|c52| Erster Abschnitt.
Philologie.

55.

Philologie begreift, in dem Sinne, worin man das Wort jetzt nimmt, alle Kenntniß der Sprachen und der dabei erforderlichen Hülfsmittel. Sie lehrt also den Ausdruck in einer Sprache verstehen und anwenden; lehrt den Gebrauch des Ausdrucks, sowohl in Absicht auf die damit verbundenen Begriffe, oder den sogenannten Sprachgebrauch, als auch in Absicht auf die Veränderungen der Wörter und ihre Verbindung, oder die Sprachregeln. In sofern sie das Letztere thut, nennt man sie auch Grammatik im engsten Verstande.Philologie begreift, in dem Sinne, worin man das Wort jetzt nimmt, alle Kenntniß der Sprachen und der dabei erforderlichen Hülfsmittel. Sie lehrt also den Ausdruck in einer Sprache verstehen und anwenden; lehrt den Gebrauch des Ausdrucks, sowohl in Absicht auf die damit verbundenen Begriffe, oder den sogenannten Sprachgebrauch, als auch in Absicht auf die Veränderungen der Wörter und ihre Verbindung, oder die Sprachregeln. In sofern sie das Letztere thut, nennt man sie auch Grammatik im engsten Verstande.
Man weiß, daß Philologie und Grammatik bei den Alten für Literatur galt, d. i., alle Sprach- und historische, selbst philosophische Kenntnisse in sich faßte, die man zur Erklärung alter Schriftsteller bauchte; daß man sie nachher auf Kenntniß und Gebrauch der Sprachen einschränkte; daß endlich Philosophie und Rhetorik, oder, wenn man will, auch die Aesthetik der Neuern, von ihr getrennt ward. S. unter andern Quinctilianus de instit. oratoria im ersten und zweiten Buch. Nach der neuern Absonderung dieser Wissenschaften, hat man der Philosophie die Untersuchung der allgemeinen Natur der Sprache, und wenigstens des deutlichen Vortrags; der Rhetorik, und noch mehr der Aesthetik, den Unterricht über den sinnlichen Vortrag, und, sofern es dabei auf Sprache ankommt, über den edlern oder auserlesnern Ausdruck, vorbehalten; der Philologie aber die besonderen Sprachen, und mehr das Mechanische derselben, überlassen. So weit also jene Wissenschaften mit Sprache zu thun haben, theilt ihnen die Philologie ihre |c53| Produkte mit, und erhält wiederum nicht nur an den Sachen, die in jenen Wissenschaften erfunden werden, neuen Stoff zum Ausdruck, sondern auch die Kunst, ihre eigenen Produkte zu veredeln, und von dem Mechanischen der Sprachen Rechenschaft zu geben, oder es in vernünftige und allgemeine Principien aufzulösen.

56.

Es würde kaum nöthig seyn zu erinnern, wie unumgänglich nothwendig die gründliche Bekanntschaft mit Sprachen sei, wenn der Ueberzeugung davon nicht weit mehr, als vielleicht irgend einer andern Wissenschaft, sehr gangbare und herrschende Vorurtheile entgegenstünden. *) – Weil der Anfang des Unterrichts bei der Erziehung gemeiniglich mit Sprachen gemacht wird, so mag dies die Ursach seyn, warum Vielen dieses Studium bloß für Anfänger zu gehören scheint; so gar verschieden auch die Art ist, mit der der Verständigere und der Anfänger die nämliche Sache behandeln kann, und so sehr auch in jener gewöhnlichen Ordnung bei dem Unterricht, das sehr richtige Geständniß liegt, daß Kenntniß der Sprachen die Grundage von allen andern Kenntnissen sei.Es würde kaum nöthig seyn zu erinnern, wie unumgänglich nothwendig die gründliche Bekanntschaft mit Sprachen sei, wenn der Ueberzeugung davon nicht weit mehr, als vielleicht irgend einer andern Wissenschaft, sehr gangbare und herrschende Vorurtheile entgegenstünden. *) – Weil der Anfang des Unterrichts bei der Erziehung gemeiniglich mit Sprachen gemacht wird, so mag dies die Ursach seyn, warum Vielen dieses Studium bloß für Anfänger zu gehören scheint; so gar verschieden auch die Art ist, mit der der Verständigere und der Anfänger die nämliche Sache behandeln kann, und so sehr auch in jener gewöhnlichen Ordnung bei dem Unterricht, das sehr richtige Geständniß liegt, daß Kenntniß der Sprachen die Grundage von allen andern Kenntnissen sei.
*) Man weiß, wie sehr über die Nothwendigkeit des Studiums der Sprachen, namentlich der alten, und der ganzen alten Literatur, wenigstens der frühzeitigen und allgemeinen Beschäftigung damit auf Schulen, noch neuerlich, seit den lebhaften Versuchen, eine gänzliche pädagogische Revolution hervorzubringen, gestritten worden ist. Das, theils Scheinbarste, theils Wichtigste, wider diese Nothwendigkeit ist in den beiden Trappischen Aufsätzen: „Ueber das Studium der alten classischen Schriftsteller und ihre Sprachen,“ und: „über den Unterricht in Sprachen,“ zusammengefaßt, wovon jene in der Allgemeinen Revi|c54|sion des gesammten Schul- und Erziehungswesens, von einer Gesellschaft praktischer Erzieher, herausgegeben von J. H. Campe, im 7ten Theil S. 309 f. steht, und diese den 11ten Theil des gedachten Werks einnimmt. So sehr der Streit hierdurch und die der erstern Abhandlung beigefügten Anmerkungen einiger gelehrten Männer sowohl, als durch die trefflichen Rehbergschen Aufsätze in der Berlinischen Monatsschrift, im Februar 1788. S. 105 f., im März S. 253 f. und im Januar 1789. S. 20 f., desgl. Heynens Vorrede zu Hermans Mythologie, der unparteiischen Entscheidung näher gebracht ist; so sehr ich auch von dem Nutzen und der Nothwendigkeit einer Läuterung oder wenigstens Darlegung beiderseitiger Urtheile und ihrer Gründe überzeugt bin: so erlauben doch die Gränzen dieses Buchs schlechterdings diese nicht. Ich hoffe, daß durch die folgenden kurzen Bemerkungen, und durch die, welche weiter unten §. 106. f. vorkommen, vielen Mißverständnissen und Einwürfen schon ehedem vorgebaut, und mancher Gesichtspunkt angewiesen sei, der bei Beurtheilung dieses Streits nicht sollte übersehen werden; auch scheinen sie mir mit den erst in dieser Ausgabe hinzugefügten hinreichend, nachtheilige Eindrücke zu verhüten oder zu schwächen, die durch jene Bestreitung könnten veranlaßt werden, wenn anders ein Leser unbefangen urtheilen kann, und sich Mühe geben will, den oft bloß gegebenen Winken weiter nachzudenken. Ganz habe ich mich indessen auf jene Abhandlungen weder einlassen können noch dürfen, da sie in pädagogischer Hinsicht geschrieben sind, dieses Buch hingegen nur die Bildung angehender Theologen betrifft. Nur über die Streitfrage, sofern sie hieher gehört, sei Folgendes, vornehmlich in Rücksicht auf jene Aufsätze, hinzugefügt. Wer die Nothwendigkeit des Studiums der Sprachen behauptet, redet ja 1) nicht bloß oder hauptsächlich von Sprachregeln oder überhaupt vom Bau der Sprachen; noch weniger giebt er das Studium dieses Sprachenbaues für wichti|c55|ger aus als ihren Gebrauch selbst. 2) Eben so wenig sondert er bei dem Sprachgebrauch Worte und ihren Sinn, d. i. die mit den Worten verknüpften Begriffe, oder, wie es Andre ausdrucken, den Körper und den Geist der Sprache, als ob er die bloße Beschäftigung mit Worten empfehlen , und die Kenntniß der bloßen Worte für wichtiger ausgeben, als die Kenntniß der damit verbundenen Ideen. 3) Er schließt nicht einmal die Kenntniß der Sachen aus, sofern ohne sie kein Begriff stattfindet, und sofern eine Schrift, durch deren Lesung er hauptsächlich die Sprache gelernt wissen will, ohne sie gar nicht verstanden werden kann. Er billigt 4) indem er das Sprachenstudium vertheidigt, keinesweges verkehrte Methoden sie zu studieren, deren üble Folgen ohne Ungerechtigkeit nicht dem Sprachenstudium selbst zur Last gelegt werden können. Wer ihm also irgend etwas von dem bisher Erwähnten Schuld giebt, läßt ihm nicht Gerechtigkeit widerfahren, und ficht entweder mit einem bloßen Schatten, oder glaubt fälschlich den Werth des Studiums der Sprachen vernichtet zu haben, indem er bloß Mißbräuche bei diesem Studium gerügt hat. Endlich 5) wer dieses Studium empfiehlt, will damit nicht gleich das Studieren der Sprachen, oder gar das Studieren der Alten allgemein, in alle, selbst die niedrigsten, Schulen eingeführt, oder in Schulen vollendet, oder eigentliche Kinder mit den feinern Theilen und Veränderungen der Sprachen beschäftigt wissen (man sehe J. M. Geßner verm. kleine Schulschriften, S. 356 f.); sondern darin stimmen nur 6) alle wahre Kenner des wahren Werthes der Sprachen überein, daß 1) die fleißige und frühzeitige Beschäftigung mit Sprachen, in dem Umfang, wie sie §. 55. erklärt wurde, 2) Allen, die nach einer feineren Geistesbildung streben, oder dazu bereitet werden sollen, sehr nützlich, und besonders denen, die sich den Wissenschaften, namentlich der Theologie, widmen wollen, unentbehrlich sei. Wenn damit anzufangen sei? wie weit? und wie sie zu |c56| diesem Zweck zu treiben sei, läßt sich nicht im Allgemeinen beantworten. Das Nöthige, in Absicht auf die, welchen dieses Buch bestimmt ist, wird unten in diesem Abschnitt angegeben werden. {Man vergl. Niethammers Streit des Humanismus und Philanthropismus. Jena, 1808. }

57.

Wer es der Beschäftigung mit Sprachen zum Vorwurf macht, daß sie so sehr bei Kleinigkeiten verweile, der überlegt nicht, daß man anders nie zur Vollkommenheit aufsteige, als durch den Fortschritt vom Kleinern zum Größern; und daß die Vollkommenheit jeder Erkenntniß, wie jeder Kunst, von dem Fleiß abhänge, mit der man selbst die kleinsten Theile bearbeitet. – Wer sie für unfruchtbare, von allem Vergnügen entblößte Beschäftigung hält, beurtheilt die Sache zu sehr nach seinem besondern Geschmack, und verräth eine gewisse Kurzsichtigkeit, die es ihm unmöglich macht, mehr zu sehen, als was gleich vor seinen Augen liegt. Jede Beschäftigung, wäre sie auch nur Uebung unsrer Kräfte, führt ihr eigenes Vergnügen mit sich; wer würde sie denn sonst verfolgen, wenn sie nicht ihren besondern Reitz hätte? Der große Nutzen einer gründlichen Sprachkenntniß zeigt sich freilich erst späterhin; aber eben dieser später erkannte Nutzen und die Erinnerung an die Mühe, die es uns bis dahin zu kommen gekostet, gewährt ein um so größeres Vergnügen, je unerwarteter der Gewinn ist, und je mühsamer er errungen ward.Wer es der Beschäftigung mit Sprachen zum Vorwurf macht, daß sie so sehr bei Kleinigkeiten verweile, der überlegt nicht, daß man anders nie zur Vollkommenheit aufsteige, als durch den Fortschritt vom Kleinern zum Größern; und daß die Vollkommenheit jeder Erkenntniß, wie jeder Kunst, von dem Fleiß abhänge, mit der man selbst die kleinsten Theile bearbeitet. – Wer sie für unfruchtbare, von allem Vergnügen entblößte Beschäftigung hält, beurtheilt die Sache zu sehr nach seinem besondern Geschmack, und verräth eine gewisse Kurzsichtigkeit, die es ihm unmöglich macht, mehr zu sehen, als was gleich vor seinen Augen liegt. Jede Beschäftigung, wäre sie auch nur Uebung unsrer Kräfte, führt ihr eigenes Vergnügen mit sich; wer würde sie denn sonst verfolgen, wenn sie nicht ihren besondern Reitz hätte? Der große Nutzen einer gründlichen Sprachkenntniß zeigt sich freilich erst späterhin; aber eben dieser später erkannte Nutzen und die Erinnerung an die Mühe, die es uns bis dahin zu kommen gekostet, gewährt ein um so größeres Vergnügen, je unerwarteter der Gewinn ist, und je mühsamer er errungen ward.

58.

Und gerade deswegen, weil diese Beschäftigung viele, selbst ins Kleine gehende, Mühe und Fleiß erfordert, an der sich dieser, wie an einem Wetzstein, schärfen kann; ge|c57|rade darum, weil man da, auf Hoffnung erst mit der Zeit zu erreichender Vortheile, arbeiten lernen muß; und Anfänger nicht genug zum unverdrossenen Fleiß in Ueberwindung vieler Schwierigkeiten, zur ausharrenden Geduld, und zur Hinsicht auf das gewöhnt werden können, was nicht gleich vor Augen ist: sollte man bei diesen Lust zu dieser Beschäftigung zu erwecken suchen, eben um sie an Schwierigkeiten, Zweifel und Verlegenheit, die sich ihnen künftig in ihrem Leben überall darstellen werden, zu gewöhnen, und ihnen dadurch eben sowohl guten Muth zu machen, um sich von dergleichen nie schrecken zu lassen, als sie durch Uebungen zum voraus schon in den Stand zu setzen, alles anfangs Abschreckende glücklicher zu überwinden. Sie selbst aber sollten mehr dem Rathe derer folgen, die der Sache kundig sind, als ihrer eigenen Scheu vor Allem, was mühsam ist, oder nicht unmittelbaren Nutzen oder Vergnügen verspricht, und den Vorspiegelungen solcher, die weder Geschmack daran, noch Kenntniß davon haben; zumal weil nichts mehr hinreißt, als herrschende Vorurtheile, und diese Beschäftigung um so schwerer und abschreckender wird, je länger man sie aufgeschoben hat.Und gerade deswegen, weil diese Beschäftigung viele, selbst ins Kleine gehende, Mühe und Fleiß erfordert, an der sich dieser, wie an einem Wetzstein, schärfen kann; ge|c57|rade darum, weil man da, auf Hoffnung erst mit der Zeit zu erreichender Vortheile, arbeiten lernen muß; und Anfänger nicht genug zum unverdrossenen Fleiß in Ueberwindung vieler Schwierigkeiten, zur ausharrenden Geduld, und zur Hinsicht auf das gewöhnt werden können, was nicht gleich vor Augen ist: sollte man bei diesen Lust zu dieser Beschäftigung zu erwecken suchen, eben um sie an Schwierigkeiten, Zweifel und Verlegenheit, die sich ihnen künftig in ihrem Leben überall darstellen werden, zu gewöhnen, und ihnen dadurch eben sowohl guten Muth zu machen, um sich von dergleichen nie schrecken zu lassen, als sie durch Uebungen zum voraus schon in den Stand zu setzen, alles anfangs Abschreckende glücklicher zu überwinden. Sie selbst aber sollten mehr dem Rathe derer folgen, die der Sache kundig sind, als ihrer eigenen Scheu vor Allem, was mühsam ist, oder nicht unmittelbaren Nutzen oder Vergnügen verspricht, und den Vorspiegelungen solcher, die weder Geschmack daran, noch Kenntniß davon haben; zumal weil nichts mehr hinreißt, als herrschende Vorurtheile, und diese Beschäftigung um so schwerer und abschreckender wird, je länger man sie aufgeschoben hat.

59.

Wie groß der Einfluß der Sprache auf die Bildung der menschlichen Seele, sowohl auf Verstand als Herz, sowohl für sich als durch gegenseitige Mittheilung der Gedanken und Gesinnungen, sei, muß einem jeden einleuchten, der selbst zu denken gewohnt ist, und der es darauf anlegt, sich Andern auf eine wirksame Art mitzutheilen. Und noch einleuchtender macht es der auffallende Unterschied zwischen sprachfähigen Menschen und sprachlosen Thieren, zwischen |c58| taub- oder stummgeborenen und hörenden oder redenden Menschen, zwischen der Cultur solcher Nationen, die eine reiche, und solche, die eine arme Sprache haben, nebst dem gleichmäßigen Fortschritt der Geistesbildung bei Kindern, mit dem schnellern oder langsamern Fortgang in der Sprache. Wer also eine Sprache genau und gründlich kennt und sie in seiner Gewalt hat, kann in dem nämlichen Grade vernünftiger und wirksamer seyn, Andre mehr aufklären und bessern, und mehr Nutzen von Andrer Unterricht ziehen, als wenn es ihm daran fehlte; ja die verabsäumte genaue Kenntniß und Fertigkeit einer Sprache ist eine Hauptursache, warum man theils selbst zurückbleibt, und auf unrichtige Begriffe und Irrthümer fällt, theils Andern nicht forthelfen, oder ihren falschen Vorstellungen und üblen Gesinnungen nicht abhelfen kann.Wie groß der Einfluß der Sprache auf die Bildung der menschlichen Seele, sowohl auf Verstand als Herz, sowohl für sich als durch gegenseitige Mittheilung der Gedanken und Gesinnungen, sei, muß einem jeden einleuchten, der selbst zu denken gewohnt ist, und der es darauf anlegt, sich Andern auf eine wirksame Art mitzutheilen. Und noch einleuchtender macht es der auffallende Unterschied zwischen sprachfähigen Menschen und sprachlosen Thieren, zwischen |c58| taub- oder stummgeborenen und hörenden oder redenden Menschen, zwischen der Cultur solcher Nationen, die eine reiche, und solche, die eine arme Sprache haben, nebst dem gleichmäßigen Fortschritt der Geistesbildung bei Kindern, mit dem schnellern oder langsamern Fortgang in der Sprache. Wer also eine Sprache genau und gründlich kennt und sie in seiner Gewalt hat, kann in dem nämlichen Grade vernünftiger und wirksamer seyn, Andre mehr aufklären und bessern, und mehr Nutzen von Andrer Unterricht ziehen, als wenn es ihm daran fehlte; ja die verabsäumte genaue Kenntniß und Fertigkeit einer Sprache ist eine Hauptursache, warum man theils selbst zurückbleibt, und auf unrichtige Begriffe und Irrthümer fällt, theils Andern nicht forthelfen, oder ihren falschen Vorstellungen und üblen Gesinnungen nicht abhelfen kann.

60.

Zuerst schon in Rücksicht auf unsern eigenen Vortheil können wir durch Hülfe der Sprache die Begriffe festhalten, welche wir durch den Eindruck der Dinge empfangen haben, und uns dadurch nicht nur ihrer wieder erinnern, sondern auch allgemeine Begriffe bilden, verworrene aus einander setzen, und eine stete Verbindung unsrer Vorstellungen bewirken. – Die Sprachen leiten sogar auf neue Begriffe und Entdeckungen, legen wenigstens den Grund zu allgemeinen Begriffen und Sätzen, die zu weiteren Betrachtungen ermuntern, und eine fruchtbare Quelle neuer Entdeckungen werden können. Sie befördern den leichtern Uebergang von einem Begriff zum andern, und stellen ihren Zusammenhang besser dar. *) – Wer ferner der Sprache mächtig ist, mehrere Begriffe in Ein Wort, oder mehrere Gedanken in wenige Worte zusammenzudrängen versteht, kann nicht nur schneller im Denken |c59| fortrücken, und mehr in der Geschwindigkeit übersehen, sondern auch selbst seine Begriffe anschauender, und ihre Wahrheit einleuchtender machen. **) Zuerst schon in Rücksicht auf unsern eigenen Vortheil können wir durch Hülfe der Sprache die Begriffe festhalten, welche wir durch den Eindruck der Dinge empfangen haben, und uns dadurch nicht nur ihrer wieder erinnern, sondern auch allgemeine Begriffe bilden, verworrene aus einander setzen, und eine stete Verbindung unsrer Vorstellungen bewirken. – Die Sprachen leiten sogar auf neue Begriffe und Entdeckungen, legen wenigstens den Grund zu allgemeinen Begriffen und Sätzen, die zu weiteren Betrachtungen ermuntern, und eine fruchtbare Quelle neuer Entdeckungen werden können. Sie befördern den leichtern Uebergang von einem Begriff zum andern, und stellen ihren Zusammenhang besser dar. *) – Wer ferner der Sprache mächtig ist, mehrere Begriffe in Ein Wort, oder mehrere Gedanken in wenige Worte zusammenzudrängen versteht, kann nicht nur schneller im Denken |c59| fortrücken, und mehr in der Geschwindigkeit übersehen, sondern auch selbst seine Begriffe anschauender, und ihre Wahrheit einleuchtender machen. **)
Anm. 1. Zur Ueberzeugung von der Wahrheit des Meisten, was hier und im Folgenden gesagt ist, auch von andern Vortheilen der Sprache, dienen vorzüglich:
  • De l'influence des opinions sur le langage et du langage sur les opinions, par Mr. Michaelis, à Breme 1762. 8.
  • Neues Organon durch J. H. Lambert, Leipzig 1764, in 2 Bänden, gr. 8. Band 2. S. 8 fgg.
  • Joh. George Sulzers vermischte philosophische Schriften, Leipzig 1773, gr. 8. Theil 1. S. 166 fgg.
  • Gedanken von dem Nutzen richtig betriebener Philologie, von G. B. Funk, wieder abgedruckt in dem Berlinischen Magazin der Wissenschaften und Künste, Berlin 1784, gr. 8. Band 2. St. 1. S. 113 f.
  • Jerusalem, oder über religiöse Macht und Judenthum, von Moses Mendelssohn, Berlin 1783. 8. Abschnitt 2. S. 64 f.
Anm. 2. *) Ein Beispiel zur Erläuterung der dritten Bemerkung in diesem §. kann die Herleitung der sämmtlichen moralischen Eigenschaften Gottes aus dem Begriff seiner Güte, vermittelst der Begriffe des boni physici und moralis abgeben; so wie von der letzten Bemerkung **) die auch in der Theologie eingeführte Schulsprache, z. B. in der Lehre von dem Willen Gottes und der Mitwirkung Gottes bei der Sünde. Die Schriften des Thucydides, Cicero, Tacitus, des Apostels Paulus, – der mehrere vielkörnige (prägnante) Wörter und Redensarten hat, z. B. Phil. 1, 7. χάρις (für Leiden, die eine Wohlthat sind, verglichen mit V. 29. und Kap. 4, 14.); ἄδικοι 1 Kor. 6, 1. (Richter, die keine Christen, und daher gegen diese gewöhnlich ungerecht sind); ἑτεροζυγεῖν ἀπίστοις 2 Kor. 6, 14. (sich Unchristen gleichstellen, aber mit Anspielung auf 3 Mos. 19, 19. und Einschluß des |c60| darin liegenden Grundes der ganz verschiedenen Denkart oder Gesinnung eines Christen und eines Profanen); wie dergleichen Redensarten Phil. 1, 21: „wenn ich leben bleibe, so fällt der Gewinn für Christi Lehre; sterbe ich, so fällt er für mich aus,“ verglichen mit V. 22 bis 24; auch 2 Kor. 3, 6 fgg. Kap. 4, 12 u. a. – bieten mehr erläuternde Exempel dar.

61.

Auf der andern Seite sind aber auch die Sprachen, durch die wir unsere Begriffe bekommen und sie uns geläufig machen, eine ergiebige Quelle von mangelhaften, verworrenen, irrigen Begriffen und Urtheilen. Denn wir müssen eine jede Sprache nehmen, wie sie ist, und, weil diese sich nach den Begriffen derer gebildet hat, welche sie nach und nach erfanden, ihre mangelhaften, ungeläuterten, unentwickelten, und oft ganz falschen Begriffe in Wörter einkleideten, wenig von der Kunst verstanden, die Sachen durch angemessene Ausdrücke zu bezeichnen, und, um nicht die Wörter zu sehr zu vervielfältigen, sehr oft Einen Ausdruck zur Bezeichnung mehrerer Begriffe brauchten, oft auch, um gewisse Sachen mehr verständlich und anschauend, als bestimmt darzustellen, neuerfundene Ausdrücke den rohern Begriffen des großen Haufens anschmiegen mußten: so theilten sich alle dabei zum Grunde liegende Fehler oder Unbequemlichkeiten der Sprache mit, und wurden durch sie so gangbar, daß es eben so viel Mühe kostet, diese Fehler zu entdecken, als sie durch allerlei Gegenanstalten zu heben.Auf der andern Seite sind aber auch die Sprachen, durch die wir unsere Begriffe bekommen und sie uns geläufig machen, eine ergiebige Quelle von mangelhaften, verworrenen, irrigen Begriffen und Urtheilen. Denn wir müssen eine jede Sprache nehmen, wie sie ist, und, weil diese sich nach den Begriffen derer gebildet hat, welche sie nach und nach erfanden, ihre mangelhaften, ungeläuterten, unentwickelten, und oft ganz falschen Begriffe in Wörter einkleideten, wenig von der Kunst verstanden, die Sachen durch angemessene Ausdrücke zu bezeichnen, und, um nicht die Wörter zu sehr zu vervielfältigen, sehr oft Einen Ausdruck zur Bezeichnung mehrerer Begriffe brauchten, oft auch, um gewisse Sachen mehr verständlich und anschauend, als bestimmt darzustellen, neuerfundene Ausdrücke den rohern Begriffen des großen Haufens anschmiegen mußten: so theilten sich alle dabei zum Grunde liegende Fehler oder Unbequemlichkeiten der Sprache mit, und wurden durch sie so gangbar, daß es eben so viel Mühe kostet, diese Fehler zu entdecken, als sie durch allerlei Gegenanstalten zu heben.
Daher unter andern 1) die Ausdrücke, welche die Sachen, nicht nach Untersuchung ihrer wahren Natur und Ursachen, sondern nach den Vorstellungen der Sinne und der Einbildungskraft bezeichnen, wie die, welche natürliche Dinge, Eigenschaften und Handlungen Gottes, Geister und der|c61|gleichen betreffen. 2) Die, welche so gar leicht falsche Nebenbegriffe erregen, wohin sonderlich bildliche Ausdrücke gehören, vornehmlich solche, die Gott und göttliche Dinge durch ähnliche bezeichnen sollen, als der Mißverstand in den Ausdrücken: Beleidigung und Versöhnung Gottes; Gott hat Alles zu seiner Ehre erschaffen, Gottesdienst, Furcht Gottes u. a. 3) Die vieldeutigen Ausdrücke, als νόμος, πνεῦμα, ὑιοὶ Θεοῦ, ἄγγελοι u. dergl.

62.

Die Schwierigkeiten vermehren sich zuvörderst durch die Menge sehr verschiedener Sprachen; und weil bei den Ausdrücken der einen Sprache nicht gerade die Vorstellungen zum Grunde liegen, welche zu den Ausdrücken in der andern Gelegenheit gaben: so ist es oft unmöglich, oft wenigstens schwer, den Ausdrücken in der einen vollkommen angemessene Ausdrücke in der andern unterzulegen, oder zu verhüten, daß sich der Mißverstand aus einer nicht in die andere fortpflanze.Die Schwierigkeiten vermehren sich zuvörderst durch die Menge sehr verschiedener Sprachen; und weil bei den Ausdrücken der einen Sprache nicht gerade die Vorstellungen zum Grunde liegen, welche zu den Ausdrücken in der andern Gelegenheit gaben: so ist es oft unmöglich, oft wenigstens schwer, den Ausdrücken in der einen vollkommen angemessene Ausdrücke in der andern unterzulegen, oder zu verhüten, daß sich der Mißverstand aus einer nicht in die andere fortpflanze.
Beispiele, wie viel Mißverstand hieraus entstehe, können 1) schon die unrichtigen, meist nach der Etymologie eingerichteten Uebersetzungen der Wörter ἐκλέξασθαι und ἐκλεκτοὶ Röm. 9. und anderwärts, ἀναξίως 1 Kor. 11, 27. (welches mit μὴ διακρίνων τὸ σῶμα τ. Κυρίου V. 29. und mit Matth. 3, 8. hätte verglichen, und nicht unwürdig, sondern unanständig oder ungebührlich sollen gegeben werden ), σκανδαλίζειν 1 Kor. 8. Röm. 14. (nicht: jemand ärgern, welches ein Mißfallen, sondern: ihm Gelegenheit zur Versündigung geben, welches ein Wohlgefallen des Andern an unserm Betragen und eine Nachahmung desselben anzeigt), und der Redensarten der heil. Schrift seyn, die Gott zum Urheber des Bösen |c62| zu machen scheinen, welche durch die ähnlichen Ausdrücke Apostelgesch. 13, 29. und K. 1, 18. mehr Licht erhalten. Noch mehr 2) die unbestimmten, d. i. solche Ausdrücke, deren Umfang nicht einleuchtend oder nicht angegeben ist, und welche daher in einer Sprache oft weiter oder eingeschränkter genommen werden, als sie in der andern gebraucht sind. Zum Beispiel dienen die Wörter θεοδίδακτοι Joh. 6, 45. und θεόπνευστος 2 Tim. 3, 16, die nur zu oft auf unmittelbare Offenbarung und Einfluß eingeschränkt werden; und ἀπιστία, welches, ganz wider den Sprachgebrauch der heiligen Schrift, auch auf die ausgedehnt wird, welche keine Kenntniß von den geoffenbarten Lehren erlangt haben.

63.

Außerdem giebt's in mehreren Sprachen wieder besondere Gattungen, die entweder durch besondere Gegenstände der Erkenntniß, welche in der gemeinen Sprache nicht bezeichnet waren, oder dadurch nothwendig geworden sind, daß man die Mängel und das Fehlerhafte der gemeinen Sprache verbessern wollte. Solche Gattungen sind die Kirchen- und Gelehrten-Sprache; ja gewissermaßen hat jeder in seiner Art originelle Schriftsteller seine eigene Sprache. Hierdurch wird eine Sprache noch weitläuftiger, folglich noch schwerer, und selbst der Mißverstand kann dadurch zunehmen. Denn, weil dadurch die Bedeutungen Eines Ausdrucks vervielfältigt, und die Begriffe in der besondern Sprache von denen in der gemeinen Sprache verschieden werden, so wird auch die Verwechselung leichter. Ja selbst die Bestimmung, welche man in der besondern Sprache einem Ausdruck gegeben hat, ist oft dem Sprachgebrauch in der gemeinen, oder in einer andern besondern Sprache |c63| nicht gemäß, und bringt dadurch Mißverstand aus jener in diese.Außerdem giebt's in mehreren Sprachen wieder besondere Gattungen, die entweder durch besondere Gegenstände der Erkenntniß, welche in der gemeinen Sprache nicht bezeichnet waren, oder dadurch nothwendig geworden sind, daß man die Mängel und das Fehlerhafte der gemeinen Sprache verbessern wollte. Solche Gattungen sind die Kirchen- und Gelehrten-Sprache; ja gewissermaßen hat jeder in seiner Art originelle Schriftsteller seine eigene Sprache. Hierdurch wird eine Sprache noch weitläuftiger, folglich noch schwerer, und selbst der Mißverstand kann dadurch zunehmen. Denn, weil dadurch die Bedeutungen Eines Ausdrucks vervielfältigt, und die Begriffe in der besondern Sprache von denen in der gemeinen Sprache verschieden werden, so wird auch die Verwechselung leichter. Ja selbst die Bestimmung, welche man in der besondern Sprache einem Ausdruck gegeben hat, ist oft dem Sprachgebrauch in der gemeinen, oder in einer andern besondern Sprache |c63| nicht gemäß, und bringt dadurch Mißverstand aus jener in diese.
So drückt Person, als Suppositum intelligens erklärt, in der kirchlichen Lehre von der Trinität, und Natur, dem Erlöser der Menschen beigelegt, einen ganz andern Begriff aus, als Person im gemeinen Leben und Natur in der Metaphysik. – So schließt Zurechnung, wie es Paulus Röm. 5. braucht, weder den Begriff vom Urheber einer freien Handlung, noch selbst den Begriff von Strafe in sich, welches Beides sonst an dem Worte hängt; und φύσις Ephes. 2, 3. hat einen ganz andern Sinn, als wenn man in der Theologie Natur und Gnade einander entgegensetzt. – Selbst diese zwei Beispiele und die bekannten Arianischen, Nestorianischen und Monophysitischen Streitigkeiten über die Wörter ὁμοoύσιος, Θεοτόκος und φύσις können eine Erläuterung der zweiten Hälfte des §. abgeben.

64.

Wenn nun die Bildung unseres eigenen Verstandes, wenn aber auch die Lücken, Vorurtheile und falschen Wendungen unsrer Erkenntniß so sehr von unsrer Sprache abhängen, so muß ungemein viel daran liegen, – daß man die Sprache, worin man zu denken gewohnt ist, sorgfältig studiert habe, um dem Mißverstande, der daraus entstehen kann, auf die Spur zu kommen, und alle Vortheile zu genießen, die eine Sprache giebt; – daß man selbst, wenn man es kann, mehrere Sprachen so studiere, nicht nur um das brauchen zu können, was in solchen gesagt oder geschrieben wird, sondern auch um durch die eine die andere mehr aufzuklären, und durch Hülfe der einen das Fehlerhafte oder Unvollständige der andern zu entdecken und daraus möglichst zu verbessern; *) – daß man endlich den Fehlern sei|c64|ner eigenthümlichen Sprache so viel abhelfe, als es ihre Natur und Verständlichkeit für die, welche sie ebenfalls brauchen, erlaubt. Wenn nun die Bildung unseres eigenen Verstandes, wenn aber auch die Lücken, Vorurtheile und falschen Wendungen unsrer Erkenntniß so sehr von unsrer Sprache abhängen, so muß ungemein viel daran liegen, – daß man die Sprache, worin man zu denken gewohnt ist, sorgfältig studiert habe, um dem Mißverstande, der daraus entstehen kann, auf die Spur zu kommen, und alle Vortheile zu genießen, die eine Sprache giebt; – daß man selbst, wenn man es kann, mehrere Sprachen so studiere, nicht nur um das brauchen zu können, was in solchen gesagt oder geschrieben wird, sondern auch um durch die eine die andere mehr aufzuklären, und durch Hülfe der einen das Fehlerhafte oder Unvollständige der andern zu entdecken und daraus möglichst zu verbessern; *) – daß man endlich den Fehlern sei|c64|ner eigenthümlichen Sprache so viel abhelfe, als es ihre Natur und Verständlichkeit für die, welche sie ebenfalls brauchen, erlaubt.
Anmerk. 1. Es ergiebt sich zugleich aus allem bisher Gesagten: 1) daß das Studium der Sprachen schon an sich, als Sprachenstudium, auch abgesehen (nicht von den damit verknüpften Begriffen, sondern) von den Sachen, die man durch Hülfe der Sprachen, als Zeichen von Vorstellungen, lernt, einen unglaublichen Nutzen habe. 2) Daß – vorausgesetzt: man treibt es mit jungen Leuten zu den vorhin angegebenen Absichten, und lenkt immer darauf ihre Aufmerksamkeit – es die beste Vorbereitung zur Bildung des Geistes für künftige Gelehrte, und überhaupt für solche sei, die sich einmal vorzüglich mit Geistesarbeiten beschäftigen sollen. (Vergl. Rehberg in der Berlinischen Monatsschrift 1788, Februar, S. 125 f. und 1789, Januar, S. 53 f. Niemeyer's Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts, 6te Ausgabe, 2ter Theil, S. 35 f. 84. 85 f.) Dadurch wird das Gedächtniß geübt, gerade zu der Zeit, wo es die meiste Empfänglichkeit für aufgefaßte Eindrücke hat, und wo diese Gedächtnißübungen noch nicht durch die reitzendern Uebungen des bloßen Verstandes verdrängt oder verleidet sind. Es wird zugleich frühzeitig auf unsinnliche Dinge und solche Zeichen gerichtet, welche die Dinge nicht sinnlich darstellen, wodurch verhindert wird, daß man sich in früheren Jahren nicht zu sehr an das gewöhne, was bloß vor die Sinne gebracht werden kann. Durch die Bereicherung des Gedächtnisses bekommt man früh einen ansehnlichen Reichthum von Ideen, ohne welchen Stoff zum Denken, Genie und Verstand nichts vermag; und eben der Reichthum von Wörtern befestigt die Ideen und setzt den jungen Geist in den Stand, die dadurch ausgedruckten Begriffe zu behalten, sie sich geläufig zu machen, und Andern wieder mitzutheilen. Seiner natürlichen Flüchtigkeit wird dadurch gesteuert, daß bei dem Sprachstudium die Aufmerksamkeit auch mit auf Kleinig|c65|keiten gelenkt, und die Seele gewöhnt wird, diese überall mit in Anschlag nehmen zu lernen, und sich nicht bloß mit dem Auffallenden oder sich leicht Darstellenden zu begnügen. Ich wiederhole hier die übrigen Vortheile nicht, die das Sprachenstudium gewähren kann, welche sich bei einer noch unverstimmten und feinerer Eindrücke empfänglichern jugendlichen Seele wohl eher als bei andern möchten erreichen lassen.
Anmerk. 2. *) Wer jene Vortheile von dem Studium der Sprachen recht beziehen will, muß wenigstens zwei oder drei Sprachen eigentlich studieren und mit einander vergleichen lernen, solche Sprachen, die, wegen ihres gemeinschaftlichen Ursprungs oder Abstammung von einander, kurz, wegen ihrer Verwandtschaft, viel Eigenes gemein haben, wie die griechische und lateinische, und wieder andere, die ganz in ihrer Bildungsart verschieden sind, wie jene und die morgenländischen Sprachen. Mag es seyn, daß Dinge, die sich überall auf einerlei Art den Sinnen zeigen, oder daß reine Verstandesbegriffe, von allen Menschen und Nationen überhaupt auf einerlei Art empfunden oder gedacht, also auch durch Wörter, die dem Ton oder der Schrift nach ganz verschieden sind, doch so ausgedruckt werden, daß alle, die das Wort verstehen, sich eben dieselbe Sache dabei vorstellen: so gerathen doch manche Nationen oder einzelne aufmerksame, schnell oder fein empfindende und denkende Köpfe unter ihnen auf Vieles, woran Andere gar nicht denken. Seltnere, oder unter verschiedenen Gestalten an verschiedenen Orten oder in verschiedenen Köpfen erschienene oder gedachte Gegenstände erwecken bei Verschiedenen auch sehr verschiedene Begriffe. Und selbst gemeine oder alltägliche Gegenstände bekommen in verschiedenen Köpfen durch die verschiedenen Umstände, unter welchen sie sich ihnen darstellen, und durch die verschiedene besondere Vorstellungskraft oder Art, Dinge zu bezeichnen, gleichsam eine ganz eigenthümliche Farbe, werden mit mehreren oder |c66| wenigeren Nebenbegriffen, mit feineren Bestimmungen, sinnlicher oder unsinnlicher gedacht, zumal je nachdem sich die Einbildungskraft mehr oder weniger einmischt, und der Reichthum von Begriffen größer oder geringer ist. Hieraus ist offenbar, daß durch das Studium mehrerer Sprachen, und selbst origineller Schriftsteller, ganz neue Ideen erzeugt werden, oder doch schon bekannte Begriffe unter ganz neuen Gestalten erscheinen können, worauf wir erst durch die fremde Sprache sind aufmerksam gemacht worden; und je mehr dieß, was Einer Sprache eigen ist, in die andere übergetragen wird, und durch unsere Art zu denken und uns auszudrücken, wieder eine etwas veränderte Gestalt bekommt: desto mehr muß der Reichthum, und zum Theil die Bestimmtheit und Fruchtbarkeit unserer Begriffe und Gedanken zunehmen. Es kann also dieses Studium eine vortreffliche Uebung dem Verstande gewähren, der dadurch geschmeidiger, und für Vieles empfänglicher wird: ein Gewinn, der schwerlich durch etwas Anderes erlangt werden kann, und augenscheinlich beweiset, wie vortheilhaft das Sprachenstudium schon an sich sei. – Was in der oben bei §. 56. angeführten allgemeinen Revision etc. Theil 7. S. 420 f. und Theil 11. S. 224 f. dagegen gesagt ist, beruhet theils darauf, daß immer Studium der Sprache als ganz abgesondert von der Erlernung der dadurch mitgetheilten Begriffe von Sachen angenommen wird, theils auf dem Wahn, als wenn sich Sprachkenntnisse nicht unterhaltend machen ließen, theils auf einer anderen Einbildung, als wenn Kinder Alles unerträglich fänden, und nicht leicht fassen könnten, was ihnen Zeichen darstellt, ohne zugleich die Sache selbst darzustellen, wovon doch Musik und Mathematik und die tägliche Erfahrung selbst in Schulen, wo nur der Sprachunterricht recht lebendig getrieben wird, das Gegentheil beweiset.
Anmerk. 3. Daß übrigens ein solches Sprachenstudium nichts weniger als bloßes Geschäft des Gedächtnisses, daß |c67| es sehr schwer sei, und keine gemeine Fähigkeiten und Uebungen, besonders eine sorgfältige Aufmerksamkeit selbst auf Kleinigkeiten, ein feines Gefühl, Geduld und anhaltenden Fleiß erfordere, also auch sein großer Nutzen, Leuten, die bloß auf sinnliche und unmittelbare Vortheile ausgehen, und den Werth der Geistesnahrung wenig oder gar nicht zu schätzen wissen, nicht einleuchtend gemacht werden könne, bedarf wohl kaum einer Erinnerung.

65.

Und weil unsere Neigungen ganz durch unsere Vorstellungen gestimmt werden, diese Vorstellungen aber innig mit der Sprache verbunden sind: so muß die Sprache selbst über das Herz große Gewalt haben. Je edler ein Ausdruck ist, je anschauender er die Sachen darstellt, je fruchtbarer er ist, das heißt, je mehr Begriffe er erregt, die Licht, Anmuth und Interesse in die Vorstellung bringen, je passender, bestimmter und schöner er ist: desto mehr wirkt es aufs Herz; so wie hingegen unedle, verworrene, kraftlose, unschickliche Ausdrücke das Herz entweder kalt lassen, oder gar gegen die beste Sache einnehmen.Und weil unsere Neigungen ganz durch unsere Vorstellungen gestimmt werden, diese Vorstellungen aber innig mit der Sprache verbunden sind: so muß die Sprache selbst über das Herz große Gewalt haben. Je edler ein Ausdruck ist, je anschauender er die Sachen darstellt, je fruchtbarer er ist, das heißt, je mehr Begriffe er erregt, die Licht, Anmuth und Interesse in die Vorstellung bringen, je passender, bestimmter und schöner er ist: desto mehr wirkt es aufs Herz; so wie hingegen unedle, verworrene, kraftlose, unschickliche Ausdrücke das Herz entweder kalt lassen, oder gar gegen die beste Sache einnehmen.
Kann doch die Fülle der Empfindungen, der Reichthum der Ideen selbst schaffend und bildend auf die Sprache wirken und das Herz auch ohne Antheil der Kunst beredt machen. Aber daß gleichwohl oft Menschen von einem reichen Gemüth, was in ihnen ist gar nicht, oder nur höchst unbeholfen und verworren von sich geben können, hat doch eben seinen Grund in der Dürftigkeit ihrer Sprachkenntniß.
A. d. H.

66.

