Wenn man diese Uebersetzung mit der Lutherschen
vergleicht, so wird man finden, daß ich eigentlich nur in einigen Kleinigkeiten von ihr abgehe. Was er
z. E.
umschreibt, –
das Amt zu führen – gebe ich wörtlich
Diener; was er beydemal
aufhören giebt, übersetze ich
verzehrend, oder die
Augen blendend, und halte dafür, daß jener Glanz im Angesicht Mosis
hier recht eigentlich so beschrieben worden, so
|f70| wie auch der Apostel
selbst hinzusetzt, daß ihn die Israeliten
|c6| |d70| |e70| nicht hätten vertragen
können; was endlich Luther
im Bilde und Gegenbilde beständig
Klarheit übersetzt, das gebe ich, wie es die Natur der Sprache und der Sache mit sich bringt, im Bilde, welches zur Vergleichung dienet,
Glanz, und in der Anwendung desselben,
Herrlichkeit. Die übrigen Verschiedenheiten gehören zu der erklärenden Umschreibung, und also zur Frey
|a8||b8|heit
derselben, die daher auch eine umständlichere Erläuterung
erfodert.
⌇⌇ab So viel ist wohl ausgemacht, daß der Apostel die vorzügliche Würde
des evangelischen Lehramts vor dem
Mosaischen behaupten, und deswegen beyde mit einander vergleichen
will: man ist nicht weniger größtentheils
darinn einig, daß er die
mosaische Gesetzgebung zum Grund der Vergleichung macht, und von da, so zu reden, den Faden derselben anspinnt. Er hatte unmittelbar vorher in gleich bildlichen Ausdrücken
gesagt, den Christen sey die Religion Jesu
nicht wie jenes
Mosaische Gesetz auf
steinern Tafeln vorgelegt, sondern
ins Herz geschrieben
worden, und da er
denn einmal diese Vorstellung ergriffen hatte, so
führte er sie zur Ehre des Apostelamts weitläuftiger aus. Jeder aufmerksame
Leser wird hiervon leicht selbst urtheilen
können, und
dieß einmal bemerkt, es auch weiter nicht zweifelhaft finden, daß
Buchstabe und
Geist, im Gegensatz mit den
jeden beygelegten
Würkungen des
Tödtens und
Lebendigmachens, nach der von mir angegebenen
Erklärung zu verstehen sind. Gemeiniglich erklärt man jenen vom
Gesetz, und diesen vom
Evan|f71|gelio.
Allein wenn auch die herrschend
gewordene Entgegensetzung
|c7| |d71| |e71| des
Evangelii und des
Gesetzes wirklich in andern Aussprüchen der Schrift gegründet wäre, (welches doch nicht ist, und bey dem Wort
Gesetz umständlicher gezeigt werden soll); so würde doch der ganze Zusam
|a9||b9|menhang der Rede hier etwas dergleichen zu suchen verbieten. Denn da der Apostel auf die in der Uebersetzung angeführte Erzählung aus der Mosaischen
Geschichte
zielet, von einer Schrift redet, die in Steine eingegraben
gewesen; so kann der
Buchstabe nichts anders bedeuten, als nun eben dieses
geschriebene Gesetz, oder die sogenannten
zehn Gebote, und
Geist im Gegensatz die
evangelischenGesinnungen, das, was bildlich zu
redenins Herz geschrieben wird. Die Frage wäre nun noch, wie von jenem Gesetz gesagt worden,
es tödte, und da dünkt mich denn auch, daß sie aus der Geschichte am
zuverläßigsten beanwortet werden könne. Der Inhalt selbst ist nemlich nichts weniger als tödtend, verdammend; er ist dem Menschen, der sich darnach richtet, zuträglich, obgleich nicht zureichend zu einer wahrhaftig beruhigenden Gemüthsfassung, weil bey aller Enthaltung der
darinn verbotenen äußerlichen Ausbrüche des Lasters, das Herz noch
f√ von der Menge unordentlicher Neigungen bestürmt
werden, und das Gewissen verwundet seyn kann. Dem Erfolg nach, sagt man also, sind die Vorschriften des Gesetzes tödtend, wenn der Mensch gewahr wird, daß er sie nicht beobachet habe; und das läßt sich allerdings hören. Allein
es kann selbst das Evangelium
f√ zu
|f72|fälligerweise eben so gut tödtend
werden, und da man doch einmal auch bey dieser Erklärung eine Figur der Rede anneh
|c8||d72||e72|men muß,
|a10| |b10| warum wollte man sie nicht lieber
darin suchen, daß der Apostel auf die Todesstrafe, zu der nach der Geschichte so viele verurtheilt wurden, gesehen habe, die Vergleichung
noch um diesen Zug erweitere, und also das dem Gesetz der
zwo Tafeln selbst zuschreibe, wozu es
zufälligerweise nur den Anlaß
gab? So scheint mir
selbstRöm. 4, 15.
das Gesetz richtet nur Zornan, eine feine Anspielung auf die erwähnte
Geschichte (2
B.
Mos. 32, besonders
v.
19.
er ergrimmte mit Zorn) zu
seyn, und so kann auch die Behauptung,
christliche Gesinnungen machen lebendig, nichts anders sagen wollen, als was anderswo versichert
wird:
so uns unser Herz nicht verdammet, so haben wir Freudigkeit zu Gott.
s.
Testament .