|a46| |b52| |c52| |d46| Dritter Abschnitt.
Von den natürlichen Hindernissen der höhern Glückseligkeit bey den Menschen.

§. 22.

Wir können die wahren Gründe, warum ein lebhaftes Bestrebend1 täglich weiser und tugendhafter zu werden, und das Bewußtseyn des wirklichen Uebergewichts des Guten in unsrem Zustande,d2 unter /dunsererd\ kultivirtena3 Nationd4 nicht allgemeiner ist, unter zwey Hauptklassena5 bringen. Zur ersten Klassea6 rechne ich diejenigen, welche ohne Rücksicht auf die Religion blos aus unserer Natur, und aus der Entwickelung ihrer Kräfte in der Gesellschaftd7 erkantac8 werden können. In die /azweite Klassea\a9 stelle ich diejenigen, welche der unter uns herrschende öffentliche Vortrag der Religion enthält. Die erstern gehören in die gegenwärtige Reihe der Betrachtungen. Die Gründe der zweiten Klassea10 werden dagegen erst im fünften Abschnitte deutlich dargestellet werden können.
d1: Bestreben,d2: Zustande selbsta3: cultivirtend4: Nationena5: Hauptclassena6: Classed7: Gesellschaft,ac8: erkannta9: zweyte Classea10: Classe

§. 23.

