|f93|B.

Badder Wiedergeburt und Erneuerung des heiligenGeistes,Tit. 3, 5. 6. ist eine Beschreibung des reichen Maaßes der Heiligungsgabe; und so wie der Apostel die figürliche Benennung der Wiedergeburt sogleich mit dem eigentlichen Ausdruck, Erneuerung des heiligen Geistes, verwechselt; so erklärt er das Wort Bad, durch diereichliche Ausgießungdesselben, daß der Sinn der Rede ist: „Wir hatten es wahrhaftig mit unserm unsittlichen Verhalten im Juden- und Heydenthum (V. 3.) nicht verdient, daß wir solcher Glückseligkeiten und Hoffnungen theilhaftig würden. Gott allein hat uns nach seiner Barmherzigkeit dazu tüchtig gemacht, indem er uns völlige Kraft gegeben hat, bessere Menschen zu werden durch Jesum Christum, unsern Heiland (2, 14.) – – – Dringe also bey jeder Gelegenheit darauf, daß deine Gemeine durch gutes Verhalten beweise, sie habe wirklich das ansehnliche Geschenk der Erleuchtungen und Antreibungen des EvangeliumsJesu angenommen.“ s.Werke ,Wiedergeburt ,selig . Einige Ausleger, die diese Worte von der Taufe erklären, scheinen nicht erwogen zu haben, daß, diese Erklärung angenommen, der Apostel im 6ten V. seine eigene Auslegung des 5ten ganz anders hätte fassen und etwa sagen müssen, welchen er uns reichlich durch die Taufe mitgetheilt hat: Allein so schneidet er alle Gelegenheit zu einer solchen Erklärung ab, wenn er sagt, durchJesumChristum. Die besten Ausleger unter den alten und neuen, wie Theophylact , |f94|Piscatoru. and. haben auch an so etwas nicht gedacht.
Bauen (sich) heißt im uneigentlichen Verstande so viel als bessern, imGutenzunehmenundwachsen, in folgenden Stellen:
Apostelg. 9, 31. Die Gemeine bauete sich; d. i. sie nahm in allem Guten zu, im Erkenntniß wie in der Ausübung.
1 Thess. 5, 11. Darum ermahnet euch unter einander und bauet einer den andern; d. i. arbeitet an eurer gegenseitigen Besserung.
1 Petr. 2, 5. Auch ihr, als (nicht die, sondern schlechtweg) lebendige Steine, bauet euch zum geistlichenHause, wachset zu einer vollkommenen christlichen Gemeine – werdet eine solche.
Luther hat schon selbst 1 Cor. 8, 1. für, die Liebe bauet, sehr gut und richtig übersetzt, die Liebe bessert. So auch 1 Cor. 10, 23.14, 3. 4. 5. 17. 26.2 Cor. 10, 8.12, 19.13, 10.1 Tim. 1, 4. Doch könnte man in den meisten dieser Stellen vielleicht noch genauer, nützen, Nutzen, übersetzen, als in den ersten: Ich könnte zwar vieles mir erlauben, aber es ist nicht alles nützlich,dienlich. –
Bedecken die Menge der Sünden,Jac. 5, 20. kann nicht von der Verwahrung für zukünftigen Sünden verstanden werden, da eine zu bedeckende Sache schon als gegenwärtig gedacht werden muß. Der Sinn und die freye Uebersetzung des ganzen Verses ist also: „Wer einen Sünder von seiner verkehrten Lebensart zurückbringt, der kann sich versichert halten, daß er einen Menschen vom Verderben erret|f95|tet hat, und wird sich dadurch das Verdienst machen, daß er die Menge der vorigen Sünden desselben in Vergessenheit bringt.“Röm. 4, 7. bedarf keine weitere Erläuterung.
Bedeutenkommt zweymal Gal. 4, 24. und 1 Petr. 3, 21. in der Lutherschen Uebersetzung vor; es steht aber jedesmal im Grundtext ein anderes Wort, und die eigentliche Uebersetzung würde seyn:
In der ersten Stelle; dieskann füglich auf die gegenwärtige Sacheangewandtwerden,für, die Worte bedeuten etwas.
In der zweyten:, das Gegenbild von diesem macht nun auch uns selig, die Taufe, meyne ich u. s. w. Ich mache nemlich ein Unterscheidungszeichen nach selig im Grundtexte, welches aber doch in der Hauptsache nichts verändert.
Paulus will also eine bloßnützliche Anwendung machen, wie es die Gewohnheit der jüdischen Lehrer war, und Philo mit Beybehaltung desselben Worts zum Uebergang so oft thut. Eben so gewiß meyntPetrus kein wirklichvorbedeutendes sondern von ihm zur Erläuterung entgegengesetztes Bild. Schöttgen hat daher bey der ersten Stelle sehr richtig bemerkt: daß solche Vergleichungen nur für die damaligen Juden oder Christen aus dem Judenthum eine besondere Beweiskraft gehabt.
Begraben worden seyn mit Christo durch die Taufe in den Tod,Röm. 6, 4.Col. 2, 12. heißt in eigentlichen Ausdrücken als ein getaufter Christ die vorige sündliche Lebensart verlassen, oder sich dazu verpflichtet haben. Die Täuflinge wurden nemlich ganz unter das Was|f96|ser getaucht; diesen ihren Zustand vergleicht der Apostel mit dem Begräbniß Jesu. Er will sagen: So wie Christus in die Erde begraben wurde, so seyd ihr gleichsam in das Wasser der Taufe begraben (tief in dasselbe eingetaucht) worden, und so wie auf jenes Begräbniß seine Auferstehung zu einem neuen Leben folgte, so sollt ihr als Getaufte in einem neuen Leben wandeln.
Beharren,Matth. 10, 22.24, 13.kommt beydemal die Redeartbis ans Ende beharren, in verschiedenem Verstande vor, wie der jedesmalige Zusammenhang der Rede lehret. Das erstemal sind die Jüngerund Apostel gemeynt und die Umschreibung würde seyn:
Wer von euch, meine geliebten Jünger, unter allen den Widerwärtigkeiten, die von euremBeruf zum Apostelamt unzertrennlich sind, doch demselben treu bleibt, der etc.vergl.Marci 13, 13.
Das zweytemal wird auf die traurige Lage der Christengegen das Ende der jüdischen Republik gesehen, daß nun die Meynungist:
Wer in der allgemeinen Verwirrung, die ich euch jetzt beschrieben habe, sich nicht zu gleichen Sittenverderbnissen oder dem völligen Abfall vom Christenthum mit hinreißen läßt, der etc.
Ob indeß gleich die Genauigkeit im Vortrage es auch für den Prediger nothwendig macht, seinen Gemeinen die nächste Beziehung solcher Aussprüche auf gewisse Zeiten deutlich zu machen; so liegt doch freylich die allgemeine Wahrheit dabey zum Grunde: daß nur allein |f97| die Beharrlichkeit in guten Gesinnungen und Handlungen zur Glückseligkeit führe.
Bekannt.Ich bin bekannt den Meinen, sagt Jesus,Joh. 10, 14.d. i. sie schätzen mich, wissen was sie an mir haben; und es soll also auch das entgegengesetzte, ich erkenne sie, seine gleiche Werthschätzung in ihrem ganzen Umfange anzeigen.
Bekehren, einen andern, heißt ihn zu rechtschaffenengottgefälligen Gesinnungen zurückbringen; Luc. 1, 16.Jac. 5, 19. 20. (s.bedecken ).Sichbekehren, bedeutet einmal, zu solchen Gesinnungen zurückkommen, kurz:sich bessern, und in so weit ist es so viel als Buße thun; Matth[.] 13, 15.Marci 4, 12.Joh. 12, 40.Apostelg. 28, 27.3, 19.– dann, als ein Jude oderHeyde,zumChristenthum übergehen, wobey noch an keine wirklich gebesserte Gemüthsart gedacht wird. Mehr muß man also auch nicht bey den folgenden Stellen denken: die einzige genauere Bestimmung ausgenommen, daß der Heyde bey seinem Uebertritt zum Christenthum das Bekenntniß des einzigen wahren Gottes, als ein bisheriger Abgötter annahm; der Jude aber, der schon jenes Bekenntniß gehabt hatte, zu einem vernünftigen von Jesu gepredigten Gottesdienst sich bequemte. Daher wird nun eben der Uebergang der Heyden zum Christenthum, als eine Bekehrung zu Gott, oder zumLicht beschrieben, Apostelg. 14, 15.15, 19.26, 18. (ausgenommen 11, 21.) der Beytritt der Juden aber, als eine Bekehrung zu Christo, 2 Cor. 3, 16.1 Petr. 2, 25. (s.Bischoff ) und jedesmal nicht |f98| das Wort gesetzt, welches eigentlich Sinnesänderung anzeigt, sondern ein anderes, welches jede äußerliche Umkehr, die erst der Zusammenhang bestimmen muß, bezeichnet. Endlich wird es von Petro,Luc. 22, 32. in dem ganz besondern Verstande der Reue über die vorhergehende Verleugnung gebraucht.
