - fortgesetzt bis auf
Leopold II. von Heinr. Joseph Watteroth ,) Wien 1790
in zwey Theilen in Querfolio ⌇c erschienen sind. – ⌇⌇c Unter den nicht minder nothwendigen genealogischen Tabellen sind ⌇c
J. C. Gatterers Stammtafeln zur Weltgeschichte, wie auch zur europäischen Staaten- und Reichshistorie, ⌇c mit dem größesten Fleiße entworfen. Die erste Sammlung derselben, von 32 Tafeln, ist zu Göttingen 1790
herausgekommen. c√
|b283| 237.
Ehe man zur Spezialgeschichte
fortschritte, oder ehe man
, wenn man wollte, sich um eine ausführliche allgemeine Weltgeschichte
bewürbe, oder wenn man sich auch
bey der Spezialgeschichte nicht auf die Geschichte mehrerer Staaten
einlaßen könnte: würde man nicht ohne Vortheil
ein Werk zu Rathe
ziehen können, das mehr als bloß allgemeine Uebersicht
gäbe, und doch nicht zu weitläufig
wäre, zumal wenn
es zugleich die Geschichte pragmatisch
darstellte. Dieses würde jenen allgemeinen Entwurf noch unterhaltender, und die gelernten Sachen durch etwas mehrere Umständlichkeit noch behältlicher machen, zugleich aber Vorbereitung auf die Spezialgeschichte und auf das pragmatische Studium der Geschichte seyn.
Bis jetzt hat man schwerlich ein besseres und zu diesem Zweck dienlicheres Werk dieser Art als die
Elemens de l'histoire generale par l'Abbé Millot , welche seit 1772
mehrmals, z. B.
zu Bern 1775 in 9 Bänden gr.
12. aufgelegt, und in der deutschen Uebersetzung:
Millot Universalhistorie alter, mitler und neuer Zeiten, mit Zusätzen und Berichtigungen bis auf gegenwärtige Zeit fortgesetzt von Wilh. Ernst Christiani , a√ Leipzig 1777–91
in 12 Theilen in gr.
8., noch vollständiger, und selbst mit einer kurzen Kirchengeschichte vermehrt worden sind.
Der Gebrauch eines solchen Werks wäre auch um so mehr anzurathen, da die §.
235 gedachten
|a237| vortreflichen Entwürfe theils meistens zu Vorlesungen
|b284| bestimmt, und für den
a√ Anfänger nicht ganz verständlich sind, theils
einzelne feine Bemerkungen schon in die Spezialgeschichte schlagen, und nicht für ihn sind, der ihren
großen Werth noch nicht zu schätzen weiß.
238.
Nunmehro wäre es Zeit, zur Spezialgeschichte fortzugehen, und dieses um so mehr, da die meisten besten Entwürfe der allgemeinen Weltgeschichte auf die gerade a√ für uns wichtigste neuere Geschichte nicht gekommen sind, oder sie mit zu wenig Vollständigkeit vorgetragen haben. Wer die Geschichte, wie hier vorausgesetzt wird, nur nach Nothdurft studieren muß, wird schwerlich in der allgemeinen Weltgeschichte weiter gehen können, und sich mit einer weitern Kenntniß weniger Theile der Spezialgeschichte begnügen müssen, und wer auch darin weiter gehen will, wie kan der a√ anders dazu gelangen, als durch das Studium der Geschichte einzelner Staaten?
239.
⌇⌇c Unter den Theilen dieser Spezialgeschichte ist ohne Zweifel – wenn nicht
besondre Umstände eine Ausnahme erfordern,
z. B.
die alten Schriftsteller
vorerst das Studium der griechischen und römischen Geschichte
c√ nothwendig
machen, – die
neuere, bey dieser die europäische, und besonders die
vaterländische Geschichte,|a238| die nöthigste. – Sie geht uns am nächsten an, und so fern wir größ|b285|tentheils die ältere und ausländische Geschichte lernen
wollen, um den heutigen Zustand der Welt gründlich aus dem vormaligen zu
erkennen, verhält sie sich zu jener wie Zweck zu Mitteln; man
kan selbst vieler, vielleicht der meisten Begebenheiten des Alterthums
|c258| und des Auslandes unkundig seyn, ohne daß
uns deswegen die neuere und vaterländische Geschichte
undeutlich ist. – Und wenn die Geschichte hauptsächlich Klugheit und
unsre Sitten bilden soll,
dabey aber Denkart, Charakter, Bedürfnisse, Anstalten und Umstände erfordert werden, die denen am nächsten kommen, welche die Geschichte
darstellt: so muß
die erwähnte Art der Geschichte nothwendig im Ganzen mehr Einfluß auf
unsre Bildung als jene haben.
– Selbst, wegen der meist
mehrern Gewißheit der Zeitrechnung und der
einzelnen Begebenheiten, so wie
wegen des Reichthums der Nachrichten, hat sie weniger Schwierigkeiten,
c√ giebt mehrere
Zuverläßigkeit, nöthigt
c√ weniger, uns bey unbeträchtlichern Sachen
c√ aufzuhalten, erlaubt mehrere Wahl der Ereignisse, entdeckt mehr die Ursachen und Folgen derselben, und
gewährt einen deutlichern Zusammenhang.
240.