Alle Vortheile und Unbequemlichkeiten der Sprache ergießen sich auch 2) (§. 60 ) in den Vortrag und die Mit|c68|theilung der Gedanken an Andere. – Wie viele Irrthümer, unnöthige und verworrene Untersuchungen, selbst wie viele Erbitterung und Argwohn, entstehen aus bloßem Mißverstand, der in den Wörtern liegt! der eben sowohl durch unbequeme Ausdrücke erregt, als von Andern aus ihnen geschöpft, und wiederum durch schicklichere Wörter oder bestimmtere Erklärungen verhütet oder gehoben werden kann. – Wie viel helfen deutliche und unzweideutige oder von falschen Nebenbegriffen freie Wörter, bestimmte Erklärungen und Klassifikationen der Dinge, die nur durch Wörter geschehen kann, den Begriff deutlich, und Sachen kenntlich zu machen, oder zu vergegenwärtigen? – Wie viel besser drucken sich die Sachen durch bestimmte Wörter, durch bildliche Ausdrücke, durch körnigte Sentenzen, dem Gedächtniß und der Einbildungskraft ein! – Wenn der dunkle, verwirrte, matte und weitschweifige Vortrag, der immer mit von Armuth und Ohnmacht der Sprache herrührt, den Leser oder Zuhörer ermüdet, ihnen das Denken erschwert, und selbst die vorgetragenen Sachen verleidet: so unterhält die Deutlichkeit, die Fülle der Wörter und die gedrängte Kürze, die Aufmerksamkeit, und giebt den Sachen einen gewissen Reitz, der die Theilnehmung befördert. – Und wie sehr erweckt der klare, bestimmte und einleuchtende und gleichsam theilnehmende Ausdruck des Redenden auch das Vertrauen, daß er seine Sache verstehe, von ihrer Wahrheit überzeugt, und von ihrem Werthe durchdrungen sei, ein Vertrauen, das für die Wahrheit und Trefflichkeit des Gesagten den Zuhörer sehr einnehmen muß. – Wenn auch kein Anderer so viel Ursache hätte, darnach zu trachten, daß er seiner Sprache mächtig würde: so sollte es der, der Lehrer der |c69| Religion seyn will. Wäre auch der Schade so groß nicht, den der Lehrer sonst gegen seinen Willen stiften kann, so thut er zur Empfehlung der Religion bei weitem nicht so viel, als er könnte, wenn er mehr Kraft der Sprache in seiner Gewalt hätte.Alle Vortheile und Unbequemlichkeiten der Sprache ergießen sich auch 2) (§. 60 ) in den Vortrag und die Mit|c68|theilung der Gedanken an Andere. – Wie viele Irrthümer, unnöthige und verworrene Untersuchungen, selbst wie viele Erbitterung und Argwohn, entstehen aus bloßem Mißverstand, der in den Wörtern liegt! der eben sowohl durch unbequeme Ausdrücke erregt, als von Andern aus ihnen geschöpft, und wiederum durch schicklichere Wörter oder bestimmtere Erklärungen verhütet oder gehoben werden kann. – Wie viel helfen deutliche und unzweideutige oder von falschen Nebenbegriffen freie Wörter, bestimmte Erklärungen und Klassifikationen der Dinge, die nur durch Wörter geschehen kann, den Begriff deutlich, und Sachen kenntlich zu machen, oder zu vergegenwärtigen? – Wie viel besser drucken sich die Sachen durch bestimmte Wörter, durch bildliche Ausdrücke, durch körnigte Sentenzen, dem Gedächtniß und der Einbildungskraft ein! – Wenn der dunkle, verwirrte, matte und weitschweifige Vortrag, der immer mit von Armuth und Ohnmacht der Sprache herrührt, den Leser oder Zuhörer ermüdet, ihnen das Denken erschwert, und selbst die vorgetragenen Sachen verleidet: so unterhält die Deutlichkeit, die Fülle der Wörter und die gedrängte Kürze, die Aufmerksamkeit, und giebt den Sachen einen gewissen Reitz, der die Theilnehmung befördert. – Und wie sehr erweckt der klare, bestimmte und einleuchtende und gleichsam theilnehmende Ausdruck des Redenden auch das Vertrauen, daß er seine Sache verstehe, von ihrer Wahrheit überzeugt, und von ihrem Werthe durchdrungen sei, ein Vertrauen, das für die Wahrheit und Trefflichkeit des Gesagten den Zuhörer sehr einnehmen muß. – Wenn auch kein Anderer so viel Ursache hätte, darnach zu trachten, daß er seiner Sprache mächtig würde: so sollte es der, der Lehrer der |c69| Religion seyn will. Wäre auch der Schade so groß nicht, den der Lehrer sonst gegen seinen Willen stiften kann, so thut er zur Empfehlung der Religion bei weitem nicht so viel, als er könnte, wenn er mehr Kraft der Sprache in seiner Gewalt hätte.

67.

Sofern endlich 3) (§. 66. ) Sprachen der Kanal sind, durch den uns alle Kenntnisse zugeführt werden, die wir von Anderen empfangen, sofern theilt sich uns, je nachdem wir solche Sprachen genau oder obenhin verstehen, alles Gute und Nachtheilige mit, was diese Sprachen bei sich führen. Denn, da dasjenige, was in der mittheilenden Sprache liegt, in unsere eigene übergetragen wird, oder die Begriffe, welche der Andere mit seinen Wörtern verknüpft, in unsere eigenen, immer an Sprache gebundenen Begriffe verwandelt werden müssen: so entgeht uns nicht nur, falls wir jener Sprache nicht recht kundig sind, das, was uns durch sie mitgetheilet werden könnte, und das Fehlerhafte jener Sprache schleicht sich mit in unsere Sprache, und so mit in unsere Erkenntniß, selbst oft in unser Herz; sondern wir selbst vermischen auch dieses Mitgetheilte, wenn es nicht schon für sich trübe ist, mit so vielen fremden Theilen aus unseren Vorstellungen, daß es unmöglich rein zu uns kommen kann. *) – Soll nun insbesondere ein Lehrer der Religion und des Christenthums seine Kenntnisse vornehmlich aus der heiligen Schrift schöpfen; soll er die kirchliche Theologie und die verschiedenen Meinungen über gewisse Lehren verstehen, und selbst das, was von seinen Vorstellungen abweicht, richtig beurtheilen; soll er in der Geschichte und sonst die Quel|c70|len der Wahrheit gehörig benutzen: so muß er nothwendig theils die Sprache Anderer so studiert haben, daß er ihr Gutes und Fehlerhaftes genau kenne, theils seiner eigenen Sprache so kundig seyn, daß er wisse, ob und wie weit sie mit jener übereinkomme, oder davon abgehe. Sonst ist Mißverstand durchaus unvermeidlich. Man bauet auf Ausdrücke der heiligen Schrift Meinungen und Theorien, an welche die heiligen Schriftsteller nie gedacht haben, und giebt menschliche Irrthümer für göttliche Wahrheit aus, sieht Alles aus einem falschen Gesichtspunkt an, verwickelt sich in Wortstreit, und bestreitet oft, was man dulden, oder fährt zurück vor dem, was man mit Dank annehmen sollte. Man erdichtet Begebenheiten und Meinungen, die nie gewesen sind.Sofern endlich 3) (§. 66. ) Sprachen der Kanal sind, durch den uns alle Kenntnisse zugeführt werden, die wir von Anderen empfangen, sofern theilt sich uns, je nachdem wir solche Sprachen genau oder obenhin verstehen, alles Gute und Nachtheilige mit, was diese Sprachen bei sich führen. Denn, da dasjenige, was in der mittheilenden Sprache liegt, in unsere eigene übergetragen wird, oder die Begriffe, welche der Andere mit seinen Wörtern verknüpft, in unsere eigenen, immer an Sprache gebundenen Begriffe verwandelt werden müssen: so entgeht uns nicht nur, falls wir jener Sprache nicht recht kundig sind, das, was uns durch sie mitgetheilet werden könnte, und das Fehlerhafte jener Sprache schleicht sich mit in unsere Sprache, und so mit in unsere Erkenntniß, selbst oft in unser Herz; sondern wir selbst vermischen auch dieses Mitgetheilte, wenn es nicht schon für sich trübe ist, mit so vielen fremden Theilen aus unseren Vorstellungen, daß es unmöglich rein zu uns kommen kann. *) – Soll nun insbesondere ein Lehrer der Religion und des Christenthums seine Kenntnisse vornehmlich aus der heiligen Schrift schöpfen; soll er die kirchliche Theologie und die verschiedenen Meinungen über gewisse Lehren verstehen, und selbst das, was von seinen Vorstellungen abweicht, richtig beurtheilen; soll er in der Geschichte und sonst die Quel|c70|len der Wahrheit gehörig benutzen: so muß er nothwendig theils die Sprache Anderer so studiert haben, daß er ihr Gutes und Fehlerhaftes genau kenne, theils seiner eigenen Sprache so kundig seyn, daß er wisse, ob und wie weit sie mit jener übereinkomme, oder davon abgehe. Sonst ist Mißverstand durchaus unvermeidlich. Man bauet auf Ausdrücke der heiligen Schrift Meinungen und Theorien, an welche die heiligen Schriftsteller nie gedacht haben, und giebt menschliche Irrthümer für göttliche Wahrheit aus, sieht Alles aus einem falschen Gesichtspunkt an, verwickelt sich in Wortstreit, und bestreitet oft, was man dulden, oder fährt zurück vor dem, was man mit Dank annehmen sollte. Man erdichtet Begebenheiten und Meinungen, die nie gewesen sind.
Anmerk. *) Wenn die patriotischen Römer darüber klagen, daß Alles gräcisire, daß eine gewisse Gräcomanie selbst in der Sprache, das Nationale verdränge, so dachten sie dabei gewiß auch auf den Einfluß der Sprache, auf die Begriffe und auf die Sitten. Und wer mag läugnen, daß wir uns lange Zeit in den demselben Fall mit der französischen Sprache befunden haben? Indem das moralisch Schlechte mit schönklingenden Namen in jener Sprache bezeichnet ward (z. B. Falschheit savoir faire, Unzucht galanterie genannt wurde), verlor es zugleich bei Vielen seine Verächtlichkeit. Dieß haben mehrere kräftige Schriftsteller unserer Zeit ausführlich erörtert und klar gemacht. Wenn sie nur nicht in das Extrem gefallen wären, die Sprache selbst zu verachten und zu hassen, die ja an sich ihren Mißbrauch nicht verschuldet hat.
A. d. H.

68.

Bei Erlernung der Sprachen überhaupt kommt Alles an: auf genaue Sprachregeln, auf vernünf|c71|tige Lesung guter Schriften in einer solchen Sprache, und auf eigene Uebung im genaueren Uebersetzen, Schreiben oder Reden. Daß die eigene Uebung dem Lesen nachstehen müsse, versteht sich von selbst. –

69.

1) Die Sprachregeln betreffend, so scheint es weder rathsam, sich damit allein oder weitläufig aufzuhalten, ehe man irgend einen Anfang mit Lesen guter Schriften selbst macht, noch sie ganz auszusetzen, bis man erst eine Fertigkeit erlangt hat, Bücher in einer Sprache zu lesen, oder sich, wenigstens nothdürftig, darin auszudrücken, noch auch sie erst mit dem Lesen zu verbinden.
Das erste würde nicht nur, wegen Trockenheit dieser Beschäftigung, die Erlernung der Sprache sehr verleiden; es würden auch die Vortheile verloren gehen, die aus Verbindung der Regeln mit dem Lesen entspringen, wobei man gleich die Regeln in der Anwendung, folglich auch ihren Nutzen, und die Art, wie sie anzuwenden sind, besser absieht. – Das zweite ist noch schlimmer; denn es ist unmöglich, recht sicher zu erklären, oder sich recht auszudrücken, wo man keine Regeln vor sich hat, nach welchen man es thut, und wonach man wieder in ähnlichen Fällen verfahren kann. Auch lassen sich angenommene Fehler viel schwerer hinterher ablegen, als gleich anfangs verhüten, und je länger man eine für die Meisten wenig unterhaltende Beschäftigung aufgeschoben hat, je lästiger wird sie hinterdrein, zumal wenn die Seele, durch fast stete Beschäftigung mit dem, was den Sinnen und der Einbildungskraft schmeichelt, verstimmt worden ist. Es ist auch nicht abzusehen, |c72| wie man bei dem Lesen um einer Sprache willen fortkommen könne, ohne das Allgemeine oder die Natur einer solchen Sprache vorläufig zu kennen, vornehmlich wenn man eine Sprache durch sich selbst lernen muß. Wenigstens ists viel schwerer und unangenehmer, einzelne Beobachtungen in der Sprache zu fassen, und sie zu ordnen, wenn man noch nicht weiß, wohin man sie beziehen, oder an welche allgemeine Begriffe man sie anreihen soll. Viel leichter ists auch, und man bekommt eher etwas Ganzes in der Sprache, wenn man Regeln, die in einer gewissen Beziehung und Zusammenhang unter einander stehen, in diesem Zusammenhang übersieht. Endlich wird selbst das Lesen weit angenehmer, wenn man aus den Sprachregeln gleich Grund anzugeben weiß, warum man die Wörter so oder so verstehen und verbinden müsse, und man gewöhnt sich mehr an eine philosophische Behandlung der Sprache, die dem denkenden Kopfe eine gewisse Unterhaltung giebt, welche man bei der bloß mechanischen Behandlung derselben verliert. – Selbst die dritte Art, erst bei dem Lesen die Regeln sich beiläufig bekannt zu machen, ob sie gleich weit besser ist als jene beiden, hat den Nachtheil mit der zweiten gemein, daß das Lesen aus Mangel der nöthigen grammatischen Vorerkenntnisse sehr erschwert wird, und man den Vortheil der zusammenhängenden Einsicht der Regeln entbehrt. Es zerstreut aber auch zu sehr, wenn man bei dem Lesen bald auf einzelne Wörter und ihre Bedeutung in und außer der Verbindung, bald auf ihre grammatische Bildung und Verknüpfung Acht geben muß. Das erste würde nicht nur, wegen Trockenheit dieser Beschäftigung, die Erlernung der Sprache sehr verleiden; es würden auch die Vortheile verloren gehen, die aus Verbindung der Regeln mit dem Lesen entspringen, wobei man gleich die Regeln in der Anwendung, folglich auch ihren Nutzen, und die Art, wie sie anzuwenden sind, besser absieht. – Das zweite ist noch schlimmer; denn es ist unmöglich, recht sicher zu erklären, oder sich recht auszudrücken, wo man keine Regeln vor sich hat, nach welchen man es thut, und wonach man wieder in ähnlichen Fällen verfahren kann. Auch lassen sich angenommene Fehler viel schwerer hinterher ablegen, als gleich anfangs verhüten, und je länger man eine für die Meisten wenig unterhaltende Beschäftigung aufgeschoben hat, je lästiger wird sie hinterdrein, zumal wenn die Seele, durch fast stete Beschäftigung mit dem, was den Sinnen und der Einbildungskraft schmeichelt, verstimmt worden ist. Es ist auch nicht abzusehen, |c72| wie man bei dem Lesen um einer Sprache willen fortkommen könne, ohne das Allgemeine oder die Natur einer solchen Sprache vorläufig zu kennen, vornehmlich wenn man eine Sprache durch sich selbst lernen muß. Wenigstens ists viel schwerer und unangenehmer, einzelne Beobachtungen in der Sprache zu fassen, und sie zu ordnen, wenn man noch nicht weiß, wohin man sie beziehen, oder an welche allgemeine Begriffe man sie anreihen soll. Viel leichter ists auch, und man bekommt eher etwas Ganzes in der Sprache, wenn man Regeln, die in einer gewissen Beziehung und Zusammenhang unter einander stehen, in diesem Zusammenhang übersieht. Endlich wird selbst das Lesen weit angenehmer, wenn man aus den Sprachregeln gleich Grund anzugeben weiß, warum man die Wörter so oder so verstehen und verbinden müsse, und man gewöhnt sich mehr an eine philosophische Behandlung der Sprache, die dem denkenden Kopfe eine gewisse Unterhaltung giebt, welche man bei der bloß mechanischen Behandlung derselben verliert. – Selbst die dritte Art, erst bei dem Lesen die Regeln sich beiläufig bekannt zu machen, ob sie gleich weit besser ist als jene beiden, hat den Nachtheil mit der zweiten gemein, daß das Lesen aus Mangel der nöthigen grammatischen Vorerkenntnisse sehr erschwert wird, und man den Vortheil der zusammenhängenden Einsicht der Regeln entbehrt. Es zerstreut aber auch zu sehr, wenn man bei dem Lesen bald auf einzelne Wörter und ihre Bedeutung in und außer der Verbindung, bald auf ihre grammatische Bildung und Verknüpfung Acht geben muß.
Man wird hoffentlich nicht vergessen, daß hier eigentlich von der besten Art, Sprachen zu lernen, nicht für Kinder, son|c73|dern für Erwachsene, nicht zur Bildung künftiger Schwätzer, sondern künftiger Gelehrten, die Rede sei, sonderlich auf den Fall, wenn die letzteren Sprachen durch eigenen Fleiß lernen wollen. Bei solchen kann man ohnehin schon theils die Kenntniß der nothwendigsten Begriffe von Sprachen und Bekanntschaft mit Behandlung einer Sprache, theils eigenen Trieb und Lust zum Sprachstudium voraussetzen; und dadurch fallen die Schwierigkeiten noch mehr weg, die man dem hier Gesagten entgegenstellen möchte.

70.

Die Mittelstraße würde also auch hier wohl die beste seyn: wenn man erst die nothwendigsten Regeln einer besondern Sprache sich bekannt machte, sich alsdann gleich zur Lesung leichter Schriften wendete, und bei dieser theils auf die Anwendung jener Regeln sähe, theils das Uebrige von den zurückgelassenen Regeln gelegentlich nachholte. Zu diesem Nothwendigsten könnte man das eigentliche Lesen und die gewöhnlichsten Beugungen und Verbindungen der Wörter, sonderlich die gewöhnlichen Abänderungen der Nenn- und Zeitwörter und die allerersten Regeln der Syntaxe rechnen. Nur müßte man die Regeln sich mit mehreren Beispielen, wodurch jene anschaulich würden, eindrücken, oder vielmehr sie aus solchen Beispielen abziehen, und, wenn man in einer solchen Sprache Anderer Unterricht genießen könnte, sich in ähnlichen Formen nach solchen Regeln üben.Die Mittelstraße würde also auch hier wohl die beste seyn: wenn man erst die nothwendigsten Regeln einer besondern Sprache sich bekannt machte, sich alsdann gleich zur Lesung leichter Schriften wendete, und bei dieser theils auf die Anwendung jener Regeln sähe, theils das Uebrige von den zurückgelassenen Regeln gelegentlich nachholte. Zu diesem Nothwendigsten könnte man das eigentliche Lesen und die gewöhnlichsten Beugungen und Verbindungen der Wörter, sonderlich die gewöhnlichen Abänderungen der Nenn- und Zeitwörter und die allerersten Regeln der Syntaxe rechnen. Nur müßte man die Regeln sich mit mehreren Beispielen, wodurch jene anschaulich würden, eindrücken, oder vielmehr sie aus solchen Beispielen abziehen, und, wenn man in einer solchen Sprache Anderer Unterricht genießen könnte, sich in ähnlichen Formen nach solchen Regeln üben.
Ueber die Frage, ob der Sprachunterricht von der Sprachlehre ausgehen müsse, vergleiche man, was darüber in Niemeyer's Grundsätzen der Erziehung und des Unterrichts, 2ter Th. S. 86 gesagt ist, nebst den daselbst angeführten Schriften und Urtheilen älterer und neuerer Philologen.

|c74| 71.

Hat man die nothwendigsten Sprachgesetze in seiner Gewalt, so ist es Zeit, 2) (§. 68. ) gleich zur Lesung der Schriften in einer solchen Sprache fortzuschreiten , wodurch man das Meiste, auch in Absicht auf die Sprache, und dies aufs beste, lernen kann. Das Meiste: weil man, außer den Sachen, die Wörter mit ihren verschiedenen Bedeutungen, Einschränkungen und jedesmaligem schicklichstem Gebrauch, *) weise Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, Regeln einer Sprache, ihre Anwendung und ihre Ausnahmen, das Eigenthümliche einer Sprache mit ihrem Unterschied von andern, und die verschiedenen Falten und Entwickelungen des menschlichen Geistes und Herzens, welche auf den Ausdruck wirken und durch ihn veranlaßt werden, zugleich kennen lernt. Aufs beste: weil Beispiele immer deutlicher, unterhaltender und eindrücklicher sind, und der Umgang mit verständigen, rechtschaffenen und gesitteten Menschen, folglich auch die Beschäftigung mit den Werken ihres Geistes, mehr zur Bildung beiträgt, als allgemeine Regeln und Kenntnisse; weil erst durch das fleißige Lesen Sprachkenntniß etwas Ganzes wird; und weil selbst Regeln, so wie einzelne Wörter und Redensarten, erst durch die Verbindung in Schriften recht deutlich werden, und die nöthige Bestimmung und Abänderung bekommen.Hat man die nothwendigsten Sprachgesetze in seiner Gewalt, so ist es Zeit, 2) (§. 68. ) gleich zur Lesung der Schriften in einer solchen Sprache fortzuschreiten , wodurch man das Meiste, auch in Absicht auf die Sprache, und dies aufs beste, lernen kann. Das Meiste: weil man, außer den Sachen, die Wörter mit ihren verschiedenen Bedeutungen, Einschränkungen und jedesmaligem schicklichstem Gebrauch, *) weise Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, Regeln einer Sprache, ihre Anwendung und ihre Ausnahmen, das Eigenthümliche einer Sprache mit ihrem Unterschied von andern, und die verschiedenen Falten und Entwickelungen des menschlichen Geistes und Herzens, welche auf den Ausdruck wirken und durch ihn veranlaßt werden, zugleich kennen lernt. Aufs beste: weil Beispiele immer deutlicher, unterhaltender und eindrücklicher sind, und der Umgang mit verständigen, rechtschaffenen und gesitteten Menschen, folglich auch die Beschäftigung mit den Werken ihres Geistes, mehr zur Bildung beiträgt, als allgemeine Regeln und Kenntnisse; weil erst durch das fleißige Lesen Sprachkenntniß etwas Ganzes wird; und weil selbst Regeln, so wie einzelne Wörter und Redensarten, erst durch die Verbindung in Schriften recht deutlich werden, und die nöthige Bestimmung und Abänderung bekommen.
*) S. die Gedanken vom Vocabellernen, von Martin Ehlers, Altona 1770. 8.

72.

Die Frage: Wie soll man Schriften aufs nutzbarste lesen? kommt hier nur so weit in Anschlag, als durch die|c75|ses Lesen unsere Sprachkenntniß gebildet, das heißt, die Geschicklichkeit erlangt werden soll, eine Sprache wohl zu verstehen, und sich darin auszudrücken. In dieser Absicht muß man zuerst auf gutgeschriebene, d. i. solche Schriften sehen, worin eben so viel Fleiß auf den Ausdruck als auf die Sachen gewendet worden ist, die daher in ihrer Art musterhaft oder klassisch heißen können; hernach von den leichteren zu den schwereren, d. i. zu solchen fortgehen, die schon mehrere und reifere Kenntniß der Sprache erfordern, in der sie geschrieben sind.Die Frage: Wie soll man Schriften aufs nutzbarste lesen? kommt hier nur so weit in Anschlag, als durch die|c75|ses Lesen unsere Sprachkenntniß gebildet, das heißt, die Geschicklichkeit erlangt werden soll, eine Sprache wohl zu verstehen, und sich darin auszudrücken. In dieser Absicht muß man zuerst auf gutgeschriebene, d. i. solche Schriften sehen, worin eben so viel Fleiß auf den Ausdruck als auf die Sachen gewendet worden ist, die daher in ihrer Art musterhaft oder klassisch heißen können; hernach von den leichteren zu den schwereren, d. i. zu solchen fortgehen, die schon mehrere und reifere Kenntniß der Sprache erfordern, in der sie geschrieben sind.
Anmerk. 1. Ob man gleich gute Schriften auch, und meistens mehr, wegen der Sachen lieset, so gehören doch Vorschläge, wie man sie in Rücksicht auf die Sachen zu lesen habe, entweder mehr in eine Anweisung zur nützlichen Lektüre überhaupt, oder in den Unterricht, wie Bücher zu benutzen sind, die besondere Wissenschaften betreffen.
Anmerk. 2. Gutgeschriebene Bücher sind hier, im weiteren Verstande genommen, nicht bloß schöngeschriebene, sondern eben sowohl solche, die mit Klarheit und Bestimmtheit in der Sache abgefaßt sind. In dieser Rücksicht kann selbst das trockenste Buch klassisch seyn.

73.

Wenn sich unsre Sprache nach musterhaften Schriftstellern und Schriften bilden soll, so muß man nicht nur wissen, welche und wie fern sie, in Absicht auf Sprache, diesen Namen verdienen, sondern man muß auch, falls sie dafür bekannt sind, bei dem Gebrauch solcher Schriften zu dieser Absicht, voraussetzen können, daß diese und daß die darin gebrauchten Ausdrücke durchaus von dergleichen Schriftstellern herrühren. Hier liegt die Nothwendigkeit der Kritik (im engsten Verstande), die einen Theil der Philologie |c76| ausmacht. Kritik ist überhaupt die Geschicklichkeit zu urtheilen, namentlich das Echte vom Unechten, dasjenige, was wirklich das ist, wofür es gehalten oder ausgegeben wird, und was nur so scheint, zu unterscheiden; oder, als Wissenschaft betrachtet, der Inbegriff der Grundsätze und Regeln, wonach sich unser Urtheil richten muß. In diesem allgemeineren Sinne erstreckt sie sich auf alles Wahre, Gute, Schöne, Schickliche u. dergl., und bekommt besondere Namen, oder einen eingeschränkteren Sinn, nach den verschiedenen Gegenständen, womit sie sich beschäftigt. Daher ensteht eine logische, moralische, ästhetische, historische, philologische Kritik; wiewohl diese verschiedenen Gattungen oft in einander fließen, sofern die Gründe der Beurtheilung aus verschiedenen Wissenschaften entlehnt werden müssen; und alsdann bekommt sie gemeiniglich den Namen von der Wissenschaft, die das Meiste dabei thut.Wenn sich unsre Sprache nach musterhaften Schriftstellern und Schriften bilden soll, so muß man nicht nur wissen, welche und wie fern sie, in Absicht auf Sprache, diesen Namen verdienen, sondern man muß auch, falls sie dafür bekannt sind, bei dem Gebrauch solcher Schriften zu dieser Absicht, voraussetzen können, daß diese und daß die darin gebrauchten Ausdrücke durchaus von dergleichen Schriftstellern herrühren. Hier liegt die Nothwendigkeit der Kritik (im engsten Verstande), die einen Theil der Philologie |c76| ausmacht. Kritik ist überhaupt die Geschicklichkeit zu urtheilen, namentlich das Echte vom Unechten, dasjenige, was wirklich das ist, wofür es gehalten oder ausgegeben wird, und was nur so scheint, zu unterscheiden; oder, als Wissenschaft betrachtet, der Inbegriff der Grundsätze und Regeln, wonach sich unser Urtheil richten muß. In diesem allgemeineren Sinne erstreckt sie sich auf alles Wahre, Gute, Schöne, Schickliche u. dergl., und bekommt besondere Namen, oder einen eingeschränkteren Sinn, nach den verschiedenen Gegenständen, womit sie sich beschäftigt. Daher ensteht eine logische, moralische, ästhetische, historische, philologische Kritik; wiewohl diese verschiedenen Gattungen oft in einander fließen, sofern die Gründe der Beurtheilung aus verschiedenen Wissenschaften entlehnt werden müssen; und alsdann bekommt sie gemeiniglich den Namen von der Wissenschaft, die das Meiste dabei thut.
Anmerk. 1. Philologische Kritik müßte sich eigentlich nur auf Sprache erstrecken, also nur beurtheilen, ob der Ausdruck in der Sprache, in dem Schriftsteller, in der Schrift und in der Stelle derselben, wovon die Frage ist, echt sei; müßte dann auch die Regeln begreifen, wonach dieses alles zu bestimmen wäre. Wer daher den Namen eines philosophischen Kritikers verdienen sollte, müßte nicht nur diese Regeln kennen, sondern auch die Kenntniß der Sprache, wovon die Frage wäre, die Geschichte ihrer von Zeit zu Zeit erfolgten Veränderungen, und des Schriftstellers, nebst der gehörigen Fertigkeit besitzen, diese sämmtlichen Kenntnisse auf einen vorliegenden Fall richtig anzuwenden, folglich auch zu entdecken, ob der Ausdruck in einer Stelle von Abschreibern oder angeblichen Verbesserern verdorben, und wie er wieder herzustellen sei? Hingegen, ob eine Schrift selbst echt sei, die dem ver|c77|meinten Verfasser, oder der Zeit, worein man sie setzt, in der That zukomme? dieß zu entscheiden, würde mehr vor den Richterstuhl der historischen, oder, wenn man will, literarischen Kritik gehören. Allein, weil man diese letztere Frage, wenn eigentliche entscheidende Zeugnisse abgehen, oder zweifelhaft sind, nach inneren, aus der Schrift selbst geschöpften Gründen beurtheilen muß, wozu allerdings auch die Sprache gehört, die oft den Verfasser oder die Zeit verräth: so rechnet man diese Kritik über eine Schrift ebenfalls mit zum Gebiete der philologischen Kritik.
Anmerk. 2. Man sieht hieraus, daß, weil sich dieser letztere Theil der philologischen Kritik auf den ersteren gründet, niemand recht über die Echtheit einer Schrift urtheilen könne, wer der Kritik des Ausdrucks, oder der eigentlichen Sprachkritik, nicht mächtig ist.
Anmerk. 3. Manche nennen die Kritik der Schriften den allgemeinen, und die Kritik ihres Textes den besonderen Theil der philologischen Kritik, jene auch die höhere, diese die niedere, oder gar die Wortkritik. – Bei jener Abtheilung und ihrer Erklärung aber vergißt man die Kritik der Sprache überhaupt, die ich im Anfang der ersten Anmerkung erwähnte, ohne welche man weder von Echtheit der Schriften noch ihres Textes urtheilen kann. – Die Kritik des Textes ist auch keine bloße Kritik der Worte; denn es können ja eben sowohl unrichtige Sachen als Worte verrathen, daß der Text verfälscht sei. – Und den Unterschied der niederen und höheren Kritik scheinen wieder Andere für einerlei mit dem bloß relativen Unterschiede der gemeinen und der feineren Kritik zu nehmen, sie mag Echtheit der Schriften, oder ihres Textes, oder der Sprache überhaupt betreffen. Wenn man die Echtheit nach vorliegenden, zumahl sehr bekannten oder leicht erkennbaren Umständen, z. B. bei einer Schrift nur nach Zeugnissen gleichzeitiger |c78| Schriftsteller, auffallenden historischen oder Sprachfehlern, Spuren des Fehlers oder Mißverstandes in den Zügen oder Abtheilungen der Wörter, Parallelstellen u. dergl. zu entdecken vermöchte, so würde dieß gemeinere Kritik seyn; feinere aber, wo Spuren des Unechten verborgen liegen, und das Echte oder Unechte nur durch sehr feine Beobachtung und eine Zusammenstellung mannigfaltiger kleiner Umstände entdeckt werden könnte. So möchte diese feinere Kritik mit sogenannter Conjecturalkritik, wenn sie nicht bloß willkührlich einem Errathen gleicht, ziemlich einerlei seyn.

74.

Kritik im allgemeineren Verstande ist bei unseren eigenen Vorstellungen und Neigungen sowohl, als bei denenjenigen, die Andere uns mittheilen, folglich auch bei dem Gebrauch ihrer Schriften, schlechterdings nothwendig, wenn wir nicht betrogen werden, Schatten für Wahrheit ergreifen, und zu Irrthümern, Fehlern und Ausschweifungen verleitet seyn wollen. Hängt etwas vom Ansehen des Schriftstellers ab, – und dies ist der Fall, wenn wir uns auf seine Einsicht und Rechtschaffenheit verlassen müssen, um ihn als Kenner, Gesetzgeber und Muster anzuerkennen: – so müssen wir vor allen Dingen gewiß seyn, daß eine Schrift, und daß namentlich der Theil derselben, an den wir uns halten sollen, wirklich von ihm komme. – Alsdann ist auch philologische Kritik schlechthin unentbehrlich, weil die in seiner angeblichen Schrift gebrauchten Ausdrücke eben dasjenige sind, wodurch wir von ihm lernen; und es ungereimt seyn würde, eine Schrift erklären, oder gar etwas daraus beweisen zu wollen, ehe man nicht wüßte, daß etwas wirklich ein Theil einer solchen Schrift, und nicht untergeschoben sei.Kritik im allgemeineren Verstande ist bei unseren eigenen Vorstellungen und Neigungen sowohl, als bei denenjenigen, die Andere uns mittheilen, folglich auch bei dem Gebrauch ihrer Schriften, schlechterdings nothwendig, wenn wir nicht betrogen werden, Schatten für Wahrheit ergreifen, und zu Irrthümern, Fehlern und Ausschweifungen verleitet seyn wollen. Hängt etwas vom Ansehen des Schriftstellers ab, – und dies ist der Fall, wenn wir uns auf seine Einsicht und Rechtschaffenheit verlassen müssen, um ihn als Kenner, Gesetzgeber und Muster anzuerkennen: – so müssen wir vor allen Dingen gewiß seyn, daß eine Schrift, und daß namentlich der Theil derselben, an den wir uns halten sollen, wirklich von ihm komme. – Alsdann ist auch philologische Kritik schlechthin unentbehrlich, weil die in seiner angeblichen Schrift gebrauchten Ausdrücke eben dasjenige sind, wodurch wir von ihm lernen; und es ungereimt seyn würde, eine Schrift erklären, oder gar etwas daraus beweisen zu wollen, ehe man nicht wüßte, daß etwas wirklich ein Theil einer solchen Schrift, und nicht untergeschoben sei.
|c79| Anmerk. Wie nöthig die Kritik bei dem Gebrauch der heiligen Schrift sei, wird sich unten bei der exegetischen Theologie besser zeigen lassen.

75.

Aber deswegen ist es nicht nöthig, gleich Anfangs, bei dem Lesen einer Schrift um der Sprache willen, uns mit dieser Untersuchung zu beschäftigen. – Außer dem, daß dieses die wirkliche Benutzung einer Schrift ungemein aufhalten und verzögern würde, ist es doch keine unwahrscheinliche Voraussetzung, daß eine Schrift, die das Zeugniß ihrer Zeitgenossen oder anderer Kenner für sich hat, und daß deren einzelne Stellen und Ausdrücke echt seyen, weil der Fälle weit mehr sind, wo ein so angegebener Verfasser es auch wirklich ist, als wo er es nicht ist, und weil eine Schrift selten so sehr unter Anderer Händen leidet, daß nicht das Meiste übrig bleiben sollte. – Sehr oft beruht auch ihr Werth in Absicht auf Sprache nicht auf dem Ansehen ihres Verfassers, sondern auf ihrem Gehalt und ihrer Uebereinstimmung mit anderen der besten Schriften in einer solchen Sprache. – Ueberdies erfordert diese Beurtheilung schon große Kenntniß einer Sprache, und wird daher besser bis auf die Uebungen in derselben aufgeschoben, die erst alsdann glücklich unternommen werden können, wenn man sich schon durch das fleißige Lesen der Schriften gebildet hat. Man setze also diese kritischen Untersuchungen lieber aus, begnüge sich mit anderer Kenner Nachrichten, und mit den reinsten Ausgaben von einer Schrift, und wende sich gleich zum Lesen derselben.Aber deswegen ist es nicht nöthig, gleich Anfangs, bei dem Lesen einer Schrift um der Sprache willen, uns mit dieser Untersuchung zu beschäftigen. – Außer dem, daß dieses die wirkliche Benutzung einer Schrift ungemein aufhalten und verzögern würde, ist es doch keine unwahrscheinliche Voraussetzung, daß eine Schrift, die das Zeugniß ihrer Zeitgenossen oder anderer Kenner für sich hat, und daß deren einzelne Stellen und Ausdrücke echt seyen, weil der Fälle weit mehr sind, wo ein so angegebener Verfasser es auch wirklich ist, als wo er es nicht ist, und weil eine Schrift selten so sehr unter Anderer Händen leidet, daß nicht das Meiste übrig bleiben sollte. – Sehr oft beruht auch ihr Werth in Absicht auf Sprache nicht auf dem Ansehen ihres Verfassers, sondern auf ihrem Gehalt und ihrer Uebereinstimmung mit anderen der besten Schriften in einer solchen Sprache. – Ueberdies erfordert diese Beurtheilung schon große Kenntniß einer Sprache, und wird daher besser bis auf die Uebungen in derselben aufgeschoben, die erst alsdann glücklich unternommen werden können, wenn man sich schon durch das fleißige Lesen der Schriften gebildet hat. Man setze also diese kritischen Untersuchungen lieber aus, begnüge sich mit anderer Kenner Nachrichten, und mit den reinsten Ausgaben von einer Schrift, und wende sich gleich zum Lesen derselben.
Anmerk. Möchten dieß auch so viele junge und selbst ältere Lehrer in Gelehrtenschulen beherzigen, die, statt die Elemente der Sprachen oder der Schriftsteller vor allen Din|c80|gen grammatisch verstehen und übersetzen zu lehren, ihre kritische, oft sehr unkritische Weisheit, oft ein bloßes Nachsagen dessen, was sie eben in den akademischen Vorlesungen gehört haben, nicht früh genug auskramen können, und dadurch die Ungeübten mehr verwirren und aufhalten, als in der Sprachkenntniß weiter fördern.
A. d. H.

76.

Das Nächste, worauf man bei diesem Lesen zu sehen hätte, wäre: den Ausdruck verstehen zu lernen. Denn ohne dieses könnte man weder zur Kenntniß der in einer Schrift enthaltenen Sachen gelangen, die uns nur durch den Ausdruck mitgetheilt werden können, noch würde man durch das Lesen einer Schrift in den Stand gesetzt werden, eine andere in eben derselben Sprache verstehen zu lernen, oder jemals eine solche Sprache in seine Gewalt zu bekommen. Aber der gute Schriftsteller bedient sich nicht bloß einer Sprache; er will auch das, was er darin sagt, gut, d. i. so ausdrücken, daß es sich dem Leser als wahr, als gut, als gefällig darstelle, wenigstens daß es sich ihm von einer dieser Seiten empfehle; und, wie die Sprache Ausdruck der Seele ist, so ergießt sich seine gebildete Empfindung, Verstand und Gesinnung in den Vortrag, der davon seine ganze Farbe bekommt. Man muß daher gutgeschriebenen Schriften, selbst wenn man sie wegen der Sprache lieset, einleuchtende Vorstellung der Wahrheit, Empfehlung guter Gesinnungen, Annehmlichkeit des Vortrags, abzulernen, kurz, dadurch seinen Verstand, sein Herz und seinen Geschmack zu bilden suchen. Dies nennt man das kritische, so wie jenes, das auf den Verstand des Gelesenen abzielt, das philologische oder grammatische Lesen einer Schrift.Das Nächste, worauf man bei diesem Lesen zu sehen hätte, wäre: den Ausdruck verstehen zu lernen. Denn ohne dieses könnte man weder zur Kenntniß der in einer Schrift enthaltenen Sachen gelangen, die uns nur durch den Ausdruck mitgetheilt werden können, noch würde man durch das Lesen einer Schrift in den Stand gesetzt werden, eine andere in eben derselben Sprache verstehen zu lernen, oder jemals eine solche Sprache in seine Gewalt zu bekommen. Aber der gute Schriftsteller bedient sich nicht bloß einer Sprache; er will auch das, was er darin sagt, gut, d. i. so ausdrücken, daß es sich dem Leser als wahr, als gut, als gefällig darstelle, wenigstens daß es sich ihm von einer dieser Seiten empfehle; und, wie die Sprache Ausdruck der Seele ist, so ergießt sich seine gebildete Empfindung, Verstand und Gesinnung in den Vortrag, der davon seine ganze Farbe bekommt. Man muß daher gutgeschriebenen Schriften, selbst wenn man sie wegen der Sprache lieset, einleuchtende Vorstellung der Wahrheit, Empfehlung guter Gesinnungen, Annehmlichkeit des Vortrags, abzulernen, kurz, dadurch seinen Verstand, sein Herz und seinen Geschmack zu bilden suchen. Dies nennt man das kritische, so wie jenes, das auf den Verstand des Gelesenen abzielt, das philologische oder grammatische Lesen einer Schrift.
|c81| Eine solche Anweisung enthalten, ob sie sich gleich nur auf ältere griechische und römische Schriftsteller einschränken,
außer
  • Joh. Aug. Ernesti Zuschrift vor der Ausgabe der Werke des Cicero, J. G. Sulzer's Gedanken über die beste Art, die classischen Schriften der Alten zu lesen, Berlin 1765. 8. in dessen Vermischten Schriften, Theil 2. S. 215 f. wieder abgedruckt.
  • Imm. Joh. Gerh. Scheller's Anleitung, die alten Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären, zweite Auflage, Halle 1783. gr. 8.
|c81| Eine solche Anweisung enthalten, ob sie sich gleich nur auf ältere griechische und römische Schriftsteller einschränken,
außer
  • Joh. Aug. Ernesti Zuschrift vor der Ausgabe der Werke des Cicero, J. G. Sulzer's Gedanken über die beste Art, die classischen Schriften der Alten zu lesen, Berlin 1765. 8. in dessen Vermischten Schriften, Theil 2. S. 215 f. wieder abgedruckt.
  • Imm. Joh. Gerh. Scheller's Anleitung, die alten Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären, zweite Auflage, Halle 1783. gr. 8.
Auch kann in mancher Hinsicht verglichen werden: Bergk's Kunst zu lesen, Leipzig 1803. und Schelle über die Lesung der klassischen Autoren, 2 Theile, Leipzig 1803.

77.

