|z52| IV.
Anzeige einer, wie es scheint, leichtern Auslegung dieser Geschichte von der Versuchung Jesu.
Die vorgetragene Auslegung der Versuchungs-Geschichte ist in der Hauptsache die gewönliche. Aber nach einem öftern Nachdenken darüber – und damit sollen wir unaufhörlich die Bibel lesen; nie glauben am Ende der Untersuchung zu seyn; nie unsere Meinung und unsre Auslegung für Untrüglich halten; sondern ohne Aufhören immer nach dem Bessern forschen, Philipper 1, 10. – Ein öfteres neues Nachdenken also über diese Stelle hat mir manche nicht unerhebliche Schwierigkeiten bei jener Auslegung entdeckt. Zuerst, wenn man Matthäum V. 3. von einer sichtbahren Versuchung des Teufels versteht, so muß man auch annehmen, daß Jesus ihn gekandt habe. Und alsdenn höret alles das auf, eine Versuchung zu seyn. Auch die listigsten Anschläge eines Mannes, den wir als unsern Feind kennen, werden selbst den Einfältigsten nicht versuchen. Zweitens ist es unerweislich, daß Jesus seine Wunder-Kraft bloß zum Beweise der Religion empfangen habe. Konte er |z53| sie brauchen um andre zu nären und zu erhalten; warum nicht auch, sich selbst diesen Vortheil zu schaffen? Also scheint Vers 3. 4. gar nichts Sündliches zu enthalten, wenn man sie als eine wörtliche äussre Rede von Versuchung des Teufels ansieht. Drittens ist es sehr unwahrscheinlich, daß Jesus mit dem Teufel umher gezogen; dieser ihn auf einen der Tempel-Flügel gestellet; und noch unwahrscheinlicher, daß der Teufel ihm den Vorschlag gethan habe sich herab zu stürzen. Dies wäre gerade das Mittel gewesen sich als das völlige Gegentheil von einem göttlichen Gesandten, als einen Unsinnigen der ganzen Stadt zu zeigen. Viertens ist es ganz unmöglich von einem Juden zu denken, daß er etwas anders ausser dem wahren Gott anzubeten, kan gereizet werden. Man weiß wie die Nation seit der Rükkehr aus Babel alles, selbst das Leben waagte, ehe sie auch nur eine Bildsäule in ihrem Tempel duldeten. Und nun seze man gar hinzu, den Teufel anbeten! Und von diesem sich sagen lassen, daß er Herr der Welt sey! So wird man fülen, daß Vers 8 und 9 nicht kan als eine äussre Versuchung dem Satan in den Mund gelegt werden. Endlich kommt zu dem allen, daß es eine Auslegung giebt, welche der Sprache und dem Zusammenhange eben so wohl, wo nicht mehr gemäß ist, als die gemeine.Die vorgetragene Auslegung der Versuchungs-Geschichte ist in der Hauptsache die gewönliche. Aber nach einem öftern Nachdenken darüber – und damit sollen wir unaufhörlich die Bibel lesen; nie glauben am Ende der Untersuchung zu seyn; nie unsere Meinung und unsre Auslegung für Untrüglich halten; sondern ohne Aufhören immer nach dem Bessern forschen, Philipper 1, 10. – Ein öfteres neues Nachdenken also über diese Stelle hat mir manche nicht unerhebliche Schwierigkeiten bei jener Auslegung entdeckt. Zuerst, wenn man Matthäum V. 3. von einer sichtbahren Versuchung des Teufels versteht, so muß man auch annehmen, daß Jesus ihn gekandt habe. Und alsdenn höret alles das auf, eine Versuchung zu seyn. Auch die listigsten Anschläge eines Mannes, den wir als unsern Feind kennen, werden selbst den Einfältigsten nicht versuchen. Zweitens ist es unerweislich, daß Jesus seine Wunder-Kraft bloß zum Beweise der Religion empfangen habe. Konte er |z53| sie brauchen um andre zu nären und zu erhalten; warum nicht auch, sich selbst diesen Vortheil zu schaffen? Also scheint Vers 3. 4. gar nichts Sündliches zu enthalten, wenn man sie als eine wörtliche äussre Rede von Versuchung des Teufels ansieht. Drittens ist es sehr unwahrscheinlich, daß Jesus mit dem Teufel umher gezogen; dieser ihn auf einen der Tempel-Flügel gestellet; und noch unwahrscheinlicher, daß der Teufel ihm den Vorschlag gethan habe sich herab zu stürzen. Dies wäre gerade das Mittel gewesen sich als das völlige Gegentheil von einem göttlichen Gesandten, als einen Unsinnigen der ganzen Stadt zu zeigen. Viertens ist es ganz unmöglich von einem Juden zu denken, daß er etwas anders ausser dem wahren Gott anzubeten, kan gereizet werden. Man weiß wie die Nation seit der Rükkehr aus Babel alles, selbst das Leben waagte, ehe sie auch nur eine Bildsäule in ihrem Tempel duldeten. Und nun seze man gar hinzu, den Teufel anbeten! Und von diesem sich sagen lassen, daß er Herr der Welt sey! So wird man fülen, daß Vers 8 und 9 nicht kan als eine äussre Versuchung dem Satan in den Mund gelegt werden. Endlich kommt zu dem allen, daß es eine Auslegung giebt, welche der Sprache und dem Zusammenhange eben so wohl, wo nicht mehr gemäß ist, als die gemeine.