Man fange
also auch hier wieder mit
der vorläufigen allgemeinern Uebersicht an, ohne welche die vaterländische Geschichte eben so wenig recht verständlich
ist, und lehrreich genug
kan gemacht werden
c√, als die Geschichte
besondrer europäischen Staaten, ohne
c√ Kenntniß derer, aus de
|b286|ren Trümmern sie entstanden sind. Bloße allgemeine Weltgeschichte, die schon im Vorhergehenden, als voraus bekannt, angegeben ist, reicht hier nicht ganz zu, weil sie, nach ihrem
Zweck eine
allgemeinere Uebersicht der Geschichte zu geben, sich in keine nähere Darstellung (Detail)
einlaßen kan, und doch die Kenntniß solcher nähern Umstände, selbst oft kleiner Ursachen großer Weltveränderungen, erfordert wird, wenn man die Geschichte
besondrer Reiche und Völ
|c259|ker
verstehn, und, wie sichs gehört, in einem lehrreichen
Zusammenhang übersehen will.
c√ Eine solche vorläufige genauere Einleitung und selbst Uebersicht der neuern europäischen Staatengeschichte, die man von der sogenannten großen Völkerwanderung an rechnen
kan, ist vorzüglich der
⌇c Grundriß der Geschichte der jetzigen, besonders der europäischen Staaten, von
J. C. Krause, Halle 1788.
in gr.
8; ⌇c und, da doch so viel auf eine genügliche und wohlgeordnete Darstellung der
merkwürdigern Veränderungen und ihrer Ursachen, so wie der
Verfassung der aus oder neben einander
entstandnen Völker und
Staaten, ankommt, zu deren
c√ vielen Liebhabern der Geschichte Zeit und Hülfsmittel fehlen,
⌇c Desselben bündige und lehrreiche Geschichte der wichtigsten Begebenheiten des heutigen Europa,
wovon bis jetzt drey Bände in gr.
8. Halle 1789–91.
herausgekommen sind.
241.
Hiedurch vorbereitet schreite man zu der Geschichte des gemeinsamen Vaterlandes,
zu der
Ge|b287|schichte Deutschlandes,
fort. Diese Geschichte ist etwas An
|a239|deres als Geschichte der deutschen Regenten und Häuser, oder deutsche Reichsgeschichte, so sehr auch
beyderley Geschichte oft in einander fließt. Wie sind die Deutschen
das worden, was sie sind? die cultivirte Nation
c√? Dies zu
wissen ist doch noch allgemein nützlicher, als jenes, so unentbehrlich auch jene Geschichte
ist, die Geschichte der Nation kennen zu lernen.
c√ Noch ist ⌇ac
Michael Ignaz Schmidts Geschichte der Deutschen,
c√ Ulm
1778–91
, bisher in
10 Theilen in gr.
8. und der erste Theil verbessert aufgelegt 1785
, eigentlich ⌇a das einzige Werk dieser Art. – ⌇⌇c Zur Kenntniß der deutschen Reichs- oder vielmehr
Kaisergeschichte, haben wir nichts, was, eben sowohl in richtiger und lehrreicher Darstellung als in bündiger Kürze,
Christoph Gottlob Heinrich's teutsche Reichsgeschichte überträfe, (die eigentlich den 9ten Band der Allgemeinen Weltgeschichte nach Guthrie , Gray und Andrer Plan ausmacht), wovon bisher drey Theile, Leipz. 1787–89
in gr.
8. (bis auf Kaiser Karl IV. ) erschienen sind. Ausführlicher ist schon, obgleich mehr eine kritische Zusammenstellung als pragmatische Zusammenordnung: ⌇a
Die allgemeine Welthistorie in einem vollständigen und pragmatischen Auszuge - - verfertigt von Franz Dominicus Häberlin . Neue Historie, Halle 1767–73
, in 12 Bänden in gr.
8. Doch wird sie erst vom 11ten Jahrhundert an beträchtlich a√, und geht nur bis 1546, wo Desselben neueste teutsche Reichsgeschichte anfängt, die bisher (die Fortsetzung R. K. Freyherrns von |b288| Senkenberg mit eingeschlossen) in 21 Bänden besteht, Halle, 774–90
und bis zum Schluß des 16ten Jahrhunderts führt, aber dem hiesigen Zweck nicht angemessen ist. ⌇⌇a Zu einer guten Ergänzung der in
jener Allgem. Welthist. äusserst kurz berührten ältern Geschichte des teutschen Reichs, könnten der ⌇a Versuch einer Geschichte Kaiser Karls des Großen , Leipz. 1777.
8, Geschichte der fränkischen Monarchie von dem Tode Karls des Gr. bis zu dem Abgange der Karolinger, Hamburg 1779
gr.
8, und Geschichte der Teutschen von Konrad I. bis zu dem Tode Heinrichs II. , von D. H. Hegewisch , ebendas.
1781
gr.
8. ⌇a gebraucht werden, die alle von Einem Verfasser sind. Aber wer giebt uns eine zu dem hiesigen Zweck dienende Geschichte des 16ten, 17ten und 18ten Jahrhunderts?
242.
Diese
deutsche Geschichte recht zu
verstehn und zu beurtheilen,
müßte man wenigstens einen allgemeinen
Begriff von der deutschen Staatsverfassung haben, oder die deutsche
Staatskunde (Statistik)
kennen; wozu die
Staatskunde von Deutschland im Grundrisse, von H. W. G. Grellmann , deren erster Theil zu Göttingen 1790
in 8. ans Licht getreten ist, vorzüglich dienen könnte, zumal wenn man damit die schätzbare Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des teutschen Reichs vom geh.
Justitzrath Pütter verbände, von der in drey Theilen eine zweyte |b289| Ausgabe, Göttingen 1788
in gr.
8. erschienen ist.
243.
Hierauf
würde man sich mit der übrigen
europäischen Staatengeschichte, die den nächsten Ein
|a241|fluß in die deutsche Geschichte hat, und mit
derselben auch sich die Staatsverfassung derselben bekannt
machen, wozu, wenigstens die Verfassung der meisten kennen zu lernen, die ⌇a
Staatsverfassung der heutigen vornehmsten europäischen Reiche und Völker im Grundrisse,
von Gottfr. Achenwall , 7te Ausgabe, Erster Theil, Göttingen
1790
, Zweyter Theil, 1785.