Bei der Absicht, eine Schrift verstehen zu lernen, möchte Alles auf folgende Regeln ankommen: 1) Man bemühe sich zuerst, die bestimmte Bedeutung einzelner Wörter und Redensarten recht einzusehen, nach ihrem Umfang, auch Nebenbegriffen, Einschränkung und Unterschied von anderen, die eben dasselbe zu bedeuten scheinen. Giebt der Schriftsteller die Bedeutung nicht selbst durch Erklärung, Gegensatz, gleichbedeutende Wörter, Beispiele oder Verbindung an, und kennen wir keine andere ähnliche Stellen desselben, die ein Licht auf das, was wir suchen, werfen könnten; *) so müßte man entweder, zumal wenn die Sprache noch lebendig ist, sich bei denen erkundigen, die feine Kenner einer solchen Sprache sind, oder man müßte gute Wörterbücher, Claves, Wörterregister und Ausleger zu Hülfe nehmen, bei ihrer Wahl aber, und um sie mit Sicherheit brauchen zu können, wohl darauf Acht geben, ob sie die Bedeutung be|c82|stimmt angeben, und die Richtigkeit derselben, wo sie zweifelhaft seyn kann, mit angemessenen deutlichen Stellen oder Beweisen belegen.Bei der Absicht, eine Schrift verstehen zu lernen, möchte Alles auf folgende Regeln ankommen: 1) Man bemühe sich zuerst, die bestimmte Bedeutung einzelner Wörter und Redensarten recht einzusehen, nach ihrem Umfang, auch Nebenbegriffen, Einschränkung und Unterschied von anderen, die eben dasselbe zu bedeuten scheinen. Giebt der Schriftsteller die Bedeutung nicht selbst durch Erklärung, Gegensatz, gleichbedeutende Wörter, Beispiele oder Verbindung an, und kennen wir keine andere ähnliche Stellen desselben, die ein Licht auf das, was wir suchen, werfen könnten; *) so müßte man entweder, zumal wenn die Sprache noch lebendig ist, sich bei denen erkundigen, die feine Kenner einer solchen Sprache sind, oder man müßte gute Wörterbücher, Claves, Wörterregister und Ausleger zu Hülfe nehmen, bei ihrer Wahl aber, und um sie mit Sicherheit brauchen zu können, wohl darauf Acht geben, ob sie die Bedeutung be|c82|stimmt angeben, und die Richtigkeit derselben, wo sie zweifelhaft seyn kann, mit angemessenen deutlichen Stellen oder Beweisen belegen.
*) Beispiele sind im N. T. von erläuternden Erklärungen, πιστις Ebr. 11, 1., μετανοια 2 Kor. 7, 10. vergl. mit V. 11. Von dergleichen Gegensatz 2 Kor. 10, 4. Röm. 9, 18. Von gleichbedeutenden Wörtern und Redensarten, 1 Kor. 10, 24. οἰκοδομεῖν und συμφέρειν, so wie 1 Petr. 5, 8. durch παθήματα V. 9. vergl. mit 1 Thess. 2, 14., erklärt wird, und Röm. 9, 1. die Betheurungsformel: ἀλήθειαν λέγω ἐν Χριστῷ beweiset, daß ἐν Πνεύματι ἁγίω zu οὐ ψεύδομαι gezogen, und auch für eine solche Betheurung genommen werden müsse. Erklärungen durch Beispiele sind Luc. 18, 1. vergl. mit V. 2. f. Kap. 15, 10. μετανοεῖν mit V. 11 f.; durch die Verbindung oder den Context Ephes. 2, wo νεκροὶ V. 1. V. 3. ὑιοὶ ὀργῆς heißen, ἐκλεκτοί Röm. 8, 33. eben daselbst V. 28. ἀγαπῶντες τ. Θεὸν, ὑπακοὴ πεπληρομένη 2 Kor. 10, 6. gleich nachher V. 15. πίστις αὐξανομένη. Beispiele von Erklärungen aus ähnlichen Stellen sind bekannt genug.

78.

Man müßte 2) wohl auf die Verbindung und Ordnung der Wörter Acht geben, als worauf vernehmlich das Eigenthümliche einer Sprache beruht, und sowohl die wahre Bedeutung einzelner Formeln bemerken, als in wiefern eine gewisse Verbindung oder Stellung der Wörter und Redensarten, des Sinnes wegen, oder nur den Ausdruck deutlicher oder angenehmer zu machen, gebraucht sei. Gute Sprachlehren und andere Bücher, welche die Idiotismen einer |c83| Sprache erklären, oder die Gründe der Sprachregeln untersuchen, können dabei große Dienste thun.Man müßte 2) wohl auf die Verbindung und Ordnung der Wörter Acht geben, als worauf vernehmlich das Eigenthümliche einer Sprache beruht, und sowohl die wahre Bedeutung einzelner Formeln bemerken, als in wiefern eine gewisse Verbindung oder Stellung der Wörter und Redensarten, des Sinnes wegen, oder nur den Ausdruck deutlicher oder angenehmer zu machen, gebraucht sei. Gute Sprachlehren und andere Bücher, welche die Idiotismen einer |c83| Sprache erklären, oder die Gründe der Sprachregeln untersuchen, können dabei große Dienste thun.

79.

Es wird ferner 3) nöthig seyn, stets dahin zu sehen, daß man nicht bloß den Wörtern und Redensarten, die man verstehen lernen will, andere Wörter unterlegt, sondern sich auch wirklich Begriffe von dem macht, was jene ausdrücken. Leicht ist dieses, wenn wir einen solchen Ausdruck in einen uns geläufigeren, der ihm völlig entspricht, verwandeln, und so den uns schon gewohnten Begriff, der damit verbunden ist, erneuern können. Wäre dieß aber nicht, und bekäme ein Ausdruck eine der Sprache oder dem Schriftsteller eigene Bedeutung daher, weil er sich auf besondere Meinungen, Gewohnheiten, Begebenheiten u. dergl. bezöge: so müßte man sich vorher diese bekannt machen, oder diejenigen zu Rathe ziehen, welche dergleichen Umstände und darnach gebildete Ausdrücke aufgeklärt haben.Es wird ferner 3) nöthig seyn, stets dahin zu sehen, daß man nicht bloß den Wörtern und Redensarten, die man verstehen lernen will, andere Wörter unterlegt, sondern sich auch wirklich Begriffe von dem macht, was jene ausdrücken. Leicht ist dieses, wenn wir einen solchen Ausdruck in einen uns geläufigeren, der ihm völlig entspricht, verwandeln, und so den uns schon gewohnten Begriff, der damit verbunden ist, erneuern können. Wäre dieß aber nicht, und bekäme ein Ausdruck eine der Sprache oder dem Schriftsteller eigene Bedeutung daher, weil er sich auf besondere Meinungen, Gewohnheiten, Begebenheiten u. dergl. bezöge: so müßte man sich vorher diese bekannt machen, oder diejenigen zu Rathe ziehen, welche dergleichen Umstände und darnach gebildete Ausdrücke aufgeklärt haben.
Von dieser Art sind die Namen der öffenlichen Bedienungen: Consul, Dictator etc., die calumnia religionis bei Cicero epist. ad divers. I, 1. Die Ausdrücke in seinen philosophischen Schriften, welche aus der akademischen, stoischen etc. Philosophie entlehnt sind, u. dergl. Im N. Test. die Wörter πραιτὼριον (anders Matth. 27, 27., anders Phil. 1, 13.), στρατοπεδάρχης, Ἀσιάρχαι, νεωκόρος von einer Stadt gebraucht, Γραμματεῖς (anders in Asien, Apostelgesch. 19., anders zu Jerusalem), σπένδομαι, ἅδης, δαιμονιακοὶ, οἰκουμένη ἡ μέλλουσα Ebr. 2, 5. τὰ ἔθνη, κόσμος, στοιχεῖα του κόσμου u. a.

|c84| 80.

Weil man aber sehr wohl einzelne Wörter verstehen kann, ohne deswegen den ganzen Satz zu verstehen, der aus ihnen zusammengesetzt ist; *) auch viele Wörter, **) ja ganze Sätze, ***) neue bestimmte Bedeutungen in einer Stelle durch die Verbindung mit andern zu einem ganzen Satz bekommen, und sehr oft Ein Wort nicht geradezu mit Einem Wort aus einer anderen Sprache vertauscht werden kann, sondern nur der Sinn im Ganzen ausgedrückt werden muß, †) so wie bisweilen – und das ist der Fall der Allegorie – anstatt einer Sache, die eigentlich ausgedrückt werden sollte, eine ihr ähnliche gesetzt wird, ††) folglich die gemeinte Aehnlichkeit aufgesucht werden muß; so muß man sich auch 4) bemühen, den Sinn des ganzen Satzes, oder mehrere in Eins verbundene Sätze im Ganzen, und das in der Allegorie liegende Eigentliche, zu denken. Gute, freie, aber genaue Uebersetzungen und eben dergleichen Umschreibungen sind hier für den, der es noch selbst nicht vermag, die besten Hülfsmittel.Weil man aber sehr wohl einzelne Wörter verstehen kann, ohne deswegen den ganzen Satz zu verstehen, der aus ihnen zusammengesetzt ist; *) auch viele Wörter, **) ja ganze Sätze, ***) neue bestimmte Bedeutungen in einer Stelle durch die Verbindung mit andern zu einem ganzen Satz bekommen, und sehr oft Ein Wort nicht geradezu mit Einem Wort aus einer anderen Sprache vertauscht werden kann, sondern nur der Sinn im Ganzen ausgedrückt werden muß, †) so wie bisweilen – und das ist der Fall der Allegorie – anstatt einer Sache, die eigentlich ausgedrückt werden sollte, eine ihr ähnliche gesetzt wird, ††) folglich die gemeinte Aehnlichkeit aufgesucht werden muß; so muß man sich auch 4) bemühen, den Sinn des ganzen Satzes, oder mehrere in Eins verbundene Sätze im Ganzen, und das in der Allegorie liegende Eigentliche, zu denken. Gute, freie, aber genaue Uebersetzungen und eben dergleichen Umschreibungen sind hier für den, der es noch selbst nicht vermag, die besten Hülfsmittel.
S. die zwei unschätzbaren Programmen von S. F. N. Morus de discrimine sensus et significationis in interpretando, Lips. 1777. 4. und Progr. quibus caussis allegoriarum interpretatio nitatur, Lips. 1781. 4. Jenes ist das zweite, und dieses das zwölfte in s. Diss. theolog. et philologicis, Lips. 1787. 8.
*) Z. B. Luc. 21, 19. κτήσασθε τ. ψυχὰς ὑμῶν ἐν τῇ ὐπομονῇ (seid standhaft, so werdet ihr euer Leben retten); K. 12, 21. εἰς Θεὸν πλουτεῖν (seinen Reichthum nach Gottes Willen anwenden).
**) Als ἀποθανεῖν (aufhören zu sündigen) Röm. 6, 7.; ὡς ζῶντες ἐν Κόσμῳ, δογματίζεσθε (ihr hängt noch an |c85| willkührlichen Gesetzen, als lebtet ihr noch im Judenthum), Kol. 2, 20. Dieses gilt besonders von den Emphasen, als 1 Kor. 9, 16. ἐυαγγελίζεσθαι (das Christenthum lehren, und sich dafür bezahlen lassen), vergl. mit V. 17. u. 18.
***) Als Luc. 6, 34. (von Ausleihen aus Gewinnsucht).
†) Z. B. 1 Kor. 10, 29. ἵνα τί ἡ ἐλευθερία μου κρίνεται u. s. w. (Warum soll ich mich nicht meiner Freiheit bedienen, ohne erst zu fragen, ob ein Anderer Etwas für erlaubt hält?) vergl. mit V. 30., zumahl wenn gewisse uneigentliche Ausdrücke in der Sprache, wohin wir sie aus einer andern übertragen müßten, ungewöhnlich sind, als Luc. 1, 69. ἤγειρε κέρας σωτηρίας ἡμῖν (er hat uns einen Erretter geschenkt); Röm. 13, 14. ἐνδύσασθε u. s. w.
††) Als Matth. 6, 22. 23. Joh. 4, 35 f.

81.

Beinahe das Schwerste bleibt 5) die Vergleichung der Sprache, woraus, und derjenigen, in welche wir übersetzen. Denn bei den vorigen Beschäftigungen, eine Schrift verstehen zu lernen, ist es allenfalls genug, den richtigen Sinn unterzulegen; oft muß man damit auch zufrieden seyn; hier aber soll man eine Sprache der andern aufs Genaueste anschmiegen, welches bei Idiotismen selten möglich, vernehmlich aber bei Schriftstellern, die recht eigentlich in ihrer Sprache und diese rein, oder gar eine eigenthümliche Art des Ausdrucks haben, sehr schwer auszudrücken ist. Ohnehin muß man der Sprache, in die man übertragen will, und aller ihrer Feinheit und Beugsamkeit, deren sie fähig ist, sehr kundig und mächtig seyn. Der vornehmste Nutzen einer so genauen Uebertragung besteht denn wohl in der Ueberzeugung, daß man das, was jene Sprache ausdrückt, genau aufgefaßt habe, und in der Bereicherung oder |c86| Vervollkommung unsrer Sprache durch jene. Weil es uns indessen bei dem Verstehenlernen zunächst nur um den Sinn zu thun ist, so mag dieser schwerere Versuch lieber über das Lesen guter Schriften selbst hinaus verschoben werden.Beinahe das Schwerste bleibt 5) die Vergleichung der Sprache, woraus, und derjenigen, in welche wir übersetzen. Denn bei den vorigen Beschäftigungen, eine Schrift verstehen zu lernen, ist es allenfalls genug, den richtigen Sinn unterzulegen; oft muß man damit auch zufrieden seyn; hier aber soll man eine Sprache der andern aufs Genaueste anschmiegen, welches bei Idiotismen selten möglich, vernehmlich aber bei Schriftstellern, die recht eigentlich in ihrer Sprache und diese rein, oder gar eine eigenthümliche Art des Ausdrucks haben, sehr schwer auszudrücken ist. Ohnehin muß man der Sprache, in die man übertragen will, und aller ihrer Feinheit und Beugsamkeit, deren sie fähig ist, sehr kundig und mächtig seyn. Der vornehmste Nutzen einer so genauen Uebertragung besteht denn wohl in der Ueberzeugung, daß man das, was jene Sprache ausdrückt, genau aufgefaßt habe, und in der Bereicherung oder |c86| Vervollkommung unsrer Sprache durch jene. Weil es uns indessen bei dem Verstehenlernen zunächst nur um den Sinn zu thun ist, so mag dieser schwerere Versuch lieber über das Lesen guter Schriften selbst hinaus verschoben werden.

82.

Hat man nun einen guten Schriftsteller verstanden (§. 76. ), so muß man ihm auch den guten Ausdruck und Vortrag abzulernen suchen. Dies muß vorzüglich da die Absicht seyn, wo man wohlgeschriebene Schriften zur Bildung des Verstandes, des Geschmacks und des Herzens lieset. Zur Bildung des Verstandes geschieht dieses, – wenn man die Wahrheit dessen, was er sagt, es sei bei allgemeinen Sätzen oder bei Erzählungen, prüft, und bemerkt, worin die Stärke oder die Fehler dessen, was er zur Unterstützung einer Sache sagt, bestehen; – wenn man Acht giebt auf Alles, was zur Kenntniß der Menschen und der Welt, und zur Kenntniß des Ganges dient, den die göttliche Vorsehung und den die Menschen bei ihren Handlungen nehmen, um gewisse Absichten zu erreichen; – wenn man, um jene Ueberzeugung von Wahrheit zu erlangen, auf Ursachen und Mittel, Folgen und Absichten der vorgefallenen Sachen studiert; – wenn man alles dieses, durch Anwendung und Folgerungen, zur Aufklärung der Wahrheit, zur vernünftigen Beruhigung und zur Beförderung eines klugen Betragens gebraucht. Ohne diese Rücksichten und Uebungen kann das Lesen auch der besten Bücher wenig helfen: es unterhält allenfalls auf eine kurze Zeit, bereichert das Gedächtniß, verleitet zur blinden Nachahmung; den Verstand aber bildet es nicht.Hat man nun einen guten Schriftsteller verstanden (§. 76. ), so muß man ihm auch den guten Ausdruck und Vortrag abzulernen suchen. Dies muß vorzüglich da die Absicht seyn, wo man wohlgeschriebene Schriften zur Bildung des Verstandes, des Geschmacks und des Herzens lieset. Zur Bildung des Verstandes geschieht dieses, – wenn man die Wahrheit dessen, was er sagt, es sei bei allgemeinen Sätzen oder bei Erzählungen, prüft, und bemerkt, worin die Stärke oder die Fehler dessen, was er zur Unterstützung einer Sache sagt, bestehen; – wenn man Acht giebt auf Alles, was zur Kenntniß der Menschen und der Welt, und zur Kenntniß des Ganges dient, den die göttliche Vorsehung und den die Menschen bei ihren Handlungen nehmen, um gewisse Absichten zu erreichen; – wenn man, um jene Ueberzeugung von Wahrheit zu erlangen, auf Ursachen und Mittel, Folgen und Absichten der vorgefallenen Sachen studiert; – wenn man alles dieses, durch Anwendung und Folgerungen, zur Aufklärung der Wahrheit, zur vernünftigen Beruhigung und zur Beförderung eines klugen Betragens gebraucht. Ohne diese Rücksichten und Uebungen kann das Lesen auch der besten Bücher wenig helfen: es unterhält allenfalls auf eine kurze Zeit, bereichert das Gedächtniß, verleitet zur blinden Nachahmung; den Verstand aber bildet es nicht.
|c87| Auch das, was in der mehrmals angeführten Allgemeinen Revision, Theil 11. S. 84 f. wider die Geistesbildung durch das Sprachstudium überhaupt, und S. 196 f. wider die Geistesbildung zu einem Gelehrten insbesondere, gesagt wird, kann dem hier Gesagten nicht entgegengesetzt werden. Außer dem schon oft gerügten Irrthum, als wenn Vergleichung einer Sprache mit der andern weiter nichts sei, als Umtauschung verschiedener Töne oder Schriftzeichen gegen andere, die gerade eben dasselbe ausdrückten, ist hier nicht die Rede vom Studium des bloßen Sprachbaues und Sprachgebrauchs, sondern von dem Nutzen, den die Lectüre guter Schriftsteller gewährt, in sofern diese Sachen gut vortragen.

83.

Sofern indessen das Lesen zur Bildung des Ausdrucks nach guten Schriftstellern unternommen werden soll, ist vornehmlich darauf die Aufmerksamkeit zu richten, wie ein solcher Schriftsteller das, was er gesagt, dargestellt und eingekleidet, d. i., in welches Licht er es gesetzt hat, um den Leser zu überzeugen; wie er es angelegt, um ihn dafür einzunehmen; in jener Absicht also, wie er z. B. seine Sätze bestimmt, durch Beweisgründe unterstützt, durch angegebene und hervorgezogene Umstände glaublich gemacht, in dieser aber, wie er, was er empfehlen will, eindrücklich zu machen, wovon er aber abziehen will, abschreckend vorzustellen, oder zu verbergen, oder zu mildern gesucht habe. Alles dies kann der Schriftsteller durch deutliche oder sinnliche Vorstellung zu erreichen suchen. Das Erstere gehört zum Gebiete des Verstandes, das Letztere mehr zum Gebiete des Geschmacks.Sofern indessen das Lesen zur Bildung des Ausdrucks nach guten Schriftstellern unternommen werden soll, ist vornehmlich darauf die Aufmerksamkeit zu richten, wie ein solcher Schriftsteller das, was er gesagt, dargestellt und eingekleidet, d. i., in welches Licht er es gesetzt hat, um den Leser zu überzeugen; wie er es angelegt, um ihn dafür einzunehmen; in jener Absicht also, wie er z. B. seine Sätze bestimmt, durch Beweisgründe unterstützt, durch angegebene und hervorgezogene Umstände glaublich gemacht, in dieser aber, wie er, was er empfehlen will, eindrücklich zu machen, wovon er aber abziehen will, abschreckend vorzustellen, oder zu verbergen, oder zu mildern gesucht habe. Alles dies kann der Schriftsteller durch deutliche oder sinnliche Vorstellung zu erreichen suchen. Das Erstere gehört zum Gebiete des Verstandes, das Letztere mehr zum Gebiete des Geschmacks.
Beider Gränzen laufen aber oft so in einander, daß sich die Regeln, wie man Schriften lesen soll, den Verstand und |c88| Geschmack zu bilden, nicht wohl trennen lassen. Vieles also, was noch in jenem Betracht hierüber könnte bemerkt werden, ist erst in der nächstfolgenden Anweisung, welche Rücksicht auf Bildung des Geschmacks nimmt, enthalten.

84.

Wer durch Lesung guter Schriftsteller seinen Geschmack bilden will, muß 1) um keine Schönheit in der Darstellung zu übersehen, und sich durch das, was leichter zu übersehen ist, an das zu gewöhnen, was schon feinere Empfindung und mehrere Fassungskraft erfordert, mit dem Einfachern anfangen, und zum Zusammengesetztern fortgehen, erst einzelne Stellen in dieser Rücksicht studieren, und alsdann immer weiter schreiten, bis er das Ganze, sowohl nach der schönen Anlage der Theile, woraus es zusammengesetzt ist, als nach der Schönheit, die ein Theil dem andern mittheilt, übersehen könnte. Wenn er 2) ein jedes, kleinere oder größere Ganze zuerst von aller Form entkleiden will, um den Hauptgedanken zu finden, so wird er entdecken, durch welche Einschränkungen, Erläuterungen, Beispiele, Bilder, Gegensätze u. dergl., und wie er dadurch erleuchtend, interessant und gefällig dargestellt worden sei. Dann hat er 3) stets darauf Acht zu geben, wie der Schriftsteller auf die Gedanken gekommen, und wo er das hergeleitet habe, was er zur Ausbildung der Hauptsache gethan; wie er die gefundenen Sachen ausgedrückt; und wie er Alles so gestellt habe, daß jene Absichten aufs beste erreicht werden konnten. Er muß 4) den Gründen nachspüren, warum gerade die Ausführung, der Ausdruck und die Stellung beobachtet ist, und was dieses alles für Wirkung auf das Ganze thut. Auch endlich 5) um den großen Unterschied des Schönern |c89| und Schlechtern zu begreifen, und die Mannigfaltigkeit oder die vielerlei Arten, wie man die Darstellung einer Sache abändern kann, kennen zu lernen, ähnliche Stellen oder Schriften eines solchen Verfassers oder Anderer zusammenhalten, und bemerken, was jede nach ihrer besondern Absicht Vorzügliches in der Darstellung vor der andern gleiches Hauptinhalts habe, und worin der Grund dieses Vorzüglichen liege.Wer durch Lesung guter Schriftsteller seinen Geschmack bilden will, muß 1) um keine Schönheit in der Darstellung zu übersehen, und sich durch das, was leichter zu übersehen ist, an das zu gewöhnen, was schon feinere Empfindung und mehrere Fassungskraft erfordert, mit dem Einfachern anfangen, und zum Zusammengesetztern fortgehen, erst einzelne Stellen in dieser Rücksicht studieren, und alsdann immer weiter schreiten, bis er das Ganze, sowohl nach der schönen Anlage der Theile, woraus es zusammengesetzt ist, als nach der Schönheit, die ein Theil dem andern mittheilt, übersehen könnte. Wenn er 2) ein jedes, kleinere oder größere Ganze zuerst von aller Form entkleiden will, um den Hauptgedanken zu finden, so wird er entdecken, durch welche Einschränkungen, Erläuterungen, Beispiele, Bilder, Gegensätze u. dergl., und wie er dadurch erleuchtend, interessant und gefällig dargestellt worden sei. Dann hat er 3) stets darauf Acht zu geben, wie der Schriftsteller auf die Gedanken gekommen, und wo er das hergeleitet habe, was er zur Ausbildung der Hauptsache gethan; wie er die gefundenen Sachen ausgedrückt; und wie er Alles so gestellt habe, daß jene Absichten aufs beste erreicht werden konnten. Er muß 4) den Gründen nachspüren, warum gerade die Ausführung, der Ausdruck und die Stellung beobachtet ist, und was dieses alles für Wirkung auf das Ganze thut. Auch endlich 5) um den großen Unterschied des Schönern |c89| und Schlechtern zu begreifen, und die Mannigfaltigkeit oder die vielerlei Arten, wie man die Darstellung einer Sache abändern kann, kennen zu lernen, ähnliche Stellen oder Schriften eines solchen Verfassers oder Anderer zusammenhalten, und bemerken, was jede nach ihrer besondern Absicht Vorzügliches in der Darstellung vor der andern gleiches Hauptinhalts habe, und worin der Grund dieses Vorzüglichen liege.

85.

Zur Verbesserung des Herzens und unserer ganzen Gesinnung, wird das Lesen guter Schriftsteller vieles beitragen, wenn man 1) nicht nur dasjenige bemerkt, was sie unmittelbar zu dieser Absicht alsdann sagen, wenn sie von Sachen reden, die Gott, Religion und Tugend betreffen; wenn sie den Werth und die guten Folgen der letztern, nebst Ehrfurcht und Liebe gegen Gott, es sei durch Gründe oder Erfahrungen oder Beispiele, empfehlen, sondern auch 2) das, was in ihrem Vortrage liegt, und daraus gezogen werden kann, zur Kenntniß und Ueberzeugung von Gottes Vorsehung, zur Kenntniß des menschlichen Herzens und menschlicher Leidenschaften, der Mittel, diese zu lenken und jenes zu verbessern, zur Ermunterung zu allem Guten, braucht, und 3) – was hier bei der Sprache besonders in Anschlag kommt – wenn man auf den Ausdruck Acht giebt, und den ihnen abzulernen sucht, wodurch edle und gute Empfindungen können bezeichnet, und so in uns befestigt oder erweckt oder eindrücklich gemacht, und gute Nebenbegriffe erregt werden, die das Gute, vermittelst der Einbildungskraft, auch unserm Herzen empfehlen. (§. 60. und 65. )Zur Verbesserung des Herzens und unserer ganzen Gesinnung, wird das Lesen guter Schriftsteller vieles beitragen, wenn man 1) nicht nur dasjenige bemerkt, was sie unmittelbar zu dieser Absicht alsdann sagen, wenn sie von Sachen reden, die Gott, Religion und Tugend betreffen; wenn sie den Werth und die guten Folgen der letztern, nebst Ehrfurcht und Liebe gegen Gott, es sei durch Gründe oder Erfahrungen oder Beispiele, empfehlen, sondern auch 2) das, was in ihrem Vortrage liegt, und daraus gezogen werden kann, zur Kenntniß und Ueberzeugung von Gottes Vorsehung, zur Kenntniß des menschlichen Herzens und menschlicher Leidenschaften, der Mittel, diese zu lenken und jenes zu verbessern, zur Ermunterung zu allem Guten, braucht, und 3) – was hier bei der Sprache besonders in Anschlag kommt – wenn man auf den Ausdruck Acht giebt, und den ihnen abzulernen sucht, wodurch edle und gute Empfindungen können bezeichnet, und so in uns befestigt oder erweckt oder eindrücklich gemacht, und gute Nebenbegriffe erregt werden, die das Gute, vermittelst der Einbildungskraft, auch unserm Herzen empfehlen. (§. 60. und 65. )

|c90| 86.

Freilich erfordert ein so sorgfältiges und genaues ausführliches Lesen guter Schriften viele Zeit. Die so sehr ins Kleine gehende Aufmerksamkeit wird von dem Ganzen abgezogen, und dem, der noch nicht weit in einer Sprache gekommen ist, muß es schwer, oft unmöglich werden, so tief in das Schöne des Ausdrucks einzudringen. Aber, – außer dem, daß der Schriftsteller nur wenige sind, die in Absicht auf Ausdruck und Sprache musterhaft heißen können, und daß anhaltende Uebung uns mit der Zeit in den Stand setzt, den guten Ausdruck schneller zu bemerken, auch Unterricht und Leitung von einem in solcher Lektüre Geübtern die Aufmerksamkeit und das Fortschreiten hierin unendlich erleichtern kann: – so hilft wiederholtes sowohl als cursorisches Lesen eines guten Schriftstellers diesen Unbequemlichkeiten sehr ab, und befördert nicht nur die Uebersicht des Ganzen, sondern gewöhnt uns auch mehr an den ganzen Ton des Schriftstellers, und macht uns mit dem, was ihm eigen ist, macht uns mit Stellen desselben bekannt, die über Sachen und Wörter Licht ausbreiten können. *) Freilich erfordert ein so sorgfältiges und genaues ausführliches Lesen guter Schriften viele Zeit. Die so sehr ins Kleine gehende Aufmerksamkeit wird von dem Ganzen abgezogen, und dem, der noch nicht weit in einer Sprache gekommen ist, muß es schwer, oft unmöglich werden, so tief in das Schöne des Ausdrucks einzudringen. Aber, – außer dem, daß der Schriftsteller nur wenige sind, die in Absicht auf Ausdruck und Sprache musterhaft heißen können, und daß anhaltende Uebung uns mit der Zeit in den Stand setzt, den guten Ausdruck schneller zu bemerken, auch Unterricht und Leitung von einem in solcher Lektüre Geübtern die Aufmerksamkeit und das Fortschreiten hierin unendlich erleichtern kann: – so hilft wiederholtes sowohl als cursorisches Lesen eines guten Schriftstellers diesen Unbequemlichkeiten sehr ab, und befördert nicht nur die Uebersicht des Ganzen, sondern gewöhnt uns auch mehr an den ganzen Ton des Schriftstellers, und macht uns mit dem, was ihm eigen ist, macht uns mit Stellen desselben bekannt, die über Sachen und Wörter Licht ausbreiten können. *)
*) S. Joh. Matth. Gesner's Vorrede zum Livius nach Clerici Ausgabe, Leipzig 1735. 8. und J. A. Ernesti's zur Fischerschen Ausgabe der Werke des Ovidius, Leipzig 1758. 8.

87.

Auf das Lesen guter Schriftsteller in einer Sprache müssen 3) (§. 68. und 71. ) die Uebungen in der Sprache folgen, wobei man immer wieder vom Leichtern zum Schwerern fortgehen müßte. Diese Uebungen bestehen im Uebersetzen, Schreiben und allenfalls Reden, |c91| womit noch die Beschäftigung mit den feineren Sprachregeln und mit der Kritik im engsten Verstande (§. 74. ) verbunden werden kann. Das Uebersetzen ist unstreitig das Leichteste, weil man durch das Lesen guter Schriften schon zubereitet, und seiner Sprache, in die man übersetzt, mächtiger ist als einer fremden, also leichter fremden Wörtern seine, als seinen die Wörter einer fremden Sprache unterlegen kann, die uns weniger als die unsere geläufig ist. Bei einer solchen Uebersetzung ist, noch mehr als bei dem Lesen, darauf zu sehen, das, was in der fremden Sprache geschrieben ist, nicht nur aufs genaueste auszudrücken, sondern auch, so weit es die Natur unserer Sprache erlaubt, jedoch nie auf Unkosten ihrer Deutlichkeit oder ihrer Vorzüge vor einer fremden, die unsrige der fremden anzuschmiegen.Auf das Lesen guter Schriftsteller in einer Sprache müssen 3) (§. 68. und 71. ) die Uebungen in der Sprache folgen, wobei man immer wieder vom Leichtern zum Schwerern fortgehen müßte. Diese Uebungen bestehen im Uebersetzen, Schreiben und allenfalls Reden, |c91| womit noch die Beschäftigung mit den feineren Sprachregeln und mit der Kritik im engsten Verstande (§. 74. ) verbunden werden kann. Das Uebersetzen ist unstreitig das Leichteste, weil man durch das Lesen guter Schriften schon zubereitet, und seiner Sprache, in die man übersetzt, mächtiger ist als einer fremden, also leichter fremden Wörtern seine, als seinen die Wörter einer fremden Sprache unterlegen kann, die uns weniger als die unsere geläufig ist. Bei einer solchen Uebersetzung ist, noch mehr als bei dem Lesen, darauf zu sehen, das, was in der fremden Sprache geschrieben ist, nicht nur aufs genaueste auszudrücken, sondern auch, so weit es die Natur unserer Sprache erlaubt, jedoch nie auf Unkosten ihrer Deutlichkeit oder ihrer Vorzüge vor einer fremden, die unsrige der fremden anzuschmiegen.
Anm. Unstreitig ist dieß die wahre Theorie des Uebersetzens, in welche schon Luther in seinem Büchlein „Vom Dollmetschen“ die richtigste Einsicht hatte. Sie stimmt freilich nicht mit dem überein, was in unseren Zeiten manche berühmte Uebersetzer der Alten versucht haben, die Uebersetzung dem Originale – wie einst ein Kunstkenner von einem Portrait sagte – zum Erschrecken ähnlich zu machen, und die Eigenthümlichkeit unserer Sprache dabei gänzlich aufzuopfern. Aber wirklich erschrickt man auch vor mancher Dollmetschung dieser Art, und sucht das Original zu bekommen, um die Uebersetzung verstehen zu können.
A. d. H.

88.

Viel sicherer ist es auch, sich eher im Schreiben als Reden zu üben, weil man mehr Zeit hat, bei dem Schreiben bedächtig auszufeilen, und, wenn man zumal vorher über|c92|setzt, und das Uebersetzte eine Zeit lang weggelegt hat, die Wörter und Wendungen der fremden Sprache uns leichter beifallen. – Zwar ist die Uebung im Schreiben nicht bei jeder fremden Sprache nöthig, wenn wir sie nur verstehen lernen wollen. Aber nützlich kann sie doch immer seyn, theils um bei der Kritik besser beurtheilen zu können, ob ein Schriftsteller wohl so oder so könne geschrieben haben, wie man es in seinem Text findet, theils um das Eigenthümliche einer jeden Sprache und den Unterschied von der unsrigen besser einzusehen. *) – Findet man nöthig, auch eine Sprache sprechen zu lernen, so unternehme man es nur nicht eher, als bis man eine Fertigkeit hat, sie gut zu schreiben, weil man sich sonst zu leicht Nachlässigkeit im Ausdruck angewöhnt, und das, was unsrer Sprache eigen ist, in die fremde überträgt; wenigstens müßte man nur mit solchen sprechen, die eine genugsam feine Kenntniß der fremden Sprache besitzen, um unsre Fehler verbessern zu können. Je früher man zu sprechen anfängt, ohne durch das Lesen guter Schriftsteller genug gebildet zu seyn, je mehr werden uns die Fehler im Sprechen anhängen, und je schwerer werden sie sich ausrotten lassen.Viel sicherer ist es auch, sich eher im Schreiben als Reden zu üben, weil man mehr Zeit hat, bei dem Schreiben bedächtig auszufeilen, und, wenn man zumal vorher über|c92|setzt, und das Uebersetzte eine Zeit lang weggelegt hat, die Wörter und Wendungen der fremden Sprache uns leichter beifallen. – Zwar ist die Uebung im Schreiben nicht bei jeder fremden Sprache nöthig, wenn wir sie nur verstehen lernen wollen. Aber nützlich kann sie doch immer seyn, theils um bei der Kritik besser beurtheilen zu können, ob ein Schriftsteller wohl so oder so könne geschrieben haben, wie man es in seinem Text findet, theils um das Eigenthümliche einer jeden Sprache und den Unterschied von der unsrigen besser einzusehen. *) – Findet man nöthig, auch eine Sprache sprechen zu lernen, so unternehme man es nur nicht eher, als bis man eine Fertigkeit hat, sie gut zu schreiben, weil man sich sonst zu leicht Nachlässigkeit im Ausdruck angewöhnt, und das, was unsrer Sprache eigen ist, in die fremde überträgt; wenigstens müßte man nur mit solchen sprechen, die eine genugsam feine Kenntniß der fremden Sprache besitzen, um unsre Fehler verbessern zu können. Je früher man zu sprechen anfängt, ohne durch das Lesen guter Schriftsteller genug gebildet zu seyn, je mehr werden uns die Fehler im Sprechen anhängen, und je schwerer werden sie sich ausrotten lassen.
*) Caput rei est, quod minime facimus, quum plurimum scribere.
Cic.

89.

Bei allen diesen Uebungen versteht sich's, daß man immer vom Leichteren zum Schwereren fortgehen, sonach auch im Lesen, Uebersetzen, Schreiben und Reden anfänglich nur auf das Gewöhnlichere und auf die Reinigkeit der Sprache, nach und nach erst auf ihre Feinheit und Zierlichkeit, auf |c93| die verborgenere Güte des Ausdrucks, und auf die Schönheit, die sich durch das Ganze ergießt, Acht geben müsse. Sind in einer Sprache Schriften vorhanden, welche die besondere Feinheit einer Sprache entwickeln, oder feine Kritiken über das Schöne musterhafter Schriftsteller enthalten: so kann das fleißige Studieren solcher Schriften, noch mehr aber der musterhaften Schriften in einer Sprache selbst, und die sorgfältige Vergleichung solcher Stellen, wo diese oder andere die nämlichen Gedanken verschiedentlich ausdrücken, nebst dem Nachdenken, warum und worin eine Art des Ausdrucks die andere übertreffe, uns in Entdeckung des Feineren in einer Sprache sehr weit bringen.Bei allen diesen Uebungen versteht sich's, daß man immer vom Leichteren zum Schwereren fortgehen, sonach auch im Lesen, Uebersetzen, Schreiben und Reden anfänglich nur auf das Gewöhnlichere und auf die Reinigkeit der Sprache, nach und nach erst auf ihre Feinheit und Zierlichkeit, auf |c93| die verborgenere Güte des Ausdrucks, und auf die Schönheit, die sich durch das Ganze ergießt, Acht geben müsse. Sind in einer Sprache Schriften vorhanden, welche die besondere Feinheit einer Sprache entwickeln, oder feine Kritiken über das Schöne musterhafter Schriftsteller enthalten: so kann das fleißige Studieren solcher Schriften, noch mehr aber der musterhaften Schriften in einer Sprache selbst, und die sorgfältige Vergleichung solcher Stellen, wo diese oder andere die nämlichen Gedanken verschiedentlich ausdrücken, nebst dem Nachdenken, warum und worin eine Art des Ausdrucks die andere übertreffe, uns in Entdeckung des Feineren in einer Sprache sehr weit bringen.

90.

Und nun erst mag man sich an die Kritik im engsten Verstande wagen, wenn man den Beruf dazu hat. Diesen giebt nur ein feines Gefühl, eine weitumfassende genaue und geläufige Kenntniß der Sprache, und ein reicher Vorrath von historischen Kenntnissen, welche den Verfasser, oder seine Schrift, oder die darin vorkommenden Hindeutungen auf Geschichte, Verfassung und Umstände seiner Zeit und Nation und der erwähnten Personen und Sachen, betreffen. Hierzu muß aber nothwendig noch kommen: Bekanntschaft mit alten Handschriften, mit ihrer Schrift und den mannigfaltigen Ursachen der Verdorbenheit eines Textes, die darin sowohl, als in den Umständen und Absichten der Abscheiber oder Correctoren liegen; lange und fleißige Uebung, theils im Umgange mit guten Kritikern und Beobachtung ihrer Verfahrungsart, theils durch eigene Versuche bei einem solchen Schriftsteller oder |c94| Texte, wo Fehler und die Art sie zu verbessern, leicht aufzufinden sind, theils in Auffassung sicherer Regeln der Kritik, aus beiderlei eben erwähnter Uebung; endlich vertraute Bekanntschaft mit der Schrift, bei der man die Kritik üben will, und anhaltendes ins Feine gehendes Studium einer solchen Schrift und anderer eben desselben Verfassers, mit dem was ihnen eigenthümlich ist.Und nun erst mag man sich an die Kritik im engsten Verstande wagen, wenn man den Beruf dazu hat. Diesen giebt nur ein feines Gefühl, eine weitumfassende genaue und geläufige Kenntniß der Sprache, und ein reicher Vorrath von historischen Kenntnissen, welche den Verfasser, oder seine Schrift, oder die darin vorkommenden Hindeutungen auf Geschichte, Verfassung und Umstände seiner Zeit und Nation und der erwähnten Personen und Sachen, betreffen. Hierzu muß aber nothwendig noch kommen: Bekanntschaft mit alten Handschriften, mit ihrer Schrift und den mannigfaltigen Ursachen der Verdorbenheit eines Textes, die darin sowohl, als in den Umständen und Absichten der Abscheiber oder Correctoren liegen; lange und fleißige Uebung, theils im Umgange mit guten Kritikern und Beobachtung ihrer Verfahrungsart, theils durch eigene Versuche bei einem solchen Schriftsteller oder |c94| Texte, wo Fehler und die Art sie zu verbessern, leicht aufzufinden sind, theils in Auffassung sicherer Regeln der Kritik, aus beiderlei eben erwähnter Uebung; endlich vertraute Bekanntschaft mit der Schrift, bei der man die Kritik üben will, und anhaltendes ins Feine gehendes Studium einer solchen Schrift und anderer eben desselben Verfassers, mit dem was ihnen eigenthümlich ist.
Für den Anfänger sind solche Bücher, wie
  • Io. Clerici Ars critica, Edit. 4. Amst. 1712. in 3 Oktavbänden, im dritten Theil.
  • Christoph. Aug. Heumanni Parerga critica, Jenae 1712. 8.
  • Elémens de Critique, par l'Abbé Morel, à Paris 1766. gr. 12., und vorzüglich
  • Gasp. Scioppius de arte critica, Amst. 1662. 8.
noch immer sehr brauchbar. Wer weiter gehen will, muß solche Kritiker, die in ihren vorgeschlagenen Verbesserungen vorsichtig sind, und die in dem §. bemerkten Erfordernisse besitzen, als Nic. Heinsius, Joh. Friedr. Gronov, vorzüglich Bentley, Hemsterhuys, Valkenaar, Markland, Ruhnken, F. W. Reitz, F. A. Wolf u. dergl., nebst manchen Sammlungen kritischer Bemerkungen, als Gruter's Thesaur. criticus zum Theil, Toup Opuscula crit., die amsterdamsche Biblioth. crit. u. s. f., mit den Gründen, die sie für versuchte Aenderungen angegeben haben, und, wenn er es haben kann, alte Handschriften, neben diesen aber, oder wenn er dazu keine Gelegenheit hat, solche Werke studieren, die eine Sammlung verschiedener Schriftarten und Züge enthalten, als die
  • Palaeographia graeca, opera et studio Bern. de Montfaucon, Paris 1708. fol.
  • De re diplomatica libri VI., opera et studio Io. Mabillon, Edit. 2. Lut. Paris. 1709. fol., und noch mehr den
  • Nouveau traité de Diplomatique, par deux Religieux Benedictins (Charl. Franc. Toustain et René Prosp. |c95| Tassin), à Paris 1750–1765. in 6 Bänden in gr. 4. (übersetzt: Neues Lehrgebäude der Diplomatik, Frankfurt 1759–69. 9 Bände. gr. 4.)
  • Io. Christoph. Gattereri Elementa artis diplomaticae, Vol. prius, Gotting. 1765. 4. und andere ähnliche.

91.

Sprachen zu lernen ist nöthig, entweder weil wir sie bei unserm eigenen Denken und den Fortschritten darin nicht entbehren können, oder Anderen unsre Gedanken und Gesinnungen mitzutheilen, oder vermittelst der Sprachen uns die Kenntnisse und Anleitungen Anderer zu Nutz zu machen (§. 59 f.) Dieser dreifache Nutzen der Sprachen und der größere oder geringere Einfluß einer Sprache auf die Beförderung unserer Haupt- oder Nebenabsichten bei dem Beruf, dem wir uns widmen, muß uns stets leiten, wenn die Frage ist: welche Sprachen wir lernen, und auf welche wir uns vorzüglich legen müssen? – Hiernach, und vorausgesetzt, theils daß hier eigentlich auf die Bildung zu einem künftigen Lehrer der Religion und zu einem Gelehrten zu sehen sei, theils daß die christliche Religionskenntniß aus der richtig verstandenen heiligen Schrift geschöpft werden müsse, theils daß eine Sprache um so vorzüglicher zu treiben sei, je zu mehreren der drei erwähnten Absichten sie nöthig ist, würden die deutsche, die Lateinische, die griechische, die hebräische, und, um der letzteren willen, die mit ihr verwandten Mundarten – sonst aber die französische, englische, und allenfalls die – italiänische, bei dem, der sich der Theologie widmet, in Anschlag kommen müssen.Sprachen zu lernen ist nöthig, entweder weil wir sie bei unserm eigenen Denken und den Fortschritten darin nicht entbehren können, oder Anderen unsre Gedanken und Gesinnungen mitzutheilen, oder vermittelst der Sprachen uns die Kenntnisse und Anleitungen Anderer zu Nutz zu machen (§. 59 f.) Dieser dreifache Nutzen der Sprachen und der größere oder geringere Einfluß einer Sprache auf die Beförderung unserer Haupt- oder Nebenabsichten bei dem Beruf, dem wir uns widmen, muß uns stets leiten, wenn die Frage ist: welche Sprachen wir lernen, und auf welche wir uns vorzüglich legen müssen? – Hiernach, und vorausgesetzt, theils daß hier eigentlich auf die Bildung zu einem künftigen Lehrer der Religion und zu einem Gelehrten zu sehen sei, theils daß die christliche Religionskenntniß aus der richtig verstandenen heiligen Schrift geschöpft werden müsse, theils daß eine Sprache um so vorzüglicher zu treiben sei, je zu mehreren der drei erwähnten Absichten sie nöthig ist, würden die deutsche, die Lateinische, die griechische, die hebräische, und, um der letzteren willen, die mit ihr verwandten Mundarten – sonst aber die französische, englische, und allenfalls die – italiänische, bei dem, der sich der Theologie widmet, in Anschlag kommen müssen.
|c96| Die vier ersten – und zwar in der Ordnung, wie sie hier angegeben worden – sind ihm unentbehrlich; die anderen können, nach verschiedenen weiteren oder eingeschränkteren Umständen und Absichten, nöthig, sonst wenigstens doch unter den übrigen Sprachen die nützlichsten seyn.