Zu den Hindernissen eines schnellend1 Wachsthums der Tugend,cd2 und eines fortdaurenden Bewußtseyns des überwiegenden Guten, welche in der Natur des Menschencd3, und in der Entwickelung unsrer Talente angetroffen werden, gehöret zuvörderstcd4: daß der Mensch mit blossencd5 Vermögen und ohne alle wirkliche Erkentnißd7 zur Welt komta8. Sämtliche Begriffe müssen durch Empfindungcd9 eingesamlet werden, und der Verstand kana10 nicht die kleinste Idee aus sich selbst erzeugen, wovon nicht wenigstens die Bestandtheile vorher durch den innern oder die äussernad11 Sinne ihm dargeboten worden wären: ob er |b53| |c53| gleich |a47| nachher die von aussenad13 eingesamleten Begriffe verschiedentlich zusammensetzen, thei|d47|len und von einzelnen Seiten betrachten kana14. Es hängtd15 daher vom Menschen nicht ab, wie er sich die Dinge vorstellen will, sondern die Begriffe werden durch die Eindrücke der Gegenstände in die Sinne gebildet (qualis idea impressa talis expressa). So hängtd16 auch die Reihe oder Folge der Begriffe, die sich uns aufdringen, nicht von uns, sondern von der Lage des Körpers und d17 dessen Verhältniß gegen die ausserd18 uns befindlichen Dinge ab. Hierdurch aber werden zugleich die Begierden bestimta19, und diese sind bey Kindern ganz unmoralisch, indem sie nothwendig nach dem, was ihnen sinnlich angenehm ist, ein Verlangen, und gegen das, was ihnen sinnlich unangenehm vorkomta20, einige Widrigkeit empfinden müssen. Bliebe nun ein Kind lediglich sich selbst überlassen, so würde es nied21 anders als sinnlich begehren und verabscheuen, und sich wenig über /cdwitzige odercd\cd22 mit einem /avernunftähnlichen Witzd23a\a24 versehened25 Thiere erheben. Der Mensch bedarf also, weil er mit blossend26 Anlagen zur Welt komta27, einer Hülfe von aussenad28, wenn er zum Gebrauchd29 der Vernunft gelangen, und ein moralisches Wesen werden soll. cd30 Da disd31 nun eine von keinem Menschen abhängende Einrichtung unsrer Natur ist;cd32 so erhellet, daß wer diesen Weg der Darstellung des Menschen für verderbend hält und tadelt, den Urheber der Natur lästert. Indes hat Gott nun auch dafür gesorgtcd33, daß allen Menschen, die /dihnend\ nöthige Hülfe zur Entwickelung ihrer Moralitätd34 wirklich angedeihet;cd35 indem vermöge der Erfahrung, theils bey menschlichen Aeltern der natürliche Trieb der wohlthätigen Liebe gegen ihre Kinder weit länger fortdauert, als bey den Thieren gegen ihre Jungen,d36 theils Kinder weit hülfsbedürftiger zur Welt kommen, und weit länger die Verpflegung der Aeltern bedürfen, als junge Thiere, died37 in wenigad38 Tagen ihre Mutter verlassen, |b54| |c54| und sich selbst ernähren können. Durch |a48| diese dem Anscheine nach unter die Thiere uns erniedrigende Schwächlichkeit bey unserera39 Geburt werden wir genöthiget, uns dem Willen erwachsener /dim Gebrauch der Vernunft stehenderd\ Personen zu unterwerfen, und hierdurch erhalten wir die Erweckungen zum Gebrauchd40 der Vernunft, und |d48| lernen über die Dinge im Zusammenhange nachdenken, und sie uns auch von denen Seiten vorstellen, wie sie sich den Sinnen nicht darbieten. So wie nun hieraus überhaupt erhellet, daß der Mensch,a41 um der Moralität fähig zu werden, einer äussernad42 Hülfe bedürfe, so ist auch nicht schwer einzusehen, wie sehr vieles in der nachmaligen Denkartd44 eines Menschen von den ersten Entwickelungen durch die Sinne;a45 von der Association der Ideen;a46 von dem Unterrichte der Aeltern und Lehrer;a47 von den Beyspielen, die man siehet;a48 vornemlich aber von den Fertigkeiten, died49 man vor dem Gebrauchd50 der Vernunft annimta51 und die durch Gewohnheit zur andern Natur werden, abhänge. Hieraus folgtd52 ferner, daß bey der mangelhaften Beschaffenheit des Unterrichts und der Erziehunga53 es manchem Menschen weit schwerer werden müsse, als andern, gute moralische Fertigkeiten nachher zu überkommen, und daß bey einigen gewisse bösartige Handlungen, als blossed54 Folgen der ihnen von den Aeltern beigebrachten schlechten und Gewohnheiten, bisweilen eine sehr geringe Moralität haben;a55 indem solche Leute, vermöge der in sie ohne eigned56 Wahl gebrachten Vorstellungen und Fertigkeiten, nicht anders handeln können. Endlich fließtd57 hieraus noch, daß ganze Nationen,a58 so wie einzelne /aKinder, äussererd59 Erweckungena\a60 und einer immer mehrernd61 Aufklärung durch Unterricht zur Verbesserung der Moralität von Zeit zu Zeit bedürfen, und /ddis alsdennd\d62 vorzüglich, wenn gewisse unrichtige Erkentnisse und praktische Vorurtheile unter einem Volkd63 herrschend geworden sind. Es ist demnach |b55| |c55| der Plan Gottes, daß der Mensch sich vom Thiere durch eigned64 An|a49|wendung seiner Kräfte zu einer höhernd65 Gattung mehr geistiger Wesen erheben, und daß die Aufklärung der Nationen nach und nach geschehen solld66. Auch lehret die Geschichte, daß die göttliche Vorsicht von Zeit zu Zeit neue Hülfsmittel der Erleuchtung unter den Völkerschaften veranstaltet habe. Warum solches nicht allgemeiner, nicht mit schnellermd67 Erfolge geschieht? warum ganze Gegenden, wo schon ehedem helle Erkentnisse herrschten, wieder finster geworden sind? davon können wir |d49| die wahren Gründe nicht angeben, weil unser Standpunkt zu niedrig und unser Vorhersehungsvermögen zu kurzsichtig ist, als daß wir den Zusammenhang aller Folgen in alle Ewigkeit überschauen köntena68. So viel fället uns aber in die Augen, daß es zum Pland69 der Vorsehung gehöre, daß das gesamte menschliche Geschlecht, so wie einzelne Nationen und einzelne Menschen,a70 nur sehr allmähliga71 zu höhernd72 Stufen der Einsichten und d73 moralischen Glückseligkeit gelangen sollen. Fräget man aber noch weiter, warum eben diesem Volkd74 z. B. anjetzt den Europäern, die vorzüglichern Hülfsmittel der Aufklärung zugetheilet wordend75? warum eben diese Menschen als Christen, und jene unter Wilden geboren worden d76? endlich warum jener Unglückliche, dessen Körper auf dem Rabensteine uns Grausen erweckt, von Aeltern, died77 ihn zum Betriegena78 und Stehlena79 anhielten, in die Welt gesetztd80 worden, und dieser, der sein Todesurtheil gefället hat, von wohldenkenden Aeltern zu einem ehrenvollen Leben erzogen worden sey? so lege ich die Hand auf den Mund, und bewundred81 mit Paulus ehrerbietigst den unbegreiflichen Reichthum der Weisheit Gottes in der Mannigfaltigkeit seiner uns unerforschlichen Wege, bin aber auch mit diesem Apostel fest überzeugt, daß so wie alles von Gott ist (εξ αυτου), alles nach seinem Pland82 sich entwickelt (δἰ αυτου), eben so auch alles zu dem Gott |b56| |c56| allein würdigen Zield83 der allgemeinen Glückseligkeit zuletztc84 zusammen treffen werde, εις αυτον τα παντα! Nur disd85 |a50| kana86 nach den von Gotta87 in unsern Geist gelegten Empfindungsgesetzen, uns bestimmen, auch mit Paulus zu sagen: Ihm gehöret Ehre und Ruhm in Ewigkeit! cd88
d1: schnellerncd2: Tugendcd3: selbstcd4: erstlichcd5: blossem (c) ; blossem (d)cd6: bloßemd7: Erkentnissea8: kommtcd9: Empfindungena10: kannad11: äußern (a) ; äußern (d)ad12: äußerenad13: außena14: kannd15: hängetd16: hängetd17: vond18: außera19: bestimmta20: vorkommtd21: niemalscd22: died23: Witzea24: Analogon von Vernunftd25: versehenend26: bloßena27: kommtad28: außend29: Gebrauchecd30: Joh. 3, 6.d31: diesescd32: ist,cd33: gesorgetd34: Vernunftcd35: angedeihet:d36: Jungen;d37: welchead38: wenigena39: unsrerd40: Gebrauchea41: Menschad42: äußern (a) ; äußern (d)ad43: äußerend44: Denkungsarta45: Sinnea46: Ideena47: Lehrer,a48: siehet,d49: welched50: Gebrauchea51: annimmt,d52: folgeta53: Erziehung,d54: bloßea55: haben,d56: eigened57: fließeta58: Nationend59: äußerera60: Kinder äußerer Erweckungen,d61: mehrerend62: alsdannd63: Volked64: eigened65: höherend66: solled67: schnellerema68: könntend69: Planea70: Menschena71: allmäligd72: höherend73: derd74: Volke,d75: werdend76: sindd77: welchea78: betrügena79: stehlend80: gesetzetd81: bewundered82: Planed83: Zielec84: zuleztd85: diesesa86: kanna87: GOttcd88: Röm. 11, 33–36.

§. 24.