8. und die
Einleitung zur allgemeinen und besondern europäischen Staatskunde,
entworfen von M. E. Tozen , 3te Aufl.
Bützow 1785
in gr.
8. (4te Aufl. mit Zusätzen von V. A. Heinze 1ster Band, Schwerin 1790
in gr.
8.) ⌇a die brauchbarsten sind. ⌇⌇c Zur allgemeinen Uebersicht
dient vorzüglich die
⌇ac
Anleitung zur Kenntniß der europäischen
Staatenhistorie - - von
Joh. Georg Meusel ,
dritte Ausgabe,
Leipz. 1788
in gr.
8,
⌇c die zugleich die nöthigsten genealogischen Tabellen enthält, und die besten allgemeinen Schriften und Werke
anzeigt, welche über die Geschichte eines jeden Staates insbesondre vorhanden sind, und hier, nach unsrer Absicht, nicht berühret werden können.
244.
Nun
würde es darauf ankommen, welche Theile der übrigen, sonderlich ältern Geschichte,
|b290| der, welcher
sich nicht
mit besondern Fleiß auf die Geschichte
legen kan, zu seinem
|c262| Zweck und
eigentlichen Studium am nothwendigsten fände. Die ältere Geschichte, wenigstens
einzelne Theile dersel
|a242|ben, können für
manchen weit nützlicher und unentbehrlicher, als die meisten Theile der neuern seyn; und sie haben selbst das Glück gehabt, weit pragmatischer bearbeitet zu werden, als manche der
neuern, welche,
bey allem Nutzen für den bloß Wißbegierigen, den Staatsmann und Rechtsgelehrten, für
andre Leser
oft sehr wenig Wissenswürdiges oder Lehrreiches enthalten. Für den, welcher das Studium der Theologie und ihrer
einzelnen Theile zu seiner Hauptbeschäftigung macht,
kan daher die
jüdische und die damit in Verbindung stehende Geschichte
andrer Völker, nebst der
griechischen und
römischen, vorzüglichen Fleiß erfordern.
In dieser Rücksicht, selbst wegen des guten Vortrags, verdienen die Elementa historiae antiquae, auctore Gottlob Aug. Baumgarten Crusio , Lips. 1775
8. wovon nur noch die Fortsetzung fehlt, sehr empfohlen zu werden. Einige die griechische und römische Geschichte betreffende Schriften sind schon oben (§. 138 ) erwähnt worden, und wer diese Geschichte, zum bessern Verständniß alter Schriftsteller, noch ausführlicher zu lernen wünschte, könnte sich dazu der
Histoire ancienne - - par Rollin , die Halle 1756. 57
in 4 Voll.
und
Ebendesselben noch beßre Histoire Romaine, die ebendaselbst 1753–55
in 5 Voll.
in gr.
8. nachgedruckt worden ist, und der
Histoire des Empereurs, nebst deren Fortsetzung in der |b291| Histoire des Empereurs Romains - - jusqu'a Constantin , par J. B. L. Crevier , nachgedruckt Amst. 1750
f.
in 12 Bänden gr.
12. bedienen. Will man übrigens aus Einem Werk die Spezialgeschichte aller bekannten und merkwürdigern, äl|a243|tern und neuern, Völker und Staaten genauer kennen lernen, ohne sich in eine sehr ausführliche Untersuchung derselben einzulaßen: so möchte, im Ganzen genommen, kein Werk dazu dienlicher seyn als die
Allgemeine Weltgeschichte, von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit, von Wilh. Guthrie , Joh. Gray und andern - - übersetzt - - berichtigt, und mit Anmerkungen versehen, (in einzelnen Theilen auch durchaus um- oder ganz neu ausgearbeitet, Leipz. 1765
flgg.
), das sich seiner Vollendung nähert, und bis jetzt aus 41 Bänden in gr.
8. besteht, Th.
1–4. Th.
5, Band 1–4. Th.
6, B.
1 u.
2. Th.
7, B.
1 u.
2, Th.
8. Th.
9, B.
1. 2 3. (noch unvollendet). Th.
10, B.
1 u.
2. Th.
11 u.
12. Th.
13, B.
1 u.
2. Th.
14, 1–3te Abth.
Th.
15, 1–4te Abth.
Th.
16, 1–9te Abth.
Th.
17, 1–3te Abth.
(auch noch nicht beendigt); wovon einige Theile selbst dem Geschichtsforscher wichtig seyn werden. c√
245.
Ein für den Gelehrten besonders unentbehrlicher Theil der Geschichte ist die
gelehrte oder
Literargeschichte, welche die Schicksale der Wissenschaften und der dazu dienlichen Hülfsmittel
|b292| vorstellen soll. Fortschritte in
einzelnen Wissenschaften, erforderten Fortschritte in der
Cultur überhaupt, und in
der Art der
Cultur insbesondre, welche unter dem Namen der Gelehrsamkeit (§.
3 ) begriffen wird. Diese Fortschritte
laßen sich aber nicht deutlich angeben, wenn man nicht diejenigen kennt, welche die meisten oder wichtigsten
Fortschritte|a244| darin gethan, und
c√ dadurch
sie bey andern befördert haben.
In so fern daher die Literargeschichte das Schick
|c263|sal der
Wissenschaften darstellen sollte,
müßte sie – die Geschichte der Cultur, wenigstens der der
Wissenschaften überhaupt, – die Geschichte der
einzelnen Wissenschaften, – und die
Geschichte der merkwürdigern Gelehrten enthalten.
Anm.