92.

Der deutschen, so wie der Muttersprache überhaupt, sollte der vorzüglichste Fleiß gewidmet werden. Es ist schon unnatürlich, mit seiner Muttersprache, oder mit der, die unsern Umständen nach ihre Stelle vertritt, d. i. in der wir gemeiniglich denken, weniger bekannt zu seyn; und es ist Undank gegen die göttliche Vorsehung, die uns gerade mit der Nation, wozu wir gehören, in die nächste Verbindung gesetzt, und uns vornehmlich zu ihrem Besten zu arbeiten bestimmt hat. Hängt die Bildung unsrer Seele von der Sprache ab, so erfordert unstreitig die Sprache unsre meiste Aufmerksamkeit, in der wir gewöhnlich und am meisten denken, und die wir auch bei denen, mit welchen wir am häufigsten umgehen, oder welchen wir in der Religion weiter forthelfen müssen, am meisten brauchen. Sind wir in dieser Sprache, die für uns die unentbehrlichste ist, zurück: wer kann sich da des Verdachts erwehren, daß wir es in minder nothwendigen Kenntnissen noch mehr seyn werden? wenigstens, daß wir die Wahl zwischen dem Nöthigeren und Entbehrlicheren nicht zu treffen wissen?Der deutschen, so wie der Muttersprache überhaupt, sollte der vorzüglichste Fleiß gewidmet werden. Es ist schon unnatürlich, mit seiner Muttersprache, oder mit der, die unsern Umständen nach ihre Stelle vertritt, d. i. in der wir gemeiniglich denken, weniger bekannt zu seyn; und es ist Undank gegen die göttliche Vorsehung, die uns gerade mit der Nation, wozu wir gehören, in die nächste Verbindung gesetzt, und uns vornehmlich zu ihrem Besten zu arbeiten bestimmt hat. Hängt die Bildung unsrer Seele von der Sprache ab, so erfordert unstreitig die Sprache unsre meiste Aufmerksamkeit, in der wir gewöhnlich und am meisten denken, und die wir auch bei denen, mit welchen wir am häufigsten umgehen, oder welchen wir in der Religion weiter forthelfen müssen, am meisten brauchen. Sind wir in dieser Sprache, die für uns die unentbehrlichste ist, zurück: wer kann sich da des Verdachts erwehren, daß wir es in minder nothwendigen Kenntnissen noch mehr seyn werden? wenigstens, daß wir die Wahl zwischen dem Nöthigeren und Entbehrlicheren nicht zu treffen wissen?
Man kann sich von dieser vorzüglichen Nothwendigkeit auch noch mehr überzeugen, wenn man die deutsche Sprache gegen fremde überhaupt, und besonders gegen alte und ausgestorbene Sprachen hält.Man kann sich von dieser vorzüglichen Nothwendigkeit auch noch mehr überzeugen, wenn man die deutsche Sprache gegen fremde überhaupt, und besonders gegen alte und ausgestorbene Sprachen hält.
|c97| 1) Durch die Muttersprache erhalten wir unsere ersten Begriffe, welche dadurch, und durch den häufigen Gebrauch, sich nicht nur am geschwindesten in der Seele darstellen, und die Schnelligkeit im Denken befördern, sondern auch anschaulicher und lebendiger werden, als durch Worte in einer fremden Sprache, die erst, vermittelst der Wörter in der Muttersprache, Begriffe erregen können. Und immer können wir Aufklärung, und was davon abhängt, allgemeiner machen, wenn wir uns der Muttersprache bedienen, die allgemeiner verständlich ist. (Eberhard's Vorlesung über die Zeichen der Aufklärung einer Nation, Halle 1783. 8. S. 24 f.)|c97| 1) Durch die Muttersprache erhalten wir unsere ersten Begriffe, welche dadurch, und durch den häufigen Gebrauch, sich nicht nur am geschwindesten in der Seele darstellen, und die Schnelligkeit im Denken befördern, sondern auch anschaulicher und lebendiger werden, als durch Worte in einer fremden Sprache, die erst, vermittelst der Wörter in der Muttersprache, Begriffe erregen können. Und immer können wir Aufklärung, und was davon abhängt, allgemeiner machen, wenn wir uns der Muttersprache bedienen, die allgemeiner verständlich ist. (Eberhard's Vorlesung über die Zeichen der Aufklärung einer Nation, Halle 1783. 8. S. 24 f.)
2) In ausgestorbenen Sprachen (die lateinische ausgenommen, welche, als gelehrte Sprache betrachtet, noch lebt) denkt und spricht man fast gar nicht; es gehen ihnen also zwei große Vortheile ab, um derer Willen die Erlernung einer Sprache nöthig ist. Ueberdies ists überhaupt, oder doch ohne Weitschweifigkeit oder ohne Gefahr eine alte Sprache zu verstellen, unmöglich, die so häufigen neuen Begriffe darin auszudrucken. Und lebendige Sprachen, vorzüglich die deutsche, können vieles, sonderlich die Begriffe selbst, viel deutlicher darstellen, als es die alten, bei mehr dunkeln Begriffen, konnten. (Adelung's Magazin für die deutsche Sprache, erster Jahrgang, zweites Stück, S. 3 f.) Auch in sofern gewinnt unsre eigne und Andrer Kultur durch den auf unsre Muttersprache gewendeten Fleiß.2) In ausgestorbenen Sprachen (die lateinische ausgenommen, welche, als gelehrte Sprache betrachtet, noch lebt) denkt und spricht man fast gar nicht; es gehen ihnen also zwei große Vortheile ab, um derer Willen die Erlernung einer Sprache nöthig ist. Ueberdies ists überhaupt, oder doch ohne Weitschweifigkeit oder ohne Gefahr eine alte Sprache zu verstellen, unmöglich, die so häufigen neuen Begriffe darin auszudrucken. Und lebendige Sprachen, vorzüglich die deutsche, können vieles, sonderlich die Begriffe selbst, viel deutlicher darstellen, als es die alten, bei mehr dunkeln Begriffen, konnten. (Adelung's Magazin für die deutsche Sprache, erster Jahrgang, zweites Stück, S. 3 f.) Auch in sofern gewinnt unsre eigne und Andrer Kultur durch den auf unsre Muttersprache gewendeten Fleiß.

93.

Es ist auch nicht genug, daß wir unsre Muttersprache durch Uebung nothdürftig lernen: sie verdient selbst studiert zu werden. Schon deswegen, weil sie, wie oben gezeigt worden ist, einen so großen Einfluß, selbst durch Kleinigkeiten, auf unsre Erkenntniß und Gesinnung, auf |c98| unsern Vortrag und auf die Benutzung Anderer hat. Und was man bloß durch Uebung lernt, das lernt man auch mit seinen Fehlern, und gewöhnt sich eine Nachlässigkeit an, die um so schwerer abgelegt, selbst um so weniger nur bemerkt werden kann, je mehr sie durch den steten Gebrauch zur andern Natur geworden ist.Es ist auch nicht genug, daß wir unsre Muttersprache durch Uebung nothdürftig lernen: sie verdient selbst studiert zu werden. Schon deswegen, weil sie, wie oben gezeigt worden ist, einen so großen Einfluß, selbst durch Kleinigkeiten, auf unsre Erkenntniß und Gesinnung, auf |c98| unsern Vortrag und auf die Benutzung Anderer hat. Und was man bloß durch Uebung lernt, das lernt man auch mit seinen Fehlern, und gewöhnt sich eine Nachlässigkeit an, die um so schwerer abgelegt, selbst um so weniger nur bemerkt werden kann, je mehr sie durch den steten Gebrauch zur andern Natur geworden ist.
Die Einwendungen gegen dieses Studium der Muttersprache in der Allgemeinen Revision S. 30 f. gründen sich auf die Absonderung des Sprachbaues von dem Sprachgebrauch, oder, wie es da heißt, der Wörter und der Worte. Auch ist hier nicht die Rede von dem, was man zu Begriffen nothdürftig braucht, sondern was zur höhern Bildung des Geistes dient.

94.

Dieses Studieren der deutschen Sprache hat sich vornehmlich auf die Mundart zu erstrecken, die gewöhnlich in Schriften, im gesittetern Umgange und im Vortrage gebraucht wird, d. i. auf das Hochdeutsche. Dabei muß man sich 1) befleißigen, gut aussprechen zu lernen, d. i., nicht nur verständlich und richtig, sondern auch genau den Sachen und ihrem Ausdruck gemäß; 2) einer richtigen Rechtschreibung zu folgen. Da das Hochdeutsche die jetzige allgemein angenommene deutsche Schriftsprache ist, so giebt der feinere Sprachgebrauch in den Gegenden, wo man Hochdeutsch spricht, billig die Regel im richtigen Sprechen und Schreiben.
  • Pütter's Bemerkungen über die Richtigkeit der deutschen Sprache, Göttingen 1780. 8. und
  • J. C. Adelung's Magazin für die deutsche Sprache. Jahrgang 1. St. 1. S. 59 f. St. 3. S. 3 f., noch mehr aber |c99| in dessen vollständiger Anweisung zur deutschen Orthographie, nebst einem kleinen Wörterbuche für die Aussprache etc. Leipzig 1788. 8., zweite verbesserte Auflage, ebendaselbst 1790. 8.
Hierher gehört auch die richtige Abtheilung der Rede, die sich stets nach dem Verstande des Gesagten oder Geschriebenen richten muß. S. die Lehre von der Interpunction, von Joh. Friedr. Heynatz, verbesserte Ausgabe, Berlin 1782. 8.

95.

Man muß sich 3) rein ausdrücken, d. i. so deutsch und frei von ausländischen oder nur einer besondern Mundart eigenen Wörtern, Redensarten oder ihren Verbindungen, als es immer die Deutlichkeit und die Nothwendigkeit leidet, das, was man sagen will, vollständig und genau darzustellen lernen; auch in Wörtern und Redensarten, ihren Bedeutungen, Beugungen und Verbindungen, dem gemäß reden, was der Sprachgebrauch der kultivirten Stände in den, auch in Absicht auf deutsche Sprache, ausgebildetsten Provinzen mit sich bringt.Man muß sich 3) rein ausdrücken, d. i. so deutsch und frei von ausländischen oder nur einer besondern Mundart eigenen Wörtern, Redensarten oder ihren Verbindungen, als es immer die Deutlichkeit und die Nothwendigkeit leidet, das, was man sagen will, vollständig und genau darzustellen lernen; auch in Wörtern und Redensarten, ihren Bedeutungen, Beugungen und Verbindungen, dem gemäß reden, was der Sprachgebrauch der kultivirten Stände in den, auch in Absicht auf deutsche Sprache, ausgebildetsten Provinzen mit sich bringt.
Adelung's Magazin für die deutsche Sprache. Jahrgang 1. St. 1. Aufsatz 1. und 2., vergl. mit Stück 2. Aufsatz 7. und Stück 4. Aufsatz 4. 5. und 7., betreffend die Gegenden, deren Sprachgebrauch billig die Regel für die Reinigkeit des Ausdrucks angiebt; und von dem Vorzug des Sprachgebrauchs vor bloßer Analogie und Regeln, ebendaselbst Stück 2. Aufsatz 6.

96.

Hierzu sind gute Sprachlehren, Wörterbücher und feinere Beobachtungen über deutsche Sprache von großem Nu|c100|tzen; – schon deswegen, weil es nirgends nöthiger ist, erinnert und auf unerkannte Fehler aufmerksam gemacht zu werden, als in einer bloß durch Uebung erlernten Sprache, wo man so unvermerkt Fehler annimmt und beibehält, zumal wenn sie Ansehen für sich haben, und durch Provinzial-Eigensinn verstärkt werden. Noch mehr aber, weil dazu, sonderlich wenn man mehr als rein, wenn man auch gut, im ganzen Umfang des Wortes, sich ausdrücken will, nicht nur viel feine Empfindung desjenigen, was schicklich und gut überhaupt ist, sondern auch Bekanntschaft mit dem erfordert wird, was dergleichen nach den conventionellen Begriffen der Nation und derjenigen Provinz ist, deren Ausdruck in die Schriftsprache übergegangen ist. Selbst dazu ist genaue Bekanntschaft mit klassischen Schriftstellern der Nation, oder vielmehr kritisches Studium ihrer Schriften, Kenntniß der Abkunft der Wörter und Redensarten, und der Geschichte des Sprachgebrauchs, vornehmlich des veredelten, und Philosophie über Sprache überhaupt, wie besonders über das Eigene der deutschen Sprache, nöthig. Oder wäre das nicht mit Dank anzunehmen, was hierin von Männern, die dieses in ihrer Gewalt hatten, wenigstens theilweise, geleistet worden ist?Hierzu sind gute Sprachlehren, Wörterbücher und feinere Beobachtungen über deutsche Sprache von großem Nu|c100|tzen; – schon deswegen, weil es nirgends nöthiger ist, erinnert und auf unerkannte Fehler aufmerksam gemacht zu werden, als in einer bloß durch Uebung erlernten Sprache, wo man so unvermerkt Fehler annimmt und beibehält, zumal wenn sie Ansehen für sich haben, und durch Provinzial-Eigensinn verstärkt werden. Noch mehr aber, weil dazu, sonderlich wenn man mehr als rein, wenn man auch gut, im ganzen Umfang des Wortes, sich ausdrücken will, nicht nur viel feine Empfindung desjenigen, was schicklich und gut überhaupt ist, sondern auch Bekanntschaft mit dem erfordert wird, was dergleichen nach den conventionellen Begriffen der Nation und derjenigen Provinz ist, deren Ausdruck in die Schriftsprache übergegangen ist. Selbst dazu ist genaue Bekanntschaft mit klassischen Schriftstellern der Nation, oder vielmehr kritisches Studium ihrer Schriften, Kenntniß der Abkunft der Wörter und Redensarten, und der Geschichte des Sprachgebrauchs, vornehmlich des veredelten, und Philosophie über Sprache überhaupt, wie besonders über das Eigene der deutschen Sprache, nöthig. Oder wäre das nicht mit Dank anzunehmen, was hierin von Männern, die dieses in ihrer Gewalt hatten, wenigstens theilweise, geleistet worden ist?

97.

Wie fern man sich jemandes Leitung hierin anvertrauen könne, dieß muß die Prüfung lehren, ob und in welchem Maaß er die erwähnten Eigenschaften besitze. Denn, weil es Vielen, die sich dieses Verdienst zu erwerben gesucht haben, mehr oder weniger an dieser oder jener Eigenschaft fehlt, ihre Grundsätze oft sehr verschieden sind, Manche zu früh und zu allgemein entschieden, Andere zu viel bloß vorge|c101|schlagen, und zu wenig nach Gründen festgesetzt haben, auch bei Vielen der Hang zum Sonderbaren viel Gutes verdorben oder unverständlich gemacht hat; so ist vorsichtige Auswahl sehr nöthig.Wie fern man sich jemandes Leitung hierin anvertrauen könne, dieß muß die Prüfung lehren, ob und in welchem Maaß er die erwähnten Eigenschaften besitze. Denn, weil es Vielen, die sich dieses Verdienst zu erwerben gesucht haben, mehr oder weniger an dieser oder jener Eigenschaft fehlt, ihre Grundsätze oft sehr verschieden sind, Manche zu früh und zu allgemein entschieden, Andere zu viel bloß vorge|c101|schlagen, und zu wenig nach Gründen festgesetzt haben, auch bei Vielen der Hang zum Sonderbaren viel Gutes verdorben oder unverständlich gemacht hat; so ist vorsichtige Auswahl sehr nöthig.

98.

Unter den bisherigen Versuchen einer deutschen Sprachlehre behaupten die dahin gehörigen Adelungschen Schriften, in Hinsicht auf alle §. 96. erwähnte Eigenschaften den vornehmsten Rang, und sind daher auch von sehr vielen Schriftstellern und Sprachforschern als Auctoritäten angenommen.
  • Adelung's deutsche Sprachlehre. 5te Auflage. 1806. 8.
  • Auszug aus der deutschen Sprachlehre für Schüler, ebendas. 3te Auflage. 1800. 8. und
  • Umständliches Lehrgebäude der deutschen Sprache etc. Leipzig 1781. und 1782., in 2 Bänden in gr. 8., so wie dessen noch weiter reichendes Werk über den deutschen Styl, Berlin 1785. und 1786., in drei Theilen, 8. und bei einer dritten vermehrten Auflage, Berlin 1789., in 2 Oktavbänden.
{Daß gleichwohl Adelung bei seinem großen Verdienst um die Sprache, so wie früherhin der von dieser Seite nicht zu vergessende Gottsched, auch oft vorsätzlich nur einem gewissen Dialect den Vorzug gab, und namentlich gegen den oberdeutschen, so wie gegen die Bereicherung der Sprache durch so viele klassische Prosaisten und Dichter, ungerecht war, ist itzt wohl eben so allgemein anerkannt. {Daß gleichwohl Adelung bei seinem großen Verdienst um die Sprache, so wie früherhin der von dieser Seite nicht zu vergessende Gottsched, auch oft vorsätzlich nur einem gewissen Dialect den Vorzug gab, und namentlich gegen den oberdeutschen, so wie gegen die Bereicherung der Sprache durch so viele klassische Prosaisten und Dichter, ungerecht war, ist itzt wohl eben so allgemein anerkannt.
Daher sind mit Adelung noch zu verbinden:
  • Th. Heinsius deutsches, oder vollständiges Lehrbuch des gesammten deutschen Sprachunterrichts, 1ster bis 4ter Theil. Berlin 1807. Nicht minder die verdienstvollen grammatischen Arbeiten von Heynatz, Stutz, Pölitz u. a.}
Daher sind mit Adelung noch zu verbinden:
  • Th. Heinsius deutsches, oder vollständiges Lehrbuch des gesammten deutschen Sprachunterrichts, 1ster bis 4ter Theil. Berlin 1807. Nicht minder die verdienstvollen grammatischen Arbeiten von Heynatz, Stutz, Pölitz u. a.}

|c102| 99.

Auch Wörterbücher sind dem, der die Muttersprache gründlich lernen will, unentbehrlich. Er wird sehr oft bei der Lektüre und beim Schreiben ihren Rath und ihre Bemerkungen über Etymologie und Sprachgebrauch suchen müssen. Auch hieran ist unsere Literatur nicht arm.
  • Johann Leonhard Frisch deutsch-lateinisches Wörterbuch, Berlin 1741. gr. 4. Ein allgemeineres, doch mehr zur Geschichte der Sprache dienliches Werk.
  • Versuch eines grammatisch-kritischen Wörterbuchs der hochdeutschen Mundart, von Joh. Christoph Adelung, Leipzig 1793–1805., in 4 Theilen, neue Auflage. gr. 4.
  • Auszug daraus, 4 Theile, Leipzig 1793–1802.
  • E. H. Campe Wörterbuch der deutschen Sprache, 5 Theile, Braunschweig 1807–1810.
  • Voigtel Handwörterbuch, 3 Theile, Halle 1793–95.

100.

Unter der ziemlichen Menge solcher Bücher, die Beobachtungen über die deutsche Sprache und über einzelne Theile derselben enthalten, und besonders die Gleichsinnigkeit der Wörter erörtern, zeichnen sich ebenfalls einige durch innern Werth aus, und geben dem philosophischen Forscher eben so vielen Stoff, als dem, welcher die Sprache richtig sprechen zu lernen strebt.
  • S. J. E. Stosch Versuch in richtiger Bestimmung einiger gleichbedeutenden Wörter der deutschen Sprache, 4 Theile, Frankfurt an der Oder 1779–1785.
  • Ebendesselben kleine Beiträge zur nähern Kenntniß der deutschen Sprache, Berlin 1778–1782. in 3 Stücken. 8.
  • J. A. Eberhard's Versuch einer allgemeinen Synonymik, 6 Theile, Halle 1795–1800., und der Auszug:
  • Synonymisches Handwörterbuch, Halle 1806.
  • |c103| Magazin für die deutsche Sprache, von J. C. Adelung, in zwei Bänden, jeder von 4 Stücken, Leipzig 1782–1785. 8.
Mehrere, auch in Absicht auf die Abkunft der Wörter und die Geschichte dieser Sprache, hier anzuführen, ist der Absicht nicht gemäß, und um so weniger nöthig, da sie in den angeführten Werken meistens benutzt worden sind. Das erwähnte Adelungsche Magazin und J. C. C. Rüdiger's neuester Zuwachs der deutschen und allgemeinen Sprachkunde, Leipzig 1782–1785., bis jetzt in 4 Stücken geben, zumal von den neuesten, nähere Nachricht.

101.

Außer dem reinen Ausdruck müßte man sich auch 4) gut ausdrucken lernen, d. i., mit unterhaltender Klarheit, die sich von unverständlicher Kürze und ermüdender oder doch entbehrlicher Weitläufigkeit gleich weit entfernt hielte; in einer natürlichen, und dem Eindruck, den man machen will, angemessensten Ordnung; mit möglichster Bestimmtheit, die eben so sehr der ganzen Fülle der Gedanken entspräche, als die Gelegenheit zum Mißverstande abschnitte; in steter Hinsicht auf das, was schicklich, und sowohl der Sache, über die man sich ausdrückt, als dem Zweck, worauf man arbeitet, angemessen ist; und, so weit es diese Sache und dieser Zweck erlaubt, so einleuchtend für den Verstand, so gefällig für den Geschmack, und so eindrücklich für das Herz als es unserer gebildeten Denkungsart natürlich ist.Außer dem reinen Ausdruck müßte man sich auch 4) gut ausdrucken lernen, d. i., mit unterhaltender Klarheit, die sich von unverständlicher Kürze und ermüdender oder doch entbehrlicher Weitläufigkeit gleich weit entfernt hielte; in einer natürlichen, und dem Eindruck, den man machen will, angemessensten Ordnung; mit möglichster Bestimmtheit, die eben so sehr der ganzen Fülle der Gedanken entspräche, als die Gelegenheit zum Mißverstande abschnitte; in steter Hinsicht auf das, was schicklich, und sowohl der Sache, über die man sich ausdrückt, als dem Zweck, worauf man arbeitet, angemessen ist; und, so weit es diese Sache und dieser Zweck erlaubt, so einleuchtend für den Verstand, so gefällig für den Geschmack, und so eindrücklich für das Herz als es unserer gebildeten Denkungsart natürlich ist.

102.

Sehr viel und das Meiste trägt hiezu der Umgang, mit solchen Personen, und das Lesen, oder vielmehr das, auch in Absicht auf Ausdruck, sorgfältige Studieren solcher deutschen Schriftsteller bei, welche die vorhin (§. 94 101. ) |c104| erwähnten Tugenden in Absicht auf guten deutschen Ausdruck vorzüglich in ihrer Gewalt haben. Denn eben durch sie lernt man die ausgebildetste Mundart; sie läutern die Sprache, heben das Bewährteste aus, und bringen es am meisten in Umlauf; sie theilen auch der Sprache etwas von ihrem Genie, wäre es auch nur durch neue Wendungen, mit, das, wenn es auch nicht üblich wäre, doch werth seyn kann, üblich zu werden, und es durch ihr Ansehen auch wird; sie bilden also insofern die Sprache allerdings aus . Nur haben sie kein Recht, es willkührlich zu thun, und, um ihnen nicht blindlings oder übereilt zu folgen, ist wohl zu untersuchen, ob die, welche Neuerungen wagen, genugsame Sprachkenntniß und geläuterten Geschmack haben; ob ihre Versuche den Regeln der Analogie der guten deutschen Sprache gemäß sind; ob sie nicht, besonders aus Nachahmung der Ausländer, den Geist der deutschen Sprache umschaffen, und ihr Kraft, Deutlichkeit und Bestimmtheit entziehen; ob sie gute Neuerungen am rechten Ort angebracht, und z. B. nicht Prosa und Poesie, komische und ernsthafte Schreibart, verwechselt haben. Eben diesen Unterschied müßte man bei der Nachahmung wohl vor Augen behalten.Sehr viel und das Meiste trägt hiezu der Umgang, mit solchen Personen, und das Lesen, oder vielmehr das, auch in Absicht auf Ausdruck, sorgfältige Studieren solcher deutschen Schriftsteller bei, welche die vorhin (§. 94 101. ) |c104| erwähnten Tugenden in Absicht auf guten deutschen Ausdruck vorzüglich in ihrer Gewalt haben. Denn eben durch sie lernt man die ausgebildetste Mundart; sie läutern die Sprache, heben das Bewährteste aus, und bringen es am meisten in Umlauf; sie theilen auch der Sprache etwas von ihrem Genie, wäre es auch nur durch neue Wendungen, mit, das, wenn es auch nicht üblich wäre, doch werth seyn kann, üblich zu werden, und es durch ihr Ansehen auch wird; sie bilden also insofern die Sprache allerdings aus . Nur haben sie kein Recht, es willkührlich zu thun, und, um ihnen nicht blindlings oder übereilt zu folgen, ist wohl zu untersuchen, ob die, welche Neuerungen wagen, genugsame Sprachkenntniß und geläuterten Geschmack haben; ob ihre Versuche den Regeln der Analogie der guten deutschen Sprache gemäß sind; ob sie nicht, besonders aus Nachahmung der Ausländer, den Geist der deutschen Sprache umschaffen, und ihr Kraft, Deutlichkeit und Bestimmtheit entziehen; ob sie gute Neuerungen am rechten Ort angebracht, und z. B. nicht Prosa und Poesie, komische und ernsthafte Schreibart, verwechselt haben. Eben diesen Unterschied müßte man bei der Nachahmung wohl vor Augen behalten.

103.

Daß man sich auch, um des guten Ausdrucks in seiner Muttersprache mächtig zu werden, in schriftlichen Aufsätzen üben, dabei auf alles bisher Gesagte mit sorgfältigem Fleiß, selbst in Kleinigkeiten, sehen, ja nicht eher an das Schönschreiben denken müsse, ehe man nicht Reinigkeit und die übrigen wesentlichen Tugenden einer guten Schreibart in seiner Gewalt hat; daß man eben so sorgfältig sich im |c105| Sprechen den guten Ausdruck angewöhnen; sich von Kennern und strengen Beobachtern des guten deutschen Ausdrucks beurtheilen, zurechtweisen lassen, und ihnen mehr als dem Kitzel eines aufwallenden Genies, regellosen Beispielen, oder der bloßen Mode, folgen müsse: – dies sollte kaum einer Erinnerung bedürfen.Daß man sich auch, um des guten Ausdrucks in seiner Muttersprache mächtig zu werden, in schriftlichen Aufsätzen üben, dabei auf alles bisher Gesagte mit sorgfältigem Fleiß, selbst in Kleinigkeiten, sehen, ja nicht eher an das Schönschreiben denken müsse, ehe man nicht Reinigkeit und die übrigen wesentlichen Tugenden einer guten Schreibart in seiner Gewalt hat; daß man eben so sorgfältig sich im |c105| Sprechen den guten Ausdruck angewöhnen; sich von Kennern und strengen Beobachtern des guten deutschen Ausdrucks beurtheilen, zurechtweisen lassen, und ihnen mehr als dem Kitzel eines aufwallenden Genies, regellosen Beispielen, oder der bloßen Mode, folgen müsse: – dies sollte kaum einer Erinnerung bedürfen.
  • {Heynatz Handbuch zur richtigen Verfertigung und Beurtheilung aller Arten von schriftlichen Aufsätzen. 6te Auflage, Berlin 1800.}

104.

Unter den übrigen lebenden Sprachen ist die französische, englische, und allenfalls die italiänische, dem, der sich der Theologie widmet, am nützlichsten. Denn diese Nationen sind unstreitig, neben der deutschen, auch in Absicht auf Sprache, am meisten gebildet; ihre Sprache ist die Sprache der feineren Welt geworden, und bekommt dadurch selbst den meisten, guten und nachtheiligen Einfluß auf feinere deutsche Sprache und Sitten; die französische insbesondere hat sich auch in Deutschland unter allen, die gebildet heißen wollen, so sehr ausgebreitet, daß es fast Schande ist, es wenigstens nicht zu verstehen; auch sind diese Sprachen, vor andern ausländischen, die, in welchen die besten Schriften, zur Theologie selbst, vorhanden sind. Daß nur weder der deutsche Geist, noch das Gute der deutschen Sprache, darunter leide!Unter den übrigen lebenden Sprachen ist die französische, englische, und allenfalls die italiänische, dem, der sich der Theologie widmet, am nützlichsten. Denn diese Nationen sind unstreitig, neben der deutschen, auch in Absicht auf Sprache, am meisten gebildet; ihre Sprache ist die Sprache der feineren Welt geworden, und bekommt dadurch selbst den meisten, guten und nachtheiligen Einfluß auf feinere deutsche Sprache und Sitten; die französische insbesondere hat sich auch in Deutschland unter allen, die gebildet heißen wollen, so sehr ausgebreitet, daß es fast Schande ist, es wenigstens nicht zu verstehen; auch sind diese Sprachen, vor andern ausländischen, die, in welchen die besten Schriften, zur Theologie selbst, vorhanden sind. Daß nur weder der deutsche Geist, noch das Gute der deutschen Sprache, darunter leide!
Die vornehmsten Hülfsmittel, namentlich Sprachlehren und Wörterbücher, sehe man in Niemeyer's Grundsätzen der Erziehung und des Unterrichts, 2ter Theil, S. 516, nach der 6ten Ausgabe.

|c106| 105.

Man kann gewissermaßen zu den lebenden Sprachen noch die lateinische rechnen, weil doch noch lateinisch gesprochen und geschrieben wird, und so fern ist es um vieles nothwendiger, sie, als andere alte und ausgestorbene Sprachen, zu verstehen. Unter diesen behaupten die griechische, und die nach ihr gebildete lateinische, große Vorzüge, welche verursacht haben, daß man beiden, und allen aus Lesung der alten Schriften in beiden Sprachen geschöpften Kenntnissen, vorzüglich den Namen der (alter) Literatur und Humanität gegeben hat.Man kann gewissermaßen zu den lebenden Sprachen noch die lateinische rechnen, weil doch noch lateinisch gesprochen und geschrieben wird, und so fern ist es um vieles nothwendiger, sie, als andere alte und ausgestorbene Sprachen, zu verstehen. Unter diesen behaupten die griechische, und die nach ihr gebildete lateinische, große Vorzüge, welche verursacht haben, daß man beiden, und allen aus Lesung der alten Schriften in beiden Sprachen geschöpften Kenntnissen, vorzüglich den Namen der (alter) Literatur und Humanität gegeben hat.
Humanität hat zwar bei den alten römischen Schriftstellern einen viel weiteren Umfang, und begreift alle Arten von Wissenschaften, die zur Bildung des Menschen dienen. S. die Stelle in Gellii noct. Att. XIII, 15. und I. A. Ernesti prolus. de finibus humaniorum studiorum regendis, Lips. 1738. 4. Weil aber ihre Kenntniß bei den Römern aus und durch die Lesung guter griechischer und römischer Schriftsteller eigentlich erlangt, auch in neuern Zeiten eben dadurch die gesammte Gelehrsamkeit wieder hergestellt und in Gang gebracht wurde; so ist dadurch der enge Begriff entstanden, in welchem man jetzt Humanität und Humaniora (studia) nimmt.
Man sehe Wolf's Alterthumswissenschaft in dessen Musäum, 1ster Theil.

106.

Freilich wird derjenige schwerlich diesen Namen gerecht finden, der in der Einbildung steht, daß sie höchstens eine Beschäftigung künftiger Schullehrer seyn müsse, und, seit der neuesten versuchten Reformation der Schulen, selbst diesen ziemlich entbehrlich sei; daß ihre Kenntniß allenfalls dem Gelehrten zur Zierde gereiche; daß man, weil grie|c107|chische und römische Werke einmüthig für die besten Quellen des guten Geschmacks gehalten werden, Schande halber mit ihnen nicht ganz unbekannt seyn dürfe; daß wir Alles jetzt weit besser wüßten, als es die Alten vermochten. Wer so denkt, den wird man so wenig von den Vorzügen dieser alten Literatur überzeugen können, als von dem Werth der Gelehrsamkeit und der Bildung des Geistes den, dessen erste Frage immer ist: ob eine Sache etwas, und ob sie vieles einbringe? Wer sie aber auf die Art studiert, die oben (§. 76 85. ) angegeben wurde, der wird bald gewahr werden, daß sie die hohe Achtung, wonach man sie besonders in Schulen zur Bildung künftiger Gelehrten gebraucht, mit großem Recht verdiene.Freilich wird derjenige schwerlich diesen Namen gerecht finden, der in der Einbildung steht, daß sie höchstens eine Beschäftigung künftiger Schullehrer seyn müsse, und, seit der neuesten versuchten Reformation der Schulen, selbst diesen ziemlich entbehrlich sei; daß ihre Kenntniß allenfalls dem Gelehrten zur Zierde gereiche; daß man, weil grie|c107|chische und römische Werke einmüthig für die besten Quellen des guten Geschmacks gehalten werden, Schande halber mit ihnen nicht ganz unbekannt seyn dürfe; daß wir Alles jetzt weit besser wüßten, als es die Alten vermochten. Wer so denkt, den wird man so wenig von den Vorzügen dieser alten Literatur überzeugen können, als von dem Werth der Gelehrsamkeit und der Bildung des Geistes den, dessen erste Frage immer ist: ob eine Sache etwas, und ob sie vieles einbringe? Wer sie aber auf die Art studiert, die oben (§. 76 85. ) angegeben wurde, der wird bald gewahr werden, daß sie die hohe Achtung, wonach man sie besonders in Schulen zur Bildung künftiger Gelehrten gebraucht, mit großem Recht verdiene.

107.

Denn – nicht zu gedenken, daß der künftige Gelehrte, sie, zumal die lateinische Sprache, nach der jetzigen Verfassung der Gelehrsamkeit, nicht entbehren kann; und daß durch Unkunde dieser Sprachen ein großer Schatz von Begriffen, der in unsre Wissenschaften durch die aus beiden Sprachen entlehnten Kunstwörter übergegangen ist, verloren geht, oder doch unbrauchbarer wird; so ist schon die Kenntniß dieser Sprachen, als Sprachen betrachtet, ein ungemein großer Gewinn (§. 64. Anm. 1. und 2.), wenn man das voraussetzt, was oben (§. 59 f.) von dem großen Einfluß der Sprachen auf die Bildung der Seele gesagt worden ist, und dazu nimmt, daß beide hier in Untersuchung kommende Sprachen unter die vorzüglich ausgebildeten gehören. Daher ist der Wahn, als wenn man griechische und lateinische Schriftsteller vornehmlich, oder nur, um der Sachen willen |c108| lesen müsse, und dazu eine nothdürftige Kenntniß dieser Sprachen zureichend sei, ein sicherer Beweis, daß man entweder jenen Einfluß oder die Natur beider Sprachen nicht genugsam kenne.Denn – nicht zu gedenken, daß der künftige Gelehrte, sie, zumal die lateinische Sprache, nach der jetzigen Verfassung der Gelehrsamkeit, nicht entbehren kann; und daß durch Unkunde dieser Sprachen ein großer Schatz von Begriffen, der in unsre Wissenschaften durch die aus beiden Sprachen entlehnten Kunstwörter übergegangen ist, verloren geht, oder doch unbrauchbarer wird; so ist schon die Kenntniß dieser Sprachen, als Sprachen betrachtet, ein ungemein großer Gewinn (§. 64. Anm. 1. und 2.), wenn man das voraussetzt, was oben (§. 59 f.) von dem großen Einfluß der Sprachen auf die Bildung der Seele gesagt worden ist, und dazu nimmt, daß beide hier in Untersuchung kommende Sprachen unter die vorzüglich ausgebildeten gehören. Daher ist der Wahn, als wenn man griechische und lateinische Schriftsteller vornehmlich, oder nur, um der Sachen willen |c108| lesen müsse, und dazu eine nothdürftige Kenntniß dieser Sprachen zureichend sei, ein sicherer Beweis, daß man entweder jenen Einfluß oder die Natur beider Sprachen nicht genugsam kenne.

108.

Dieser große Vortheil wird bei weitem nicht durch Uebersetzungen der alten klassischen Schriftsteller erhalten. Mögen sie immerhin gut genug für die seyn, die der alten Sprachen selbst unkundig, doch den Inhalt alter Schriften oder die in ihnen vorgetragenen Sachen lernen und benutzen wollen; immerhin dazu helfen, einen alten Schriftsteller etwas verstehen zu lernen, und, wenn sie sehr gut sind, uns auf manche unerkannte Schönheit des Originals aufmerksamer zu machen; mögen sie selbst unsere Sprache aus den alten bereichern helfen: so machen sie uns doch das alte Original selbst durchaus nicht entbehrlich. Denn außer dem, daß es überaus wenige Uebersetzungen giebt, die recht eigentlich genau und mit solchem Fleiß ausgefeilt wären, daß sie das Original wirklich nachgezeichnet darstellten, und, in Absicht auf den Ausdruck wenigstens, vielleicht gar keine, die man für das Original nehmen könnte; so kann man nicht einmal den Inhalt selbst ganz ohne eigene feinere Kenntniß der Sprache des Originals verstehen. Denn selbst der Inhalt ist so voll Anspielungen auf Meinungen, Sitten und Verfassungen, setzt wenigstens so viele Kenntnisse dieser Dinge voraus, ohne die man sich in die Denkart und Lage des Schriftstellers nicht hineindenken kann, daß es unmöglich ist, ihn recht zu verstehen, ohne unsere eigene Vorstellungen ihm unterzuschieben. Und wenn |c109| auch einigen dieser Schwierigkeiten durch Anmerkungen kann abgeholfen werden, so haben sich doch die Ausdrücke eines alten Schriftstellers so sehr nach der besondern Beschaffenheit seiner Nation und Zeit, und selbst nach seinen individuellen Geistes- und äußerlichen Umständen gebildet: und dieses alles ist so in seine Sprache übergegangen, daß sie schlechterdings nur in dieser Sprache können ausgedruckt und empfunden werden. – Ueberhaupt bleibt das Eigenthümliche dieser Schriftsteller, zumal im Ausdruck, immer unübersetzbar; bei alten Schriftstellern, die auf den Ausdruck Fleiß gewendet haben, z. B. bei den Briefen des Cicero, kann man sich leicht durch Proben überzeugen. Ist die Uebersetzung eines solchen Schriftstellers auch im Ausdruck, auch in den Wendungen recht genau, so ist sie gewiß jedem, der einigen Geschmack hat, wegen des Undeutschen und der so ganz fremden Gestalt, unerträglich. Läßt sie sich aber wie ein deutsches Original lesen, oder folgt man der ungereimten Regel, die Alten so reden zu lassen, wie sie geschrieben haben würden, wenn sie Deutsche gewesen wären; so müssen nothwendig gerade die eigenthümlichen Züge des Originals vermischt seyn. *) An Beibehaltung des Reitzes, der sich durch das Ganze ergießt, der vielsagenden Kürze, des harmonischen Baues der Rede, des Numerus, der besondern Uebergänge von Einem aufs Andere, die oft nur in der Sprache liegen u. dergl., welches alles so sehr gefällt und unsere Seele zum Gefühl einer gewissen Schönheit stimmt, die sich in unserer Sprache nicht gerade eben so ausdrücken läßt, aber doch die Seele zu ähnlichen Ergießungen gewöhnt, ist wenigstens bei den meisten Uebersetzungen gar nicht zu gedenken.Dieser große Vortheil wird bei weitem nicht durch Uebersetzungen der alten klassischen Schriftsteller erhalten. Mögen sie immerhin gut genug für die seyn, die der alten Sprachen selbst unkundig, doch den Inhalt alter Schriften oder die in ihnen vorgetragenen Sachen lernen und benutzen wollen; immerhin dazu helfen, einen alten Schriftsteller etwas verstehen zu lernen, und, wenn sie sehr gut sind, uns auf manche unerkannte Schönheit des Originals aufmerksamer zu machen; mögen sie selbst unsere Sprache aus den alten bereichern helfen: so machen sie uns doch das alte Original selbst durchaus nicht entbehrlich. Denn außer dem, daß es überaus wenige Uebersetzungen giebt, die recht eigentlich genau und mit solchem Fleiß ausgefeilt wären, daß sie das Original wirklich nachgezeichnet darstellten, und, in Absicht auf den Ausdruck wenigstens, vielleicht gar keine, die man für das Original nehmen könnte; so kann man nicht einmal den Inhalt selbst ganz ohne eigene feinere Kenntniß der Sprache des Originals verstehen. Denn selbst der Inhalt ist so voll Anspielungen auf Meinungen, Sitten und Verfassungen, setzt wenigstens so viele Kenntnisse dieser Dinge voraus, ohne die man sich in die Denkart und Lage des Schriftstellers nicht hineindenken kann, daß es unmöglich ist, ihn recht zu verstehen, ohne unsere eigene Vorstellungen ihm unterzuschieben. Und wenn |c109| auch einigen dieser Schwierigkeiten durch Anmerkungen kann abgeholfen werden, so haben sich doch die Ausdrücke eines alten Schriftstellers so sehr nach der besondern Beschaffenheit seiner Nation und Zeit, und selbst nach seinen individuellen Geistes- und äußerlichen Umständen gebildet: und dieses alles ist so in seine Sprache übergegangen, daß sie schlechterdings nur in dieser Sprache können ausgedruckt und empfunden werden. – Ueberhaupt bleibt das Eigenthümliche dieser Schriftsteller, zumal im Ausdruck, immer unübersetzbar; bei alten Schriftstellern, die auf den Ausdruck Fleiß gewendet haben, z. B. bei den Briefen des Cicero, kann man sich leicht durch Proben überzeugen. Ist die Uebersetzung eines solchen Schriftstellers auch im Ausdruck, auch in den Wendungen recht genau, so ist sie gewiß jedem, der einigen Geschmack hat, wegen des Undeutschen und der so ganz fremden Gestalt, unerträglich. Läßt sie sich aber wie ein deutsches Original lesen, oder folgt man der ungereimten Regel, die Alten so reden zu lassen, wie sie geschrieben haben würden, wenn sie Deutsche gewesen wären; so müssen nothwendig gerade die eigenthümlichen Züge des Originals vermischt seyn. *) An Beibehaltung des Reitzes, der sich durch das Ganze ergießt, der vielsagenden Kürze, des harmonischen Baues der Rede, des Numerus, der besondern Uebergänge von Einem aufs Andere, die oft nur in der Sprache liegen u. dergl., welches alles so sehr gefällt und unsere Seele zum Gefühl einer gewissen Schönheit stimmt, die sich in unserer Sprache nicht gerade eben so ausdrücken läßt, aber doch die Seele zu ähnlichen Ergießungen gewöhnt, ist wenigstens bei den meisten Uebersetzungen gar nicht zu gedenken.
|c110| S. (J. H. Hottinger's) Etwas über die neuesten Uebersetzerfabriken der Griechen und Römer in Deutschland, 1782. in 8., vornehmlich S. 81 f.