Das zweite in unserer Natur selbst gegründete Hinderniß des schnellern Anwachses moralischer Glückseligkeit ist folgendes.cd1 Der Mensch wird mit solchen /dpositivend\ Naturtrieben geboren, als ihm zu seiner Erhaltung und körperlichen Wohlfart in dem Zustande der blossend2 Natur (worin er kein Mitglied einer kultivirtena3 Gesellschaft ist)a4 nöthig seyn wür|d50|den, um ihm die dazu erforderliche Thätigkeit zu geben. Wenn ein Kind einen jeden, derd5 ihm etwas nimt,acd6 oder sonst wehe thut, ins Gesicht schlägt, kratztad8 oder beißt,a10 so ist disd11 nichts moralisch Böses; denn in dem blossend12 Zustande der Natur müßte das Kind sich selbst vertheidigen, und also von Kindheit an sich üben, seine Kräfte zur Abtreibung der Beleidigungen anzuwenden. Daß wir nach der jetzigen Verfassung unserer bürgerlichen Gesellschaften die grossed13 Bequemlichkeit geniessend14, von andern beschütztd15 zu werden, ohne uns den Gefahren eines Zweikampfesa16 oder sonstigencd17 Schlägerey aussetzen zu dürfen; daß Richter verordnet sind, und eine Hauptwache auf dem Markte ist, davon brauchte dem Knaben im Brandenburgischen kein Erkentniß angeboren zu werden, weil einem jeden in derjenigen Gesellschaft, darin er geboren wird, alle zum Genußd18 der besondern grössernad19 Vortheile in derselben nöthige Erkentnissed20 durch die Erziehung beygebracht werden können. Gleiche Bewandnißd21 hat es mit allen andern Trieben, nach welchen die Kinder handeln, und welche man aus Unverstand für sündliche Neigungen ansiehet. Sie sind alle gut, ohne sie würde man im blos natürlichen Zustande sich gar nicht erhalten können. Aber |b57| |c57| sie müssend22 durch die Erziehung modificirt,ad23 nach Maaßgabe |a51| der gesellschaftlichen Einrichtung, ina25 welcher wir zu grössererad26 Wohlfart gelangen sollena27, und in Beziehung auf die Bestimmung zu einem gewissen Posten in solcher Gesellschaft gemässigetad28, und nach den Gesetzen derselben sich zu bequemena29 gewöhnet werden. Sie auszurotten ist unmöglich; und auch disd30 ist gut, indem sie uns unter solchen Umständen, wo der Schutz der Gesellschaft uns verläßt, in der nöthigen Thätigkeit unterstützen müssen. Ja selbst die aus ihnen entstehended31 Leidenschaften, ob sie gleich bisweilen Fehltritte veranlassen, gehören zur Schnellkraft unserer Selbstthätigkeit, und ohne sie ist kein Mensch zu Handlungen, died32 Muth, Standhaftigkeit und Kraft erfordern, aufgelegt. Hieraus lässet sich nun das wahre Principium der Erziehungskunst herleiten. Kinder werden mit lauter an sich guten Trieben geboren, durch deren Be|d51|folgung sie sich aber nur eine blos thierische Wohlfart im unkultivirtena33 Zustande der Natur verschaffen könten;acd34 sollen sie der höhern Wohlfart, welche Mitglieder einer wohleingerichtetencd37 Gesellschaft geniessend38, theilhaftig werden; so müssen ihre Naturtriebe sich nach den Regeln der Ordnung in der Gesellschaft zu bequemen gewöhnet, und sie zu solchen Erkentnissen und Fertigkeiten angeleitet werden, die sie der vorzüglichen Bequemlichkeiten, welche nur brauchbaren Gliedern des Staatskörpers zu Theil werden, empfänglich machen. Kinder der Natur überlassen, heißt sie zu Raubthieren bestimmen, welches dem Pland39 der Vorsicht nicht gemäß ist, die eben darum Menschenkinder so spät zu genungsamen Kräften, sich selbst ernähren zu können, gelangen läßtd40, damit sie erzogen und zu einer gesellschaftlichen und moralischen Wohlfart gebildet werden sollen. Eben so ist es nicht gut, wenn man bey der Privaterziehunga41 und auch wol in öffentlichen Anstalten sich möglichst nach den Kindern zu richten, und ihren |b58| |c58| Neigungen nachzugehen sucht. Sie werden verwöhntd42, |a52| und kommen nicht so gut in der Gesellschaft fort, als wenn sie sich in allerley Personen und Denkartend43 zeitig schicken gelernet haben. In so fernd44 ist oft ein eigensinniger und wunderlicher Hofmeister besser,a45 als ein gar zu nachgebender und gar zu kunstweiser Mann. Ich muß hier beyläufig auch noch des rechten Principiums für die Aufmunterungs und Zuchtmittel gedenken. Kinder können, wie schon gezeigetc46 worden ist, die Gegenstände nicht anders,a47 als nach der sinnlichen Empfindung und nach der Beziehung auf ihre Naturtriebe beurtheilen, und es ist ihnen daher nicht möglich einzusehen, wie das, was ihren Sinnen angenehm ist, im Zusammenhange oder in der Zukunft d48 schädlich, und was ihnen unangenehm ist, dereinst in seinen Folgen /dihnend\ nützlich werden soltea49. Man muß daher,a50 statt der ihnen noch nicht sichtbarena51 und begreiflich zu machenden künftigen guten oder übeln Folgen ihres Verhaltens,a52 willkührliche angenehme Empfindungen mit den zur künftigen gesellschaftlichen Wohlfart abzielenden Handlungen, und willkührliche unangenehme Empfindungen, mit |d52| der ihnen künftig zum Schaden gereichenden Aufführung verknüpfen, und durch diese Associationd53 der Ideen die Neigungen zweckmässigerad54 lenken. Ein Kind wird zum Beyspiel, auch wenn es ihm verboten worden