1. Cultur (Ausbildung Aufklärung) im
weitern Verstande, heißt jede Vervollkommnung der Seelenkräfte, sie mag in Erweiterung der Kenntnisse und
Neigungen, oder in Verbesserung der
Seelenkräfte, durch Berichtigung und Verdeutlichung der Begriffe
sowohl, als durch Bestimmung der Neigungen nach deutlicher Erkenntniß, bestehen. Wird diese erlangte Vollkommenheit der Seelenkräfte zur Beförderung
der innerlichen oder
äusserlichen Glückseligkeit
angewendet: so entsteht
Cultur im
engern Verstande, die also nichts anders ist, als Fertigkeit, unsre Seelenkräfte zur menschlichen (innern oder
äussern, wahren oder
vermeinten,) Glückseligkeit anzuwenden.
Anm.
2. ⌇⌇c Eine
Wissenschaft (objective genommen) ist ein zusammenhängender
Inbegriff deutlicher
|b293| Kenntnisse von Gegenständen einer gewissen Art – und, will man sie noch von einer
Kunst unterscheiden, so möchte es,
bey aller Unbestimmtheit dieses Worts, doch wohl dem
gewöhnlichen Sprachgebrauch am
gemässesten seyn, diesen Unterschied der
Wissenschaften und
Künste darnach zu bestimmen, daß diese sich
zunächst mit
Befriedigung sämmtlicher Bedürfnisse beschäftigen,
jener aber
zunächst mit Befriedigung der geistigen
(§. 3 ), wenigstens
solchen Dingen, deren Kenntniß nicht auf
bloßer Empfindung beruht. –
Wissenschaft|a245|liche Cultur ist also eine Art der Cultur in weiterm Verstande, und von
Cultur der Sitten sowohl als von
Volks- oder
gewöhnlicher Cultur noch sehr verschieden, ob sie gleich
in beyde einen ungemeinen Einfluß haben
kan.
|c264| 246.
Zu den Hülfsmitteln, welche zur Kenntniß der Wissenschaften, Künste, und überhaupt nützlicher Sachen, sowohl als zur mehrern Ausbreitung derselben dienlich sind, gehören theils alle schriftliche Denkmahle, vorzüglich Bücher, theils alle Anstalten, welche die bessere Entdeckung und Ausbildung nützlicher Kenntnisse oder die Erhaltung desjenigen befördern, was bereits entdeckt und ausgebildet worden ist. Der Theil der Literargeschichte, welcher jene Denkmahle bekannt macht, heißt die Bücherkenntniß. Zu den erwähnten Anstalten aber gehören Schulen, Universitäten, Akademien, Bibliotheken, gelehrte Jour|b294|nale und dergleichen; man könnte diesen Theil Geschichte der literarischen Anstalten nennen.
247.
Die Vortheile, welche 1) der Geschichte überhaupt
können zugeschrieben werden
c√ (§.
218 bis 221 ), kan die Literargeschichte
insbesondre in
ihrer Art
ebenfalls stiften. Sie ist selbst dem Gelehrten, als Gelehrten,
weit nützlicher, als die meisten übrigen Theile der Historie, namentlich als die bürgerliche Geschichte; weil sie die Art seiner ei
|a246|genthümlichen Beschäftigungen angeht, ihn mit den ihm nöthigsten Kenntnissen und Hülfsmitteln bekannt macht, ihm die
nützlichsten Beyspiele darstellt, nach welchen er sich bilden, durch die er ermuntert oder
gewarnet werden
kan. 2) Es wäre ungereimt für den, der nach immer mehrerer Vollkommenheit strebt, ungerecht gegen
Andrer Verdienste, und undankbar gegen die göttliche
Vorsehung, wenn man das nicht benutzen wollte, was schon
Andre uns
|c265| vorgearbeitet
haben, am ungereimtesten da, wo
bloße Beobachtung, Nachdenken oder Genie uns nicht helfen können,
d. i.
in
allem was historisch ist. Dieses Vorgearbeitete ist doch in Büchern enthalten, welche uns die Literargeschichte kennen
lehrt, und ohne diese Kenntniß weiß man
a√ nicht, woran man sich halten soll, wenn man über eine Wissenschaft oder gewisse Gegenstände derselben unterrichtet seyn will. Mündlichen Unterricht in den Wissenschaften
kan man wenigstens nicht immer haben, man
|b295| kan ihn
wenigstens, und man
kan selbst erlangte Kenntnisse immer mehr aus Büchern vermehren. Literargeschichte, und besonders Bücherkenntniß, ist das Repertorium für die ganze Gelehrsamkeit; ohne sie bleibt man in Kenntnissen unglaublich zurück.
248.
Die Bekanntschaft mit ihr lehrt uns auch 3), den ganzen Umfang der Wissenschaften, wovon immer eine der andern die Hand bietet; sie bringt |a247| uns also einen allgemeinen Geschmack und wenigstens Achtung gegen alle Wissenschaften bey, verhindert dadurch nicht nur die so schädliche Pedanterey und Kleinkreisigkeit, sie vermindert auch, indem sie uns mit dem Gehalt und Einfluß der Wissenschaften in einander bekannt macht, die für die Wissenschaften so schädliche Trägheit, welche aus Unwissenheit oder Gleichgültigkeit gegen alles entsteht, was uns nicht unmittelbar nützlich ist, nebst der unedlen Einschränkung bloß auf die Studien, wovon man seinen Lebensunterhalt zu ziehen hofft. Und wenn dann auch nur 4) die Kenntniß der Literargeschichte das Studieren erleichterte: so wäre dies schon Gewinnst genug. Es ist doch immer schon lehrreich, auf Andrer Fehltritte und Abwege in den Wissenschaften aufmerksam gemacht zu |c266| werden, und sich neue oder vergebliche Arbeit zu ersparen, Andern gute Methoden, gebrauchte Hülfsmittel, und Zeit und Mühe verkürzende Handgriffe abzulernen, zu sehen, was in einer Wissenschaft bereits geleistet worden, oder noch |b296| zurück ist, Zeit zu gewinnen, die man über das Lesen schlechter oder doch nicht der besten Bücher einer Art und über unnöthige Arbeit verliert, und seine Kräfte auf das zu verwenden, worin von Andern noch Nichts oder doch das Geschehene nicht gut genug geleistet worden ist.