109.

„Es ist aber doch schon vieles aus diesen alten Sprachen in manche neuere übergetragen; es haben auch diese neueren viel eigenthümliche Vollkommenheit, darin sie die alten übertreffen; und dadurch scheint das Studium der Alten entbehrlich gemacht zu werden.“ – Entbehrlich nun wohl nicht, wenn auch an dem Gesagten mehr wäre, als wirklich ist. – Man ist schon weniger aufmerksam auf das, was uns bekannter, unserer Denkungsart, Sitten und Ausdruck gleichförmiger, als was fremd oder ungewohnter ist; schwerlich sind wir geneigt, jenes so, bis auf die feinsten Züge der Schönheit, zu studieren, als dieses. – Neuere Sprachen haben, eben deswegen, weil sie im Gange sind, und immer an ihrer Bildung gearbeitet wird, weniger bestimmte Schönheit, als die nun keiner Veränderung mehr unterworfenen Sprachen des Alterthums. – Je mehr die Schriftsteller, wie dieses der Fall bei den alten ist, in ganz andern Umständen waren, empfanden, dachten, handelten und redeten, als die unsrigen, desto mehr lernen wir, durch den Umgang mit ihnen, die so schwere Kunst, uns in fremde Umstände versetzen, zu beurtheilen, und williger von ihnen zu lernen – eine Geschmeidigkeit, die, zumal für einen Lehrer des Christenthums, sehr vortheilhaft ist, der seine Weisheit aus den alten Büchern der heiligen Schrift schöpfen, unverwandt nach Wahrheit und Liebe trachten, und Allen Alles werden soll.„Es ist aber doch schon vieles aus diesen alten Sprachen in manche neuere übergetragen; es haben auch diese neueren viel eigenthümliche Vollkommenheit, darin sie die alten übertreffen; und dadurch scheint das Studium der Alten entbehrlich gemacht zu werden.“ – Entbehrlich nun wohl nicht, wenn auch an dem Gesagten mehr wäre, als wirklich ist. – Man ist schon weniger aufmerksam auf das, was uns bekannter, unserer Denkungsart, Sitten und Ausdruck gleichförmiger, als was fremd oder ungewohnter ist; schwerlich sind wir geneigt, jenes so, bis auf die feinsten Züge der Schönheit, zu studieren, als dieses. – Neuere Sprachen haben, eben deswegen, weil sie im Gange sind, und immer an ihrer Bildung gearbeitet wird, weniger bestimmte Schönheit, als die nun keiner Veränderung mehr unterworfenen Sprachen des Alterthums. – Je mehr die Schriftsteller, wie dieses der Fall bei den alten ist, in ganz andern Umständen waren, empfanden, dachten, handelten und redeten, als die unsrigen, desto mehr lernen wir, durch den Umgang mit ihnen, die so schwere Kunst, uns in fremde Umstände versetzen, zu beurtheilen, und williger von ihnen zu lernen – eine Geschmeidigkeit, die, zumal für einen Lehrer des Christenthums, sehr vortheilhaft ist, der seine Weisheit aus den alten Büchern der heiligen Schrift schöpfen, unverwandt nach Wahrheit und Liebe trachten, und Allen Alles werden soll.
|c111| Aus diesem letzteren Umstande läßt sich zum Theil die Wirkung des Didicisse fideliter artes auf die Sitten und die schwerlich abzuläugnende Erscheinung erklären, daß Lehrer der Religion, welche die Alten fleißiger studiert haben, weniger unbillig und streitsüchtig zu seyn pflegen, als die, so sich dadurch nicht gebildet haben.

110.

Ist denn aber auch schon so viel aus den alten griechischen und lateinischen Schriftstellern auf die neuern übergetragen worden? Lassen sie sich, bei so vielerlei Rücksichten, in welchen man sie studieren kann, wirklich ausstudieren? und sinds nur einzelne Schönheiten, ists nicht eben ihr ganzer Geist, den wir uns aufs möglichste zu eigen machen sollten, und der eben noch so wenig auf uns ruht, und so wenig ins Allgemeine wirkt?Ist denn aber auch schon so viel aus den alten griechischen und lateinischen Schriftstellern auf die neuern übergetragen worden? Lassen sie sich, bei so vielerlei Rücksichten, in welchen man sie studieren kann, wirklich ausstudieren? und sinds nur einzelne Schönheiten, ists nicht eben ihr ganzer Geist, den wir uns aufs möglichste zu eigen machen sollten, und der eben noch so wenig auf uns ruht, und so wenig ins Allgemeine wirkt?

111.

Wenn wir auch bloß auf die Sachen sehen: wie viel ist die alte Geschichte werth, die wir beinahe bloß aus ihnen schöpfen können? so viele feine Philosophie? wenigstens die Kenntniß des Fortgangs von der Entwickelung der Seelenkräfte unter den gebildetsten Völkern des Alterthums? so viel Menschen und Weltkenntniß? so viel treffliche Sittenlehre und Klugheit? Mögen wir es in manchen Künsten, in Kenntniß der körperlichen Natur und ihrer Kräfte, in dem, was zum äußerlichen Fortkommen und Nahrung gehört, und in guten bürgerlichen Verfassungen weiter gebracht haben als sie: in dem Uebrigen, in dem, was den Geist bildet – abgezogen was wir von ihnen mittel- oder unmittelbar gelernt haben – wie weit übertreffen wir sie denn? und wie viel haben wir ihnen noch lange nicht abgelernt?Wenn wir auch bloß auf die Sachen sehen: wie viel ist die alte Geschichte werth, die wir beinahe bloß aus ihnen schöpfen können? so viele feine Philosophie? wenigstens die Kenntniß des Fortgangs von der Entwickelung der Seelenkräfte unter den gebildetsten Völkern des Alterthums? so viel Menschen und Weltkenntniß? so viel treffliche Sittenlehre und Klugheit? Mögen wir es in manchen Künsten, in Kenntniß der körperlichen Natur und ihrer Kräfte, in dem, was zum äußerlichen Fortkommen und Nahrung gehört, und in guten bürgerlichen Verfassungen weiter gebracht haben als sie: in dem Uebrigen, in dem, was den Geist bildet – abgezogen was wir von ihnen mittel- oder unmittelbar gelernt haben – wie weit übertreffen wir sie denn? und wie viel haben wir ihnen noch lange nicht abgelernt?

|c112| 112.

Ueberdieß kommt es hierbei nicht so sehr auf die Sache selbst, als auf die Art an, wie sie dieselbe dachten und ausdrückten. In Absicht auf den Geschmack sind sie von allen Kennern allgemein als Muster anerkannt; und sie sind es wirklich, in der weitesten Bedeutung, die man dem Worte Geschmack geben kann. – Sie schöpften ihre Kenntnisse aus der ersten Quelle, aus der zwar noch nicht so entwickelten, aber auch noch nicht so verstellten Natur, und bildeten sich durch Beobachtung. Bei uns gießt man den Geist von Kindheit an in Formen; überall regiert die Mode; wir bilden uns durch Bücher, und verderben uns frühzeitig durch die Schwelgerei der Lektüre. Sie, als gleich theilnehmende Glieder Einer zu einerlei Absicht arbeitenden Gesellschaft, lernten durch Handeln und durch Umgang mit allerlei Arten von Menschen. Dies schärfte den Wahrheitssinn, leitete aufs Gemeinnützige, machte ihre Erkenntniß praktisch; dieß erhielt und schärfte das Gefühl der menschlichen Würde und der natürlichen Rechte des Menschen; ihre Philosophie war Philosophie des Lebens, ihre Geschichte eigentlich pragmatisch, d. i. auf Bildung zu Geschäften und zu der dazu nöthigen Klugheit angelegt. Bei uns ist diese enge Verbindung der bürgerlichen Gesellschaft beinahe verschwunden: wir haben Staaten, aber wir haben, im bürgerlichen Verstande, kaum ein Vaterland. Wir handeln nach eingeflößten Grundsätzen; gewöhnen uns an hergebrachte Gewohnheiten und Formen, an drückende Einrichtungen, die oft mehr Gewalt und List, als Weisheit, welche für jeden sorgte, eingeführt, und die bloße Länge der Zeit in angebliche Rechte verwandelt hat; wir vergessen darüber unsere Kräfte, unsern Menschenwerth, unsere ange|c113|borenen Rechte. Unsre Erziehung ist meist in den Händen solcher Leute, die durch nichts weniger als durch gereifte Erfahrung gebildet sind; unsre Gelehrten, die fast einzigen, die noch an der wahren Bildung des Geistes arbeiten, sind zu sehr ausgeschlossen von der Welt und dem Umgang mit Geschäftsleuten, auch zu wenig für die Welt, wenigstens mehr auf Speculation als auf das praktische Leben bedacht; unter ihren Händen gewinnt Philosophie und Geschichte an Wahrheit und Gewißheit, selten wird sie Schule der Weisheit; gemeiniglich zieht sie, weil es ihr an Geschmack und Weltkenntniß fehlt, nicht einmal die Ungelehrten zum Lesen an. – In unsrer Welt ist Bildung des Geistes oft kaum etwas anders, als ausgeartete Kultur, die nach Ueberfluß und Vergnügungen hascht; Höfe und glänzende Gesellschaften geben den Ton an, theilen die Begierde zu glänzen, den nach Convention geformten Geschmack, Weichlichkeit und Frivolität, allen denen mit, die den Schimpf nicht haben wollen, daß sie nicht zu leben wüßten; Schriftsteller, die nichts mehr wünschen, als von der feinen Welt gelesen zu werden, stimmen ihre Schriften nach diesem Ton, und machen die Seuche allgemeiner. Diese Abgeneigtheit von ernsthaften, nützlichen Beschäftigungen, der Ekel an nüchternen Untersuchungen, und die leidige Geniesucht vertilgt vollends die wahre Bildung des Geistes zur Weisheit und Tugend. So entsteht eine Philosophie, die von einiger Weltkenntniß oben abgeschöpft, aber durch genaue Untersuchung nicht geläutert ist, bei welcher Witz für Beweis gilt, die sich entweder dadurch empfiehlt, daß sie den Leidenschaften der Menschen schmeichelt, oder dadurch, daß sie natürlich scheint, weil sie Alles, was moralisch ist, nicht nach der Natur, sondern nach ihren Ausartungen |c114| in der wirklichen Welt, vorstellt; und die Geschichte hört in sofern auf, die Stelle der Erfahrung zu vertreten und wahre Weisheit zu lehren, als darin nicht Wahrheit, sondern nur Unterhaltung und Belustigung gesucht wird. Wären nicht selbst deswegen die klassischen Schriften der Griechen und Römer – die sich so sehr durch männlichen Geschmack und bewährte Weltkenntniß auszeichnen, deren Geschichtschreiber insbesondere nicht bloß für den Gelehrten, den Staatsmann, den bloß neugierigen und Zeitvertreib suchenden Leser, sondern Weise und Rechtschaffene zu bilden, geschrieben haben – wären die nicht werth, fleißig studiert zu werden, um unsrem Geschmack wieder Festigkeit, unsrer Menschen- und Weltkenntniß gesunde Nahrung, und der Weisheit und Tugend wieder Kraft und Ermunterung zu geben?Ueberdieß kommt es hierbei nicht so sehr auf die Sache selbst, als auf die Art an, wie sie dieselbe dachten und ausdrückten. In Absicht auf den Geschmack sind sie von allen Kennern allgemein als Muster anerkannt; und sie sind es wirklich, in der weitesten Bedeutung, die man dem Worte Geschmack geben kann. – Sie schöpften ihre Kenntnisse aus der ersten Quelle, aus der zwar noch nicht so entwickelten, aber auch noch nicht so verstellten Natur, und bildeten sich durch Beobachtung. Bei uns gießt man den Geist von Kindheit an in Formen; überall regiert die Mode; wir bilden uns durch Bücher, und verderben uns frühzeitig durch die Schwelgerei der Lektüre. Sie, als gleich theilnehmende Glieder Einer zu einerlei Absicht arbeitenden Gesellschaft, lernten durch Handeln und durch Umgang mit allerlei Arten von Menschen. Dies schärfte den Wahrheitssinn, leitete aufs Gemeinnützige, machte ihre Erkenntniß praktisch; dieß erhielt und schärfte das Gefühl der menschlichen Würde und der natürlichen Rechte des Menschen; ihre Philosophie war Philosophie des Lebens, ihre Geschichte eigentlich pragmatisch, d. i. auf Bildung zu Geschäften und zu der dazu nöthigen Klugheit angelegt. Bei uns ist diese enge Verbindung der bürgerlichen Gesellschaft beinahe verschwunden: wir haben Staaten, aber wir haben, im bürgerlichen Verstande, kaum ein Vaterland. Wir handeln nach eingeflößten Grundsätzen; gewöhnen uns an hergebrachte Gewohnheiten und Formen, an drückende Einrichtungen, die oft mehr Gewalt und List, als Weisheit, welche für jeden sorgte, eingeführt, und die bloße Länge der Zeit in angebliche Rechte verwandelt hat; wir vergessen darüber unsere Kräfte, unsern Menschenwerth, unsere ange|c113|borenen Rechte. Unsre Erziehung ist meist in den Händen solcher Leute, die durch nichts weniger als durch gereifte Erfahrung gebildet sind; unsre Gelehrten, die fast einzigen, die noch an der wahren Bildung des Geistes arbeiten, sind zu sehr ausgeschlossen von der Welt und dem Umgang mit Geschäftsleuten, auch zu wenig für die Welt, wenigstens mehr auf Speculation als auf das praktische Leben bedacht; unter ihren Händen gewinnt Philosophie und Geschichte an Wahrheit und Gewißheit, selten wird sie Schule der Weisheit; gemeiniglich zieht sie, weil es ihr an Geschmack und Weltkenntniß fehlt, nicht einmal die Ungelehrten zum Lesen an. – In unsrer Welt ist Bildung des Geistes oft kaum etwas anders, als ausgeartete Kultur, die nach Ueberfluß und Vergnügungen hascht; Höfe und glänzende Gesellschaften geben den Ton an, theilen die Begierde zu glänzen, den nach Convention geformten Geschmack, Weichlichkeit und Frivolität, allen denen mit, die den Schimpf nicht haben wollen, daß sie nicht zu leben wüßten; Schriftsteller, die nichts mehr wünschen, als von der feinen Welt gelesen zu werden, stimmen ihre Schriften nach diesem Ton, und machen die Seuche allgemeiner. Diese Abgeneigtheit von ernsthaften, nützlichen Beschäftigungen, der Ekel an nüchternen Untersuchungen, und die leidige Geniesucht vertilgt vollends die wahre Bildung des Geistes zur Weisheit und Tugend. So entsteht eine Philosophie, die von einiger Weltkenntniß oben abgeschöpft, aber durch genaue Untersuchung nicht geläutert ist, bei welcher Witz für Beweis gilt, die sich entweder dadurch empfiehlt, daß sie den Leidenschaften der Menschen schmeichelt, oder dadurch, daß sie natürlich scheint, weil sie Alles, was moralisch ist, nicht nach der Natur, sondern nach ihren Ausartungen |c114| in der wirklichen Welt, vorstellt; und die Geschichte hört in sofern auf, die Stelle der Erfahrung zu vertreten und wahre Weisheit zu lehren, als darin nicht Wahrheit, sondern nur Unterhaltung und Belustigung gesucht wird. Wären nicht selbst deswegen die klassischen Schriften der Griechen und Römer – die sich so sehr durch männlichen Geschmack und bewährte Weltkenntniß auszeichnen, deren Geschichtschreiber insbesondere nicht bloß für den Gelehrten, den Staatsmann, den bloß neugierigen und Zeitvertreib suchenden Leser, sondern Weise und Rechtschaffene zu bilden, geschrieben haben – wären die nicht werth, fleißig studiert zu werden, um unsrem Geschmack wieder Festigkeit, unsrer Menschen- und Weltkenntniß gesunde Nahrung, und der Weisheit und Tugend wieder Kraft und Ermunterung zu geben?
Anm. 1. S. außer den §. 76. erwähnten Schriften:
  • Is. Causoboni Zuschrift seines Polybius an K. Heinrich 4. (im dritten Theil der von Ernesti besorgten Wiener Ausgabe, 1763 8.) – Ernesti Opuscula oratoria, pag. 3. 20. 184. 197 seq. – Vermischte Beiträge zur Philosophie und den schönen Wissenschaften, Band 2, Stück 2, Aufs. 1. über die Wissenschaft der Literatur, und das Wolfsche Museum der Alterthumswissenschaft, Berlin 1810.
Anm. 2. Das aufgestellte Gemählde scheint doch zu dunkel gefallen. Es war, als die Classiker schrieben, nicht besser. Sie führen über ihr Zeitalter dieselben Klagen.
A. d. H.

113.

Dem, der sich der Theologie widmet, wird, außer den bisher erwähnten großen Vortheilen, welche ihm die fleißige Lesung der alten griechischen und lateinischen Schriftsteller gewährt, die Kenntniß beider Sprachen auch dadurch unentbehrlich, daß ohne sie weder der Verstand der heiligen |c115| Schrift, auf der doch unsre Religion beruht, noch andere Theile der Theologie überzeugend erkannt werden können. – Es ist eitler und schädlicher Wahn, daß man, um die heilige Schrift zu verstehen, beide Sprachen deswegen nicht genau zu verstehen brauche, weil durch eine große Menge guter Ausleger uns schon genug vorgearbeitet sei. – Die guten Ausleger lassen sich wohl zählen; und wie mag der, welcher sich durch jene Sprachen selbst nicht zum Ausleger gebildet hat, es wagen, über den Werth des einen vor dem andern zu entscheiden, oder sich der Empfehlung von Andern blindlings anzuvertrauen? – wie alsdann zu entscheiden, wenn auch gute Ausleger in ihren Erklärungen uneins sind? – wie ohne große Gefahr zu irren, alsdann entscheiden zu wollen, wenn sie gerade den Sinn für den richtigen ausgeben, der unsern Wünschen und Erwartungen gemäß ist? – und ist schon Alles erschöpft, der wahre Sinn nirgends mehr verborgen, nichts mehr zu läutern, nichts Neues mehr zur Bestätigung des wahren Verstandes zu sagen? Soll man überall, nur bei der heiligen Schrift nicht, mit eigenen Augen sehen?Dem, der sich der Theologie widmet, wird, außer den bisher erwähnten großen Vortheilen, welche ihm die fleißige Lesung der alten griechischen und lateinischen Schriftsteller gewährt, die Kenntniß beider Sprachen auch dadurch unentbehrlich, daß ohne sie weder der Verstand der heiligen |c115| Schrift, auf der doch unsre Religion beruht, noch andere Theile der Theologie überzeugend erkannt werden können. – Es ist eitler und schädlicher Wahn, daß man, um die heilige Schrift zu verstehen, beide Sprachen deswegen nicht genau zu verstehen brauche, weil durch eine große Menge guter Ausleger uns schon genug vorgearbeitet sei. – Die guten Ausleger lassen sich wohl zählen; und wie mag der, welcher sich durch jene Sprachen selbst nicht zum Ausleger gebildet hat, es wagen, über den Werth des einen vor dem andern zu entscheiden, oder sich der Empfehlung von Andern blindlings anzuvertrauen? – wie alsdann zu entscheiden, wenn auch gute Ausleger in ihren Erklärungen uneins sind? – wie ohne große Gefahr zu irren, alsdann entscheiden zu wollen, wenn sie gerade den Sinn für den richtigen ausgeben, der unsern Wünschen und Erwartungen gemäß ist? – und ist schon Alles erschöpft, der wahre Sinn nirgends mehr verborgen, nichts mehr zu läutern, nichts Neues mehr zur Bestätigung des wahren Verstandes zu sagen? Soll man überall, nur bei der heiligen Schrift nicht, mit eigenen Augen sehen?

114.

Wie soll denn sonst eine gewissenhafte Ueberzeugung entstehen, daß die heilige Schrift wirklich etwas gesagt habe, und wie verhütet werden, daß man nicht auf schwärmerische Einbildungen von dem Verstande einzelner Aussprüche der heil. Schrift verfalle, oder ihr seine eigenen Gedanken unterschiebe, oder auf bloßes Gerathewohl einen Sinn annehme, als dadurch, daß wir gewiß wissen, der Sprachgebrauch bringe diesen und keinen andern Sinn mit sich? welches ohne genaue Kenntniß solcher Sprachen schlechterdings unmöglich ist.Wie soll denn sonst eine gewissenhafte Ueberzeugung entstehen, daß die heilige Schrift wirklich etwas gesagt habe, und wie verhütet werden, daß man nicht auf schwärmerische Einbildungen von dem Verstande einzelner Aussprüche der heil. Schrift verfalle, oder ihr seine eigenen Gedanken unterschiebe, oder auf bloßes Gerathewohl einen Sinn annehme, als dadurch, daß wir gewiß wissen, der Sprachgebrauch bringe diesen und keinen andern Sinn mit sich? welches ohne genaue Kenntniß solcher Sprachen schlechterdings unmöglich ist.

|c116| 115.

Diese erlangt man so wenig durch flüchtiges Lesen der in solchen Sprachen geschriebenen Bücher, als durch Wörterbücher allein. Jenes mag uns zur nothdürftigen Kenntniß einer Sprache verhelfen; zur genauern, zumal bei schweren Stellen, hilft es gewiß nicht, wie man leicht begreifen wird, wenn man das oben (§. 77. f.) Gesagte versteht und in genauere Erwägung ziehen will. Unter den Wörterbüchern sind die meisten ohne genugsame Kenntniß der Sprachen und ohne bestimmte Genauigkeit zusammengetragen; auch die bessern bedürfen noch so mancher Berichtigung, so häufiger Ergänzung von Wörtern oder Redensarten und deren Bedeutungen, sonderlich in einem bestimmten Zusammenhang, so vieler Erklärung der Begriffe selbst, die an einem Worte hängen, daß man sich geradezu nicht auf sie verlassen kann. Haben sie auch, wie dieses zur Ueberzeugung, daß sie Alles richtig angäben, nöthig wäre, ihre Angabe mit Beweisen belegt: wie will man die prüfen, wenn es uns noch an genauer Kenntniß einer Sprache fehlt, und man sich durch sorgfältiges Studieren guter Schriftsteller noch nicht die Fertigkeit erworben hat, selbst den Sinn in einer fremden Sprache zu finden?Diese erlangt man so wenig durch flüchtiges Lesen der in solchen Sprachen geschriebenen Bücher, als durch Wörterbücher allein. Jenes mag uns zur nothdürftigen Kenntniß einer Sprache verhelfen; zur genauern, zumal bei schweren Stellen, hilft es gewiß nicht, wie man leicht begreifen wird, wenn man das oben (§. 77. f.) Gesagte versteht und in genauere Erwägung ziehen will. Unter den Wörterbüchern sind die meisten ohne genugsame Kenntniß der Sprachen und ohne bestimmte Genauigkeit zusammengetragen; auch die bessern bedürfen noch so mancher Berichtigung, so häufiger Ergänzung von Wörtern oder Redensarten und deren Bedeutungen, sonderlich in einem bestimmten Zusammenhang, so vieler Erklärung der Begriffe selbst, die an einem Worte hängen, daß man sich geradezu nicht auf sie verlassen kann. Haben sie auch, wie dieses zur Ueberzeugung, daß sie Alles richtig angäben, nöthig wäre, ihre Angabe mit Beweisen belegt: wie will man die prüfen, wenn es uns noch an genauer Kenntniß einer Sprache fehlt, und man sich durch sorgfältiges Studieren guter Schriftsteller noch nicht die Fertigkeit erworben hat, selbst den Sinn in einer fremden Sprache zu finden?
Wenn dieses auch nicht das allgemeine Geständniß aller eigentlichen Kenner alter Sprachen wäre, so läßt es sich schon an einem kleinen Beispiel, an den Wörterbüchern über das N. Testament, zeigen. Wie manche Wörter fehlen da, weil sie nicht in unserm gedruckten griechischen Texte stehen, deren Kenntniß doch zur Beurtheilung und Erklärung verschiedener Lesearten nöthig ist? Außer vielen sprachwidrigen Erklärungen in den meisten Wörterbüchern dieser Art: wie viele , sonderlich hebräische Bedeutungen der Wörter, fehlen da, z. B. von ἀγαλλιαν, εὐχαριστια, καυχασθαι, |c117| κενουν, λογιζεσθαι το κακον, τρεμειν τινα u. a.; und wie wenig sind die Begriffe von οἰκοδομη, παντοκρατωρ, πνευμα, σημειον ἀντιλεγομενον, ἑαυτω ἀρεσκειν u. dergl., vornehmlich, wie wenig sind diejenigen bestimmt, die man Religionsbegriffe nennen könnte, obgleich die Wörter, durch die sie ausgedruckt werden, in den Wörterbüchern übersetzt sind? Dies sei bloß hingeworfen, um die aus ihrer gleichgültigen Ruhe zu wecken, die, mit dem Wörterbuch in der Hand, der Auslegung des N. T. gewachsen zu seyn glauben. {Unstreitig ist durch mehrere neue exegetische Schriften und vollständiger gewordenen Lexica manchen Mängeln, die hier gerügt sind, abgeholfen.}

116.

Ueberhaupt wird der sehr gewinnen, der sich nicht eher an Erklärung der heiligen Schriften wagt, bis er vorher durch Lesung alter griechischer und lateinischer Schriftsteller wohl geübt ist. Denn 1) wie es der Anfang aller exegetischen Weisheit ist, nur erst zu fühlen, ob man etwas verstehe oder nicht: so ist schon dieses sehr schwer für den, der nicht aus jener Schule zur heiligen Schrift kommt, weil uns die Stellen heiliger Schrift, die wir in der Jugend gemeiniglich ohne Verstand gelesen haben, den Wörtern nach geläufig, ihre Lehren, oder was man dafür zu halten gelernt hat, bekannt sind, und man gemeiniglich mit einem Sinne zufrieden ist, der keinen offenbaren Unverstand enthält, zumal wenn er sich durch Erbaulichkeit empfiehlt. Alles dieses hindert, daß es uns oft nicht einmal in den Sinn kommt, nur zu zweifeln, ob wir auf dem rechten Wege sind. Hingegen bei andern Schriftstellern sind wir weder schon so mit ihren Begriffen bekannt, noch dafür schon so eingenommen, fürchten auch weniger eigne Zweifel oder Vorwürfe von An|c118|dern, wenn wir von hergebrachten Erklärungen abgehen, oder gestehen, daß wir etwas nicht verstünden.Ueberhaupt wird der sehr gewinnen, der sich nicht eher an Erklärung der heiligen Schriften wagt, bis er vorher durch Lesung alter griechischer und lateinischer Schriftsteller wohl geübt ist. Denn 1) wie es der Anfang aller exegetischen Weisheit ist, nur erst zu fühlen, ob man etwas verstehe oder nicht: so ist schon dieses sehr schwer für den, der nicht aus jener Schule zur heiligen Schrift kommt, weil uns die Stellen heiliger Schrift, die wir in der Jugend gemeiniglich ohne Verstand gelesen haben, den Wörtern nach geläufig, ihre Lehren, oder was man dafür zu halten gelernt hat, bekannt sind, und man gemeiniglich mit einem Sinne zufrieden ist, der keinen offenbaren Unverstand enthält, zumal wenn er sich durch Erbaulichkeit empfiehlt. Alles dieses hindert, daß es uns oft nicht einmal in den Sinn kommt, nur zu zweifeln, ob wir auf dem rechten Wege sind. Hingegen bei andern Schriftstellern sind wir weder schon so mit ihren Begriffen bekannt, noch dafür schon so eingenommen, fürchten auch weniger eigne Zweifel oder Vorwürfe von An|c118|dern, wenn wir von hergebrachten Erklärungen abgehen, oder gestehen, daß wir etwas nicht verstünden.

117.

Ist man 2) nur mit den Umständen, Sitten und dem Sprachgebrauch neuerer Zeiten und Sprachen bekannt, so findet man in alten Schriften Schwierigkeiten, wo keine sind; man sucht sie zu heben, verwickelt sich eben durch diese Bemühung in noch mehrere Schwierigkeiten, fällt auf harte und gekünstelte Erklärungen, wodurch man auf einer Seite den Gegnern der heiligen Schrift Blößen giebt, auf der andern sich gegen natürlichere Erklärungen abhärtet: theils, weil man das für das Natürlichste hält, was unsrer Art zu denken, zu reden und zu handeln am gemäßesten ist; theils, weil man das ungern aufopfert, was uns Mühe gekostet hat, zumal wenn man durch einen vermeintlich gefundenen Sinn der heiligen Schrift neue Bestätigung seines Lehrbegriffs gefunden, oder mehr Zusammenhang in seine Vorstellungen gebracht zu haben glaubt. Wer hingegen schon mit andern alten Schriften außer der Bibel vertraute Bekanntschaft, und gelernt hat, sich in die Lage alter Schriftsteller zu versetzen, fällt entweder auf solche eingebildete Schwierigkeiten gar nicht, oder er weiß sie leichter aus den Meinungen und Redensarten der Alten zu erklären, schiebt der heiligen Schrift weniger neuere Begriffe unter, und ist demnach fähiger, von ihr zu lernen.Ist man 2) nur mit den Umständen, Sitten und dem Sprachgebrauch neuerer Zeiten und Sprachen bekannt, so findet man in alten Schriften Schwierigkeiten, wo keine sind; man sucht sie zu heben, verwickelt sich eben durch diese Bemühung in noch mehrere Schwierigkeiten, fällt auf harte und gekünstelte Erklärungen, wodurch man auf einer Seite den Gegnern der heiligen Schrift Blößen giebt, auf der andern sich gegen natürlichere Erklärungen abhärtet: theils, weil man das für das Natürlichste hält, was unsrer Art zu denken, zu reden und zu handeln am gemäßesten ist; theils, weil man das ungern aufopfert, was uns Mühe gekostet hat, zumal wenn man durch einen vermeintlich gefundenen Sinn der heiligen Schrift neue Bestätigung seines Lehrbegriffs gefunden, oder mehr Zusammenhang in seine Vorstellungen gebracht zu haben glaubt. Wer hingegen schon mit andern alten Schriften außer der Bibel vertraute Bekanntschaft, und gelernt hat, sich in die Lage alter Schriftsteller zu versetzen, fällt entweder auf solche eingebildete Schwierigkeiten gar nicht, oder er weiß sie leichter aus den Meinungen und Redensarten der Alten zu erklären, schiebt der heiligen Schrift weniger neuere Begriffe unter, und ist demnach fähiger, von ihr zu lernen.

118.

3) Des Sprachgebrauchs in todten Sprachen kann man anders nicht gewiß werden, als aus den Schriften, die in einer solchen Sprache abgefaßt sind, und, wo es der|c119|gleichen nicht giebt; oder wo sie nicht zureichen, aus der Analogie anderer mit ihr verwandten Sprachen; oder aus den Erklärungen, die der Schriftsteller selbst in einer Stelle oder in ähnlichen Stellen giebt. Selten ist dieses Letztere möglich, weil es seyn kann, daß er nur Einmal von einer Sache redet, oder nur Einmal ein Wort und eine Redensart gebraucht. So ein treffliches Hülfsmittel also zur Einsicht des Verstandes ähnliche Stellen sind, so helfen sie doch nicht überall; sicherlich wird auch derjenige die in der heiligen Schrift den Meisten unmerkbare feinere Aehnlichkeit leichter empfinden, der dergleichen zu bemerken durch achtsames Lesen alter Schriftsteller sich gewöhnt hat; und überall folgt ein Schriftsteller, wo er nicht sehr dringende Ursachen hat, demjenigen Sprachgebrauch, der in der Sprache, worin er schreibt, herrscht; wenigstens bildet er, auch da, wo er eigene Ausdrücke wählt, seinen besondern Sprachgebrauch aufs möglichste nach dem allgemeinen. Und dieser, woraus ist er anders zu erkennen, als aus den andern Schriften in eben der Sprache? Bei dem neuen Testament also, woher anders, als aus andern alten griechischen Schriftstellern, und zum Theil aus den griechischen Uebersetzern des alten Testaments?3) Des Sprachgebrauchs in todten Sprachen kann man anders nicht gewiß werden, als aus den Schriften, die in einer solchen Sprache abgefaßt sind, und, wo es der|c119|gleichen nicht giebt; oder wo sie nicht zureichen, aus der Analogie anderer mit ihr verwandten Sprachen; oder aus den Erklärungen, die der Schriftsteller selbst in einer Stelle oder in ähnlichen Stellen giebt. Selten ist dieses Letztere möglich, weil es seyn kann, daß er nur Einmal von einer Sache redet, oder nur Einmal ein Wort und eine Redensart gebraucht. So ein treffliches Hülfsmittel also zur Einsicht des Verstandes ähnliche Stellen sind, so helfen sie doch nicht überall; sicherlich wird auch derjenige die in der heiligen Schrift den Meisten unmerkbare feinere Aehnlichkeit leichter empfinden, der dergleichen zu bemerken durch achtsames Lesen alter Schriftsteller sich gewöhnt hat; und überall folgt ein Schriftsteller, wo er nicht sehr dringende Ursachen hat, demjenigen Sprachgebrauch, der in der Sprache, worin er schreibt, herrscht; wenigstens bildet er, auch da, wo er eigene Ausdrücke wählt, seinen besondern Sprachgebrauch aufs möglichste nach dem allgemeinen. Und dieser, woraus ist er anders zu erkennen, als aus den andern Schriften in eben der Sprache? Bei dem neuen Testament also, woher anders, als aus andern alten griechischen Schriftstellern, und zum Theil aus den griechischen Uebersetzern des alten Testaments?
Anm. 1. Je ähnlicher ein Schriftsteller in seiner besondern Art des Ausdrucks, in der Kürze, in den Wendungen, in der Zusammenziehung mehrerer Begriffe in Ein Wort oder Redensart u. dergl. einem andern ist, wie z. B. schon von andern in Absicht auf den Apostel Paulus und den Thucydides bemerkt worden (S. Car. Lud. Baueri exercitat. de lectione Thucydidis, optima interpretandi disciplina, Lips. 1753. und desselben Philologia Thucydideo-Paulina, Halae 1773. 8.), desto nützlicher ist es, den Letztern zu studieren, um den Erstern besser zu verstehen.
|c120| Anm. 2. Bei der Analogie andrer Sprachen (s. Ge. Godofr. Zemisch disp. de analogia linguarum interpretationis subsidio, Lips. 1758.) kommt es hier, wo vom Griechischen die Rede ist, zunächst auf das Lateinische an, das bei dem N. T. noch viel unerkannte Erläuterungen darreicht, z. B. 1 Kor. 7, 29. καιρος συνεσταλμενος, traurige Zeit, vergl. mit dem diffundi und contrahi bei Cicero Lael. c. 13.; Luc. 11, 13; πονηροι für Karge, vergl. mit maligni in eben dem Sinn beim Plautus Bacch. III, 2. 17; Luc. 8, 18., vergl. mit ex astris decidere bei Cicero Att. II. ep. 21.; Matth. 24, 29. mit dem lat. cadere oder occidere von Gestirnen gebraucht; 1 Kor. 4, 9. θεατρον ἐγενηθ. τῳ κοσμῳ κ. ἀγγελοις κ. ἀνθρωποις, überhaupt für: der allgemeinen Verachtung bloß gestellt worden seyn, vergl. mit Cicero's Stellen, die Manutius bei den Epist. ad divers. lib. I. ep. 9. gesammlet hat; Χρισμα. 1 Joh. 2, 20. vergl. mit dem lat. imbui statt doceri u. dergl.

119.

Und wie 4) falsche und nach Schulformen gekünstelte Zergliederungen der Bücher der heil. Schrift sehr oft den wahren Gesichtspunkt verrücken, woraus man die Absichten eines Schriftstellers ansehen sollte, und selbst zu erdichteten Erklärungen seiner Ausdrücke Gelegenheit geben: so ist kein besseres Mittel, sich gegen diese willkührlichen Spielwerke zu verwahren, als wenn man aus Lesung alter Schriftsteller die gar nicht schulgerechte, sondern natürliche Stellung ihrer Gedanken, ihre oft unscheinbaren Verbindungen durch Partikeln, Participial-Construktionen u. dergl. und die ganze Einkleidung bemerkt, die von der unsrigen oft so sehr abweicht.Und wie 4) falsche und nach Schulformen gekünstelte Zergliederungen der Bücher der heil. Schrift sehr oft den wahren Gesichtspunkt verrücken, woraus man die Absichten eines Schriftstellers ansehen sollte, und selbst zu erdichteten Erklärungen seiner Ausdrücke Gelegenheit geben: so ist kein besseres Mittel, sich gegen diese willkührlichen Spielwerke zu verwahren, als wenn man aus Lesung alter Schriftsteller die gar nicht schulgerechte, sondern natürliche Stellung ihrer Gedanken, ihre oft unscheinbaren Verbindungen durch Partikeln, Participial-Construktionen u. dergl. und die ganze Einkleidung bemerkt, die von der unsrigen oft so sehr abweicht.

120.

Auch ist 5) diese sorgfältige Beschäftigung mit alten Schriftstellern ein gutes Verwahrungsmittel gegen die Ver|c121|besserungssucht des Textes der heiligen Schrift sowohl, als gegen die unzeitige Aengstlichkeit bei verschiedenen Lesearten. Wer jene auch kritisch studiert hat, wird sich durch noch so viele Lesearten, mit welchen gleichwohl die unverfälschte Echtheit des Textes bestehen kann, nicht nur nicht irre machen lassen: er wird auch allein im Stande seyn, den Werth derselben abzuwägen. Hat man sich bei jenen alten an die Beobachtung des feineren Parallelismus gewöhnt, Versuche gesehen, und selbst gemacht, dunkle Stellen zu erklären, und solche, die einander oder andern Schriftstellern zu widersprechen scheinen, mit einander zu vereinigen; und hat nach und nach das Ungegründete und Gezwungene mancher gewagten Veränderungen des Textes, wie die Quellen dieses Fehlers und die verschiedenen Arten eingesehen, wie verschiedene Lesearten entstehen können: so wird gewiß dadurch Bescheidenheit so sehr als geschickte Beurtheilung befördert werden. Wenigstens ist es immer sicherer, sich erst in jener Kritik zu üben, wo der Schade bei Fehltritten so beträchtlich nicht ist, als bei der heiligen Schrift, bei der ohnehin die Vorstellung von ihrer Göttlichkeit leichter verleitet, nach genauer Untersuchung schon Partei für oder wider eine Leseart zu nehmen.Auch ist 5) diese sorgfältige Beschäftigung mit alten Schriftstellern ein gutes Verwahrungsmittel gegen die Ver|c121|besserungssucht des Textes der heiligen Schrift sowohl, als gegen die unzeitige Aengstlichkeit bei verschiedenen Lesearten. Wer jene auch kritisch studiert hat, wird sich durch noch so viele Lesearten, mit welchen gleichwohl die unverfälschte Echtheit des Textes bestehen kann, nicht nur nicht irre machen lassen: er wird auch allein im Stande seyn, den Werth derselben abzuwägen. Hat man sich bei jenen alten an die Beobachtung des feineren Parallelismus gewöhnt, Versuche gesehen, und selbst gemacht, dunkle Stellen zu erklären, und solche, die einander oder andern Schriftstellern zu widersprechen scheinen, mit einander zu vereinigen; und hat nach und nach das Ungegründete und Gezwungene mancher gewagten Veränderungen des Textes, wie die Quellen dieses Fehlers und die verschiedenen Arten eingesehen, wie verschiedene Lesearten entstehen können: so wird gewiß dadurch Bescheidenheit so sehr als geschickte Beurtheilung befördert werden. Wenigstens ist es immer sicherer, sich erst in jener Kritik zu üben, wo der Schade bei Fehltritten so beträchtlich nicht ist, als bei der heiligen Schrift, bei der ohnehin die Vorstellung von ihrer Göttlichkeit leichter verleitet, nach genauer Untersuchung schon Partei für oder wider eine Leseart zu nehmen.
  • Anm. S. I. A. Ernesti Opusc. Orator. p. 41 sqq.
Aus dem, was bisher §. 115 f. bemerkt worden ist, ergiebt sich augenscheinlich, wie verkehrt, und selbst für die Einsicht des rechten Verstandes der heiligen Schrift nachtheilig, es sei, die Erlernung des Griechischen mit dem Lesen des neuen Testaments anzufangen. Die Schwierigkeiten, welche bei dem Griechischen des N. T. weit größer sind, als bei den meisten sogenannten Profan-Schriftstellern (s. die 14te bis 17te Abhandlung in Ernesti's Opuscul. philol. crit. Lugd. Bat. 1764. 8.) setzen es noch mehr außer Zweifel, wie nothwendig es sei, sich nicht daran zu wagen, ehe |c122| man sich nicht schon vorher durch fleißiges Studieren alter Schriftsteller dazu vorbereitet hat.

121.

Zur gründlichen Einsicht in andre Theile der Theologie (§. 113. ) ist die genaue Kenntniß der griechischen und lateinischen Sprache eben so nothwendig. Die allermeisten Quellen der Kirchengeschichte sind in einer von beiden Sprachen abgefaßt; und da selbst der Sprachgebrauch zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gegenden so vieler Verschiedenheit und Veränderung unterworfen war, so ist es um so begreiflicher, wie unzuverlässig die Kirchengeschichte seyn müsse, wenn sich ihre Kenntniß nicht auf die Kenntniß dieser Sprachen gründet. Alles, was in der Theologie auf Geschichte beruht: die Kenntniß der Kirchentheologie oder der verschiedenen Vorstellungen von den Lehren der Religion und der Ursachen dieser Verschiedenheit; der Kunstwörter, die aus beiden Sprachen genommen, oder doch danach gebildet worden , und selbst ein symbolisches Ansehen erlangt haben: des Ursprungs der Irrthümer aus unbequemen Ausdrücken, oder des Mißverstandes derselben, wodurch man ihrer Unrichtigkeit auf die Spur kommen kann; der Folgen, die daraus für die Theologie entstanden sind – vornehmlich wenn man die Richtigkeit dieser Kirchentheologie gehörig beurtheilen will, kann dieser Sprachkenntniß nicht entbehren.Zur gründlichen Einsicht in andre Theile der Theologie (§. 113. ) ist die genaue Kenntniß der griechischen und lateinischen Sprache eben so nothwendig. Die allermeisten Quellen der Kirchengeschichte sind in einer von beiden Sprachen abgefaßt; und da selbst der Sprachgebrauch zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gegenden so vieler Verschiedenheit und Veränderung unterworfen war, so ist es um so begreiflicher, wie unzuverlässig die Kirchengeschichte seyn müsse, wenn sich ihre Kenntniß nicht auf die Kenntniß dieser Sprachen gründet. Alles, was in der Theologie auf Geschichte beruht: die Kenntniß der Kirchentheologie oder der verschiedenen Vorstellungen von den Lehren der Religion und der Ursachen dieser Verschiedenheit; der Kunstwörter, die aus beiden Sprachen genommen, oder doch danach gebildet worden , und selbst ein symbolisches Ansehen erlangt haben: des Ursprungs der Irrthümer aus unbequemen Ausdrücken, oder des Mißverstandes derselben, wodurch man ihrer Unrichtigkeit auf die Spur kommen kann; der Folgen, die daraus für die Theologie entstanden sind – vornehmlich wenn man die Richtigkeit dieser Kirchentheologie gehörig beurtheilen will, kann dieser Sprachkenntniß nicht entbehren.