Bekennen,Gott, heißt ihn loben.Röm. 14, 11. nach dem hebräischenSprachgebrauche;Christum, seine Lehre annehmen, Matth. 10, 32.Luc. 12, 8. wie er denn selbst das „ihnnichtbekennen anderswo erklärt, sich seiner Worte (s.Wort ) schämen, Marci 8, 38.
Bekenntniß ist daher mit dem Zusatz des EvangeliiJesu Christi, d. i. seiner Lehre, 2 Cor. 9, 13. oder ohne denselben, Hebr.4, 14. das christlicheReligionsbekenntniß;Bekenntniß derHoffnung, der freudigen Erwartung aller Segnungen durch Christum, und es muß daher Hebr. 10, 23.statt: deutlicher und richtiger übersetzt werden:
Beladen seyn,Matth. 11, 28. heißt, als einrechtschaffenerIsraelit unter den schweren Religionsauflagen seiner Lehrer von so vielen Förmlichkeiten beym Fasten, Betenu. s. w. (Matth. 23.) seufzen, und überhaupt nach einem weniger beschwerlichen,kindlichernGottesdienst sich sehnen. Es liegt dabey die Vergleichung mit einem Jochzum Grunde, wie man aus dem gleich folgenden nicht undeutlich erkennen kann, |f99| und PetruswiePaulus sie in gleicher Absicht ausdrücklich brauchen, Apostelg. 15, 10.Gal. 5, 1.s.Joch .
Bereden,richtiger, überreden, Apostelg. 18,4.19, 8. wie Luther schon selbst V. 26. übersetzt hat.
Berufen,Beruf,Berufung:s.Vorsatz ,himmlisch . 1 Cor. 7, 17. ist der Sinn; ein jeder bleibe das in der Gesellschaft, was er vor seinem Uebertritte zum Christenthum gewesen ist.
Bescheidenheit. So übersetzt Luther2 Petr. 1, 5. 6. ein griech. Wort, welches eigentlich Erkenntniß bedeutet, und wofür er 2 Cor. 6, 6. in einem gleichen Tugendverzeichniß dieses beybehalten hat. Da es mehrmal mit dem Wort Weisheit auch in der griechischen Uebersetzung des A. T. verbunden wird, und von guten praktischen Einsichten verstanden werden kann; so würde ich in beyden Stellen Weisheit übersetzen. Petrus braucht es noch einmal im 1 Br. 3, 7. wo dieselbe Bedeutung statt findet, obgleich Luther durch sein, mit Vernunft, den Sinn auch ganz gut ausgedrückt hat: es ist aber doch etwas milder, mitWeisheit, zu sagen.
Beschließen. In einer etwas zweifelhaften Bedeutung kömmt dieses Wort vor,Röm. 11, 32.Gal. 3, 22.Der beste Theil der Ausleger nimmt es beydemal für erklären, darstellen, und beruft sich auf den Chrysostomus,Theophylact. Es ist wenigstens allezeit der Sinn:Gott (nach der ersten Stelle) oder, die ausdrückliche Erklärung Gottes in der Schrift, (nach der zweyten) macht alle, Juden und |f100|Heyden,derSünde(desUnglaubens) schuldig, damit etc.Alle, nach der Umschreibung, ist beydemal der Verstand, nur das erstemal sollte auch Allefüralles in der Uebersetzung stehen.
Beschneidung. Einmal wird darunter in folgenden Stellen das äußerliche Zeichen verstanden, welches einen Juden an allen Rechten und Freyheiten seiner Nation Antheil verschaffte:Joh. 7, 22.Apostelg. 7, 8.
Röm. 2, 25.26. wo der Apostel sagen will: Du heißest zwar ein Jude, (V. 17.) weil du beschnitten bist, und ich will das nicht ganz verwerfen; aber die Beschneidung hilft doch weiter nichts, wenn du nicht Gottes Gebote hältst, und die Absicht dieses äußerlichen Unterscheidungszeichens, dich zur wahren Verehrung Gottes zu erziehen nicht besser erfüllest. Denn wenn du das nicht thust, so ist deine Beschneidung schon eine Vorhaut worden, so bist du Beschnittener nichts besser als ein Heyde. Und wenn dagegen (die Vorhaut) der Heyde, die Vorschriften des Gesetzes(dieß ist die eigentliche Uebersetzung für, das Recht im Gesetz) erfüllet, wird ihm dann nicht statt aller äußerlichen Beschneidung seine Vorhaut eben so viel helfen (zugerechnetwerden)?
Röm. 4, 11. 12. ist nur in Ansehung der etwas verworfenenWortstellung dunkel. Ich denke nemlich, daß die Worte, aufdaserwürde – – bisnicht allein derer (eigentlich denenV. 12.) im Grundtexte müssen eingeschlossen , und dann diese Worte in der Uebersetzung so geordnet werden, daß das Ganze heiße: Das |f101| Zeichen aber der Beschneidung erhielt er zur Bestätigung (Siegel) der Gerechtigkeit des Glaubens, den er schon unbeschnitten hatte, nicht allein für die aus der Beschneidung, sondern auch für die, welche wandeln etc. auf daß er wäre ein Vater aller gläubigen Heyden (in der Vorhaut), welchen jene Gerechtigkeit auch zugerechnet werden sollte, und ein Vater der Juden (der Beschneidung).
Hiernächst ist dieBeschneidung, nach einer bekannten grammatischen Figur, so viel als einBeschnittener, d. i.Jude, und Vorhaut im Gegensatz ein Unbeschnittener, d. i. ein Heyde – hin und wieder in den beyden vorhergehenden Stellen und Röm. 15, 8.Apostelg. 10, 45.11, 2.3.Gal. 2, 7. 8. 9. 12.Col. 3, 11.4, 11.Tit. 1, 10. Es soll also:
Jesus ist ein Diener gewesen der Beschneidung, so viel seyn, als: Er hat den Juden das Evangeliumgeprediget. –
Gläubige aus der Beschneidung, so viel gelten, als:Christen aus demJudenthum (s.Gläubige );
Die aus der Beschneidung sind, Juden; Evangelium an die Beschneidung, die Predigt des Evangelii an die Juden; u. s. w.
Endlich werden darunter, in so weit oft ein Theil für das Ganze gesetzt wird, alle äußerlicheNationalunterscheidungenzwischen Juden und Heyden verstanden, 1 Cor. 7, 19.Gal. 5, 6.6, 15.Vor Gott, ist der Verstand, gilt keinUnterschiedder Nationen undVölker; bey ihm kömmt es darauf nicht an, ob einer nach sei|f102|nem Herkommen ein Jude oder ein Grieche ist (1 Cor. 12, 13.); wer ihn fürchtet und recht thut, der ist ihm angenehm. [(]Apostelg.10, 35.)
Besessen,Besessener.Da Matth. 4, 24. in dem Verzeichniß von andern Kranken undElenden, die Besessenen mit angeführt werden: so ist es ausgemacht, daß es Kranke gewesen sind. Die Art der Krankheit läßt sich eben so leicht bestimmen, da die Evangelisten entweder ihnen alle Kennzeichen der Epileptischen, Irren oder garRasenden beylegen, und sie mit allen gewöhnlichen Ausbrüchen der wüthendstenRasereyvorstellen,Matth. 8, 28.Marc. 1, 23.5, 2.f. Luc. 8, 27. f.auch zuweilen sie als stumme oder blind und stumm zugleich beschreiben.Matth. 9, 32.12, 22.Daher wird auchdie Redeart, er hat den Teufel, Joh. 10, 20. durch den Zusatz eristunsinnig, erklärt , und von dergleichen Menschen bey erfolgter Besserung gesagt , sie wärenwieder vernünftig geworden, Marc. 5, 15.Luc. 8, 35. Wenn also die Juden auch vom Johannes wegen seiner eingezogenen Lebensart sagten „erhat denTeufel“ so sollte dieß eben so viel seyn, als was wir sagen würden:es ist einmilssüchtiger, melancholischer, leutscheuer Mensch.