249.
Wenn über dies 5) einem jeden Gelehrten daran liegen muß, sich nicht selbst verächtlich zu |a248| machen, sondern vielmehr Andrer Vertrauen zu gewinnen und zu erhalten, um mit seinen Kenntnissen desto mehr Nutzen zu stiften: so begreift man leicht, wie sehr es unsrer Achtung bey Andern schade, wenn man oft nicht einmal die bekanntesten Hülfsmittel der Gelehrsamkeit, oder die besten Schriften einer Art, kennt, längst von Andern gemachte Entdeckungen als etwas Neues anstaunt, oder sich ihrer als neuer Erfindungen rühmt, Fehler, die man ohne Kenntniß der Literargeschichte nicht vermeiden kan; wie sehr es hingegen Andrer Vertrauen erwerbe und vermehre, wenn man sich gleich zu helfen, und das, woran es uns noch fehlt, gleich durch Hülfe dessen, was Andre in einer Wissenschaft vorgearbeitet haben, zu ersetzen, oder Rechenschaft zu geben wisse, woran es liegt, und warum es nicht möglich ist, gewisse Lücken in der Erkenntniß auszufüllen. 6) Selbst auf den moralischen Charakter und das Betragen eines Gelehrten ist diese literarische Kenntniß nicht ohne Einfluß. Der allgenugsame Dünkel eingebildeter Selbstdenker und Erfinder, welcher we|c267|nigstens |b297| mit darauf beruht, daß man den Umfang menschlicher Kenntnisse, die mannichfaltigen Schwierigkeiten und verunglückten Versuche in gewissen Untersuchungen, und die Verdienste Andrer zu wenig kennt; die Verachtung oder Gleichgültigkeit gegen alles, was man nicht selbst versteht; der Parteygeist, der Haß oder Verdacht gegen alle, die von uns verschieden denken, zumal das schädliche Vorurtheil gegen alles, was man für Neuerung hält: alles dieses kan schwerlich bey dem aufkommen, oder |a249| sich lange erhalten, der genugsame Kenntnisse der Literargeschichte hat; die hingegen Bescheidenheit und Billigkeit, vernünftige Freiheit im Denken, gesetzten Muth und Zufriedenheit bey unsern verkannten Verdiensten oder guten Absichten und Aufmunterung durch gute Beyspiele und durch die wohlthätigen Leitungen der göttlichen Vorsehung, befördern können.
250.
Aber Geschichte der Gelehrsamkeit ist nicht Gelehrsamkeit selbst! –
Freylich nicht, und wer weiter nichts als jene kennt, der versteht von dieser nicht mehr, als jemand von einem Buch aus dem
bloßen Register oder der allgemeinen Anzeige des Inhalts; er
kan selbst
Vieles in jener nicht recht verstehen oder schätzen, wenn er nicht auch diese kennt. Aber durch diese Anzeige lernt er doch, was er in dem
Buch suchen darf, und wenn sie lehrreich genug abgefaßt ist,
kan selbst die Uebersicht des Plans und Zusammenhangs für
den, der ihn gehörig zu
brauchen weiß, sehr unterhal
|b298|tend und nutzbar werden, zumal wenn er der in dem
Buch vorgetragenen
Sachen schon kundig ist. –
Zu dem ist die Literargeschichte kein
bloßes Register; sie
kan so gut, wie jede
andere Art der Geschichte, philosophisch und pragma
|c268|tisch behandelt, und zum Rang einer Wissenschaft erhoben werden; auch ist nicht abzusehen, warum es mehr Tadel verdienen sollte, wenn jemand ihr vorzüglich seinen Fleiß widmete, als wenn er sich irgend auf
|a250| eine andere Wissenschaft, auf Sprachen, auf Geschichte, auf Metaphysik
u. s. f.
vornemlich legt, falls er dazu vorzügliche Fähigkeit, Neigung und Hülfsmittel hat.
c√ Man läßt wirklich der Literargeschichte zu wenig Gerechtigkeit wiederfahren, und die Ursachen davon lassen sich wohl entdecken. Warum sezt man fast immer den Fall, daß jemand sich bloß auf diese Art von Kenntnissen lege? ein Fall, der bey jeder andren Wissenschaft eben sowohl angenommen werden, und in jeder Pedanten hervorbringen kan. Warum stellt man sich den Literator bloß als Bücher- oder gelehrten Anekdotenkenner, noch dazu als den vor, der nur eine trockne, wenigbedeutende Kenntniß von dem Aeussern der Bücher habe? Sicherlich liegt doch die Schuld bey den meisten, die sie verachten, in der Unbekanntschaft mit der Literargeschichte, oder der Gewohnheit, a√ was sie nicht, oder zu wenig, verstehen, oder was sie nicht als gemeinnützig erkennen. Dieser immer aus zu eingeschränkter Einsicht und Geschmak herrührende Hang, alles gering zu schätzen, wovon |b299| man keinen unmittelbaren Nutzen sieht; die Liebe zu literarischen Mikrologien, welche am Ende des vorigen, und in der ersten Hälfte des jetzigen Jahrhunderts sehr gewöhnlich, und allerdings verächtlich war; und die noch viel zu wenige rechte Bearbeitung der Literargeschichte, die noch selten das Glück gehabt hat, unter so gute Hände, wie manche andere Wissenschaft, zu gerathen, wovon wir selbst bis jetzt mehr Fragmente als etwas nur einigermaßen Ganzes haben, hat wohl auch Verständigere zu unbilligen Urtheilen verleitet, die aber eben mit verursachen, daß dieser Zweig |c269| der Literatur noch nicht zu der Vollkommenheit gedie|a251|hen ist, der sich andre Theile der Gelehrsamkeit rühmen können.