122.

Würde nicht auch unsre Katechetik und Homiletik eine bessere Gestalt bekommen, und würde man sich nicht besser zum Unterricht in der Religion bilden, wenn man den Alten, sonderlich der Sokratischen Schule und ihren guten Nachfolgern, ihre Methode in Gesprächen, und den |c123| griechischen und römischen Rednern die Kunst, Eindruck zu machen, und, was man vorstellen oder empfehlen will, von der wirksamsten Seite zu zeigen, so weit ablernte, als es die Natur der Sachen, die Absicht, bleibende Eindrücke hervorzubringen, und unsere Umstände erlauben?Würde nicht auch unsre Katechetik und Homiletik eine bessere Gestalt bekommen, und würde man sich nicht besser zum Unterricht in der Religion bilden, wenn man den Alten, sonderlich der Sokratischen Schule und ihren guten Nachfolgern, ihre Methode in Gesprächen, und den |c123| griechischen und römischen Rednern die Kunst, Eindruck zu machen, und, was man vorstellen oder empfehlen will, von der wirksamsten Seite zu zeigen, so weit ablernte, als es die Natur der Sachen, die Absicht, bleibende Eindrücke hervorzubringen, und unsere Umstände erlauben?
Anm. Unstreitig läßt sich von der Sokratischen Methode Manches für den Katecheten lernen. Doch hat man in neuern Zeiten das Sokratisiren sehr übertrieben, und dadurch der rechten Methode des Unterrichts der Anfänger geschadet.
D. H.

123.

Was oben (§. 68 f.) von der besten Erlernung der Sprachen überhaupt gesagt worden ist, gilt bei der lateinischen und griechischen Sprache insbesondere, und von ihnen vorzüglich, weil sie unter allen alten Sprachen am meisten gebildet sind. Nur scheinen hier noch einige besondere Anmerkungen darüber nicht unnöthig zu seyn. – Die lateinische Sprache hat das eigene Glück gehabt, die allgemeine Sprache der Gelehrten (in Europa) zu werden: *) daher sind die meisten gelehrten Schriften in ihr geschrieben; ihre Kenntniß ist für den Gelehrten, nächst der Kenntniß der Muttersprache, die unentbehrlichste, und sie verdient, als allgemeine Gelehrten-Sprache, erhalten zu werden.Was oben (§. 68 f.) von der besten Erlernung der Sprachen überhaupt gesagt worden ist, gilt bei der lateinischen und griechischen Sprache insbesondere, und von ihnen vorzüglich, weil sie unter allen alten Sprachen am meisten gebildet sind. Nur scheinen hier noch einige besondere Anmerkungen darüber nicht unnöthig zu seyn. – Die lateinische Sprache hat das eigene Glück gehabt, die allgemeine Sprache der Gelehrten (in Europa) zu werden: *) daher sind die meisten gelehrten Schriften in ihr geschrieben; ihre Kenntniß ist für den Gelehrten, nächst der Kenntniß der Muttersprache, die unentbehrlichste, und sie verdient, als allgemeine Gelehrten-Sprache, erhalten zu werden.
*) Sie hatte es, weil Rom zweimal die Welt beherrschte – politisch und kirchlich. So wurde durch die römische die vollkommnere griechische Sprache verdrängt.
D. H.

124.

Zuerst eben deswegen, weil die meisten gelehrten Schriften lateinisch abgefaßt sind. Je mehr also der Eifer, diese Sprache zu erlernen und ihrer mächtig zu werden, |c124| erkaltet, und je mehr sie daher außer Gang kommt: desto mehr verlieren wir die oben erwähnten Vortheile, die aus dem fleißigen Gebrauch der alten klassischen lateinischen Schriftsteller entstehen, verlieren den Zugang zu den meisten Quellen der Geschichte, und, weil uns nichts anzieht, was wir nicht verstehen, sogar die Lust daraus schöpfen, verlieren einen unschätzbaren Vorrath von Kenntnissen und Vorarbeiten in Untersuchungen aller Art.Zuerst eben deswegen, weil die meisten gelehrten Schriften lateinisch abgefaßt sind. Je mehr also der Eifer, diese Sprache zu erlernen und ihrer mächtig zu werden, |c124| erkaltet, und je mehr sie daher außer Gang kommt: desto mehr verlieren wir die oben erwähnten Vortheile, die aus dem fleißigen Gebrauch der alten klassischen lateinischen Schriftsteller entstehen, verlieren den Zugang zu den meisten Quellen der Geschichte, und, weil uns nichts anzieht, was wir nicht verstehen, sogar die Lust daraus schöpfen, verlieren einen unschätzbaren Vorrath von Kenntnissen und Vorarbeiten in Untersuchungen aller Art.
Anm. 1. Was hier und in dem Nächstfolgenden vorkommt, ist zugleich hinreichend zur Beurtheilung der Einwendungen gegen die Nothwendigkeit der Kenntniß dieser Sprache in der allgemeinen Revision des Erziehungswesens etc. Theil 2. S. 234–257, die ohnehin sehr ärmliche Begriffe vom Verstehen des Lateinischen zum Grunde haben.
Aber, sagt man, ist denn nicht schon das Beste und Nutzbarste aus lateinischen Schriften in die neuern Sprachen übergetragen? – Gewiß kaum mehr als das Nothdürftigste und was man für das Gemeinnützigste hielt, welches gegen die Menge des Uebrigen für Nichts zu rechnen ist. – Am meisten ists noch in der Geschichte geschehen; wie weiß man aber, daß es vollständig, richtig und aufrichtig genug geschehen sei, wenn man nicht zu den Quellen zurückgehen kann, ohne welche noch weniger Sicherheit ist, als bei allen scharfsinnigen Untersuchungen, die nicht auf die ersten Grundsätze der menschlichen Erkenntniß zurückgeführt werden? Eben die gelehrtern und genauern Untersuchungen, wodurch man neuerlich, selbst in deutschen Schriften, die Geschichte ungemein berichtigt, vervollständigt, und ihr eine ganz andere Gestalt gegeben hat, beweisen, wie viel noch Gelegenheit in den Quellen zu sehr schätzbaren Entdeckungen übrig sei. – Je mehr das Ansehen der lateinischen Sprache sinkt, und für je entbehrlicher man ihre Kenntniß hält, desto weniger wird sie, höchstens nur als Nebensache, getrieben werden. Aber eine seichte Kenntniß der|c125|selben ist gewiß dem Gebrauch der Quellen und der daraus zu schöpfenden Wahrheit noch nachtheiliger, als wenn man gar nicht daraus schöpft, weil man doch in dem letztern Fall weiß, daß man nur mit fremden Augen, in jenem Fall aber glaubt, daß man mit eigenen Augen gesehen habe.
Anm. 2. Wenn also von verständigen Männern auf die Beibehaltung der lateinischen Sprache gedrungen, und vorhergesagt wird, daß mit ihrem Fall gewiß Barbarei einreißen werde: so geschieht dieß nicht aus pedantischer Hochachtung gegen diese Sprache, oder aus der falschen Einbildung, daß sie kräftiger und vollkommener wie andere Sprachen sei; sondern weil man vorhersieht, wie viele Kenntnisse mit dieser Sprache verloren gehen, oder wenigstens aus dem Gange kommen werden; wie sehr seichte Kenntniß statt der gründlichen und zuverlässigen überhand nehmen, wie allgemeiner der unwissende Dünkel, der bei verschlossenen Quellen nicht einmal mehr einer bessern Belehrung fähig ist, anstatt wahrer Ueberzeugung um sich greifen werde. Ohne in ältere ähnliche Zeiten zurückzugehen, mag die Erfahrung unsrer Zeit entscheiden, ob durch die Verächter dieser Sprache des Nachsprechens und Ausschreibens, oder der neuern und genauern Untersuchung mehr geworden sei, und die Masse der gelehrten Erkenntniß und die Achtung der Gelehrsamkeit mehr ab- oder zugenommen habe?

125.

Zweitens: Die Gelehrsamkeit verliert viel, und die Entdeckungen und Verbesserungen in derselben gehen oft gänzlich verloren, breiten sich wenigstens viel langsamer und nicht allgemein genug aus, wenn man unter den Gelehrten nicht eine allgemeine Sprache hat, wodurch man sich das Neue und Bessere mittheilen kann. Wenn man sagt: „so dürften die Gelehrten nur mehrere Sprachen lernen, und |c126| allenfalls ersetzte auch dieses die Dienstfertigkeit der Uebersetzer:“ so hat man wohl nicht genug bedacht, daß Beides ein mühsamer Umweg ist, der völlig erspart werden könnte, wenn eine allgemeine Gelehrten-Sprache gebraucht würde: ein Umstand, den die, welche die Nothwendigkeit einer solchen, namentlich der lateinischen, Sprache bestreiten, vornehmlich beherzigen sollten, da sie eben Zeit und Mühe gespart, und auf nützlichere Dinge verwendet wissen wollen. Man hat nicht bedacht, daß Uebersetzungen großentheils unzuverlässig sind, und daß sie ungemein viel weniger die Vorstellungen eines Schriftstellers anschaulich darstellen, als er selbst, auch sogar in einer fremden Sprache, wenn er sie nur in seiner Gewalt hat, und in der fremden Sprache nicht bloß schreibt, sondern auch denkt. Man nimmt gegen alle Erfahrung an, daß Ausländer, um unsre Entdeckungen zu benutzen, unsre Werke, in ihre Sprache übersetzt, begierig lesen oder gar deutsch lernen würden. Zweitens: Die Gelehrsamkeit verliert viel, und die Entdeckungen und Verbesserungen in derselben gehen oft gänzlich verloren, breiten sich wenigstens viel langsamer und nicht allgemein genug aus, wenn man unter den Gelehrten nicht eine allgemeine Sprache hat, wodurch man sich das Neue und Bessere mittheilen kann. Wenn man sagt: „so dürften die Gelehrten nur mehrere Sprachen lernen, und |c126| allenfalls ersetzte auch dieses die Dienstfertigkeit der Uebersetzer:“ so hat man wohl nicht genug bedacht, daß Beides ein mühsamer Umweg ist, der völlig erspart werden könnte, wenn eine allgemeine Gelehrten-Sprache gebraucht würde: ein Umstand, den die, welche die Nothwendigkeit einer solchen, namentlich der lateinischen, Sprache bestreiten, vornehmlich beherzigen sollten, da sie eben Zeit und Mühe gespart, und auf nützlichere Dinge verwendet wissen wollen. Man hat nicht bedacht, daß Uebersetzungen großentheils unzuverlässig sind, und daß sie ungemein viel weniger die Vorstellungen eines Schriftstellers anschaulich darstellen, als er selbst, auch sogar in einer fremden Sprache, wenn er sie nur in seiner Gewalt hat, und in der fremden Sprache nicht bloß schreibt, sondern auch denkt. Man nimmt gegen alle Erfahrung an, daß Ausländer, um unsre Entdeckungen zu benutzen, unsre Werke, in ihre Sprache übersetzt, begierig lesen oder gar deutsch lernen würden.
Anm. Aeußerst selten sind die Beispiele von Ausländern, die, unsre Schriften zu verstehen, Deutsch, und vollends, die es gut gelernt haben. Sehr selten sind auch Uebersetzer aus dem Deutschen bei solchen Nationen, unter welchen selbst viele denken und schreiben; und daraus, daß unter ihnen Bücher aus dem Deutschen übersetzt vorhanden sind, folgt noch lange nicht, daß sie auch Geschmack daran finden. Lesen ja noch auswärtige Gelehrte Schriften der Deutschen, so sind es lateinisch geschriebene, und diese haben itzt darum weniger Vertrieb, weil bei Ausländern, fast Alles in ihrer Muttersprache zu schreiben, eben so gewöhnlich wird, als bei uns, die Kenntniß des Lateinischen immer mehr abnimmt, und sie daher auch unsre lateinischen Schriften gar nicht, oder doch viel seltner als sonst, lesen. Weit häufiger unterhielten sich sonst Gelehrte verschiedener |c127| Nationen unter einander, als die lateinische Sprache noch geläufiger war als jetzt. Wo es noch jetzt geschieht, da geschiehts auch gewöhnlich in lateinischer Sprache.

126.

Ist nun aber eine allgemeine Sprache für die Gelehrsamkeit, deren Erhaltung und immer weitere Ausbreitung sehr nöthig: so muß man doch entweder die, welche es bisher gewesen, nämlich die lateinische, beibehalten, oder eine der neuern Sprachen dazu wählen, oder eine ganz neue zu diesem Zweck erfinden. Dieses Letztere würde, wie so viele verunglückte Versuche beweisen, große Schwierigkeiten haben; schwerlich würde man ihr, zumal allgemeinen, Eingang verschaffen können; und wozu eine neue erfinden, da wir schon eine unter den Gelehrten überall angenommene haben? – Diese lateinische ist nicht nur einmal im Besitz, und, wenn es eben sowohl Pflicht ist, gute Gelehrte als gute Bürger zu ziehen; wenn es uns wahrer Ernst ist, Aufklärung, mithin auch Gelehrsamkeit, möglichst weit auszubreiten: so müssen wir diese Sprache zu erhalten, und ihre Kenntniß bei allen, die Gelehrte seyn wollen, zu befördern suchen, weil sie gerade die bekannteste bei allen Nationen ist, wo eigentliche Gelehrsamkeit blüht. Sie ist auch, eben durch den langen Gebrauch, den bereits erfolgten Erweiterungen und Aufklärungen in den Wissenschaften, mehr als eine andere, wenigstens ältere Sprache, und umgekehrt, es sind diese aufgeklärtern Begriffe dieser Sprache so angeschmiegt worden; sie hat auch so sehr alle eigentliche Wissenschaften, namentlich die gelehrten Vorstellungen in der Religion, so durchdrungen, und in allen Wissenschaften ist der Sprachgebrauch so an sie gebunden, daß |c128| wir ihre Kenntniß, ohne eine gänzliche Umschmelzung der Wissenschaften, nicht einbüßen können. Sollte sie auch, wie nicht zu läugnen ist, von manchen neuern Sprachen übertroffen werden: so würde es nicht nur schwer, ja, nach der jetzigen Verfassung der Welt unmöglich seyn, einer neuern Sprache eben die ausgebreitete Herrschaft zu verschaffen: es würde sogar eben darum nicht rathsam seyn, weil und so lange sie eine lebende Sprache ist. Denn eine solche ist beständigen Veränderungen unterworfen, und nach einiger Zeit, nicht wo den meisten unverständlich, doch wenigstens nicht mehr so reitzend; es gehen zu viele Mängel einer auch vom gemeinen Volke gebrauchten Sprache, Nebenbegriffe, die den Wörtern anhängen u. dergl., in die Wissenschaften über, daß diese darüber ihre Bestimmtheit verlieren; oder man muß diesem Schaden immer so durch neue Bestimmungen entgegenarbeiten, daß die gelehrte Sprache bald wieder eine von der Volkssprache ganz verschiedene wird. Eine todte Sprache hingegen, die noch dazu schon für unsre Wissenschaften bearbeitet ist, hat ihre völlig festgesetzte Gestalt, und es bedarf, bei neuentstandenen Begriffen, weiter nichts, als diese, auf eine der Natur dieser Sprache gemäße Art, zu bezeichnen, wie man das Beispiel davon an der Naturlehre, der Botanik u. s. f. hat.Ist nun aber eine allgemeine Sprache für die Gelehrsamkeit, deren Erhaltung und immer weitere Ausbreitung sehr nöthig: so muß man doch entweder die, welche es bisher gewesen, nämlich die lateinische, beibehalten, oder eine der neuern Sprachen dazu wählen, oder eine ganz neue zu diesem Zweck erfinden. Dieses Letztere würde, wie so viele verunglückte Versuche beweisen, große Schwierigkeiten haben; schwerlich würde man ihr, zumal allgemeinen, Eingang verschaffen können; und wozu eine neue erfinden, da wir schon eine unter den Gelehrten überall angenommene haben? – Diese lateinische ist nicht nur einmal im Besitz, und, wenn es eben sowohl Pflicht ist, gute Gelehrte als gute Bürger zu ziehen; wenn es uns wahrer Ernst ist, Aufklärung, mithin auch Gelehrsamkeit, möglichst weit auszubreiten: so müssen wir diese Sprache zu erhalten, und ihre Kenntniß bei allen, die Gelehrte seyn wollen, zu befördern suchen, weil sie gerade die bekannteste bei allen Nationen ist, wo eigentliche Gelehrsamkeit blüht. Sie ist auch, eben durch den langen Gebrauch, den bereits erfolgten Erweiterungen und Aufklärungen in den Wissenschaften, mehr als eine andere, wenigstens ältere Sprache, und umgekehrt, es sind diese aufgeklärtern Begriffe dieser Sprache so angeschmiegt worden; sie hat auch so sehr alle eigentliche Wissenschaften, namentlich die gelehrten Vorstellungen in der Religion, so durchdrungen, und in allen Wissenschaften ist der Sprachgebrauch so an sie gebunden, daß |c128| wir ihre Kenntniß, ohne eine gänzliche Umschmelzung der Wissenschaften, nicht einbüßen können. Sollte sie auch, wie nicht zu läugnen ist, von manchen neuern Sprachen übertroffen werden: so würde es nicht nur schwer, ja, nach der jetzigen Verfassung der Welt unmöglich seyn, einer neuern Sprache eben die ausgebreitete Herrschaft zu verschaffen: es würde sogar eben darum nicht rathsam seyn, weil und so lange sie eine lebende Sprache ist. Denn eine solche ist beständigen Veränderungen unterworfen, und nach einiger Zeit, nicht wo den meisten unverständlich, doch wenigstens nicht mehr so reitzend; es gehen zu viele Mängel einer auch vom gemeinen Volke gebrauchten Sprache, Nebenbegriffe, die den Wörtern anhängen u. dergl., in die Wissenschaften über, daß diese darüber ihre Bestimmtheit verlieren; oder man muß diesem Schaden immer so durch neue Bestimmungen entgegenarbeiten, daß die gelehrte Sprache bald wieder eine von der Volkssprache ganz verschiedene wird. Eine todte Sprache hingegen, die noch dazu schon für unsre Wissenschaften bearbeitet ist, hat ihre völlig festgesetzte Gestalt, und es bedarf, bei neuentstandenen Begriffen, weiter nichts, als diese, auf eine der Natur dieser Sprache gemäße Art, zu bezeichnen, wie man das Beispiel davon an der Naturlehre, der Botanik u. s. f. hat.
Anm. Man wird einwenden: „es ließe sich vieles nicht lateinisch, wenigstens nicht mit Einem Wort, ausdrucken, da der neuen Entdeckungen, Bestimmungen und Einrichtungen immer mehr würden, für welche die lateinische Sprache noch keine Ausdrücke habe.“ Diesem Mangel kann man dadurch abhelfen, daß man entweder Wörter, die man nicht entbehren kann, in die zu unserm Gebrauch bestimmte lateinische Sprache aufnimmt, oder den schon vorhandenen lateinischen Ausdruck jenem neuen Begriff an|c129|schmiegt. – „Aber so wird das Latein barbarisch werden, wie man an dem Beispiel der Scholastiker und ihres Gleichen sieht!“ Diese Besorgniß wird sehr übertrieben; denn die Scholastiker druckten sich auch da schlecht lateinisch aus, wo man sich weit besser ausdrucken konnte: sie verderbten also das Latein, weil es ihnen theils an Geschmack, theils an Kenntniß des Reichthums und der Schönheit dieser Sprache fehlte, und sie des guten Lateins nicht mächtig waren. Wie viel sich hier, ohne besorgliche Barbarei, thun ließe, zeigen die Beispiele Cicero's und einiger andern trefflichen lateinischen Schriftsteller . – Auch ist noch erst die Frage, was den Namen des Barbarischen, als eines Fehlers in einer Sprache, verdiene? Gewiß das nicht, wofür sonst gar kein Ausdruck in einer Sprache vorhanden ist, und was durch den öftern Gebrauch ohnehin seine fremde Gestalt verliert. – Endlich sollte man nicht vergessen, daß hier von einer gemeinsamen Sprache der Gelehrten die Rede sei, die man also immerhin da nicht gebrauchen mag, wo man nicht über gelehrte Sachen, oder nicht bloß für Gelehrte reden oder schreiben will.

127.

Drittens (§. 125. ) wäre es allerdings für die Wissenschaften und für die Menschen selbst sehr heilsam, wenn für eigentlich gelehrte Sachen eine den Gelehrten eigenthümliche Sprache, dergleichen die bisher in dieser Absicht aufgenommene lateinische ist, gebraucht würde. – Für die Wissenschaften: zuerst schon deswegen, weil in einer der Gelehrsamkeit besonders gewidmeten Sprache die Wörter bestimmter, folglich zur genauern Kenntniß brauchbarer sind, als in einer solchen, die eben sowohl vom Volke gebraucht wird, wo daher Mißverstand und Uebergang schwankender Begriffe in die Sprache viel leichter ist. Noch |c130| mehr aber, weil für die eigentlichen Wissenschaften nichts nachtheiliger ist, als die Verwirrung, die durch Halbkenner angerichtet wird, welche auch mitsprechen wollen, ohne die dazu unentbehrlichen Vorkenntnisse, die nöthige Einsicht in die Beschaffenheit und den Werth scharfsinniger Bestimmungen oder Einschränkungen, und die erforderliche Uebung in gelehrten und ihnen nicht geläufigen Untersuchungen zu haben; wozu sie um so eher versucht werden, je mehr sie sich einbilden, die Sache zu verstehen, weil ihnen die Sprache bekannt ist, in der diese ausgedrückt sind.Drittens (§. 125. ) wäre es allerdings für die Wissenschaften und für die Menschen selbst sehr heilsam, wenn für eigentlich gelehrte Sachen eine den Gelehrten eigenthümliche Sprache, dergleichen die bisher in dieser Absicht aufgenommene lateinische ist, gebraucht würde. – Für die Wissenschaften: zuerst schon deswegen, weil in einer der Gelehrsamkeit besonders gewidmeten Sprache die Wörter bestimmter, folglich zur genauern Kenntniß brauchbarer sind, als in einer solchen, die eben sowohl vom Volke gebraucht wird, wo daher Mißverstand und Uebergang schwankender Begriffe in die Sprache viel leichter ist. Noch |c130| mehr aber, weil für die eigentlichen Wissenschaften nichts nachtheiliger ist, als die Verwirrung, die durch Halbkenner angerichtet wird, welche auch mitsprechen wollen, ohne die dazu unentbehrlichen Vorkenntnisse, die nöthige Einsicht in die Beschaffenheit und den Werth scharfsinniger Bestimmungen oder Einschränkungen, und die erforderliche Uebung in gelehrten und ihnen nicht geläufigen Untersuchungen zu haben; wozu sie um so eher versucht werden, je mehr sie sich einbilden, die Sache zu verstehen, weil ihnen die Sprache bekannt ist, in der diese ausgedrückt sind.

128.

Eben so nützlich wäre es für solche Menschen selbst, welche gelehrte Untersuchungen nichts angehen, wenn ihnen der Zugang dazu durch den Gebrauch einer gelehrten Sprache erschwert würde. So erführen sie vieles nicht einmal, was ihre Neugier reitzt, sie zu unnöthigen Spekulationen verleitet, von nützlichern Untersuchungen oder Beschäftigungen abzieht, und sie in schädliche Zweifel oder Irrthürmer stürzt, welchen sie aus den vorhin genannten Ursachen nicht gewachsen sind. Wie viel Zeitvertreib und Verwirrung des Volks würde verhütet werden, wenn Gelehrte gleichsam hinter dem Vorhange einer nur ihnen verständlichen Sprache, ohne vom Volke gehört oder gelesen zu werden, erst unter sich, nach reifer Untersuchung ausmachen könnten, was wahr und was gemein zu machen heilsam wäre, und alsdann nur das Ausgesuchte, Sichere und Gemeinnützige zur Kenntniß der Ungelehrten brächten.Eben so nützlich wäre es für solche Menschen selbst, welche gelehrte Untersuchungen nichts angehen, wenn ihnen der Zugang dazu durch den Gebrauch einer gelehrten Sprache erschwert würde. So erführen sie vieles nicht einmal, was ihre Neugier reitzt, sie zu unnöthigen Spekulationen verleitet, von nützlichern Untersuchungen oder Beschäftigungen abzieht, und sie in schädliche Zweifel oder Irrthürmer stürzt, welchen sie aus den vorhin genannten Ursachen nicht gewachsen sind. Wie viel Zeitvertreib und Verwirrung des Volks würde verhütet werden, wenn Gelehrte gleichsam hinter dem Vorhange einer nur ihnen verständlichen Sprache, ohne vom Volke gehört oder gelesen zu werden, erst unter sich, nach reifer Untersuchung ausmachen könnten, was wahr und was gemein zu machen heilsam wäre, und alsdann nur das Ausgesuchte, Sichere und Gemeinnützige zur Kenntniß der Ungelehrten brächten.
Anm. 1. Unverkennbar ist der Schade, den nicht nur höhere Wissenschaften, wozu gar viele Kenntniß, und, um das dahin Gehörige genau zu beurtheilen, etwas mehr als schlich|c131|ter Menschenverstand erfordert wird, sondern auch gemeinverständlichere und gemeinnützlichere Wissenschaften, selbst Religion und Moral, selbst Gewissen und Gemüthsruhe, öffentliche und Privatglückseligkeit, dadurch leiden, daß Alles, worüber sich nur reden und schreiben läßt, dem verständigen und unverständigen Publicum in der Muttersprache oder in einer gemeinbekannten vorgelegt wird. – Dieß muß jedem unbefangenen Beobachter so einleuchten, daß der Vorwurf von Mißgunst, der bisweilen dem Gebrauche einer nur den Gelehrten bekannten Sprache, bei gelehrten Sachen oder einer scharfsinnigern Behandlung auch sonst gemeinnütziger Sachen, gemacht worden, eben so ungereimt ist, als wenn man den Pädagogen Mißgunst vorwerfen wollte, wenn sie Kinder verhindern, nicht Alles durch einander zu lesen, und es bedauern, daß Kinder Gelegenheit haben, allerlei zu hören und zu lesen, wodurch sie Zweifel, Leichtsinn und Laster frühzeitiger kennen lernen, als sie dagegen bewaffnet sind, und überkluge Schwätzer werden, an welchen man seine Schande zieht. Aufklärung ist unschätzbar, und kann nicht genug befördert werden; aber doch nur dann und bei dem, wo sie nicht ein Scheermesser in der Hand eines Kindes ist.
Anm. 2. Wo sie dieses sei? dieses erfordert allerdings eine weit bedächtigere und reifere Ueberlegung, als der große Haufe der Eiferer für oder wider Aufklärung anzustellen oder nur zu begreifen fähig ist. Es bloß im Allgemeinen zu bestimmen, kann wenig Nutzen haben; die Umstände derer, die aufklären wollen, müssen dabei eben so sehr in Anschlag genommen werden, als die Umstände derer, die durch sie aufgeklärt werden sollen. Und eben um so nöthiger wäre bei einzelnen wichtigen oder für wichtig gehaltenen Gegenständen, daß die, die am meisten aufzuklären fähig sind, vorher, ungehört von denen, die der Aufklärung zu bedürfen scheinen, unter sich ausmachen möchten, ob und wie weit, den Umständen nach, eine gewisse Aufklärung nöthig |c132| und nützlich sei. – Hier liegt die weitere Entwickelung dieser Sache zu sehr außer dem Wege.
{Gegen das, was in dem vorstehenden Abschnitt über die Wünschenswürdigkeit einer allgemeinen Beibehaltung der lateinischen Sprache gesagt ist, dürften sich allerdings manche erhebliche Einwürfe machen lassen. Der Hauptvortheil des Lateinschreibens bleibt unstreitig die dadurch beförderte Verbreitung gewisser Ideen und Kenntnisse in fremden Ländern. Wir Deutschen werden immer davon den geringsten Vortheil ziehen, da wir fleißig und gutmüthig genug sind, fast alle Sprachen zu lernen, so daß uns schwerlich irgend etwas Bedeutendes, was im Auslande geschrieben wird, fremd bleibt, indem theils Uebersetzungen, theils literarische Journale dafür sorgen, es uns mitzutheilen. So machen wir in allen Ländern Europens wissenschaftliche Eroberungen, und erfahren oft gleichzeitig, was in ihnen Neues entdeckt oder geschrieben ist. {Gegen das, was in dem vorstehenden Abschnitt über die Wünschenswürdigkeit einer allgemeinen Beibehaltung der lateinischen Sprache gesagt ist, dürften sich allerdings manche erhebliche Einwürfe machen lassen. Der Hauptvortheil des Lateinschreibens bleibt unstreitig die dadurch beförderte Verbreitung gewisser Ideen und Kenntnisse in fremden Ländern. Wir Deutschen werden immer davon den geringsten Vortheil ziehen, da wir fleißig und gutmüthig genug sind, fast alle Sprachen zu lernen, so daß uns schwerlich irgend etwas Bedeutendes, was im Auslande geschrieben wird, fremd bleibt, indem theils Uebersetzungen, theils literarische Journale dafür sorgen, es uns mitzutheilen. So machen wir in allen Ländern Europens wissenschaftliche Eroberungen, und erfahren oft gleichzeitig, was in ihnen Neues entdeckt oder geschrieben ist.
Daß aber die Kultur und allgemeine Aufklärung einer Nation in eben dem Grade gewinnt, in welchem ihre eigne Sprache ausgebildet, und eben sowohl auf wissenschaftliche als auf andere Gegenstände angewendet wird, ist durch die Geschichte aller Nationen bewiesen. Darum ehren wir ja auch Männer, die, so fähig sie waren, Latein zu schreiben, und es auch wirklich häufig thaten, dennoch, wie Thomasius und Wolf, auch über wissenschafliche Gegenstände deutsch schrieben, und dadurch der Sprache einen so großen Dienst leisteten.Daß aber die Kultur und allgemeine Aufklärung einer Nation in eben dem Grade gewinnt, in welchem ihre eigne Sprache ausgebildet, und eben sowohl auf wissenschaftliche als auf andere Gegenstände angewendet wird, ist durch die Geschichte aller Nationen bewiesen. Darum ehren wir ja auch Männer, die, so fähig sie waren, Latein zu schreiben, und es auch wirklich häufig thaten, dennoch, wie Thomasius und Wolf, auch über wissenschafliche Gegenstände deutsch schrieben, und dadurch der Sprache einen so großen Dienst leisteten.
Der Nachtheil, der aus dem Popularisiren gewisser Untersuchungen, welche mit den heiligsten Angelegenheiten der heil. Schrift zusammenhängen, entstehen kann, ist wohl schwerlich darauf zu schieben, daß man weniger lateinisch schrieb, sondern mehr auf den Ton, worin man es schreibt. Noch weit mehr aber, weil so vielen die Gewandtheit oder die Schonung fehlt, zu überlegen, ob die freiern Untersuchungen, die sie – gleichviel ob in deutschen, oder lateinischen, oder |c133| französischen Büchern gelesen haben, jedermann, auch den Laien und Ungelehrten, ohne alle Vorbereitung mitgetheilt werden sollten.Der Nachtheil, der aus dem Popularisiren gewisser Untersuchungen, welche mit den heiligsten Angelegenheiten der heil. Schrift zusammenhängen, entstehen kann, ist wohl schwerlich darauf zu schieben, daß man weniger lateinisch schrieb, sondern mehr auf den Ton, worin man es schreibt. Noch weit mehr aber, weil so vielen die Gewandtheit oder die Schonung fehlt, zu überlegen, ob die freiern Untersuchungen, die sie – gleichviel ob in deutschen, oder lateinischen, oder |c133| französischen Büchern gelesen haben, jedermann, auch den Laien und Ungelehrten, ohne alle Vorbereitung mitgetheilt werden sollten.
Endlich dürfte auch nicht zu übersehen seyn, daß bei dem großen Fortschritt in den Wissenschaften, die lateinische, als eine todte Sprache, nicht mehr genügt, um Alles in ihr zu sagen, wenn man recht verstanden seyn will; daß dagegen unsre Sprache auf einer Höhe steht, die mit dem, was sie war, als die Gelehrten fast noch alle Latein schrieben, nicht zu vergleichen ist; daß endlich manche vortreffliche Schriftsteller, selbst große Humanisten – wie Voß u. A. – gerade dieser Fertigkeit entbehren.Endlich dürfte auch nicht zu übersehen seyn, daß bei dem großen Fortschritt in den Wissenschaften, die lateinische, als eine todte Sprache, nicht mehr genügt, um Alles in ihr zu sagen, wenn man recht verstanden seyn will; daß dagegen unsre Sprache auf einer Höhe steht, die mit dem, was sie war, als die Gelehrten fast noch alle Latein schrieben, nicht zu vergleichen ist; daß endlich manche vortreffliche Schriftsteller, selbst große Humanisten – wie Voß u. A. – gerade dieser Fertigkeit entbehren.
Hiermit soll jedoch keineswegs gesagt werden, daß man nachlassen solle, wo möglich alle Studierende zu üben und anzutreiben, sich auch durch Fertigkeit nicht bloß im Lateinlesen, sondern auch im lateinischen Styl zu empfehlen, da diese Uebungen an sich schon mit der Sprache selbst vertrauter machen, wenn auch in späteren Jahren von ihnen selbst gar kein Gebrauch gemacht werden sollte.
A. d. H.[}]
Hiermit soll jedoch keineswegs gesagt werden, daß man nachlassen solle, wo möglich alle Studierende zu üben und anzutreiben, sich auch durch Fertigkeit nicht bloß im Lateinlesen, sondern auch im lateinischen Styl zu empfehlen, da diese Uebungen an sich schon mit der Sprache selbst vertrauter machen, wenn auch in späteren Jahren von ihnen selbst gar kein Gebrauch gemacht werden sollte.
A. d. H.[}]

129.

Wer eine gründliche Kenntniß der lateinischen und griechischen Sprache erlangen will, zumal wenn er sie vorzüglich durch eigenen Fleiß lernen muß, wird nun ebenfalls alles das , mit allen Einschränkungen und Bestimmungen, vor Augen behalten müssen, was oben (§. 68. 90. ) von Erlernung der Sprachen überhaupt gesagt worden ist. In Absicht auf die Sprachlehre wird er wohl thun, wenn er sich an eine, die beste welche man finden kann, zu gewöhnen sucht.
Anm. Unter den lateinischen Sprachlehren zeichnen sich aus:
  • J. J. Scheller's ausführliche lateinische Sprachlehre, dritte vermehrte Auflage, Leipzig 1790. gr. 8., oder für den Anfang:
  • |c134| Desselben kurzgefaßte lateinische Sprachlehre, dritte vermehrte Auflage, Leipzig 1785. gr. 8.
Anm. Unter den lateinischen Sprachlehren zeichnen sich aus:
  • J. J. Scheller's ausführliche lateinische Sprachlehre, dritte vermehrte Auflage, Leipzig 1790. gr. 8., oder für den Anfang:
  • |c134| Desselben kurzgefaßte lateinische Sprachlehre, dritte vermehrte Auflage, Leipzig 1785. gr. 8.
Um der sorgfältig gesammelten Beispiele willen, aus welchen man lernen kann, sich selbst die Regeln abzuziehen:
  • J. H. L. Meierotto lateinische Grammatik in Beispielen, Berlin 1785. 2 Theile, 8.
  • E. J. A. Seyfert's auf Geschichte und Kritik gegründete lateinische Sprachlehre, 1798–1802., auch abgekürzt 1810.
Um der sorgfältig gesammelten Beispiele willen, aus welchen man lernen kann, sich selbst die Regeln abzuziehen:
  • J. H. L. Meierotto lateinische Grammatik in Beispielen, Berlin 1785. 2 Theile, 8.
  • E. J. A. Seyfert's auf Geschichte und Kritik gegründete lateinische Sprachlehre, 1798–1802., auch abgekürzt 1810.
Ganz vorzüglich
  • Wenk's lateinische Sprachlehre, besonders nach der neuen Bearbeitung von Grotenfend. 1816.
  • Praktische Grammatik der lateinischen Sprache von C. G. Bröder, 7te Ausg. Leipzig 1808, gr. 8., so wie die größere, 1812.
Ganz vorzüglich
  • Wenk's lateinische Sprachlehre, besonders nach der neuen Bearbeitung von Grotenfend. 1816.
  • Praktische Grammatik der lateinischen Sprache von C. G. Bröder, 7te Ausg. Leipzig 1808, gr. 8., so wie die größere, 1812.
Unter den griechischen zeichneten sich außer der bekannten Wellerischen oder Märkischen Grammatik, nach Bernhardi's Bearbeitung, neuerlich aus:
  • J. G. Trendelenburg's Anfangsgründe der griechischen Sprache, dritte verbesserte Auflage, 1790. 8.
  • Buttmann's oft gedruckte größere und kleinere griechische Grammatik, und
  • A. Matthiä griechische Grammatik, 1808., nebst dem Auszug, 1809. Auch vergl. mit
  • E. Hermann de emendanda ratione graecae grammaticae, 1801.
Unter den griechischen zeichneten sich außer der bekannten Wellerischen oder Märkischen Grammatik, nach Bernhardi's Bearbeitung, neuerlich aus:
  • J. G. Trendelenburg's Anfangsgründe der griechischen Sprache, dritte verbesserte Auflage, 1790. 8.
  • Buttmann's oft gedruckte größere und kleinere griechische Grammatik, und
  • A. Matthiä griechische Grammatik, 1808., nebst dem Auszug, 1809. Auch vergl. mit
  • E. Hermann de emendanda ratione graecae grammaticae, 1801.

130.

Die feinere Kenntniß der lateinischen Sprache, ihres innern Baues und der Gründe, worauf er beruht, hat man sich sodann durch die sorgfältige Beobachtung bei Lesung der lateinischen Schriftsteller, und durch solche Bücher bekannt zu machen, welche das Eigene dieser Sprache, oft auch dessen Gründe, erklären; oder auf gewöhnliche Fehler unsere Aufmerksamkeit lenken.
  • |c135| Anm. Dahin gehören Christoph. Cellarii Orthographia latina – obss. Longolii, Heumanni, Heusingeri, Schurtzfleischii suisque auxit et Cortii disputationes de usu orthographiae cum orthographia Norisiana typis repetendas, curavit Theoph. Christoph. Harles, Tom. I. et II. Altenburgi 1768. 8.
  • Laurentii Vallensis libri elegantiarum sex, öfters aufgelegt z. B. Colon. 1522. 4. und in seinen Operibus.
  • Thom. Linacri de emendata structura latini sermonis libri VI. oft aufgelegt, z. B. Lips. 1556. 8. und einige andere Schriften, die in Rich. Ketelii de elegantiori latinitate comparanda scriptoribus selectis, Amst. 1713. 4. gesammlet sind. Ferner:
  • Horat. Tursellini de particulis lat. orationis libellus, post curas Iac. Thomasii et Io. Conr. Schwartzii denuo recognitus et auctus, Lips. 1769. 8.
  • Christ. Godofr. Schütz (noch nicht fortgesetzte) Doctrina particularum lat. linguae, Dessav. 1784. gr. 8.
  • Abhandlung über die lateinischen Ellipsen, von Joh. Gottlieb Lindner, Frankfurt 1780. 8.
  • Gasp. Scioppii Grammatica philosophica, nach J. C. Herzog's Ausgabe, August. Vindel. 1712. 8.
  • Franc. Sanctii Minerva s. de caussis lat. linguae liber, cui inserta sunt – quae addidit Gasp. Scioppius et subiectae notae Iac. Perizonii, Edit. 4. Amstel. 1714. gr. 8.
  • Io. Frid. Noltenii Lexicon latinae linguae antibarbarum, der vermehrten Ausgabe, Helmst. 1744. gr. 8., Tomus poster. Lips. 1768., zusammen wieder unter der Jahrzahl 1780.
  • |c135| Anm. Dahin gehören Christoph. Cellarii Orthographia latina – obss. Longolii, Heumanni, Heusingeri, Schurtzfleischii suisque auxit et Cortii disputationes de usu orthographiae cum orthographia Norisiana typis repetendas, curavit Theoph. Christoph. Harles, Tom. I. et II. Altenburgi 1768. 8.
  • Laurentii Vallensis libri elegantiarum sex, öfters aufgelegt z. B. Colon. 1522. 4. und in seinen Operibus.
  • Thom. Linacri de emendata structura latini sermonis libri VI. oft aufgelegt, z. B. Lips. 1556. 8. und einige andere Schriften, die in Rich. Ketelii de elegantiori latinitate comparanda scriptoribus selectis, Amst. 1713. 4. gesammlet sind. Ferner:
  • Horat. Tursellini de particulis lat. orationis libellus, post curas Iac. Thomasii et Io. Conr. Schwartzii denuo recognitus et auctus, Lips. 1769. 8.
  • Christ. Godofr. Schütz (noch nicht fortgesetzte) Doctrina particularum lat. linguae, Dessav. 1784. gr. 8.
  • Abhandlung über die lateinischen Ellipsen, von Joh. Gottlieb Lindner, Frankfurt 1780. 8.
  • Gasp. Scioppii Grammatica philosophica, nach J. C. Herzog's Ausgabe, August. Vindel. 1712. 8.
  • Franc. Sanctii Minerva s. de caussis lat. linguae liber, cui inserta sunt – quae addidit Gasp. Scioppius et subiectae notae Iac. Perizonii, Edit. 4. Amstel. 1714. gr. 8.
  • Io. Frid. Noltenii Lexicon latinae linguae antibarbarum, der vermehrten Ausgabe, Helmst. 1744. gr. 8., Tomus poster. Lips. 1768., zusammen wieder unter der Jahrzahl 1780.
Doch kann man die meisten zuerst angegebenen entbehren , wenn man entweder ein so vollständiges Buch besitzt, wie die vorhin erwähnte Schellersche ausführliche lateinische Sprachlehre, und dessen Praecepta stili bene latini, 2 Tom. 1797., oder wenn tieferes Studium des Lateinischen nicht Hauptzweck ist.

|c136| 131.

Bei der griechischen Sprache, wenn man ihren eigenthümlichen Geist und ihre Feinheiten auffassen will, bedarf es ebenfalls, neben der eignen Beobachtung, des Gebrauchs der schon vorhandenen Hülfsmittel.
Anm. Zu diesen gehören:
  • Libellus animadversionum quibus Iac. Velleri Grammatica graeca emendatur, suppletur, illustratur, auctore Ioh. Frider. Fischero, Lips. 1750–52. in 3 Abtheilungen, 8.
  • Franc. Vigeri de praecipuis graecae dictionis idiotismis liber, cum animadverss. Henr. Hoogeveeni, quibus et suas adiunxit Io. Carol. Zeunius, neueste verbesserte Ausgabe, Leipzig 1789. gr. 8.
  • Henr. Hoogeveen doctrina particularum graecarum recens. breviavit et auxit Christ. Godofr. Schütz, Dessav. 1782. gr. 8.
  • M. Devarii liber de graecae linguae particulis, ed. Reusman 1793. 8.
  • Lamb. Bos Ellipses graecae, öfters aufgelegt, sonderlich mit mehrerer Gelehrten Anmerkungen in G. H. Schäfer Ausgabe, Lips. 1808. 8.
  • Benj. Weiske Pleonasmi graeci. 1807. 8.
  • Graecae linguae dialecti – recognitae opera Mich. Maittaire, post Io. Frider. Reitzium, ed. W. Sturz, 1807. gr. 8. oder in dessen Ermangelung, das Compendium dialectorum graecarum, concinnavit I. I. Facius, Norib. 1782. 8.