Man kan nämlich, dies alles von einer
bloß Innern, aber am Ende der vierzig Tage wiederhohlten und verstärkten Versuchung des
Sa|z54|tans erklären. Nach jener
vierzigtägigen und beständigen innern Versuchung,
trat nun, wie der Text sagt V. 3.
der Versucher zu ihm und sprach, nämlich,
innerlich durch eine Eingebung sprach er. Und dann ist der Sinn: „Nun wiederhohlte der
Satan und verstärkte seine innern Versuchungen. Er waagte nunmehr die lezte und stärkste Versuchung.“ – Die
Erste, wiederhohlte Versuchung V. 3. 4., würde nun dem zu Folge, denn Sinn haben. „Der Satan reizte ihn durch eine Eingebung, sich auf alle Weise irrdischen Ueberfluß, und sinnliche Gemächlichkeiten zu verschaffen.
Jesus aber bewafnete sich gegen diese Reizung mit der Ueberzeugung,
daß von Gott allein unser Glück abhängt. Und so gestärkt faßte er den Entschluß, sein ganzes folgendes Leben, und nun anfangendes Lehramt hindurch, nicht für Ueberfluß der Erde, sondern für die
Gunst Gottes zu arbeiten.“ – So auch die
Zweite Versuchung; V. 5–7. „Der
Teufel reizte ihn zum
Ehrgeiz: indem er ihm den Gedanken einflößte, innerlich so zu ihm sprach,
Waage etwas, um dich berümt zu machen! Errege Aufsehen und Geräusch,
um zu Ehrenstellen hinan zu steigen! Jesus aber erstickte diese Regung alsbald durch die Betrachtung, daß man
nur auf dem Wege der Pflicht und
für Gott, alles waagen müsse. Und so entsagte er feierlich auch allen Anschlägen des Ehrgeizes.“ – Endlich die
lezte Versuchung V. 8–11 „Schmeichle[“] (sagte ihm
innerlich der
Teufel
) „den Göttern der Erde, um dich Reich und Groß
|z55| zu machen. Und
Jesus erstickte diese teuflische Reizung zum
Geldgeiz, durch die Betrachtung, daß nur allein in einer
gänzlichen Anhängung an
Gott unser Glück bestehet.“
Man kan nämlich, dies alles von einer
bloß Innern, aber am Ende der vierzig Tage wiederhohlten und verstärkten Versuchung des
Sa|z54|tans erklären. Nach jener
vierzigtägigen und beständigen innern Versuchung,
trat nun, wie der Text sagt V. 3.
der Versucher zu ihm und sprach, nämlich,
innerlich durch eine Eingebung sprach er. Und dann ist der Sinn: „Nun wiederhohlte der
Satan und verstärkte seine innern Versuchungen. Er waagte nunmehr die lezte und stärkste Versuchung.“ – Die
Erste, wiederhohlte Versuchung V. 3. 4., würde nun dem zu Folge, denn Sinn haben. „Der Satan reizte ihn durch eine Eingebung, sich auf alle Weise irrdischen Ueberfluß, und sinnliche Gemächlichkeiten zu verschaffen.