251.
Ueberhaupt wird dieser Vorwurf immer mehr von seiner Scheinbarkeit verlieren, je mehr man dahin arbeiten wird, auch diesem Theil der Geschichte diejenigen Eigenschaften zu geben, die oben (§.
222 –225 ) von einer
wahrhaftig nutzbaren Geschichte erfordert wurden. Die Natur der Literargeschichte erlaubt es eben sowohl;
einzelne gemachte Versuche über
besondre Stücke derselben beweisen, wie ausführbar es
sey; und, wenn es
bey manchen besondern Theilen derselben nicht möglich
scheint: so liegt die Ursach gewiß in
den Mangel hinlänglicher
Nachrichten; eine Schwierigkeit, welche die andern Arten der Geschichte nicht minder drückt, ohne daß man deswegen an der philosophischen und pragmatischen Behandlung derselben verzweifelt hätte.
|b300| 252.
Auch die
Literargeschichte läßt sich in die
allgemeine und
besondre eintheilen; beyde können entweder synthetisch oder analytisch und chronologisch abgehandelt,
beyde Methoden auch
gewissermassen vereinigt werden (§.
227. 234 ). Die Haupttheile der besondern gelehrten Geschichte sind vorhin (§.
245. 246 ) erwähnt worden. Die Geschichte der
Gelehrten läßt sich, wenn sie im Allgemeinen vorgestellt werden soll, am besten mit der
|a252| Geschichte der besondern Wissenschaften, so wie die Geschichte der
gelehrten Anstalten mit der Geschichte der Wissenschaften überhaupt, verbinden. Die
Bücherkenntniß könnte zwar auch mit der Geschichte
einzelner Wissenschaften,
|c270| wohinein die Bücher schlagen, verbunden werden,
so fern es darauf ankommt, die fortschreitende Ausbildung einer Wissenschaft durch gewisse Bücher anzugeben. Da aber
bey der nützlichen Bücherkenntniß weniger auf diesen
Gesichtspunct als darauf zu sehen ist, welche Schriften, und wie weit sie,
und noch jetzt, zur Erlernung einer Wissenschaft vorzüglich
brauchbar sind: so ist es besser, sie besonders, getrennt von der Geschichte der Wissenschaften, zu betrachten und zu erwerben.
253.
Weil die Erlernung der
Wissenschaften selbst
doch noch wichtiger ist als die Erlernung
ihrer Geschichte und die Kenntniß der zu jener dienlichen
Hülfsmittel; weil man über dies dieser
letztren Kenntniß mehr
bedarf, um sich selbst in einer
|b301| Wissenschaft weiter
fortzuhelfen, sie
c√ also weniger unentbehrlich
ist, wenn man in der Wissenschaft
selbst Unterricht
genießen kan; und weil die Geschichte einer Wissenschaft nicht recht verstanden, der Werth eines Buchs auch nicht gehörig, wenigstens nach
unserm Bedürfniß, geschätzt werden
kan, ehe man nicht der Wissenschaft selbst kundig
ist: so ist es rathsamer, die Literargeschichte erst
alsdann zu studieren, wenn man sich schon
|a253| mit den Wissenschaften bekannt gemacht hat. Sehr gut wär' es zwar, wenn man schon einigen Begriff von den Wissenschaften, den merkwürdigsten Männern, die sich in jeder hervorgethan haben, und den besten allgemeinern Büchern mitbrächte; man wird sonst manches Historische nicht verstehen, was in den Vortrag der Wissenschaft muß eingeflochten werden, und den Nutzen mancher Lehrsätze, oder ihrer Bestimmungen und Erläuterungen, nicht recht einsehen. Aber dieser Unterricht brauchte nur
|c271| ganz allgemein zu seyn, und mehr das eben
genannte als die Geschichte der Gelehrsamkeit und
einzelner Wissenschaften zu
betreffen, ohngefähr so, wie er in der a√
Synopsis
eruditionis vniuersae concinnata a
Jo. Henr. Frid. Meinecke, Quedlinb. 1783.
8.
oder von den philosophischen Wissenschaften in weiterm Verstande in der Gesnerischen Isagoge
(§. 54 ) gegeben worden ist.
254.
Es ist sehr zu bedauren, daß wir bey einem so wichtigen Theile der Historie, wie die Literargeschichte ist, noch kein einziges allgemeines Werk |b302| haben, das man dem, der den ersten Grund zu ihrer Kenntniß legen will, empfehlen könnte; da alles, was man hieher gehöriges hat, entweder fast bloßes Skelet ist, oder diese Geschichte nicht in ihrem ganzen Umfang begreift, oder gar nicht zur guten Absicht geordnet, oder voll Fehler und unzuverläßig, wenigstens nicht auf genugsame Untersuchung gegründet ist. Bey diesen Um|a254|ständen scheint Folgendes noch das Räthlichste zu seyn.
Hier, in diesem Buch, wo nur angegeben werden darf, wie die Wissenschaften, die in den hiesigen Plan gehören, und wie weit die Hülfsmittel, mit ihnen bekannt zu werden, unter uns vorhanden sind, ist der Ort nicht, Vorschläge über die beste Einrichtung der Handbücher für solche Wissenschaften zu thun. Eher können wir auch keine solche guten Handbücher über die Literargeschichte bekommen, ehe nicht alle einzelne Theile dieser Geschichte vor sich gut bearbeitet sind, weil sich unmöglich eine genaue allgemeine Uebersicht des Ganzen geben läßt, wo einzelne Theile noch so sehr im Dunkeln liegen, oder nicht durch die Hände wahrer Kenner der Literatur dieser Theile gegangen sind. Man laße sichs daher nicht befremden, daß die folgenden Vorschläge bloße Nothhelfer für solche sind, die sich zuerst mit Literargeschichte bekannt machen wollen.
|c272| 255.