132.

Die vollständigste Kenntniß der lateinischen Sprache und des Sprachgebrauches läßt sich von den großen lexicographischen Arbeiten erwarten, welche dem eigentlichen Philologen ganz unentbehrlich sind, indeß dem Anfänger, und für den |c137| gewöhnlichen Gebrauch, allerdings auch die kleineren genügen, und welche bei dem fortgehenden Fleiß der Humanisten noch immer an Gehalt und Zuverlässigkeit gewinnen.
Anm. Zu den größeren Wörterbüchern gehören:
  • Novus linguae et eruditionis Romanae thesaurus, post Rob. Stephani et aliorum curas – locupletatus a Io. Matthia Gesnero, Lips. 1749. 4 Tomi, fol.
  • Forcellini Lexicon totius latinitatis. T. I–IV. Patav. 1771.
  • Scheller's ausführliches lateinisches Lexicon, 7 Bände, 3te Aufl., Leipzig 1804. 8., womit Ausonii Popmae de differentiis verborum itemque de usu antiquae lectionis libri retractati ab Io. Christ. Messerschmid, Dresdae 1769. 8. und Io. Frid. Reitzius de ambiguis, mediis et contrariis, Traj. ad Rhen. 1736. 8. nützlich verbunden werden könnten.
Anm. Zu den größeren Wörterbüchern gehören:
  • Novus linguae et eruditionis Romanae thesaurus, post Rob. Stephani et aliorum curas – locupletatus a Io. Matthia Gesnero, Lips. 1749. 4 Tomi, fol.
  • Forcellini Lexicon totius latinitatis. T. I–IV. Patav. 1771.
  • Scheller's ausführliches lateinisches Lexicon, 7 Bände, 3te Aufl., Leipzig 1804. 8., womit Ausonii Popmae de differentiis verborum itemque de usu antiquae lectionis libri retractati ab Io. Christ. Messerschmid, Dresdae 1769. 8. und Io. Frid. Reitzius de ambiguis, mediis et contrariis, Traj. ad Rhen. 1736. 8. nützlich verbunden werden könnten.
Ueber die Latinität der mittlern Zeiten lieferte Dufresne und Carpentier große Glossarien.
Ein Auszug davon ist:
  • (Joh. Christoph Adelung's) Glossarium manuale ad scriptores mediae et infimae latinitatis, Halae 1771–84. 6 Tomi, 8.
Ein Auszug davon ist:
  • (Joh. Christoph Adelung's) Glossarium manuale ad scriptores mediae et infimae latinitatis, Halae 1771–84. 6 Tomi, 8.
Zu den kleineren Wörterbüchern gehören:
  • G. Matthiae nov. locupl. Lexicon lat.-germ. e. g. lat., Halae 1775. 8.
  • J. C. Scheller's Handlexicon, nach dem Auszuge von G. H. Lünemann, 3 Bände, 1807. gr. 8.
  • L. C. Bauer's deutsch-lateinisches Lexicon, 3te Auflage, 1806. 8.
Hiermit sind auch die Schriftsteller zu vergleichen, welche die lateinische Synonymik bearbeitet haben, namentlich:
  • Gardin Dumesnils Versuch einer allgemeinen lateinischen Synonymik, aus dem Französischen; bearbeitet von J. C. H. Ernesti, 3 Theile, Leipzig 1799–1800. 8.

|c138| 133.

Was von den lateinischen Wörterbüchern (130. ) gesagt ist, gilt ebenfalls von den griechischen. Auch hier fehlt es eben so wenig an vortrefflichen Vorarbeiten.
Anm. Unter ihnen bleibt bei weitem das wichtigste:
  • Thesaurus graecae linguae ab Henr. Stephano constructus, 1572. 4 Tomi, fol. nebst einem besondern Band, der den Appendix enthält, und von dem itzt in England eine neue Ausgabe veranstaltet wird.
Anm. Unter ihnen bleibt bei weitem das wichtigste:
  • Thesaurus graecae linguae ab Henr. Stephano constructus, 1572. 4 Tomi, fol. nebst einem besondern Band, der den Appendix enthält, und von dem itzt in England eine neue Ausgabe veranstaltet wird.
Unter den kleineren das
  • Graecum Lexicon manuale – a Benj. Hederico institutum – locupletatum et – emendatum cura Io. Aug. Ernesti, neue verbesserte Auflage, von C. Chr. Wendler, Leipzig 1788. gr. 8.
  • J. G. Schneider's kritisch griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, Jena und Leipzig 1805. 4.
  • F. M. Riemer's griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, ebendaselbst 1815. 16. gr. 8.
  • J. F. J. Reichenbach's allgemeines griechisch-deutsches Handwörterbuch zum Schulgebrauch, 2 Bände, Leipzig 1801. 2.
Unter den kleineren das
  • Graecum Lexicon manuale – a Benj. Hederico institutum – locupletatum et – emendatum cura Io. Aug. Ernesti, neue verbesserte Auflage, von C. Chr. Wendler, Leipzig 1788. gr. 8.
  • J. G. Schneider's kritisch griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, Jena und Leipzig 1805. 4.
  • F. M. Riemer's griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, ebendaselbst 1815. 16. gr. 8.
  • J. F. J. Reichenbach's allgemeines griechisch-deutsches Handwörterbuch zum Schulgebrauch, 2 Bände, Leipzig 1801. 2.

134.

Was diesen abgeht, kann man ergänzen, und überhaupt die Kenntniß des griechischen und lateinischen Sprachgebrauchs sehr erweitern: entweder aus denen, die das besondern Dialekten Eigene erläutert haben, oder aus den sogenannten Auctoribus linguae latinae und den verschiedenen lateinischen und griechischen Scholiasten, Glossariis und Lexicis, oder aus den Anmerkungen gelehrter Männer zu gedachten ältern Wörterbüchern, dem Hesychius, Pollux, Ammonius, Harpokration, Timäus, Thomas Magister, Moeris und andern, oder ihren Anmerkungen und erklärenden Indicibus, die den besten Hand- und |c139| andern Ausgaben angehängt sind, oder aus den gelehrten Erläuterungen einzelner Stellen alter Schriftsteller.
  • Anm. Ein zahlreiches, obgleich noch vieler Ergänzungen bedürftiges Verzeichniß, enthält der Catalogus Bibliothecae Bunavianae, Tom. I. p. 1873. sq.
  • Carol. du Fresne Glossarium ad Scriptores med. et infimae Graecitatis, Lugd. 1688. in 2 Folianten, ist zur Kenntniß des spätern Griechischen unentbehrlich.

135.

Wie die alten Schriftsteller, und mit welcher Rücksicht, sie gelesen werden müssen: dies kann schon aus den obigen allgemeinen Erinnerungen (§. 72. 86. ) abgenommen werden. Hier noch einige allgemeine Vorschläge, welche diese griechischen und lateinischen Schriftsteller insbesondere angehen. Zuerst müßte man sich eine vorläufige Kenntniß von ihnen und ihren Schriften, von den brauchbarsten Ausgaben, und von den Sachen erwerben, auf die sie sich beziehen, ohne welche man wenigstens bei ihrer Lesung gar nicht fortkommen kann.
Anm. Ueber diese Schriftsteller selbst, ihre Umstände und Schriften hat man bis jetzt noch kein ausführlicheres Werk, als Io. Alb. Fabricii Bibliothecam latinam, Edit. 5., Hamburgi 1721. und 22. in drei Octavbänden, und, zwar etwas verkürzt, aber besser geordnet und vermehrt von Joh. Aug. Ernesti, Leipzig 1773. und 74. in drei Tomm. gr. 8., nebst Fabricii Bibliotheca graeca, Hamb. 1705–28. in 14 Quartbänden, wovon seit 1790–1809 eine 4te ungemein vermehrte Ausgabe durch Gottlieb Christoph Harles Veranstaltung in gr. 4. erschienen ist.
Zu den besten Handbüchern gehören:
  • Theoph. Christoph. Harles Introductio in notitiam litteraturae Romanae inprimis scriptorum latinorum, Nori|c140|berg. 1781. in zwei Theilen, gr. 8., dessen Brevior notitia litteraturae Romanae etc., Lips. 1789. 8.
  • Ebendesselben Introductio in historiam linguae graecae, Ed. 4. Altenburg. 1792–95. 2 Vol. 8.
  • W. v. Fuhrmann's Handbuch der classischen Literatur, oder Anleitung zur Kenntniß der griechischen und römischen Schriftsteller der besten Ausgaben, 4 Bände, Rudolstadt 1804–10.
Zu den besten Handbüchern gehören:
  • Theoph. Christoph. Harles Introductio in notitiam litteraturae Romanae inprimis scriptorum latinorum, Nori|c140|berg. 1781. in zwei Theilen, gr. 8., dessen Brevior notitia litteraturae Romanae etc., Lips. 1789. 8.
  • Ebendesselben Introductio in historiam linguae graecae, Ed. 4. Altenburg. 1792–95. 2 Vol. 8.
  • W. v. Fuhrmann's Handbuch der classischen Literatur, oder Anleitung zur Kenntniß der griechischen und römischen Schriftsteller der besten Ausgaben, 4 Bände, Rudolstadt 1804–10.

136.

Aus diesen literarischen Schriften kann man auch einigermaßen die besten Ausgaben der klassischen Schriftsteller kennen lernen. Der wahre Werth derselben hängt entweder von der Lauterkeit und Richtigkeit des Textes, oder von der Zweckmäßigkeit der Anmerkungen, d. i. davon ab, ob sie gerade so viel enthalten, als nöthig ist, den Autor durchaus zu verstehen. Denn wer die Absicht hat, einen alten Schriftsteller zu lesen, der muß ihn verstehen lernen wollen; er muß also wünschen, durch den, der ihn dabei leiten will, zur Erreichung seiner Absicht, unterhalten, und nicht zerstreuet zu werden; er wird selbst deswegen wünschen, so viel selbst zu thun, als er ohne Anderer Hülfe thun kann. Folglich sind, zu seiner Absicht, alle Erläuterungen von Wörtern und Sachen unnütz, unzulänglich, oder gar hinderlich, die seinen Schriftsteller, oder die Stellen, die er lieset, nicht angehen; die bloß der Zweck der Herausgeber sind, dagegen der alte Schriftsteller selbst nur das Mittel, jene gelegentlich und mit mehrerm Anstand unter die Leute zu bringen; die wenigstens die Aufmerksamkeit zu lange auf andere Sachen, als auf den Sinn des Schriftstellers, ziehen; die gemeinbekannte Sachen enthalten, welche jeder, der einen gewissen Autor |c141| lieset, schon weiß, oder billig wissen muß; die nur einige Schwierigkeiten auflösen, welchen gerade der Commentator wegzuräumen vermochte; und die, anstatt bloß Winke zu geben, um dem Leser auf die Spur zu helfen, durch Anmerkungen zu Bildung des Verstandes, des Geschmacks und Herzens, den Autor selbst dem Leser aus dem Gesicht rücken. Mögen alle solche Commentare in anderer Absicht noch so nützlich seyn, so scheinen zu der hier gemeinten diejenigen Handausgaben die besten, welche einen genau geläuterten Text und so viele, auch nur so weit ausgeführte, Anmerkungen enthalten, als die Aufklärung des Sinnes, in Absicht auf Wörter und Sachen, nothwendig erfordert, ungefähr so, wie wir sie, mehr oder minder, namentlich von mehreren ausgezeichneten deutschen Philologen, einem Gesner, Ernesti, Fischer, Heyne, Morus, Wolf und einigen wenigen Andern erhalten haben.Aus diesen literarischen Schriften kann man auch einigermaßen die besten Ausgaben der klassischen Schriftsteller kennen lernen. Der wahre Werth derselben hängt entweder von der Lauterkeit und Richtigkeit des Textes, oder von der Zweckmäßigkeit der Anmerkungen, d. i. davon ab, ob sie gerade so viel enthalten, als nöthig ist, den Autor durchaus zu verstehen. Denn wer die Absicht hat, einen alten Schriftsteller zu lesen, der muß ihn verstehen lernen wollen; er muß also wünschen, durch den, der ihn dabei leiten will, zur Erreichung seiner Absicht, unterhalten, und nicht zerstreuet zu werden; er wird selbst deswegen wünschen, so viel selbst zu thun, als er ohne Anderer Hülfe thun kann. Folglich sind, zu seiner Absicht, alle Erläuterungen von Wörtern und Sachen unnütz, unzulänglich, oder gar hinderlich, die seinen Schriftsteller, oder die Stellen, die er lieset, nicht angehen; die bloß der Zweck der Herausgeber sind, dagegen der alte Schriftsteller selbst nur das Mittel, jene gelegentlich und mit mehrerm Anstand unter die Leute zu bringen; die wenigstens die Aufmerksamkeit zu lange auf andere Sachen, als auf den Sinn des Schriftstellers, ziehen; die gemeinbekannte Sachen enthalten, welche jeder, der einen gewissen Autor |c141| lieset, schon weiß, oder billig wissen muß; die nur einige Schwierigkeiten auflösen, welchen gerade der Commentator wegzuräumen vermochte; und die, anstatt bloß Winke zu geben, um dem Leser auf die Spur zu helfen, durch Anmerkungen zu Bildung des Verstandes, des Geschmacks und Herzens, den Autor selbst dem Leser aus dem Gesicht rücken. Mögen alle solche Commentare in anderer Absicht noch so nützlich seyn, so scheinen zu der hier gemeinten diejenigen Handausgaben die besten, welche einen genau geläuterten Text und so viele, auch nur so weit ausgeführte, Anmerkungen enthalten, als die Aufklärung des Sinnes, in Absicht auf Wörter und Sachen, nothwendig erfordert, ungefähr so, wie wir sie, mehr oder minder, namentlich von mehreren ausgezeichneten deutschen Philologen, einem Gesner, Ernesti, Fischer, Heyne, Morus, Wolf und einigen wenigen Andern erhalten haben.

137.

Die Sachen, auf welche sich die alten griechischen und römischen Schriftsteller beziehen, und von welchen man wenigstens einige vorläufige Kenntniß haben muß, wenn man nicht alle Augenblicke anstoßen, oder jene Schriftsteller nur halb verstehen, oder sich zur Unzeit bei ihrer Lesung selbst zerstreuen will, sind in der Geschichte, der alten Erdbeschreibung, der Mythologie, den griechischen und römischen Alterthümern zu suchen.
Anm. Zur ersten Grundlage für einen Theil dieser Kenntnisse ist das
  • Handbuch der klassischen Literatur, enthaltend Archäologie, Notiz der Klassiker, Mythologie, griechische Alterthümer, römische Alterthümer, von Joh. Joach. Eschenburg, Berlin 1783. gr. 8.
überaus brauchbar.

|c142| 138.

Die eigentlich hierher gehörige Geschichte betrifft entweder die bürgerlichen Veränderungen in den alten griechischen und römischen Staaten, oder den Zustand und die Schicksale ihrer Literatur und Künste, besonders der Philosophie unter Griechen und Römern. So sehr es uns noch an Büchern fehlt, welche, mit Absonderung aller in anderer Absicht sehr nützlichen Kenntnisse und Untersuchungen, recht eigentlich dazu eingerichtet wären, die, welche diese alten Schriftsteller in ihren Beziehungen und Anspielungen auf gedachte Gegenstände verstehen wollen, dazu, mit Zusammenfassung der erwähnten Kenntnisse, vorzubereiten: so kann man doch die vorhandenen mit Nutzen gebrauchen.
Anm. 1. In Absicht auf die alte griechische Geschichte:
  • Stanyans, unter dem Titel: Histoire de Grèce, traduite de l'Anglois de Mr. Temple Stanyan, Amst. 1744. 8. 3 Tomes, nachgedruckte, und aus den Quellen selbst geschöpfte Geschichte Griechenlands bis auf den Tod K. Philipps von Macedonien; oder das
  • Handbuch der griechischen Alterthümer in Rücksicht auf Genealogie, Geographie, Mythologie, Kunst und Geschichte, zum Gebrauch für die Jugend beim Lesen der Alten, Leipzig 1789. 8.
genügen. Wichtiger ist jedoch
  • John Gillies Geschichte von Altgriechenland, von dessen Uebersetzung vier Theile, Leipzig 1787. gr. 8. erschienen sind; desgl.
  • Mitford's Geschichte Altgriechenlands, aus dem Englischen, 1ster–6ter Theil, Leipzig 1802 f.
und die vortreffliche
  • Voyage du jeune Anacharsis en Grèce (vom Abbé Barthèlémy) mit einem Recueil des Cartes, à Paris 1788. 4 Tomes, gr. 4.
|c143| welche mehrmals nachgedruckt, auch ins Deutsche übersetzt ist, und bei weitem noch mehr als bloße Geschichte enthält.
Anm. 2. Beziehen sich die Werke eines alten Schriftstellers, z. B. Cicero's Briefe, sehr auf die Geschichte ihrer Zeit, so sollte man solche Schriften nicht eher lesen, als bis man sich diese besondere Geschichte, z. B. die in Cicero's Schriften zum Grunde liegende, aus Seb. Corradi Quaestura, wieder aufgelegt Lips. 1752. 8.; The history of the life of M. T. Cicero, by Conyer Middleton, öfters aufgelegt, als London 1767. in 3 Voll. gr. 8. (auch ins Französische und ins Deutsche übersetzt), oder aus Ciceronis vita (quam) ex ipsius scriptis excerpsit et ad Consulum seriem digessit I. C. L. Meierotto, Berol. 1783. 8. bekannt gemacht hätte.

139.

Woran es uns noch unter den zur griechischen und römischen Geschichte gehörigen Schriften fehlt, eben dies vermißt man auch bei Schriften, welche den Zustand der Künste und Wissenschaften, namentlich der Philosophie, bei beiden Völkern betreffen.
Anm. Doch verdienen empfohlen zu werden:
  • M. Tullii Ciceronis historia philosophiae antiquae, collecta, illustrata et amplificata a F. Gedike, Berol. 1781. gr. 8.
  • Geschichte des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom, von C. Meiners, Lemgo 1781. und 1782. 2 Bände, gr. 8.

140.

Bei der alten Erdbeschreibung hat es lange an einem Werke gefehlt, das, bei der möglichsten Vollständigkeit, nach eigener sorgfältigen Untersuchung und mit Benutzung der wirklich sichern und brauchbaren Entdeckungen einiger wenigen eigentlichen Kenner, auch mit möglichster |c144| Vergleichung der ältern und neuern Topographie, zwischen der weitläufigern Sprache die Mitte hielte. Doch ist besonders durch Mannert und einiger Andere diesem Bedürfniß abgeholfen.
Anm. Zu den weitläufigern Werken gehören:
  • Notitia orbis antiqui von Christoph. Cellario mit Io. Conr. Schwartzii Anmerkungen, Leipzig 1731. und 1732. 4.
  • Geographie ancienne abregée par Mr. d'Anville, 3 Tomes, à Paris 1768. gr. 12.
  • Handbuch der alten Erdbeschreibung, zum Gebrauch der eilf größern Danvillischen Landcharten, (von Hummel, Hieron. Paulus, Stroth, Bruns, Dittmar.) Nürnberg 1800, 2 Bände, gr. 8.
  • Geographie der Griechen und Römer, von Konrad Mannert, 1ster–6ter Band, Nürnberg 1788–1812.
Anm. Zu den weitläufigern Werken gehören:
  • Notitia orbis antiqui von Christoph. Cellario mit Io. Conr. Schwartzii Anmerkungen, Leipzig 1731. und 1732. 4.
  • Geographie ancienne abregée par Mr. d'Anville, 3 Tomes, à Paris 1768. gr. 12.
  • Handbuch der alten Erdbeschreibung, zum Gebrauch der eilf größern Danvillischen Landcharten, (von Hummel, Hieron. Paulus, Stroth, Bruns, Dittmar.) Nürnberg 1800, 2 Bände, gr. 8.
  • Geographie der Griechen und Römer, von Konrad Mannert, 1ster–6ter Band, Nürnberg 1788–1812.
Zu den kürzern Handbüchern:
  • J. F. A. Nitsch kurzer Entwurf der alten Geographie, auf's neue herausg. von L. Mannert, 6te Aufl. 1810.
  • H. Schlichtegroll's Handbuch der alten Erdbeschreibung, Bremen 1794.
  • B. F. J. F. Schmieder's Handbuch der alten Erdbeschreibung zum Atlas von 12 Karten, Berlin 1802.
Die einzig guten Charten zur alten Geographie von d'Anville, welche unter dem Titel: Atlas antiquus Danvillianus zu Nürnberg 1784. nachgestochen worden, sind wenigstens unentbehrlich; sonst muß man sich bloß mit den noch sehr unvollkommenen Charten in Cellarii Werk oder Io. Dav. Koeleri Descriptione orbis antiqui in XLIV. tabulis, von Weigel in Nürnberg gestochen, begnügen.

141.

Zu der bei Lesung der Alten so nothwendigen Kenntniß der Mythologie, welche sowohl die Begriffe alter |c145| Völker in ihrem noch rohen Zustande enthält, die sie sich von übermenschlichen Wesen und Naturbegebenheiten machten, als auch die Sagen von den unter ihnen vorgefallenen Ereignissen, sind für den Anfänger die kürzeren Darstellungen der Götter- und Fabelgeschichte am brauchbarsten. Weiterhin mögen auch die mannigfaltigen Versuche, die Mythologie philosophisch zu behandeln, prüfend verglichen werden.
Anm. Zu den ersten gehören:
  • Einleitung in die Götter- und Fabelgeschichte der ältesten griechischen und römischen Welt, durch Christ. Tob. Damm, 6te Auflage, Berlin 1807. 8.
  • Dav. Christoph Seybold's Einleitung in die griechische und römische Mythologie der alten Schriftsteller, 3te Auflage, Leipzig 1797. 8.
  • Karl Wilh. Ramler's kurzgefaßte Mythologie, 2 Theile, Berlin 1790. 8.
  • M. G. Herrmann's Mythologie der Griechen, 2 Bände, Berlin 1811. 8.
Anm. Zu den ersten gehören:
  • Einleitung in die Götter- und Fabelgeschichte der ältesten griechischen und römischen Welt, durch Christ. Tob. Damm, 6te Auflage, Berlin 1807. 8.
  • Dav. Christoph Seybold's Einleitung in die griechische und römische Mythologie der alten Schriftsteller, 3te Auflage, Leipzig 1797. 8.
  • Karl Wilh. Ramler's kurzgefaßte Mythologie, 2 Theile, Berlin 1790. 8.
  • M. G. Herrmann's Mythologie der Griechen, 2 Bände, Berlin 1811. 8.
Zu der zweiten Klasse:
  • Anton Banier's Erläuterung der Götterlehre und Fabeln aus der Geschichte, mit Joh. Adolf und Joh. August Schlegel's, auch Joh. Matthias Schröckh's Anmerkungen, 5 Bände, Leipzig 1754–1766. gr. 8.
  • J. A. Kanne Mythologie der Griechen, Leipzig 1808.
  • C. E. Creuzer Symbolik und Mythologie der alten Völker, 2 Bände, Darmstadt 1811.
Zu der zweiten Klasse:
  • Anton Banier's Erläuterung der Götterlehre und Fabeln aus der Geschichte, mit Joh. Adolf und Joh. August Schlegel's, auch Joh. Matthias Schröckh's Anmerkungen, 5 Bände, Leipzig 1754–1766. gr. 8.
  • J. A. Kanne Mythologie der Griechen, Leipzig 1808.
  • C. E. Creuzer Symbolik und Mythologie der alten Völker, 2 Bände, Darmstadt 1811.
Ein sehr nutzbares Handbuch zur allgemeinern Uebersicht sind:
  • Christoph. Saxi Tabulae genealogicae, s. Stemmata deorum, regum, – principum – qui per tempus – mythicum vixisse – creduntur, Ultraject. 1783. in Folio, ob es gleich einen weitern Umfang hat als bloße Mythologie.
Ein sehr nutzbares Handbuch zur allgemeinern Uebersicht sind:
  • Christoph. Saxi Tabulae genealogicae, s. Stemmata deorum, regum, – principum – qui per tempus – mythicum vixisse – creduntur, Ultraject. 1783. in Folio, ob es gleich einen weitern Umfang hat als bloße Mythologie.
Wollte man besonders die alten Dichter recht anschaulich verstehen lernen, so müßte man die Daktyliothek von Phil. Dan. Lippert, Erstes und Zweites Tausend, in 2 Bänden, |c146| Leipzig 1767. 4., und das Supplement dazu 1776. 4. nebst den dazu gehörigen Abdrücken geschnittener Steine, zu Rathe ziehen, oder, weil dieser Schatz wegen seiner Kostbarkeit nicht überall zu haben ist, an dessen Stelle den Versuch einer mythologischen Dactyliothek für Schulen – von Anton Ernst Klausing, Leipzig 1781. gr. 8., ebenfalls mit den Abdrücken, benutzen.
Ueber den Geist dieser Mythologie, oder ihren Sinn, nebst ihrer verschiedenen Gestalt und Veränderungen zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Schriftstellern, geben die Heynischen und Hermannischen Schriften, welche man §. 313. der dritten Auflage meiner Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie angezeigt findet, die besten Aufschlüsse.

142.

Diese bisher §. 137 f. erwähnten Schriften und Werke enthalten selbst Einiges, das zur bessern Kenntniß der, wenigstens gottesdienstlichen, griechischen und römischen Alterthümer dient. Die Kenntniß derselben ist selbst zur Erklärung vieler Stellen des alten und neuen Testaments nothwendig, und kann bei der Lesung der Classiker gar nicht entbehrt werden.
Anm. In Absicht der griechischen Alterthümer, bemerke man unter den mehr systematischen Büchern, vorzüglich:
  • Johann Potter's griechische Archäologie oder Alterthümer Griechenlandes mit Anmerkungen und Zusätzen von Joh. Jac. Rambach, 3 Bände, Halle 1775–1778. gr. 8.
  • Desgleichen J. F. A. Nitsch Beschreibung des häuslichen, gottesdienstlichen etc. Zustandes der Griechen; fortgesetzt von Höpfner und Köpke, 4 Bände, Erfurt 1791–1806. 8.
Anm. In Absicht der griechischen Alterthümer, bemerke man unter den mehr systematischen Büchern, vorzüglich:
  • Johann Potter's griechische Archäologie oder Alterthümer Griechenlandes mit Anmerkungen und Zusätzen von Joh. Jac. Rambach, 3 Bände, Halle 1775–1778. gr. 8.
  • Desgleichen J. F. A. Nitsch Beschreibung des häuslichen, gottesdienstlichen etc. Zustandes der Griechen; fortgesetzt von Höpfner und Köpke, 4 Bände, Erfurt 1791–1806. 8.
Wenn man sich bei den römischen Alterthümern erst ein kürzeres Lehrbuch bekannt gemacht hat, unter welchen Christoph. Cellarii Compendium antiquitatum romana|c147|rum c. adnott. I. E. I. Walchii, Edit. 3. Halae 1774. 8. Ge. Hen. Nieupoort rituum, qui olim apud Romanos obtinuerunt, succincta explicatio, Edit. 13. Berol. 1767. gr. 8., auch Edit. 6. (Ultraiectina) curant. Guil. Ottone et Io. Freder. Reitzio, gr. 8. 1774., und Io. Frid. Gruneri introductio in antiquitates Romanas, Jenae 1748. 8. die besten sind: so kann man hernach Georg Christian Maternus von Cilano ausführliche Abhandlung der römischen Alterthümer, in Ordnung gebracht von Georg Christ. Adler, Altona 1775. und 1776., in vier Theilen, 8. (die ein Commentar über den Nieupoort, aber von viel weiterm Umfange ist) dazu nehmen, und damit G. C. Adler's ausführliche Beschreibung der Stadt Rom, Altona 1781. 4.; die Schrift: Ueber Sitten und Lebensart der Römer in verschiedenen Zeiten der Republik, von J. H. L. Meierotto, Berlin 1776. in zwei Theilen, 8., und E. Meiner's Geschichte des Verfalls der Sitten und der Staatsverfassung der Römer, Leipzig 1782. 8. verbinden.
Brauchbare Handbücher sind auch:
  • P. E. A. Nitsch Beschreibung des häuslichen etc. Zustandes der Römer, 2 Bände, Erfurt 1790. 8.
  • Adam's Handbuch der römischen Alterthümer. Aus dem Engl. von Meyer, 2 Bände, Erlangen 1806.
  • J. L. Meyer's Lehrbuch der römischen Alterthümer, Erlangen 1806.
Hinsichts des großen Einflusses der Kenntniß des römischen Kriegswesens auf die rechte Einsicht des Verstandes vieler Stellen bei römischen Schriftstellern sind die Römischen Kriegsalterthümer, von Rösch und Nast, Halle 1782. gr. 8. sehr zu empfehlen.

143.

Hat man sich durch die bisher (§. 135 f.) erwähnten Kenntnisse zum Lesen griechischer und lateinischer Schriftstel|c148|ler vorbereitet, so werden ferner folgende Vorschläge bei dem Lesen nicht undienlich seyn. 1) Weil der, welcher diese Schriftsteller für sich lesen will, gemeiniglich schon vorher einen Unterricht in alten Sprachen und, nach unsern Einrichtungen, weit mehr in der lateinischen als in der griechischen, in letzterer oft so viel als gar nicht, bekommen hat; und weil man bei Lesung der römischen Schriftsteller gemeiniglich auch mit die Absicht hat, sich eine Fertigkeit im lateinischen Ausdruck zu erwerben; ja, weil selbst die Hülfsmittel zur Erlernung des Griechischen und die erklärenden Anmerkungen in den Ausgaben griechischer Schriftsteller fast durchgehends in lateinischer Sprache abgefaßt sind: so ist es rathsam, lateinische Schriftsteller eher als griechische zu lesen. Wäre dieß alles nicht der Fall, so wäre es viel nützlicher und vernünftiger, mit den griechischen anzufangen. Denn die römischen Schriftsteller haben die griechischen nachgeahmt und copirt, können also weit besser verstanden werden, wenn man diese schon voraus kennt; und man würde auf diese Art die fortschreitende Kultur des menschlichen Verstandes und Herzens, auch der davon abhängenden Begriffe, Grundsätze und Sitten, weit besser wahrnehmen.Hat man sich durch die bisher (§. 135 f.) erwähnten Kenntnisse zum Lesen griechischer und lateinischer Schriftstel|c148|ler vorbereitet, so werden ferner folgende Vorschläge bei dem Lesen nicht undienlich seyn. 1) Weil der, welcher diese Schriftsteller für sich lesen will, gemeiniglich schon vorher einen Unterricht in alten Sprachen und, nach unsern Einrichtungen, weit mehr in der lateinischen als in der griechischen, in letzterer oft so viel als gar nicht, bekommen hat; und weil man bei Lesung der römischen Schriftsteller gemeiniglich auch mit die Absicht hat, sich eine Fertigkeit im lateinischen Ausdruck zu erwerben; ja, weil selbst die Hülfsmittel zur Erlernung des Griechischen und die erklärenden Anmerkungen in den Ausgaben griechischer Schriftsteller fast durchgehends in lateinischer Sprache abgefaßt sind: so ist es rathsam, lateinische Schriftsteller eher als griechische zu lesen. Wäre dieß alles nicht der Fall, so wäre es viel nützlicher und vernünftiger, mit den griechischen anzufangen. Denn die römischen Schriftsteller haben die griechischen nachgeahmt und copirt, können also weit besser verstanden werden, wenn man diese schon voraus kennt; und man würde auf diese Art die fortschreitende Kultur des menschlichen Verstandes und Herzens, auch der davon abhängenden Begriffe, Grundsätze und Sitten, weit besser wahrnehmen.
Anm. Es gehört zu den neueren Erscheinungen, daß man in Schulen angefangen hat, dem Griechischen mit dem Lateinischen gleichen Rang anzuweisen; ja, es fast noch eifriger zu treiben, und selbst darin schreiben zu lassen. Dieß ist an sich, wegen des hohen Werthes der griechischen Literatur, erfreulich. Nun traten auch hie und da Uebertreibungen ein: das, wenn man mit den allgemeinern und vielfachern Gebrauch sieht, doch unentbehrlichere Latein wurde fast vernachlässigt, und man hat sogar schon von Seiten der obern Behörden für nöthig gefunden, vor diesem letzteren Fehler zu warnen. M. s. §. 123.
A. d. H.

|c149| 144.

So nützlich 2) Chrestomathien oder Excerpte aus mehrern alten Schriftstellern für den seyn mögen, der die ganzen Schriftsteller nicht haben kann, oder für den Anfänger, der vorerst den nothdürftigsten Sprachgebrauch lernen, oder einen allgemeinen Vorschmack von mehreren Schriftstellern und ihrem Unterschiede erlangen will: so bleibt es doch viel besser, ganze Schriftsteller in eins fort zu lesen, ehe man zu andern fortschreitet. Denn außer dem, daß es unnatürlich ist und zur Unbeständigkeit gewöhnt, etwas aufzugeben, was man angefangen, und was uns gefallen hat, wird man durch das anhaltende Lesen eines guten Schriftstellers besser mit seinem Inhalt, so wie mit seiner eigenthümlichen Denk- und Schreibart, bekannt, lernt ihn daher, und wenn man einmal im Gange ist, besser verstehen, und gewöhnt sich leichter, wenn man gar die Absicht hat, seinen Ausdruck nach einem solchen Schriftsteller zu bilden, an eine gewisse Gleichheit und Reinigkeit des Ausdrucks.So nützlich 2) Chrestomathien oder Excerpte aus mehrern alten Schriftstellern für den seyn mögen, der die ganzen Schriftsteller nicht haben kann, oder für den Anfänger, der vorerst den nothdürftigsten Sprachgebrauch lernen, oder einen allgemeinen Vorschmack von mehreren Schriftstellern und ihrem Unterschiede erlangen will: so bleibt es doch viel besser, ganze Schriftsteller in eins fort zu lesen, ehe man zu andern fortschreitet. Denn außer dem, daß es unnatürlich ist und zur Unbeständigkeit gewöhnt, etwas aufzugeben, was man angefangen, und was uns gefallen hat, wird man durch das anhaltende Lesen eines guten Schriftstellers besser mit seinem Inhalt, so wie mit seiner eigenthümlichen Denk- und Schreibart, bekannt, lernt ihn daher, und wenn man einmal im Gange ist, besser verstehen, und gewöhnt sich leichter, wenn man gar die Absicht hat, seinen Ausdruck nach einem solchen Schriftsteller zu bilden, an eine gewisse Gleichheit und Reinigkeit des Ausdrucks.

145.

Wollte man – wie hier immer vorausgesetzt wird – alte Schriftsteller für sich lesen, und wäre im Griechischen oder Lateinischen noch sehr zurück, so wäre 3) zu rathen, daß man – da ein Anfänger zunächst erst des Sprachgebrauchs mächtig werden muß – ganz leichte Schriftsteller läse, und sich dabei solcher Ausgaben bediente, wo in Anmerkungen oder Registern die Bedeutungen der Wörter und Redensarten, auch wohl schwerere Formen, erklärt werden. Ist man etwas weiter, so sind solche Glossarien, wo nur das Schwere und dem Schriftsteller Eigenthümliche mit we|c150|nig Worten erklärt wird, oft sogar recht vollständige Indices, zu dieser Absicht vollkommen zureichend.Wollte man – wie hier immer vorausgesetzt wird – alte Schriftsteller für sich lesen, und wäre im Griechischen oder Lateinischen noch sehr zurück, so wäre 3) zu rathen, daß man – da ein Anfänger zunächst erst des Sprachgebrauchs mächtig werden muß – ganz leichte Schriftsteller läse, und sich dabei solcher Ausgaben bediente, wo in Anmerkungen oder Registern die Bedeutungen der Wörter und Redensarten, auch wohl schwerere Formen, erklärt werden. Ist man etwas weiter, so sind solche Glossarien, wo nur das Schwere und dem Schriftsteller Eigenthümliche mit we|c150|nig Worten erklärt wird, oft sogar recht vollständige Indices, zu dieser Absicht vollkommen zureichend.

146.

Und weil es vernünftig ist, vom Leichtern zum Schwerern fortzugehen, so ist es 4) auch rathsamer, eher prosaische Schriftsteller, wenigstens leichtere, als Dichter, den Homer etwa ausgenommen, mit dem ja auch die Römer anfingen, zu lesen; selbst deswegen, weil der Geschmack leichter durch die Lesung der letztern verwöhnt, und zu sehr an das Hervorstechende gewöhnt wird, zumal wenn man durch Lesung der Alten selbst seine Denk- und Schreibart bilden will. – Aus eben diesem Hauptgrunde würde man auf Schriften, welche gemeinbekannte Sachen enthalten, erst Geschichtschreiber, und auf diese erst philosophische Werke folgen lassen müssen, wenn nicht der schwerere Vortrag eines Schriftstellers in jenen erfordert, sie bis nach diesen zu verschieben. Im Griechischen würde man auch wohl thun, Schriftsteller von einerlei Dialekt zusammen zu nehmen, wenn hier jene angegebenen Ursachen nicht wieder eine Ausnahme erforderten.Und weil es vernünftig ist, vom Leichtern zum Schwerern fortzugehen, so ist es 4) auch rathsamer, eher prosaische Schriftsteller, wenigstens leichtere, als Dichter, den Homer etwa ausgenommen, mit dem ja auch die Römer anfingen, zu lesen; selbst deswegen, weil der Geschmack leichter durch die Lesung der letztern verwöhnt, und zu sehr an das Hervorstechende gewöhnt wird, zumal wenn man durch Lesung der Alten selbst seine Denk- und Schreibart bilden will. – Aus eben diesem Hauptgrunde würde man auf Schriften, welche gemeinbekannte Sachen enthalten, erst Geschichtschreiber, und auf diese erst philosophische Werke folgen lassen müssen, wenn nicht der schwerere Vortrag eines Schriftstellers in jenen erfordert, sie bis nach diesen zu verschieben. Im Griechischen würde man auch wohl thun, Schriftsteller von einerlei Dialekt zusammen zu nehmen, wenn hier jene angegebenen Ursachen nicht wieder eine Ausnahme erforderten.
Anm. 1. Besondere Vorschläge von der bequemsten Ordnung, in der man alte Schriftsteller nach einander lesen möchte, lassen sich nicht allgemein geben, da die Absichten, warum man ihre Werke lieset, sehr verschieden sind, und die gemeldeten Regeln oft einander in den Weg kommen. – Im Lateinischen würde man sehr wohl den Phädrus, Nepos und Terenz, den Cäsar und Sallust, Cicero's Lälius und Cato, seine Briefe, seine philosophischen, seine rhetorischen Werke und seine Reden, mit Quinctilian's Instit. orat., den Livius, Suetonius und Tacitus den Plautus, und so die übrigen nach Befinden auf einander folgen lassen können. Nach den leichtesten unter diesen Prosaikern |c151| könnten schon Ovid und Virgil, sodann, nach den etwas schwerern, Horaz und andere gelesen werden.
Anm. 2. Im Griechischen könnte man, nach der §. 145. angegebenen Vorbereitung, mit Aelian's vermischten Geschichten und mit Epiktet's Enchiridion sowohl, als mit Arrians Commentarien den Anfang machen; hernach vorzüglich den Xenophon, und überhaupt die besten attischen Prosaisten, sowohl Philosophen, vornehmlich Platon's und Aeschines Dialogen, und Theophrast's Charaktere, sodann, nach Aristoteles Rhetorik, den Isokrates, nebst den in der Reiskischen Sammlung enthaltenen Rednern, lesen. Nun könnten, und, wenn man gerade nicht attische Schriftsteller gleich zusammen nehmen wollte, auch schon gleich nach Xenophon, die Geschichtschreiber, hauptsächlich Herodot, Thukydides, Polybius, Plutarch, auch Josephus, und von spätern Arrian, Appian und Herodian eintreten. Die Dichter können sehr wohl mit den andern abwechseln. Homer muß billig allen vorgehen, und Hesiod kann ihm folgen. Vom Anakreon, Theokrit, Moschus und Bion mag man zu den attischen Tragikern und Komikern fortschreiten, und alsdann den Pindar und Kallimachus hinzufügen. Gut wäre es doch, Aristoteles Poetik mit diesen Dichtern zu verbinden.
Andere, sonderlich spätere oder unbeträchtlichere Schriftsteller zu erwähnen, erlaubt die hier nöthige Kürze und eingeschränkte Absicht nicht, die eigentlich auf die Muster des griechischen und lateinischen Vortrages geht. Man vergl. K. G. Schelle, welche alte classische Auctoren, wie, in welcher Folge und Verbindung soll man sie auf Schulen lesen? 2 Bände, Leipzig 1804. 8.

147.

Bei einer solchen Menge von griechischen und römischen Schriftstellern versteht sichs von selbst, 5) daß viele, zumal |c152| wenn man sich nicht ganz eigen diesem Studium widmet, nur cursorisch gelesen werden müssen. Je leichter ein Schriftsteller, und vornehmlich je weniger er klassisch ist (§. 72. ), desto weniger braucht man sich bei ihm aufzuhalten. – Endlich hat man sich 6) zu hüten, daß man nicht durch Vergleichung weitläuftiger Commentatoren noch länger aufgehalten werde. Billig sollte man sie nur da befragen, wo man nicht selbst fortkommen kann. Verlieren sie sich zumal in weitläufige und gelehrte Erläuterungen, die nicht bloß den zu erläuternden Autor angehen, so ist es weit besser, eine andere Zeit auszusetzen, um diese zu studieren, als sich zu sehr von dem Autor selbst ablenken zu lassen.Bei einer solchen Menge von griechischen und römischen Schriftstellern versteht sichs von selbst, 5) daß viele, zumal |c152| wenn man sich nicht ganz eigen diesem Studium widmet, nur cursorisch gelesen werden müssen. Je leichter ein Schriftsteller, und vornehmlich je weniger er klassisch ist (§. 72. ), desto weniger braucht man sich bei ihm aufzuhalten. – Endlich hat man sich 6) zu hüten, daß man nicht durch Vergleichung weitläuftiger Commentatoren noch länger aufgehalten werde. Billig sollte man sie nur da befragen, wo man nicht selbst fortkommen kann. Verlieren sie sich zumal in weitläufige und gelehrte Erläuterungen, die nicht bloß den zu erläuternden Autor angehen, so ist es weit besser, eine andere Zeit auszusetzen, um diese zu studieren, als sich zu sehr von dem Autor selbst ablenken zu lassen.

148.