ist, von Obst und andernd55 Eßwaaren naschen; disd56 ist Naturtrieb. Daß es künftig sich dadurch in der Gesellschaft entehrena57 und um viele Vortheile bringen /dwürde, läßtd\d58 sich ihm noch nicht anschauend machen. Muß es aber dafür einen halben Tag hungern, oder bekomta59 es die Ruthe;d60 so überwiegtd61 künftig die Vorstellung dieses sinnlichen Uebels den sinnlichen Trieb zum Naschen, und es wird derselbe /dhiemit gemässigeta62d\d63, daß in der Folge die Vernunft, so bald sie allgemeine Vorschriften und deutliche Beweggründe einzusehen im Stande ist, denselben zu lenken vermag. Soll |b59| |c59| ein Kind lesen lernen;cd64 so muß es durch sinnliche Beloh|a53|nungen zum /dFleiß erweckt /cwerden. Dennc\c65d\d66 an sich ist diese Beschäftigung ihm natürlich unangenehm,a67 und von dem künftigen Nutzen kana68 es keine klare und wirksame Vorstellungen haben. Hieraus ergeben sich folgende allgemeine Regeln:
  • 1. Man muß gute Handlungen nicht durch Strafen erzwingen, sondern möglichst durch Belohnungen zu befördern suchen; weil sie alsdennd69 mit mehrerera70 Lust, und folglich mit Anwendung mehrerer Kraftd71 und demnach vollkomnera72 verrichtet werden, auch leichterc73 eine Fertigkeit in ähnlichen Fällen auf ähnliche Art sich zu verhalten erweckt wird.
  • 2. Bey Züchtigungen sind so vield74 und so starke unangenehme Empfindungen zu veranlassen, als bey jedem einzelnen Kinde nöthig sind, dem sinnlichen Reizea75 zu Unarten das Gegengewicht bis zur Reife des Verstandes zu halten, damit solche nicht vorher schon zu bösen Gewohnheiten werden.
  • 3. Man muß Belohnungen und Züchtigungen möglichst den guten und üblen Folgen, welche gewisse Handlungsarten in der Societätd76 haben, analogischd77 und proportionirtd78 einrichten. Z. E. Gewaltthätigkeit gegen andere Kinder durch schmerzhafte Strafen; Lügen |d53| durch Beschämung und Aeusserungad79 eines fortgesetzten Mißtrauens gegen des Kindes Aussagend80.
  • 4. Niemals muß man das Erlernen oder sonst eine nützliche Uebung Kindern zur Strafe machen, weil hierdurch ein Widerwille gegen das Gute erregtd81 wird. Aller Unterricht muß ihnen stets als Wohlthat erscheinen.
Aus diesen Betrachtungen erhellet nun abermals, wie Versäumnisse und Fehler in der Erziehung bösartige Gewohnheiten vor dem Gebrauchd82 des Verstandes veran|b60|lassen können, und daß daher in Absicht der Erwachse|c60|nen ein öffentlichd83 Lehramt nützlich sey, um jeden durch Unter|a54|richt und Erinnerung bey der nachmals schwer fallenden Besserung zu Hülfe zu kommen. In dieser Beziehung soltena84 sich die Prediger, als freundschaftliche von den Häuptern /dder Societätd\d85 verordnete Rathgeber des Volksd86 betrachten, und in ihren öffentlichen Vorträgena87 die allgemeinen Regeln des gesellschaftlichen Wohlverhaltens ins Licht setzen, Beweggründe und Hülfsmittel der Ausübung an die Hand geben,c88 und zur willigen Beobachtung der zum allgemeinen Besten abzielenden Landesgesetze aufmuntern; damit niemand allererst durch positived89 Zwangsmittel, wiea90 ein unartiges Kind, von der /aObrigkeita\a91 genöthiget werden dürfte /agut zu seyna\.
Aus dem hier angegebenen wahren Principium der Erziehung erhellet, in wie /dfern Roußeaud\d92 Recht habe, wenn er die Naturtriebe für gut erklärtd93, und in wie fern er bey den daraus gefolgerten Regeln für die Erziehung sich geirret habe.
cMehr Entwickelung über die Erziehungsregeln findet man theils in der Nachricht von der jetzigen Verfassung der Erziehungsanstalten in Züllichau von 1786. theils im 3ten Heft meiner philosophischen Unterhaltungen.c
cd1: folgendes:d2: bloßena3: cultivirtena4: ist),d5: welcheracd6: nimmt, (a) ; nimmt, (c d)acd7: nimtad8: krazt (a) ; krazt (d)ad9: kratzeta10: beißt;d11: diesesd12: bloßend13: großed14: genießend15: beschützeta16: Zweykampfescd17: einerd18: Genussead19: größernd20: Erkentnisse,d21: Bewandnisd22: müssen,ad23: modificirt (a) ; modificirt (d)ad24: gebildet,a25: vermögead26: größerera27: könnenad28: gemäßigeta29: bequemen,d30: diesesd31: entstehendend32: welchea33: uncultivirtenacd34: könnten; (a) ; könnten; (c) ; könnten; (d)acd35: könten: (c) ; könten: (d)acd36: können:cd37: wohl eingerichtetend38: genießend39: Planed40: lässeta41: privat Erziehungd42: verwöhnetd43: Denkungsartend44: fernea45: besserc46: gezeigta47: andersd48: ihnena49: solltea50: dahera51: sichtbaren,a52: Verhaltensd53: Vergesellschaftungad54: zweckmäßigerd55: andrend56: diesesa57: entehren,d58: werde, lässeta59: bekommtd60: Ruthe,d61: überwiegeta62: gemäßigetd63: hiermit gemäßigetcd64: lernen,c65: werden, dennd66: Fleiße erwecket werden, denna67: unangenehma68: kannd69: alsdanna70: mehrd71: Kraft,a72: vollkommnerc73: leichtterd74: vielea75: Reitzed76: Gesellschaftd77: ähnlichd78: angemessenad79: Aeußerungd80: u. s. w. bestrafend81: erregetd82: Gebrauched83: öffentlichesa84: solltend85: des gemeinen Wesensd86: Volkesa87: Vorträgen,c88: gebend89: äußerea90: alsa91: Obrigkeit, gut zu werden,d92: ferne Rousseaud93: erkläret