Es thut auch wohl nichts zur Sache, daß in so vielen Stellen der evangelischen Geschichte, alsMatth. 10, 1. 8.Marc. 1, 32. 39.3, 15.Luc. 6, 18.7, 21.8, 2.9, 1.die Besessenen von den Kranken unterschieden werden; denn auch wir unterscheiden im genauern Sprachgebrauche, Melancholische und Kranke von einander, so fern wir uns bey den erstern |f103| mehr eine Gemüthsverwirrung denken. Es mögen also immerhin Kranke gewesen seyn, wenn es nur erweislich ist, daß es Unsinnige gewesen: und das ist es mir. Ich bin fest überzeugt, daß die Juden alle mit schreckhaften fürchterlichen Zufällen Behaftete, Besessene genannt, und zwar vom Teufel, weil sie während ihres Aufenthalts in Babel die Meynung der chaldäischen Philosophen von den bösen Geistern, als Urhebern gewisser nicht leicht erklärbaren fürchterlichen Krankheiten, angenommen hatten. Man findet daher in den Büchern der jüdischen Gelehrten, die nach der Rückkehr aus Babel geschrieben sind, ein vorher ganz unbekanntes System von den bösen Geistern, und so hat es unter uns Zeiten gegeben, wo man auch jeden Wahnwitzigen, stummgewordenenu. s. w. für behext hielt (welches im Grund eben so viel, als einen vom Teufel Besessenen gelten sollte). Nennen doch auch wir die Epilepsie das böse Wesen. Die wundervolle That Jesu bestand also bey Heilung solcher Krankheiten nichtdarin, daß er einen eigentlichen Teufel austrieb (denn das Böse aus dem Herzen und Leben der Menschen, diesen Sittenteufel, wollte er eigentlich vertreiben, s.Werke des Teufels ), sondern, daß er Krankheiten heilte, die das Volk dem Teufel, als einem persönlichen Menschenpeiniger zuschrieb. Und nur den spätern Erleuchtungen des Evangeliums durch die Apostel überließ er es nach seiner Weisheit, diesen Wahn zu zerstreuen. Ganz wie ein guter erfahrner Arzt die Krankheit heilt, und dem Patienten über|f104|läßt, was er davon denken will; oder vielmehr, gleich Gott, der alles fein zu seiner Zeit thut, verhielt er sich auch in diesem Falle, und machte die an sich unrichtige Einbildung nur vor der Hand dadurch unschädlich; daß er nie in seinen eigentlichen und von selbst veranlaßten Unterweisungen den Satz behauptete:daß der Teufel über die Gesundheit und das Leben der Menschen jemals einige Gewalt gehabt habe, vielmehr allezeit unmittelbar auf Gott, als den allmächtigen Regierer menschlicher Schicksale, hinwies.
Nach diesen Voraussetzungen wird man es auch nicht unwahrscheinlich finden, daß Matth. 8.vergl. mit Marc[.] 1.Luc. 8. nicht wirkliche Teufel, sondern die von ihm besessen Geglaubtenunter die Heerde Säue gefahren, und deswegen aus ihren Höhlenhervorgegangen, wie man eigentlich (und nicht in, nicht sie fuhren aus) übersetzen muß. Die Wahnwitzigen baten sich nemlich in ihrem Unsinn, bey welchem doch immer noch der Nationalabscheu vor den Säuen in ihnen wirkte, aus, unter ihnen ein Schrecken zu erregen; diese Forderung schrieben denn die dabey stehenden Juden dem Teufel, ihrer Einbildung gemäß, zu, und es erforderte also die Wahrheit der Geschichte, sie als vom Teufel vorgebracht zu beschreiben.
Ich verweise diejenigen, die von dieser Art der Krankheit noch genauer belehrt seyn wollen, auf des Richard Mead hieher gehörige Abhandlung von den biblischen Krankheiten, die 1749. nach der Londner Ausgabe wieder in Deutschland ist abgedruckt worden.
|f105|Besprengen,Besprengung. Hebr.10, 22.sollte man für besprenget inetc. genauer übersetzen, gereinigt im Herzen von dem bösen Gewissen; denn das griechische Wort bedeutet beydes, besprengen und reinigen, welches letzte hier die Redeverbindung erfordert. Dann ist immer noch der Ausdruck in so weit figürlich, in so weit er eine Anspielung auf die gottesdienstlichen Besprengungen der Israeliten, theils mit Opferblut, theils mit Wasser, (3 B. Mos. 16, 14.etc.4, 5. 6.2 B. Mos. 29, 4.) enthält; und da nun eben jene eine sinnbildliche Vorstellung der Wegnehmung der Sünden des Volks waren, so heißt gereiniget eben so viel als befreyt.Luther hat daher mit gutem Grunde das und los in seiner Uebersetzung eingeschaltet.Besprengung des BlutesJesu Christi1 Petr. 1, 2. ist in gleicher Rücksicht auf jene Besprengungen, als einen kirchlichen Gebrauch der Israeliten, eine uneigentliche Beschreibung der Theilnehmung an der freyen Begnadigung Gottes durchJesum, und könnte man freyer übersetzen:
Petrus, ein Apostel Jesu Christiden unter den hin und her – – – zerstreuten Juden, nach dem gnädigen Rath Gottes, durch die Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Theilnehmung an der göttlichen Begnadigung durch Jesum Christum erwählten Fremdlingen.
Bestehen, heißt so viel, als gegründetseyn,1 Cor. 2, 5. Die Uebersetzung sollte seyn,damiteuer Glaube gegründetsey. Dannfeststehen,2 Tim. 2, 19.der unwandelbare Grund |f106|Gottes stehtfest. Endlich bedeutet,durch jemand bestehen, durch ihn vereiniget, gleichsam zusammen gehalten werden,Col. 1, 17.
Er ist vor allen (der Erste der Gemeine; wie gleich nachher statt vor allenV. 18. der Vorsitzende, wie man es eigentlich übersetzen könnte, gesagt wird) [(]er hat JudenundHeyden zu einer Kirche vereiniget; welches wieder mit dem gleich folgenden, er ist das Haupt des Leibes, und mit dem, er hat aus beyden eins gemacht, in der ParalelstelleEph. 2, 14. ganz einerley ist). s.Fülle ,Himmel .
Den Gelehrten ist übrigens nicht unbekannt, daß das griechische Wort, welches Luther hier bestehen übersetzt, von einer versammelten Menge gesagt wird.
Besuchen einen andern, bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauche der Hebräer und Griechen in folgenden Stellen, sich eines annehmen, für ihn sorgen, und sollte gleich in der Uebersetzung deutlicher angegeben werden.
Luc. 1, 68. 78. Er hat sich seines Volks angenommen, und ihm eine Errettung verschafft: s.Erlösung – durch welche sich unserer angenommen hat der Aufgang aus der Höhe.
Jac. 1, 27. Ein reiner – – für Wittwen und Waysen in ihrem Elend sorgen u. s. w.
Im letzten Fall konnte, nach den damaligen äußerlichen Umständen der Christen, die eigentliche Hausbesuchung solcher Elenden mehr als jetzt zu den besondern Erweisungen einer solchen Fürsorge nothwendig seyn. Nur aus dem Aus|f107|druck läßt sich so etwas nicht schließen, und armen Verwittweten und Verwayseten möchte in unsern Umständen dieß mehr lästig fallen, auch für den, der es thun wollte, oft ein zweydeutiges Aufsehen machen. Weit besser ists also, so für sie zu sorgen, daß sie auch Obdach und unter demselben die Nothwendigkeiten des Lebens haben können.