Man lege 1) ein gutes Handbuch der allgemeinen Weltgeschichte zum Grunde, wenn dasselbe
|b303| zugleich mit die Geschichte der Cultur und der Wissenschaften begreift, in welcher Absicht die oben (§.
235 ) angeführten
Gattererschen und Beckischen Schriften unstreitig die besten, oder vielmehr einzig brauchbaren ihrer Art sind. Man
kan sich dadurch wenigstens orientiren lernen, und die Sachen besser behalten, wenn man sie an die Weltgeschichte anschließt.
Zu eben diesem Zweck – denn ein Mehreres kan man bey einer Art von Kenntnissen, die einen so ungeheuern Umfang haben, wie die literarischen, nicht von den folgenden Büchern erwarten – halte man sich vorerst an ein allgemeineres Lehrbuch, woraus man ohngefähr die Rubriken ersehen kan, unter die sich Alles, was hieher, wenigstens im Allgemeinen, gehört, schichten ließe, etwa
Christoph. Aug. Heumanni Conspectum reipublicae literariae, Edit.
6. Hanover. 1753
in 8., und an den noch reichern
Versuch einer ⌇c Einleitung in die Geschichte der Kenntnisse, Wissenschaften und schönen Künste, von
Sam. Gottlieb Wald , Halle
1784
gr.
8. a√ Das beste Buch dieser Art wäre das ⌇c
Handbuch über die Geschichte der Literatur und der Kunst, von Joh. Georg Dahler , Jena 1788
in gr.
8., wegen des schönen Eichhornischen Plans, der zum Grunde liegt, wenn es nur nicht durch so viele Druck- oder Schreibfehler verstellt wäre, die gerade hier sollten mit der äussersten Sorgfalt vermieden werden.
|b304| 256.
Nach
diesem gelegten Grunde scheint es 3) rathsamer, die besondern Theile der Literargeschichte etwas ausführlicher und genauer zu studieren, ehe man etwas
größre allgemeinere Werke zu Rathe zieht. Denn diese letztern, wie wir sie jetzt
|a255| haben
, sind zu sehr compilirt, zu wenig genau,
sich in einzelnen Theilen c√ so ungleich, und enthalten
so viel Unnützes oder Unausgeführtes, als daß nicht zu besorgen wäre, sie würden auch einen geduldigen und wißbegierigen Leser oft zu sehr ermüden, und ihn hinterher nöthigen, das zu berichtigen, oder mit Mühe wieder zu verlernen, was er daraus geschöpft hat. Man könnte sich also 4) zuvörderst
aus dem
Versuch einer Geschichte der Cultur des menschlichen Geschlechts, von dem Verfasser des Begriffs menschlicher Fertigkeiten und Kenntnisse, (Joh. Christoph. Adelung ,) Leipzig 1783.
8. eine allgemeine Uebersicht des Fortgangs der Cultur, besonders der Wissenschaften, erwerben, und sich zugleich etwas an die pragmatische Behandlung dieses Theils der Geschichte
gewöhnen. Hernach sich 5) eine ähnliche Uebersicht der Geschichte
einzelner Wissenschaften zu verschaffen suchen
, je nachdem jeder, zu seinem besondern Behuf, sich mit dieser oder jener Wissenschaft mehr bekannt machen will.
Nur ist hier wieder zu bedauren, daß wir – ausser einigen guten Schriften, welche die Geschichte dieser und jener besondern Wissenschaft enthalten, und die nach der hiesigen Absicht nicht |b305| angeführt werden können – nichts einigermaßen Allgemeines haben, als
Gottlieb Stolle's (sehr unvollständige und seichte) Anleitung zur Historie der Gelahrheit - - zum drittenmal verbessert und - - vermehrt, Jena 1727
in Quart, nebst den ganz neuen Zusätzen, ebendas.
1736
in Quart,
von dem auch eine Anleitung zur Historie der medicinischen, juristischen und theologischen Gelahrheit, letzte Jena 1739
in Quart, herausgegeben ist, die mehr compilirte Bücherkenntniß als Geschichte der Wissenschaft liefert. c√
|a256| |c274| 257.
Bey den folgenden Theilen der Literargeschichte ist es 6) ziemlich gleichgültig, welchen man eher als den andern sich bekannt machen soll, obgleich die
Bücherkenntniß, selbst in Absicht auf die Erlernung der Wissenschaften, der wichtigste ist.
c√ Zur Kenntniß des
Bücherwesens im
Allgemeinen, und dessen Geschichte, haben wir kein anderes Buch, welches in gedrängterer Kürze und mit mehrerer Genauigkeit und Vollständigkeit das dahin
gehörige enthielte,
als ⌇c
M. Denis Einleitung in die Bücherkunde,
erster Theil, Bibliographie, Wien
1777
gr. 4.; ausser dem aber, und zur Kenntniß der
gelehrten Anstalten überhaupt,
c√ ⌇c Burc. Gotth. Struvii Introductio in notitiam rei literariae, die unter diesem Titel mit den Zusätzen gelehrter Männer zum sechstenmal cura
Jo. Christ. Fischeri , Frft. et Lips.
1754
in
zwey Bänden gr.
8., und unter dem
Titel
Bibliotheca historiae
literariae, ganz umgearbeitet von
Jo.|b306| Frid. Jugler , Jenae
1754–1763
in 3
Tomm.
gr.
8.
⌇c herausgekommen ist. Diese
letztre Ausgabe ist weit vollständiger, und meistens noch
genauer, erstre aber enthält
doch Verschiednes, was man in dieser vermißt.
258.
In diesem Struvischen Werk findet man auch die Werke genannt, aus welchen die Bücherkenntniß geschöpft werden kan. Der
zweyte Theil |a257| von Denis Einleitung in die Bücherkunde, Wien 1778
gr.