Uebungen im guten Ausdruck, brauchten sich bei den bisher erwähnten zwei Sprachen eigentlich nur auf die lateinische einzuschränken. – Wenn das Studium der alten Griechen und Römer einen großen Werth hat (§. 107 f.), und wenn der sie weit besser versteht, der sogar seinen Ausdruck in ihrer Sprache mit Fleiß nach ihnen gebildet hat; wenn nach den oben (§. 123 f.) angeführten Gründen die lateinische Sprache, als allgemeine gelehrte Sprache, unter den Gelehrten erhalten zu werden verdient; *) wenn dieses vornehmlich durch Beispiele dererjenigen geschehen muß, die junge Gelehrte bilden oder sie prüfen sollen, und die durch ihr Beispiel und Ansehen hauptsächlich dem Strom einreißender, der Gelehrsamkeit nachtheiliger Gewohnheiten entgegen arbeiten müssen: so sollten wenigstens alle, die gelehrte Schriftsteller seyn, d. i. über Sachen, die zur eigentlichen Gelehrsamkeit gehören, schreiben wollten, und na|c153|mentlich alle Lehrer auf Schulen und Universitäten, nebst solchen, die auch Schullehrer zu prüfen und zu leiten haben, eine Fertigkeit besitzen, sich, wo nicht eigentlich schön, doch wenigstens rein und verständlich in der lateinischen Sprache, es sei im Reden oder Schreiben, ausdrücken zu können, und diese Fertigkeit nicht immer mehr aussterben lassen.Uebungen im guten Ausdruck, brauchten sich bei den bisher erwähnten zwei Sprachen eigentlich nur auf die lateinische einzuschränken. – Wenn das Studium der alten Griechen und Römer einen großen Werth hat (§. 107 f.), und wenn der sie weit besser versteht, der sogar seinen Ausdruck in ihrer Sprache mit Fleiß nach ihnen gebildet hat; wenn nach den oben (§. 123 f.) angeführten Gründen die lateinische Sprache, als allgemeine gelehrte Sprache, unter den Gelehrten erhalten zu werden verdient; *) wenn dieses vornehmlich durch Beispiele dererjenigen geschehen muß, die junge Gelehrte bilden oder sie prüfen sollen, und die durch ihr Beispiel und Ansehen hauptsächlich dem Strom einreißender, der Gelehrsamkeit nachtheiliger Gewohnheiten entgegen arbeiten müssen: so sollten wenigstens alle, die gelehrte Schriftsteller seyn, d. i. über Sachen, die zur eigentlichen Gelehrsamkeit gehören, schreiben wollten, und na|c153|mentlich alle Lehrer auf Schulen und Universitäten, nebst solchen, die auch Schullehrer zu prüfen und zu leiten haben, eine Fertigkeit besitzen, sich, wo nicht eigentlich schön, doch wenigstens rein und verständlich in der lateinischen Sprache, es sei im Reden oder Schreiben, ausdrücken zu können, und diese Fertigkeit nicht immer mehr aussterben lassen.
Anm. *) S. Vertheidigung des Lateinschreibens, von Fr. Gedike, Berlin 1783., gr. 8.; auch in dessen gesammelten Schulschriften, S. 289 f., verglichen mit den Einwendungen dagegen in der Berlinischen Monatsschrift , October 1783., S. 346 f., und in der Allgemeinen Revision des Schul- und Erziehungswesens, Theil 11. S. 258 f., auf welche Scheingründe schon oben (§. 124 f.) Rücksicht genommen worden ist.

149.

Wem daran liegt, zu einer solchen Fertigkeit, sich lateinisch auszudrücken, zu gelangen, wird außer den §. 76. und 129. angeführten Schellerischen Schriften, I. I. G. Schelleri praecepta stili bene latini, nach der zweiten vermehrten Ausgabe, Lips. 1784. 2 Tomi, gr. 8. mit großem Nutzen brauchen können, um feste Regeln zu haben, woran er sich zu halten hat, und seine Aufmerksamkeit bei wirklicher Lesung der Alten auch in dieser Absicht zu leiten. Denn dieses Lesen und die genaue Aufmerksamkeit auf ihren Ausdruck und das Eigenthümliche ihrer Sprache in seinem ganzen Umfange bleibt freilich die beste und sicherste Uebung. *) Außerdem wird es sehr vortheilhaft seyn, solche neuere Schriftsteller fleißig zu lesen, die den guten lateinischen Ausdruck in ihrer Gewalt haben, und zum Theil Muster seyn können, als, unter theologischen Schriftstellern, Erasmus, Melanchthon, Came|c154|rarius, Calvin, Sturm, Canus, Osorius, Sadoletus, Hyperius, Ruhnkenius, Wyttenbach, Ernesti, Morus und einige wenige Andere; weil man sich dadurch mehr gewöhnt, den guten lateinischen Ausdruck unserer Art zu denken, unsern Kenntnissen und Bedürfnissen anzuschmiegen.Wem daran liegt, zu einer solchen Fertigkeit, sich lateinisch auszudrücken, zu gelangen, wird außer den §. 76. und 129. angeführten Schellerischen Schriften, I. I. G. Schelleri praecepta stili bene latini, nach der zweiten vermehrten Ausgabe, Lips. 1784. 2 Tomi, gr. 8. mit großem Nutzen brauchen können, um feste Regeln zu haben, woran er sich zu halten hat, und seine Aufmerksamkeit bei wirklicher Lesung der Alten auch in dieser Absicht zu leiten. Denn dieses Lesen und die genaue Aufmerksamkeit auf ihren Ausdruck und das Eigenthümliche ihrer Sprache in seinem ganzen Umfange bleibt freilich die beste und sicherste Uebung. *) Außerdem wird es sehr vortheilhaft seyn, solche neuere Schriftsteller fleißig zu lesen, die den guten lateinischen Ausdruck in ihrer Gewalt haben, und zum Theil Muster seyn können, als, unter theologischen Schriftstellern, Erasmus, Melanchthon, Came|c154|rarius, Calvin, Sturm, Canus, Osorius, Sadoletus, Hyperius, Ruhnkenius, Wyttenbach, Ernesti, Morus und einige wenige Andere; weil man sich dadurch mehr gewöhnt, den guten lateinischen Ausdruck unserer Art zu denken, unsern Kenntnissen und Bedürfnissen anzuschmiegen.
Anm. *) Viel lesen ist auch der einzige Weg, wie man eigentliches altes, römisches Latein, und überhaupt wirklich in einer fremden Sprache, kann schreiben lernen. Denn dazu gehört, daß man in derselben Sprache denken könne; und in jeder Sprache denkt man anders. Wer dieß nicht kann, mag wohl aus einer Sprache in die andere übersetzen, und in der fremden Sprache sich so ausdrucken können, daß man sieht, was er sagen wolle; aber mit der Sprache, z. B. rein, echt Lateinisch, wird er nicht zu schreiben vermögen.
Andere Vorschläge und Regeln sind schon oben §. 87. 89. berührt worden.

150.

Außer den bisher erwähnten Sprachen ist für den, der sich der Theologie widmet, die Kenntniß der hebräischen unstreitig am nothwendigsten: nicht nur wegen der Bücher des alten Testaments, die meistens in dieser Sprache abgefaßt sind, sondern weil auch in den Büchern des neuen Testaments der Vortrag fast durchaus nach der hebräischen Denk- und Sprachart gebildet ist, und sie nicht richtig verstanden werden können, wenn man jene nicht aus dem alten Testamente kennen gelernt hat.Außer den bisher erwähnten Sprachen ist für den, der sich der Theologie widmet, die Kenntniß der hebräischen unstreitig am nothwendigsten: nicht nur wegen der Bücher des alten Testaments, die meistens in dieser Sprache abgefaßt sind, sondern weil auch in den Büchern des neuen Testaments der Vortrag fast durchaus nach der hebräischen Denk- und Sprachart gebildet ist, und sie nicht richtig verstanden werden können, wenn man jene nicht aus dem alten Testamente kennen gelernt hat.

151.

So leicht die hebräische Sprache zu seyn scheint, weil nur Ein Werk in ihr geschrieben ist, und so viele Erleichterungs|c155|mittel es auch giebt, wodurch man sie dem bald beibringen kann, der sich unter den morgenländischen Sprachen nur auf sie beschränken will, und mit der nothwendigsten Kenntniß derselben zufrieden ist: so große Schwierigkeiten hat sie, wenn man sie wirklich verstehen, und eine sichere und gründliche Kenntniß derselben erlangen will, man mag auf die Sprachregeln, oder auf den noch weit schwerer zu bestimmenden Sprachgebrauch sehen. Ein Beweis davon sind schon die ehemaligen ungereimten Methoden, die Richtigkeit von jenen und diesem zu entdecken; und es bleibt bei dieser ausgestorbenen Sprache, die noch dazu nur in Einem Werke übrig ist, kein anderes sicheres Mittel übrig, sie gründlich und mit eigner Ueberzeugung zu lernen, als die Kenntniß der mit ihr zunächst verwandten Sprachen, besonders der chaldäischen, syrischen und arabischen.So leicht die hebräische Sprache zu seyn scheint, weil nur Ein Werk in ihr geschrieben ist, und so viele Erleichterungs|c155|mittel es auch giebt, wodurch man sie dem bald beibringen kann, der sich unter den morgenländischen Sprachen nur auf sie beschränken will, und mit der nothwendigsten Kenntniß derselben zufrieden ist: so große Schwierigkeiten hat sie, wenn man sie wirklich verstehen, und eine sichere und gründliche Kenntniß derselben erlangen will, man mag auf die Sprachregeln, oder auf den noch weit schwerer zu bestimmenden Sprachgebrauch sehen. Ein Beweis davon sind schon die ehemaligen ungereimten Methoden, die Richtigkeit von jenen und diesem zu entdecken; und es bleibt bei dieser ausgestorbenen Sprache, die noch dazu nur in Einem Werke übrig ist, kein anderes sicheres Mittel übrig, sie gründlich und mit eigner Ueberzeugung zu lernen, als die Kenntniß der mit ihr zunächst verwandten Sprachen, besonders der chaldäischen, syrischen und arabischen.
  • Anm. S. Origines hebraeae, s. hebr. linguae antiquissima natura et indoles ex Arabiae penetralibus revocata ab Alb. Schultens. Ed. altera, cui adiectum opusculum de defectibus hodiernis ling. hebr. Lugd. Bat. 1761. gr. 4.
  • Joh. Dav. Michaelis Beurtheilung der Mittel, welche man anwendet, die ausgestorbene hebräische Sprache zu verstehen, Göttingen 1757. 8.

152.

Insofern würde es allerdings rathsam seyn, das in Absicht auf Grammatik und Sprachgebrauch leichtere Syrische früher als das Hebräische zu lernen, alsdann sich das Chaldäische bekannt zu machen, welches mit dem Syrischen fast einerlei Sprache, und in wenigeren, auch nicht einmal orginellen, Schriften vorhanden ist, hierauf das Hebräische folgen zu lassen, und zuletzt das wegen seiner |c156| Weitläufigkeit und seines Reichthums schwerere Arabische zu treiben. So würde die Beschäftigung mit der einen die mit der andern erleichtern und unterstützen. Lernte man hierbei auf den Unterschied und die Uebereinstimmung dieser Sprachen unter einander, in Sprachregeln und Bedeutungen der Wörter, merken: so würde der Mißbrauch der Erläuterung einer aus der andern auch leicht verhütet werden können.Insofern würde es allerdings rathsam seyn, das in Absicht auf Grammatik und Sprachgebrauch leichtere Syrische früher als das Hebräische zu lernen, alsdann sich das Chaldäische bekannt zu machen, welches mit dem Syrischen fast einerlei Sprache, und in wenigeren, auch nicht einmal orginellen, Schriften vorhanden ist, hierauf das Hebräische folgen zu lassen, und zuletzt das wegen seiner |c156| Weitläufigkeit und seines Reichthums schwerere Arabische zu treiben. So würde die Beschäftigung mit der einen die mit der andern erleichtern und unterstützen. Lernte man hierbei auf den Unterschied und die Uebereinstimmung dieser Sprachen unter einander, in Sprachregeln und Bedeutungen der Wörter, merken: so würde der Mißbrauch der Erläuterung einer aus der andern auch leicht verhütet werden können.
  • Anm. S. J. D. Michaelis Abhandlung von der syrischen Sprache und ihrem Gebrauch, zweite Aufl., Göttingen 1786. 8.
  • Jos. Friedr. Schelling's Abhandlung von dem Gebrauch der arabischen Sprache zu einer gründlichern Einsicht in die hebräische. Stuttgard 1771. 8.
  • Alb. Schultens Clavis dialectorum bei Erpenii Rudimentis linguae Arabicae, Edit. altera, Lugd. Batav. 1770. 4.

153.

Hat man indeß keine Gelegenheit gehabt, diesen Weg in Erlernung des Hebräischen zu betreten, und in diesem letzteren schon einigen Anfang gemacht, so ist doch, wenn man anders im Hebräischen mit eigenen Auge sehen will, rathsam, jene Sprachen, in der angegebenen Ordnung, nachzuholen, oder sie mit jenem zu verbinden. Wem es dazu an Neigung, Fähigkeit, Muße oder Hülfsmitteln fehlt, dem bleibt weiter nichts übrig, als bloß Andern zu folgen, und sich mit dem zu behelfen, was Andere entweder in den auf gedachte verwandte Sprachen gebaueten Sprachlehren, oder in Erläuterungen des Alten Testaments mit Hülfe dieser morgenländischen Sprachen, vorgearbeitet haben.Hat man indeß keine Gelegenheit gehabt, diesen Weg in Erlernung des Hebräischen zu betreten, und in diesem letzteren schon einigen Anfang gemacht, so ist doch, wenn man anders im Hebräischen mit eigenen Auge sehen will, rathsam, jene Sprachen, in der angegebenen Ordnung, nachzuholen, oder sie mit jenem zu verbinden. Wem es dazu an Neigung, Fähigkeit, Muße oder Hülfsmitteln fehlt, dem bleibt weiter nichts übrig, als bloß Andern zu folgen, und sich mit dem zu behelfen, was Andere entweder in den auf gedachte verwandte Sprachen gebaueten Sprachlehren, oder in Erläuterungen des Alten Testaments mit Hülfe dieser morgenländischen Sprachen, vorgearbeitet haben.

|c157| 154.

Wer aber dem oben angedeuteten sicherern Wege zur Erlernung des Hebräischen folgen kann und mag, findet zuvörderst für das Syrische sehr schätzbare Vorarbeiten und Hülfsmittel, die bei großem und beharrlichem Fleiß allenfalls einen besondern Unterricht entbehrlich machen können.
Anm. Die ersten nothwendigsten Kenntnisse kann man sich aus der Brevis linguae syriacae institutio, auctore I. G. C. Adler, Altonae 1784. 8. verschaffen; alsdann damit J. D. Michaelis Grammatica Syriaca, Hal. 1785. 4. und S. Vater's syrische Grammatik verbinden.
Wer sich das Nothwendigste daraus bekannt gemacht hat, kann sodann zur Lesung der syrischen Chrestomathie fortgehen, der J. D. Michaelis Abhandlung (§. 152. Anmerk.) angehängt ist, wofern er der Anweisung von einem Andern dabei genießen kann.
Muß er für sich diese Sprache lernen, so ist ihm die Chrestomathia syriaca von Georg. Guil. Kirsch, Hofae 1789. 8., besonders auch wegen des beigefügten Lexicons, und das Psalterium syriacum nach der Dathischen Ausgabe (latine vertit Thomas Erpenius, notas – addidit Io. Aug. Dathe, Halae 1768. 8.) zu empfehlen. Alsdann kann der Pentateuchus Syriace, edidit Ge. G. Kirsch, Lips. 1787. 4., nebst der doppelten Syrischen Uebersetzung des N. Test. sowohl der älteren, welche zuletzt Carl Schaaf, Lugd. Bat. 1709. gr. 4. mit einem syrischen Wörterbuche, als der neueren Philoxenianischen, die Joseph White Oxonii 1778. 2 Tom. 4. über die Evangelien herausgegeben hat, und, wenn er weiter gekommen ist, Barhebraei Chronicon syriacum von P. I. Bruns und G. G. Kirsch herausgegeben, Lips. 1789. 4., Acta sanctorum martyrum orientalium et occidentalium – Steph. Evod. Assemanus recensuit etc. Romae 1748. 2 Tom. fol. und die drei |c158| syrischen Theile von Ephraemi Syri Werken, Romae 1737.–43. fol. folgen.
Das beste syrische Wörterbuch ist das von Edmundo Castello in seinem Lexico hebtaglotto, Londini 1669., so zur Londonschen Polyglotte gehört, und welches J. D. Michaelis mit seinen eigenen Anmerkungen, Göttingen 1788. 4. besonders herausgegeben hat.

155.

Auf diese Art wird hernach die Erlernung des Chaldäischen sehr leicht werden, wenn man sich zuvörderst die Uebereinstimmung und den Unterschied des Chaldäischen und Syrischen bekannt macht, und darauf mit Hülfe mancher hebräischen Wörterbücher, die auch auf das Chaldäische gehen, die chaldäischen Paraphrasen liest, die in der Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie §. 49. genannt sind.Auf diese Art wird hernach die Erlernung des Chaldäischen sehr leicht werden, wenn man sich zuvörderst die Uebereinstimmung und den Unterschied des Chaldäischen und Syrischen bekannt macht, und darauf mit Hülfe mancher hebräischen Wörterbücher, die auch auf das Chaldäische gehen, die chaldäischen Paraphrasen liest, die in der Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie §. 49. genannt sind.
Anm. Hülfsmittel dazu sind:
  • Iac. Altingii Synopsis Institutionum chaldaearum et aramaearum (Tom. V. s. Opp. Amst. 1687.) und noch mehr I. D. Michaelis Grammatica chaldaica, Götting. 1771. 8.
  • Ioh. Buxtorfii Lexici chaldaici etc. Basil. 1640. fol.
  • W. E. Hetzel's Anweisung zum Chaldäischen bei Ermangelung alles mündlichen Unterrichts, Lemgo 1787.
  • J. Jahn's chaldäische Chrestomathie, Wien 1800. gr. 8.
  • G. E. Bauer Chrestomathia e paraphrasi chald. et Talmude delecta, Norimb. 1792. 8. desgl. das §. 159. genannte
  • Vatersche Handbuch. 8.

156.

Die arabische Sprache ist unter den semitischen bei weitem die reichste, und verdient nicht nur wegen ihrer ge|c159|nauen Verwandtschaft mit der hebräischen, die von Manchen bis zur Uebertreibung zur Erklärung hebräischer Wortbedeutungen angewendet ist, sondern auch wegen so vieler andern Werke, welche in ihr benutzt und unbenutzt zu den Schätzen großer Bibliotheken gehören, von denen, welche die orientalischen Studien überhaupt zu cultiviren Neigung, Muße und Gelegenheit haben, ganz vorzüglich studiert zu werden. Zunächst führt dazu der Gebrauch der Sprachlehren.
Anm. Dahin gehören:
  • Thomae Erpenii Grammatica arabica, die schon Jac. Golius, unter dem Titel: Arabicae linguae tyrocinium, mit einigen angehängten arabischen Stücken, Lugd. Bat. 1656, 4. wieder herausgegeben hatte, Alb. Schultens aber, außer den schon vorhin dabei befindlichen Lokmannischen Fabeln, mit Weglassung der andern Stücke, durch Auszüge aus der Hamasa des Abi Temmam, eben daselbst 1748. 4., vermehrt habe. Diese ist ein Muster in ihrer Art, die Quelle aller folgenden guten arabischen Grammatiken, und selbst durch diese noch nicht entbehrlich gemacht.
Anm. Dahin gehören:
  • Thomae Erpenii Grammatica arabica, die schon Jac. Golius, unter dem Titel: Arabicae linguae tyrocinium, mit einigen angehängten arabischen Stücken, Lugd. Bat. 1656, 4. wieder herausgegeben hatte, Alb. Schultens aber, außer den schon vorhin dabei befindlichen Lokmannischen Fabeln, mit Weglassung der andern Stücke, durch Auszüge aus der Hamasa des Abi Temmam, eben daselbst 1748. 4., vermehrt habe. Diese ist ein Muster in ihrer Art, die Quelle aller folgenden guten arabischen Grammatiken, und selbst durch diese noch nicht entbehrlich gemacht.
Nächst denen §. 152. Anm. erwähnten:
  • Ioann. Frider. Hirtii Institutiones arabicae linguae, Ienae 1770. 8.
  • Erpenii arabische Grammatik, abgekürzt, vollständiger und leichter gemacht von Joh. Dav. Michaelis, Göttingen 1771. 8., verändert 1783. 8.
  • W. F. Hetzel's erleichterte arabische Grammatik, Jena 1776. 8.
  • Jahn's arabische Sprachlehre, Wien 1796. gr. 8., und
  • J. S. Vaters Handbuch etc.
Nächst denen §. 152. Anm. erwähnten:
  • Ioann. Frider. Hirtii Institutiones arabicae linguae, Ienae 1770. 8.
  • Erpenii arabische Grammatik, abgekürzt, vollständiger und leichter gemacht von Joh. Dav. Michaelis, Göttingen 1771. 8., verändert 1783. 8.
  • W. F. Hetzel's erleichterte arabische Grammatik, Jena 1776. 8.
  • Jahn's arabische Sprachlehre, Wien 1796. gr. 8., und
  • J. S. Vaters Handbuch etc.

157.

Bei den vielen Sprachlehren finden sich theils prosaische, theils poetische arabische Anthologieen, die so lange zur |c160| Uebung im Lesen arabischer Schriften dienen können, bis man Gelegenheit und Fertigkeit genug bekommt, den Koran, die arabischen Uebersetzungen des alten und neuen Testaments, und andere, ganz oder stückweise von Erpenius, Edw. Pocock, Joh. Gagnier, Albert und Heinr. Alb. Schultens, Joh. Jac. Reiske, J. D. Michaelis, Eberh. Scheid, Joh. Bernh. Köhler, H. C. G. Paulus, F. Wilken und Andern herausgegebene arabische Schriftsteller zu lesen.Bei den vielen Sprachlehren finden sich theils prosaische, theils poetische arabische Anthologieen, die so lange zur |c160| Uebung im Lesen arabischer Schriften dienen können, bis man Gelegenheit und Fertigkeit genug bekommt, den Koran, die arabischen Uebersetzungen des alten und neuen Testaments, und andere, ganz oder stückweise von Erpenius, Edw. Pocock, Joh. Gagnier, Albert und Heinr. Alb. Schultens, Joh. Jac. Reiske, J. D. Michaelis, Eberh. Scheid, Joh. Bernh. Köhler, H. C. G. Paulus, F. Wilken und Andern herausgegebene arabische Schriftsteller zu lesen.
Anm. Zum ersten Anfang dienen:
  • I. F. Hirt Anthologia arabica. Jena 1771.
  • B. J. L. Rosenmüller's arabisches Elementar- und Lesebuch. Leipzig 1799.
  • J. Jahn's arabische Chrestomathie, nebst Lexicon darüber, Wien 1802.

158.

Die vorhandenen großen Wörterbücher der arabischen Sprache sind theils selten, theils kostbar. Doch fehlt es auch an solchen nicht, die wenigstens für den ersten Anfang und zum Verstehen der (§. 157. ) angeführten Anthologieen hinreichen können.
Anm. 1. Zu der ersten Klasse gehören:
  • Antonii Giggei thesaurus linguae arabicae, Mediolani 1632., 4 Tom. fol.
  • S. J. G. Wahl's neue arabische Anthologie, Leipzig 1790.
  • Iac. Golii Lexicon arabico-latinum, Lugd. Bat. 1653. fol.
Anm. 1. Zu der ersten Klasse gehören:
  • Antonii Giggei thesaurus linguae arabicae, Mediolani 1632., 4 Tom. fol.
  • S. J. G. Wahl's neue arabische Anthologie, Leipzig 1790.
  • Iac. Golii Lexicon arabico-latinum, Lugd. Bat. 1653. fol.
Seit 1780 hat man auch in Wien angefangen Francisci a Mesgnien Meninsky Lexicon arabico-persico-turcicum sehr verbessert und vermehrt wieder herauszugeben.
|c161| Anm. 2. Zu der zweiten Klasse gehören:
  • Iac. Scheidii Glossarium arabico-latinum manuale, Edit. altera, Lugd. Bat. 1787. gr. 4.
noch vorzüglicher aber:
  • Lexicon linguae arabicae in Coranum, Haririum et vitam Timuri, auct. Io. Willmet, Roterd. 1784. gr. 4.
|c161| Anm. 2. Zu der zweiten Klasse gehören:
  • Iac. Scheidii Glossarium arabico-latinum manuale, Edit. altera, Lugd. Bat. 1787. gr. 4.
noch vorzüglicher aber:
  • Lexicon linguae arabicae in Coranum, Haririum et vitam Timuri, auct. Io. Willmet, Roterd. 1784. gr. 4.
Da hier nur die Frage von dem Nutzen oder vielmehr von der Nothwendigkeit ist, die mit dem Hebräischen zunächst verwandten Sprachen oder Dialekte zu gebrauchen, um das Hebräische sicher aufzuklären; und andere morgenländische Sprachen außer den genannten, entweder nur in einer sehr entfernten Verwandtschaft mit der hebräischen stehen, oder der Hülfsmittel noch gar zu wenig vorhanden sind, die uns, sie zuverlässig zu lernen, in den Stand setzten, oder der Schluß von dem, was in ihnen üblich ist, auf das, was man im Hebräischen annehmen könne, sehr unsicher ist: so sind sie hier nicht mit berührt worden, ohne daß deswegen ihr anderweitiger Nutzen verkannt oder geläugnet wird.

159.

Bei Erlernung des Hebräischen selbst – man mag unmittelbar dazu kommen oder sich auf jene mühsamere, aber viel sichrere Art, durch den auf das Syrische und Chaldäische gewendeten Fleiß dazu vorbereitet haben – ist zuerst, wie bei allen Sprachen, nöthig, sich einen allgemeinen Begriff von der Natur und dem Eigenen der hebräischen Sprache, in Absicht auf Bestandtheile und Veränderung der Wörter, zu erwerben, und deswegen eine Grammatik zum Grunde zu legen, die, frei, nicht nur von willkührlichen Beweisen der Regeln, sondern auch von angeblichen Ausnahmen und unregelmäßigen Formen der Wörter, bloß das wirklich Gegründete in der größten Kürze enthält, und auf die Uebereinstimmung mit den verwandten Dialek|c162|ten gebaut ist. Wenn man hernach weiter im Lesen und Verstehen leichterer Bücher der Bibel gekommen ist, so kann man das übrige Seltnere und Ungewöhnlichere, das besonders zur nähern Kenntniß des Syntaxes Gehörige, und die auf dem wahren noch in den verwandten Sprachen vorhandenen Sprachgebrauch beruhenden Gründe der Regeln, noch immer nachholen.
Anm. Unter den hebräischen Sprachlehren aus früherer Zeit, zeichnen sich die gelehrten Arbeiten von N. G. Schröder (Gröningen 1766.), (neue Aufl. 1778.) von Schultens (Lugd. Bat. 1756.) aus.
Auch haben die Sprachlehren von J. D. Michaelis, F. W. Hezel (1777.) A. F. Pfeiffer (1790.) u. A. ihr Verdienst gehabt.
Zu den neuesten schätzbarsten, und zum Theil auch durch viele neue Ansichten und verbesserte Methoden empfehlungswerthesten, gehören:
  • J. S. Vater's größere (1797.), kleinere (1807.) und kleinste (1807.) hebräische Sprachlehre, desgleichen
  • W. Gesenius hebräische Grammatik, 3te Auflage, Halle 1817., und
  • Desselben ausführliches grammatisch-kritisches Lehrgebäude der hebräischen Sprache, mit durchgängiger Vergleichung der verwandten Dialekte, 2 Bände, gr. 8. 1817.
Hiermit sind auch zu vergleichen:
  • Gottlob Christ. Storr Observationes ad analogiam et syntaxin hebraicam pertinentes, Tubingae 1779. gr. 8.
Hiermit sind auch zu vergleichen:
  • Gottlob Christ. Storr Observationes ad analogiam et syntaxin hebraicam pertinentes, Tubingae 1779. gr. 8.

160.

Sobald man fertig Hebräisch lesen kann, die Bestandtheile der Wörter kennt, und die Paradigmata in seiner Gewalt hat, thut man wohl, wenn man sich gleich zum Lesen der Bücher, von leichtern historischen zu den übrigen |c163| wendet, oder sich dazu der Chrestomathieen bedient, ohne sich im Anfang, wo es nur bloß um Sprache zu thun seyn muß, bei solchen Stellen aufzuhalten, die mehr wegen der Sachen, als wegen der Wörter dunkel sind. Man kann sich dabei theils solcher Hülfsschriften, welche den Text Schritt vor Schritt begleiten und die Worte einzeln erklären, bedienen, oder sich auch, was bei einiger Uebung vorzüglich seyn dürfte, bald an den Gebrauch guter Wörterbücher gewöhnen.
Anm. 1. Hebräische Chrestomathieen haben noch außer Schwabe und Weckherlin geliefert:
  • J. S. Vater im hebräischen Lesebuch, mit einem Wortregister, Leipzig 1809., und
  • W. Gesenius im hebräischen Lesebuch, Halle 1817.
Anm. 2. Zu der ersten Klasse der Hülfsmittel gehören Werke, wie
  • Christ. Reineccii Janua hebr. linguae – emendavit, auxit Io. Friedr. Rehkopf, Lips. 1788. 8.,
und noch weit mehr
  • Joh. Georg Friedr. Leun's Handbuch zur kursorischen Lektüre der Bibel A. B., Lemgo 1788–90. 4 Theile, 8.
  • I. I. Meiners nova V. T. clavis, P. 1. 2., Lips. 1800. 8.
und der
  • Philologische Clavis über die Psalmen von H. E. G. Paulus, Jena 1791. 8.
Anm. 2. Zu der ersten Klasse der Hülfsmittel gehören Werke, wie
  • Christ. Reineccii Janua hebr. linguae – emendavit, auxit Io. Friedr. Rehkopf, Lips. 1788. 8.,
und noch weit mehr
  • Joh. Georg Friedr. Leun's Handbuch zur kursorischen Lektüre der Bibel A. B., Lemgo 1788–90. 4 Theile, 8.
  • I. I. Meiners nova V. T. clavis, P. 1. 2., Lips. 1800. 8.
und der
  • Philologische Clavis über die Psalmen von H. E. G. Paulus, Jena 1791. 8.
Unter den Wörterbüchern aber zeichnen sich aus:
  • Io. Simonis Lexicon manuale hebraicum et chaldaicum. Halae 1756. gr. 8., und
  • Lexicon et commertarius sermonis hebraici et chaldaici, post Io. Cocceium et Ioh. Henr. Maium – correctius et emendatius edidit Io. Christ. Frid. Schulz, 2 Bände, Lips. 1777. gr. 8.
  • I. D. Michaelis Supplementa ad lexica hebraica, 1784–1792., 6 Partt. 4.
|c164| und ganz vorzüglich zum Handgebrauch
  • W. Gesenius hebräisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, Leipzig 1810. 1811. gr. 8., und
  • Desselben neues hebräisch-deutsches Handwörterbuch. Ein Auszug für Schulen, Leipzig 1815.
Unter den Wörterbüchern aber zeichnen sich aus:
  • Io. Simonis Lexicon manuale hebraicum et chaldaicum. Halae 1756. gr. 8., und
  • Lexicon et commertarius sermonis hebraici et chaldaici, post Io. Cocceium et Ioh. Henr. Maium – correctius et emendatius edidit Io. Christ. Frid. Schulz, 2 Bände, Lips. 1777. gr. 8.
  • I. D. Michaelis Supplementa ad lexica hebraica, 1784–1792., 6 Partt. 4.
|c164| und ganz vorzüglich zum Handgebrauch
  • W. Gesenius hebräisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, Leipzig 1810. 1811. gr. 8., und
  • Desselben neues hebräisch-deutsches Handwörterbuch. Ein Auszug für Schulen, Leipzig 1815.

161.

Da es indessen bei der Kenntniß des hebräischen Sprachgebrauchs nicht bloß auf die Bedeutungen einzelner Wörter, sondern eben so sehr auf den Verstand ganzer Redearten und Formeln ankommt, und es noch an einem Wörterbuch fehlt, welches diese zuverlässig genug, d. i. aus den verwandten Dialekten und den alten Uebersetzungen, erklärte; so wird man mit Nutzen die Vorarbeiten vergleichen, welche aus den besten Quellen das Eigenthümliche des hebräischen Sprachgebrauchs erläutert haben.
Anm. Vorzüglich empfehlenswerth sind hierzu:
  • L. F. C. Rosenmülleri Scholia in N. T., Tom[.] I.–VI. 1792–1810.

162.

Freilich hängt man hierbei nur von den Kenntnissen und Sagen Anderer ab; und wer recht gewiß seyn will, ob und in wie fern sie den Sprachgebrauch richtig angegeben haben; noch mehr, wer selbst die Gränzen dieser Kenntnisse erweitern helfen will, der muß nothwendig aus jenen Quellen selbst, muß aus den verwandten Sprachen und den alten Uebersetzungen des alten Testaments schöpfen, und sie daher genau kennen gelernt haben. Diese letztern, sonderlich die griechischen in den Hexaplen des Origenes, und namentlich die Alexandrinische, nebst den darnach gebildeten, sind nicht nur für die Kritik des Textes, sondern auch für die |c165| Entdeckung des wahren hebräischen Sprachgebrauchs, folglich nicht bloß zum Verstande des alten Testaments, sondern auch selbst des neuen, dessen Griechisches durchaus hebräischartig ist, ungemein wichtig, *) und dieser Nutzen wird durch die Concordanzen oder Wörterbücher über diese griechischen Uebersetzungen keinesweges entbehrlich gemacht, weil sie alle voller Fehler sind, so sehr sonst dergleichen Werke auch den Gebrauch derselben, und ihre Anwendung auf den Verstand des alten und neuen Testaments erleichtern.Freilich hängt man hierbei nur von den Kenntnissen und Sagen Anderer ab; und wer recht gewiß seyn will, ob und in wie fern sie den Sprachgebrauch richtig angegeben haben; noch mehr, wer selbst die Gränzen dieser Kenntnisse erweitern helfen will, der muß nothwendig aus jenen Quellen selbst, muß aus den verwandten Sprachen und den alten Uebersetzungen des alten Testaments schöpfen, und sie daher genau kennen gelernt haben. Diese letztern, sonderlich die griechischen in den Hexaplen des Origenes, und namentlich die Alexandrinische, nebst den darnach gebildeten, sind nicht nur für die Kritik des Textes, sondern auch für die |c165| Entdeckung des wahren hebräischen Sprachgebrauchs, folglich nicht bloß zum Verstande des alten Testaments, sondern auch selbst des neuen, dessen Griechisches durchaus hebräischartig ist, ungemein wichtig, *) und dieser Nutzen wird durch die Concordanzen oder Wörterbücher über diese griechischen Uebersetzungen keinesweges entbehrlich gemacht, weil sie alle voller Fehler sind, so sehr sonst dergleichen Werke auch den Gebrauch derselben, und ihre Anwendung auf den Verstand des alten und neuen Testaments erleichtern.
*) S. die in der Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie §. 46. angeführten Schriften.

163.

Wegen des zuletzt berührten Nutzens wäre sogar aus den §. 116 f. angegebenen ähnlichen Ursachen zu rathen, daß man erst die alten griechischen Uebersetzungen des alten Testaments, wenigstens die Alexandrinische, selbst die sogenannten apokryphischen Bücher des alten Testaments studierte, ehe man das neue Testament verstehen lernen wollte. – Aber diese Uebersetzungen wirklich zu den gemeldeten Absichten sicher zu benutzen, muß man sie gehörig zu studieren und anzuwenden wissen. Man muß die Geschichte und Beschaffenheit ihres sehr verdorbenen Textes, den verschiedenen Werth einzelner Uebersetzungen, selbst von einzelnen Büchern, und die besondere Uebersetzungsart, der sie folgen, genau kennen; man muß sie nicht hie und da bloß nachschlagen, sondern sie im Zusammenhange lesen, auf die Art, wie sie einzelne Wörter und Redensarten geben, merken, und sich diese aus oder bei den Concordanzen und Wörterbüchern über diese Uebersetzungen zum künftigen Gebrauch bezeichnen; man muß sie nicht aus den oft schlechten |c166| neuern Uebersetzungen verstehen lernen wollen, sondern vorher schon der griechischen Sprache, und der verwandten morgenländischen kundig seyn, um zu wissen, wie sie zu mancher sonderbar scheinenden Uebersetzung gekommen sind, und ob man sich auf die Richtigkeit des griechischen Textes verlassen könne.Wegen des zuletzt berührten Nutzens wäre sogar aus den §. 116 f. angegebenen ähnlichen Ursachen zu rathen, daß man erst die alten griechischen Uebersetzungen des alten Testaments, wenigstens die Alexandrinische, selbst die sogenannten apokryphischen Bücher des alten Testaments studierte, ehe man das neue Testament verstehen lernen wollte. – Aber diese Uebersetzungen wirklich zu den gemeldeten Absichten sicher zu benutzen, muß man sie gehörig zu studieren und anzuwenden wissen. Man muß die Geschichte und Beschaffenheit ihres sehr verdorbenen Textes, den verschiedenen Werth einzelner Uebersetzungen, selbst von einzelnen Büchern, und die besondere Uebersetzungsart, der sie folgen, genau kennen; man muß sie nicht hie und da bloß nachschlagen, sondern sie im Zusammenhange lesen, auf die Art, wie sie einzelne Wörter und Redensarten geben, merken, und sich diese aus oder bei den Concordanzen und Wörterbüchern über diese Uebersetzungen zum künftigen Gebrauch bezeichnen; man muß sie nicht aus den oft schlechten |c166| neuern Uebersetzungen verstehen lernen wollen, sondern vorher schon der griechischen Sprache, und der verwandten morgenländischen kundig seyn, um zu wissen, wie sie zu mancher sonderbar scheinenden Uebersetzung gekommen sind, und ob man sich auf die Richtigkeit des griechischen Textes verlassen könne.
Dieses lernt man, wenigstens wird man auf das, was hiebei in Betrachtung kommt, aufmerksam gemacht, durch die in der Anweisung zur theologischen Bücherkenntniß §. 46 f. und §. 31. erwähnten Bücher.

164.

Zwar beweisen diese Erfordernisse, daß ein solch nützliches Studium dieser Uebersetzungen nicht die Sache des Anfängers sey; aber sie beweisen doch auch nur, daß man für den Anfang, seinen Absichten dabei nicht diesen ganzen Umfang geben, sondern sie auf das Leichtere einschränken müsse. Vorausgesetzt also, daß jemand die Alexandrinische Uebersetzung für sich lesen wollte oder müßte, so müßte er es 1) nicht eher thun, als bis er sich aus den so eben angezeigten Büchern die Beschaffenheit und Uebersetzungsart dieser alten Uebersetzungen im Allgemeinen bekannt gemacht, und 2) wenigstens leichtere griechische Schriftsteller, im Hebräischen aber diejenigen Bücher schon fleißig gelesen und gut verstehen gelernt hätte, die er nun in der Uebersetzung lesen will. 3) Er müßte mit solchen Büchern anfangen, die als vorzüglich treu und gut übersetzt bekannt sind, vornehmlich mit dem Pentateuchus. 4) Wo ihm irgend etwas, das ihm nicht ganz leicht wäre, in Wörtern aufstieße, müßte er gleich im hebräischen Text nachsehen, worauf es sich bezöge, ob und was es für eine hebräische Bedeutung hätte; und 5) wüßte er es damit nicht zu reimen, so könnten |c167| ihm vielleicht Io. Christ. Biel novus thesaurus philologicus, Hag. Com. 1779. und 1780. in drei gr. Octavbänden, oder die Kircherschen und Trommischen Concordanzen Auskunft geben, für welches hebräische Wort oder Redensart sonst dieses nämliche griechische, oder welches hebräische anstatt des nämlichen griechischen gebraucht würde. – Er könnte daraus entweder auf eine falsche Leseart oder darauf schließen, daß das Griechische hier nur am unrechten Ort gebraucht wäre. Zeigte sich dieses nicht bald, so müßte dieses Schwierige überschlagen, und auf zukünftige weitere Untersuchung ausgesetzt werden. – Eben so könnte man hernach die Hexapla durchgehen, wenn man vorher, sobald man an das Hebräisch-griechische gewöhnt wäre, die apokryphischen Bücher des alten Testaments gelesen hätte. – Wäre man indessen mit dem neuen Testament näher bekannt geworden, so würde man sich bald an manche bei Lesung jener Bücher und Uebersetzungen gelernte Hebraismen erinnern, und dann bei einer zweiten fleißigern Durchsicht Gelegenheit genug finden, sich noch mehrere auszuheben.Zwar beweisen diese Erfordernisse, daß ein solch nützliches Studium dieser Uebersetzungen nicht die Sache des Anfängers sey; aber sie beweisen doch auch nur, daß man für den Anfang, seinen Absichten dabei nicht diesen ganzen Umfang geben, sondern sie auf das Leichtere einschränken müsse. Vorausgesetzt also, daß jemand die Alexandrinische Uebersetzung für sich lesen wollte oder müßte, so müßte er es 1) nicht eher thun, als bis er sich aus den so eben angezeigten Büchern die Beschaffenheit und Uebersetzungsart dieser alten Uebersetzungen im Allgemeinen bekannt gemacht, und 2) wenigstens leichtere griechische Schriftsteller, im Hebräischen aber diejenigen Bücher schon fleißig gelesen und gut verstehen gelernt hätte, die er nun in der Uebersetzung lesen will. 3) Er müßte mit solchen Büchern anfangen, die als vorzüglich treu und gut übersetzt bekannt sind, vornehmlich mit dem Pentateuchus. 4) Wo ihm irgend etwas, das ihm nicht ganz leicht wäre, in Wörtern aufstieße, müßte er gleich im hebräischen Text nachsehen, worauf es sich bezöge, ob und was es für eine hebräische Bedeutung hätte; und 5) wüßte er es damit nicht zu reimen, so könnten |c167| ihm vielleicht Io. Christ. Biel novus thesaurus philologicus, Hag. Com. 1779. und 1780. in drei gr. Octavbänden, oder die Kircherschen und Trommischen Concordanzen Auskunft geben, für welches hebräische Wort oder Redensart sonst dieses nämliche griechische, oder welches hebräische anstatt des nämlichen griechischen gebraucht würde. – Er könnte daraus entweder auf eine falsche Leseart oder darauf schließen, daß das Griechische hier nur am unrechten Ort gebraucht wäre. Zeigte sich dieses nicht bald, so müßte dieses Schwierige überschlagen, und auf zukünftige weitere Untersuchung ausgesetzt werden. – Eben so könnte man hernach die Hexapla durchgehen, wenn man vorher, sobald man an das Hebräisch-griechische gewöhnt wäre, die apokryphischen Bücher des alten Testaments gelesen hätte. – Wäre man indessen mit dem neuen Testament näher bekannt geworden, so würde man sich bald an manche bei Lesung jener Bücher und Uebersetzungen gelernte Hebraismen erinnern, und dann bei einer zweiten fleißigern Durchsicht Gelegenheit genug finden, sich noch mehrere auszuheben.

165.

Mit der Accentuation der hebräischen Bibel braucht man sich nicht lange aufzuhalten, da es ein erweislich späteres Kunststück ist, das bei dem Verstande der Bibel nur wenige Vortheile gewährt, sogar oft der richtigen Auslegung hinderlich fällt. J. D. Michaelis Anleitung dazu *) und eine kleine Uebung, können in sehr kurzer Zeit alles Brauchbare lehren, was man davon zu wissen nöthig hat.Mit der Accentuation der hebräischen Bibel braucht man sich nicht lange aufzuhalten, da es ein erweislich späteres Kunststück ist, das bei dem Verstande der Bibel nur wenige Vortheile gewährt, sogar oft der richtigen Auslegung hinderlich fällt. J. D. Michaelis Anleitung dazu *) und eine kleine Uebung, können in sehr kurzer Zeit alles Brauchbare lehren, was man davon zu wissen nöthig hat.
*) Anfangsgründe der hebräischen Accentuation, Halle 1741. 8.