Beten,bitten im NamenJesu,Joh. 14, 13.14.15, 16.16, 24. 26. Der Ausdruck, wie der Zusammenhang, beweiset zur Genüge, daß dieß eine besondere Bezeichnung des apostolischen Amtsgebets und mit andern Worten so viel sey, alsanChrististatt, als sein Apostel, Gott um irgend etwas zur Verkündigung und Ausbreitung der Religion dienlichesanrufen. So versichert er,(Joh. 14, 26.) der Vater werde den heiligen Geist ihnen senden in seinemNamen, an seiner statt; so sollten die Apostel im NamenJesu, d. i. an seiner statt, Wunder verrichten (Marci 16, 17.); so werden die unredlichen Lehrer vorgestellt, wie sie im Namen Jesu, d. i. an seiner statt gelehret (Matth. 7,22.) Und so versteht sich von selbst, wie Jesus sagen konnte:bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen, weil er bis dahin das Lehramt des Evangelii selbst verwaltet hatte, und nun erst am Ende seines Lebens es ihnen gleichsam abtrat, „ich gehe zum Vater, und was ihr von nun an,als meine Apostel bitten werdet“etc.s.Name .Ich will damit niemand die Beruhigung nehmen im Namen Jesu zu beten, und keinem Prediger die Freyheit der Allgemeinheit der Christen, dieses Gebet zu |f108| empfehlen, wenn es so viel seyn soll: als gern, oft, unter dem ernsten Bewußtseyn des allgegenwärtigen Gottes mit lebhafter Empfindung seiner eigenen Hülfsbedürftigkeit und frohem Zutrauen zu Gott, kurz, als ein erleuchteter Christ,beten. Aber in einem Wörterbuch dieser Art, ist es nöthig zu sagen, wasJesusselbst in einer solchen Unterredung mit seinen Aposteln über ihre künftige Amtsführung dabey gedacht habe. Augustin ist der erste mir bekannte Schriftausleger unter den Alten, der diese Aussprüche Jesu nicht bloß auf die Apostel eingeschränkt wissen will. Aber eben die Frage, die er aufwirft und verneint: Sollen wir das bloß von den Aposteln verstehen?dassey ferne!lässet vermuthen, daß dies die frühere oder doch schon dazumal bekannte Erklärung gewesen. Und so eignenCrysostomus,Apollinarius, dieses Gebet nur den Aposteln zu. Dieser sagt ausdrücklich:Christus thut, wasdie Apostelbitten.
Betenan allen Orten,1 Tim. 2, 8.d. i.in allenöffentlichen Versammlungen derChristen sollen nur die Männer vorbeten.
Betenmit der Zunge, oder, mit Zungen, 1 Cor. 14, 13. 14. 15.im Geist, imSinn, eben daselbst. Die eigentliche Uebersetzung ist:
13. Wer daher in einer fremden Sprache betet, der bete also, daß er es auch auslege;
14. Denn wenn ich in einer fremden Sprache bete, so betet zwar mein Herz, aber der Sinn, den ich damit verbinde, hilft dem andern (dem meine Sprache unbekannt ist) nichts, vergl.V. 16.
|f109|15. Was geziemt sich also? Nemlich; ich will zwar zu meiner Erbauung beten, aber auch so, daß andere (in öffentlicher Versammlung) meinen Sinn fassen: vergl.V. 19.
Der Apostel tadelt nemlich in dem ganzen Capitel die in der corinthischen Gemeine damals eingerissene Unordnung in einer der übrigen Gemeine unbekannten Sprache die gottesdienstlichen Handlungen zu verrichten.
BetenohneUnterlaß,1 Thess. 5, 17.vergl.Luc. 18, 1.Röm. 12, 12. ist von der öftern Gebetsübung zu verstehen. So heißt in allen Sprachen etwas unabläßig thun, wenn man es oft und fleißig thut. s.vertreten .
Betrübt machen, betrübt werden, ist nach dem besten griechischen Sprachgebrauche, Matth. 19, 22.Eph. 4, 30.so viel als unwillig machen,werden; beleidigen, beleidigtwerden. Und vielleicht auch Röm. 14, 15.So sagt Plutarch im Solon: Er brachte denCrösusauf (wo er denn das in den angeführten Stellen vorkommende Wort braucht) ohne ihn zu bessern. Luther selbst hat schon 2 Cor. 9, 7. das Nennwort richtig übersetzt: Unwille.
Beyde,Eph. 2, 14. 16. 18.Juden und Heyden;s.eins machen.
Beybringen,beweisen, darthun, Apostelg. 24, 13.vergl.25, 7.
Beugendie Knie; s.anbeten . Eph. 3, 14. zeigt es die besondere göttliche Verehrung an, die durch die Anrufung geschieht, daß man sogleich übersetzen könnte:
Ich rufe an den Vater unsers Herrn etc.
|f110|Bewegen:Luc. 2, 19.Maria – bewegte (diese Erzählung von Jesu) in ihrem Herzen, d. i. sie dachte hin und her darüber nach, was sie zu bedeuten hätte, welches die eigentliche Bestimmung ihres Sohnes seyn möchte u. s. w.In einigen Ausgaben der Lutherschen Uebersetzung steht auch wirklich das deutlichere erwegen; und die ganze Vorstellung ist eine schöne Veranlassung, das eigenestille Nachdenken über die Religion, oder besondere Vorfälle sich und andern zu empfehlen.
Beylage,2 Tim. 1, 12. 14. bedeutet etwas, das bey einem andern zur Verwahrung niedergelegt ist, und so hat Luther dasselbe übersetzt,1 Tim. 6, 20. Unter seiner Beylage versteht Paulus entweder sein Leben, welches dazumal (V.8.4, 15–18.) in großer Gefahr war, und versichert sich, daß Gott ihm dasselbe, wenn es sonst sein Wille sey, wohl erhalten könne, (s.Krebs in den Anmerkungen über das N. Testament aus dem Josephus); oder, welches ich wegen des, bis anjenen Tag, noch vorziehen möchte, seinenapostolischen Beruf,seinLehramtV. 11., – ich bin gewiß, daß er mich bey dem mir anvertrauten Apostelamt bis ans Ende meines Lebens schützen könne. Dieses Lehramt, oder die Lehre selbst, nennt er auch die herrliche Beylage des Timotheus. Es ist schwer, zwischen solchen gleich wahrscheinlichen und gleich sprachrichtigen Erklärungen zu wählen, und um so geziemender, Jeden für sich wählen zu lassen.
Beylegen,aufheben,Col. 1, 5.2 Tim. 4, 8. Im Griechischen steht ein von dem gleich vor|f111|hergehenden Nennwort unterschiedenes Zeitwort.
BildderHerrlichkeitChristi2 Cor. 3, 18. Der Sinn scheint zu seyn (in Verbindung mit dem 13ten V. und die Zwischenrede für eine gelegentliche Erläuterung angenommen): So konnten die Israeliten das Angesicht Mosis nicht ohne Decke sehen; aber wir (Apostel), wie wir die Herrlichkeit und Vortrefflichkeit des Evangelii Jesu Christi klar und deutlich erkennen, so werden wir auch immer geschickter, sie andern eben so klar und deutlich zu predigen; werden auch darinJesu, dessen Geist wir haben, immer ähnlicher.
BildGottes: s.Ebenbild .
Bischof;Aufseher, (s.Aelteste .) Apostelg. 20,28.1 Tim. 3, 2.Tit. 1, 7.
derSeelen; Seelsorger, wie wir zu sagen pflegen, der sich durch nützliche Belehrungen und Ermahnungen um andere verdient macht. So wird also Jesus1 Petr. 2, 25. recht eigentlich genannt in eben dem Verstande, in welchem er Hirte ,Prophet ,Fürst des Lebens ,Herzog der Seligkeit ,Haupt der Gemeine u. s. w. genannt wird; s. an den gehörigen Orten.
Bitten. Von Jesu wird gesagt: daß er für dieMenschenbitte, Hebr.7, 25. und welches gleichgeltend ist, sie vertrete,Röm. 8, 34.fürsiespreche,1 Joh. 2, 1.Dieß hat er wirklich noch auf die feyerlichste Weise am Ende seines Lebens gethan,Joh. 17, 9. 11. 15. (s.Welt ) ff. Allein die Christen aus dem Judenthum, mit denen es die Apostel in den angezeigten Stellen zu thun hatten, mußten zu ihrer völligen |f112|Beruhigung wissen: daß, wie sie überhaupt keines eigentlichen Hohenpriesters weiter bedürften, so auch die Darbringungen desselben, seine Fürbitten und Segnungen, ihnen nicht mehr nöthig wären. Es wird ihnen daher wegen ihrer fortdauernden Anhänglichkeit an die Aeußerlichkeiten ihres Gottesdienstes versichert: daß ihnen das alles nun entbehrlich sey, da Jesus durch sein Evangelium einen so beschwerlichensinnlichen Gottesdienst aufgehoben, ihnen den freyen kindlichen Zutritt zu Gott verschafft habe; es so gut sey, als wenn er ihr beständiger sichtbarer Hoherpriester und Fürsprecher wäre.