4. soll zwar aus allen Wissenschaften die besten Bücher angeben, nennt aber fast bloß die Titel, und es fehlt sowohl an Wahl als zweckmäßiger Vollständigkeit; welches bey dem großentheils daraus genommnen Versuch einer Mappe-Monde litteraire von Christian Friedr. Wilh. Roth , Erfurt 1785
in groß Folio eben der Fall ist. Ueberhaupt ist wegen des ungemein großen Umfangs der Bücherkenntniß, und der Unmöglichkeit, gar zu viele Bücher genau zu kennen, bey Bücherverzeichnissen von mehrern oder allen Theilen der
Gelehrsamkeit nicht möglich, daß Ein Schriftsteller reife Wahl
beobachten, und
zuverläßige Beschreibung
geben könne, und ohne dieses
beydes können solche Verzeichnisse wenig helfen. Man thut daher besser, sich an
Bücher zu halten, welche sich nur auf
einzelne Wissenschaften eingeschränkt, und
dabey zum wenigsten, nebst
zuverläßiger Genauigkeit, eine sorgfältige Wahl des Besten beobachtet haben.
– In Absicht auf die theologischen Wissenschaften ist dieses
|b307| in
der ⌇c Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in allen Theilen der Theologie,
dritte Auflage, Leipzig 1790.
8., ⌇c wenigstens meine Absicht gewesen, wo auch in der Einleitung Regeln zur Beurtheilung der Bücher und die Hülfsmittel zur Erweiterung der, zumal theologischen, Bücherkenntniß angegeben sind. Man
kan damit die
⌇c Predigerbibliothek
- - von Dav. Gottlieb Niemeyer ,
c√ Halle
1782–1784
in 3 Theilen, gr.
8.
⌇c sehr nützlich verbinden.
c√
|a258| 259.
c√ Zur Geschichte der
Gelehrten hat ein
Anfänger, und selbst zum Theil der
Gelehrtere, zwey oder drey brauchbare Werke an
Georg Christoph Hambergers zuverläßigen Nachrichten von den vornehmsten Schriftstellern vom Anfange der Welt bis 1500, Lemgo
1756–64
in 4
Theilen in gr.
8, woraus
dessen kurze Nachrichten von den vornehmsten Schriftstellern vor dem 16ten Jahrhundert,
ebendas. 1767
in 2
Octavbänden,
⌇c ein verbesserter und vermehrter Auszug
sind, und an
⌇c
Christoph. Saxii Onomasticon
litterarium, Traj. ad Rhen.
1775–1791
in 7 Partt.
gr.
8.
⌇c welches theils von
engern, theils von
weitern Umfang als das
Hambergersche ist, da es sich zwar mehr, sonderlich auf humanistische Schriftsteller, einschränkt, aber auch mehr in kleinere
Bücher-Notitz, und
selbst bis
auf unsre Zeit geht. Eine
trefliche synchronistische Uebersicht giebt in diesem Fache (obgleich jetzt nur bis an das 16te Jahr
|b308|hundert) die
⌇c
Synopsis historiae
litterariae, auctore
Jerem. Nic. Eyring , Goetting.
1738
und
84 in 3
Tomm.
kl.
4. ⌇⌇c Die Kenntniß
andrer in diesen Werken nicht berührten
Schriftsteller kan man aus dem
⌇c Allgemeinen Gelehrten-Lexicon, herausgegeben von
Christian Gottlieb Jöcher , Leipz. 1750 und
51
, in 4
Theilen, gr.
4.
⌇c schöpfen, wovon weit bessere
(doch noch nicht zur Hälfte vollendete) ⌇c
Fortsetzungen und Ergänzungen zu diesem Lexicon von
Joh. Christoph Adelung ,
Erster Band, Leipz.
1774, Zweyter Band, 1787
gr.
4,
⌇c erschienen sind.
c√ c√
|a259| 260.
Nunmehr könnte man 7) zur Wiederholung,
Ergänzung, und
einigermaßen zu mehrerer Zusammenordnung des
bisherigen, ein etwas
größeres synthetisches Werk über die Literargeschichte benutzen, dergleichen zwar noch gar nicht, so wie man es wünschen möchte, vorhanden
ist; aber bey allen
großen Mängeln und Fehlern kan doch hier
Dan. Georg Morhofii Polyhistor,
Edit.
4. Lubec. 1747
in 2 Quartbänden,
a√
Joh. Andr. Fabricii Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit, Leipz.
1751–54
in drey Bänden
gr.
8.
und Carl Joseph Bouginé Handbuch der allgemeinen Literargeschichte nach Heumanns Grundriß, Zürich 1789–91
bis jetzt in 4 Bänden in gr.
8, vor der Hand nothdürftig dienen.
a√
|b309| 261.
Die übrigen hieher gehörigen Kenntnisse, besonders den steten Zuwachs, welchen die
Literargeschichte, und was dahin einschlägt, von Zeit zu Zeit erhalten, muß 8) ein jeder selbst aus
einzelnen gelehrten Zeit- und andern Schriften, durch fleißigen Besuch und Durchforschung der Büchersäle und Buchläden, und durch den Umgang mit gelehrten Männern zu ergänzen, zu berichtigen und zu
|a260| vervollständigen suchen. Diese Mühe würde sehr erleichtert, und die vollständigere Uebersicht befördert werden, wenn man von allen Wissenschaften
und über die Schriften aus mehrern Zeiten solche Sammlungen hätte, wie die literarischen Annalen der Gottesgelehrsamkeit - - von J. N. Eyring sind, wovon aber nur der Erste Zeitraum von 1778–80, Nürnberg 1782
in 8. herausgekommen ist.
Abkürzungsauflösung von "u. d. gl.": und dergleichen