Jesus aber bewafnete sich gegen diese Reizung mit der Ueberzeugung,
daß von Gott allein unser Glück abhängt. Und so gestärkt faßte er den Entschluß, sein ganzes folgendes Leben, und nun anfangendes Lehramt hindurch, nicht für Ueberfluß der Erde, sondern für die
Gunst Gottes zu arbeiten.“ – So auch die
Zweite Versuchung; V. 5–7. „Der
Teufel reizte ihn zum
Ehrgeiz: indem er ihm den Gedanken einflößte, innerlich so zu ihm sprach,
Waage etwas, um dich berümt zu machen! Errege Aufsehen und Geräusch,
um zu Ehrenstellen hinan zu steigen! Jesus aber erstickte diese Regung alsbald durch die Betrachtung, daß man
nur auf dem Wege der Pflicht und
für Gott, alles waagen müsse. Und so entsagte er feierlich auch allen Anschlägen des Ehrgeizes.“ – Endlich die
lezte Versuchung V. 8–11 „Schmeichle[“] (sagte ihm
innerlich der
Teufel
) „den Göttern der Erde, um dich Reich und Groß
|z55| zu machen. Und
Jesus erstickte diese teuflische Reizung zum
Geldgeiz, durch die Betrachtung, daß nur allein in einer
gänzlichen Anhängung an
Gott unser Glück bestehet.“
Ohne Zweifel ist also
Jesus, vom
Teufel wirklich versucht worden[.] Dies sagen die Evangelisten gar zu deutlich
Matthäi 4, 1.
Marcus 1, 12. 13.
Lucä 4, 1. 2. Und man kan folglich nicht annehmen, daß bei
Jesu dies alles bloß im Gesicht vorgegangen, und die ganze Geschichte allegorisch zu verstehen sey: ohne dem Text Gewalt zu thun, und den Stil der Urwelt in die spätere zu übertragen. –
Vierzig Tage dauerte
diese Versuchung Luk. V. 2. V.V.. Aber nicht
äusserlich und
sichtbahr ward
Jesus vom Teufel versucht. Sondern durch
innere Eingebungen sündlicher Gedanken und Triebe. Und zwar durch
Dreierlei Reizungen dieser Art: nämlich zum
Weichlichen Leben; zur
Ehrsucht; und zum
Geldgeiz. – Am Ende der vierzig Tage
verdoppelte der Teufel alle diese Versuchungen
Matth. V. 2. 3. Luk. V. 2. 3.
Jesus aber bewafnete sich in feierlicher Ueberlegung, mit den religiösen Gesinnungen des
Vertrauens auf Gott, Matth. V. 7.; des
erleuchteten Heldenmuths Matth. V. 4.; und der
zärtlichsten Liebe zu Gott Matth. V. 10. So trat er sein Lehramt an, und litte bis zu seinem lezten, Grossen Leiden, nichts ferner von teuflischer
Gewalt.
Luk. V. 13. – Das Ganze ist also,
die Geschichte von den Leiden, und feierlichen Ueberlegungen, und Entschlüssen, womit Jesus sein Lehramt anfing.
Ohne Zweifel ist also
Jesus, vom
Teufel wirklich versucht worden[.] Dies sagen die Evangelisten gar zu deutlich
Matthäi 4, 1.
Marcus 1, 12. 13.
Lucä 4, 1. 2. Und man kan folglich nicht annehmen, daß bei
Jesu dies alles bloß im Gesicht vorgegangen, und die ganze Geschichte allegorisch zu verstehen sey: ohne dem Text Gewalt zu thun, und den Stil der Urwelt in die spätere zu übertragen. –
Vierzig Tage dauerte
diese Versuchung Luk. V. 2. V.V.. Aber nicht
äusserlich und
sichtbahr ward
Jesus vom Teufel versucht. Sondern durch
innere Eingebungen sündlicher Gedanken und Triebe. Und zwar durch
Dreierlei Reizungen dieser Art: nämlich zum
Weichlichen Leben; zur
Ehrsucht; und zum
Geldgeiz. – Am Ende der vierzig Tage
verdoppelte der Teufel alle diese Versuchungen
Matth. V. 2. 3. Luk. V. 2. 3.
Jesus aber bewafnete sich in feierlicher Ueberlegung, mit den religiösen Gesinnungen des
Vertrauens auf Gott, Matth. V. 7.; des
erleuchteten Heldenmuths Matth. V. 4.; und der
zärtlichsten Liebe zu Gott Matth. V. 10. So trat er sein Lehramt an, und litte bis zu seinem lezten, Grossen Leiden, nichts ferner von teuflischer
Gewalt.
Luk. V. 13. – Das Ganze ist also,
die Geschichte von den Leiden, und feierlichen Ueberlegungen, und Entschlüssen, womit Jesus sein Lehramt anfing.