BittenundFlehen,Eph. 6, 18.Phil. 4, 6. sollte eigentlich auch am ersten Orte übersetzt seyn, Gebet und Flehen, und zeigt ein herzliches, eifriges Gebet an.
Bitte,Gebet, 1 Tim. 2, 1.würde ich so unterscheiden, daß das erste überhaupt alle gute Wünsche, und die Erklärungen derselben, das zweyte, eigentliche Gebete und Anrufungen anzeige.
Bleiben,in Gott, inJesu, in dem Vater undSohn, zeigt entweder eine Pflichterweisung oder eine Neigung an. Im ersten Fall bedeutet inJesubleiben und seinbleibeninuns,Joh. 15, 4. 5. 6.1 Joh. 2, 6.3, 6.4, 13. seiner Lehre getreu seyn, in dem Bekenntniß seines Evangelii beharren, und durch dasselbe zu allem Guten geleitet werden, nach seiner eigenen und der JohanneischenErklärung,Joh. 15, 7.2.2 Joh. 9. Im zweyten Fall, wie Joh. 6, 56.1 Joh. 4, 15. 16. heißt es so viel, alsGott |f113|undJesumlieben,und sie gegenseitig zu Freundenhaben. Dies ist zum Theil wieder die eigene Erklärung Johannes, da er einmal (1 Br. 4, 12.) für das, wir bleiben in Gott, welches der Gegensatz erforderte, sagt, seine Liebe istinuns, wir lieben ihn von ganzem Herzen. Nach einer freyen Uebersetzung würde ich also sagen:
Joh. 6, 56. Wer meine Lehre annimmt und sich recht zu eigen macht, der liebet mich und wird von mir geliebet werden.
1 Joh. 2, 6. Wer da saget, daß er sein Jünger sey, der muß auch wandeln wie er gewandelt hat.
1 Joh. 4, 15. Wer nun bekennet, daß Jesus von Gott ist gesandtworden, der hat Gott zum Freunde und liebet Gott.
Theophylact unter den ältern und Camerarius unter den neuern Auslegern haben diese Ausdrücke in dem Evangelio Johannis schon beynahe so erklärt, und der erste bemerkt ausdrücklich, daß Joh. 15, 9. die Erklärung des vorhergehenden enthalte.
Bleibet in meinerLiebe,Joh. 15, 9. ist die zärtliche Bitte eines abscheidenden Freundes, ihn nicht zu vergessen: Behaltet mich lieb, würde ich übersetzen – (V.10.) das wird geschehen, wenn ihr meine Gebote haltet – V. 11. Darum bitte ich euch also, damit ihr allezeit, wie ich, ein freudiges Herz haben könnet, und eure Freude so gründlich alsdauerhaftsey.
BlutdesHerrn,1 Cor. 11, 27. ist so viel, als derTodJesu; und man wird ein Mitschuldiger desselben durch unehrerbietigen Genuß des |f114|Abendmahls, indem man bey dieser Gedächtnißfeyer seines Todes mit eben so großer Gleichgültigkeit oder grober Verachtung gegenwärtig ist, als es seine ungerechten Richter bey der Hinrichtung selbst waren.
BlutChristi,Jesu Christi, desTestaments, des ewigen Testaments, der Besprengung, und was von dem einen und dem andern auf eine sehr erhabene Art in folgenden Stellen Röm. 3, 25.5, 9.Eph. 1, 7.2, 13.Col. 1, 14. 20.1 Petr. 1, 18. 19.1 Joh. 1, 7.Hebr. 9, 13.14.10, 19. 29.13, 12. 20.Offenb. 1, 5.5, 9. behauptet wird, sind Ausdrücke und Redearten, welche die Christen, die ehemals Juden gewesen waren, und die aus dem Heydenthum, die mit ihnen gar zu geneigt waren oder doch von ihnen verleitet werden konnten, neben dem Bekenntniß des Christenthums ihre eigenenblutigen Opfergebräuche fortzusetzen, von einer solchen Vermischung abhalten sollten. „Das ist ja ganz, wollen die Apostel sagen, der Absicht des Christenthums zuwider; dazu ist ja eben Jesus gekommen, daß er durch Einführung einer Religion des Herzens und des Wandels solche knechtische Gottesdienste ganz abschaffen, uns die Ueberzeugung schenken wollte, daß Gott ohne leibliche Gaben und Opfer gegen jeden zurückkehrenden Sohn väterlich gesinnt sey. Denket, daß Jesus sich ja eben deswegen selbst aufgeopfert hat, um euch von einem solchen an sich unkräftigen Gottesdienste zu befreyen (euch zu erlösen voneuermeitelnWandel,1 Petr. 1, 18.) alle Völker, die bisher wegen ihrer verschiedenen Religionsge|f115|bräuche, wie ihr Juden und Heyden, in bitterer Feindschaft mit andern lebten, durch eine Religion zu vereinigen (er hat Friede gemachtetc.Col. 1, 20.) und uns ohne alle Opfer einen freudigen Zugang zu Gott in unsern Gebeten, Danksagungen und ganzer Anbetung zu verschaffen, (Hebr. 10, 19.). Das überleget, so urtheilet, und bemühet euch übrigens, die Menschen zu werden, die ihr nach seinem Evangelio seyn sollet, so habt ihr Friede mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum, und sein Tod ist die erfreulichste Bestätigung davon.“ Oder auch nach dem, was gleich gesagt werden soll, „er ist statt aller Versöhnopfer.“
Also soll freylich das BlutJesu so viel seyn, als der TodJesu, und es ist mit dem Gebrauch jenes Worts kein größerer Nachdruck verbunden; nur für jüdische Christen, welche immer wieder zu ihren blutigen Opfern zurück und die aus dem Heydenthum nach sich ziehen wollten, war es sinnlicher, mehr das Blut als den Tod zu nennen, und für solche konnte auch im besten Verstande gesagt werden, sein Blut mache reinvon allen Sünden, nemlich die man bey nun erfolgter Besserung ehemals begangen (wie dies der Zusammenhang erfordert), in so fern er durch denselben die Lehre von der Begnadigung bey Gott bestätiget hat. Ich will nicht sagen, daß die Christen, die diese Vorstellung hörten, sogleich auch diese Erklärung dabey dachten. Ich will nicht einmal annehmen, daßPetrus und Johannes sie so deutlich als Pauluseingesehen haben, da es auch bey ihrer Erleuchtung Gra|f116|de gab und sie wenigstens in den Vordersätzen, die ich ihnen in den Mund gelegt, dieselbe Einsicht hatten. Aber auf die Erklärung kam es auch nicht an, wenn nur durch die ganze Vorstellung der Zweck, den bessern kindlichen Gottesdienst annehmungswürdig zu machen, erreicht wurde. Da ich bey den Artikeln Erlösung ,Hoherpriester ,Opfer , immer wieder auf diese Vorstellung zurückkommen werde, so erspare ich bis dahin andere Beweise; da ohne dies die Erklärung aller damit verwandten Ausdrücke erst volles Licht giebt. Es wird indeß dienlich seyn, einige von den angezeigten Stellen besonders durchzugehen, und den Anfang mit einer ganz ausgelassenen zu machen.
Apostelg. 20, 28. ist es nöthig, für Leser, die es anstößig finden möchten, wenn vom Blute Gottes geredet werde, zu erinnern, daß einige alte Bücher statt die GemeineGottes, entweder schlechthin die Gemeine, oder, die Gemeine des Herrn lesen, und daß die mittelste Leseart vielen die richtige zu seyn scheint. Das Ganze soll anzeigen:daßJesusdurch eine biszumTodestandhafteVertheidigung der Wahrheit ihrBekenntnißbey andern ausgebreitet.
Eph. 2, 13. ist der Verstand: Ihr, die ihr ehemals Heyden waret, seydnun, als Christen, mit den Christen aus dem Judenthum vereiniget worden durch den Tod Jesu; welcher damit die Aufhebung aller leiblichen Opfer, die euch von einander trennten, aufs gewisseste bestätiget hat: s.Christus ,ferne seyn .
|f117|1 Joh. 1, 7. So wir als erleuchtete Christen leben (s.wandeln ), wie Gott selbst ein reines und heiliges Wesen ist; so stehen wir und er in dem genauesten und erfreulichsten Verhältniß (das unter einander geht auf Gott und die Guten; mit ihm hatte er vorher gesagt): Und wenn wir denn ehemals uns versündiget haben, da wir noch im Judenthum lebten, so haben wir durch Christum den Trost, daß uns das bey unserm gegenwärtigen gebesserten Zustande nicht weiter von Gott zugerechnet wird und sein Blut macht uns rein etc.