§. 25.

Der dritte natürliche Grund, warum das von allen in der Gesellschaft erzogenen Menschen so leicht zu erlangende Erkentniß der moralischen Vorschriften, doch nicht eine so allgemeine und fortdaurende Wirksamkeit auf die Gesinnungen und Handlungen beweiset, als man vermuthen soltea1, ist dieser: daß zwar die Vernunft leicht und oft veranlasset wird einzusehen, wie die Tugend auf die Ver|d54|besserung des gemeinsamen und /dprivatd\d2 Wohls, so wie das Laster zu allgemeinen Zerrüttungen und unsrema3 eigenen Schaden abzielet, daß aber nach dem Laufd4 der Welt es öfters Fälle giebt, wo die Tugend uns nachtheilig zu werden,a5 und eine nicht allzugewissenhafte Beobachtung der Morald6 uns leichter und geschwinder glücklich |c61| machen zu können scheinet. So lange nun der Mensch |b61| die moralischend7 Vorschriften nicht für so allgemein hält, daß sie ihn in allen einzelnen Fällen richtig leiten, son|a55|dern unter einigen Umständen Ausnahmen davon zu machen für erlaubt ansiehet, so gehörtd8 nicht viel dazu, ihn nach und nach zu gänzlicher Gewissenlosigkeit zu verleiten. Es ist kein Dieb, derd9 nicht die Ehrlichkeit für etwas ihm und andern nützliches ansehen soltea10. Allein er glaubt von Zeit zu Zeit cd11 in dem Fallcd12 zu seyncd13, wo eine Ausnahme von der Regel gemacht werden müsse. Hieraus folget, daß der Mensch um cd14 gewissenhaft zu seyn, /derstc15 überzeugtd\d16 werden müsse, die Tugend mache incd17 allen Fällen glücklicher, als ein Vergehen gegen die Gesetze, und es sey keine Ausnahme von den Vorschriften des Gewissens in /airgends einema\a18 Falle unscd19 unschädlich. Diese Ueberzeugung von selbst in einem solchen Grade zu erhalten, daß sie allen Versuchungen widerstehen köntea20, erfordert eine sehr geübte Vernunft, und es ist offenbar, daß die meisten Menschen sich solche nicht verschaffen können. Hieraus erhellet abermals der Nutzen eines öffentlichen Lehramtes, wenn dieses auch nur die /dProbabilität von der Allgemeinheitd\d21 des Nutzens der Tugend in allen einzelnen Fällen verstärkte, und die Ausnahmen, welche das Volk von moralischen Vorschriften zu machen sich erlaubt, nach und nach immer mehr verringerte.
a1: sollted2: des persönlichena3: unsermd4: Laufea5: werdend6: Gesetzed7: sittlichend8: gehöretd9: welchera10: solltecd11: sichcd12: Fallecd13: befindencd14: stetsc15: erstd16: erst überzeugetcd17: ina18: keinemcd19: ihma20: könnted21: Wahrscheinlichkeit

§. 26.

Ein vierter Grund des natürlichen Mangels höherer Grade der Glückseligkeit liegtd1 darin, daß,a2 indem wir durch den Grundtrieb unserer Selbstthätigkeit immerfort gereiztad3 werden, auf Verbesserung unseres Zustandes zu sinnen, unsrecd5 Aufmerksamkeit fast gänzlich blos auf die Veränderungena6 unsresd7 Zustandes gezogen wird, und wir |d55| darüber die bleibendena8 und fortdaurendena9 Bestimmungen desselben ganz aus der Acht lassen. Vieles von dem Guten, was Menschen von Kindheit |c62| an besitzen, wird von ihnen gar nicht als etwas Gutes |b62| beahndet, und erst dann, wann sie es verlieren, fangen sie an, den Werth dessel|a56|ben zu schätzen. Ein Mensch, der tausend Bequemlichkeiten besitzet, und eine davon verlieret, kana10 Tage lang sich für unglücklich halten, und sich dem rohesten Mißvergnügen überlassen, ohne die 999 Gründe zur Zufriedenheit, died11 ihm noch übrig sind, zu überdenken. Hierzu komta12, daß indem wir immerfort nach Verbesserung streben, wir oft mehr wünschen und zu erhaltencd13 uns Hofnung machen, als nach der Ordnung der Dinge von uns erlangt werden kana14. Wenn sich alsdenncd15 auch wirklich unser Zustand verbessert:a16 so sind wir doch wol noch misvergnügta17, blos weil die Verbesserung nicht so groß ist, als wir erwartet hatten. Hieraus erhellet nun abermals sehr deutlich, daß die Naturtriebe an sich gut sind, daß aber, wenn man sich denselben lediglich überläßt, die höhernd18 Grade der Glückseligkeit nicht entstehen können. Denn es ist ohnstreitig besser, daß wir mit dem stets regen Triebe unsrena19 Zustand vollkomnerad20 zu machen geboren werden, als wenn wir mit der Neigung zur Welt kämen, uns mit dem, was wir schon Gutes haben, zu begnügen, und mit der Einerleiheita22 unsrer Bestimmungen zufrieden zu seyn. Alle Thätigkeit würde dabey ermatten, und wir würden nach Art einiger faulen Leute nicht eher unsre Kräfte anwenden, etwas zu unsrema23 Besten zu thun, bis alles, was wir anfänglich hatten, aufgezehret wäre, und uns die Noth zur Arbeit zwänge. Allein /cdob gleichcd\cd24 der Trieb uns immer zu verbessern gerade zu auf Vermehrung der Vollkommenheit, und also /aauf Vermehrunga\ der wahren Gründe zur Glückseligkeit, abzieltcd25, so werden wir doch nur dadurch gereizta26, Mittel zu dauerhafter Zufriedenheita27 und Vergnügen wirklich zu machen, nicht aber cd28 zum Zweckd29 selbst, das vorhandned30 und erworbnead31 Gute mit vollem Bewußtseyn zu geniessend32 und eine fortdau|c63|rende Zufriedenheit in uns zu erhalten, geführtd33. |d56| Es |b63| bedarf also der Mensch auch von dieser Seite einer äusserna34 Hülfe, um zu höherer Glückseligkeit zu gelangen. Das |a57| öftere Ueberdenken aller Bestimmungen unsres Zustandes, die gehörige Schätzung und Zusammenrechnung alles des Guten, was wir besitzen, dessencd35 richtige Abwägung cd36 gegen die wirklich vorhandenen Uebel, endlich das beständige Bewußtbleiben des grossenad37 Uebergewichts des Guten,a38 cd39 sind Geistesgeschäfte, zu welchen wir durch keinen Naturtrieb gereiztad41, sondern erst cd43 angeleitet werden müssen, und wozu öftere Erweckungen zur Uebung, ehe wir zu einer Fertigkeit in denselben gelangen, von aussenad44 her nöthig sind. Man /asiehtcd45 hieraus abermals,a\a46 wie sehr das öffentliche Lehramt zur Verbreitung mehrerer Glückseligkeit in einer Nation nützlich werden kanad47, wenn es die Menschena49 auf die Menge des Guten, was sie ohne es zu beahnden besitzen, aufmerksam macht;ac50 den Werth desselben ins Licht setzt;ad52 die anscheinenden Uebel, als Mittel zu /adgrösserer Vollkommenheit,ad\ad54 im Zusammenhange vorstellt;ad55 anschauende Erkentnisse des Uebergewichts des Guten, zum öftern veranlaßt;ad57 und endlich Mittel sich derselben immer bewußt zu bleiben öffentlich bekanta59 macht, und zum Gebrauchd60 derselben cd61 ermuntert.
Wir werden im folgenden zeigen, daß die vom Christenthum so angelegentlich empfohlne Pflicht des Gebets, und insonderheit des Dankgebets, das natürlichste und wirksamste Mittel sey, ein öfteres Bewußtwerden des Uebergewichts des Guten in unsrema62 gesamten Zustande zu veranlassen, und daß die öftere Uebung des Gebets nach und nach die Fertigkeitcd63 uns unserer vortheilhaften Verhältnisse und Aussichten bewußt zu bleiben, nach den psychologischen Gesetzen des Denkens hervorbringen müsse.
d1: liegeta2: daßad3: gereitzt (a) ; gereitzt (d)ad4: gereizetcd5: unserea6: Veränderungend7: unseresa8: bleibendena9: fortdaurendena10: kannd11: welchea12: kommtcd13: erlangena14: kanncd15: alsdanna16: verbessert;a17: mißvergnügtd18: höherena19: unsernad20: volkommner (a) ; volkommner (d)ad21: volkomnera22: Einerleyheita23: unsermcd24: obgleichcd25: abzieleta26: gereitzta27: Zufriedenheit,cd28: bisd29: Zwecked30: vorhandenead31: erworbened32: genießend33: geführeta34: äußerncd35: diecd36: desselbenad37: großena38: Guten;cd39: dis alles (c) ; dis alles (d)cd40: dieses allesad41: gereitzt (a) ; gereitzt (d)ad42: gereizetcd43: durch Unterrichtad44: außencd45: sieheta46: siehet hieraus, abermalsad47: kann (a) ; kann (d)ad48: könnea49: Menschen,ac50: macht, (a) ; macht, (c)ac51: macht:ad52: setzt, (a) ; setzt, (d)ad53: setzet;ad54: größerer Vollkommenheitad55: vorstellt, (a) ; vorstellt, (d)ad56: vorstellet;ad57: veranlaßt, (a) ; veranlaßt, (d)ad58: veranlasset;a59: bekanntd60: Gebrauchecd61: kräftiga62: unsermcd63: Fertigkeit,