Diese Stelle ist so beweisend für die Unmöglichkeit göttlicher Begnadigung ohne eine schon wirklich angefangeneSinnesänderung, daß wenn sie auch nur die einzige wäre, wie sie es doch nicht ist, die so unedle Vorstellung von der Vergebung der Sünden ohne Heiligung in einem offenbaren Widerspruche damit stehet. Aber gewiß ist die Sache selbst eben so widersprechend.
BlutdesLammes.Apoc. 7, 14.12, 11. Ich halte dies für eine Beschreibung des Märtyrertodes.So beschreibt Ignatius in seinem Briefe an die Römerbeym Ruinart den seinigen als eine Aufopferung, sich als ein Opferthier; und die Gemeine zu Smyrna läßt eben daselbst in ihrem Briefe von der Hinrichtung des Policarp diesen unter andern Gott danken, der ihn gewürdigt habe, den Märtyrern zugesellet zu werden, und an dem Kelch Christi, d. i. an seinem Tode, Theil zu nehmen. Der Grund der Beschreibung wäre also darin zu suchen, |f118| daß die Märtyrer um der Wahrheit willen eben so unschuldig litten, als Jesus vor ihnen gelitten hatte.
DesTestaments, des neuen Testaments, des ewigen, Hebr. 10, 29. Matth. 26, 28. Marci 14, 24.u. a. m.s.Testament .
Blutvergießen.Hebr. 9, 22. ist die Behauptung, ohneBlutvergießen geschieht keine Vergebung, nicht so allgemein zu verstehen, sondern mit der gleich vorhergehenden Einschränkung, nach dem Gesetz, nemlich, der mosaischen Gebräuche.
Böse.1 Cor. 5, 13.sollte man nachdrücklicher und kürzer für:
Thut von euch selbst hinaus, der böse ist – übersetzen:
Stoßet den Bösewicht aus eurer Gemeine; welches schon V. 7. in bildlichen Ausdrücken war erinnert worden. So hat Luther selbst dasselbe Wort richtig übersetzt,1 Joh. 2, 13. 14. wo vielleicht nach 3, 8.der Teufel zu verstehen ist, dem die jüdischen Philosophen auch alles moralische Böse unter den Menschen zuschrieben. Eph. 6, 16.s.Herren der Welt .
Bosheit.s.Kinder ,Sauerteig . Sonst bedeutet es Apostelg. 3, 26.1 Cor. 14, 20. alle heydnische Laster überhaupt; hingegen sollte es,Luc. 11, 39.Apostelg. 8, 22.Eph. 4, 31.Col. 3, 8.Tit. 3, 3.1 Petr. 2, 1. wie es auch der jedesmalige Zusammenhang der Rede beweist, und Luther selbst Röm. 1, 29. übersetzt hat, eigentlicher,Schalkheitheißen.
Bothschaft ist Lehre,1 Joh. 3, 11.vergl. mit Esai. 28, 9. wo Luther das hebräische Wort, welches die Griechen wörtlich Bothschaft ge|f119|ben, richtig Predigt, und verkündigen, lehren, übersetzt.
Braut,Bräutigam,Joh. 3, 29. ist das Ganze eine sprüchwörtlicheRedeart, und eben so wird die Vergleichung Matth. 9, 15.25, 5.22, 2. folg.Marc. 2, 19.Luc. 5, 34.35. nur zu einer gelegentlichen Erläuterung angestellt. Man sollte also Jesum nicht in das Spiel mengen, welches man zuweilen mit der Kirche, als seinerBraut, treibt. Er selbst hat sie nie seine Braut genannt, und am wenigsten ein einzelnes Glied, welches noch weit anstößiger ist. Vielmehr, wenn er einigemal die Vergleichung seiner Person mit einem Bräutigam ergriffen, mäßiget er sie doch so, daß er nur die Freunde desselben (Hochzeitleute, wie Luther übersetzt) in die Vergleichung hineinbringt. Ich bestimme diese Anmerkung besonders Lehrern der Gemeinen, die solchen Tändeleyen mit gewissenhaftem Ernst entgegen arbeiten sollten, und nicht die Einbildungskraft ihrer Zuhörer mit Bildern anfüllen, die von vielen gar zu leicht auf eine anstößige Weise erweitert werden können, und sehr oft, auch von ganzen Gemeinen, sind erweitert worden.
Brechen.Die Schrift brechen, Joh. 10, 35.vergl.Joh. 7, 23. und Hebr. 10, 28. wo Luther in einer ähnlichen Verbindung dasselbe griechische Wort zerbrechen übersetzt, ist so viel, als sie verwerfen, verletzenetc. Ich würde in der ersten Stelle übersetzen: und die Schrift muß doch gelten – in der zweyten:um der gesetzlichen Vorschrift nicht entgegen zu handeln, welches der Fall würde gewesen seyn, wenn jemand |f120| um des Sabbaths willen sein Kind nicht am achten Tage hätte wollen beschneiden lassen.
Den Sabbath brechen, Joh. 5, 18. ihn entheiligen, das Brodbrechen.s.Brod .
Breit,Breite.Matth. 7, 13. heißt der breite Weg, die gemeine Lebensart; s.Pforte ,Weg . BreiteEph. 3, 18. bedeutet, nebst den übrigen Maaßwörtern, Längeetc. den ganzen Umfang, nemlich derchristlichen Erkenntniß, von welcher in dem gleich folgenden geredet wird, nur daß Luther in der Uebersetzung statt Erkenntniß alleswissensetzt. Der Sinn beyder Verse ist:
Auf daß ihr mit allen Christen begreifen möget, welches der Umfang der Religion sey; aber auch zugleich euch überzeugt halten, daß dazu die größte Einsicht noch nicht zureichend ist, und am Ende, Christum lieb haben, besser ist, als alles Erkenntniß.
Man könnte aber auch aus dem vorhergehenden 17ten V. das Wort Liebe wiederholen, und dann wäre der Verstand:
– Und in einer gegenseitigen Liebe recht gegründet zu seyn; daß ihr immer mehr ihren ganzen Umfang einsehen lernet, und vor allen Dingen erkennet, daß Christumlieben, weit vortrefflicher ist, als noch so große Religionseinsichten haben.
Brennen,2 Cor. 11, 29.so viel, als in Affect gerathen, aufgebracht werden, in Bewegunggesetztwerden; vergl.2 B. Maccab. 4, 38. Grundtext und Uebersetzung. Die freyere Uebersetzung würde seyn: Wer ist schwach im Erkenntniß, daß ich mich nicht nach seiner Schwachheit bequeme? wessen Gewissen wird |f121|von andern beunruhiget, daß ichnicht seiner mitlebhaftemEifermichannehme? Dem Sinn der ersten Hälfte ist die Bezeugung 1 Cor. 9, 22. ganz ähnlich, und in derselben Bedeutung verbindet Paulus beyde Wörter,schwach seyn, und, geärgert werden, Röm. 14, 21.
Brief,2 Cor. 3, 2. 3. Hier ist in der Vergleichung selbst der Brief Pauli das Empfehlungsschreiben der Corinther für ihn an andere Gemeinen, und Brief Christi das Empfehlungsschreiben Christi für Paulum an die Corinther. Die Vergleichung leitet er im 1stenV. dadurch ein, daß er, wie eigentlich übersetzt werden sollte, sagt:
Wir bedürfen weder, wie einige (falsche Apostel) eines Empfehlungsschreibens an euch, noch von euch; denn (das letztere ist unsere innige und unauslöschliche Liebe zu euch, die uns immer zu eurem Lobe beredt macht) ihr seyd unser Empfehlungsschreiben an Andere, geschrieben in unser Herz kenntlich und lesbar allen Menschen: Und dagegen (sind wir euch durch Jesum Christum selbst, der uns zum Apostelamte unter euch berufen und geschickt gemacht hat, genug empfohlen) seyd auch ihr uns offenbar das beste Empfehlungsschreiben Christi, welches wir selbst an euch abgeliefert haben, nicht mit Dinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln des Herzens (also eben so unauslöschlich) geschrieben.
|f122|Brod,ist überhaupt der Unterhalt des Lebens, z. E. im Vater Unser, wo man genauer übersetzen sollte:
Unsern nothdürftigen Unterhalt gieb uns heute,
s.täglich – Luc. 15, 17.(die ihr reichliches Auskommen haben) 2 Thess. 3, 8.
Haben auch nicht umsonst unsern Unterhalt von jemand genommen – wie viele – die ihr gutes Auskommen haben.
Dann bedeutet es in einem engern Verstande, die gewöhnlichen Nahrungsmittel, Speise und Trank, und also nur einen Theil des Unterhalts; Matth. 4, 4.Luc. 4, 4. Der Sinn ist: Gott ist nicht an die ordentlichen Nahrungsmittel in der Erhaltung des Menschen gebunden.
Im engsten Verstande ist es das eigentliche Brod,Matth. 16, 8.Marc. 8, 17.
Nach der mittelsten Bedeutung heißt nun,das Brod essen, überhaupt speisen,Matth. 15, 2.vergl.V. 20.Marc. 7, 2. (3. 4.);zu Gastegehen,Luc. 14, 1.; und in der ersten sein eigen Brod essen, 2 Thess. 3, 12.selbst für seinen Unterhalt sorgen, ihn selbst erwerben; eines andern Brod essen, Joh. 13, 18.durch ihn versorgt werden, Gutthaten von ihm genießen,(Ps. 41, 10.).
Das Brod brechen,Matth. 14, 19.15, 36.Marc. 8, 19.Luc. 24, 30.Apostelg. 27, 35.1 Cor. 10, 16. und in den Einsetzungsworten bey den Evangelisten und dem Apostel Paulus ist nach den Sitten der Morgenländer, deren Brodte eine Art dünner Kuchen waren, so viel, |f123| als es theilen. Weil nun der Genuß des Brods im Abendmahl zu den besondern gottesdienstlichen Feyerlichkeiten der Christen gehörte, so nennen die Apostel diesen Genuß das Brodbrechen im vorzüglichsten Verstande, 1 Cor. 10, 16.Apostelg. 2, 42.20, 7. Nach der mittelsten Stelle waren also dazumal die vornehmsten Stücke des öffentlichen Gottesdienstes, der Unterricht, der Genuß des Abendmahls, endlich das gemeinschaftliche Gebet; und Gemeinschaftund Brodbrechen ist, nach unserer Art zu reden, der gemeinschaftliche Genuß desAbendmahls.Die dritte Stelle enthält noch einen besondern Beweis dieses apostolischen Sprachgebrauchs, indem daselbst (nach V. 8. 9. 11.) von einer nächtlichen Zusammenkunft die Rede ist, welche man wohl nicht anstellte, um Brod unter die Armen auszutheilen, wovon einige die Redeart haben verstehen wollen. Diesen Verstand hat sie, wie ich glaube, Apostelg. 2, 46.; allein hier wird auch durch den Zusatzhin und her in den Häusern, die Redeart anders bestimmt, und durch den Inhalt der beyden vorhergehenden Verse der Leser noch mehr berechtiget, an eine mildthätige Austheilung zu denken: Ganz wie Jes. 58, 7. welches diesen letzten Sprachgebrauch noch mehr bestätiget.
BroddesLebens,Joh. 6, 35. 48.vom Himmel, das vom Himmel kommenist, V.32. 41. 50.daslebendige Brod vomHimmel, V.57.Brod Gottes – das der Welt das Lebengiebt. Dies letztere ist schon eine nähere Erklärung des ersten Ausdrucks, der nun eigentlich |f124| so viel bedeuten soll, als das Werkzeug, der Lehrer, Urheber der Glückseligkeit. So ist es in allen Sprachen gewöhnlich, das, was die Seele stärkt und erfreut, als ein Nahrungsmittel vorzustellen, ihr selbst den Genuß desselben zuzuschreiben. Ganz besonders liebten die jüdischen und platonischenWeltweisen dergleichen bildliche Vorstellungen, wovon auch nur Sprüchw. 9, 5.Sir. 15, 3. zum Beweise dienen kann. s.Fleisch .
Bruder ist zuweilen ein jeder naherVerwandter,Matth. 12, 46.Marc. 3, 31.Luc. 8, 19.Matth. 13, 55.Joh. 2, 12.7, 5.Gal. 1, 19.Dann bedeutet es Amtsgehülfen,Apostg. 9, 17. 1 Cor. 16, 12.Phil. 2, 25.Col. 1, 1.Philem. 1.Hebr. 13, 23.Eph. 6, 21.Col. 4, 7.2 Petr. 3, 15.2 Cor. 11, 26.; drittensMitbürger,Matth. 5, 47. 22. 23. 24.18, 15. 21. und nach diesem letzten unter den Juden üblichen Sprachgebrauche und der eigenen Bestätigung desselben unter den Christen durch Jesum, Matth. 23, 8. ist es endlich so viel, als ein Mitchrist, ein Mitbüger der christlichen Gesellschaft. (Eph. 2, 19.) Luc. 22, 32.Joh. 21, 23.Apostelg.14, 2.15, 1. 7. 13. 22. 23. 32. 36. 40. 16, 40.17, 10. 14.18, 18. 27.21, 7. 17.28, 14. 15. 21.Röm. 8, 12.14, 10. 13. 15. 21.1 Cor. 6, 5. 6.7, 12.8, 11. 13.15, 6.Eph. 6, 10.Phil. 1, 14.1 Tim. 4, 6.6, 2.1 Thess. 4, 10.1 Petr. 2, 17.1 Joh. 2, 9. 10. 11.3, 10. 14. 15. 16. 17.4, 20. 21.Jac. 1, 16.Jac. 2, 15.4, 11. – Gal. 6, 10. steht dafür Glaubensgenossen.
|f125|Bruderliebe oder brüderliche,Röm. 12, 10.1 Thess. 4, 9.1 Petr. 1, 22.3, 8.2 Petr. 1, 7.Hebr. 13, 1. ist also zur Unterscheidung der allgemeinen Menschenliebe, die liebreiche Gesinnung gegen Religionsverwandte nebst ihren Erweisungen. In den damaligen Zeiten, in welchen der mitten unter einer ansehnlichen Menge Juden oder Heyden wohnende kleine Haufe der Christen ganz verlassen würde gewesen seyn, wenn nicht alle untereinander sich desto thätiger beygestanden hätten, war diese Bruderliebe eine ganz besondere Pflicht. Nach den gegenwärtigen Umständen christlicher Gemeinen verliert sie sich, so zu reden, in der allgemeinen Menschenliebe; und wo intolerante Gemeinen die Oberhand haben, da kann es sogar Pflicht der Religion für den mäßiger denkenden Theil unter denselben seyn, die Erweisungen der Menschenliebe der Bruderliebe vorzuziehen. Hier ist nemlich der Fall gegenseitig, der die besondern Uebungen der Bruderliebe in den apostolischen Zeiten nothwendiger machte; hier hat der Mitmensch weniger Beystand, als der Mitchrist, und braucht eben deswegen den meinigen mehr.
Brünstig. Zweymal steht dieses Wort in der Lutherschen Uebersetzung am rechten Ort und drückt das Griechische eigentlich aus; nemlich, Apostelg. 18, 25.Röm. 12, 11. Aber 1 Petr. 1, 22.4, 8. sollte das Wort innig, da in einer solchen Verbindung das brünstig etwas anstößig ist, in der Uebersetzung gewählt seyn. – Habt untereinander eine innige Liebe. – Die Frage ist nur noch, was brünstig im Geist |f126| seyn soll. Es ist also in der letzten Stelle der Gegensatz von der Trägheit zum Guten, und soll die herzliche Nacheiferung desselben anzeigen; in der ersten aber geht es mehr auf die Lebhaftigkeit des Vortrags und die feurige Beredtsamkeit des Apollo.
BuchdesLebens,Phil. 4, 3.Offenb. 3, 5.13, 8.17, 8.20, 12.22, 19. Die gleichgeltende Benennung ist das lebendige Buch des LammesOffenb. 21, 27. Es ist nun schon einmal (s.anschreiben ) erinnert worden, daß die Bürgerlisten bey den Juden das Buch der Lebendigen (Ps. 69, 29.) genannt wurden, in welches die Namen aller Israeliten jedes Orts eingetragen waren, und daß daher die mit diesem Gebrauch bekannten Apostel, als ehemalige Juden, Gott gleichsam ein Buch zueignen, in welches das neue Volk der Christen von ihm eingeschrieben werde. In gleicher Rücksicht nennt sie Paulus (Eph. 2, 19.) Bürger; und daher kömmt endlich dieser Ausdruck mit den davon zusammengesetztenRedearten am häufigsten in der Offenbahrung vor, in welcher Sprache, Bilder, Benennungen, alles aus der jüdischen Staatsverfassung übergetragen ist.