§. 27.

Der fünfte Grund, warum Menschen zum öftern nicht so gut handeln, als es nach ihren Einsichten |b64| |c64| möglich wäre, und sich hierdurch höherer Grade der Glückseligkeit verlustig machen, ist schon mehr allgemein erkantad1, als die vorhergehenden. Es ist dieser: /adie äusserna\a3 Eindrücke bringen in unsrer Seele, auch wenn wir schon im völligen |d57| Gebrauchcd4 der Vernunft stehen, blos sinnliche Erkentnißcd5 hervor, und dabey verhält sich die Seele mehr leidentlich, als selbstthätig. Mit jeder sinnlichen Vorstellung entstehtcd6 eine derselben gemässead7 Begierde, ohne daß wir es verhindern können, und wir sind natürlich geneigt, derselben gemäß uns zu bestimmen. Ob nun gleich jeder im Gebrauchd8 der Vernunft stehende Mensch an sich das Vermögen hat, ehe er sich nach den sinnlichen Begierden entschließt, vorher zu überlegen, ob das ihm sinnlich als gut erscheinende, auch nach seinen Folgen im Zusammenhange, und nach moralischen Vorschriften gut sey;cd9 so findet sich doch, diese Ueberlegungen anzustellen, in uns kein natürlicher Trieb, sondern die Geneigtheit und Fertigkeit zu überlegen, muß blos durch Uebung hervorgebracht werden. So lange sie daher noch schwach ist, wird der Mensch sich oft, ehe er überlegtd10 hat, von den sinnlichen Begierden hinreissend11 lassen, etwas zu thun, was er bey nachheriger Ueberdenkung mißbilligen muß. Ueberdis giebt es Fälle, worinnen auch geübtea12 von ihren sinnlichen Begierdena13 überrascht werden, und wo die Vernunft nicht stark genung ist, dem sinnlichen Reizea14 und den Naturtrieben zu widerstehnd15. Dahin gehörtd16 zum Beyspiel: wenn in dem Augenblicke des Entschlusses das sinnlichd17 Gute sich sehr klar, und durch /cdBegleitungcd\cd18 der materiellen Ideen /cdim Körpercd\ sehr lebhaft, die gegenseitiged19 Beweggründe aber sich eben deswegen nur schwach und blos symbolisch vorstellen, auch wol die üblen Folgen im Zusammenhange noch sehr entfernt, ungewiß und vermeidlich erscheinen;a20 oder auch, wenn der Entschluß schnell gefaßtd21 werden muß, weil die Gelegen|b65||c65|heit zu handeln vorbey eilt, und also zu überlegen nicht Zeit ist:a22 in allen diesen Fällen wird auch der klügste,cd23 und tugendhaftestecd24 straucheln, und unter ihnen derjenige |a59| am ersten, der die meiste Thätigkeit und Schnellkraft besitzet. Dieser Fehltritte werden von selbst immer weniger, weil man durch die Folgen eines jeden derselben zu mehrerer Vorsichtigkeit erwecktcd25 wird. Allein wer blos durch die Menge eignerd26 Erfahrungen diesecd27 Behutsamkeit erlernen soll, verliertcd28 einen /dallzu grossend\d29 Theil |d58| seiner Wohlfart; weil oft eine einzige leidenschaftlichea30 Handlung, eine einzige Uebereilung, uns den Verlust eines sehr ansehnlichen Theils unsresa31 Glücksd32 zuziehen kana33. Auch hier muß man daher demacd34 Menschen zu Hülfe kommen. /dDis geschiehtc35d\d36, indem man theils die moralischen Vorschriften und alle Beweggründe zu ihrer Beobachtunga37 ihnen zum öftern vorhälta38 und hierdurch die Vorstellung derselben bey ihnen habituellerd39 macht; theils wenn man die gewöhnlichsten Beyspiele der leidenschaftlichena40 Uebereilungen und derselben üble Folgen ins Licht setztd41; theils indem man die Veranlassungen zu denselben und die Mittel solche zu vermeiden, und ihnen, wenn sie uns überraschen, dennoch zu entrinnen, bekanta42 macht, und zur täglichen Vorausüberdenkung der Gelegenheiten, died43 uns zum Uebereilen verleiten köntena44, erwecketcd45.
Wird das öffentliche Lehramt dazu verwandt, so ist es in die Augen fallend, daß es Klugheit und Vorsichtigkeit befördert, und mithin die Glückseligkeit um so viel vermehrtcd46, als es die Uebereilungen zum Nachtheild47 vermindert.
Es verhält sich mit den Geistesfertigkeiten des Menschen, wie mit den körperlichen. Beyderley Fertigkeiten erwachsen lediglich aus eignen Uebungen. So wie ein Kind, ehe es gehen und laufen lernt, öfters fället, aber eben hierdurch immer vorsichtiger wird, so strauchelt auch unser Geist bey demd48 ersten selbstthätigen Versuchd49 auf der Laufbahn zur zuvörderst sehr oft, nach und nach a50 immer wenigercd51. Jeder Fehltritt macht uns /dbehutsamer. Undd\d52 wie ein lebhafter Mensch bey /cdder grössern Fertigkeitcd\cd53 im Laufen |a60| öfterd55 in Gefahr komta56 zu fallen, und wirklich fällt, als ein mit phlegmatischerd57 Langsamkeit alle Schritte abzählender Mensch;a58 der erste aber, ob er gleich öfter fället, doch gewiß viel weiter kommen wird,a59 als der letztere:a60 so können auch /cdoftcd\ die thätigsten Geister durch ihre Lebhaftigkeit zu schwerernd61 Fällen veranlaßtd62 werden, als schwache Köpfe, demohnerachtet aber /cdzu höherna63 Gradencd\cd64 der Glückseligkeit /cdhinanklimmencd\cd65.
ad1: er|a58|kannt (a) ; er|a58|kannt (d)ad2: anerkanta3: Die äußerncd4: Gebrauchecd5: Erkentnissecd6: entstehetad7: gemäßed8: Gebrauchecd9: sey:d10: überlegetd11: hinreißena12: geübte,a13: Begierden,a14: Reitze,d15: widerstehend16: gehöretd17: sinnlichecd18: starke Bewegungd19: gegenseitigena20: erscheinen:d21: gefasseta22: ist;cd23: Klügstecd24: Tugendhaftestecd25: erwecketd26: eigenercd27: diecd28: verlieretd29: allzugroßena30: leidentschaftlichea31: unsersd32: Glückesa33: kannacd34: denc35: geschiehetd36: Dieses geschieheta37: Beobachtung,a38: vorhält,d39: geläufigera40: leidentschaftlichend41: setzeta42: bekanntd43: welchea44: könntencd45: erwecktcd46: vermehred47: Nachtheiled48: dend49: Versuchena50: abercd51: seltenerd52: behutsamer, undcd53: grösserer Schnelligkeit (c) ; grösserer Schnelligkeit (d)cd54: größerer Schnelligkeitd55: öftersa56: kommtd57: kaltera58: Mensch,a59: wirda60: letztere,d61: schwererend62: veranlasseta63: höherencd64: höhere Gradecd65: vor jenen ersteigen

§. 28.

Zu den Hindernissen des schnellern Fortganges zu höhernd1 Graden der Glückseligkeit gehöret /asechstensd2 die |d59| Geneigtheit aller Menschen, sich nach andrer Beyspiel zu richten, und sich nach den herrschenden praktischen Meinungen ihrer Nation zu bestimmen.a\a3 Da die Begierde nachzuahmen ein Naturtrieb ist, so muß an sich mehr Gutes als Böses dadurch bewirktd4 werden; und disd5 lehretc6 auch die Erfahrung, indem unsre Vernunft und Sitten am meisten durch Umgang gebildeta7 werden. Allein da oft schlechte Muster gewählt, und ohne Unterschied das Böse so wol,d8 wie das Gute nachgeahmtcd9 wird, so ist offenbar, daß hier abermals auch erwachsene Menschen noch oft der Hülfe des Unterrichtsa10 und der Warnungen vor üblen Beyspielen bedürfen. Eben so ist die allgemeine Geneigtheit, sich nach den herrschenden praktischen Meinungen seiner Nation zu richten, mehr vortheilhafta11 als schädlich, indem alle so genanteacd12 Vorurtheile /da potiorid\d13 wahr sind, und also öfter richtig als unrichtig führen/d; weil sie nur bey der Anwendung auf die wenigen Fälle, von welchen sie nicht abstrahiret sind, auf Abwege leitend\. Es ist in dieser Absicht für jede Nation ein grossesad14 Beförderungsmittel der Glückseligkeit, wenn weise Männer in öffentlichen Vor|b67||c67|trägen die herrschenden Maximend15 berichtigen, das Gute der Vorurtheile benutzen, und die Fälle, wo sie irre führen, deutlich ins Licht setzen.
|a61| Vorurtheile sind /dpartikulärea16 wahred\ Sätze, d17 welche abercd18 in so fern sie als allgemeine Wahrheiten /dzu Prämissen unsrer Schlüsse gebrauchtd\d19 werden, bisweilen einen falschen Schlußsatz veranlassen. Z. B. der Satz:a20 was ein gelehrter und frommer Mann versichert,d21 das ist wahr; wird diejenigen, died22 nicht selbst die innern Gründe des wahren und falschen einer Behauptung prüfen können, in den meisten Fällen richtig,cd23 und nur bisweilen irre führen. Aber eben diese Leute würden bey dem Unvermögen selbst zu untersuchen ganz ohne Einsichten bleiben, wenn sie nicht geneigt wären, diesen Satz für allgemein wahr zu halten. Im Ganzen sind daher Vorurtheile mehr nützlich als schädlich, besonders in praktischen und in solchen Fällen, wo keine Suspensiond24 des Urtheils und Entschlusses statt findet.
cdNur Gelehrte müssen in dem Felde der menschlichen /dKentnisse, darind\d25 sie Führer der Layen seyn wollen, alles selbst erforscht haben, und sich nicht von ihren Vorgängern blindlings leiten lassen.cd
d1: höherend2: sechstens,a3: sechstens, die Geneigtheit aller Menschen, sich nach andrer Beyspiel zu richten, und sich nach den herrschenden praktischen Meinungen ihrer Nation zu bestimmen.d4: bewirketd5: diesesc6: lehrta7: cultiviretd8: wolcd9: nachgeahmeta10: Unterrichts,a11: vortheilhaft,acd12: genannted13: in Beziehung auf die meisten Fälle (oder a potiori)ad14: großesd15: Verhaltungsregelna16: particuläred17: die größtentheils wahr sind,cd18: aber,d19: bey unsren Schlüssen zum Grunde gelegta20: Satz,d21: versichert:d22: welchecd23: richtigd24: Verzögerungd25: Kenntnisse, in welchem

|d60| §. 29.