Geschrieben seyn in diesemBuche, oder gegenseitig, aus demselben ausgelöscht werden, heißt also so viel, als, im ersten Fall, einwahres Glied der Kirche seyn, im zweyten, aus der christlichen Kirche ausgestoßenwerden, oder nicht dazu gerechnet werden. Was der Apostel sagt, deren Namen sind imBuchdesLebens,Phil. 4, 3. würden wir in unserer gemeinen Sprache ausdrücken: die rechtschaffene |f127| Christen sind. Diesmacht denn auch die so oft aufgeworfene Frage unnöthig, wie man wieder aus dem Buche des Lebens könne ausgestrichen werden? bey der man nemlich voraussetzte, daß es eigentlich so viel sey, als zum ewigen Leben erwähltseyn. Es ist eben so deutlich, daß Moses2B. 32, 32. 33. sich nicht die Ausschließung von ewiger Glückseligkeit, sondern die AbnehmungderReligionslast unter einem solchen Volke wünschte. Er stellet Gott vor, wie er sein Volk namentlich in ein Buch geschrieben hat, und ihm unter dem Titel des Vorstehers desselben eingetragen. In diesem Verhältniß will er also lieber ausgestrichen seyn, als es vor seinen Augen untergehen sehen.
Buchstabe, der kleinste des Gesetzes,Matth. 5, 18. ist V. 19. das geringscheinendste Gebot:
Der Buchstabe tödtet, 2 Cor. 3, 6. 7.s.Amt .
Die erstenBuchstaben der christlichen Lehre,Hebr. 5, 12. die Anfangsgründe der Religion.
UnterdenBuchstaben der Beschneidungseyn,Röm. 2, 27. buchstäblich, im eigentlichen Verstande, beschnitten seyn:V.29.dieBeschneidung im Buchstaben, die eigentlich sogenannte Beschneidung. Nach einer freyen Uebersetzung würde es heißen:
27. Es wird also der unbeschnittene Heyde, der das Gesetz vollbringt, dich eigentlich beschnittenen Uebertreter des Gesetzes verdammen. 28. Denn der ist nicht ein wahrer Jude, der es nur äußerlich ist; und eben so wenig das die rechte Beschneidung, die nur äußerlich am Fleische geschieht. 29. Der ist vielmehr der wahre Jude, der es inner|f128|lich ist, und die rechte Beschneidung, eine geistliche des Herzens, und keinesweges die buchstäbliche des Fleisches.
S.Beschneidung .
Das alte Wesen desBuchstabens,Röm. 7, 6. ist nach V.1. 4. 7. das alte geschriebene Gesetz.
Bürgerschaft,Eph. 2, 12. genauer Bürgerrecht, gleich nachher,ohne Christo seyn; s.Ohne .
Bund. So übersetzt Luther1 Petr. 3, 21. ein Wort, welches weder nach dem Sprachgebrauche diese Bedeutung hat, noch in der Zusammensetzung mit dem Worte Gott, wie sie im Text ist, haben kann. Bey andern griechischen Schriftstellern kömmt es zwar in der Bedeutung Frage oder Bitte vor, wie Dan. 4, 14. und beym Thucydides 3, 55. 68. aber nie in einer solchen Redeverbindung. Ich vermuthe also , daß es hier die Verpflichtung bedeute, die der Täufling über sich nahm, und also übersetzt werden könnte:dieVerpflichtung eines guten Gewissens gegen Gott, oder noch genauer, die gewissenhafte Verpflichtung gegenGott. Dies giebt einen sehr verständlichen Sinn, und stimmt auch mit der eigentlichen Bedeutung und Absicht der Taufhandlung überein. Sie ist nicht an sich ein Reinigungsmittel des Herzens und Gewissens; dafür giebt auch Petrussie nicht aus, weil er sonst im Gegensatze würde gesagt haben – nicht das Abthun des Unflats am Fleisch, sonderndas Abthun der Flecken imGewissen. – Der Täufling verpflichtet sich nur zum aufrichtigen Gehorsam gegen Gott, oder andere für ihn (wo der Gebrauch der Kindertaufe eingeführt ist) u. s. w.
|f129|Buße. Dieses deutsche Wort, welches eigentlich eine Genugthuung anzeigt, in welcher Bedeutung es auch LutherEsra 7, 26. nimmt, drückt den Sinn der beyden griechischen Wörter, für die er es in der Uebersetzung des N. Testaments gebraucht hat, nicht richtig genug aus. Nur zweymal hat er dafür das bequemere Reue gewählt 2 Cor. 7, 9. 10. Allein noch genauer würde man übersetzen müssen Sinnes-Aenderung, Besserung, wie esPhilo (2 B.Sam.3, 5.) erklärt. So werden beyde griechische Wörter von Gott in der Uebersezzung des A. Testaments in der Bedeutung einer Aenderung seiner Rathschlüsse gebraucht, an allen den Orten, wo Luther auch den Begriff der Reue ausgedrückt hat; eben so braucht Josephus das eine wie das andere von denen, die ihre Meynungen oderEntschließungen ändern, in welcher eingeschränktern Bedeutung es Hebr. 12, 17. vorkömmt, wo es für heißen sollte: Wenn von Menschen die Rede ist, sollte also allezeit in der deutschen Uebersetzung für Buße,Sinnesänderung oder Sinnesbesserung, oder Rückkehr stehen, z. E.
Apostelg. 20, 21.ich habe geprediget – – die Rückkehr zu Gottetc.
Röm. 2, 4. Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Besserung leite?
2 Cor. 7, 9. – Daß ihr seyd betrübt worden zur Besserung.
|f130|Bußethun, ist daher eben so viel, als sich bessern, sein Leben ändern; und dieser sogleich verständliche Ausdruck sollte allenthalben in unserer deutschen Uebersetzung stehen, wo Luther jenen eingeführt hat. Wenigstens müssen nun die Leser dieser Uebersetzung das dabey denken – bey thutBuße,Matth. 3, 2.4, 17.Marci 1, 15.Apostelg. 2, 38.3, 19.thue BußeApostelg. 8, 22.Offenb. 2, 5. 16.3, 3. 19.Buße thunMarci 6, 12. Luc. 15, 10.16, 30. bessert euch, ändere, bessere dich, sich bessern.
Der Buße nichtbedürfen,Luc. 15, 7. ein schon wahrhaftig guter Mensch seyn.
Buße und Vergebung derSünden,Luc. 24, 47.Apostelg. 5, 31.Lebensbesserung und Begnadigung.
Buße zur Vergebung derSünden,Marci 1, 4.Luc. 3, 3.Apostelg. 2, 38. Besserung zur Erlangung der göttlichen Gnade.
Die Einsicht in die Religion würde an Klarheit und Richtigkeit ungemein viel gewinnen, wenn sich alle ihre Bekehrung nur geradezu mit der Schrift nach allen den vorhergehenden Aussprüchen und Vorstellungen als eine Besserung dächten. Wenn dann ein jeder, der sie nöthig hat, sich wirklich nach reifer Ueberlegung dazu entschlösse; so möchten die dabey gehabten unangenehmen Empfindungen der Mißbilligung sein selbst und einer schaamvollen Reue noch so unmerklich und von noch so kurzer Dauer gewesen seyn, die Besserung selbst wäre doch erfolgt, und also der Mensch da, den Gott als einen gebesserten wieder mit Wohlgefallen ansieht. Da brauchen also auch wir als Predi|f131|ger nicht einen so weiten Umweg zu nehmen, und uns bey allgemeinen Beschreibungen der Erkenntniß und Bereuung der Sünden aufzuhalten. Alle solche Beschreibungen reichen doch noch lange nicht hin,die Menschen und jeden einzelnen Menschen auf seine eigenen Vergehungen aufmerksam zu machen. Sagen wir ihnen aber, besseredich, und er hat Lust es zu thun, so wird er sich am sichersten sagen können, worin er dieser Besserung bedarf.