Zuletzt und siebentens gehören zu den allgemeinen Hindernissen der höhern /aGlückseligkeit die falschen Religionsbegriffea\a1, durch welche theils die richtige Anleitungen des natürlichen Gewissens vereitelt, theils ungegründete moralische Beängstigungen veranlasset werden. Ich rechne alle falsche Religionsbegriffe insgesamt, ob sie gleich bey den verschiednend2 Nationen /aund Religionspartheyena\a3 sehr verschieden sind, doch unter die natürlichen allen Menschen gemeinen Hindernisse höherer Glückseligkeit; weil sie alle darauf hinauslaufen, daß man der Gottheit eine willkührliche Denkartd4 zuschreibt, und sich daher überredet, daß sie den Menschen willkührliche Gesetze vorschreibe, und willkührliche Strafen mit |c68| deren Uebertretung verbinde. Auf diese Begriffe aber kommen die Menschen alled5 auf einem und demselben Wege, indem /acdacd\acd6 nur durch analogische |b68| Schlüsse zu Erkentnissen d8 der Gottheit gelangen können. Der erste Grundbegrif von dem höchsten Wesen, worinnen alle Völker übereinkommen, ist der Begrif von |a62| einer alles überwältigenden Macht. Nun /dabstrahirt sichd\d9 /aeina\ jeder entweder von der Handlungsart der Mächtigsten seines Landes die Denkartd10, welche er der Gottheit beymißtd11, oder er urtheilt nach seinem eignend12 Charaktera13, und glaubt, die Gottheit handle so, wie er selbst handeln würde, wenn er eine allgewaltige Kraft besässead14. Es ist hier der Ort nicht, ausführlich vorzustellen, was für unbeschreiblichen Schaden alle Begriffe von etwas willkührlichema15 in der Denkart und dem Verfahren der Gottheit gegen die Menschen von je her angerichtet haben. Wem kana16 es aber /dauchd\ aus der Geschichte unbekanta17 seyn, wie die Menschen, um sich der Gottheit wohlgefällig zu machen, bald sich des Genusses der unschuldigsten Vergnügungen des Lebens beraubt, bald sich den Geschäften in der Gesellschaft ganz entzogen, und durch allerley lächerliche Uebungen und Selbstpeinigungen ihr Leben für sich und andre unnütz und elend gemacht; bald Schandthaten zur Ehre der Gottheit begangen; /cdoder gegen einandercd\cd18 über Lehrformeln in der Religion cd19 gewüteta20 haben. Hier ist nur überhaupt der sehr wichtige Satz zud21 recht genauerd22 Prüfung und allgemeinen Anwendung allen öffentlichen Lehrern zu empfehlen: daß Gott nach seiner höchsten Weisheit den Plan in der Natur so vollkommen gemacht habe, daß es keiner Abänderung /doderd\d23 Zusätze zu dem Naturgesetze bedarf, sondern d24 alle wahre göttliche Offenbarungen nur dazu nöthig sinda25 und wirklich abzielen, uns auf den Plan Gottes in der natürlichen Einrichtung unsrer selbst, und der ausserad26 uns vorhandenen Dinge aufmerksam zu machen, solchen ins Licht |c69| zu setzen, und gleichsam näher, und in gerader Linie uns vor die Augen zu stellen. Alles willkührliche führtd27 von dem natürlichen wahren Wege zur Glückseligkeit ab, ver|b69|wirret die Gewissen, und bringtd28 nothwendig eine Menge Kollisionenad29, und daraus erwachsender moralischer Beängstigungen hervor. Ich trage daher kein Bedenken |a63| geradehin zu behaupten, daß das öffentliche Lehramt nach dem Maaßd31 nützlich oder schädlich sey, nach welchem es die Begriffe von willkührlichen Forderungen Gottes verringert, oder vervielfältiget, und daß es ein Hauptzweck der christlichen Religion sey, die Begriffe von aller Willkühr in Gottes Verhalten gegen uns völlig zu vertilgen. Dieses wird im folgenden Abschnittd32 zu immer größrerd33 Deutlichkeit entwickelt werden.
Disd34 ist das πρωτον ψευδος, die Urquelle aller Unrichtigkeiten und aller Verwirrungd35 im theologischen Systemd36, daß man von einer göttlichen Offenbarung Entdeckungen solcher Begriffe und Sätze erwartet, died37 nicht in der Natur der Dinge gegründet sind; daher hascht man nach Geheimnissen und Unbegreiflichkeiten, welche den Verstand doch mehr /averfinstern alsa\a38 aufklären, und kein Licht über den Weg zur Glückseligkeit verbreiten können.
a1: Glückseligkeit, die falschen Religionsbegriffed2: verschiedenena3: einzeln genommend4: Denkungsartd5: sämtlichacd6: wir natürlicher Weise (a) ; wir natürlicher Weise (c d)acd7: wir alle natürlicher Weised8: vond9: entlehnetd10: Denkungsartd11: beymissetd12: eigenena13: Characterad14: besäßea15: willkührlichena16: kanna17: unbekanntcd18: und end|d61|lich sogarcd19: gegen einandera20: gewüthetd21: zurd22: genauend23: und keinerd24: daßa25: sind,ad26: außerd27: führetd28: bringetad29: Collisionen (a) ; Collisionen (d)ad30: Gewissenszweifeld31: Maaßed32: Abschnitted33: größererd34: Diesesd35: Verwirrungend36: Systemed37: welchea38: verfinstern, denn